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Geldtheorie und Geldpolitik
Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2012
Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik
Sommersemester 2012
7. Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2012 2
7. Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
Mishkin, Kap. 15 und 16; GHM Kap. 10 und 16-18.
7.1 Deutsche Bundesbank
18 Juni 1948: neues, zweistufiges Zentralbanksystem in Deutschland
26. Juli 1957: Bundesbank-Gesetz
01. Juli 1990: Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der DDR und
Ausweitung des Geltungsbereiches der Bundesbank
Dezember 1991: „Vertrag über die Europäische Union“ in Maastricht
01. Januar 1999: Verlust der geldpolitischen Souveränität
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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§ 12 BBankG:
Die Deutsche Bundesbank ist bei der Ausübung der Befugnisse, die ihr nach diesem
Gesetz zustehen, von Weisungen der Bundesregierung unabhängig. Soweit dies unter
Wahrung ihrer Aufgabe als Bestandteil des Europäischen Systems der Zentralbanken
möglich ist, unterstützt sie die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.
§ 13 BBankG
Die Bundesbank ist zur Beratung der Regierung in wesentlichen währungspolitischen
Fragen sowie zur Auskunfterteilung verpflichtet. Die Bundesregierung soll den
Präsidenten der Bundesbank zu Beratungen von währungspolitischer Bedeutung
hinzuziehen.
Seit 2002 ist nicht mehr der Zentralbankrat, sondern der Vorstand das leitende und
verwaltende Organ der Deutschen Bundesbank.
Der Vorstand besteht aus dem Präsidenten (Weidmann), dem Vizepräsidenten
(Lautenschläger) sowie bis zu sechs weiteren Mitgliedern (Böhmler, Dombret, Nagel,
Thiele).
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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Die Mitglieder des Vorstandes werden vom Bundespräsidenten bestellt. Die
Bestellung des Präsidenten und des Vizepräsidenten sowie von zwei weiteren
Mitgliedern erfolgt auf Vorschlag der Bundesregierung, die der übrigen vier
Mitglieder auf Vorschlag des Bundesrates im Einvernehmen mit der Bundesregierung.
Mit Änderung des BBankG werden aus den neun Landeszentralbanken die sog.
Hauptverwaltungen, welche die in ihren Bereich fallenden Geschäfte und
Verwaltungsangelegenheiten durchführen.
Den Hauptverwaltungen nachgeordnet sind 61 Filialen der Bundesbank in den
größeren Städten der Republik, die die Geschäfte mit Kreditinstituten und
Verwaltungsstellen auf lokaler Ebene durchführen. (HS: Frankfurt, Gießen, Kassel)
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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7.2 Die Europäische Zentralbank (EZB)
Der institutionelle Rahmen der EZB wird in der Satzung bzw. dem Statut der EZB
fixiert; die dortigen Formulierungen sind häufig übernommen aus dem Maastricht-
Vertrag.
Ziele (Art. 2 der Satzung der EZB):
„... ist es das vorrangige Ziel der EZB, die Preisstabilität zu gewährleisten.
... Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist,
unterstützt die EZB die allgemeine Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft, ...“.
Problem: keine Regelung für den Konfliktfall
Zielfixierung klarer als im BBankG
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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Aufgaben (Art. 3):
EZB soll
einheitliche Geldpolitik festlegen und durchführen
Devisengeschäfte im Einklang mit Art. 109 EU-Vertrag durchführen
Währungsreserven halten und verwalten
reibungsloses Funktionieren der Zahlungssysteme fördern
zu den Devisengeschäften:
Nach Art. 109 (1) liegt die Entscheidung über das Wechselkurssystem beim
Ministerrat der EU. Er legt (mit qualifizierter Mehrheit) Leitkurse fest, ändert sie bzw.
gibt sie auf. Dies geschieht nach
Anhörung der EZB und
in dem Bemühen, zu einem mit dem Ziel der Preisstabilität im Einklang stehenden
Konsens zu gelangen.
