Morphologie und Syntax (BA) · Kasus-Kongruenz bei Nomen • Ein dritter Fall von Kongruenz ist im...

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Morphologie und Syntax (BA)

Morphologie und Syntax (BA)Morphologie und Syntax: Kongruenz, Kasus, Status,

Subkategorisierung

PD Dr. Ralf Vogel

Fakultät für Linguistik und LiteraturwissenschaftUniversität Bielefeld, SoSe 2007

Ralf.Vogel@Uni-Bielefeld.de

26.4.2007

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Morphologie und Syntax (BA)

Gliederung

1 Übungsaufgabe 3

2 Flexion

3 Kongruenz

4 Kasus

5 Verb-Status

6 Analytische Konstruktionen

7 Übungsaufgabe 4

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Morphologie und Syntax (BA)

Übungsaufgabe 3

Übungsaufgabe 3

(1) Betrachten Sie die beiden folgenden deutschen Flexions-Beispiele:

Sg Pl

Nom Tag – eGen es eDat – enAkk – e

Sg Pl

1.Pers. leg e en2.Pers. st t3.Pers. t en

• Welche Hinweise bekommen Sie hier für die Beurteilung, ob dasDeutsche eine analytische, agglutinierende oder flektierende Spracheist?

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Übungsaufgabe 3

Übungsaufgabe 3

• Die Flexionsform des Nomens, die wir hier sehen, nennt man auchGrundformflexion, und die des Verbs Stammflexion.

• Bei der Grundformflexion taucht die einfache unaffigierte Form selbst imParadigma auf.

• Wenn man sich den Plural des Nomens betrachtet, fällt auf, dass manein Plural-Affix, ‘-e-’, und ein Dativ-Affix, ‘-n-’, identifizieren kann.

• Parallel kann man das ‘-s-’ im Singular als Genitiv ansehen.

• Man könnte also aufgrund dessen Deutsch als aglutinierende Spracheansehen.

• Im Kontrast dazu ist das verbale Paradigma typisch für eine flektierendeSprache.

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Übungsaufgabe 3

Übungsaufgabe 3

(2) Auch im Deutschen könnten Morphemschichten hilfreich sein, umUmlaut und Ablaut zu erfassen.

a. Versuchen Sie, für ‘Boot — Bötchen’ eine Repräsentation zuentwerfen, die das Verkleinerungsmorphem so repräsentiert,dass der Umlaut mit erfasst wird!

b. Versuchen Sie das Gleiche für den Ablaut ‘singen — sang’!

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Übungsaufgabe 3

Übungsaufgabe 3

Mb o: tC V C C V C

[+vorne] ç � nM

Mb ø: tC V C C V C

[+vorne] ç � nM

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Übungsaufgabe 3

Übungsaufgabe 3

Ms NC V Ca

M

• Die einfache Vergangenheit bei sing—sang lässt sich, wenn manmöchte, parallel zu arabischen Binyanim ableiten.

• Der Vokal bestimmt die Tempusflexion.

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Übungsaufgabe 3

Morphologie und Syntax

• Wir haben gesehen, dass das Deutsche morphologisch relativreichhaltig ist.

• Verben, Nomen und Adjektive werden nach mehreren Kategorienflektiert.

• Wir werden heute betrachten, unter welchen Umständen die Gestalt vonWörtern, insbesondere ihre Flexion, von anderen Wörtern abhängt.

• Das betrifft im Deutschen insbesondere die Phänomene der Kongruenz,der Kasus-Selektion und des verbalen Status.

