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Lehrmodul
„Polen auf einen Blick“
im Rahmen des Projektes
„Arbeitsmarktinitiative für Vorpommern und die Region Stettin“
Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt in Mecklenburg-Vorpommern
KOWA-MV
Tilly-Schanzen-Strasse 17 17033 Neubrandenburg
Tel: +49 395 555 3170 Fax: +49 395 563 9335
E-Mail: mail@kowa-neubrandenburg.de
Stand: Mai 2005
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Inhalt:
Vortrag (36 Seiten)
Folien zum Vortrag (12 Seiten)
Informationen zum Projekt (3 Seiten)
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Vortrag
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INHALTSVERZEICHNIS
1. Vorwort 5
2. Historischer Überblick 6 2.1. Wechselvolle Geschichte 6 2.2. Zeitgeschichte 7
3. Einwohner – Fläche – Bevölkerungsdichte 9
4. Politik 10 4.1. Das Staatsoberhaupt 10 4.2. Die Regierung 11 4.3. Territorialverwaltung 11 4.4. Legislative und Exekutive 12
5. Gewerkschaften 12
6. Religionsgemeinschaften 14 6.1. Andere christliche Gemeinschaften 17 6.2. Juden 17
7. Lage und Aussichten der Wirtschaft 18
8. Das polnische Bildungssystem 20
8.1. Geschichte des polnischen Bildungssystems 20 8.2. Gliederung des Schulsystems 21
8.2.1. Die Vorschulerziehung 21 8.2.2. Die Grundschule 21 8.2.3. Das Gymnasium 22 8.2.4. Die Weiterführenden Schulen 22 8.2.5. Das Hochschulwesen 23
9. Jugend und Gesellschaft 25 9.1. Jugend allgemein 25 9.2. Die Familien aus der Sicht der polnischen Jugend 25 9.3. Die Politik 26 9.4. Die Kirche 26 9.5. Bildung und Beruf 26 9.6. Jugendarbeitslosigkeit 27 9.7. Jugendkriminalität 27 9.8. Jugendlicher Drogenkonsum 27
10. Polen und die Europäische Union 28 10.1. Beziehungen zu Deutschland 30
10.1.1. Deutschland als Partner 30 10.1.2. Gegenseitige Wahrnehmung 30
11. Geschichtlicher Abriss 33
12. Quellenverzeichnis 35 Literatur 35 Internetquellen 36
Folien zum Vortrag
Informationen zum Projekt
5
1. Vorwort
Die mehr als tausendjährige Geschichte der deutsch–polnischen Be-
ziehungen ist von vielen Missverständnissen, kriegerischen Auseinander-
setzungen, militärischen Allianzen und völkerübergreifenden Annäher-
ungsversuchen geprägt worden.
Im 20. Jahrhundert kämpfte das polnische Volk nicht nur erneut um seine
Eigenständigkeit, sondern hat auch sehr viel Leid erfahren. Doch stand
das letzte Jahrzehnt des Jahrtausend für eine neue Etappe der Aus-
söhnung und des Austauschs zwischen Polen und Deutschen auf allen
Gebieten.
Dieses Lehrmodul soll dem gegenseitigen Verstehen dienen und ist für
junge Menschen in der deutschen Grenzregion zusammengestellt worden.
Dabei werden historische, kulturelle, politische und wirtschaftliche Fakten
und Strukturen ebenso durchleuchtet, wie die Bildungsreform und das
Leben der polnischen Jugend.
Seit dem 1. Mai 2005 ist Polen Mitglied der Europäischen Union.
Sowohl auf deutscher als auch auf der polnischen Seite, weiß man, dass
das Grenzgebiet ein Gradmesser für die deutsch-polnischen Beziehungen
ist. Alltäglich entwickeln sich hier Bilder und Meinungen über das jeweilige
andere Land. Das vorliegende Lehrmodul soll den Abbau von Vorurteilen
unterstützen.
Folie 1
11 Bundesstelle für Außenhandelsinformation Hrg.: Polen. Wirtschaftsstandorte – Woiwodschaften. Köln 2000, Seite 4. 2 Datenbank für internationale Jugendarbeit: Polen. IJAB e.V., Bonn 2004, Seite 4 3 http://www.europa-digital.de/laender/pol/staat/index.shtml (Erstveröffentlichung am 7.3.2001) 4 http://www.bpb.de/themen/VZK2LJ,0,0,Wahlsystem.html 5 Krystyna Schneider. Der Transformationsprozeß in Polen. Politische, wirtschaftliche und soziale Dimensionen des Wandels. Bonn 1999. Seite 209. 6 http://80.237.230.157/html/03_laen/06_pole.asp 77 IJAB e.V. (Hrg.): Datenbank für internationale Jugendarbeit. Polen. Bonn 2004, S.17 8 IJAB e.V. (Hrg.): Datenbank für internationale Jugendarbeit. Polen. Bonn 2004, S.17 9 Jäger-Dabek, Brigitte: Polen. Eine Nachbarschaftskunde. Bundeszentrale für politische Bildung. Berlin 2003, Seite 138 10 Jäger-Dabek, Brigitte: Polen. Eine Nachbarschaftskunde. Bundeszentrale für politische Bildung. Berlin 2003, Seite 139 11 Jäger-Dabek, Brigitte: Polen. Eine Nachbarschaftskunde. Bundeszentrale für politische Bildung. Berlin 2003, Seite 139 12 Jäger-Dabek, Brigitte: Polen. Eine Nachbarschaftskunde. Bundeszentrale für politische Bildung. Berlin 2003, Seite 143
6
2. Historischer Überblick
Der Urstamm der Polen waren die Polaner. Die Bezeichnung steht für
Bauern bzw. Landmänner. Erste Siedlungen gab es zwischen den Flüssen
Warthe und Weichsel im 6. Jahrhundert. Ihre Hauptsiedlung hieß
Gniezno. Von hier aus eroberten die Polaner in den nächsten zwei Jahr-
hunderten umliegende Gebiete und verbündeten sich mit slawischen
Stämmen ihrer Umgebung.
Im 8. Jahrhundert entstanden daraus mehrere slawische Fürstentümer,
die sich im südlichen Bereich des heutigen Polens zum Reich der Groß-
mährer zusammenschlossen.
2.1. Wechselvolle Geschichte
Die sechziger Jahre des 10. Jahrhunderts markieren dann endlich den
Eintritt Polens in die europäische Geschichte. Der, aus dem Herrscher-
geschlecht der Piasten stammende Herzog Mieszko (um 960- 992) ver-
trieb, die seit einem halben Jahrhundert plündernden Magywren, und
gründete das erste polnische Herzogtum. 966 ließ er sich taufen und nahm
das lateinische Christentum an. Als Kaiser Otto II. im Jahr 1000 das Grab
des heiligen Adalbert in Gnesen (Gniezno) besuchte, erhob er Mieszkos
Sohn Boleslaw I. (der Tapfere) zum „Bruder und Mitarbeiter des Reiches“.
Damit wurde die erste polnische Kirchenprovinz geschaffen. 1025 wurde
Boleslaw I. mit päpstlicher Billigung der erste polnische König.
Durch viele Eroberungskriege wurde Polen in den nächsten dreihundert
Jahren in etwa so groß wie das heutige Polen und erlangte im Jahr 1320
seine dauerhafte Erhebung zum Königreich.
Damalige Hauptstadt war Krakόw (Krakau).
Allerdings gab es auch immer wieder verheerende Einfälle heidnischer
Pruzzen, die Konrad I. von Masowien 1230 dazu veranlassten einen Hilfe-
ruf an den 1198 im Heiligen Land gegründeten Deutschen Ritterorden zu
richten. Als Gegenleistung versprach er ihnen das Kulmer Land. Dieser
Orden entwickelte sich schnell zu einer großen Militärmacht und zu einer
Gefahr für die Stellung der piastischen Fürsten im Norden Polens. Im Juli
1410 konnte der Orden in der Schlacht bei Grunwald (Tannenberg)
durch ein vereinigtes polnisch-litauisches Heer bezwungen werden.
Folie 2
7
Lange wurde diese Auseinandersetzung in Polen zum Sinnbild eines
dauerhaften deutsch-polnischen Gegensatzes stilisiert, während die zum
Aufstieg des Deutschen Ritterordens stattgefundene positive deutsch-
polnische Beziehung aus dem allgemeinen Bewusstsein zurückgedrängt
wurde. Im 12. Jahrhundert vollzog sich, auf Einladung polnische Herr-
scher, die „deutsche Ostsiedlung“. Sie war eine ökonomische, rechtliche
und kulturelle Leistung von der alle in Polen siedelnden Ethnien und die
Polen selbst profitierten und die bis ins 14. Jahrhundert andauerte.
Mit dem Ableben Sigismund II. 1572 erlosch das Herrschaftsgeschlecht
der Jagiellonnen, die Polen zu seiner größten Blüte verholfen hatten. Der
Adel bestimmte nun über die Geschicke des Landes. Die Wahlmonarchie
wurde eingeführt. Unterschiedliche Interessen des Adels und schwache
ausländische Könige führten dazu, dass Polen immer mehr unter den
Einfluss Russlands geriet.
Im 18. Jahrhundert erfuhr Polen drei große Teilungen (1772, 1793 und
1795). Dabei wurde das Land komplett unter Russland, Österreich und
Preußen aufgeteilt. Polen als Staat gab es fortan nicht mehr.
Erst durch die Ereignisse des Ersten Weltkrieges konnte Polen 1918 seine
Unabhängigkeit zurückgewinnen. Eine Zeit mit inneren und äußeren
Schwierigkeiten für Polen. Mit dem Überfall Hitlers am 1.9.1939 wurde
der junge Staat erneut zerschlagen. Stalin und Hitler hatten dies zuvor in
einem Geheimprotokoll beschlossen. Dieses Ereignis hat sich tief in die
Erinnerung der Polen vergraben und ist wichtig für das Verständnis der
deutsch-polnischen Beziehung
2.2. Zeitgeschichte
1945 wird Polen auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam nach
Westen verschoben. Große Teile Ostpolens gehen an Russland, dafür
werden ehemalige Gebiete des Deutschen Reiches Polen zugesprochen.
Millionen Polen und Deutsche müssen umsiedeln.
1950 wird die Oder-Neiße-Grenze von der DDR anerkannt und 1955 tritt
Polen dem Warschauer-Pakt bei. Die ersten blutigen Arbeiterunruhen
fanden 1956 in Posen statt. Die Studentenunruhen von 1968 wurden blutig
niedergeschlagen. Eine Säuberungswelle in der Kultur und im Partei-
apparat folgten. Im gleichen Jahr kam es zu einem Aufstand in der
Folie 3
8
Tschechoslowakei, dem sogenannten Prager-Frühling, der mit Hilfe der
polnischen Armee beendet wurde.
