Extrakorporale Stoßwellentherapie bei Knochenheilungsstörungen

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Trotz der Fortschritte in der konserva-tiven Behandlung, in der Entwicklungvon operativen Verfahren und in derWeiterentwicklung des Osteosynthese-materials stellt die gestörte Knochen-heilung, insbesondere die Ausbildungvon Pseudarthrosen als typische Kom-plikation,ein persistierendes Problem inder Knochenchirurgie dar.

Eine verzögerte Knochenbruchhei-lung tritt in etwa 7% aller Frakturen auf,die Häufigkeit der Pseudarthrose be-trägt in etwa 5% bei der Frakturbehand-lung und 1–2% bei elektiven Eingriffenam Skelettsystem [21, 26]

Eine normale Knochenbruchhei-lung sollte innerhalb von 3–4 Monatenabgeschlossen sein [38]; eine verzögerteFrakturheilung liegt vor, wenn die knö-cherne Konsolidierung 5–6 Monate nachdem Unfall bzw. nach der letzten Opera-tion noch nicht beendet ist; eine Pseud-arthrose ist im deutschen Sprachraumdefiniert als ausbleibende Knochenhei-lung mindestens 6 Monate nach Verlet-zung oder Operation [42].

Das röntgenologische Kennzeicheneiner Pseudarthrose ist die fehlende knö-cherne Durchbauung der Fraktur, wobeidie Bezeichnung „Pseudarthrose“ eigent-lich auf histomorphologischen Befun-den beruht: Die Pseudarthrose weist ei-ne Differenzierung des lokalen Bindege-webes in Richtung auf eine normaleGelenkstruktur mit synoviaähnlichenGewebezotten und hyalinen oder faseri-gen Knorpelarealen auf [8, 14, 21].

Entsprechend dem Röntgen- bzw.Szintigraphiebefund wird zwischen vi-talen und avitalen Pseudarthrosen unter-

schieden [21, 24, 41]. Bei den vitalen oderhypertrophen Pseudarthrosen handeltes sich um biologisch aktive Pseud-arthrosen, bei denen die Durchblutungdes Knochens erhalten und ausreichendist, aber die Stabilität fehlt. Das Problemder atrophen avitalen Pseudarthrosenist nicht nur ein mechanisches, sondernauch ein biologisches: Neben der fehlen-den Stabilität liegt eine gestörte Perfu-sion der Knochenenden vor, die biologi-sche Aktivität der Knochenenden undihr Reparationspotenzial sind signifi-kant reduziert bzw. völlig fehlend.

Pseudarthrosen führen durch denverlängerten Krankheitsverlauf sowohlzu sozialen Problemen als auch zu er-heblichen volkswirtschaftlichen Einbu-ßen [5].

Die operative Therapie von Pseud-arthrosen, ggf. mit Knochentransplanta-tion, stellte bis jetzt die Standardbehand-lung dar, die Erfolgsquote wird in der Li-teratur mit 86–94% angegeben [7, 25, 26].

Stoßwellentherapie von Pseudarthrosen

Unter der Vorstellung, dass sich durchdie hochenergetische extrakorporaleStoßwellenapplikation (ESWA) die Skle-rosezonen der Knochenenden aufbre-

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001 S253

Trauma Berufskrankh2001 · 3 [Suppl 2]: S253–S261 © Springer-Verlag 2001 Therapeutische Alternativen

Hans Brandner · Klaus SpäthExtrakorporale Stoßwellentherapie, BG-Unfallklinik Murnau

Extrakorporale Stoßwellentherapie beiKnochenheilungsstörungen

Dr. Hans BrandnerExtrakorporale Stoßwellentherapie,BG-Unfallklinik Murnau,Prof.-Küntscher-Straße 8, 82418 Murnau(E-Mail: brandner@bgu-murnau.de,Tel.: 08841-482452, Fax: 08841-482963)

Zusammenfassung

Mit der extrakorporalen Stoßwellentherapie(ESWT) lassen sich Knochenheilungsstörun-gen nichtinvasiv, risiko- und nebenwirkungs-arm sowie ambulant therapieren. Die ESWTist wesentlich kostengünstiger und vondeutlich höherer Patientenakzeptanz als dieoperative Behandlung. Die Auswirkungender ESWT auf den Heilungsverlauf vonPseudarthrosen verschiedener Lokalisatio-nen wurden im Rahmen einer einfachenprospektiven Studie überprüft. In 66,7% derFälle kam es zur Ausheilung; zusätzlichkonnte bei allen in laufender Behandlungbefindlichen Patienten (18,1%) eine deutli-che Zunahme der knöchernen Durchbauungnachgewiesen werden. Das heißt, in 84,8%aller Pseudarthrosen (n = 105) kam es nachstandardisierter ESWT zur knöchernen Kon-solidierung bzw. zur deutlichen Zunahmeder knöchernen Durchbauung. Außerdemberichteten 80% aller Patienten über ein völ-liges Abklingen bzw. eine deutliche Besse-rung der Beschwerden. Es konnten keineFaktoren festgestellt werden, die auf dieWirksamkeit der ESWT bei Pseudarthroseneinen entscheidenden Einfluss haben. Beieinem Misserfolg kann problemlos auf eineoperative Therapieform umgestiegen wer-den, die operative Revision verzögert sichdabei maximal um 12 Wochen. Aufgrund dersehr guten Ergebnisse stellt die ESWT beiKnochenheilungsstörungen eine nicht mehrwegzudenkende Alternative zur operativenTherapie dar.