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Flexion

Flexion

• Wir haben festgestellt, dass im Deutschen neben Funktionswörtern wieHilfsverben, Pronomen und Artikel drei lexikalische Wortarten flektiertwerden:

1 Nomen (der Ball, des Balles, dem Ball, den Ball . . . )2 Adjektive (alter Wein, alten Weines, altem Wein, alten Wein . . . )3 Verb (ich singe, du singst, er/sie/es singt . . . )

• Nomen, Adjektive, Pronomen und Artikel werden nach folgendenFlexionskategorien flektiert:

• Genus• Numerus• Kasus

• Bei Nomen ist das Genus lexikalisch festgelegt.• Der Numerus eines Nomens ergibt sich in der Regel durch die

Bedeutung, die ausgedrückt werden soll.• Der Kasus wird über den syntaktischen Kontext bestimmt.• Adjektive und Artikel richten sich in allen drei Kategorien nach dem

Nomen, zu dem sie gehören. Das nennen wir Kongruenz (englisch:‘agreement’).

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Flexion

Nomen-Flexion — ein Beispiel

• Das Genus des Nomens „Ball“ ist lexikalisch auf Maskulinum festgelegt:

(1) der Ball, *das Ball, *die Ball

• Der Numerus kann bei den meisten Nomen variieren:

(2) Singular Plurala. Ball Bälleb. Fleisch *Fleische,*Fleischs,*Fleischenc. *Leut Leute

• Ausnahmen sind Massennomen wie „Fleisch, Holz, Wasser“, die nur imSingular erscheinen, oder Nomen wie „Leute“, die nur im Pluralexistieren.

• Diese Einschränkungen lassen sich aber über die Bedeutung derNomen verstehen.

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Flexion

Nomen-Flexion — ein Beispiel

• Welchen Kasus ein Nomen hat, bestimmt sich über den syntaktischenKontext.

(3) Nominativ Der Bauer lachte (*des/*dem/*den Bauern)Genitiv Der Hund des Nachbarn bellte (*der/*dem/*den Nachbar(n))Dativ Maria folgte dem Gastgeber (*der/*des/*den Gastgeber(s))Akkusativ Der Gläubige besuchte den Papst (*der/*dem/*des Papst(es))

• Präpositionen verlangen oft einen bestimmten Kasus, oder variierensemantisch mit verschiedenen Kasus:

(4) a. zu diesem/*diesen Ort Dativ/*Akkusativ

b. durch diesen/*diesem Ort Akkusativ/*Dativ

c. an diesem Ort Dativ: Position

d. an diesen Ort Akkusativ: Richtung

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Flexion

Nomen-Flexion — Kasus

• Wie wir bereits gesehen haben, ist die Flexions-Morphologie vonNomen eher spärlich:

Tabelle 1: Nominale Flexionsparadigmen des Deutschen, nach Sternefeld(2006)

• Die Flexionsmorpologie der Nomen unterscheidet insbesondere nichteindeutig zwischen den Kasus.

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Flexion

Nomen-Flexion — Kasus

• Oft kann im Deutschen der Kasus nur mithilfe von Artikeln („der/die/das,ein/eine“) oder Artikelwörtern („dies-/jen-/kein-“ etc.) bestimmt werden.

(5) a. der Ball, des Balles, dem Ball, den Ball

b. ein Ball, eines Balles, einem Ball, einen Ball

c. dieser Ball, dieses/n Balles, diesem Ball, diesen Ball

• Bei Abwesenheit eines Artikels oder Artikelworts übernimmt auch einAdjektiv diese Funktion:

(6) alter Käse, alten/*altes Käses, altem Käse, alten Käse

• Zu beachten ist der Unterschied zwischen Artikel(wort) und Adjektiv imGenitiv.

• Der Genitiv ist der einzige Kasus, der im Maskulinum Singular zumeistauch am Nomen erkennbar ist.

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Kongruenz

Kongruenz in Nominalphrasen

• Artikel, Artikelwort und Adjektiv kongruieren mit dem Nomen in Kasus,Numerus und Genus:

(7) a. Ich habe von dem frischen Bier getrunken.

b. Ich habe vielen alten Leuten geholfen.