1970 schlossen die BRD und Polen einen Vertrag zur Normalisierung der
Beziehungen ab. Willy Brandt, damaliger Bundeskanzler, vollzog bei
seinem Besuch in Polen den legendären Kniefall vor dem Denkmal des
Warschauer Ghettos. Aufgrund von enormen Preissteigerungen kam es
im gleichen Jahr zu blutigen Ausschreitungen in Danzig.
1978 wurde Karol Wojtyła zum Papst gewählt. Johannes Paul II. war nach
400 Jahren der erste nicht aus Italien stammende Bischof, der Papst
wurde.
In Danzig kam es 1980 erneut zu Unruhen und Streiks. Die erste unab-
hängige Gewerkschaft des Ostblocks, die NSZZ „Solidarność“ wurde
gegründet. Ihr gelang es erste offizielle Kontakte mit der Regierung aufzu-
nehmen. Bald darauf jedoch (1981) verhängte General Jaruzelski das
Kriegsrecht über Polen. Tausende Gewerkschaftsanhänger wurden
interniert und bei der Erstürmung der Grube „Wujek“ Menschen getötet.
Mit der allgemeinen Entwicklung in Osteuropa kam es 1989 zu ersten
Verhandlungen am Runden Tisch. Daraus folgten die ersten halbfreien
Wahlen, aus denen die Kommunisten als Verlierer hervorgingen. Der erste
nichtkommunistische Premierminister wurde damit Tadeusz Mazowiecki.
1990 wurde die Oder-Neiße-Grenze auch vom vereinigten Deutschland
anerkannt. Lech Wałesa, ehemaliger Gewerkschaftsführer, wurde im
gleichen Jahr Staatspräsident. Ihm folgte 1995 Aleksander Kwaśniewski,
der 2000 in seinem Amt für weitere fünf Jahre bestätigt wurde.
1997 erhielt Polen eine neue Verfassung. Seit Mai 2004 ist Polen EU-
Mitglied.
9
3. Einwohner – Fläche – Bevölkerungsdichte
Polen ist ein europäisches Land mittlerer Größe. Es nimmt in Bezug auf
seine Fläche den 9. Platz in Europa und den 69. in der Welt ein. Mit seiner
Einwohnerzahl erreicht es den 8. Platz in Europa und den 29. in der Welt.
Ländername: Republik Polen (Rzeczpospolita Polska)
Fläche: 312 678 km²
Angrenzende Länder: Slowakei, Ukraine, Belarus, Litauen, Russland,
Deutschland und Tschechische Republik
Landessprache: Polnisch
Hauptstadt: Warschau / Warszawa (Großraum) ca. 2,4 Millionen
Einwohner
Anderer wichtige Großstädte: Kraukau (Kraków), Posen (Poznań),
Breslau (Wrocław), Lodz (Łódź), Danzig (Gdańsk), und Stettin (Szczecin).
Wojewodschaften und ihre Hauptstädte:
Zachodnio-Pomorskie (Westpommern) – Szczecin (Stettin)
Pomorskie (Pommern) – Gdańsk (Danzig)
Warmińsko-Mazurskie ( Emsland und Masuren) – Olsztyn
Podlaskie – Białystok
Mazowieckie (Masowien) – Warszawa (Warschau)
Kujawsko-Pomorskie (Kuljawien/Pommern) – Bydgoszcz
Wielkopolskie (Großpolen) – Poznań (Posen)
Lubuskie – Zielona Góra
Dolnośląskie (Niederschlesien) – Wrocław (Breslau)
Łódzkie – Łódź
Lubelskie – Lublin
Opolskie – Opole (Oppeln)
Śląskie (Schlesien) – Katowice (Kattowitz)
Świętokrzyskie – Kielce
Małopolskie (Kleinpolen) – Kraków (Krakau)
Podkarpackie – Rzeszów 1
Bevölkerung: 38,19 Millionen (Stand 31.12.2003), 123 Einwohner pro
km², Wachstum 0,01% (2001)
Folie 4
10
Altersaufbau der Bevölkerung (2002):
0-17 Jahre: 23,2%
19-44 Jahre: 39,9 %
45-64 Jahre: 21,9 %
über 65 Jahre: 15,0%
„Auch in Polen kam es im Rahmen des Transformationsprozesses in den
Neunziger Jahren zu starken Geburtenrückgängen: 2002 wurden im Ver-
gleich zur letzten Volkszählung 1988 etwa 2,7 Millionen weniger Kinder
unter 14 Jahren gezählt. Im gesamten Ostblock wurden in den Neunziger
Jahren 30 % weniger Kinder als zuvor geboren.“2
Religionen: Katholiken ( 35 Millionen), Russisch Orthodoxe, Protestanten,
Altkatholiken, Juden.
4. Politik
Seit 1997, vom polnischen Parlament (Sejm) eine neue Verfassung be-
schlossen und in einem Referendum vom Volk angenommen wurde, ist
Polen eine parlamentarische Republik mit einem Zwei-Kammern-Par-
lament und einem direkt vom Volk gewählten Präsidenten.
4.1. Das Staatsoberhaupt
Der Staatspräsident steht an der Spitze der Republik Polen und wird direkt
vom Volk alle fünf Jahre gewählt. Aleksander Kwaśniewski hält seit dem
23. Dezember 1995 dieses höchste Amt inne. Im Oktober 2000 wurde er
für weiter fünf Jahre im Amt bestätigt und erhielt dabei sofort im ersten
Wahlgang 56,1 Prozent der Stimmen. Seine Amtsdauer ist allerdings nun
beschränkt bis Herbst 2005, da der polnische Staatspräsident maximal
zwei Wahlperioden im Amt sein darf.
Er verfügt über ein großes Machtpotential, darf jedoch laut der Verfassung
von 1997 nicht in die täglichen Regierungsgeschäfte eingreifen. Als
„oberster Hüter der Republik“ trägt er dennoch die Verantwortung für die
Umsetzung aller nationalen Interessen. Innerhalb von 21 Tagen muss er
jedes Gesetz unterzeichnen, kann es aber auch mit einer Begründung an
den Sejm zurückschicken. Der Sejm hat dann aber immer noch die
Möglichkeit es mit einer 3/5-Mehrheit durch zu setzen. Der Staatspräsident
Folie 5
11
kann auch eine Gesetzesvorlage vor das Verfassungsgericht bringen,
sollte sie ihm als verfassungswidrig erscheinen. Wird diese allerdings vom
Verfassungsgericht als verfassungskonform angesehen, muss er sie
unterschreiben.
4.2. Die Regierung
Der Staatspräsident ernennt und vereidigt die Regierung Polens gemäß
der Verfassung. Innerhalb von zwei Wochen muss dann das Parlament die
Berufung mit absoluter Mehrheit bestätigen. Es müssen also mindestens
die Hälfte aller Abgeordneten anwesend sein. Mit einem konstruktiven
Misstrauensvotum kann das Parlament den Regierungschef abberufen.
Bei einzelnen Ministern ist dafür kein Gegenvorschlag nötig.
4.3. Territorialverwaltung
Von 1945 – 1975 besaß Polen eine dreistufige Verwaltungsgliederung
(Gemeinde, Kreis, Wojewodschaft) mit 22 Wojewodschaften. 1975 wurde
mit der Verwaltungsreform die Zahl der Wojewodschaften auf 49 erhöht
und die Ebene der Kreise abgeschafft.
Seit 1999 besteht wieder das dreistufige Verwaltungssystem. Polen ist nun
eingeteilt in 16 Wojewodschaften und 308 Kreise sowie 65 kreisfreie
Städte.
An der Spitze der Wojewodschaft steht der Wojewode, der durch den
Ministerpräsidenten ernannt wird und der örtliche Vertreter der Regierung
ist. Diese Ämter sind unter anderem zuständig für die Ausführung zentraler
Anweisungen in der lokalen Verwaltung, Sozialhilfe, Schulen, Gesund-
heitswesen und Raumordnung. Seit den neunziger Jahren nimmt das
Gewicht der Regionalparlamente stetig zu. Seit 1999 sind die
Wojewodschaften in etwa vergleichbar mit den deutschen Bundesländern.
Die Wojewoden haben eine Position inne, die der unserer Minister-
präsidenten ähnelt. Die Marschälle als Vorsitzende der Wojewodschafts-
parlamente gleichen den deutschen Landtagspräsidenten.
12
4.4. Legislative und Exekutive
„Die polnische Nationalversammlung ist ein Zweikammernparlament und
besteht aus dem Sejm mit 460 Abgeordneten und dem Senat mit 100
Abgeordneten. Sejm und Senat werden gemeinsam in geheimen Wahlen
für eine vierjährige Amtsperiode gewählt, der Sejm nach dem Verhältnis-
wahlrecht, der Senat dagegen nach dem relativen Mehrheitswahlrecht.“3
Polnische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die wahlberechtigt sind
und das 21. Lebensjahr vollendet haben, können in den Sejm gewählt
werden. Für die Wahl in den Senat muss das 30. Lebensjahr vollendet
sein. Allgemeines Wahlrecht hat jeder Bürger ab dem 18. Lebensjahr.
„Bei der Wahl zum Sejm wird das Land in 41 Wahlkreise eingeteilt, in
denen – abhängig von der Bevölkerungszahl der Wahlkreise – zwischen
sieben und 19 Mandate vergeben werden. Die Bürger verfügen über eine
Stimme, die sie einer Liste geben. Die Verteilung der Mandate an die
Parteien erfolgt in den Wahlkreisen entsprechend den gewonnenen
Prozentanteilen. Berücksichtigt werden aber nur die Parteien, die eine
landesweite Sperrklausel von fünf Prozent für Parteien und 8 Prozent für
Wahlbündnisse überwinden.
Bei der Wahl zum Senat dagegen wird das Land in 40 Wahlkreise
eingeteilt, in denen zwischen zwei und drei Senatsmandaten vergeben
werden, einzig der Warschauer Wahlkreis entsendet wegen der Bevöl-
kerungsgröße vier Senatoren. Die Wahl erfolgt nach dem relativen Mehr-
heitswahlrecht. Um allerdings überhaupt ein Mandat anstreben zu können,
müssen die Bewerber 3000 Unterschriften von Bürgern aus dem Wahlkreis
vorlegen, die die Kandidatur unterstützen. „Da Sejm- und Senatswahl ge-
meinsam durchgeführt werden, können die Bürger zwei Stimmen ver-
geben.“4
5. Gewerkschaften
Die Anfänge der polnischen Gewerkschaften gehen auf das 19. Jahr-
hundert zurück. Zu dieser Zeit war das Land unter Preußen, Russland und
Österreich aufgeteilt. Deshalb haben sich die Gewerkschaftsbewegungen
der jeweiligen Länder auf die Entwicklung der polnischen Gewerkschaften
ausgewirkt. In Oberschlesien entstand 1889 die Gesellschaft für
Gegenseitige Hilfe und in Bochum und Posen wurde 1902 die Polnische
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13
Gewerkschaft gegründet. In Österreich-Ungarn gab es zwei polnische
Gewerkschaftszentralen mit 40.000 Mitgliedern. Im russischen Teil des
Landes waren die gewerkschaftlichen Organisationen bis 1905 illegal. Ihre
Mitgliederzahl betrug 1907 115.000.
