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Haftungsrecht: So pflegen Sie rechtssicher!

ALTENHEIM – Rechtstag 2014 Hannover, 20.05.2014Rechtsanwalt Prof. Ronald Richter

1ronald.richter@richter-rae.de

Gliederung1. Haftungsrecht2. Dokumentation3. Folgen der Haftung4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben(2) Patientenverfügung(3) Polymedikation(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagementronald.richter@richter-rae.de 2

Haftung

…(i.w.S.) das rechtliche „dafür-geradestehen-müssen“, dass ein eigener oder ein fremder Fehler oder ein ohne einen solchen Fehler entstandenes Ergebnis einer anderen Person einen Schaden verursacht hat.

Grundsätzlich nur für eigenes Verschulden, ausgenommen für Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen.

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Das Risiko der Geschäftsleitung…

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Haftung Verantwortung

strafrechtliche zivilrechtliche

Die klassische Verantwortung in der Pflege…

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Anordnung

Durchführung

Organisation

Arzt/ Leitung

Pflegekraft

Einrichtung

Wofür haften Sie? Wer ist Vertragspartner des Bewohners/ Kunden? Der Träger der Einrichtung

…der Verursacher des Schadens („deliktische Haftung“) Der Handelnde („Pflegekraft“) „Wer einen anderen zu einer Verrichtung

bestellt, …“ (§ 831 BGB): also Wohnbereichs-, Heimleitung, PDL; Geschäftsführer

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Haftung wofür?

Wenn eine widerrechtliche Handlung vorliegt, muss der Schädiger (direkt Handelnder/ Vorgesetzter) schuldhaft gehandelt haben.

§ 823 Abs. 1 BGB: „Zum Schadensersatz ist verpflichtet, wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt.“

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Haftung der Leitungskräfte

Haftung für den Verrichtungsgehilfen, also „indirekt für fremdes Verschulden“

Es sei denn, die Leitungskraft kann darlegen und beweisen (§ 831 Abs. 1 Satz 2 BGB), die ordnungsgemäße Personalauswahl, ordnungsgemäße Anleitung und ordnungsgemäße Überwachung.

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„Enthaftung“ möglich, wenn …

Darlegung und Beweis möglich für ordnungsgemäße Personalauswahl,

Formale Voraussetzungen (Qualifikation) vorhanden und geprüft

ordnungsgemäße Anleitung und Einarbeitungshandbuch

ordnungsgemäße Überwachung (= unregelmäßige Kontrollen).

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Gliederung1. Haftungsrecht2. Dokumentation3. Folgen der Haftung4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben(2) Patientenverfügung(3) Polymedikation(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagementronald.richter@richter-rae.de 10

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Wozu Dokumentation?

• Information, Informationsfluss• Leistungsnachweis• Sicherungsinstrument der Pflege• Haftungsausschluss („juristische Absicherung

des pflegerischen Handelns“)• Qualitätssicherung• Qualitätsförderung

Wer prüft die „Lückenlosigkeit“? § 66 SGB V:

„Die Krankenkassen sollen die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungs-leistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind …, unterstützen.“

Der MDK erstellt (über die Krankenkasse) ein Gutachten für den versicherten Kunden.

Kostenlos für die Versicherten/ Rechtsanwälte!

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Die Managementaufgabe: Nicht nur Kontrolle (und stöhnen über die

ausufernde Bürokratie), sondern … …Auflösung der „Komplexität“ für die Pflegekräfte Komplexität = cum plectilis, „zusammengeflochten“

[Eigenschaft eines Systems, dessen Gesamtver-halten selbst dann nicht eindeutig beschrieben werden kann, wenn man vollständige Informatio-nen besitzt.]

Niklas Luhmann, Vertrauen. Ein Mechanismus der Reduktion sozialer Komplexität, Stuttgart (UTB) 2000

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Die Managementaufgabe II Das „Ockham‘sche Rasiermesser“

[Wilhelm von Ockham, 1288 – 1347] auch: Sparsamkeitsprinzip: Von mehreren möglichen Erklärungen des-

selben Sachverhalts ist stets die einfachste Theorie allen anderen vorzuziehen.

Möglichst wenig Variable und Hypothesen, logische Beziehung

Neudeutsch: KISS-Prinzip [Keep it simple, stupid!]

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Unterscheidung

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Dokumentation

ärztliche pflegerische

§ 630f Abs. 2 BGB

§ 113 Abs. 1 Satz 3 SGB XI iVm MuG

Was ist zu dokumentieren? [Arzt] § 630f Abs. 2 BGB: Der Behandelnde ist verpflichtet, in der Patienten-

akte sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzei-tige und künftige Behandlung wesentlichen Maß-nahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, insbesondere die Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen, Untersuchungsergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Eingriffe und ihre Wirkungen, Einwilligungen und Aufklärungen.