• Man drückt dies auch in Form von Merkmalen aus.• Die nominalen Flexionsmorpheme realisieren bestimmte

Merkmalskombinationen.• -en steht hier für <Kasus=Dativ,Numerus=Plural>. Genus wird im Plural

nicht unterschieden.• Diese Merkmalskombination wird von den kongruierenden Elementen –

Artikel(wort), Adjektive – übernommen.• Kongruenz ist eine syntaktische Relation.• Die morphologische Gestalt eines Wortes hängt von der eines anderen

Wortes ab, wenn die beiden in einer bestimmten syntaktischenKOnfiguration stehen.

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Kongruenz

Kongruenz in Nominalphrasen

• Die syntaktische Konfiguration, um die es hier geht, besteht darin, dassArtikel(wort), Adjektiv und Nomen eine Nominalphrase bilden:

(8) von [NP dem frischen Bier]

• Beispielsweise kann der definite Artikel in (9) nur mit „Bier“ kongruieren,nicht aber mit „Sängerin“.

(9) Eine Sängerin hat von dem/*der/*die frischen Bier getrunken.

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Kongruenz

Kongruenz zwischen Subjekt und finitem Verb

• Neben der Kongruenz innerhalb von Nominalphrasen gibt es dieKongruenz zwischen dem finiten Verb und dem Subjekt eines Satzes.

(10) a. Ich habe Migräne.

b. Du hast Migräne.

• Das Subjekt eines Satzes steht im Deutschen im Nominativ.• So gut wie jeder Satz im Deutschen muss ein Subjekt haben.• In manchen Fällen, bspw. bei Wetter-Verben, haben wir nur ein

sogenanntes expletives Subjekt, das Pronomen „es“, das Kongruenz inder 3. Person Singular am Verb auslöst.

• Auch bei italienischen Wetter-Verben wird das Verb in der 3.PersonSingular flektiert, obwohl kein Expletivum erscheint:

(11) a. Es regnet/schneit/hagelt.

b. pioveregnet-3Sg„es regnet“ (Italienisch)

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Kongruenz

Kongruenz zwischen Subjekt und finitem Verb

• Kongruenz in der 3. Person Singular finden wir auch bei Nebensätzen,die als Subjekt fungieren (12-a).

• Unpersönliche Passive kommen sogar ohne Subjekt aus. Auch hierflektiert das Verb in der 3.Person (12-b).

(12) a. Dass es regnet, stört mich.

b. Hier wird nicht gelacht.

• 3.Person Singular ist in vielen Sprachen die Standardflexion (englisch:„default“) für das Verb, wenn kein Subjekt zur Verfügung steht, das dienominalen Merkmale für die verbale Kongruenzflexion vorgibt.

• Auch dieses Kongruenz-Phänomen, die Subjekt-Verb-Kongruenz,unterliegt also einer syntaktischen Bedingung:

• Das Verb übernimmt die Merkmalsspezifizierung für Numerus undPerson vom Subjekt des Satzes.

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Kongruenz

Kasus-Kongruenz bei Nomen

• Ein dritter Fall von Kongruenz ist im Deutschen die Kasus-Kongruenzeines Nomens.

• Sie lässt sich in zwei Arten von Konstruktionen beobachten:

(13) In einer Präpositionalphrase mit „als“, z.B. bei komparativenAdjektiven:

a. Der Polizist ist grösser als der Demonstrant. (Nominativ)b. Auf Usedom trifft man einen Dichter öfter als einen Maler.

(Akkusativ)

(14) Als Prädikatsnomen, bspw. bei Verben wie „nennen“:

a. Sie nannte ihn einen Verräter. (Akkusativ)

b. Er wurde von ihr ein Verräter genannt. (Nominativ)

• Auch die Kasus-Kongruenz bei Nomen ist also auf bestimmtesyntaktische Konfigurationen beschränkt.

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Kongruenz

Kongruenz bei Pronomen

• Pronomen kongruieren in Numerus und Genus mit ihrem Bezugsnomen:

(15) Personalpronomen:Das ist Peter. Ich kenne ihn/*sie seit unserer Jugend.