Schlüsselwörter

ESWT · Pseudarthrose · Klinische Untersuchung

chen lassen, Mikrofrakturen und Häma-tome gesetzt werden und damit die knö-cherne Durchbauung induziert wird,fanden in den letzten Jahren klinischeStudien mit Tiermodellen und In-vivo-Versuchen statt [10, 24]. Gerade im Be-reich des Übergangs vom Weichteilge-webe zu knöchernen Strukturen findensich große Dichteunterschiede der einzel-nen Gewebe, wodurch es zu einer hohenEnergieabgabe der Stoßwellen kommt[24, 39]. Krause [20] unterschied zwi-schen einer direkten und einer indirek-ten mechanischen Wirkung von Stoßwel-len: Die direkte Wirkung entsteht durchdie Umwandlung der Stoßwelle in kine-tische Energie bei Impedanzsprüngen,d. h. beim Auftreffen auf Grenzflächenmit unterschiedlicher akustischer Impe-danz, die indirekte Wirkung wird überdie Kavitation erreicht [20, 28, 29].

Studien zur Pseudarthrosenbehand-lung durch ESWA zeigten eine dosis-abhängige Wirkung an Kortikalis undSpongiosa [1, 14, 39, 40], eine Transfor-mation örtlicher Bindegewebszellen odereine Angioneogenese mit Kallusforma-tion, ähnlich der physiologischen Frak-turheilung [2, 12, 13, 18, 19, 33, 37]. Insbe-sondere konnten Kusnierczak et al. [23]ein Dosis-Wirkungs-Prinzip der ESWTnachweisen: Eine Mindestanzahl an Im-pulsen (1000) oberhalb einer Mindest-energieflussdichte (mittel-hochenerge-tisch) wird benötigt, um Effekte auf dasKnochenzellverhalten zu erreichen undnachzuweisen, dabei ist die Impulszahlder maßgebliche Faktor. Hohe ESWA-Dosen bewirken kurzfristig eine Zell-destruktion, mittelfristig eine Stimula-tion der überlebenden Zellen. Es ist zuvermuten, dass niedrigpotente („schwa-che“) Zellen zerstört und die potenten(„starken“) zum Wachstum angeregtwerden und sich in der Folgezeit wiedervermehren [23].

Als positive Effekte der hochenerge-tischen ESWT auf die Frakturheilungwurden beschrieben [9, 12, 13, 18, 19, 22,33, 37, 39, 40]:

∑ Mikrorisse im kortikalen Knochen(„Fragmentation“, Anfrischung vonFrakturenden),

∑ subperiostale Blutungen, sekundäreHämatome im Frakturbereich,

∑ lokale Dekortikation,∑ Stimulation der peri- und endostalen

Osteogenese (Anregung der Fibro- undOsteoblasten),

∑ Förderung der Proliferation spongiösenKnochens („Kallus“).

Der Effekt der extrakorporalen Stoßwel-lentherapie (ESWT) auf die Knochen-bruchheilung wurde mit der Wirkungeiner Spongiosaplastik (infolge der Ent-stehung von zahllosen kortikalen Mikro-chips) sowie dem Effekt einer ausge-dehnten Beck-Bohrung verglichen [14].

Bürger et al. [6] beobachteten in dennach der Behandlung angefertigtenKnochenszintigrammen eine vermehr-te Perfusion und einen vermehrten Kno-chenstoffwechsel im Vergleich zum Aus-gangsbefund.

Bedingt durch die Erfolge der extra-korporalen Stoßwellenapplikation beider gestörten Knochenbruchheilung,diein der Literatur mit 52–91% angegebenwerden [11, 15, 17,25,26,27,31, 33,40],wur-de in den letzten Jahren im Hinblick aufdie operative Therapie die ESWT zu-nehmend als alternative, nichtinvasiveund risikoärmere Therapiemethode pro-pagiert.

Die Mehrzahl der Publikationen er-füllt die Anforderungen einer wissen-schaftlichen Studie allerdings nicht,außerdem sind die meisten bisher er-schienenen Studien nicht miteinandervergleichbar: Teilweise fehlen Angabenzur verwendeten Energieflussdichte undzur Impulszahl, zur Art, Lokalisationund Zeitdauer der Pseudarthrose, zurvorausgegangenen Behandlung und zurVorbehandlungsdauer, zur Ruhigstel-lung vor und nach der ESWA, z. T. wur-de die Dosis innerhalb der Studie mehr-fach variiert usw. Insbesondere sind dieveröffentlichten Dosierungen sehr inho-mogen und nur sehr schwer zu verglei-chen, da unterschiedliche Stoßwellenge-räte mit verschiedener Energieleistungund verschiedenen Mechanismen derStoßwellenerzeugung verwendet wurden.

Klinische Untersuchungen zur Wirk-samkeit einer Pseudarthrosenbehand-lung sind bekannterweise problematisch,da eine Kontrollgruppe praktisch kaummöglich ist. Prospektive randomisierteStudien fehlen bisher; der wissenschaft-liche Methodenvergleich anhand eines(Operations-)Standards bzw. eine ran-domisierte Studie sind u. E. bezüglichder ESWT-Indikation zur Pseudarthro-senbehandlung aus ethischen Gründennicht durchführbar. Nach im Mittel 2,5(in Einzelfällen bis zu 9) erfolglosenVoroperationen lässt sich der „goldene

S254 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001

Therapeutische Alternativen

H. Brandner · K. Späth

Extracorporeal shock-wavetherapy for nonunion following bone fractures

Abstract

Extracorporeal shock-wave therapy (ESWT)can be used as a low-risk, noninvasive thera-py for nonunion following bone fractures; inaddition, the incidence of side effects is lowand it can be carried out as an outpatientprocedure. It is also considerably less costlythan operative treatment and patient accep-tance is much better.This simple prospectivestudy was performed to evaluate the influ-ence of ESWT on the course of healing ofpseudarthroses in different locations. In66.7% of cases the pseudarthrosis healedcompletely; in addition, in all patients cur-rently undergoing ESWT (18.1% of the wholecollective) a distinct improvement of bonyhealing was seen.This means that after stan-dardised ESWT complete healing or a distinctimprovement in bony healing was achievedin 84.8% of all nonunions (n = 105). More-over, 80% of all patients reported that theybecame completely symptom free or experi-enced distinctly less severe symptoms.Wedetected no factors with a decisive influenceon the effect of ESWT. If there is no improve-ment with ESWT it will not delay operativetreatment by longer than 12 weeks.Thegood results achieved make ESWT a realalternative to surgery in patients with long-standing bony nonunions.