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Was ist zu dokumentieren? [Pflege] § 113 Abs. 1 Satz 3 SGB XI: In den Vereinbarungen [Maßstäbe und Grund-

sätze zur Sicherung und Weiterentwicklung der Pflegequalität] nach Satz 1 sind insbesondere auch Anforderungen zu regeln …

1. an eine praxistaugliche, den Pflegeprozess unterstützende und die Pflegequalität fördernde Pflegedokumentation, die über ein für die Pflegeeinrichtungen vertretbares und wirtschaftliches Maß nicht hinausgehen dürfen,

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Maßstäbe und Grundsätze v. 27.5.2011

3.1.3 Pflegeplanung und -dokumentation Die vollstationäre Pflegeeinrichtung fertigt eine

individuelle Pflegeplanung und legt erreichbare Pflegeziele, deren Erreichung überprüft wird, fest. Die Pflegeplanung muss der Entwicklung des Pflegeprozesses entsprechend kontinuierlich aktualisiert werden. Die Pflegedokumentation dient der Unterstützung des Pflegeprozesses, der Sicherung der Pflegequalität und der Transparenz der Pflegeleistung.

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Maßstäbe und Grundsätze v. 27.5.2011

3.1.3 Pflegeplanung und -dokumentation Die vollstationäre Pflegeeinrichtung fertigt eine

individuelle Pflegeplanung und legt erreichbare Pflegeziele, deren Erreichung überprüft wird, fest. Die Pflegeplanung muss der Entwicklung des Pflegeprozesses entsprechend kontinuierlich aktualisiert werden. Die Pflegedokumentation dient der Unterstützung des Pflegeprozesses, der Sicherung der Pflegequalität und der Transparenz der Pflegeleistung.

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Achtung: Haftungsfalle droht

MuG II Die Pflegedokumentation muss praxistauglich

sein und sich am Pflegeprozess orientieren. Veränderungen des Pflegezustandes sind aktuell (bis zur nächsten Übergabe) zu dokumentieren. Die Anforderungen an sie und insbesondere an den individuellen Dokumentationsaufwand müssen verhältnismäßig sein und dürfen für die vollstationäre Pflegeeinrichtung über ein vertretbares und wirtschaftliches Maß nicht hinausgehen.

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MuG III Das Dokumentationssystem beinhaltet zu den

folgenden fünf Bereichen Aussagen, innerhalb dieser Bereiche werden alle für die Erbringung der vereinbarten Leistungen notwendigen Informationen im Rahmen des Pflegeprozesses erfasst und bereitgestellt. Diese Bereiche sind: Stammdaten, Pflegeanamnese/ Informationssammlung inkl.

Erfassung von pflegerelevanten Biografiedaten, Pflegeplanung, Pflegebericht, Leistungsnachweis.

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MuG IV

Das Dokumentationssystem ist in Abhängigkeit von bestehenden Pflegeproblemen im Rahmen der vereinbarten Leistungen ggf. zu erweitern. Die vollstationäre Pflegeeinrichtung handelt bei ärztlich verordneten Leistungen im Rahmen des ärztlichen Behandlungs- und Therapieplanes. Diese Leistungen sind in der Pflegedokumenta-tion zu dokumentieren. Zu Beginn der Versorgung erstellt die vollstationäre Pflegeeinrichtung eine umfassende Informationssammlung über …

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MuG V Ressourcen, Risiken, Bedürfnisse, Bedarfe und Fähigkeiten. Hierbei sind die notwendigen Prophylaxemaß-

nahmen (z. B. gegen Dekubitalgeschwüre, Pneumonien, Stürze und Kontrakturen) in der Dokumentation zu berücksichtigen. Bezugsperso-nen sind in die Pflegeplanung einzubeziehen.

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MuG VI Ziel der Pflegeplanung ist es, unter Einbeziehung

des Bewohners seine Fähigkeiten, Ressourcen und Pflegeprobleme zu identifizieren sowie Pflegeziele und Pflegemaßnahmen zu vereinbaren.

Wenn Leistungen für den Bewohner erforderlich sind, von diesem aber nicht abgefragt werden, ist die Diskrepanz zwischen Hilfebedarf und abge-fragten Leistungen in der Pflegedokumentation nachvollziehbar festzuhalten.

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Managementaufgabe III Ockham‘s Razor liegt nahe, doch wir sind nicht

zuständig! Daher: Verringerung der Komplexität in Hinblick

auf

Struktur [Organigramm, Hierarchien] Prozess [QM = Kernprozessorientierung] Kommunikation [Besprechungen mit Protokoll!] Controlling [Welche Kennzahlen helfen Ihnen?]