(16) Relativ-Pronomen:Das ist der Mann, den ich seit unserer Jugend kenne.

• Man spricht bei Personalpronomen auch von Bindung des Pronomensdurch sein Bezugsnomen.

• Binder und Pronomen müssen dabei nicht unbedingt in einersyntaktischen Relation, bspw. im selben Satz, stehen.

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Kongruenz

Kongruenz bei Pronomen

• Ein interessanter Unterschied zwischen Personalpronomen undRelativ-Pronomen lässt sich für das Bezugsnomen „Mädchen“beobachten:

(17) a. Relativsatz:Das Mädchen, das/*die ich kenne . . .

b. Das Mädchen steht dort. Es/Sie ist nett.

• Für das Personalpronomen kann entweder das grammatische(Neutrum) oder das semantische (Femininum) Genus verwendetwerden.

• Das Relativpronomen muss das grammatische Genus verwenden.

• Das hängt damit zusammen, dass beim Relativ-Pronomen in (17-a)Binder und Pronomen im selben Satz stehen, während Binder undPersonalpronomen in (17-b) in verschiedenen Sätzen stehen.

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Kongruenz

Kongruenz bei Possessiv-Pronomen

• Ein interessanter Fall sind Possessiv-Pronomen (besitzanzeigendePronomen).

• Ihr Wortstamm kongruiert in Genus und Numerus mit ihrem Binder.

• Ihr Flektionssuffix richtet sich in Kasus, Numerus und Genus nach demKopfnomen ihrer Nominalphrase:

(18) Das ist Peter. Ich habe seine Bücher gelesen.

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Kongruenz

Kongruenz — Zusammenfassung

• Fassen wir die vier betrachteten Kongruenz-Relationen zusammen.

kongruierendes Element Kategorie Merkmalsquelle

Adjektiv, Artikel(wort) Genus, Numerus Kopfnomen der NPfinites Verb Person,Numerus SubjektPrädikatsnomen Kasus modifiziertes NomenPronomen Numerus, Genus Binder

Tabelle 2: Kongruenz-Relationen im Deutschen

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Kasus

Kasus

• Der Kasus einer Nominalphrase wird von ihrem syntaktischen Kontextbestimmt.

• Kasus wird an eine Nominalphrase zugewiesen.• Als Kasuszuweiser können Verben, Präpositionen, Adjektive und

Nomen fungieren.

(19) Kasuszuweisung durch eine Präposition:

a. Wir liefen zu dem Feld.

b. Sie sprang durch den Reifen.

• „zu“ weist Dativ zu, „durch“ Akkusativ.

(20) Kasuszuweisung durch ein Nomen:

a. Peters Auto

b. Die Eroberung Trojas

• Innerhalb einer Nominalphrase wird Genitiv vom Kopf derNominalphrase (hier: „Auto, Eroberung“) zugewiesen.

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Kasus

Kasus

(21) Kasuszuweisung durch ein Adjektiv:ein seiner Frau treuer Ehemann

• Adjektive wie „treu“ weisen Dativ an ihre nominale Ergänzung zu.

• Eine Nominalphrase im Nominativ ist im Deutschen obligatorisch, wennein finites, also für Person, Numerus und Tempus flektiertes Verbvorhanden ist:

(22) Kasuszuweisung durch ein finites Verb:

a. Es regnet.

b. Er/*ihm/*ihn lachte.

• Bevor wir die weiteren Kasus-Relationen bei Verben betrachten,beschäftigen wir uns noch mit zwei für die Analyse wichtigentheoretischen Konzepten, grammatischen Funktionen und syntaktischenKategorien.

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Kasus

Grammatische Funktionen

• Mit grammatischen Funktionen bezeichnen wir die Rollen, die einzelneSatzteile oder Satzglieder in einem Satz übernehmen.

• Eine Funktion, die wir bereits kennengelernt haben, ist das Subjekt.