Keywords

Extracorporeal shock-wave therapy ·Nonunion · Clinical study

Trauma Berufskrankh2001 · 3 [Suppl 2]: S253–S261 © Springer-Verlag 2001

Standard“ nicht mehr randomisiert er-mitteln; kein Patient lässt sich für einerandomisierte Studie rekrutieren, dempostoperativ 10–12 Wochen Gehstützenin Aussicht gestellt werden müssen,wenn ihm alternativ mit der ESWT eineambulante Behandlung und sofortigeMobilität angeboten werden kann [34].Auch ist es bei den ermittelten Erfolgs-quoten der ESWT im Fall einer Pseud-arthrose einem Patienten in keiner Weisezumutbar, noch weiter mit „Nichtstun“zuzuwarten, um dann nach einigen Mo-naten ESWA-behandelte Patienten mitunbehandelten Patienten vergleichen zukönnen. Wir haben aus diesem Grundunsere anfänglich randomisiert begon-nene Studie abgebrochen und in eineeinfache prospektive Studie „umgewan-delt“.

Ziel der Studie

Das Ziel der vorliegenden klinischenStudie war es, im Rahmen einer einfa-chen prospektiven Studie die Auswir-kungen der ESWT auf den Heilungsver-lauf von Pseudarthrosen verschiedenerLokalisationen zu überprüfen. Zusätz-lich sollte untersucht werden, inwieweitdie Lokalisation der Pseudarthrose, dieossäre Potenz (hypertroph oder atroph)oder der Zeitpunkt der ESWT nach derVerletzung bzw. der letzten Operationfür eine spätere Frakturheilung von Be-deutung sind; außerdem sollten die „Ver-sager“ genauer aufgeschlüsselt werden.

Material und Methode

Definition der Pseudarthrosen

Es wurden nur „echte“ Pseudarthrosenentsprechend der Definition nach Wirth[42] in die Studie aufgenommen: Dasheißt, mindestens 6 Monate nach der Ver-letzung oder der letzten Operation zeig-ten sich röntgenologisch keine Anzeicheneiner Ausheilung der Fraktur, und es be-standen Schmerzen bei Belastung bzw.auf Druck oder bei klinischer Biege-oder Rotationsbelastung („Stresstest“).

Einschlusskriterien

Einschlusskriterien waren

∑ ein unbegrenztes Patientenalter,∑ nur „echte“ Pseudarthrosen im Sinn

obiger Definition,

∑ Breite des Pseudarthrosenspalts maxi-mal 5 mm,

∑ kein florider Infekt,∑ kein Tumorleiden,∑ keine angeborene Knochenerkrankung

(z. B. Osteogenesis imperfecta oder an-geborene Tibiapseudarthrose),

∑ interne oder externe Stabilisierungohne erkennbare Fragmentinstabilitätsowie

∑ eine ausreichende Reposition (Tabelle 1).

Die ESWT wurde z. T. ambulant, z. T.während eines stationären Aufenthaltsaus anderer Indikation durchgeführt.Verwendung fand das Gerät Epos-Fluoro(Fa. Dornier) mit elektromagnetischemSystem als elektrischer Schallquelle so-wie mit Ultraschall- und Röntgenortungdes Stoßwellenfokus.

Im Hinblick auf das Dosis-Wir-kungs-Prinzip der ESWT am Knochen[23] bzw. aufgrund eigener Erfahrungnach 3 Misserfolgen mit nieder- undmittelenergetischer ESWA zu Beginnder Studie haben wir grundsätzlich 2000Impulse je Sitzung mit hochenerge-tischer ESWA (d. h. bei Epos-Fluoro-Stufe 4–6, d. h. 0,49–0,79 mJ/mm2) an-gewendet, wobei die hochenergetischeMindestenergieflussdichte immer Stu-fe 4, also 0,49 mJ/mm2 betrug. Die Im-pulsrate lag grundsätzlich bei 120/min,der Abstand der einzelnen Sitzungenvoneinander betrug jeweils 6 Wochen.Der Stoßwellenfokus, d. h. der Applika-tionsort der Stoßwelle, wurde in derRegel unter Durchleuchtung, nur inAusnahmefällen mit Ultraschall festge-legt.Während der Applikation wurde dieImpulszahl von 2000 im Regelfall auf ei-nen einzigen Abschnitt des Pseudarth-rosenspalts bzw. der Sklerosezone ver-

abreicht, nur in Ausnahmefällen wurdedie Impulszahl auf 2-mal 1000 gesplittet,d. h. auf 2 verschiedene Lokalisationendes Pseudarthrosenspalts verteilt; hier-zu wurde der radiologisch festgelegteStoßwellenfokus nach 1000 Stoßwellenentlang des Pseudarthrosenspalts vari-iert. Zur Ankoppelung zwischen behan-delter Extremität und Stoßquelle fandein handelsübliches Ultraschallgel Ver-wendung. Kontrolluntersuchungen mitRöntgenkontrolle in 2 Ebenen erfolgtenjeweils 6 Wochen nach der letzten ESWT.