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Kosten der Dokumentation

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29

25

121

364

290

1856

48

0 200 400 600 800 1.000 1.200 1.400 1.600 1.800

Archivierung Unterlagen

ÜbermittlungLeistungsnachweise

Nicht anlassbezogeneEvaluierung Pflegeplanung

Ergänzung Pflegebericht

Meldungen zumPflegebericht

AusfüllenLeistungsnachweise

EinrichtenPflegedokumentation

in Mio. Euro

Quelle: Präsentation des Statistischen Bundesamtes, 2013

*

Gesamt: 2,7 Mrd. € (Wirtschaft)

Managementaufgabe IV

Ständiges Hinterfragen, welche Angaben/ Infor-mationen etc. brauchen wir zur fachgerechten Versorgung wirklich.

…was muss wirklich dokumentiert werden? Beispiel: Im Krankenhaus wird keine Grundpflege

dokumentiert. [Ausnahme: atypische Pflegesituation]

Formulierung einer „Papierobergrenze“

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Grundsatz

• Zugelassene Pflegeeinrichtungen sind verpflich-tet, ein geeignetes Pflegedokumentations-system vorzuhalten, aus dem

das Leistungsgeschehen undder Pflegeprozess abzuleiten sind.

• Dokumentation ist aus Rechtsgründen geboten, weil sie aus medizinischer Sicht erforderlich ist.

• BGH, Urt. v. NJW 1999, 2408

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Folgen mangelhafter Dokumentation

• Unzulänglichkeiten oder Unrichtigkeiten sind einem Behandlungsfehler gleichgestellt

• BGH NJW 1978, 1681; 1999, 3408

• ...begründet die Vermutung, dass die nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht durchgeführt wurde

LG Köln NJW-RR 1995, 346

• ...gleiches gilt für eine nicht zeitnahe Doku. OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 27

Was heißt zeitnah? Sofort nach der Verrichtung? Schichtende?

§ 630f Abs. 1 Satz 1 BGB:Der Behandelnde ist verpflichtet, zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen.

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Änderungen möglich? Ja, aber technisch richtig: § 630f Abs. 1 Satz 2 BGB: Berichtigungen und Änderungen von Eintragungen

in der Patientenakte sind nur zulässig, wenn neben dem ursprünglichen Inhalt erkennbar bleibt, wann sie vorgenommen worden sind. Dies ist auch für elektronisch geführte Patientenakten sicherzustellen.

Also: sauber durchstreichen, Kürzel und Datum!

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Merksatz

• Was nicht geschrieben wurde, wurde auch nicht gemacht!

• vgl. auch § 630h Abs. 3 BGB:Hat der Behandelnde eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme und ihr Ergebnis entgegen § 630f Abs. 1 oder Abs. 2 nicht in der Patientenakte aufgezeichnet … , wird vermutet, dass er diese Maßnahme nicht getroffen hat.

Gliederung1. Haftungsrecht2. Dokumentation3. Folgen der Haftung4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben(2) Patientenverfügung(3) Polymedikation(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagementronald.richter@richter-rae.de 34

Organisationsverschulden Ein Organisationsverschulden liegt dann vor,

wenn durch eine fehlerhafte Organisation die ordnungsgemäße Betreuung der Bewohner oder Kunden nicht gewährleistet ist und dadurch ein Schaden beim Bewohner oder Kunden entsteht.

Beispiel: Ständig zu wenig (qualifiziertes) Personal

Verpflichtung der Leitungskräfte gegenüber dem Einrichtungsträger: (schriftliche) Überlastungs-anzeige

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Verkehrssicherungspflicht Wer eine Gefahrenquelle schafft oder eine Gefahr

nicht beseitigt, muss Vorkehrungen treffen, um die Schädigung dritter Personen zu verhindern.

Beispiel: Bettenwagen im Flur; Nasse Stelle auf dem Boden von der Reinigung; Stolpergefahr durch Bodenunebenheiten

Sonder-Problem: Vorsorge zur Verhinderung einer Gefährdung von weglaufgefährdeten Personen, die sich im Straßenverkehr schädigen könnten.

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P! Bewohner mit Weglauftendenz Schutzmaßnahmen sind nur erforderlich im

Rahmen des Erforderlichen und Zumutbaren. Sog. Vollbeherrschbarer Bereich: Die Aufsichtspflicht der Pflegeeinrichtung ist auf

die üblichen Maßnahmen begrenzt, die mit vernünftigem finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind.