Subjekt Ein Subjekt steht im Deutschen im Nominativ.

• Wir unterscheiden mehrere Typen von Objekten:

Akkusativ-Objekt Ein Akkusativ-Objekt steht im Akkusativ.

Dativ-Objekt Ein Dativ-Objekt steht im Dativ.

Genitiv-Objekt Ein Genitiv-Objekt steht im Genitiv.

Präpositional-Objekt Ein Präpositional-Objekt wird mit einer Präpositioneingeleitet.

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Kasus

Grammatische Funktionen

• Einige Beispiele:

(23) a. Akkusativ-Objekt: Maria fuhr einen BMW.

b. Dativ-Objekt: Peter folgte einem Audi.

c. Genitiv-Objekt: Er entledigte sich seiner Pflichten.

d. Präpositional-Objekt: Er kämpfte mit einem Löwen.

• Welcher Objekt-Kasus erscheint, wird durch das verwendete Verbbestimmt.

(24) a. *Maria fuhr einem BMW.

b. *Peter folgte eines Audis.

c. *Er entledigte sich seine Pflichten.

• Auch die Präposition von Präpositional-Objekten kann durch das Verbverlangt sein:

(25) Wir warteten auf/*für/*von den Zug.

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Kasus

Syntaktische Kategorien

• Die Wörter sind die Grundbausteine eines Satzes.

• Wir haben bereits drei lexikalische Wortklassen anhand ihrermorphologischen Eigenschaften unterschieden: Nomen, Adjektive undVerben.

• Als vierte Klasse kommen die morphologisch uninteressantenPräpositionen hinzu: „in, an, auf, für, mit, . . . “

• Dies sind die wichtigsten syntaktischen Kategorien.

• Sie bilden die syntaktisch wichtigsten Phrasentypen NP, VP, PP, AP. (fürNominal-, Verb-, Präpositional- und Adjektiv-Phrase)

• Funktionswörter wie Artikel und Konjunktionen bilden eigeneKategorien.

• Pronomen werden kategorial zu den Nomen gezählt.

• Hilfs- (sein, haben, werden . . . bei analytischen Zeitformen) undModal-Verben (sollen, müssen, können . . . ) werden zunächst einmal alsVerben klassifiziert.

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Kasus

Subkategorisierung

• Wie bereits gesehen, unterscheiden sich Verben voneinander u.a. darin,welche Objekt-Typen sie verlangen.

• Anhand dieser unterschiedlichen Selektionseigenschaften unterteilenwir die Kategorie der Verben noch einmal in mehrere Unterkategorien(„Sub-Kategorien“) oder Verb-Klassen.

• Eine gebräuchliche Unterteilung ist die in intransitive, transitive undditransitive Verben.

Intransitive Verben selegieren lediglich eine Ergänzung, die in der Regel alsSubjekt des Satzes erscheint.

(26) Intransitive Verben:Die Lehrerin hustete/lachte/spielte/sang . . .

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Kasus

Subkategorisierung

Transitive Verben selegieren neben einem Subjekt noch ein Objekt, zumeistein Akkusativ-Objekt.

(27) Akkusativ-Objekt:Renate kaufte/fuhr/mietete . . . einen Toyota.

(28) Dativ-Objekt:Holger half/gratulierte/dankte . . . seiner Freundin.

(29) Genitiv-Objekt:Wir gedachten/erinnerten uns des ehemaligen Präsidenten.

• Meist werden die Akkusativ-selegierenden Verben als Standardfall vontransitiven Verben angesehen.

• Diejenigen Verben, die Dativ oder Genitiv zuweisen, gelten alsAusnahmen.

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Kasus

Subkategorisierung

Ditransitive Verben selegieren neben dem Subjekt noch einAkkusativ-Objekt und ein Dativ-Objekt.

(30) Ich gab/schenkte/schickte . . . das Buch der Studentin.