Anhand der Röntgenaufnahmenwurden die Pseudarthrosen in hyper-trophe und atrophe sowie nach Lokali-sation in diaphysäre und epi- bzw. meta-physäre Pseudarthrosen unterteilt. Alsknöchern konsolidiert wurde eine Frak-tur bewertet, wenn alle 4 Kortikalesdurchbaut waren.

Die Untersuchung des Patienten vorBeginn und nach Abschluss der ESWTwurde durch einen Facharzt vorgenom-men; neben der klinischen und radiolo-gischen Untersuchung mussten insbe-sondere der Nachweis bzw. Ausschlusseiner Instabilität mit schmerzhafter Bie-ge- oder Rotationsbelastung (positiverbzw.negativer Stresstest) geführt werden.Die Beschwerden des Patienten nach Ab-schluss der ESWT wurden unterteilt in

∑ keine Beschwerden,∑ leichte Beschwerden,∑ mäßiggradige Beschwerden,∑ deutliche Beschwerden,∑ Verschlechterung.

Im Hinblick auf die sehr guten Ergeb-nisse des Gesamtkollektivs wurden ab-schließend nur die Misserfolge der Unter-gruppen näher analysiert.

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001 S255

Tabelle 1Standardisierte extrakorporale Stoßwellentherapie der Pseudarthrosen

ESWT Voraussetzung

2000 Impulse je Sitzung Nur „echte Pseudarthrosen“ mit entsprechenden Beschwerden

Hochenergetische ESWT Keine angeborenen Knochenerkrankungen(Stufe 4–6, d. h. 0,49–0,79 mJ/mm2) Kein Tumorleiden

120 Impulse/min Kein florider Infekt

Abstand der Sitzungen mit Ausreichende RepositionRöntgenkontrolle jeweils 6 Wochen Pseudarthrosenspalt maximal 5 mm breit

Interne oder externe Stabilisierung ohne erkennbare Fragmentinstabilität

Ergebnisse

Beschreibung des Kollektivs

Im Zeitraum von Juli 1998–April 2000(22 Monate) wurden 105 Patienten mit105 Pseudarthrosen mittels ESWA thera-piert. Es handelte sich um 83% männli-che und 17% weibliche Patienten; dasDurchschnittsalter lag bei 45 Jahren(17–72 Jahre), die Häufigkeitsgipfel wa-ren 37 und 57 Jahre.

Entsprechend des röntgenologischenBefunds wurden die Pseudarthrosen inhypertrophe (60%) und atrophe (40%)Pseudarthrosen unterteilt. Es handeltesich vorwiegend um Pseudarthrosen derunteren Extremität (20% Oberschenkel,43% Unterschenkel), seltener um Pseud-arthrosen der oberen Extremität (7%Oberarm, 13% Unterarm), in 7% der Fällehandelte es sich um ausbleibende knö-cherne Heilungen nach Arthrodesen desoberen und unteren Sprunggelenks undbei 10% um „sonstige Lokalisationen“(Klavikula, Beckenbereich) (Abb. 1).

Die Zahl der Voroperationen betrugdurchschnittlich 2,5 (0–9). Im Mittel be-trug die Pseudarthrosendauer 17 Mona-te (6,12–70 Monate), bei den hypertro-phen Pseudarthrosen 14,7 Monate undbei den atrophen Pseudarthrosen 19,3Monate. 65% aller Pseudarthrosen be-trafen die Diaphyse, 29% lagen epi- bzw.metaphysär, 6% waren „sonstige Lokali-sationen“.

Bei insgesamt 10 Pseudarthrosen(9,5%) war ein Infekt vorausgegangen,entsprechend den klinischen und labor-chemischen Untersuchungen bestandjedoch Infektfreiheit von mindestens 3 Monaten.

Die Belastung sowie insbesondereauch die Ruhigstellung der betroffenenExtremität nach der Stoßwellentherapieentsprachen derjenigen vor Beginn derBehandlung, d. h. eine zusätzliche Ent-

lastung oder Ruhigstellung erfolgte inkeinem Fall!

Die durchgeführte Analgesie bei derESWT von Pseudarthrosen ist aus Ta-belle 2 ersichtlich; bemerkenswert hier-zu ist v. a., dass 70% der Patienten mitder Medikation von NSAR (meist Diclo-fenac) gute Schmerztoleranz zeigten unddass 10% keinerlei Analgesierung benö-tigten.

Zeigte sich nach maximal 3-maligerESWT-Anwendung bei der darauf fol-genden Kontrolluntersuchung nach 6Wochen keinerlei Zunahme der knö-chernen Durchbauung, wurde die Be-handlung als „erfolglos“ abgebrochen.

Als Kontraindikationen der ESWTwurden angesehen:

∑ Gerinnungsstörungen,∑ Epiphysenfugen und Infektionen im Fo-

kusbereich,∑ Lungen- oder Darmgewebe im Fokus-

bereich,∑ großlumige Gefäße sowie größere Ner-

ven im Fokusbereich,∑ Pseudarthrosen im Bereich der Wirbel-

säule und des Schädels,∑ Tumoren,∑ Herzschrittmacher,∑ Schwangerschaft.

Untersuchungsergebnisse

Im Durchschnitt waren 2,3 ESWT-Sit-zungen pro Patient bis zur Ausheilungder Pseudarthrose erforderlich [Mini-mum nach nicht durchbauter Arthrode-se des oberen Sprunggelenks mit 2,0 Sit-zungen und Maximum bei Oberarm-pseudarthrosen mit 2,6 Sitzungen (Abb.2, 3)]. In allen Fällen, die zur Ausheilunggebracht wurden, konnte bereits nach 1 ESWA röntgenologisch eine Zunahmeder knöchernen Durchbauung verzeich-net werden.