BGH, Urt. v. 28.4.2005, III ZR 399/04

2. Grenze: Selbstbestimmungsrecht des Bewohners oder Kunden [sog. erlaubtes Risiko]

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Keine Haftung!

unterlassenen Fixierung oder ein nicht ange-brachtes Bettgitter ist keine Pflichtverletzung

Es besteht keine Pflicht einen entsprechenden Antrag auf Fixierung zu stellen

KG, Urt. 2.9.2004, 12 U 107/03; die anderweitige Auffassung, dass der Träger energisch auf den Bewohner einzuwirken habe, eine Fixierung zuzulassen bzw. das Betreuungsgericht zu informieren, ist in Hinblick auf die Art. 1 und 2 GG geradezu abwegig, so aber OLG Dresden, Urt. v. 23.9.2004, 7 U 753/04.

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Haftungsrecht

unterlassenen Fixierung oder ein nicht ange-brachtes Bettgitter ist keine Pflichtverletzung

Es besteht keine Pflicht einen entsprechenden Antrag auf Fixierung zu stellen

KG, Urt. 2.9.2004, 12 U 107/03; die anderweitige Auffassung, dass der Träger energisch auf den Bewohner einzuwirken habe, eine Fixierung zuzulassen bzw. das Vormundschafts-gericht zu informieren, ist in Hinblick auf die Art. 1 und 2 GG geradezu abwegig, so aber OLG Dresden, Urt. v. 23.9.2004, 7 U 753/04.

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Keine Haftung II Ebenso ist der Träger nicht verpflichtet und auch

nicht berechtigt, eine Fixierung im Rollstuhlvorzunehmen, sondern kann sich zunächst mit einer Benachrichtigung des Betreuers begnügen und erwarten, dass der Betreuer das Notwendige veranlassen werde.

KG, Urt. v. 25.5.2004, 14 U 37/03

• Prüfungsmaßstab: Handelt es sich um den voll beherrschbaren Gefahrenbereich?

• BGH NJW 1991, 1541; OLG Dresden NJW-RR 2000, 761

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Keine Haftung! III

• Keine Pflicht zur Fixierung OLG Koblenz NJW-RR 2002, 867; OLG Schleswig OLGR

2004, 85

• Keine Pflicht für Protektorhosen OLG Schleswig OLGR 2004, 85

• Keine lückenlose Überwachung• Keine „Sitz-Wache“ • Keine Bewegungsmelder KG, Urt. v. 2.9.2004, 12 U 107/03

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…also keine Haftungsfalle

Der Wille des Bewohners ist zu respektieren! BGH, Urt. 14.7.2005, III ZR 391/04

…besondere Schutzmaßnahmen nur, wenn ein erhöhtes Sturzrisiko besteht. Regelmäßige Überprüfung Schutzmaßnahmen anbieten, Gespräche mit

Angehörigen, Betreuern … führen und dies sowie die Konsequenzen ausführlich

(detailliert) dokumentieren

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Beweislastumkehr

Wird durch den Dokumentationsmangel die Aufklärung eines Behandlungsfehlers vereitelt oder erschwert

BGH NJW 1983, 332

…ist dies einer mangelhaften Pflege gleichzu-setzen und

...führt im Prozess zu einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Patienten

BGH NJW 1996, 779; BVerfG NJW 1979, 1925

Versicherungen Regelt die Betriebshaftpflichtversicherung alles [sogar dank(?) Halbteilungsabkommen völlig

geräuschlos?] Nein, Führungskräfte haften in den Angelegen-

heiten des Unternehmens regelmäßig mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“, § 43 Abs. 2 GmbHG, §§ 27 Abs. 3 i.V.m. 664 ff. BGB, § 128 HGB.

Nur der (Einzel-)Unternehmer haftet intern nie-manden, er „ärgert sich dann am meisten über sich selbst!“

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Versicherungen Regelt die Betriebshaftpflichtversicherung alles [sogar dank(?) Halbteilungsabkommen völlig

geräuschlos?] Nein, Führungskräfte haften in den Angelegen-

heiten des Unternehmens regelmäßig mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“, § 43 Abs. 2 GmbHG, §§ 27 Abs. 3 i.V.m. 664 ff. BGB, § 128 HGB.

Nur der (Einzel-)Unternehmer haftet intern nie-manden, er „ärgert sich dann am meisten über sich selbst!“

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Gliederung1. Haftungsrecht2. Dokumentation3. Folgen der Haftung4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben(2) Patientenverfügung(3) Polymedikation(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagementronald.richter@richter-rae.de 46

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Das Spannungsfeld: Freiheitsrecht vs. Fürsorgepflicht

Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, Art. 2 GG

Schutz der körperlichen Unversehrtheit, Art. 2 GG

Art. 2 Abs. 1 und 2 GG

1. Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

2. Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

48ronald.richter@richter-rae.de

Ausübung des Selbstbestimmungsrechts

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Der Betroffene ist …

einwilligungsfähig nicht einwilligungsfähig

Der Betroffene entscheidet aktuell, rechtlich wirksam, allein.