• Zumeist werden Verben, die zusätzliche PPn (und keinen Dativ)verlangen, hier nicht mitgezählt:

(31) Ich versah die Tür mit einem Schloss.

• Die PP kann hier ncht weggelassen werden, und die Präposition darfnicht durch eine andere ersetzt werden.

(32) a. *Ich versah die Tür / *Ich versah mit einem Schloss.

b. *Ich versah die Tür aus/von/an einem Schloss.

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Kasus

Subkategorisierung

• Die Einteilung in intransitiv, transitiv, ditransitiv ist nur sehr grob.• Sie berücksichtigt nicht, dass sich das Selektionsverhalten von Verben

auf vielfältigste Weise ausdifferenziert.• Man kann aber auch das unterschiedliche Selektionsverhalten in bezug

auf Anzahl und Art der verlangten Ergänzungen von Verben alsGrundlage für die Verbklassifizierung nehmen.

• So hat bspw. Levin (1993) für das Englische 183 Verb-Klassenfestgestellt.

• Die von einem Verb selegierten Ergänzungen sind manchmal auchfakultativ.

• Auch dies kann als Unterscheidungskriterien für Verb-Klassenherangezogen werden.

(33) a. Maria versorgte uns (mit Kuchen)

b. Maria versah die Tür *(mit einem Schloss)

• Wenn wir in (33-b) die PP „mit einem Schloss“ weglassen, ist der Satznicht mehr akzeptabel.

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Kasus

Subkategorisierung

• Die Selektionseigenschaften von Verben werden im Lexikon einerSprache festgehalten.

• Zur Wiederholung: Eine Sprache kann als ein System aufgefasstwerden, das aus zwei Komponenten besteht:

1 Ein Lexikon, das die kleinsten Einheiten der Sprache, Morphe undMorpheme, mit ihren kategorialen Zuordnungen undSelektionseigenschaften auflistet.

2 Eine Grammatik, die die Regeln für die Kombination dieserEinheiten zu Wörtern (Morphologie) und Sätzen (Syntax) kodiert.

• Die Grammatik des Deutschen wird bspw. beinhalten, dass ein Verb imAllgemeinen mit einem Akkusativ-Objekt kombiniert werden kann.

• Im Lexikoneintrag des Verbs ‘helfen’ wird aber festgehalten, dass diesfür dieses Verb nicht gilt.

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Kasus

Subkategorisierung

• Eine Eigenschaft, in der sich im Deutschen die intransitiven Verbennoch einmal voneinander unterscheiden, ist das Hilfsverb für dievollendeten Zeitformen.

• Verben wie kommen, gehen, sterben, laufen, folgen etc. verwenden dasVerb ‘sein’, während ansonsten die meisten Verben ‘haben’ verwenden.

• Das korreliert mit anderen Unterschieden:

(34) a. Das Taxi traf soeben ein.

b. Das Taxi ist soeben eingetroffen.

c. Das soeben eingetroffene Taxi

(35) a. Das Taxi hupte soeben.

b. Das Taxi hat soeben gehupt.

c. *Das soeben gehupte Taxi.

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Kasus

Subkategorisierung

• Bei Verben, die ‘sein’ verwenden, lässt sich das Verb als partizipialesAdjektiv zu dem Subjekt des Verbs umformen.

• Ds geht bei Verben, die ‘haben’ verwenden, ist diese Umformung nichtmöglich.

• Bei transitiven Verben geht diese Umformung mit dem Akkusativ-Objekt:

(36) a. Maria hat die Kinder beschenkt. (Kinder=Akkusativ-Objekt)

b. Die beschenkten Kinder

(37) a. Holger hat den Kindern Bücher geschenkt(Kinder=Dativ-Objekt)

b. *Die geschenkten Kinder

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Kasus

Subkategorisierung

• Man nimmt augrund der beobachteten Gemeinsamkeiten mitAkkusativ-Objekten an, dass Subjekte von ‘sein’-selegierenden Verbenquasi ‘heimliche’ Objekte sind: ‘eintreffen, gehen, kommen’ etc. habenalso demnach kein Subjekt, sondern nur ein Objekt.