S256 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001

Therapeutische Alternativen

Tabelle 2Analgesie bei ESWT von Pseud-arthrosen

Analgesie Anteil der Behandlungen [%]

NSAR 70Piritramid (Dipidolor) 10

oder Metamizol (Novalgin) i. v.

Regionalanästhesie 10Ohne Analgesie 10

Abb. 1 � Stoßwellentherapie nach Lokalisation(n = 105)

US43%

OSG7%

Sonstige10%

OA7%

UA13%

OS20%

Abb. 2 � Notwendige Anzahl ESWA-Behandlungen pro Patient bis zur

Ausheilung der Pseudarthrose.1/3 aller Patienten (n = 105)

benötigten hierzu nur eine 1-maligeSitzung mit 2000 Impulsen; in 8,5%

der Fälle waren 5 Sitzungen erfor-derlich (Durchschnitt:2,3 ESWT-Sitzungen)

%

35

30

25

20

15

10

5

01

Behandlung33,3

2Behandlungen

23,8

3Behandlungen

20,9

4Behandlungen

13,3

5Behandlungen

8,5

Abb. 3 � Durchschnitt-liche Anzahl von ESWT-

Sitzungen bis zur Aus-heilung der Pseud-

arthrose entsprechendder Lokalisation

OSG

Sonstige

Unterarm

Unterschenkel

Oberschenkel

Oberarm

Insgesamt

0 1 2 3

Es kam 1-mal zum Auftreten einerKomplikation, wobei eine instabile Nar-be im Sinn einer Hauterosion aufgebro-chen war, dieser Hautdefekt konnte un-ter entsprechender Therapie nach 10Tagen zur Abheilung gebracht werden;außerdem kam es in etwa 50% der Fällezu minimalen Petechien oder Hautge-fühlsirritationen, die ebenfalls nach we-nigen Tagen folgenlos ausheilten.

Im Gesamtkollektiv kam es in 66,7%aller Pseudarthrosen klinisch und radio-logisch nach ESWT zur endgültigen Aus-heilung (Abb. 4, 5, 6, 7); die Ausheilungs-zeit (Zeitdauer von der ersten ESWA biszur Ausheilung) betrug im Mittel 4,2Monate (1–9 Monate), die längste Aus-heilungszeit wurde bei Oberarmpseud-arthrosen (4,8 Monate), die kürzeste beiUnterarmpseudarthrosen gesehen (3,45Monate) (Tabelle 3).

18,10% der Patienten befanden sichnoch in laufender Behandlung, wobei inall diesen Fällen röntgenologisch einedeutliche Zunahme der knöchernenDurchbauung (3 Kortikales durchbaut)sowie klinisch eine deutliche Besserungder Beschwerden nachzuweisen waren.In 1,9% der Fälle wurde die Behandlungohne Angaben abgebrochen. In 13,3%der Fälle konnten keine knöcherne Kon-solidierung bzw. keine Zunahme der knö-chernen Durchbauung nachgewiesenwerden, sodass eine operative Revisionerforderlich war; diese Fälle sind als „Ver-sager“ zu werten.

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001 S257

Abb. 4 � Ergebnisse nach ESWT von „echten“ Pseudarthrosen (n = 105) verschiedener Lokalisationen. In insgesamt 84,8% wardie ESWT erfolgreich: In 66,7% kam es zur knöchernen Konsoli-dierung bzw. in 18,1% zur deutlichen Zunahme der knöchernenDurchbauung bei laufender Behandlung. In 13,3% erbrachte dieESWT keinen Erfolg, sodass eine operative Revision erforderlichwurde

66,70%Behandlung beendet,

Pseudarthrose durchbaut

Laufende Behandlung18,10%

Behandlungs-abbruch o.A.

13,30%Keine Konsolidierung,

operative Revision

1,90%

Abb. 5 a, b � 36-jährige Patientin mithypertropher Pseudarthrose der linkenTibia nach Plattenosteosynthese vor 1 Jahr, starke Belastungsschmerzen, aufUnterarmgehstützen angewiesen (a).b Zustand 6 Wochen später: nach 1-mali-ger, standardisierter ESWA knöcherneDurchbauung, beschwerdefreies Gehenohne Hilfsmittel

a b

Abb. 6 a–d � 30-jähriger Patient, 4 Operationen vorausgegangen; atrophe Tibiapseudarthroserechts, letzte Operation (Marknagelung und Spongiosaplastik) 1 Jahr zurückliegend (a); 4-mal ESWT,nach 7 Monaten Pseudarthrose ausgeheilt, kompletter Rückgang der starken belastungsabhängigenBeschwerden (b); Feinfokusaufnahme (c); Zustand nach ME, 9 Monate nach der ersten ESWA (d)

a b c d

Positive Ergebnisse (Ausheilung bzw.deutliche Zunahme der knöchernenDurchbauung) wiesen 92% aller hyper-trophen und 79% aller atrophen Pseud-arthrosen auf.

Nach Abschluss der ESWT-Behand-lung berichteten 60% aller Patientenüber Beschwerdefreiheit, 20% gaben einedeutliche Besserung der Beschwerdenan, 4% eine leichte bis mäßiggradigeBesserung, 14% der Patienten berich-teten über eine gleich bleibende Be-schwerdesymptomatik und 2% gabeneine Verschlechterung ihrer Beschwer-den an (Abb. 8). Hierbei ist zu berück-

sichtigen, dass bei epi- und metaphysä-ren Frakturen gewisse Beschwerden ur-sächlich auch von Gelenkschäden (Ar-throse) herrühren können.

