Ivonne Miosge Leistungsansprüche qualitativer Sozialforschung in der Kritik

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Ivonne Miosge

Leistungsansprüche qualitativer Sozialforschung

in der Kritik

Ivonne Miosge

Vorschau

I. Hauptansprüche an die qualitativen Methoden

II. Leistungsansprüche/ Prinzipien einer qualitativen Sozialforschung (vgl. Lamnek)

III. Blickpunkt auf ein Beispiel der qualitativen Sozialforschung (narrative Interview)

Ivonne Miosge

I. Hauptansprüche an die qualitativen Methoden

• Anspruch auf Subjektivität• Akteursperspektive• authentische Wiedergabe

• Anspruch auf Historizität• Handlung in Bezug auf Geschichte zu interpretieren

• Anspruch auf Ganzheitlichkeit• Ganzheitlichen Zugang zum Leben• keine vorschnelle Reduktion

(nach Buchmann & Gurny)

Ivonne Miosge

II. Leistungsansprüche/PrinzipienIdee – Wirklichkeit? (vgl. Lamnek)

• nur analytisch trennbare Regeln

• Anfang des wissenschaftlichen Denkens und Handelns

• begründen/ verkörpern Grundregeln der wissenschaftlichen Praxis

• Gewichtung wird vorgenommen

Ivonne Miosge

Leistungsansprüche/ Prinzipien

• Prinzipien:1. Offenheit

2. Kommunikation

3. Prozesscharakter

4. Reflexivität

5. Explikation

6. Flexibilität

Ivonne Miosge

Ziel

Anspruch an die qualitative Sozialforschung

Was leisten sie tatsächlich?

Ivonne Miosge

1. Offenheit

Anspruch:• Verzögerung der theoretischen Strukturierung• Verzicht auf Hypothesenbildung ex ante

(Christia, Hoffmann-Riem)

• großer Wahrnehmungshorizont• Anpassungsfähigkeit an Veränderungen• Offenheit gegenüber neuen Entwicklung/

Dimentionen

Ivonne Miosge

1. Offenheit

Wirklichkeit?• gewisse Strukturierung erkennbar (Fragen)• Vorstellungen und Erwartung des Forschers und

Beforschten• Erwartungen, Wünsche, Vorwissen in den

Hintergrund stellen!• Einschränkung durch Auftraggeber• Gefahr: wenig Gedanken über Strukturierung, da

sie sich aus Forschungsprozess ergibt

Ivonne Miosge

2. Kommunikation

Anspruch:• Forschung = Kommunikation „natürlich“• gegenseitiges aushandeln der Wirklichkeits-

definition• Relevanzsetzung der Beforschten• sprachliche Äußerung nicht dinghaft sondern

interpretationsbedürftig, Kontextgebundenheit• Interne Gültigkeit durch Bedeutung, Selbstinteresse• Neutralität des Forschers

Ivonne Miosge

2. Kommunikation

Wirklichkeit?• Einfluss der Situation (Umfang, Ausformung,

Detail, Diktion)

• Neutralität – Einfluss des Forschers– Interviewereffekt– Anwesenheitseffekt– „sponsorship effect“

Ivonne Miosge

2. Kommunikation

Wirklichkeit?• Bereitschaft zur Kommunikation kann nicht

vorausgesetzt werden• Rekapitulation – erinnern, vergessen, behalten,

verdrängen• Einbildungskraft: Erinnern keine direkte Wiederholung

der Vergangenheit• Kommunikationsbeziehung einseitig (selten wird

Beforschter über Ergebnisse, Auftraggeber, Nutzen informiert)

• Situationsangemessener Sprachstil

Ivonne Miosge

3. Prozesscharakter (Grundannahme)

Anspruch:• gegenüber Forschungsakt/ Forschungsgegenstand• Agieren/ Interpretieren keine starren Muster• immer wieder reproduzieren, modifizieren durch

Handeln/ Deuten – Konstitution von Wirklichkeit bzw. sozialer Realität

• keine festgelegte Stichprobe• Alle wirken an Konstruktion von Wirklichkeit und

aushandeln von Situationsdefinition mit

Ivonne Miosge

3. Prozesscharakter

Wirklichkeit?