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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Unabhängigkeit (Art. 7):
„... darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer
Beschlussorgane Weisungen von Organen oder Einrichtungen der Gemeinschaft,
Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder
entgegennehmen.“
Problem: Glaubwürdigkeit (vgl. Duisenberg-Ernennung, Griechenland-Hilfe)
EZB-Rat (Art. 10):
EZB-Rat besteht aus Direktorium und den Präsidenten der nationalen ZB, EZB-Rat
entscheidet über die Richtlinien der EZB-Politik. Jedes Land hat eine Stimme (anders
als beispielsweise in den USA), EZB-Rat beschließt mit einfacher Mehrheit. Die
Sitzungsprotokolle bleiben geheim.
Rotationsverfahren bei Vergrößerung des Euroraums
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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Direktorium (Art. 11):
Direktorium = Präsident (Draghi), Vize-Präsident (Constancio), vier weitere
Mitglieder (Asmussen, Coeuré, Gonzalez-Paramo, Praet)
Direktorium wird von Regierungschefs einvernehmlich ausgewählt und ernannt,
Amtszeit 8 Jahre, Wiederwahl nicht möglich.
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7.3 Das geldpolitische Instrumentarium der EZB
EZB (2008): Durchführung der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet – Allgemeine
Regelungen für die geldpolitischen Instrumente und Verfahren des Eurosystems,
Frankfurt.
aktuelle Veröffentlichungen der EZB und der BuBa (u.a. Monatsberichte)
Mindestreserve
Alle MFIs (Kreditinstitute) im Euro-Währungsgebiet unterliegen MR-pflicht
Ermittlung des MR-solls:
Sichteinlagen, Termin- und Spareinlagen mit Laufzeit/Kündigungsfrist von bis zu
2 Jahren, Schuldverschreibungen mit Ursprungslaufzeit von bis zu 2 Jahren
2211 VrVrMR VV
1V
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Termin- und Spareinlagen, Schuldverschreibungen mit Laufzeit/Kündigungsfrist
von mehr als 2 Jahren, Repogeschäfte
MR-soll (April 2012) = 0,01 x 10539 Mrd. Euro = 105 Mrd. Euro
MR-soll wird für jedes einzelne MFI ermittelt. Dieses Mindestguthaben muss das MFI
im Monatsdurchschnitt erfüllen. Bei Nichterfüllung Erhebung von Strafzinsen bzw. –
zahlungen. Kontrolle durch Hauptverwaltungen der Bundesbank.
MR ist verzinslich
Zinssatz entspricht dem Satz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte (Mai 2012: 1,0%)
Verzinsung der MR war ein Kompromiss zwischen der deutschen Seite und den
übrigen Ländern, die in der MR primär eine Steuer und damit einen
Wettbewerbsnachteil gegenüber nichteuropäischen MFI sahen.