Die Beschwerden, aufgeschlüsseltnach Pseudarthrosentyp, sind in Abb. 9dargestellt.

Ein signifikanter Unterschied bezüg-lich der Lokalisation der Pseudarthrose(diaphysär, epi- und metaphysär) konn-te hierbei weder im Hinblick auf die Be-schwerden noch auf die knöcherne Aus-heilung festgestellt werden.

Unabhängig von dieser Studie wur-den in unserer Klinik im gleichen Zeit-raum 18 Patienten mit verzögerter Kno-chenbruchheilung im Sinn der oben an-geführten Definition mittels ESWA be-handelt (5-mal Unterarm, 3-mal Ober-schenkel, 10-mal Unterschenkel, sämtli-che Frakturen lagen im diaphysären Be-reich); nach 1- bis 3-mal ESWT konntenalle Frakturen innerhalb von maximal 3Monaten zur Ausheilung gebracht wer-den.

Im Gesamtkollektiv musste bei 14von 105 Pseudarthrosen nach maximal3-mal extrakorporaler Stoßwellenthera-pie ein Versagen der Therapie festgestelltwerden (Tabelle 4); es handelte sich hier-bei um 5 Patienten (4,8% des Gesamt-kollektivs) mit hypertropher und um 9Patienten (8,5% des Gesamtkollektivs)mit atropher Pseudarthrose. Das heißt,etwa 8% aller hypertrophen Pseud-arthrosen und etwa 21% aller atrophenPseudarthrosen konnten nicht zur Aus-heilung gebracht werden. Betroffen wa-ren in 6 Fällen die Tibia (3-mal Frakturder Diaphyse, 2-mal Fraktur der proxi-malen Epiphyse bzw. Metaphyse, 1-malSegmenttransport), 2-mal der Ober-schenkel (1-mal Schaftfraktur, 1-malSchafttransplantation), 2-mal ein Zustandnach Sprunggelenkarthrodese, 1-mal einZustand nach Kniegelenkarthrodese,1-mal eine Talushalsfraktur sowie 1-maleine distale Oberarmfraktur (Abb. 10, 11).

Folgende mögliche Ursachen desMisslingens der ESWT können angeführtwerden (Tabelle 4):

In 2 Fällen (Tibiaschaftfraktur, Knie-gelenkarthrodese) war im Fokusbereicheine Osteomyelitis vorausgegangen, wo-bei es im Fall der Tibiafraktur 5 Wochennach ESWT zum erneuten Auftreten ei-ner Fistel gekommen war.

Ebenfalls in 2 Fällen (distale Ober-armschaftfraktur sowie Schienbeinkopf-fraktur) war eindeutig ein Muskelinter-

S258 Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001

Therapeutische Alternativen

Abb. 7 a, b � 46-jährigePatientin, Pseudarthro-se Metatarsale IV rechtsnach Marschfraktur vor1 1/2 Jahren, erfolglose

konservative Therapie(mehrmals mehrwöchi-

ge Gipsruhigstellung),Belastung des Vorfußesnicht möglich (a); 1-mal

ESWT, Pseudarthroseknöchern durchbaut,

schmerzfreie Vollbelas-tung möglich (b)

a b

Tabelle 3Ausheilungszeit

Lokalisation Ausheilungszeit [Monate] Spannweite [Monate]

Oberarmpseudarthrose 4,8 1,5–8Oberschenkelpseudarthrose 4,6 1–9Unterschenkelpseudarthrose 4,55 1,5–8Unterarmpseudarthrose 3,45 1,5–6Durchschnittlich 4,2

Abb. 8 � Beschwerdesymptomatik nach Ab-schluss der ESWT. Nach maximal 5-maligerESWA berichteten 60% aller Patienten (n = 105)über Beschwerdefreiheit und 24% von einerleichten bis deutlichen Besserung der Beschwer-den (s. Text)

gleich14%

verschlechtert2%

gebessert84%

Abb. 9 � Beschwerden nachAbschluss der ESWT, aufge-

schlüsselt nach Pseudarthro-sentyp. Insgesamt gaben etwa93% aller Patienten mit hyper-tropher Pseudarthrose (n = 63)

und 70% aller Patienten mitatropher Pseudarthrose

(n = 42) eine Besserung ihrerBeschwerden an

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0gebessert gleich verschlechtert

ponat nachweisbar, nach Entfernung des Interponats und Reosteosyntheseerfolgte eine zeitgerechte Frakturhei-lung.

In 3 Fällen ist als Ursache des Miss-erfolgs die Verwendung einer zu niedri-gen Energiestufe anzusehen, es handeltesich um 3 Patienten zu Beginn unsererStudie, aufgrund der vermindertenSchmerztoleranz bei gleichzeitiger Ab-lehnung einer Regionalanästhesie wur-den in 1 Fall nur niedrigenergetischeund in 2 Fällen mittelenergetische Stoß-wellen appliziert,nach 3 Sitzungen konn-ten röntgenologisch keinerlei Reaktio-nen im Bereich der Pseudarthrose nach-gewiesen werden, sodass die Therapieerfolglos abgebrochen wurde.

Bei 4 Patienten sehen wir eine „zwei-felhafte Indikation“ als Ursache des Miss-erfolgs: Es handelte sich 1-mal um einenZustand nach Oberschenkelschafttrans-plantation mit Pseudarthrose im dis-talen Docking-Bereich, je 1-mal um ei-nen Zustand nach Arthrodese des obe-ren bzw. unteren Sprunggelenks, wobeihier das jeweilige Gelenk nur unge-nügend reseziert worden war und grö-ßere Knorpelareale in situ verblieben,sowie 1-mal um eine instabile Talushals-pseudarthrose nach Metallentfernungbei dennoch voller Belastung des be-troffenen Beins.