Patienten-verfügung, § 1901a Abs. 1 BGB

Ermittlung:Behandlungswunsch oderMutmaßlicher Wille,§ 1901a Abs. 2 BGB

§ 1901a Abs. 1 S. 1 BGB

Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen.

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Patientenverfügung, § 1901a BGB Entfaltet Wirkung, wenn … …der Verfügende für die vorgesehene medizinische

Maßnahme nicht mehr über die erforderliche Einwilligungsfähigkeit verfügt,

…die Verfügung die konkret anstehende Ent-scheidungssituation trifft,

…und auf seine aktuelle Lebens- und Behandlungs-situation zutrifft.

…wenn (-), Behandlungswunsch/ mutmaßlicher Willeronald.richter@richter-rae.de 51

Patientenverfügung, § 1901a BGB Entfaltet Wirkung, wenn … …der Verfügende für die vorgesehene medizinische

Maßnahme nicht mehr über die erforderliche Einwilligungsfähigkeit verfügt,

…die Verfügung die konkret anstehende Ent-scheidungssituation trifft,

…und auf seine aktuelle Lebens- und Behandlungs-situation zutrifft.

…wenn (-), Behandlungswunsch/ mutmaßlicher Willeronald.richter@richter-rae.de 52

Die Patientenverfügung oder eine Kopie ist daher im verschlossenen Umschlag zur Pflegedokumentation zu nehmen und erst im Fall der fehlenden Einwilligungsfähigkeit zur Kenntnis zu nehmen.Ansonsten überlagert/ beeinflusst das Wissen aus der Patientenverfügung die aktuelle Pflege.

Wertung der Rechtsprechung: Selbstbestimmung hat Vorrang! Nicht das Leben ist das am höchsten bewertete

Rechtsgut, sondern die verfassungsrechtlich geschützte Würde des Menschen.

st. Rspr. BGH, Urt. v. 15.11.1996, 3 StR 79/76 = BGHSt 42, 301; Urt. v. 25.6.2010, 2 StR 454/09 = BGHSt 55, 191; Urt. v. 10.11.2010, 2 StR 320/10 = NJW 2011, 161 (Sterbehilfe bei Patientenverfügung)

„Denn die Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem erklärten oder mutmaß-lichen Patientenwillen ist ein höherwertiges Rechtsgut als die Aussicht, unter schwersten … Schmerzen noch kurze Zeit leben zu müssen.“ BGHSt 42, 301

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Testen Sie Ihre PDL: Was ist die PRISCUS-Liste?

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2. Frage: Was wurde veranlasst?

Beispiel: Alter + Gangstörungen + Demenz +

Multimedikation = „maximales Sturzrisiko“(!)

OLG Zweibrücken, Urt. v. 1.6.2006, 4 U 68/05

Was ist zu tun?

ronald.richter@richter-rae.de 55

Gliederung1. Haftungsrecht2. Dokumentation3. Folgen der Haftung4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben(2) Patientenverfügung(3) Polymedikation(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagementronald.richter@richter-rae.de 56

Gesetzliche Grundlagen Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines

förmlichen Gesetzes beschränkt werden, Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG).

Auch eine aus „sozialer Fürsorge“ vorgenommene Fixierung oder ein Festhalten gegen den Willen des Betroffenen bleibt immer eine Straftat!

Zulässig ist die zwangsweise Unterbringung nur zum Schutz vor Fremd- und Eigengefährdung.

BVerfG, Urt. v. 18.7.1967, 2 BvF 3 – 8/62 u.a. = BVerfGE 22, 180 [keine weiteren Gründe, wie „Besserung des Betroffenen“]

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Zum weiteren Verständnis… Was fachlich geboten ist, bestimmt die

Berufgruppe der Pflegenden selbst, …und nicht etwa die Juristen!

Prüfungsmaßstab: Was kann von einer sorgfältig arbeitenden Pflegekraft in einer bestimmten Situation erwartet werden.

Juristen müssen daher den Blickwinkel von Pflegekräften einnehmen.