%02 Vr
2V
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Hauptrefinanzierungsgeschäfte (Wertpapierpensionsgeschäfte WPP)
Klassisches Offenmarktgeschäft (OMG):
Kauf bzw. Verkauf von Wertpapieren zum Geldmarktzins (heute kaum praktiziert)
WPP = OMG mit Rückkaufvereinbarung
jede Woche ein WPP
eine Woche Laufzeit
Eigentum an den WP bleibt beim Schuldner (Pfandkredit)
Versteigerung von Zentralbankgeld in Form eines Standardtender
Durchführung durch nationale ZB
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Mengentender:
Zins von EZB vorgegeben (Mai 2000: 3,75%)
MFI nennen gewünschten Betrag
EZB entscheidet über Zuteilungsquote
Praxis: Gebote 700 Mrd. Euro; Zuteilung 40-100 Mrd. Euro
wegen geringer Zuteilungssätze u.U. taktisches bzw. exzessives Bieten
EZB kann exzessives Bieten bestrafen
Zuteilungssätze: 1999 10%; 2000 3%; in Extremfällen unter 1%
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Juni 2000:
Umstellung auf Zinstender mit Mindestbietungssatz
Zinstender:
GB nennen Zins und Menge; EZB sucht sich Punkt auf der Nachfragekurve aus
Amerikanisches Verfahren
Abrechnung zum tatsächlich gebotenen Zins; Preisdifferenzierung erlaubt
Abschöpfung der „Konsumenten“-Rente
Mindestbietungssatz 08. Oktober 2008: 4,50%
Marginaler Zuteilungssatz 4,70 %
15. Oktober 2008:
Umstellung auf Mengentender
Festzinssatz (seit Dezember 2011): 1,00%
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Sicherheitenstellung
Bonitätsschwellenwert für notenbankfähige Sicherheiten: „Single A“
Ausfallwahrscheinlichkeit von 0,1 % über einen Zeithorizont von einem Jahr
äquivalent zu diesem Schwellenwert
EZB-Pressemitteilung vom 3. Mai 2010:
„Der ZB-Rat hat beschlossen, die Anwendung des Bonitätsschwellenwerts, der nach
den Regelungen über die Eignung von Sicherheiten für die Kreditgeschäfte des
Eurosystems vorgesehen sind, in Beug auf marktfähige von der griechischen
Regierung begebene oder garantierte Schuldtitel auszusetzen. Die Aussetzung des
Bonitätsschwellenwerts gilt bis auf Weiteres.“
EZB-Pressemitteilung vom 10. Mai 2010:
„Angesichts der derzeit außergewöhnlichen Marktsituation hat der EZB-Rat
beschlossen, Interventionen an den Märkten für öffentliche und private
Schuldverschreibungen im Euro-Währungsgebiet durchzuführen, um die Markttiefe
und –liquidität in den gestörten Marktsegmenten sicherzustellen. […] Um die
Auswirkungen der obigen Interventionen zu sterilisieren,
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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werden gezielte Operationen durchgeführt, um die durch das Programm für die
Wertpapiermärkte bereitgestellte Liquidität wieder abzuschöpfen. Dadurch wird
gewährleistet, dass der geldpolitische Kurs nicht beeinflusst wird.“
Längerfristige Refinanzierungsgeschäfte
monatliches WPP
Laufzeit drei Monate
meist als Zinstender praktiziert
Fernsteuerungsoperationen
WPP via Schnelltender
Laufzeit nicht standardisiert
unregelmäßig durchgeführt
Ziel: Steuerung der Liquidität
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Ständige Fazilitäten
Spitzenrefinanzierungsfazilität (Übernachtkredit)
MFI erhalten grundsätzlich unbeschränkt Geldbasis zum Spitzenrefinanzierungssatz
(seit Dez 2011: 1,75%), Geldbasis wird „über Nacht“ bereitgestellt (= Tagesgeld).
Spitzenrefinanzierungssatz bildet Obergrenze für den Tagesgeldsatz am Geldmarkt.
Einlagefazilität
MFI können jederzeit überschüssige Liquidität zum Einlagezins (seit Dez 2011:
0,25%) bei der EZB anlegen.
Einlagezins bildet Untergrenze für Tagesgeldsatz
relative Vorteile der WPP gegenüber ständigen Fazilitäten
Politik der Trippelschritte möglich
leichtere Sterilisierbarkeit von Devisenzuflüssen
keine systematische Benachteiligung kleinerer Banken
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7.4 Zentralbankziele im Vergleich
Endziele der Geldpolitik:
1. Preisniveaustabilität
2. Hohe Beschäftigung
3. Wirtschaftswachstum
4. Zinsstabilität
5. Stabilität des Finanzsektors
6. Wechselkursstabilität
Beziehungen zwischen den Zielen:
Zielharmonie (z.B. Zinsstabilität und Stabilität des Finanzsektors),
konfliktäre Ziele (z.B. hohe Beschäftigung und Preisniveaustabilität)
Notwendigkeit der Zielgewichtung
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Geldpolitik kann nicht direkt auf das Endziel einwirken:
Unsicherheit über das „wahre“ Modell
Wirkungs-Lags lang und variabel
stattdessen Entwicklung einer geldpolitischen Strategie:
Instrumente Operating targets Zwischenziele Endziel
Instrumente: WPP, Mindestreserve, Fazilitäten
Geldpolitik agiert mit Operating targets und Zwischenzielen
Operating targets: Geldmarktzins, Geldbasis
Die Operating targets können recht präzise gesteuert werden, aber nicht perfekt.