In 3 Fällen sehen wir das Misslingender ESWT ursächlich in einem völlig

„ausgebrannten“ Knochen nach multi-plen Voroperationen (8–9) und mehr als12-monatiger Entlastung und dadurchAusbildung einer ausgeprägten Inakti-vitätsosteoporose.

Diskussion

Die in einem Zeitraum von 22 Monatenin unserer Klinik mittels ESWA thera-pierten 105 Patienten mit 105 Pseud-arthrosen wurden nach einem strengstandardisierten Schema behandelt, ins-besondere wurden grundsätzlich 2000Impulse je Sitzung mit hochenergeti-schen Stoßwellen, d. h. mindestens 0,49mJ/mm2, angewendet. Die ESWT wurdehierbei ausschließlich erst nach Diagno-se einer „echten“ Pseudarthrose im Sinnder Definition [42] eingesetzt, also zueinem Zeitpunkt,zu dem eine Ausheilungdurch andere Einflüsse unwahrschein-lich war; außerdem handelte es sich im-mer um eine Pseudarthrose ohne er-kennbare Fragmentinstabilität.

Im Gesamtkollektiv kam es hierdurchin 66,7% aller Pseudarthrosen klinischund radiologisch nach durchschnittlich4,2 Monaten sowie nach durchschnitt-lich 2,3 ESWT-Sitzungen zur Aushei-lung; zusätzlich konnten bei den in lau-fender Behandlung befindlichen 18,1%des Gesamtkollektivs röntgenologischeine deutliche Zunahme der knöcher-nen Durchbauung (3 Kortikales durch-baut) sowie klinisch eine deutliche Bes-serung der Beschwerden nachgewiesenwerden.

Das heißt, nach unserer standardi-sierten ESWT kam es in 84,8% allerPseudarthrosen zur knöchernen Konso-lidierung bzw. zur deutlichen Zunahmeder knöchernen Durchbauung. Hervor-zuheben ist hier zusätzlich, dass in alldiesen Fällen bereits nach 1 ESWT-Sit-zung röntgenologisch eine Zunahme derknöchernen Durchbauung erkennbar war.

Außerdem berichteten 80% allerPatienten über ein völliges Abklingenbzw. eine deutliche Besserung der Be-schwerden. Im Vergleich hierzu wird inder Literatur der Erfolg der ESWT beider gestörten Knochenbruchheilung mit52–91% angegeben [33, 40], wobei dieunterschiedlichen Ergebnisse auf einerunterschiedlichen Anwendung der ESWTsowie auf unterschiedlichen Stoßwellen-charakteristika beruhen und somit nursehr bedingt untereinander vergleichbarsind.

Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001 S259

Tabelle 4Therapieversager nach ESWT von Pseudarthrosen (n = 105)

Therapieversager Häufigkeit [n] Häufigkeit [%]

Infekt/Osteomyelitis 2 1,9Interponat 2 1,9Niedrige Energiestufe 3 2,85Zweifelhafte Indikation 4 3,80Ausgebrannt/multiple Voroperationen/Osteoporose 3 2,85Gesamt 14 13,3

Abb. 10 � Beispiel für Versagen der ESWT.29-jährige Patientin, vor 2 1/2 Jahren Unter-schenkeltrümmerfraktur, nach Stabilisierungmit Marknagel: Infekt, nachfolgend zahlreicheOperationen (insgesamt 8, einschließlich Spon-giosaplastik), Ausbildung einer Pseudarthrose.1-mal ESWT, 5 Wochen später erneutes Auftre-ten einer Fistel, röntgenologisch keine Verän-derung im Pseudarthrosenspalt

Abb. 11 � Beispiel für „zweifelhafte Indikation“.57-jähriger Patient Resektionsarthrodeserechtes USG 9 Monate nach Kalkaneusfraktur,Rearthrodese 5 Monate später. Bei nach wie vorfehlender Durchbauung 3-mal ESWT 8 Monatenach Rearthrodese, hierdurch keine Zunahmeder knöchernen Durchbauung. Als Ursache hier-für ist eine ungenügende Resektion der Gelenk-flächen anzusehen

Bei insgesamt 14 Patienten des Ge-samtkollektivs (13,3%) war keine Wirkungder ESWT auf die knöcherne Durchbau-ung der Pseudarthrose festzustellen,die-se Fälle sind als Therapieversager nachESWT zu werten.

Im Gesamtkollektiv konnten unterBerücksichtigung der Einschlusskrite-rien keine eindeutigen Faktoren festge-stellt werden, die auf die Wirksamkeitder ESWT bei Pseudarthrosen einenentscheidenden Einfluss haben: Es lässtsich lediglich tendenziell feststellen,dassbei atrophen Pseudarthrosen schlechte-re Ergebnisse erzielt wurden als beihypertrophen Pseudarthrosen. In unse-rem Patientengut konnten bei insgesamtetwa 8% aller hypertrophen Pseud-arthrosen und in etwa 21% aller atrophenPseudarthrosen keine eindeutige positi-ve Wirkung der ESWT nachgewiesenwerden. Über diese tendenziell schlech-teren Ergebnisse bei den atrophen Pseud-arthrosen wird auch in der Literatur be-richtet [5, 15, 16, 40].

Auch konnte kein statistisch signi-fikanter Unterschied in der Ausheilungs-quote von jüngeren gegenüber älteren Pa-tienten, von offenen gegenüber geschlos-senen Frakturen, von Frakturen mit undsolchen ohne größeren Weichteilschaden,von diaphysären gegenüber epi- und me-taphysären Pseudarthrosen sowie vonPseudarthrosen der oberen gegenüberder unteren Extremität nachgewiesenwerden. Ebenso spielten diesbezüglichdie Pseudarthrosendauer (durchschnitt-lich 17 Monate) und die Zahl der Vor-operationen keine wesentliche Rolle.

