Ökonomisierung und Steuerung – wie viel davon kann die Soziale Arbeit vertragen? Vortrag im...

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Ökonomisierung und Steuerung – wie viel davon kann die Soziale Arbeit vertragen?

Vortrag im Rahmen der VDS-Jubiläumsveranstaltung am 26.6.2013

Prof. Dr. Mechthild SeitheBerlin Juni 2013

VDS-Jubiläumsveranstaltung

Prof. Dr. M. Seithe Berlin Juni 2013

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Übersicht:

Neoliberale Umsteuerung der Sozialen Arbeit

Verlust der Kernidentität der Profession Soziale Arbeit durch die Umsteuerung

Was bedeutet diese Umgestaltung konkret für die Soziale Arbeit und ihre Arbeitsfelder

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Neoliberale Umsteuerung der Sozialen Arbeit

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Ausgangspunkt: Soziale Arbeit im Sozialstaat

Der Sozialstaat ließ die notwendigen Spielräume für eine Soziale Arbeit, die sich an den Interessen und Bedarfen der Menschen ausrichtete

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Neue Steuerung, Verwaltungsreform, Management

Einzug von Management und betriebswirtschaftlichem Denken in die Soziale Arbeit

Notwendigkeit, alles messen zu können

Die Quantitäten wichtiger als Qualitäten

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Ökonomisierung, Kostensparen

Effizienz und Kosten

Wunsch, die entstehenden Kosten zu senken.

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Vermarktlichung

Soziale Arbeit kein Nonprofitbereich mehr

Unterwerfung aller Teile der Gesellschaft – unter die Gesetze des gewinnorientierten Marktes.

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Soziale Arbeit produziert Waren. Menschen sind Kunden Produkte müssen sich rechnen. Menschen werden hinsichtlich ihrer Nützlichkeit

für die Gesellschaft gewertet Menschen sind Humankapital

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aktivierender Staat, neues Menschenbild,

Anspruch Menschen zu steuern und sie im Interesse des neoliberalen Staates „zu erziehen“

Menschen sind für all ihre Problemlagen selber verantwortlich

Der Einzelne trägt die Schuld

Verantwortung der Gesellschaft und der Politik für das Entstehen von individuellen Problemlagen wird geleugnet

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Der aktivierende Staat hat folgende Zielperspektiven:

o Menschen erhalten Förderung nur noch ,wenn sie die an sie gestellten Forderungen erfüllen.

o Wenn sie dies nicht tun, sind Sanktionen erlaubt und scheinbar notwendig.

o Gefördert werden vor allem die Menschen, die am ehesten einen „Erfolg“ erwarten lassen.

o Nicht mehr der Bedarf eines Menschen ist ausschlaggebend, sondern das, was man sich von der Förderung dieses Menschen an Nutzen verspricht.

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Verlust der Kernidentität der Profession Soziale Arbeit durch die Umsteuerung

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These:

Mit der Neuen Steuerung, der Ökonomisierung, Vermarktlichung und mit den Zielsetzungen und Vorgehensweisen eines aktivierenden Staates geht die in dieser Weise umgesteuerte Soziale Arbeit – egal in welchen Arbeitsfeldern - am Kern der Sozialen Arbeit vorbei

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Einheitliche Profession Soziale Arbeit

Die Profession Soziale Arbeit ist mehr ist als ein Sammelbegriff wie „Dienstleister im Sozialen Bereich“ oder „Helfer“.

Mit dem Begriff Soziale Arbeit sind ethische, fachlich und auch politische Positionen verbunden.

Einheit der Sozialen Arbeit wird heute bestritten und abgelehnt.

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Aufgabe der Sozialen Arbeit

was ist die Aufgabe der Soziale Arbeit, was sind ihre Ziele, welchen ethischen und politischen Prinzipien ist sie

verpflichtet?

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Antwort auf die alte und neue Soziale Frage des Kapitalismus.

Aufgabe bezieht sich demnach auf die gesellschaftlich bedingten Problemlagen.

Unterstützung insbesondere sozial benachteiligter Menschen

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Doppeltes Mandat gilt auch heute

Mandat des Systems heute: Menschen für dieses System fit und nützlich zu machen.

Mandat für die Klientel: Parteilichkeit für die durch gesellschaftliche Strukturen verletzten und benachteiligten Menschen.

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Kernelemente der Sozialen Arbeit

Kommunikation und Beziehungsarbeit Humanistisches Menschenbild Forderung nach gesellschaftlicher Verantwortung Spezifische Handlungsorientierung

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Das zentrale Medium zwischenmenschliche, bilaterale und gegenseitige Kommunikation.

Notwendig sind Vertrauen Beziehungsarbeit Kooperation Verständigung

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Das humanistische Menschen- und Gesellschaftsbild der professionellen Sozialen Arbeit

Respekt vor der Klientel und ihren Eigensinn.

parteilich und anwaltlich auch und besonders die Menschen, die sozial benachteiligt

Prinzip der Subjektorientierung.

nicht: Menschen fit zu machen für das bestehende Gesellschafts- und Wirtschaftssystem.