Nach der Gründung der Republik Polen 1918 wurden mehrere Beschrän-
kungen und Verbote, die die Gründung von Gewerkschaften betrafen,
aufgehoben. Mit der Anerkennung der Gewerkschaften als juristische
Person konnten mehrere ihrer organisationspolitischen Forderungen
umgesetzt werden. 20 Gewerkschaftszentralen mit über 2.000 Einzel-
gewerkschaften existierten in den zwanziger Jahren. Als jedoch 1935 die
Kontrolle der gewerkschaftlichen Organisationen eingeführt wurde,
erschwerte sich die Lage der Gewerkschaftsbewegung in Polen erheblich.
Nach dem zweiten Weltkrieg wurde 1949 in der Volksrepublik Polen der
Zentralrat der Gewerkschaften eingerichtet, der die Politik des
sozialistischen Staates vertrat. Zu seinen Aufgaben gehörten z.B. die
Führung der staatlichen Gewerbeaufsicht, die Organisation des Arbeits-
wettbewerbes unter den Arbeitnehmern und die Auslegung der Gesetze
des Arbeitsrechts. Die Arbeiterproteste und Streikwellen 1956, 1970 und
1976 missbilligte der Zentralrat der Gewerkschaften.
Die politische Opposition in Danzig und Oberschlesien gründeten 1978 die
„Freie Gewerkschaft“ und organisierte 1980 die Streikwelle. Im gleichen
Jahr wurden die unabhängigen Gewerkschaftsorganisationen von der
kommunistischen Regierung anerkannt. Zu dieser Zeit zählte die
Gewerkschaft „Solidarnosc“ ca. 10 Millionen Mitglieder. Am 13.12.1981
wurde der Kriegszustand ausgesprochen und sämtliche Gewerkschaften
aufgelöst. Allerdings führte ein Teil der Opposition ihre politischen
Aktivitäten im Untergrund fort.
Ab 1984 wurde der kontrollierte Neuaufbau staatsabhängiger Gewerk-
schaften in den Unternehmen eingeleitet. Im November desselben Jahres
entstand die Gesamtpolnische Vereinigung der Gewerkschaften (OPZZ)
als Dachorganisation. Im Juni 1989 wurde nach Verhandlungen die NSZZ
„Solidarnosc“ wieder registriert und als Gewerkschaft anerkannt.
Auch nach der Wende blieb der OPZZ der stärkste Gewerkschaftsbund mit
über 100 Branchenorganisationen und verzeichnete seitdem ebenso wie
die Solidarnosc einen dramatischen Rückgang seiner Mitgliederzahl.
14
Zurzeit erleben die Gewerkschaften einen ungebremsten Bedeutungs-
verlust. In der wirtschaftlichen Umbruchphase nimmt die Bereitschaft der
Arbeitnehmer ihre Interessen durch Streiks durchzusetzen kontinuierlich
ab.
In den letzten Jahren sind zahlreiche gesellschaftliche Organisationen und
Stiftungen entstanden und ihre Zahl nimmt ständig zu. Doch mangelt es
generell am Verständnis für Nichtregierungsorganisationen. Sie werden
eher als Lobbies oder Klienten und Konsumenten gesellschaftlicher Fonds
angesehen, die sich um finanzielle Unterstützung bemühen. Jedoch fehlt
bislang das Verständnis, dass gesellschaftliche Organisationen und
Interessensgruppen das Netz der Bürgergesellschaft bilden.
6. Religionsgemeinschaften
Polen gilt heute als das katholischste Land Europas. Über 95 Prozent der
Bevölkerung sind katholisch. Die große Zahl gläubiger Katholiken in Polen
ist erst durch den zweiten Weltkrieg und seine Folgen geschaffen worden.
Ein Grund dafür ist sicherlich die Tatsache, dass die katholische Kirche
während der kommunistischen Ära die einzige Opposition zum Staat war.
Zwar hatte die römisch-katholische Kirche immer schon einen großen
Einfluss in Polen, aber damals waren nur etwa zweidrittel der Bevölkerung
katholisch. Das lag hauptsächlich an ihrer nationalen Zusammensetzung
und dem Nebeneinander zahlreicher Glaubensgemeinschaften. In der
Verfassung und Recht verankert, sind alle Glaubensgemeinschaften
gleichgestellt.
6.1. Die römisch-katholische Kirche
Mit dem Ende der kommunistischen Herrschaft in Polen fand sich die
Katholische Kirche 1989 in einer neuen Situation wieder. Seit 1945 war die
Katholische Kirche von jeglichem Einfluss auf das politische Leben
ferngehalten worden und hatte einen wesentlichen Teil ihrer Besitztümer
verloren und damit nicht nur ihr Eigentum, sondern auch ihre Institutionen
und Vereinigungen. Politische Parteien der christlichen Opposition war es
nicht möglich sich zu organisieren und damit zu funktionieren. Der
katholische Laie konnte den Kontakt zu den Einrichtungen des religiösen
Lebens kaum wahrnehmen, denn dieser unterlag der Bewachung. Wer
Folie 7
15
sich für die Kirche entschied, hatte keinen Zugang mehr zum öffentlichen
Leben.
In der Nachkriegszeit hörte die Katholische Kirche in der Volksrepublik
Polen nach dessen Recht auf zu existieren. Da sie in Polen keine
juristische Person war, besaß sie auch keine Rechte. Erst im Mai 1989
verabschiedete der Sejm der Volksrepublik ein Gesetzespaket über
kirchliche insbesondere die Katholische Kirche betreffende Angelegen-
heiten. in dem Gesetz wird das Verhältnis des Staates zur Katholischen
Kirche, Garantien zur Gewissens- und Religionsfreiheit und die Sozial-
versicherung für Geistliche festgehalten.
„Obwohl die Kirche während der sozialistischen Ära so gut wie kein
Mitspracherecht hatte, fiel paradoxerweise gerade ihr in dieser Zeit eine
deutliche politische Rolle zu. Sie war die politische Opposition. Die Kirche
hatte diese Rolle nicht freiwillig gewählt, sie war ihr durch die Entwicklung
der Situation zugefallen.
Ein bedeutender Teil der Gesellschaft betrachtete sich als gläubige
Katholiken, während der totalitäre Staat die Vernichtung der Religion zu
seinem Ziel gemacht hatte. Die Katholische Kirche stand nun vor der
Notwendigkeit, die eigene Identität zu verteidigen. Sie konnte sich nicht
unterwerfen, wenn sie ihr Selbst wahren wollte. Die Verteidigung der
eigenen Identität bedeutete den Kampf um die Anerkennung der
Religionsfreiheit; und weil diese Freiheit die Grundlage jeglicher Freiheit
bildet, scharten sich um die Kirche diejenigen, die bestrebt waren, die
Menschenwürde wiederzuerlangen.“ 5 Wer sich ihr anschloss, identifizierte sich nicht unter allen Umständen mit
ihr, aber mit dem Kampf den sie führte. Die Katholische Kirche wurde,
indem sie um ihre Identifikation kämpfte zur treibenden Kraft gegen
Unterdrückung, für die Freiheit und die Selbstfindung einer Gesellschaft
und ihres Volkes.
Sie wurde zu einer kulturellen und moralischen Opposition und war damit
auch die einzige Opposition, wenn auch keine politische.
In der Zeit der Solidarność 1980/81 fiel der Kirche die Rolle des
Moderators in gesellschaftlichen Konflikten und in Gesprächen der
Opposition mit den Machthabern zu. Am 17. Mai 1989 wurde im Sejm ein
Gesetz über das Verhältnis des Staates zur katholischen Kirche
16
verabschiedet und im Juli folgte die Wiederaufnahme der diplomatischen
Beziehungen zwischen dem Apostolischen Stuhl und der Volksrepublik
Polen sowie die Ernennung eines Nuntius in Warschau im August des
gleichen Jahres. Damit hatte die katholische Kirche ein Höchstmaß an
Rechtssicherheit und Wirkungsmöglichkeiten erreicht.
Nach 1989 ist die Kirche in Polen in eine neue Situation gekommen.
Nachdem sie nun ihre Rechte und Handlungsfreiheiten wiedererlangt
hatte, versuchte sie das zurück zu erhalten, was ihr genommen worden
war. Sie versuchte nun wieder ins gesellschaftliche Leben zurück zu
kehren, indem sie ein Netz von Institutionen wiederaufbaute, derer sie
beraubt worden war. In der Tagespolitik machte sie insbesondere in der
ersten Hälfte der neunziger Jahre ihren politischen Einfluss geltend. Dabei
drehten sich die Auseinandersetzungen seit 1990 um den wieder
eingeführten schulischen Religionsunterricht, um Geburtenregelung, das
Konkordat, um christliche Werte in den Massenmedien und der
Verfassung, aber auch um steuerliche Privilegien und um Eigentums-
rückerstattungen.
Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung richtet sich jedoch nicht nach den
Empfehlungen der katholischen Kirche. Daraus zog die Kirche Konse-
quenzen und hält sich seit 2001 mit Wahlempfehlungen weitgehend
zurück.
Das Grundproblem zwischen Staat und Kirche besteht nach ihren
jahrzehntelangen Erfahrungen darin, gegenseitig zu akzeptieren, dass der
neue demokratische Staat kein Gegner der Kirche ist und dass im
Gegenzug die Kirche den Staat nicht als Herrschaftsgebiet beansprucht.
Gleichzeitig verschärft diese Situation Dechristianisierungsprozesse und
die liberaldemokratische Trennung von Staat und Kirche, wie sie in den
übrigen westeuropäischen Staaten seit Jahrzehnten verliefen. Damit muss
sich die katholische Kirche in Polen ungewöhnlich schnell einer neuen
Situation stellen.
Die katholische Kirche versäumte, in der Trauer über den Verlust ihrer
privilegierten gesellschaftlichen Stellung, sich weniger um politische
Angelegenheiten zu kümmern, denn um Erziehungsarbeit, mit dem Ziel,
die Katholiken auf ein Leben in einer modernen pluralistischen
Gesellschaft vorzubereiten. Damit wurde sie vor allem in den frühen
neunziger Jahren eher zum Konfliktverursacher.
17
6.2. Andere christliche Gemeinschaften
In Polen existieren auch weitere Religionsgemeinschaften, die jedoch
wegen des erdrückenden Übergewichts der Katholiken in der Gesellschaft
kaum auf eine intensive Dialogbereitschaft der römisch-katholischen
Kirche treffen. Dazu zählen ein großer Teil der Ukrainer griechisch-
katholischen Bekenntnisses (110 380), die autokephale orthodoxe Kirche
mit 561 400 Gläubigen als zweitstärkste Glaubensgemeinschaft neben der
römisch-katholischen Kirche und die polnischen Protestanten mit 87 300
Mitgliedern.
