Prof. Dr. Jan Georg SCHNEIDER...geteiltes „Insider-Wissen“ ; für manche ggf. neu 25...

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DIE MODALPARTIKEL HALT IM GEGENWARTSDEUTSCH

Liubov PATRUKHINA

Université de la Sorbonne

Nouvelle – Paris 3 (Frankreich)

Workshop “Lexik des gesprochenen Deutsch“, IDS Mannheim, 16.02.2017

Prof. Dr. Jan Georg SCHNEIDER

Universität Koblenz-Landau,

Campus Landau (Deutschland)

HALT: VOM ADVERB ZUR MODALPARTIKEL

„halt, in abgeblaszter, vielfach blosz füllender verwendung, etwa durch freilich, eben, wol, ja zu übersetzen <…>“

DWB, Bd. 10, Sp. 272, Leipzig 1854-1961

eben halt ja

2

GLIEDERUNG

1. Theoretischer Stand

• halt als prototypische MP

• halt als autonome MP

• halt – eben – ja

2. Halt im Geschriebenen

3. Halt im Gesprochenen

4. Schlusswort

3

MP: EIGENSCHAFTEN DER WORTART

4

1. Keine referentielle Semantik

2. Unflektierbarkeit

3. Formdubletten

(Thurmair 1989: 37; Diewald 2007: 124-128; Schoonjans 2013: 135ff)

MP: EIGENSCHAFTEN DER WORTART

5

Integration in den Satz

Das ist halt so.

? nicht halt

Halt und eben

sehr halt Mittelfeld

MP: EIGENSCHAFTEN DER WORTART

6

1. Satzskopus

2. Unbetont (Moroni 2010; Meibauer 1994)

3. Satztypabhängigkeit

4. Kombinierbarkeit

HALT = «SÜDDEUTSCHES EBEN»

(Kemme 1979: 55; Franck 1980: 235)

7 Amazon.de

HALT = «FREUNDLICHES EBEN»

„emotionaler, weicher, freundlicher“

(Helbig 1990: 158)

8 Brigitte.de

HALT = «INFORMELLES EBEN»

„umgangsprachlich“

(Métrich/Faucher 2009: 457)

9 waugh10.old.edutronic.net

HALT ≠ EBEN

„dass die beiden Partikeln sich skalar anordnen lassen, wobei eben das stärkere Element ist. <…> Die Bedeutung von eben impliziert <somit> die Bedeutung von halt“ (Müller 2016: 173).

10

HALT ≠ EBEN

Evidenz (eben) VS Plausibilität (halt) (Thurmair 1989: 173)

11

Evidenz (ja) (König 1997)

HALT-JA-EBEN: WISSEN

Wissen Wirkung

Evidenz eben Wissensvorsprung

ja Geteiltes Wissen

Plausibilität halt

12

HALT-JA-EBEN: WISSEN

Wissen Wirkung

Evidenz eben Wissensvorsprung

ja Geteiltes Wissen

Plausibilität halt

Mehrfachadressierung

13

HALT-JA-EBEN: WIRKUNG

Wissen Wirkung

Evidenz eben Wissensvorsprung Sachlich,

kalt,

apodiktisch ja Geteiltes Wissen

Plausibilität halt

Mehrfachadressierung Weich,

freundlich

14

GLIEDERUNG

1. Theoretischer Stand

• halt als prototypische MP

• halt als autonome MP

• halt – eben – ja

2. Halt im Geschriebenen

3. Halt im Gesprochenen

4. Schlusswort

15

HALT: > 3000 SCHRIFTBELEGE

www.sueddeutsche.de

16

www.ksta.de

www.zeit.de

www.taz.de

1071

Schriftbelege

ALLGEMEINE BEMERKUNGEN

a. „Aber der Berg steht halt nun mal in Kanada, sagt Max Gartner. Und die Winterspiele sind 2010 halt nun mal in Kanada.“ - Übernahme von halt in der indirekten Redewiedergabe (SZ)

b. „Blöd halt, dass im Konzerthaus ein Mitarbeiter durch die Decke kracht und einen jungen Musikfreund unter sich begräbt. » - halt als Indiz für Informalität (TAZ)

