Entwicklung und anatomische Organisation I · Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3:...

Preview:

Citation preview

Inhalt:

1. Prinzipieller Aufbau eines Nervensystems

2. Evolutionäre Entwicklung

2.1 Cnidarier: Hydra und Medusen

2.2 Plathelminthen und Nemathelminthen:

C. elegans

2.3 Mollusken: Aplysia und Octopus

2.4 Arthropoden: Drosophila

3. Musterbildung bei Drosophila

Literatur:

Kandel ER, Schwartz JH, Jessell TM. Principles of neural science. New

York: McGraw-Hill *** (€77,95 – 1760 pp.)

Kahle, W. Taschenatlas der Anatomie. Band 3: Nervensystem und

Sinnesorgane. Stuttgart: Thieme *** (€29,99 – 423 pp.)

Entwicklung und anatomische Organisation I

Prinzipieller Aufbau eines Nervensystems

Sensorischer

Eingang

(Input)

Verarbeitung

der Information

(Integration) Motorischer

Ausgang

(Output)

Nervensystem = Gesamtheit der Nervenzellen

Sensorischer

Eingang Motorischer

Ausgang

Verarbeitung der

Information

(Campbell, Biologie)

Aurelia aurita (Ohrenqualle)

Niedrigste Organismen mit einem erkennbaren

Nervensystem: Cnidarier („Nesseltiere“)

Unterscheidung in

Polypen: sessile Form des Cnidarierbauplans

z.B. Hydra

Medusen (Quallen): freischwimmende Form des Cnidarierbauplans

z.B. Aurelia aurita

Hydra

- Einbettung ohne besondere Bindegewebshülle in das Gewebe

- Nervenzellen nicht myelinisiert (wie postganglionäre Neurone des

autonomen Nervensystems)

- Erregung breitet sich mit starker Verzögerung aus

- Fortsätze nicht in Axone oder Dendriten unterscheidbar; Synapsen

sind z.T. symmetrisch zwischen den Nervenzellen ausgebildet

Diffuses Nervensystem („Nervenplexus“) (kein zentrales Nervensystem)

als alleiniges Nervensystem

( innere Organe bei höheren Organismen)

Nervensystem der Cnidarier

Aurelia aurita (Ohrenqualle) Medusen

Etwas komplexeres Nervensystem

als bei Hydra

Ansätze einer funktionellen Trennung

Einfachstes Nervensystem: Hydra Modellsystem

Hydra

Erregungsübertragung durch Neuropeptide (keine

„klassischen“ Neurotransmitter)

>12 Neuropeptide mit Transmitterfunktion

Reaktion auf mechanische, chemische (z.B.

Glutathion) und elektrische Reize sowie Licht- und

Temperaturwechsel

Hydra

Getrennte Koordination von Schwimm- und Freßbewegungen

Funktionelle Trennung der Nervensysteme bei Medusen

- Zweites Nervennetz mit bipolaren Neuronen, die der

Ring- und Radiärmuskulatur aufliegen und mit ihm in

Verbindung stehen („subumbrellarer Nervenring“):

elektrisch gekoppelte Nervenzellen (3: Ringmuskulatur, 5: Radiärmuskulatur)

Verbindung zwischen beiden Nervenringsystemen

- Netz aus multipolaren Nervenzellen unmittelbar unter

dem ektodermalen Oberflächenepithel in Verbindung mit

Sinneszellen („exumbrellarer Nervenring“): sensorische

Funktion (6: Rhopalium: „Sinneskolben“)

Niedrigste Organismen mit einem klar definierten

Zentralnervensystem: Plathelminthen und Nemathelminthen

Ausbildung von Bilateralsymmetrie

Kopfbildung (Cephalisation)

Konzentration von sensorischen Strukturen am Kopfende

Verdichtung von Nervenzellen am Kopfende: Zerebralganglion (Oberschlund-

ganglion, Gehirn)

Ausbildung eines Markstranges

Markstrang bildet Übergang zwischen diffusem und zentralisiertem

Nervensystem: Nervenzellen ordnen sich zu strangartigen

Verbänden an, die Zellkörper sind aber noch nicht ausschließlich

auf Ganglien beschränkt

Zentralnervensystem der Plathelminthen und

Nemathelminthen

C. elegans als Modellorganismus zur Entwicklung des Nervensystems

- 302 Nervenzellen mit

genau definierter Herkunft,

118 Klassen

- Vollständige

elektronenmikroskopische

Rekonstruktion des

Nervensystems (Brenner

und Mitarbeiter – Nobelpreis

2002)

Zentralnervensystem der Mollusken (Weichtiere):

Hohe Komplexität

Spektrum von relativ einfachen Zentralnervensystemen (ähnlich den

Plathelminthen) bis zu den höchstentwickelten Nervensystemen der

Evertebraten (Cephalopoden (Kopffüßler), z.B. Octopus)

Modellsystem mit relativ einfachem

Zentralnervensystem:

Meeresnacktschnecke Aplysia

californica

Etwa 20,000 ZNS Neurone

Zentralnervensystem der Mollusken (Weichtiere):

Hohe Komplexität

Spektrum von relativ einfachen Zentralnervensystemen (ähnlich den

Plathelminthen) bis zu den höchstentwickelten Nervensystemen der

Evertebraten (Cephalopoden (Kopffüßler), z.B. Octopus)

Modellsystem mit relativ einfachem

Zentralnervensystem:

Meeresnacktschnecke Aplysia

californica

Etwa 20,000 ZNS Neurone

Organisiert in separaten Ganglien

Operante Konditionierung (ein ursprünglich unbedeutendes Spontanverhalten

kann durch Belohnung oder Bestrafung bevorzugt/vermieden werden) in

Aplysia?