6.3. Juden
Im 12- und 13. Jahrhundert siedelten sich in Polen die ersten Juden an.
Sie erhielten von Fürst Boleslaw den Frommen Sonderprivilegien in
seinem Fürstentum, was König Kazimierz III. (1333 – 1370) bestätigte und
auf das gesamte Königreich ausdehnte.
Da in Polen gegenüber den Juden eine relativ große Toleranz herrschte,
wurde es Mitte des 14. Jahrhunderts zu Zufluchtsstätte vieler in West- und
Mitteleuropa lebender Juden vor den zunehmenden Pogromen. Im 16.
Jahrhundert lebten ca. 15.000 Juden in Polen-Litauen. 1582 erhielt
Litauen einen eigenen jüdischen Landtag.
Die Kosakenunruhen von 1648 und die darauffolgenden Kriegswirren
richteten sich eigentlich gegen die polnisch-katholische Herrschaft,
entluden sich jedoch gegen die Juden, die große Teile von Handel und
Verwaltung inne hatten.
Nach Polens Teilung kamen rund 800.000 Juden unter russischer, habs-
burgischer und preußischer Herrschaft. In den preußischen und habs-
burgischen Gebieten war ein starkes Assimilationsbestreben durch die
jüdische Oberschicht feststellbar, die ohnehin zur deutschen Kultur neigte.
Mit der Neugründung des polnischen Staates 1918 konnten sich die
polnischen Staatsbürger jüdischen Glaubens wieder politisch relativ frei
entfalten. Sie hatten Parteien und Abgeordnete, die sie im Sejm vertraten
während fast aller Parlamentsperioden.
Mit der Wirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre nahm der Anti-
semitismus wieder stark zu. Im Nationalsozialismus wurden in ganz
Europas die Juden verfolgt und insbesondere auf polnischem Boden in
18
Vernichtungslagern umgebracht. Nur zehn Prozent von insgesamt 3,3
Millionen Juden, die 1939 in Polen lebten, überlebten den Holocaust.
Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg lebten noch rund 250 000 Juden in
Polen. Es wurden 30 Gemeinden gegründet, doch verließen weitere Zehn-
tausende das Land nach Ausschreitungen in verschiedenen Ortschaften.
1947 lebten nur noch 100 000 Juden in Polen. Die anti-national-jüdische
Politik des kommunistischen Regimes und der israelisch-arabische Sechs-
Tage-Krieg im Juni 1967 veranlassten 1968 den größten Teil, der noch in
Polen lebenden Juden, das Land zu verlassen.
Heute leben nur noch 5 000 Juden in Polen. Die meisten von ihnen sind im
Schnitt über siebzig Jahre alt. 1996 gab es 21 jüdische Gemeinden. Seit
den achtziger Jahren gibt es eine bemerkenswerte Wiederentdeckung der
jüdischer Kultur und des jüdischen Erbes.
7. Lage und Aussichten der Wirtschaft
Mit Ungarn und der Tschechischen Republik gehört Polen zu den Staaten
Mittel- und Osteuropas, die als erstes den Wandlungsprozess von einer
staatlichen Planwirtschaft zu einem am Markt orientierten liberalen Wirt-
schaftssystem vorantrieben.
Unter den EU-Beitrittsländern galt Polen lange als Musterschüler und wies
ein sehr dynamisches Wachstum auf. Hohe Auslandsinvestitionen und das
Engagement vieler kleiner und mittlerer Unternehmen haben diese Ent-
wicklung mit getragen. Dadurch hat sich auch der Lebensstandard der
Polen seit der Wendezeit deutlich verbessert: verdiente ein Pole 2002
durchschnittlich 2 100 Złoty, das entspricht etwa 500 Euro, so lag der Lohn
1996 noch bei der Hälfte. Ende 2002 lag die Inflation sogar unter einem
Prozent.
„Das schnelle Wachstum der vergangenen Jahre hat Polen zum stärksten
Wirtschaftsmagneten für Auslandsinvestitionen werden lassen: 36 % aller
Direktinvestitionen in Mittel- und Osteuropa werden in Polen getätigt. Zu
den wichtigsten deutschen Investoren gehören die HypoVereinsbank,
Metro, Opel, die Commerzbank, Reetsma, Aral und Volkswagen.“6
Polen verfügt über gute Reserven an Kohle, Kupfer und Schwefel. Eines
der qualitativ hochwertigsten Steinkohlevorkommen Europas wird in Süd-
Folie 8
19
polen (Oberschlesien) abgebaut. Für Polen sind diese heimischen Ener-
giereserven von großer Bedeutung, denn sie bilden die Grundlage für ihre
Energiewirtschaft.
Zu den bedeutendsten Wirtschaftszweigen zählen die Schwerindustrie, der
Maschinenbau, der Elektro- und Elektroniksektor, die Energiewirtschaft,
die Textilindustrie, die Lebensmittelindustrie und die chemische Produktion
sowie Einzel- und Großhandel und Dienstleistungen.
Etwa 4% des Bruttoinlandproduktes werden über die Agrarproduktion
erwirtschaftet, doch sind 18 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig
und dabei machen einen großen Teil kleine und mittlere Familienhöfe aus.
„Vor allem östlich der Weichsel ist die Lage prekär, hier lebt in manchen
Regionen fast jeder Zweite von der Landwirtschaft. Dort kann man oft noch
Pferde beim Pflügen sehen. Dies erklärt, warum Polen bei den Beitritts-
verhandlungen mit der Europäischen Union (EU), die im Dezember 2002
zu einem Beitritt im Mai 2004 führten, vehement höhere Agrarbeihilfen
gefordert hat.“7
Die katastrophale ökologische Situation wurde lange Zeit als der
problematischste Punkt für einen Beitritt Polens in die EU angesehen. So
leitet Polen mit Abstand die größte Menge Schadstoffe in die Ostsee und
seine Gewässer sind insgesamt in einem sehr schlechten Zustand. Zwar
hat Polen in den letzten Jahren schon einige Fortschritte erzielt, doch
besteht immer noch Handlungsbedarf, um die strengen Richtlinien der EU
erfüllen zu können.
„Die Arbeitslosigkeit ist in Polen nach wie vor sehr hoch und lag im
September 2004 bei 18,7%, wobei überproportional viele Jugendliche
betroffen sind. Fast 80% der Arbeitslosen sind auf Sozialhilfe oder
Familienunterstützung angewiesen, weil sie keinen Anspruch auf
Arbeitslosenhilfe mehr haben.“ 8 Dabei versuchen viele ihre Einkünfte
durch Schwarzarbeit aufzubessern.
20
8. Das polnische Bildungssystem
8.1. Geschichte des polnischen Bildungssystems
Polen nimmt eine erhebliche Position im europäischen Kultur- und
Geistesleben ein. Nikolaus Kopernikus (Mikolaj Kopernik) studierte von
1491 bis 1494 in Krakau Astronomie und hat dem neuzeitlichen Denken
und Forschen einen großen Impuls gegeben.
Als weitere berühmte polnische Geistesgrößen zählen z. B.: der
Komponist Frederyk Chopin, die Physikerin Marie Curie, der Pädagoge
Janusz Korczak, der Filmregisseur Roman Polanski u. v. a. m.
Die Kirche legte in Polen bereits im Mittelalter den Grundstein zum
polnischen Bildungssystem. Sie betrieb im ganzen Land Dom-, Kollegiats-
und Pfarrschulen. Die Gymnasialbildung fand durch Reformation und
Gegenreformation besonders starke Verbreitung.
Mit der Aufteilung Polens unter Preußen, Russland und Österreich wurde
das Bildungssystem lange von außen bestimmt.
Nach 1918 gab es dann wieder ein Bildungssystem das dem europäischen
Standard entsprach.
Unter der Führung der Vereinigten Polnischen Arbeiterpartei wurde nach
dem 2. Weltkrieg versucht im Sinne der marxistisch ökonomischen Theorie
zu erziehen. Der Erfolg war jedoch nur mäßig. Immer gab es auch eine
Reihe privater Schulen und sogar eine private Hochschule: die Katholische
Universität Lublin.
Seit 1990 wurden für die Neuorganisation des Bildungssystems die
gesetzlichen Vorraussetzungen geschaffen. Die wichtigste Intention des
Gesetzes besteht in der Rückführung der Schule in die Hand der
Gesellschaft. Das Gesetz beseitigt alle Bezüge auf das sozialistische
Menschenbild und führt dafür das christliche Wertesystem als Orien-
tierungsgrundlage für das Bildungssystem ein. So ist z. B. der
Religionsunterricht nun auch ein Pflichtfach an allen Schulen. Das
Bildungsgesetz von 1990 sah jedoch keine Reform der Struktur des
Bildungssystems vor und so bleiben die Strukturen aus der sozialistischen
Ära bis ca. 2007 erhalten. Zurzeit existieren in Polen zwei Bildungs-
systeme nebeneinander. Einerseits das seit 1990 eingeführte noch aus der
sozialistischen Zeit stammende System und anderseits das seit dem 1.
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21
September 1999 nach und nach eingeführte neue Bildungssystem. Bis ca.
2007 werden nach den Plänen des Bildungsministeriums beide Systeme
nebeneinander existieren. Die Schulen in Polen sind unendgeldlich. Sie
starten am 1. September eines jeden Jahres und enden in der zweiten
Junihälfte.
8.2. Gliederung des Schulsystems
8.2.1. Die Vorschulerziehung
Flächendeckend soll in Polen die Vorschulerziehung ausgebaut werden.
Damit wird eine Kompensation mehrer Funktionen versucht. Einerseits
sollen besonders Kinder vom Land gefördert werden, andererseits soll so
früh wie möglich die Lernfähigkeit der Kinder entwickelt werden.
Alle Kinder können einen Kindergarten vom dritten bis zum sechsten
Lebensjahr besuchen. Die Gruppen sind altersgemischt mit 20 bis 25
Kindern. Auf eine Erziehungsperson kommen im Schnitt zwölf Kinder. Der
Besuch des Kindergartens ist nicht verpflichtend. Der Besuch im Umfang
von fünf Stunden täglich ist kostenlos, zusätzliche Betreuung und
Verköstigung sind kostenpflichtig. Die meisten Kinder besuchen allerdings
den Kindergarten erst ab dem sechsten Lebensjahr oder eine Vorschule,
da die meisten Eltern die kostenpflichtige Betreuung nicht aufbringen
können. Die Vorschule ist meist Bestandteil der Grundschule und richtet
sich an Kinder zwischen sechs und sieben Jahren.
8.2.2. Die Grundschule
In Polen bestand nach dem „alten“ System eine allgemeine Schulpflicht
vom siebten bis zum fünfzehnten Lebensjahr. Diese Zeit verbrachten die
Schüler in der sogenannten Pflichtgrundschule. Seit 1999 dauert die
Schulpflicht in der Regel bis zum sechszehnten Lebensjahr, höchstens
jedoch bis zum achtzehnten Lebensjahr. Die Schüler besuchen die
sechsjährige Grundschule und dann das dreijährige aufbauende Gym-
nasium. Die Schulpflicht entspricht also neun Jahre.