• Dass dieses Objekt trotzdem Nominativ bekommt, ist einer anderenRegel des Deutschen geschuldet: In jedem Satz muss eine NP mitNominantiv stehen.

• Dies verschleiert den Unterschied zwischen den beiden Typenintransitiver Verben.

• Man kann sich dies auch so klarmachen, dass man das transitive Verbals Normalfall betrachtet und zum Ausgangspunkt nimmt.

• Um ein intransitives Verb zu bilden, hat man dann zwei Möglichkeiten:

• Man lässt das Subjekt weg (‘gehen, kommen, eintreffen . . . ’)• Man lässt das Objekt weg (‘lachen, husten, singen, hupen . . . ’)

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Morphologie und Syntax (BA)

Verb-Status

Verb-Status

• Verben kommen in finiter und infiniter Form vor.

• Das finite Verb ist die nach Person, Numerus, Tempus, Modus flektierteForm.

• Infinite Formen kommen im Deutschen in drei Varianten vor, die wir mitBech (1957) auch Status nennen können:

Infinitiv sing-en, lach-en, tanz-en etc.Partizip ge-sung-en, ge-lach-t, ge-tanz-t etc.

zu-Infinitiv zu singen, zu lachen, zu tanzen etc.

• Welchen Status eine Verb-Form annimmt, wird von anderen Verbenbestimmt.

• Bei vollendeten Zeitformen haben wir das Partizip:

(38) a. Maria hat/hatte gesungen.

b. Sonja ist/war eingeschlafen.

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Morphologie und Syntax (BA)

Verb-Status

Verb-Status

• Den Infinitiv eines Verbs finden wir bei unvollendenten Zeitformen wiedem Futur, sowie nach Modalverben:

(39) a. Herbert wird singen (Futur)

b. Herbert will/kann/darf singen (Modalverb)

• Der ‘zu’-Infinitiv wird von bestimmten, nicht allen, Verben selegiert.

(40) a. Er begann zu singen.

b. Er hat vorgeschlagen zu singen.

c. Sie hat mir versprochen zu singen.

d. *sie hat gesagt zu singen.

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Morphologie und Syntax (BA)

Verb-Status

Morphologie und Syntax

• Wir haben drei syntaktisch, d.h. durch andere Elemente im engerenoder weiteren sprachlichen Kontext gesteuerte, morphologischePhänomene betrachtet:

1 die Kongruenz bei Adjektiven, Artikeln, finiten Verben undPronomen,

2 die Kasus-Zuweisung an Nominal-Phrasen,3 die Bestimmung des Verb-Status.

• Bei Kongruenz übernehmen die kongruierenden ElementeEigenschaften eines Nomens.

• Bei Kasus-Zuweisung richten sich Nominalphrasen nach denSelektions-Forderungen ihrer Kasuszuweiser.

• Der Verb-Status wird von Hilfs- und Modalverben (Infinitiv, Partizip) bzw.lexikalischen Verben (zu-Infinitiv) bestimmt.

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Morphologie und Syntax (BA)

Analytische Konstruktionen

Lücken im Flexionsparadigma

• Wir haben zwischen inhärenter Flexion und Kongruenzflexionunterschieden.

• Die inhärenten Flexionsmerkmale, die uns hier interessieren, sind . . .

beim Nomen Kasus,beim Verb Tempus,

beim Adjektiv Komparation.

• Kann es vorkommen, dass eine bestimmte Flexion nicht möglich ist, undwas passiert dann?

• Typischerweise beobachten wir in solchen Fällen den Wechsel von einerflektierenden zu einer analytischen Konstruktionsweise.

• D.h., wenn ein Morphem fehlt, wird es durch ein Funktionswort ersetzt.