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POSITION

Nachgestelltes halt :

„Beamte halt.“ (SZ) („Die kennt man ja …“)

„Ein Junge halt. Der muss dabei sein.“ (Die ZEIT)

Gelegentlich auch vorangestellt:

„Na ja, halt Gesocks. Kaum ein wirklicher Mensch.“ (Die ZEIT )

18

PRAGMATISCHE FUNKTIONEN – 1

Beispiel 1: „Guttenberg ist unter anderem deswegen bundesweit so beliebt, weil er nicht die CSU verkörpert. Er ist halt nicht weiß-blau, sondern von Adel.“ (SZ)

19

Begründung / Erläuterung

PRAGMATISCHE FUNKTIONEN – 1

Beispiel 2: „Auch die genetische Umkonstruktion zur Behandlung von Krankheiten, also Gentherapie, wird nur in geringerem Maße einsetzbar sein, eben wegen der Komplexität eines erwachsenen Organismus. Es ist halt viel einfacher, auf einer Geige ein Musikstück anständig zu spielen, als die Geige auseinander zu nehmen und konstruk-tiv zu verbessern.“ (Die ZEIT)

20

Begründung / Erläuterung

PRAGMATISCHE FUNKTIONEN – 2

Beispiel: „Man hält halt seine Krawatte hin, wenn wieder einmal ein paar lustige Weiber die Staatskanzlei stürmen. Auch Renate Künast ist in der Pappnasen-Fraktion gut aufgehoben, wie sie vor dem Narrengericht in Stockach bewiesen hat.“ (SZ)

21

Banalität markieren

PRAGMATISCHE FUNKTIONEN – 3

•‘‘Distanzierung von der <…> Wirklichkeitskonstellation’’ (Thielmann 2015: 4)

•‘‘Unabänderlichkeit des geäußerten Sachverhalts’’ (Helbig 1990: 158-159; Weydt / Hentschel 1983: 12)

22

Feststellung einer offensichtlichen Tatsache

PRAGMATISCHE FUNKTIONEN – 3

•Beispiel 1: „Nicht die Frauen, sondern der BA gründet einen solchen Ausschuß für Frauenfragen. Parteien ohne Frauen müßten halt notgedrungen Männer hinschi-cken.“ (SZ)

•Beispiel 2: „Er beißt sie. Das ist halt so. Da kann man nichts machen.“ (Die ZEIT)

23

Feststellung einer offensichtlichen Tatsache

WISSEN DES GESPRÄCHSPARTNERS

Mehrfachadressierung ohne Risiko möglich,

Voraussetzungen/Erwartungen über Vorwissen werden in der Schwebe gehalten

Beispiel 1: „Marion Kracht als Ärztin: selbstbewusste, verletzliche, halt moderne Frau.“ (SZ)

24

MEHRFACHADRESSIERUNG

Beispiel 2: „Es war eher eine falsch verstandene Verlängerung der linken Solidarität, die man aus der Gründerzeit mitgeschleppt hat. Man ging halt nicht zur Polizei, selbst wenn man den Eindruck hatte, dass etwas nicht in Ordnung war“. (TAZ)

geteiltes „Insider-Wissen“ ; für manche ggf. neu

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MEHRFACHADRESSIERUNG

Beispiel 3: „Ist der Bedeutungsbogen etwas weit hergeholt? Vielleicht – aber so schlägt man sich halt in Zeiten, in denen ein Werbespot, ein Plakat als umso witziger gelten, je weniger sie mit dem Produkt zu tun haben. Oder war es doch einfach eine miese Werbeagentur?“ (Die ZEIT)

Alte Weisheit / neue Erkenntnis? Wird in der Schwebe gehalten, wenig Risiko

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HALT + EBEN = SYNONYME

1. Die Kulturgeschichte des Menschen wird halt [eben] manchmal von ganz profanen Dingen gelenkt.“ (SZ)

2. „Der Münchner ist halt [eben] weitsichtig.“ (SZ)

3. „Mit Politik ist halt [eben] doch kein Staat zu machen.“ (SZ)

4. „Die Menschen sind halt [eben] so.“ (SZ)

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HALT + EBEN ≠ SYNONYME

1. „Die Babys haben halt [eben ?] oben auf dem Balkon geschlafen, ich habe unten bedient‘, erzählt sie.“ (SZ)

2. „In der ersten Liga ist es so: Du kannst alles richtig machen, aber die anderen gewinnen trotzdem, weil der Makaay halt einen reinschießt.“ (Die ZEIT)

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HALT + JA (+EBEN) = SYNONYME ?