Die „alte“ Grundschule (Pflichtschule) bestand aus 8 Klassenstufen und
wurde von Kindern ab dem vollendeten 7. Lebensjahr bis maximal zum 17.
Lebensjahr besucht. In der Regel wählten die Kinder mit 14 Jahren
zwischen einer allgemeinbildenden höheren Schule (Lyzeum), einer
berufsbildenden höheren Schule (Berufstechnikum) und einer Berufs-
22
grundschule.
Seit der Bildungsreform von 1999 gibt es eine obligatorische sechsjährige
Grundschule für 7- 13jährige Kinder. Die erste Stufe umfasst die Klassen
eins bis drei mit integriertem Anfangsunterricht. In der zweiten Stufe mit
den Klassen vier bis sechs, findet fächerübergreifender Blockunterricht
statt. Am Ende der sechsten Klasse legen alle Schüler eine Kompetenz-
prüfung ab, die extern von regionalen Kommissionen bewertet wird, und
setzten dann ihre Schullaufbahn in einem weiterführenden Schultyp fort.
8.2.3. Das Gymnasium
Das polnische Gymnasium hat nichts mit dem deutschen Gymnasium
gemeinsam. Es wurde mit dem Schuljahr 1999/2000 neu eingeführt und ist
für alle Schüler ab dem 13. bis zum 16. Lebensjahr verpflichtend. Das
Gymnasium umfasst drei Schuljahre und baut auf den sechs
Grundschuljahren auf. Zum Schluss dieser drei Jahre legen alle Schüler in
ihrer Schule eine allgemeine Prüfung ab. Dieses findet jeweils im Mai statt.
Inhalt der Prüfung sind die humanistischen und mathematisch-
naturwissenschaftlichen Fächer. Ein externer Prüfungsausschuss bewertet
die Prüfungen. Diese gelten als Voraussetzung für die Zulassung an einer
weiterführende Schule. Seit 1999 wurde intensiv in diesen Schultyp
investiert, so dass dieser heute über eine relativ gute Ausstattung an
Computern, Fachräumen und Laboren verfügt.
8.2.4. Die Weiterführenden Schulen
In Polen gelten als weiterführende Schulen die Schulen der Sekundar-
stufe. Sie werden auch Mittelschulen genannt. Voraussetzung für ihren
Besuch ist eine Aufnahmeprüfung. Dies bezieht sich auf das „alte System“.
Die Ausnahme hierfür bildet die dreijährige Berufsgrundschule. Für ihren
Besuch ist keine Aufnahmeprüfung erforderlich. Sie bereitet lediglich auf
den auszuübenden Beruf vor und befähigt nicht zu einer höheren
Ausbildung. Dieser Schultyp ist der am heftigsten kritisierte Schultyp
Polens. Hier landen Jugendliche im Alter zwischen 15 und 18 Jahren, die
lediglich das Bedürfnis haben „irgendetwas“ zu erreichen. Die Absolventen
der Berufsgrundschule münden mit ihrem Facharbeiterabschluss direkt auf
dem Arbeitsmarkt und leider immer häufiger direkt in die Arbeitslosigkeit.
Es gibt aber neben den Mittelschulden und den Berufsgrundschulen noch
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23
verschiedene weiterführende Schulen wie das allgemeinbildende Lyzeum
und die technischen und berufsbildenden Mittelschulen. In den beiden
letzten Schultypen können innerhalb von vier oder fünf Jahren zwei
Abschlüsse gleichzeitig erworben werden, nämlich die Hochschulreife und
eine berufliche Qualifikation, als hochqualifizierter Facharbeiter oder als
Techniker. Dieser Schultyp ist ein Relikt aus der sozialistischen Ära. Die
doppelten Abschlüsse waren für die Polen durchaus attraktiv. Von ihnen
möchte man sich ungern trennen. Für viele Eltern und Schüler ist die
geplante Abschaffung deshalb unverständlich.
Das Lyzeum befähigt nach 4 Jahren zur Reifeprüfung (Abitur/poln:
matura), womit grundsätzlich der Besuch einer Hochschule möglich ist.
Aber auch mit den Abschlüssen der Berufstechnika kann ein Jugendlicher
sich zur Aufnahmeprüfung an einer Hochschule bewerben. Nach dem
Abitur sind die Schüler meist neunzehn Jahre alt und haben zwölf
Schuljahre besucht.
Das polnische Berufsausbildungssystem unterscheidet sich in seiner
Organisationsform deutlich von dem deutschen zweigliedrigen System. Die
Ausbildungsgänge sind hauptsächlich vollzeitschulisch und nicht betriebs-
gestützt. Die berufspraktischen Anteile sind also sehr gering. Der
mangelnde Bezug zu den Unternehmen und damit zum Beschäftigungs-
system ist ein großer Kritikpunkt der Bildungspolitik.
8.2.5. Das Hochschulwesen
Das polnische Abitur berechtigt nicht automatisch zum Besuch einer
Hochschule. Hierzu sind Aufnahmeprüfungen, Interviews und Wettbe-
werbe zu bestehen. Allerdings sollen mit dem neu eingeführten Abitur
auch die Zulassungsprüfungen künftig wegfallen. Neben der
Hochschullaufbahn steht den polnischen Abiturienten auch die Möglichkeit
offen eine postabiturielle (postsekundäre) Schule zu besuchen. Die
Ausbildung erfolgt dort meist in Modulen über zwei bis vier Semestern und
schließt mit einer mittleren beruflichen Qualifikation ab.
Das Studium an den polnischen Hochschulen ist als Regelstudium
gebührenfrei, als Fern- oder Abendstudium allerdings kostenpflichtig.
Die Hochschulen bieten unterschiedlich lange Studiengänge an. Das
Magisterstudium mit seinen einheitlichen vier bis fünf Studienjahren wird
dabei bevorzugt. In dieser Form werden in der Regel auch die polnischen
24
Lehrer ausgebildet. Nach dem Magisterexamen kann noch ein Doktorgrad
erworben werden. Ein drei- bis vierjähriges Berufsstudium bieten zudem
insbesondere die landwirtschaftlichen und technischen Hochschulen an,
das den Titel Lizentiat oder Diplom oder Ingenieur verleiht.
Die gleichen Abschlüsse können über das Fernstudium erlangt werden.
Fast die Hälfte aller Studenten in Polen sind Fernstudenten. Für das
Fernstudium müssen keine Aufnahmeprüfungen abgelegt werden. Viele
dieser Studenten haben keinen Regelstudienplatz bekommen oder
qualifizieren sich als berufstätige auf diesem Weg weiter. Dies gilt
insbesondere für viele polnische Lehrerinnen und Lehrer. Eine Präsenz
der Studenten in den Hochschulen wird lediglich an Wochenenden
erwartet.
Die am häufigsten belegten Studienrichtungen waren im Jahr 2000
Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften, technische Studiengänge,
Sozialwissenschaften und Pädagogik.
Seit 1997 gibt es in Polen auch Fachhochschulen. Sie bilden die zweite
Säule im polnischen Hochschulwesen.
Die erste deutsch-polnische Universität entstand 1992, die Europa-
Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Zum Wintersemester
2001/2002 kamen von 4 000 Studierenden bereits 1 250 aus Polen.
In Warschau haben die zentralen außeruniversitären Forschungs-
einrichtungen ihren Sitz. Dazu gehören die international renommierte
Polnische Akademie der Wissenschaften und die berühmte Polnische
Nationalbibliothek.
Seit 1991 sind auch nichtstaatliche Hochschulen amtlich zugelassen. Dazu
zählen auch ausländische Gründungen wie die Französich-Polnische
Hochschule für Informationstechnologie in Posen. Die nichtstaatlichen
Hochschulen sind meist kleinere Einrichtungen, die oft recht hohe
Gebühren verlangen aber keine Aufnahmeprüfung. Sie bieten in der Regel
lediglich ein Berufsstudium an mit dem Abschluss Lizentiat oder Diplom.
Vor allem Wirtschaftshochschulen dominieren, die die Mangelfächer
Ökonomie, Finanzen und Marketing oder Management anbieten. Manche
Studiengänge werden auch in den westlichen Fremdsprachen angeboten.
Insgesamt gilt die Bildungsreform als Schlüssel der allgemeinen Reform-
entwicklung Polens. Alle sind sich einig darüber, dass die Ausbildung der
25
Jugend die Zukunft des Landes bestimmen wird.
9. Jugend und Gesellschaft
9.1. Jugend allgemein
Von den knapp 39 Millionen Einwohnern sind ca. 6,4 Millionen Menschen
(16,4 % der Bevölkerung) 15 bis 25 Jahre alt. Das Ende des
Kommunismus und die Einführung der Freien Marktwirtschaft sind nicht
ohne Folgen für die polnische Gesellschaft geblieben. „So haben die
neuen Verlockungen des Konsums und das enorm gestiegene Maß der
Selbstverantwortung für das eigene Wohlergehen zu einem starken
Rückgang der Geburtenraten geführt. Während 1990 noch knapp 550
Tausend Kinder geboren wurden, kamen 1997 nur noch ca. 400 Tausend
Kinder zur Welt. 1990 wuchs Polens Bevölkerung um ca. 157 Tausend;
1997 nur noch um 32 Tausend. Die Zahl der jährlich geschlossenen Ehen
fiel zwischen 1990 und 1997 von 255 auf 205 Tausend, die Zahl der
Scheidungen jedoch blieb unverändert bei ca. 42 Tausend und damit (pro
1 000 Einwohner) halb so hoch wie in Deutschland.“10 Da Polen sich im
Umbruch befindet, gibt es große regionale und soziale Unterschiede. In
den Großstädten hat die Jugend den Anschluss an die Moderne gefunden,
in den entlegenen kleinen Städten und Dörfern sind jedoch Handys und
Bankkarten noch nahezu unbekannt. Die Situation der Jugendlichen ist
also regional bedingt sehr unterschiedlich, doch lassen sich einige
gemeinsame Vorstellungen skizzieren.
9.2. Die Familien aus der Sicht der polnischen Jugend
Die Familie hat auch bei der Jugend immer noch einen hohen Stellenwert.
Verhältnismäßig früh – im Alter zwischen 22 und 26 Jahren – wird
geheiratet und vor dem 30. Lebensjahr die Familie gegründet. Zu einem
erheblichen Teil (60%) besteht immer noch die Dreigenerations-Familie.