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Freiheitsentziehung… …ist eine Straftat, § 239 StGB …, wenn ein Mensch eingesperrt oder auf andere

Weise des Gebrauchs seiner persönlichen (Bewegungs-)Freiheit beraubt wird. geschützt wird auch die potentielle Bewe-

gungsfreiheit auf einen konkreten Willen, den Aufenthaltsort

zu wechseln kommt es nicht an. Daher auch bei Bewegungsunfähigen grund-

sätzlich eine Freiheitsberaubung möglich! ronald.richter@richter-rae.de 59

Zulässigkeit in engen Grenzen

Die Rechtswidrigkeit der freiheitsentziehenden oder -einschränkenden Maßnahme (nicht der sog. Tatbestand) entfällt bei:

1. Einwilligung des Betroffenen2. „rechtfertigendem Notstand“, § 34 StGB3. richterlich genehmigter Unterbringung, § 1906

BGB (nach h.M. nicht im häuslichen Bereich; anders LG Hamburg, Beschl. v. 9.9.1994, 301 T 206/94; LG München I, Beschl. v. 7.7.1999, 13 T 4301/99)

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Einwilligung des Betroffenen Voraussetzungen: Verständigung möglich, zur zweckhaften Willensäußerung fähig, Sinn und Zweck der konkreten Maßnahme

wird erkannt und akzeptiert, der Betroffene wurde nicht getäuscht oder

durch „Drohung“ zur Einwilligung bewegt. A! jederzeitiger Widerruf muss möglich sein! Verbot einer „Vorrats-Einwilligung“, etwa im Heim-

oder Einrichtungsvertragronald.richter@richter-rae.de 61

„Rechtfertigender Notstand“ A! …ausnahmsweise und für eine kurze Zeit, wenn

keine Einwilligung vorliegt und/ oder eingeholt werden kann

…zur Abwehr einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben und Körper,

wenn das dadurch geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.

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Rechtfertigender Notstand II A! „Kurz meint wirklich kurz!“ Kurze Zeit bedeutet, dass eine Fixierung über

einen Tag oder eine Nacht hinaus bereits eine Genehmigungspflicht auslöst. Als Höchstgrenze einer Fixierung ohne richterliche Genehmigung ist die Frist nach § 128 StPO anzusehen, danach ist die richterliche Entscheidung spätestens am Tag nach dem Beginn der freiheitsentziehenden Maßnahme herbeizuführen.

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„Rechtfertigender Notstand“ Beispiele

Abwehr einer Suizidgefahr unkontrollierte krankhafte Bewegungsunruhe akute Verwirrtheitszustände psychische Krisensituationen ABER: Routinemäßige Maßnahmen aus

präventiven Gesichtspunkten ohne konkrete Gefahr sind nicht von § 34 StGB gedeckt.

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Sedierende Medikamente wie Schlafmittel, Psychopharmaka, wenn sie gegeben

werden, um den Betreuten an der Fortbewegung in der

Einrichtung oder am Verlassen der Einrichtung zu hindern,

um die Pflege zu erleichtern, um Ruhe auf der Station oder in der

Einrichtung herzustellen. …sind freiheitsentziehende Maßnahmen i.S. §

1906 Abs. 4 BGBronald.richter@richter-rae.de 65

Sonstige Vorkehrungen wie

Zurückhalten am Hauseingang durch Personal, Wegnahme von Bekleidung (wie z.B. Schuhe), Wegnahme von Fortbewegungsmitteln wie z.B.

Rollstuhl, Rollator

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Sende- oder Personenortungsanlagen Diese Sender lösen bei Verlassen der Einrichtung

durch den Betroffenen ein Signal aus. Die Auffassung der Gerichte zur Zulässigkeit und

Genehmigungsbedürftigkeit ist unterschiedlich. 1. Die Ausstattung eines Betroffenen mit einer Sende-

anlage (Personenortungsanlage) verstößt gegen die Menschenwürde und ist daher nicht zulässig.AG Hannover, Beschl. v. 5.5.1992, 62 XVII L8

2. …ist genehmigungsfähig und genehmigungspflichtigAG Bielefeld, Beschl. v. 16.9.1996, 2 XVII B 32; AG Stuttgart-Bad Canstatt, Beschl v. 26.11.1996, XVII 101/96.