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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Zwischenziele:
Geldmengen M1, M2, M3; Kapitalmarktzins; Wechselkurs; gesamtw. Kreditvolumen;
nominales Sozialprodukt; Inflationserwartungen
Eigenschaften eines Zwischenziels:
stabile Beziehung zum Endziel
Minimalanforderung: Wirkungsrichtung muss bekannt sein
Zwischenziel muss von Geldpolitik steuerbar bzw. beeinflussbar sein
Vorteile des Anstrebens eines Zwischenziels:
Frühwarnindikator
Geldpolitik kann von der Öffentlichkeit nachvollzogen werden
→ Erlangung von Glaubwürdigkeit
Stabilisierung von Inflationserwartungen
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7.5 Geldmengenstrategie
Damit die Geldmenge als Zwischenziel fungieren kann, muss eine stabile Beziehung
zwischen M und P bzw. zwischen der Wachstumsrate der Geldmenge, , und der
Inflationsrate vorliegen.
Notwendige Bedingung für eine solche stabile Beziehung ist eine stabile
Geldnachfrage.
Quantitätsgleichung:
(1) mit Umlaufgeschwindigkeit
Geldmarktgleichgewicht:
(2)
YPVM PM
Y
M
PYV
/
...),,( YiLP
M
M̂
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Einsetzen liefert:
(3)
Eine volatile Geldnachfrage impliziert eine volatile Umlaufgeschwindigkeit des
Geldes. Ist aber V volatil, so kann von Geldmengenänderungen nicht auf
Preisänderungen geschlossen werden Geldmenge würde Anforderung an
Zwischenziel nicht erfüllen.
Eine stabile Geldnachfrage ist zu unterscheiden von einer konstanten Geldnachfrage.
Bei einer stabilen Geldnachfrage darf sich L ändern, aber der funktionale
Zusammenhang zwischen i, Y etc. und L muss bekannt und strukturkonstant sein.
Ableitung des Geldmengenziels:
Quantitätsgleichung in Veränderungsraten
(4)
)(/
L
Y
PM
YV
YPVM ˆˆˆˆ
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Spezifikation der BuBa (1998):
Zielkorridor: zwischen 3% und 6%
Spezifikation der EZB (2003):
Referenzwert für Wachstumsrate von M3:
• Die unvermeidliche (normierte) Inflationsrate ist nicht null wegen Fehler in der
Indexmessung.
%5,5%)1(%5,2%2ˆˆ3ˆ TrendPotnormiertZiel VYM
ZielM 3ˆ
%5,4%))15,0((%)5,22(%5,1ˆˆ3ˆ TrendTrendnormiert VYM
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• Die EZB richtet sich nach dem trendmäßigen Wachstum des realen BIP, nicht nach
dem Wachstum des Produktionspotenzials. Die Nichtberücksichtigung der
erwarteten Wachstumsrate des realen BIP impliziert, dass Geldpolitik als
automatischer Stabilisator fungiert.
• Die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes sinkt tendenziell, d.h. die Geldnachfrage
steigt entsprechend. Infolge des technischen Fortschritts bei der
Zahlungstechnologie sollte man das Gegenteil erwarten. Gegenläufig wirkt die
Geldnachfrage aus Osteuropa, was offensichtlich dominiert.
EZB: 2-Säulenstrategie
1. Säule: Referenzwert für das Geldmengenwachstum
2. Säule: Analyse anderer Wirtschafts- und Finanzindikatoren, die für die Beurteilung
der Risiken für die Preisstabilität relevant sind.