Das steht natürlich auch im Zusammenhang mit der weiterhin schlechten
Wohnungssituation. Insbesondere wegen der finanziellen Abhängigkeit
hält der Einfluss der Eltern lange vor. Selten wohnen 18 – 20 jährig schon
alleine, es sei denn, sie beginnen ein Studium in einer anderen Stadt. Da
für viele Eltern die Wende zu spät gekommen ist, um die neuen Chancen
für sich zu nutzen ( sie sind jetzt einfach zu alt) übertragen sie ihren
Folie 11
26
Ehrgeiz auf die Kinder, die dazu angehalten werden Sprachen zu lernen,
zu studieren und dem Leistungsdruck standzuhalten. Typisch für Polens
Jugend ist ein früherer voller Einstieg ins eigene Berufs- und Familien-
leben, bei wesentlich späterer finanziellen und räumlichen Abnabelung
vom Elternhaus, als es in Deutschland üblich ist.
9.3. Die Politik
Der polnischen Jugend ist die Demokratie sehr wichtig, obwohl sie den
neuen Institutionen und Politikern ihres Landes mit Rückhaltung
begegnen. Insgesamt erscheint die Jugend mit ihren Auffassungen von
Politik, Wirtschaft und Gesellschaft eher konservativ ausgerichtet. Sie
wünschen sich mehr Selbstverantwortung, weniger Staat, niedrigere
Steuern, niedrigere Sozialleistungen und höhere Gehälter.
9.4. Die Kirche
Der polnischen Jugend sind der Glaube und Gott nach wie vor sehr
wichtig. Die Kirche als Institution und gesellschaftlicher Bezugspunkt spielt
im Leben der Jugendlichen immer noch eine große Rolle. Allerdings ist sie
bei einem großen Teil der Jugend in ihren moralischen Ansichten um-
stritten. Der sonntägliche Kirchgang und die Teilnahme an rituellen
Handlungen der Kirche sind nach wie vor ungebrochen hoch. Taufen,
erste Kommunion, kirchliche Trauungen und die Berufung ins Priesteramt
sind so populär wie vor der Wende. Allerdings sprechen sich etwa die
Hälfte aller jugendlichen Katholiken (und davon sind ca. 80% Jungen) für
die Abtreibung und 21% für die Sterbehilfe aus.
9.5. Bildung und Beruf
Berufswissen und Bildung sind in den Augen der Jugend der Garant für
Erfolg. Wissen ist heute eine Investition und kein Wert mehr an sich, wie
es zu kommunistischen Zeiten noch gesehen wurde. Mit dem Aufbruch in
die neue Marktwirtschaft und zunehmender Präsenz ausländischer
Firmen haben sich auch sehr gute Ein- und Aufstiegschancen für gut
ausgebildete junge Leute ergeben. Deshalb ist es nicht verwunderlich,
dass die Jugend fleißig büffelt, Sprachen lernt und Auslandsaufenthalte
anstrebt. Diese Generation ist die erste, die keine Minderwertigkeits-
komplexe gegenüber den Gleichaltrigen aus dem Westen hat. Längst sind
27
die Zivilisations- und Technologielücken aus der Zeit des Kommunismus
geschlossen. Heute hören die Jugendlichen die gleiche Musik, surfen im
Internet, tragen die gleiche Mode und sehen dieselben Filme wie ihre
Altersgenossen im westlichen Europa.
9.6. Jugendarbeitslosigkeit
Seit der Wende stellt die Jugendarbeitslosigkeit ein immer größeres
Problem dar. „Im September 2004 hatten 39,1% aller Jugendlichen keine
Anstellung. Im Vergleichszeitraum 2003 waren in Polen aber sogar 40,8%
der unter 25-Jährigen ohne Arbeit.“12 Die besten Perspektiven haben
diejenigen, die bereit sind in die Metropolen des Landes zu ziehen.
Allerdings waren Ende 2001 in den Städten (44,6%) mehr Jugendliche
arbeitslos als auf dem Land (36,8%).
9.7. Jugendkriminalität
Im Zusammenhang mit der schlechten wirtschaftlichen Lage vieler
Jugendlicher haben sich auch die Kriminalitätsraten stark verändert.
Zwischen 1990 und 2000 haben sich die Zahlen nachgewiesener
Verbrechen, die von Jugendlichen begangen wurden auf fast 35 000 im
Jahr mehr als verdoppelt. Die Zunahme von Gewaltverbrechen geben
Anlass zur Sorge. Im Jahr 2000 wurden sogar 17 Jugendliche wegen
Mordes verhaftet.
9.8. Jugendlicher Drogenkonsum
Seit 1990 nimmt in Polen der Drogenmissbrauch deutlich zu. Das sagen
statistische Daten polnischer Suchtkliniken und der Polizei. Sehr schnell
hat sich Polen dabei den westlichen Standards angenähert. Im
europäischen Vergleich nimmt das Land in der Drogenproblematik einen
mittleren Platz ein. Insbesondere Jugendliche sind früh bereit mit Drogen
zu experimentieren oder auch regelmäßig zu konsumieren. In letzter Zeit
sind aber auch zunehmend Erwachsene an Drogen interessiert.
Unter den 15-16jährigen haben verschiedene Drogen einen unterschied-
lichen Ruf: der Konsum von Cannabis gilt weitgehend als akzeptiert,
während synthetische Drogen wenig toleriert werden und Heroin gänzlich
abgelehnt wird. So erklärt sich auch, warum der Cannabisverbrauch
derzeit zunimmt, wohingegen es in den 90er Jahren vorwiegend Heroin,
28
Ecstasy und Amphetamine waren. Anfang der 90er Jahre waren vor allen
die großen Städte vom Drogenkonsum betroffen, heute nimmt dieser auf
dem Land besonders stark zu. Zwischen 32 000 und 60 000 Menschen
sollen laut dem polnischen Nationalen Büro für Drogenprävention ernst-
hafte Probleme mit Rauschgift haben
10. Polen und die Europäische Union
Am 13. Dezember 2002 hat die Europäische Union beim Kopenhagener
Gipfel die Erweiterungsverhandlungen mit zehn Staaten abgeschlossen,
die am 1. Mai 2004 der Union beitraten. Neben Polen waren das Estland,
Lettland, Litauen, Malta, die Slowakische Republik, Slowenien, die
Tschechische Republik, Ungarn und Zypern.
Vom Beitritt wird, trotz aller Ängste, der gesamte Kontinent profitieren.
Bereits heute profitieren alle im wirtschaftlichen Sektor. Allein Deutschland
bestreitet in der Exportwirtschaft zehn Prozent seiner Umsätze mit den
neuen EU-Mitgliedsländern.
„Die Last der Umstellung auf die EU-Fähigkeit tragen die Beitrittsländer
allerdings überwiegend selbst. Auch die befürchtete Lawine von Arbeits-
migranten wird es nicht geben, auf lange Sicht werden nicht einmal die
150 000 bis 250 000 pro Jahr kommen, die wir allein in Deutschland
brauchen, um unsere Überalterung auszugleichen. Schon seit drei Jahren
ziehen ohnehin mehr Auswanderer nach Polen zurück als das Land
verlassen.“9
Die Osterweiterung ist eine Bereicherung, denn nun sind 10 neue
Mitglieder in die Gemeinschaft gekommen und der Umgang mit ihnen ist
noch fremd. Sie sind dynamische junge Gesellschaften, flexibel und
erfolgshungrig. Ihr Wandlungstempo ist rasant, ihre Wirtschaft liberal und
wettbewerbsorientiert. Über kurz oder lang könnten sie die
Problemlösungsstrategien der älteren EU-Mitglieder in Frage stellen und
manch arrivierter Staat könnte sie als Modell für Veränderungen
betrachten. „Die Nachbarn aus dem Osten werden die EU verändern, sie
werden ihr Reformtempo beschleunigen und Reformwege für die
verkrusteten Demokratien und Marktwirtschaften aufzeigen.“10
Die jahrzehntelange kulturelle Spaltung Europas in Blöcke ist mit der EU-
Erweiterung endlich beendet. Europa wird nicht nur größer, sondern
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29
besinnt sich auch wieder auf gemeinsame kulturelle Wurzeln. Mit dem
Beitritt der östlichen Länder Mitteleuropas ist die kulturelle Identität des
Kontinents wieder hergestellt. Europa, das ist eine Idee, die politisch,
kulturell und historisch gewachsen ist. Eine weitere Aufgabe wird es nun
sein, das Sammelsurium an Sprachen, Religionen, Traditionen und
Ansichten als Einheit zu bilden. Europäer sein heißt damit auch, den
Umgang mit dem Fremden in Toleranz zu üben. Europa „braucht kulturelle
Integration auf dem Fundament des gemeinsamen Erbes auch
Christentum und den humanistischen Traditionen von Rom, Athen und
Jerusalem.“11
Für die EU-Fähigkeit Polens galten als wichtigste Vorraussetzung die
Anpassung der polnischen Wirtschaft, die Privatisierung, die Reform der
Landwirtschaft und die Reform der regionalpolitischen Strukturen sowie die
Rechtsangleichung. Während der Beitrittsverhandlungen kristallisierten
sich schnell die Landwirtschaft und die Strukturhilfe für die ärmeren
Regionen als große Problembereiche heraus, daneben die geforderte
Freizügigkeit polnischer Arbeitnehmer auf dem EU-Binnenmarkt sowie der
Bodenerwerb durch Ausländer in Polen. Als Ergebnis der Verhandlungen
ist nun der Erwerb von Grund und Boden durch Ausländer nach zwölf
Jahren mit befreienden Sonderregelungen für Investoren ohne
Einschränkung möglich. Gefordert waren 18 Jahre. Die Polnischen
Arbeitnehmer werden auf dem europäischen Arbeitsmarkt erst nach
sieben Jahren die volle Freizügigkeit genießen, also fünf Jahre zzgl. eine
einmalige Verlängerung von zwei Jahren. Ab 2013 gelten die EU-
Einkommenshilfen für Bauern erst in vollen Umfang. Zuvor werden sie 25
Prozent der in der EU üblichen Direktbeihilfe erhalten. Auch sollen die
Bauern aus EU-Töpfen für ländliche Entwicklungsprogramme zusätzliches
Geld bekommen. Problematisch bleibt dabei nur die chronische Leere im
polnischen Haushalt, der dazu führte, dass bis heute bereits mehrere EU-
Fördermöglichkeiten nicht genutzt werden konnten, weil der
Eigenfinanzierungsanteil von Polen nicht geleistet werden konnte.
„Für die Zukunft in der EU sieht Ex-Außenminister Władysław
Bartoszewski für sein Land drei große Herausforderungen: die Anpassung
an die Anforderungen des einheitlichen Binnenmarktes, die Beibehaltung
eines hohen Wachstumstempos und des mikroökonomischen Gleich-
gewichtes sowie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und in Verbindung
30
damit unabdingbare Standards für Bildung und Gesundheit.“12
10.1. Beziehungen zu Deutschland
10.1.1. Deutschland als Partner
Mit keinem anderen ehemaligen Ostblockland hat Deutschland so
intensive wirtschaftliche Kontakte geknüpft wie mit Polen. „Das deutsch-
polnische Handelsvolumen erreichte 2002 das Rekordergebnis von 30,2
Milliarden Euro. Für Polen ist die Bundesrepublik der mit Abstand
wichtigste Handelspartner: fast ein Viertel aller Importe (24%) und über ein
Drittel aller Exporte (34,4%) wickelte unser östlicher Nachbar 2001 mit
Deutschland ab. 2002 war Polen der zehntwichtigste Abnehmer deutscher
Produkte, bei den Importen in die Bundesrepublik liegt das Land an der
Weichsel an dreizehnter Stelle.“ Nicht nur die wirtschaftlichen
Beziehungen haben sich verbessert. Zur Förderung des Jugendaus-
tausches wurde 1991 das Deutsch-Polnische Jugendwerk gegründet.