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Sendeanlagen II3. Das Einlegen eines Sendechips in den Schuh der

Betroffenen bedarf nicht der Genehmigung durch das Betreuungsgericht, denn die elektronische Funkortung des Betreuten ist keine freiheitsentzie-hende Maßnahme iS § 1906 Abs. 4 BGB. OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.1.2006, 11 Wx 59/05

4. …gleiches für das Anbringung eines Sicherheits-chips (Funkortungschip) an der Kleidung bzw. durch UmhängenAG Meißen, Beschl. v. 27.4.2007, 5 X 25/07

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Sendeanlagen III5. Keine genehmigungsbedürftige Maßnahme nach

§ 1906 BGB ist die Ausstattung eines nicht orien-tierten Heimbewohners mit einem Sender, da die körperliche Bewegungs- und Entschließungsfrei-heit nicht beeinträchtigt wird. AG Coesfeld, Beschl. v. 31.8.2007, 9 VXII 214/06

6. Anders: Ein am Handgelenk angebrachter Funk-chip da nicht ausgeschlossenen werden, dass dabei auch körperliche Gewalt angewendet wird, LG Ulm, Beschl. v. 25.6.2008, 3 T 54/08

ronald.richter@richter-rae.de 69

Immer: Gerichtlicher Beschluss

§ 1906 Abs. 2 gilt für Betreuer und Bevollmächtigte (vgl. Abs. 5): FEM nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig.

Das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen wird nicht dadurch verletzt, dass die Einwilligung eines von ihm Bevollmächtigten in eine FEM der gerichtlichen Genehmigung bedarf.

BGH, Urt. v. 27.6.2012, XII ZB 24/12

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FEM und Sturz1. „Fixierte“ Menschen: Stürze ↔ (↑) Ernsthafte sturzbedingte Verletzungen ↑ Verhaltensauffälligkeiten ↑

2. Verzicht auf FeM: Sturzbedingtes Verletzungsrisiko ↔ ↓ Verhaltensauffälligkeiten ↔↓ Psychopharmaka ↔↓ Personalschlüssel ↔

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FEM und Sturz II3. Keine Studie weltweit zeigt positiven Effekt von

FeM !4. Daten über negative Folgen (Verletzungen,

Stress) sind dagegen alarmierend Evans et al. (2002): Systematic Review, Joanna Briggs

Institut Sailas E & Fenton M: Cochrane Systematic Review

2000; Testad et al 2005, Pellfolk et al 2010, Koczy et al

(2010); Berzlanovich 2007, Mohsenian 2002, BfArm 200

ronald.richter@richter-rae.de 72

Gliederung1. Haftungsrecht2. Dokumentation3. Folgen der Haftung4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben(2) Patientenverfügung(3) Polymedikation(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagementronald.richter@richter-rae.de 73

§ 216 StGB - Tötung auf Verlangen

(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Ähnlich in Österreich: §§ 75, 77, 78 Strafgesetzbuch …in der Schweiz: Art. 111, 113, 114 Strafgesetzbuch …in den Niederlanden: Art. 293 Strafgesetzbuch.

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§ 216 StGB - Tötung auf Verlangen

(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.

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TÄTER OPFERUnmittelbarer, mittelbarer oder Mittäter

Straffrei ist damit die Beihilfe („Sterbehilfe“) zum Suizid

Lebensschutz Der rechtliche Lebensschutz dauert bis zum

Tode; er kommt auch unheilbar Kranken und zum Todgeweihten zugute.BGH, Urt. v. 31.05.1955, 4 StR 51/55 = BGHSt 7, 287

Daran ändert auch ein Todesverlangen oder die Zustimmung naher Angehöriger nichts.

Verboten sind alle aktiven Maßnahmen zur Todesbeschleunigung. BGH, Urt. v. 08.05.1991, 3 StR467/90 = BGHSt 37, 376 [Vom Kranken nicht gewünschte aktive Sterbehilfe durch Krankenschwester ist Mord aus Heimtücke]; Urt. v. 13.09.1994, 1 StR 357/94 = BGHSt 40, 257 [Absetzen künstliche Ernährung – zulässig]

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„Arten“ der Sterbehilfe

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Aktive Sterbehilfe Indirekte Sterbehilfe Passive Sterbehilfe

StraffreiStrafbar

Hilfe zum Sterben Hilfe beim Sterben

Verkürzung der Lebens-erwartung durch schmerzstillende/ -lindernde Medikamente

Aktives Tun; Tod als unvermeidbare Nebenfolge

„Arten“ der Sterbehilfe - Beispiele

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Aktive Sterbehilfe Indirekte Sterbehilfe Passive Sterbehilfe

StraffreiStrafbar

Hilfe zum Sterben Hilfe beim Sterben = „Sterbenlassen“

Abschalten Beatmungsgerät

Gabe von schmerz-stillenden, aber ggf. lebensverkürzenden Medikamenten („Nebenwirkung“)

Unterlassen weiterer Therapie

Beendigung oder Reduktion künstlicher Ernährung

oder anderer Behand-lungsmaßnahmen

Gezielte, aktive Her-beiführung des Todes

[unterscheidet sich von der indirekten Sterbehilfe nur durch die subjektive Einstellung des Handeln-den!]

