Reformstau! Deutscher Föderalismus in der Krise? Ein Vortrag von: Roy Gündel & Christoph Hundt

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„„Reformstau!Reformstau!

Deutscher Föderalismus Deutscher Föderalismus in der Krise?“in der Krise?“

Ein Vortrag von:

Roy Gündel & Christoph Hundt

ÜBERSICHTÜBERSICHT

1. Allgemeines zum Föderalismus

2. Föderalismus in Deutschland

3. Stärken und Schwächen

4. Mögliche Lösungsstrategien

5. Diskussionsthesen

ÜBERSICHTÜBERSICHT

1. Allgemeines zum Föderalismus1. Allgemeines zum Föderalismus

2. Föderalismus in Deutschland

3. Stärken und Schwächen

4. Mögliche Lösungsstrategien

5. Diskussionsthesen

Allgemeines zum FöderalismusAllgemeines zum Föderalismus

• Was heißt „Föderalismus“?

• Einordnung des Begriffs

• Vielfältige Typen föderaler Struktur

Was heißt „Föderalismus“?Was heißt „Föderalismus“?

• „foedus“ (latein) = „Bund“

• politisches Organisationsprinzip

• Untereinheiten und übergeordnete Einheit teilen sich staatliche Aufgaben

• Ebenen können sich gegenseitig beeinflussen

Einordnung des BegriffsEinordnung des Begriffs

• Föderaler Staat als Gegenkonzept zum zentralistischen Einheitsstaat

• Einheitsstaaten und föderale Staaten als Pole einer Skala

Vielfältige TypenVielfältige Typen

• Bundesstaat: Verbindung nichtsouveräner Gliedstaaten durch übergeordnete, souveräne (Bundes)Ebene (USA, Schweiz)

• Staatenbund (Konföderation): Souveräne Gliedstaaten mit gemeinsamen Organen (GUS)

Vielfältige TypenVielfältige Typen

• Sonderfall EU:• Prozess ohne absehbaren finalen Charakter• mehr als ein Staatenbund

(z.B.Währungshoheit)• kein Bundesstaat (z.B. keine alleinige

Souveränität)• „Staatenverbund“ als Status zwischen diesen

Polen

ÜBERSICHTÜBERSICHT

1. Allgemeines zum Föderalismus

2. Föderalismus in Deutschland2. Föderalismus in Deutschland

3. Stärken und Schwächen

4. Mögliche Lösungsstrategien

5. Diskussionsthesen

Föderalismus in DeutschlandFöderalismus in Deutschland

• Historische Dimension

• Verfassungsrechtlicher Ausgangspunkt

• Die Bedeutung des Bundesrates

• Arbeits-/Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern

• Finanzverfassung

Historische Dimension des Historische Dimension des deutschen Bundesstaatsdeutschen Bundesstaats

deutsch-föderale Tradition:

1867 Norddeutscher Bund

1871 Deutsches Reich

1918 Weimarer Republik

1949 Bundesrepublik Deutschland

Historische Dimension des Historische Dimension des deutschen Bundesstaatsdeutschen Bundesstaats

Ausnahmen:

1933 – 1945 NS-Regime

1949 – 1990 SED-Diktatur

Verfassungsrechtlicher Verfassungsrechtlicher AusgangspunktAusgangspunkt

Art. 20 I GG

„Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“

Art. 79 III GG

„Eine Änderung dieses Gesetzes, durch welche die Gliederung in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikel 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig“

Verfassungsrechtlicher Verfassungsrechtlicher AusgangspunktAusgangspunkt

Die Bedeutung des BundesratesDie Bedeutung des Bundesrates

• Interessenvertretung der Länder auf Bundesebene

• Vertreter der Länderregierungen

Die Bedeutung des BundesratesDie Bedeutung des Bundesrates

• Gesetzesinitiativrecht

• Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren

Mitwirkung des Bundesrates bei Mitwirkung des Bundesrates bei der Gesetzgebungder Gesetzgebung

Einspruchsgesetz

Gesetz, dass auch ohne die Zustimmung des Bundesrates zustande kommt

Zustimmungsgesetz

Gesetz, dass der Zustimmung durch den Bundesrat bedarf

Arbeits-/Aufgabenteilung im Arbeits-/Aufgabenteilung im deutschen Bundesstaatdeutschen Bundesstaat