•Beispiel 1: „Zur Zeit habe ich drei bis vier Auftritte pro Woche. Das ist immer noch zu viel, aber es macht halt [ja/eben] auch Spaß . Das ist der Zwiespalt.“

•Beispiel 2: „Wundern kann sich darüber nur, wer das menschliche Gedächtnis für eine Art biologische Computer-Festplatte hält, die halt [ja würde hier fast unverschämt und besserwisserisch wirken] speichert, was Augen und Ohren an Informationen heranschaffen.“

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GLIEDERUNG

1. Theoretischer Stand

• halt als prototypische MP

• halt als autonome MP

• halt – eben – ja

2. Halt im Geschriebenen

3. Halt im Gesprochenen

4. Schlusswort

30

DISSERTATIONSKORPUS (2015)

Äußerung 1

Äußerung 2

Äußerung 3

…..

31

Kontext 1

Kontext 2

Kontext 3

…..

AUSZUG

Zweisprachiger Proband

Brandenburger Sprachraum

32

Das ist ja

praktisch!

pcwelt.de

HALT => 7 MAL

2 Mal = Kennzeichnung eines Erläuterungsverhältnisses

1. Grund-Folge-Verhältnis: gebe ich ihm manchmal mein Handy und dann... schmeißt er das manchmal runter, das fällt ihm runter, aber das ist halt [ja] nicht so ein neues Handy, deswegen ist es mir egal. (=das ist mir egal, weil das Handy alt ist).

33

HALT => 7 MAL

2 Mal = Kennzeichnung eines Erläuterungsverhältnisses

2. Konzession: Aber es ist noch nie kaputt gegangen und... Es ist halt [ja??] immer runtergefallen und nicht kaputt gegangen. (=das Handy ist nie kaputt gegangen, obwohl es oft runtergefallen ist).

34

HALT => 7 MAL

3 Mal = Banalität markieren

1. Der ganze Display war zer... zersprungen und dann... war ich halt beim... Handyladen und wollte es reparieren lassen.

2. Und der Verkäufer hat halt einen sehr hohen Preis gesagt, dann haben wir verhandelt und dann haben uns geeinigt...

3. Und ich hatte dann halt gefragt, wann denn... wann kann ich denn das Handy abholen?

35

HALT + HALT + HALT + HALT….

Zurücknahme des Sprechers

Vgl.: „

„effacement énonciatif“ (Blanche-Benveniste 1997)

„Distanzierung von der Wirklichkeitskonstellation“ (Thielmann 2015)

36

LETZTER ABSCHNITT

37

01 und äh (.) der der verKÄUfer hat halt n sehr hohen PREIS

gesagt-

02 dann ham wir verHANdelt;

03 und dann ham wir uns geEInigt. (--)

04 und Ä:hHM,

05 ich hatte dann halt geFRAGt,

06 wann denn ÄH, (-)

07 wann kann ich denn das handy ABholen? (--)

08 und dann (--) meinte der ä:h verKÄUfer halt,

09 dass er des in der PAUse (.) in_ner HALben stunde-

10 äh: repaRIERT schnell-

11 das glʔ die SCHEIbe auswechselt; (-)

12 und ich das ABholen kann, (--)

13 und DA:raufhin meint_ich halt-

14 das is ja PRAKtisch. (--)

15 dass es so schnell GEHT.

ZURÜCKNAHME DES SPRECHERS

„so läuft es normalerweise ab, wenn man ein Handy reparieren lässt“.

der Sprecher wirkt unsicher

38

ZUSAMMENFASSUNG

39

SCHLUSSWORT

MEHRFACHADRESSIERUNG

ZURÜCKNAHME DES SPRECHERS

40

VIELEN DANK FÜR IHRE AUFMERKSAMKEIT!

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