Auffallend ist, dass in allen 3 Fällenvon Pseudarthrosen, die zu Beginn derStudie mit niedrig- bzw. mittelenergeti-scher ESWA behandelt wurden,keinerleiErfolg erzielt werden konnte; dies stehtim Einklang mit den Berichten in der Li-teratur [23, 31, 32, 35, 40].

Liegt die Ursache der ausbleiben-den Knochenbruchheilung in einemWeichteilinterponat, kann offensichtlichein Erfolg seitens der ESWT nicht er-wartet werden: Dies konnte in 2 Fällendes Gesamtkollektivs durch die anschlie-ßende operative Revision eindeutig nach-gewiesen werden.

Auch ist erwähnenswert, dass vonden 10 Pseudarthrosen,bei denen ein In-fekt vorausgegangen war, sich trotz kli-nischer und laborchemischer Infektfrei-heit in 2 Fällen nach ESWT keinerleiröntgenologische Veränderungen zeig-

ten, wobei es in 1 Fall etwa 5 Wochennach der ESWT zum erneuten Auftreteneiner Fistel kam. Auch andere Autorenhaben festgestellt, dass insbesondere beiatrophen Pseudarthrosen nach abgelau-fenem Infekt die Erfolgsrate der ESWTniedriger ist [4].

Nach durchschnittlich 2,3 ESWT-Sitzungen pro Patient betrug die klini-sche und radiologische Ausheilungszeitim Mittel 4,2 Monate, wobei hier be-züglich der Lokalisation insbesonderezwischen den Unterarmpseudarthrosen(3,45 Monate) und den Oberarmpseud-arthrosen (4,8 Monate) größere Unter-schiede festzustellen waren.

Wie auch in der Literatur beschrie-ben [6, 24, 36], traten insgesamt nur sehrgeringe Nebenwirkungen in Form vonminimalen Petechien oder Hautgefühls-irritationen auf, wobei es nur in 1 Fall zueiner Komplikation im Sinn eines ober-flächlichen Hautdefekts im Bereich ei-ner instabilen Narbe kam.

Als Kontraindikationen sehen wirinsbesondere die floride Osteitis und dieBehandlung von Kindern mit Pseud-arthrosen in der Nähe von Wachstums-fugen.

Als wesentliche Bedingung für einenErfolg der ESWT von Pseudarthrosen istdie Fragmentstabilität durch interneoder externe Stabilisierung zu werten,wobei im Einklang mit den Angaben inder Literatur [16] eine Implantatauslo-ckerung in keinem Fall nachgewiesenwerden konnte.

Ergänzend zu unserer Studie be-treffs „echter“ Pseudarthrosen konntenim gleichen Zeitraum von 22 Monatenbei 18 Patienten eine verzögerte Knochen-bruchheilung nach 1- bis 3-maliger extra-korporaler Stoßwellenapplikation inner-halb von maximal 4 Monaten zur Aus-heilung gebracht werden.

Es kann also ein abnehmender Er-folg der ESWT von der einfachen, verzö-gerten Frakturheilung über die hypertro-phe Pseudarthrose zur atrophen Pseud-arthrose festgestellt werden, wie auch inder Literatur berichtet wurde [5, 15, 16,24, 40].

Schlussfolgerung

Die extrakorporale Stoßwellentherapie(ESWT) ist eine nichtinvasive, risiko-und nebenwirkungsarme Therapieform,die ambulant durchgeführt werden kann;sie ist wesentlich kostengünstiger und

von deutlich höherer Patientenakzep-tanz als die operative Pseudarthrosen-behandlung.

Bei der ESWT von Knochenhei-lungsstörungen handelt es sich im We-sentlichen um eine nicht operative, nar-benfreie Anfrischung der Pseudarthro-senränder [3]. Hierdurch können einewesentliche Beschleunigung der knö-chernen Durchbauung und im Endef-fekt auch eine Verkürzung der Krank-heitsdauer und damit der Arbeitsunfä-higkeit erzielt werden.

Aufgrund der sehr guten Ergebnissestellt die ESWT für uns eine nicht mehrwegzudenkende Alternative zur opera-tiven Therapie dar. Bei evidenter Kno-chenheilungsstörung ist u. E. in der heu-tigen Zeit ein weiteres Zuwarten nichtmehr angezeigt, die ESWT sollte als ad-juvante Therapie in den dafür geeigne-ten und Erfolg versprechenden Fällenvon verzögerten Frakturheilungen undPseudarthrosen entsprechend frühzeitigeingesetzt werden. Zeichnet sich nachspätestens 2 ESWT-Sitzungen jeweils imAbstand von etwa 6 Wochen ein Misser-folg ab, kann problemlos auf eine opera-tive Therapieform umgestiegen werden,d. h. bei Misserfolg der ESWT verzögertsich ein Revisionseingriff maximal um12 Wochen.

Es besteht insgesamt noch ein um-fangreicher Forschungsbedarf; der Bun-desausschuss der Ärzte und Kranken-kassen wird diesbezüglich aufgefordert,die genauen Bedingungen für eine pro-spektive Studie darzulegen, die für dieAnerkennung der extrakorporalen Stoß-wellentherapie als „wissenschaftlich be-gründete Methode“ erforderlich sind. Essollte sich jedoch um Bedingungen han-deln, die erfüllbar, den Patienten zumut-bar und vom ethischen Standpunkt ausvertretbar sind!

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Trauma und Berufskrankheit · Supplement 2 · 2001 S261

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