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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7.6 Inflation targeting
Bernanke, Ben und Frederic Mishkin (1997), Inflation Targeting: A New Framework
for Monetary Policy?, Journal of Economic Perspective 11: 97-116.
Mishkin, Frederic und Klaus Schmidt-Hebbel (2001), One Decade of Inflation
Targeting in the World: What do We Know and What Do We Need to Know?, NBER
Working Paper No. 8397, Quelle: www.nber.org/Papers/w8397, erschienen in:
Norman Loayza und Raimundo Soto (Hg.), Inflation Targeting: Design, Performance,
Challenges, Santiago 2001, S. 117-219.
Mishkin, Frederic (2004), Why the Federal Reserve Should Adopt Inflation Targeting,
in: International Finance 7 (1): 117-127.
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Unstete Entwicklungen auf den Finanzmärkten (Finanzinnovationen, Deregulierung,
Disintermediation weg vom Bankensektor) haben dazu geführt, dass in vielen Ländern
die Geldnachfrage instabil wurde. Damit ging die prognostizierbare Verknüpfung von
Geldmengen- und Preisentwicklung verloren, der Eckpfeiler der
Geldmengensteuerung erodierte, diese Länder gingen zum Inflation targeting über.
Einige europäische Länder waren nach dem EWS-Zusammenbruch auf der Suche nach
einem neuen nominalen Anker, die davor geltenden Wechselkursziele waren obsolet.
Einführung des Inflation targeting in verschiedenen Ländern:
Neuseeland (1989), Kanada (1991), Chile (1991), UK (1992), Schweden/Finnland
(1993), Korea (1998), Tschechien (1998), Brasilien (1999), Thailand (2001)
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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Inflation targeting in erster Linie eine Fixierung des Endziels der Geldpolitik; in
allen Ländern herrschte bis zur Formulierung eines Inflationsziels oftmals eine unklare
Zielbeschreibung (Unterstützung der allgemeinen Wirtschaftspolitik der Regierung,
hohes Wachstum, Beschäftigung, Stabilität des Finanzsektors).
Durch den Strategiewechsel sollte signalisiert werden, dass in Zukunft die
Erreichung der Preisstabilität im Zentrum der geldpolitischen Überlegungen steht. Es
galt Glaubwürdigkeit (wieder) zu gewinnen und einen "Anker" für die
Erwartungsbildung der Marktteilnehmer zu formulieren.
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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Charakteristika des Inflation targeting:
öffentliche Ankündigung eines numerischen mittelfristigen Preisziels
Abwesenheit anderer nominaler Anker wie Geldmenge oder Wechselkurs
Inflationsprognose als Zwischenziel
institutionelle Absicherung des Endziels Preisstabilität
Zentralbank unabhängig von Regierung beim Instrumenteneinsatz
erhöhte Transparenz durch verstärkte Kommunikation der ZB mit der
Öffentlichkeit
Rechenschaftspflicht der ZB bei Zielverfehlungen
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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Vorteile des IT
Herstellung von Transparenz über Zielsetzung und Durchsetzung der Geldpolitik
Lösung für Zeitinkonsistenzproblem (Herstellung des Reputationsgleichgewichts)
Erlangung von Glaubwürdigkeit bei Zielerreichung (Reputationsverlust bei
Zielverletzung)
vollständige Absorption von Nachfrageschocks
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Probleme des IT
1. Angebotsschocks
Kontraktiver Schock (AS0 AS1) wird beantwortet mit kontraktiver Geldpolitik!
A B Geldpolitik verstärkt realen Effekt des AS-Schocks!
analog bei expansivem AS-Schock (A C)
höhere Preisstabilität erkauft mit höherer Y-Variabilität!