Auch haben beide Regierungen zur Förderung der bilateralen
Beziehungen im November 2004 Koordinatoren berufen. Diese sind die
polnische Diplomatin Irena Lipowicz und die Präsidentin der Europa-
Univesität Viadrina in Frankfurt an der Oder Gesine Schwan. Durch die
Aufhebung der Visumspflicht vor einigen Jahren, ist der Reiseverkehr
zwischen den beiden Lände stark angestiegen. Immer mehr ältere
Menschen nutzen die Gelegenheit ihre alte Heimat zu besuchen und
schließen dabei auch Kontakte zu unseren polnischen Nachbarn. Und:
nahezu 280 000 Menschen haben die deutsch-polnische Doppelte
Staatsbürgerschaft.
10.1.2. Gegenseitige Wahrnehmung
Die gegenseitige Wahrnehmung ist leider getrübt durch die vielen
„gemeinsamen“ Kriege in der Vergangenheit. 1410, in der „Schlacht von
Grunwald“, wurde die Streitmacht des Deutschen Ritterordens durch das
vereinigte polnisch-litauische Heer entscheidend geschlagen, und hat
damit zum Niedergang des Ostseestaates beigetragen. Auch heute noch
sind viele Straßen in Polen danach benannt. In der gleichen Gegend
schlugen deutsche Truppen während des Ersten Weltkriegs russische
Einheiten. Gefeiert und hochstilisiert wurde dieses Ereignis als „Sieg von
Tannenberg“ - gerade so, als könne damit die Niederlage von 1410 wett
31
gemacht werden. Auch die neuere Geschichte untermauerte dieses
Feindbild. Ende des 18. Jahrhunderts wurde der polnische Staat unter
Mitbeteiligung Preußens zerschlagen, insbesondere nach der Gründung
des Deutschen Reiches 1871. Damit fand auch eine extreme
Germanisierungpolitik im preußischen Teilungsgebiet statt. Als dann Polen
nach dem Ersten Weltkrieg wiedergegründet wurde, kam es unter
anderem in Oberschlesien zu heftigen Nationalitätenkämpfen. Mit dem
Kriegsbeginn 1939 brach wohl die schlimmste polnische Zeit an. Von
deutscher Wehrmacht und Roter Armee besetzt, unterlag Polen einer
gnadenlosen Ausbeutungs- und Vernichtungspolitik. Nach Kriegsende
herrschte unter den Polen erst einmal die Meinung, alle Deutschen seien
Mörder, bis sich nach und nach die Erkenntnis durchsetzte, dass zu
unterscheiden ist, wer aktiv an den Verbrechen beteiligt war und wer zu
den Opfern von Verführung, Angst und Machtlosigkeit gehörte. Dennoch
hielt lange eine gegenseitige negative Wahrnehmung vor. In der BRD
nahm man Polen kaum war, es war hinter dem eisernen Vorhang
verschwunden und in Polen war der Blick gen Westen durch die
vorgeschriebene kommunistische Propaganda getrübt. Erst mit Willy
Brandt zu Beginn der 70er Jahre veränderte sich das polnische
Deutschlandbild zum Positiven. Willy Brandt wollte generell die
Beziehungen zu den Ostblockstaaten verbessern. Als Anfang der 80er
Jahre Streiks und Wirtschaftskrisen Polen erschütterten, erfuhren die
polnische Bevölkerung und die Solidarność-Bewegung viel aktive
Unterstützung (z. B. Pakete) aus der BRD. Seit den 90er Jahren wird
Deutschland kaum noch als Bedrohung wahrgenommen, vielmehr gilt es
als Vorbild insbesondere für Wirtschaftreformen. Dennoch existieren in
beiden Ländern einige Vorbehalte, die hauptsächlich in ihrem
ökonomischen Ungleichgewicht begründet liegen. Polen hat Angst vor
einem Ausverkauf polnischer Erde an Deutsche. Diese Angst kommt vor
allem aus den ärmeren ländlichen Regionen. Hier wird auch der
westeuropäischen Konkurrenz auf dem EU-Agrarmarkt skeptisch und mit
Sorge entgegengeblickt. Letztlich ist jedoch für viele Polen gerade
Deutschland ein Fürsprecher für die Aufnahme ihres Landes in die EU
gewesen. Dem gegenüber steht ein negatives Polenbild in Deutschland,
das aus einem großen Sammelsurium von Vorurteile gegen Polen besteht.
Dabei werden die Polen als Autodiebe, Alkoholiker und Antisemiten
abgestempelt. Gleichzeitig fürchten sich die Bewohner der Grenzregionen
32
vor einer großen polnischen Migrationsbewegung. Aktuelle Unter-
suchungen und kontinuierliche Beobachtungen sprechen gegen diese
Sorgen, zumal die Regelungen der Europäischen Union hierzu
Beschränkungen festgelegt hat und die Bevölkerung der Grenzregionen
beider Seiten zunehmend im vereinten Europa zusammenwachsen und
die wirtschaftlichen Bedingungen ihrer Nachbarn gut kennen. Ein
freundliches Nachbarschaftsverhältnis bahnt sich an.
33
11. Geschichtlicher Abriss
6. – 7. Jahrhundert Einwanderung von Slawen
966 Mieszko I. konvertiert zum Christentum
1025 Boleslaw I. wird König
1386 Die Dynastie der Jagiellonen wird begründet
16. Jahrhundert Das Königreich Polen auf der Höhe seiner Macht
1596 Warschau wird Hauptstadt und Residenz von Sigismund III
1655 – 1660 Erster Nordischer Krieg
1772 – 1795 Polen wird zw. Preußen, Russland und Österreich aufgeteilt
1818 Ausrufung der Republik Polen
1919 Neue Westgrenze Polens durch Versailler Vertrag
1920 Polnisch-russischer Krieg, Gebietszuwachs im Osten
1939 Deutsche Truppen marschieren am 1.9. ein, Polen wird besetzt;
am 17.9. besetzt die Sowjetunion die polnischen Ostseegebiete;
der zweite Weltkrieg bricht aus; in Paris wird eine Exilregierung
gebildet
1941 In den UDSSR wird von polnischen Kommunisten eine
Exilregierung gebildet
1944 Antifaschistischer Aufstand in Warschau; sowjetische Truppen
dringen nach Westen vor; das „Polnische Komitee der Nationalen
Befreiung“(PKWN) wird gegründet
1945 Kommunistische Regierung; die heutigen Grenzen werden
festgelegt
1947 Polen wird Volksrepublik
1952 Eine Verfassung nach sowjetischem Vorbild tritt in Kraft
1955 Polen tritt dem Warschauer Pakt bei
1956 Arbeiterunruhen
34
1970 Unruhen und Streiks
1980 Das Kriegsrecht wird verhangen und die Gewerkschaft
Solidarność /Solidarität wird verboten
1983 Lech Wałęsa erhält den Friedensnobelpreis
1989 Die Solidarność wird zugelassen; der erste nichtkommunistische
Regierungschef gewählt
1990 Lech Wałęsa wird Staatspräsident
1995 Alexander Kwaśniewski wird Staatspräsident
1997 Eine neue Verfassung tritt in Kraft
1999 Polen tritt der NATO bei; Verwaltungsreform
2000 Der Staatspräsident Alexander Kwaśniewski wird wiedergewählt
2004 Polen tritt der EU bei
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12. Quellenverzeichnis
Literatur
Becher, Ursula A. J./Borodziej, Włodzimierz/Maier, Robert (2004): Deutschland und Polen im 20. Jahrhundert. Analysen – Quellen – didaktische Hinweise. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn
Bingen, Dieter(2005): Die deutsch-polnischen Beziehungen nach 1945. In: Deutschland und Polen. Aus Politik und Zeitgeschichte. 5-6/2005, S. 9-17
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Dauderstädt, Michael (2004): Transformation und Integration der Wirtschaft der postkommunistischen Beitrittsländer. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochezeitung Das Parlament. Bundeszentrale für politische Bildung, B 5-6/2004, S. 15-23
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Jäger-Dabek, Brigitte (2003): Polen. Eine Nachbarschaftskunde. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn
Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt MV (Hrg.) (2004): Die Erweiterung der Europäischen Union. Lehrmodul. Neubrandenburg
Linden, Brigitte (2004): Studienführer Mittel- und Osteuropa. Polen, Tschechische Republik, Slowakische Republik, Ungarn, Rumänien. Deutscher Akademischer Austauschdienst, Bielefeld
Olschowsky, Burkhard (2005): Die Gegenwart des Vergangenen. In: Deutschland und Polen. Aus Politik und Zeitgeschichte, 5-6/2005, S. 27-39
Rothacher, Albrecht (2004): Die EU 25. Chancen, Risiken und politische Folgen der Osterweiterung. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochezeitung Das Parlament. Bundeszentrale für politische Bildung, B 5-6/2004, S. 24-34
Ruchniewicz, Krzysztof (2005): Die historische Erinnerung in Polen. In: Deutschland und Polen. Aus Politik und Zeitgeschichte, 5-6/2005, S. 18-26
Schneider, Krystyna (1999): Der Transformationsprozeß in Polen. Politische, wirtschaftliche und soziale Dimensionen des Wandels. Inauguraldissertation, Bonn
Umann, Ullrich (2000): Polen. Wirtschaftsstandorte – Woiwodschaften. Bundesstelle für Außenhandelsinformation, Köln
Zandonella, Bruno (2004): Europa der 25. Osterweiterung der Europäischen Union. Themenblätter für den Unterricht Nr. 34. Bundeszentrale für politische Bildung, Köln
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http://www.bpb.de/themen/9BQWBD,0,0,Verfassung.html
http://www.bpb.de/themen/3U1UQD,0,0,Parteien.html
http://www.bpb.de/themen/VZK2LJ;0,0,Wahlsystem.html
http://www.bpb.de/themen/XMN0NV,0,0,Polen.html
http://www.europa.wahl-baden-wuerttemberg.de/erweiterung/faq.php3
http://www.europa-digital.de/laender/pol/staat/index.shtml
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http://www.ewz.euv-frankfurt-o.de/DPDMZ/html_d/l_pol_wirtschaft.html
http://www.ewz.euv-frankfurt-o.de/DPDMZ/html_d/l_pol_bildung.html
http://www.ewz.euv-frankfurt-o.de/DPDMZ/html_d/l_pol_geschichte.html
http://www.ewz.euv-frankfurt-o.de/DPDMZ/html_d/l_bezieh_02.html
Folien zum Vortrag
Inhaltsverzeichnis
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Lehrmodul „Polen auf einen Blick“
Gliederung:
1. Historischer Überblick
2. Einwohner
3. Politik
4. Gewerkschaften
5. Religionsgemeinschaften
6. Wirtschaft
7. Bildungssystem
8. Jugend und Gesellschaft
9. Polen und die Europäische Union
Historischer Überblick
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Historischer Überblick
• Wechselvolle Geschichte
- „Taufe Polens“ (966)
- Blütezeit des poln. Königreiches zur Zeit der Jagiellonendynastie
- III Teilungen Polens (1772, 1793, 1795)
- Unabhängigkeit nach dem I. Weltkrieg (1918)
- II. Weltkrieg und Auswirkungen der Konferenzen von Jalta und Potsdam
Historischer Überblick
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Historischer Überblick
• Zeitgeschichte
- Kniefall W. Brandts vor dem Denkmal des Warschauers Ghetto (1970)
- Karol Wojtyła wird zum Papst gewählt (1978)
- Blutige Arbeiterunruhen (1956, 1968, 1970, 1980)
- Kriegsrecht (1981)
- Gespräche am Runden Tisch (1989)
- EU-Beitritt (2004)
Einwohner – Fläche - Bevölkerung
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Einwohner – Fläche – Bevölkerung
• Ländername: Republik Polen
• Fläche: 312 678 km2 (8. in Europa/29. in der Welt)
• Bevölkerung: 38,19 Millionen (Stand 31.12.2003)
• Religionen: Katholiken (35 Mil.)