Hawkins, R.D., Clark, G.A., Kandel, E.R. (2006) Operant conditioning

of gill withdrawal in Alysia“, J. Neurosci. 26:2443-2448

Aplysia wurde beigebracht, seine Kiemen kontrahiert zu lassen, um einen

elektrischen Schock zu vermeiden

Aplysia: Aufklärung der zellulären Mechanismen einfacher Formen des

impliziten Lernens (Kiemenrückzugsreflex):

- Habituation

- Sensitisierung

- klassische Konditionierung

kond. Reiz: Reizung des Siphon

unkond. Reiz: elektrischer Schlag

am Schwanz

Hochentwickeltes Nervensystem (etwa

42 Mio. Nervenzellen im

Gehirn)

Gutes Lernvermögen

Komplexes Verhalten hochgradig

visuell gesteuert

Periphere und zentralnervöse

Ganglien

Zentralnervöse Ganglien werden als

Loben (>30) bezeichnet, die

zusammen das Gehirn bilden

und von einer Knorpelkapsel

umschlossen sind

Zentralnervensystem der Mollusken (Weichtiere):

Octopus

Chemotaktile und visuelle Zentren sind weitgehend getrennt und bestehen

jeweils aus vier Loben – beide Systeme sind in hohem Maße an Lernen und

Gedächtnisvorgängen beteiligt

Zentralnervensystem der Arthropoden (Gliederfüßler):

Segmentiertes ZNS

Unterteilung der Arthropoden in - Chelicerata (Spinnenartige)

- Crustacea (Krebse)

- Tracheata (Tausendfüßler und Insekten)

ZNS besteht aus

Gehirn (Oberschlundganglion) und

Bauchmark

Konzentration auf Insekten (Insecta) als

experimentell wichtigster und artenreichster

Gruppe

Entwicklung eines komplexen mehrteiligen Gehirns aus stark fusionierten

zerebralen Ganglien (enthält etwa 90% der Neurone des ZNS)

Komplexe Feinstruktur aus Zellkörperregionen ( Kerne), Faserbündel-

arealen ( Bahnen), multiplen Neuropilzentren (Netzwerk aus

Nervenfasern und Gliazellfortsätzen)

Anatomische Unterteilung des

Gehirns in drei Teile:

Proto-,

Deuto- und

Tritocerebrum

Spezialisierung der einzelnen Gehirnbereiche für Informationsverarbeitung aus

einzelnen sensorischen Organen

Protocerebrum: zwei Hemisphären, die seitlich in die optischen Loben

übergehen,

enthält Zentralkörper (vermutlich motorische Kontrolle) und

paarige Pilzkörper (multimodales Integrationszentrum zur Koordination

olfaktorischer und visueller Erregung)

Deutocerebrum: Ursprung der

Antennennerven mit einem

sensorischen und motorischen

Anteil

Tritocerebrum: Innervation der Kopfoberfläche, Ursprung der

Frontalkonnektive

olfaktorische und mechanosensorische Rezeptorneurone enden in

unterschiedlichen Gebieten des Deutocerebrums:

„topische Organisation“

Bauchganglienkette besteht aus

- Unterschlundganglion

- Thorakalganglien (meist 3) und

- Abdominalganglien (embryonal 11

angelegt von denen nicht alle

persistieren

Ganglienkette enthält efferent projizierende

Motoneurone und afferente sensorische Fasern

Bildung der Bauchganglienkette ist Modellsystem für

axonale Wegfindung:

Pionierneurone legen die Fasertrakte der Kommissuren

(Querverbindungen) und Konnektiven

(Längsverbindungen) an

Musterbildung: Die Regionalisierung des Nervensystems

Mechanismen der Regionalisierung:

1. Segmentierung: Unterteilung der Neuralröhre in axial-wiederholte,

modulartige Einheiten (Neuromere)

Grundlage: differentielle Genaktivität Segmentierungsgene

2. Bestimmung der anatomischen Identität der einzelnen Segmente:

Entdeckung der sogenannten „homöotischen“ Gene in Drosophila (in

homologer Form auch in Vertebraten) als Regulatorgene

Mutationen der

homöotischen

Gene führen

zu Muster-

bildungsano-

malien

Bei Vertebraten haben homöotische „HOX“-Gene vergleichbares

räumliches Expressionsmuster wie bei Drosophila

Menschen haben 39 HOX-Gene, die in 4 Klustern organisiert sind und

eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des ZNS, des Skeletts, der

Gliedmaßen und verschiedener innerer Organe spielen

Einige Fehlbildungen der Gliedmaßen sind auf Mutationen der HOX-

Gene zurückzuführen (Goodman (2002) Limb malformations and the human HOX genes. Am. J. Med. Genet.

112:256-265)

Homöotische Gene in Vertebraten

Recommended