P
Y
B
A
C
AS1
AS0
AS2
P*
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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2. Inflationserwartung der Zentralbank als Zwischenziel (wie in GB)
ZB erstellt Inflationsprognose anhand von strukturellen Makromodellen einer
Volkswirtschaft oder anhand von zeitreihenanalytischen Prognosemodellen
Handlungsanweisung für die Geldpolitik:
wenn prognostizierte Inflationsrate größer als Zielinflationsrate, dann muss
Geldpolitik restriktiv agieren (z.B. Zinsen erhöhen)
wenn Inflationsprognose kleiner als Zielinflation, dann expansive Geldpolitik
Zustandekommen der Inflationsprognose muss nachvollziehbar sein, hoher
Kommunikations- und Informationsbedarf (Transparenz); in GB: vierteljährlicher
Inflation Report
Bisherige Erfahrungen mit dem IT ausgesprochen positiv, in den betreffenden Ländern
wurde eine substanzielle Reduktion der Inflation erreicht
aber: in Kontrollgruppe der Länder ohne IT, z.B. Deutschland, Schweiz, USA,
wurden gleichfalls niedrige Inflationsraten realisiert!
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2012 31
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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7.7 Taylor-Regel
Taylor, John (1993): Discreation versus Policy Rules in Practise, Carnegie Rochester
Conference Series on Public Policy 39: 195-214.
Zwischenziel-Strategien geben der Notenbank qualitative Anhaltspunkte dafür, wie
ihre Politik grundsätzlich auszurichten ist. Sie machen aber keine quantitativen
Aussagen
über den genauen Instrumenteneinsatz.
Entwicklung von Instrumentenregeln
= geldpolitische Regeln für operative Ziele wie Geldmarktzins oder Geldbasis
= Beschreibung einer geldpolitischen Reaktionsfunktion.
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2012 33
Taylor-Regel = Instrumentenregel für den Tagesgeld-Zinssatz
(5)
mit Nominalzinssatz für Tagesgeld (Zinssatz für WPP)
gleichgewichtiger Realzins
erwartete Inflationsrate
Ziel-Inflation
aktueller Output
Potenzialoutput
Gewicht des Inflationsziels
Gewicht des Outputziels
Annahme: es gelten rationale Erwartungen, d.h.
)()( pottt
zet
ett yyri
ti
r
et
z
ty
potty
tet
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2012 34
(6)
Zinssatz für Tagesgeld sei eine Funktion der Inflationslücke und der Outputlücke
Inflationslücke = aktuelle, tatsächliche Inflationsrate minus Inflationsziel
Outputlücke = aktuelles reales BIP minus langfr. Produktionspotenzial
In einem langfristigen Gleichgewicht sind die Inflations- und die Outputlücke gleich
null, d.h. und . Dann ist der Nominalzins gleich dem Realzins plus
Zielinflation.
Politikanweisung:
Ist die tatsächliche Inflation größer als die Zielinflation, so muss der Nominalzins
erhöht werden (vice versa)
Liegt der tatsächliche Output unter dem Potenzialoutput (negative Output-Lücke),
so ist der Nominalzins zu senken (vice versa)
)()( pottt
zttt yyri
zt pot
tt yy
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2012 35
Die Taylor-Regel gibt Anweisungen für den Nominalzins, aber für die geldpolitischen
Effekte bzw. für die Wirkungsweise der Geldpolitik ist der Effekt auf den
tatsächlichen Realzins von Bedeutung. Für Investitionen und Konsum
(Güternachfrage) ist nicht der Nominal-, sondern der Realzins relevant.
tatsächlicher Realzins der Periode t:
nach dem Realzins umgeformte Taylor-Regel:
(7)
Ist in Periode t die Inflationsrate gegeben (rigide Preise), so kann die Geldpolitik
über die Setzung des Nominalzinssatzes den Realzins determinieren.
ttt ir
)()( pottt
ztttt yyrir
t
ti tr
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2012 36
Taylor-Regel = Regel zur Steuerung des Realzinssatzes
wenn , dann
wenn Inflationsziel gefährdet, dann erhöhe Realzins, um die Güternachfrage zu
reduzieren
wenn , dann
wenn Arbeitslosigkeit herrscht bzw. ein Konjunkturtief vorliegt, dann senke den
Realzins zwecks Erhöhung der Güternachfrage.