• Territorialverwaltung: 16 Wojewodschaften, 306 Kreise und
36 kreisfreie Städte
Politik
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Politik
• Zwei-Kammern-Parlament („Sejm“ und „Senat“)
• Staatsoberhaupt
- der Staatspräsident, max. zwei Wahlperioden à fünf Jahre, vom Volk gewählt
- Verantwortung für die Umsetzung der nationalen Interessen
- kein Eingreifen in die täglichen Regierungsgeschäfte
• Regierung
- Der Ministerpräsident und der Ministerrat
Gewerkschaften Folie 6 von 12
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Gewerkschaften
- Anfänge der polnischen Gewerkschaften im 19. Jh.
- Ab 1949 Zentralrat der Gewerkschaften
- 1978 Gründung der freien Gewerkschaft „Solidarność“
- 1981 Auflösung sämtlicher Gewerkschaften
- Ab 1984 kontrollierter Neuaufbau staatsabhängiger Gewerkschaften (OPZZ)
- Seit 90er Jahren Rückgang der Zahl der Gewerkschaftsmitglieder
Religionsgemeinschaften
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Religionsgemeinschaften
• Römisch-katholische Kirche
- 95 % der poln. Bevölkerung ist katholisch (ca. 35 Mio.)
- oppositionelle Rolle der Kirche im Kommunismus
- neue Situation und neue Rechte nach 1989
• Andere Glaubensgemeinschaften
- Juden, Protestanten, Russischorthodoxe
Wirtschaft
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Wirtschaft
- Polen war einer der ersten Staaten in Mittel- und Osteuropa, die den
Wandlungsprozess von einer staatlichen Planwirtschaft zu einem liberalen
Wirtschaftssystem vorangetrieben haben.
- Dynamisches Wirtschaftswachstum als Magnet für Auslandinvestitionen
- Wichtige Wirtschaftszweige: Schwerindustrie, Maschinenbau, Elektro- und
Elektroniksektor, Energiewirtschaft, Textilindustrie, Lebensmittelindustrie u.a.
- 4% des BIP werden über die Agrarproduktion (hier 18% der Bevölkerung tätig)
erwirtschaftet
- Problem: hohe Arbeitslosigkeit (ca. 19% in 2005)
Bildungssystem Folie 9 von 12
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Bildungssystem
1990 erste Bildungsreform,1999 zweite Bildungsreform, bis 2007 in der Umstrukturierung
• Vorschulerziehung
- Für Kinder zwischen 6 und 7 Jahren
• Grundschule (6 Jahre)
- Klasse 1-3 integrierter Anfangsunterricht, Klasse 4-6 fächerübergreifender
Blockunterricht, Kompetenzprüfung
• Gymnasium (3 Jahre)
- Abschließende allg. Prüfung – Zulassung für die Weiterführenden Schulen
Bildungssystem Folie 10 von 12
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• Weiterführende Schulen
- Allgemeines und profiliertes Lyzeum (Abitur)
- Technische Schule (Abitur)
- Berufsschule
• Hochschulwesen
- Abschlüsse: Lizentiat, Diplom, Magister
- Regel-, Fern-, Abend bzw. Wochenendstudium
- Universitäten und Hochschulen, öffentlich und privat
Jugend und Gesellschaft
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Jugend und Gesellschaft
- Früherer Einstieg ins Berufs- und Familienleben als in Deutschland
- Berufswissen und Bildung als Garant für Erfolg
- Hohe Arbeitslosigkeit bei Jugendlichen bis 25 Jahre (23 % im Jahr 2005)
- In den letzten 15 Jahren deutliche Zunahme von Verbrechen und
Drogenkonsum
Polen und die Europäische Union Folie 12 von 12
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Polen und die Europäische Union
- Anpassung der Wirtschaft, Privatisierung, Reform der Landwirtschaft,
Rechtsangleichung waren die wichtigsten Voraussetzungen für den Beitritt
- Seit 01.05.2004 ist Polen vollwertiges Mitglied der EU (Übergangsregelungen)
• Beziehung zu Deutschland
- Intensive wirtschaftliche Kontakte
- Jugendaustausch, deutsch-polnische Universität Viadrina (Frankfurt Oder)
- Immer noch Vorbehalte in der gegenseitigen Wahrnehmung
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Informationen zum Projekt
Ansprechpartner(innen) der Kooperationsstelle:
Dirk Höhner, Geschäftsführer
Monika Panek, Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Mona Gembus, Projektbearbeitung
So erreichen Sie uns:
KOWA-MV
Tilly–Schanzen-Str. 17
17033 Neubrandenburg
Tel.: +49 395 555 3170
Fax: +49 395 563 9335
E-Mail: mail@kowa-neubrandenburg.de
Das Lehrmodul wurde im Rahmen des Projektes „ Arbeitsmarktinitiative für Vorpommern und
der Region Stettin“ von MitarbeiterInnen der Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeits-
welt in Mecklenburg-Vorpommern (KOWA-MV) erstellt.
KOWA-MV in Neubrandenburg agiert als Nahtstelle zwischen Wissenschaft und Arbeitswelt.
Sie ermöglicht durch inhaltliche Vorbereitung und Durchführung von Seminaren, Workshops
und Tagungen für Experten aus den Gewerkschaften, Verbänden, Betrieben und Bildungs-
einrichtungen aus Deutschland und Polen einen intensiven gegenseitigen Informationen- und
Erfahrungsaustausch. Somit können Probleme in der deutsch-polnischen Grenzregion
gemeinsam grenzüberschreitend angegangen und Lösungsvorschläge erarbeitet werden.
Ziel des Projektes „Arbeitsmarktinitiative für Vorpommern und die Region Stettin“ ist die
Vorbereitung und die Begleitung der EU-Erweiterung in der Region Mecklenburg-
Vorpommern und Westpommern. Insbesondere gilt das für Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer, die Bildungseinrichtungen sowie Akteure des sozialen Dialogs. Es werden
bestehende regionale und grenzüberschreitende Kooperationsstrukturen weiterentwickelt
und neue Netzwerke etabliert.
Die Arbeitsmarktinitiative will das Zusammenwachsen einer aktiven deutsch-polnischen
Grenzregion im Norden unterstützen, in der deutsche und polnische Beschäftigte ohne
Vorurteile kooperieren und in der die Entstehung neuer Arbeitsplätze gemeinsam angestrebt
wird.
Das Projekt ist dazu in drei strategische Säulen unterteilt:
Die arbeitsweltorientierte Informationsstrategie stellt die Arbeitsbedingungen von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus Mecklenburg-Vorpommern und Westpommern in
den Mittelpunkt. Sie richtet sich sowohl an deutsche als auch an polnische Teilnehmerinnen
und Teilnehmer, die sich im Rahmen von zweitägigen Branchenseminaren mehrmals treffen
und Kooperationsbeziehungen entwickeln. Die Aktivitäten werden in ausgewählten Branchen
modellhaft gebündelt. Hierbei handelt es sich um Hochschulen, Schienenverkehr,
Dienstleistungssektor (Gebäudereinigung) und Metallindustrie.
Die beschäftigungspolitische Strategie hat die Förderung der Beschäftigung und des
grenzüberschreitenden Sozialen Dialogs zum Ziel. Es sollen gemeinsame grenzüber-
schreitende beschäftigungs- und strukturpolitische Strategien entwickelt und umgesetzt
werden. Zielgruppe in diesem Zusammenhang sind die Sozialpartner aus der Region,
Akteure der Beschäftigungs- und Strukturpolitik sowie interessierte Bürger.
Die soziokulturelle Informationsstrategie hat den Abbau des Wissensdefizits über das
Gesellschaftssystem in der Woiwodschaft Westpommern zum Ziel. Sie richtet sich
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insbesondere an Berufsschullehrerinnen und Berufsschullehrer sowie Berufsschülerinnen
und Berufsschüler. Dazu wird zum einen eine Reihe von Seminaren zu folgenden
Themenschwerpunkte angeboten:
- „Der Prozess der „EU-Erweiterung“
- „Grundlegende Geschichte Polens“
- „Polen auf einen Blick“
- „Das Berufsschulsystem in Polen“
- „Das Gesundheitswesen in Polen“
Zum anderen werden Unterrichtseinheiten über das Gesellschaftssystem Polens und die
Auswirkungen der EU-Erweiterung erarbeitet und in Kooperation mit Berufsschulen (und
Schulen) durchgeführt.
Darüber hinaus wird die Kooperation von Berufsschulen durch die Schaffung von Foren für
Berufsschullehrerinnen und Berufschullehrer angeregt, um eine nachhaltige Einbeziehung
deutsch-polnischer Fragestellungen in den Unterricht anzustreben.
Unsere Kooperationspartner sind insbesondere der Interregionale Gewerkschaftsrat
Pomerania (gegründet durch DGB Nord und NSZZ „Solidarność“ Westpommern) die
Arbeitgeberverbände und Kammern, die Hochschulen und die regionalen Bildungsträger
sowie die Kooperationsstelle Wissenschaft und Arbeitswelt an der Europa-Universität
Viadrina in Frankfurt (Oder).
Das Projekt wird gefördert im Rahmen des Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungs-
programms des Landes Mecklenburg-Vorpommern und durch die Europäische Union -
Europäischer Sozialfonds.
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