Gabe von direkt töd-lichen Medikamenten

Indirekte Sterbehilfe - Palliativmedizin Problem: Morphingabe im Endstadium einer

Krebserkrankung. Im Ergebnis sind sich alle Meinungen einig, dass

der Arzt/ Apotheker hier straffrei bleiben muss. st. Rspr. seit BGH, Urt. v. 15.11.1996, 3 StR 79/76 = BGHSt 42, 301

Die überwiegende Ansicht sieht dies gerechtfertigt durch eine Mischung aus Notstand (§ 34 StGB) und rechtfertigender Pflichtenkollision. Dadurch wird ausgeschlossen, dass der Arzt „Exzesse“ vollführen kann, sich also außerhalb der notwendigen Sorgfalt und damit des erlaubten Risikos bewegt.

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Indirekte Sterbehilfe II

Achtung! Die Nichtverabreichung notwendiger Schmerzmittel mit der Begründung, keinen vorzeitigen Tod herbeiführen zu wollen, kann als Körperverletzung (§ 223 StGB) oder unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB) bestraft werden.

Aus medizinischer Sicht ist die „indirekte Sterbehilfe“ in der Praxis sehr selten, weil korrekt eingesetzte Opiate (wie Morphium) oder Benzodiazepine das Sterben entgegen früheren Ansichten in der Regel nicht verkürzen, sondern sogar leicht verlängern. Die juristische Diskussion zu diesem Thema erscheint deshalb manchen Palliativmedizinern als eher akademische Debatte. Vgl. dazu Truog RD et al Barbiturates in the care of the terminally ill New Engl J Med 1992, 327:1678-82.

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…gegen den Therapiewunsch

Das Sterbenlassen einer Person durch Unter-lassen von medizinischer Hilfeleistung bzw. technischen Möglichkeiten entgegen den Therapiewünschen der betroffenen Person erfüllt den Straftatbestand eines Tötungsdeliktes oder der unterlassenen Hilfeleistung.

BVerfG (3. Kammer), Beschl. v. 30.01.2002, 2 BvR 1451/01)

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Behandlungsabbruch, „Passiv“/ „aktiv“1. Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder

Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) ist gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht (§ 1901a BGB) und dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen.

2. Ein Behandlungsabbruch kann sowohl durch Unterlassen als auch durch aktives Tun vorge-nommen werden.BGH, Urt. v. 25.6.2010, 2 StR 454/09 = BGHSt 55, 191

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Behandlungsabbruch II3. Gezielte Eingriffe in das Leben eines Menschen,

die nicht in einem Zusammenhang mit dem Abbruch einer medizinischen Behandlung stehen, sind einer Rechtfertigung durch Einwilligung nicht zugänglich.

BGH, Urt. v. 25.6.2010, 2 StR 454/09 = BGHSt 55, 191

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Gliederung1. Haftungsrecht2. Dokumentation3. Folgen der Haftung4. Besondere Haftungsbereiche

(1) Delegation ärztlicher Aufgaben(2) Patientenverfügung(3) Polymedikation(4) Freiheitsentziehende Maßnahmen(5) Behandlungsabbruch

5. Risikomanagementronald.richter@richter-rae.de 84

Beispiel für Risikomanagement I

85ronald.richter@richter-rae.de

Risikomanagement II

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Risikomanagement III

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Risikomanagement IV

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Checkliste nach Leitfaden Landespflegeausschuss Bayer, 2006

Haltung und Werte vorgeben im Leitbild im Pflegekonzept in Zielvorgaben, -vereinbarungen im eigenen Verhalten

Wissensbasierte Pflege Umsetzung von Leitlinien

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Checkliste IInach Leitfaden Landespflegeausschuss Bayer, 2006

Personalentwicklung und Schulung Kooperation, interdisziplinäre Zusammen-

arbeit Zusammenarbeit mit Betreuern Schaffung unterstützender Strukturen

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... weitere Informationen

Rechtsanwalt Prof. Ronald RichterRICHTERRECHTSANWÄLTEMönckebergstraße 1720095 Hamburg040 – 309694 – 81 Fax: – 89 www.richter-rae.de

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Arbeitsschwerpunkteo Fachanwalt für Steuerrechto Heim-, Gesellschafts-, Sozialversicherungsrechto Veröffentlichungen:

• LPK-SGB XI, 4. Aufl., NOMOS• LPK-HeimG, 2. Aufl., NOMOS • Münchener Handbuch Sozialrecht, 4. Aufl., CH Beck• Seniorenrecht, 2. Aufl. NOMOS• LPK-SGB I, LPK-SGB XI, Das neue Heimrecht,

NOMOS • Behandlungspflege, 3. Aufl., Vincentz

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