Taylor-Prinzip:
Angenommen, die tatsächliche Inflationsrate steigt um einen Prozentpunkt, wie stark
muss der Nominalzinssatz erhöht werden? Aus (1) folgt:
zt rrt
pottt yy rrt
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2012 37
(8)
Die Taylor-Regel verlangt bei einer positiven Inflationslücke einen Anstieg des
Realzinssatzes. Dies ist bei gestiegener Inflation nur möglich, wenn der
Nominalzinssatz stärker steigt als die Inflationsrate. Die überproportionale Reaktion
des Nominalzinssatzes auf die Inflationsrate bezeichnet man als Taylor-Prinzip.
Taylor (1993): Folgende Zinsregel beschreibt die Fed-Politik in den USA sehr gut.
(9)
Annahmen: der gleichgewichtige Realzins sei 2%, die Zielinflation sei 2%, das
Inflations- und das Outputziel werden gleichstark gewichtet.
)(5,0)2(5,02 potttttt yyi
11 t
i
d
di
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
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Zahlenbeispiel zur Wirkungsweise der Taylor-Regel:
In der Ausgangssituation gelte und , dann folgt für den Nomzins:
jetzt steige die Inflation auf 3 Prozentpunkte
Reaktion der Zentralbank:
Nominalzins:
Realzins:
2 zt pot
tt yy
%4%2%2 zt ri
%5,5)23(5,0320)(5,0 zttt ri
%5,235,5 tit ir
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2012 39
Zur empirischen Relevanz der Taylor-Regel in den USA und in Europa vgl. Mishkin
und GHM
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Vorteile der Taylor-Regel:
Instrumenten-Regel
brillant einfach (McCallum 1999)
hohe Transparenz und leichte Nachvollziehbarkeit
Inflations- und Outputlücke sind Endziele der Geldpolitik
Taylor-Regel ist mit vielen unterschiedlichen makroökonomischen Modellen
vereinbar, Unsicherheit über das „wahre“ Modell damit wenig bedeutsam
Nachteile der Taylor-Regel:
Gewichte für Inflations- und Outputziele beliebig gesetzt, keine mikrofundierte
„optimale“ Regel
Wegen der Wirkungsverzögerungen sollten die Inflations- und Outputlücken
stärker zukunftsorientiert sein
Datenverfügbarkeit insbesondere für und problematisch
gleichgewichtiger Realzinssatz de facto unbekannt
Zinssatz unter Umständen sehr volatil (vgl. Taylor-Prinzip), kann Stabilität der
Finanzmärkte gefährden
ty potty
Kapitel 7 – Institutionen, Instrumente und Strategien der Geldpolitik
Prof. Dr. Jochen Michaelis Geldtheorie und Geldpolitik SS 2012 41
zum Zinsglättungsmotiv
Ergibt sich aus Taylor-Regel eine Erhöhung oder auch Absenkung des Zielzinssatzes,
so erfolgt die Anpassung in der Regel nicht in einem großen Schritt, sondern über
mehrere kleinere Zinsschritte (Tippelschritte).
Taylor-Regel mit Zinsglättung:
(10)
mit als Parameter für den Grad der Zinsglättung. Je größer , desto stärker das Motiv
der Zinsglättung, desto kleiner die Zinsänderung in einer Periode, desto länger der
Anpassungsprozess an das neue Zinsziel.
Wenn Taylor-Regel die Realität so gut beschreibt, warum folgt dann keine Zentralbank
auf der Welt dieser Regel auch offiziell?
Polit-Ökonomie: zu viel Transparenz, ZB hat keinerlei eigene
Entscheidungsspielräume mehr
ZB kann auf unvorhergesehene Dinge (Schocks) kaum reagieren
Taylortti iii )1(1
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