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Morphologie und Syntax (BA)

Analytische Konstruktionen

Komparation bei englischen Adjektiven

• Ein gutes Beispiel ist die Komparation im Englischen.

• Das Suffix ‘-er’ ist nur bei ein- oder zweisilbigen Adjektiven möglich:

(41) a. fast-er

b. easi-er

c. *intelligent-er

• Dies hat womöglich phonologische oder einfach historische Gründe.

• Um mit Adjektiven wie ‘intelligent’ einen Komparativ zu bilden, wird dannein Funktionswort verwendet:

(42) more intelligent

• Im Deutschen haben wir so eine Beschränkung nicht:

(43) klein-er, lustig-er, intelligent-er

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Morphologie und Syntax (BA)

Analytische Konstruktionen

Lücken im Flexionsparadigma• Aber auch im Deutschen wird, wie im Englischen, die analytische

Methode gewählt, wenn ein entsprechendes Suffix nicht zur Verfügungsteht.

• Ein Beispiel ist die ‘negative’ Komparation:

(44) a. lustig, weniger lustig, am wenigsten lustig

b. funny, less funny, the least funny

• Häufig wird auch angenommen, dass Präpositionen Kasusmorphemeersetzen.

• So kann man in den folgenden englischen Beispielen to als Realisierungdes Dativ und of als Realisierung des Genitiv auffassen:

(45) a. John gave the book to Mary.

b. The car of my parents is old.

• In analytischen Sprachen wie bspw. dem Japanischen lässt sich einUnterschied zwischen Kasus und Präposition nicht gut ziehen, da beidefreie Morpheme sind, die einer Nominalphrase nachgestellt werden.

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Morphologie und Syntax (BA)

Analytische Konstruktionen

Lücken im Flexionsparadigma

• Auch für die Tempus-Flexion des Verbs kennen wir solche analytischenKonstruktionen.

• Im Englischen gibt es den sogenannten ‘do’-support:

• Unter speziellen syntaktischen Bedingungen muss das Tempusmittels des Verbs ‘to do’ ausgedrückt werden.

(46) a. John went home.

b. John did’nt go home. (Negation)

c. Where did John go? (Nicht-Subjekt-Frage)

• Wenn ein Verb aus Gründen der Informationsstrukturierung im Satzvorangestellt werden soll, müssen wir dies auch im Deutschen sokonstruieren:

(47) Schlafen tut das Baby immer noch nicht.

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Morphologie und Syntax (BA)

Analytische Konstruktionen

Lücken im Flexionsparadigma

• Auch die Kongruenzflexion kennt solche Reparaturen mittelszusätzlicher Funktionswörter.

• Ein Beispiel sind Relativpronomen.

• Was uns normalerweise nicht auffällt, ist, dass diese nur in der 3.Personexistieren.

• Wenn wir für einen Relativsatz ein Bezugsnomen in der ersten oderzweiten Person nehmen, bekomen wir Probleme:

(48) a. *Du, der hier wohnt, kannst das nicht beurteilen.

b. *Du, der hier wohnst, kannst das nicht beurteilen.

c. Du, der du hier wohnst, kannst das nicht beurteilen.

• Diese Konstruktion ist im Normalfall nicht zulässig:

(49) *Peter, der er hier wohnt, kann das nicht beurteilen.

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Übungsaufgabe 4

Übungsaufgabe 4

• Worin besteht die Selektionsregularität bei dem Verb in folgendenSätzen?

(50) a. Maria hat sich mit Peter getroffen

b. Maria und Peter haben sich getroffen

c. *Maria hat sich getroffen (im selben Sinne wie in a. und b.)

• Werden der Dativ und die PP in folgenden Sätzen vom Verb selegiert?

(51) a. Maria spuckte dem Peter über die Schulter.

b. Holger backte der Oma einen Kuchen.

(52) a. Peter ging mit Olga ins Kino.

b. Holger erschlug die Fliege mit der Zeitung.

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