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Forderung nach unbedingter Verantwortung der Gesellschaft und der Politik für Menschen, die unter Problemen leiden, die ihnen durch die gesellschaftlichen Bedingungen zugefügt haben

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Handlungsorientierungen:

Ganzheitlichkeit Alltagsorientierung Ergebnisoffenheit Methodenoffenheit

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Was bedeutet diese Umgestaltung konkret für die Soziale Arbeit und ihre

Arbeitsfelder

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1. Auswirkungen der zentralen Steuerungsmomente im Kontext der Ökonomisierung:

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Verstärkte Belastung der Sozialarbeitenden

Entwertung des „Produktes“ der Sozialen Arbeit

Bevorzugung schneller, effizienter und effektiver Methoden

Deprofessionalisierung der sozialpädagogischen Prozesse

 

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• Folgen für das Denken der SozialarbeiterInnen

Betriebswirtschaftliche Sprache und Logik in den Köpfen der Sozialarbeitenden

FachmitarbeiterInnen haben die Effizienzschere im Kopf

Qualifizierte Soziale Arbeit im Sinne der Kernelemente wird von den Fachkräften selber als Luxus und al unmöglich abgetan

Erleben und Akzeptieren der Ökonomisierung als unvermeidbar

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Leistungen für Menschen werden zu Kontrollaufgaben umfunktioniert:

Durch neue verpflichtende neue „Qualitätsstandards“ werden die Strukturen und die Abläufe der Arbeit von vorneherein so beschrieben und umdefiniert, dass eine fachliche, beziehungs- und Menschenorientierte Arbeit gar nicht mehr möglich ist.

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2. Auswirkungen der zentralen Steuerungsmomente im Kontext der des veränderten Menschenbildes:

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Reduktion auf neoliberal motivierte Ziele und Aufgaben der Sozialen Arbeit: Menschen befähigen, in und für unsere

Gesellschaft nützlich werden. Menschen kontrollieren Abwendung von der Zielgruppe Sozial

Benachteiligter (nicht Bedarf ist ausschlaggebend sondern der mögliche Nutzen und Erfolg)

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Ziele der professionellen Sozialen Arbeit werden entweder abgelehnt oder geleugnet (z.B. Parteilichkeit, Persönlichkeitsentwicklung).

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Neoliberaler Umgang mit Menschen

Soziale Arbeit kann nicht länger parteilich zu sein und die Eigeninitiative der Menschen fördern und respektieren.

Beziehungsarbeit ist nicht erwünscht. Sanktionen und Druck gelten als erlaubte

pädagogische Mittel.

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Menschen, die sich etwas haben zu Schulden kommen lassen, die eine Gefährdung darstellen, werden nur noch als Faktoren oder Objekte wahrgenommen und behandelt

Menschen werden für ihre Probleme ganz alleine selber verantwortlich gemacht. Forderungen an die Gesellschaft sind indiskutabel

Die Unterstützung (Förderung) für KlientInnen ist zunehmend an eine entsprechende Gegenleistung geknüpft.

Ausgrenzen der nicht aktivierbaren

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Auch das neue Menschenbild wird weitgehend von den praktizierenden SozialarbeiterInnen übernommen.

  Das bedeutet vor allem eine veränderte Sicht

auf die eigene Klientel und damit häufig verbunden die Abwertung der eigenen Klienten

Es entsteht innerhalb der Sozialen Arbeit so etwas wie ein „Sozialrassismus“

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Fazit:

Die heutige Soziale Arbeit ist „in einer kaum vorstellbaren Weise involviert … in den neoliberalen Umbau. Zumutungen der Ökonomisierung und der Veränderungsdruck durch den aktivierenden Staat zwingen die Soziale Arbeit mehr und mehr, ihre eigene professionelle Identität aufzugeben und fachliche Kriterien ihrer Professionalität hinten an zu stellen (Roer 2010, S. 34).

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„Angesichts der (Definitions-)Macht des digitalen Kapitalismus stellt sich heute die Frage, wie es gelingen kann, die Kernprinzipien der Sozialpädagogik und Sozialarbeit als Stützpfeiler einer dem Menschen zugewandten Sozialpädagogik auch in Zukunft zu halten“ (Böhnisch, 2005, S. 230).

 

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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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Böhnisch, L./Schröer, W./Thiersch, H. (2005): Sozialpädagogisches Denken. Wege zu einer Neubestimmung. Weinheim 2005

Kunstreich, T. (2012): Grundstrukturen Sozialer Arbeit in Zeiten des Neo-Liberalismus: Neo-Sozialhygiene als Rassismus ohne Rassen. In: Anhorn, R.; Bettinger, F.; Horlacher, C.; Rathgeb, K. (Hg.) (2012): Kritik der Sozialen Arbeit – kritische Soziale Arbeit. Wiesbaden.

Roer, D.: Soziale Arbeit und Sozialpolitik. Der Beitrag der Mainstream-Sozialarbeitswissenschaften zu (Ent-) Politisierung der Profession. In: Michel-Schwartze, B. (Hrsg.) (2010): „Modernisierungen“ methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit, Wiesbaden 2010, S. 33 – 48

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