• Problematik der Rollenzuweisung

• Einfluss des Forscherteams

• langwieriger Prozess Motivations-

verlust, Zeitdruck durch Auftraggeber

• mangelnde Planbarkeit

• Uferlosigkeit

Ivonne Miosge

4. Reflexivität

Anspruch:• Bedeutungen von Verhaltensprodukten ist einer

Reflexion zu unterstellen (Sinnzuweisung)

• Bedeutung kontextgebunden reflektieren• Zirkularität der Verstehensleistung

(Sinnkonstitution & Sinnverstehen)• Beziehung zwischen Forscher und Beforschten

reflektieren• Gesprächsinhalt + Interpretation aufeinander

beziehen

Ivonne Miosge

4. Reflexivität

Wirklichkeit?• Einflussfaktoren: wie Forscher, Umwelt,

Forschungsteam, Motivation• Rollenzuweisung „katholisches Gespräch“• intuitive Kompetenz bei Datenanalyse• schweigen über Erfahrung im

Forschungsalltag/ Lebenswelt der Forschungssituation

Ivonne Miosge

5. Explikation (Forderung)

Anspruch:

• Untersuchungsprozess, Analyse, Interpretation, Regeln der Datenerhebung, Erwartungen, Erfahrungen offen darzulegen

Ivonne Miosge

5. Explikation

Wirklichkeit?

• Regeln meist implizit

• kaum vollständig Erfüllbar

• keine Garantie für Gültigkeit der Interpretation

• Intersubjektivität der Forschungsergebnisse

Ivonne Miosge

6. Flexibilität

Anspruch:• mehr Eigenaktivität + Gestaltungsmög-

lichkeiten des Beforschten• Exploration = flexible Vorgehensweise• wechseln der Forschungslinie, neue

Beobachtungspunkt hinzunehmen• vielfältige Erhebungsverfahren,

Forschungstechniken

Ivonne Miosge

6. Flexibilität

Wirklichkeit?• zu richtungslos, weitreichend• Unerfahrenheit der Forscher• unplanbare Entwicklung• wichtige Forschungsrichtungen werden nicht

erkannt• Überschaubarkeit der Daten?

Ivonne Miosge

III. Beispiel der qualitativen SF

• narratives Interview/ Biographieforschung

methodische Problemfelder:a) Auswahlverfahren

b) Datengenerierung

c) Datenauswertung

Ivonne Miosge

Beispiel narratives Interview

a) Auswahlverfahren- Vorgehen des Samplings häufig nicht expliziert- nur hohe Relevanz bei den Beforschten –

erzeugt Bedürfnis das Leben zu erzählen- theoretische Unsystematik im Auswahlverfahren- keine theoretische Verallgemeinerung aufgrund

der kleinen Fallzahl

Ivonne Miosge

Beispiel narratives Interview

b) Datengenerierung- Naiv: Erzählen= „natürliches Kommunikations-

mittel“, Zugzwänge nicht auf jeden gleich anwendbar

- Rollenzuweisung dadurch Form/ Inhalt beeinflusst- abhängig von momentaner Situation- Erzählung keine treue Abschrift- Makrostrukturen kaum beachtet- bei Nachfrageteil= zwingende Selektion

Ivonne Miosge

Beispiel narratives Interview

c) Datenauswertung- noch keine eigentliche Auswertungsmethode

herauskristallisiert- intersubjektive Nachvollziehbarkeit lässt zu

wünschen übrig (Teamdiskussion= „herrschaftsfrei“)

- Erzählinhalte durch inhaltliche Textanalyse zerstört (Änderung der Relevanzstrukturen zugunsten des Forschers)

Ivonne Miosge

Beispiel narratives Interview

c) Datenauswertung

• Anspruch der ganzheitlichen/ authentischen Würdigung?

• keine Vergleichbarkeit unter den Fällen

• selten Rückinformation an den Beforschten (Ergebnisse)

Ivonne Miosge

Fazit

• Prinzipien „an überzogenen Ansprüchen gescheitert“ ( Kreisel&Wolffersdorf-Ehlert)

• Lücke zwischen Praxis – Theorie ist sehr groß, Praxis im universitären Bereich

• Explikation sollte mehr Beachtung finden und sich in Forschungsberichten wiederfinden

• Qualifikation der Forscher

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