1. Gewaltenteilung

2. Zuständigkeiten

GewaltenteilungGewaltenteilung

Zwei Wesensmerkmale in der bundesstaatlichen Demokratie:

Horizontale Gewaltenteilung

Vertikale Gewaltenteilung

ZuständigkeitenZuständigkeiten

Art. 71 GG

ausschließliche Gesetzgebung

Art. 72 GG

konkurrierende Gesetzgebung

ErmächtigungskompetenzErmächtigungskompetenzArt. 72 II GGArt. 72 II GG

„... wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesstaatliche Regelung erforderlich macht“

Gegenstände der Gegenstände der ausschließlichen Gesetzgebungausschließlichen GesetzgebungArt. 73 GG

Auswärtige Angelegenheiten

Verteidigung einschl. Zivilschutz

Währungs-, Geld-, und Münzwesen

Postwesen und Telekommunikation

Staatsangehörigkeit im Bunde

Luftverkehr

Art. 73 GG

BGB, StGB, StVollzG, GVG, BRAO usw.

Vereins- und Versammlungsrecht

Recht der Wirtschaft

Arbeitsrecht einschl. Betriebsverfassung, Arbeitsschutz sowie Sozialversicherung einschl. der Arbeitslosenversicherung

Schutz beim Verkehr mit Lebens- und Genussmitteln

Gegenstände der Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebungkonkurrierenden Gesetzgebung

Eindeutige Länderzuständigkeiten

Quelle: Länderverfassungen

Beispiele:

Kulturaufgaben (Schulwesen)

Sozialhilfe

Polizeiwesen

Steuerverwaltung

FinanzverfassungFinanzverfassung

Verteilung der Steuererträge

Trennsystem

Verbundsystem

Zwei Systeme:

Eine Steuerart fließt ausschließlich einer föderalen Ebene zu

Beispiel:

Auf Bundesebene die Tabak-, Brandwein- und Zündhölzersteuer, Mineralölsteuer

Auf Länderebene die Erbschaftssteuer, Grunderwerbssteuer, Getränke-, Vergnügungs-, Hunde-, Jagd-, Fischerei-, Zweitwohnungs- und Verpackungssteuer

TrennsystemTrennsystem

TrennsystemTrennsystem

Vorteil:

Durch das Trennsystem wird die Eigenständigkeit der jeweiligen Gebietskörperschaft gestärkt

Nachteil:

Bei unterschiedlicher Leistungsfähigkeit der Länder Anwachsen der wirtschaftlichen Unterschiede

VerbundsystemVerbundsystem

Beispiel:

Einkommensteuer

Bund 42,5 %, Länder 42,5 %, Kommunen 15 %

Körperschaftssteuer

Bund 50 %, Länder 50 %

Aufkommen einer Steuer fließt in einen Pool, der auf verschiedene Ebenen nach einem bestimmten Schlüssel verteilt wird

VerbundssystemVerbundssystem

Vorteil:

Nachteil:

Ungerechtigkeiten, die sich z. B. aus unterschiedlichen Erträgen verschiedener Steuern ergeben, können über dieses Instrument besser ausgeglichen werden

Die Länder verlieren an finanzieller Eigenständigkeit

FinanzausgleichFinanzausgleich

FinanzausgleichFinanzausgleich

1. Vertikaler Finanzausgleich

2. Horizontaler Finanzausgleich (Länderfinanzausgleich)

Vertikaler FinanzausgleichVertikaler Finanzausgleich

Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern

Beispiel:

Umsatzsteuer

Horizontaler FinanzausgleichHorizontaler Finanzausgleich

Umverteilung von reiche auf arme Länder

Verteilungsmasse ist ungebunden

ÜBERSICHTÜBERSICHT

1. Allgemeines zum Föderalismus

2. Föderalismus in Deutschland

3. Stärken und Schwächen3. Stärken und Schwächen

4. Mögliche Lösungsstrategien

5. Diskussionsthesen

Stärken des Föderalismus sind ...Stärken des Föderalismus sind ...

1. ...Machtverteilung

2. ...mehr Demokratie

3. ...Führungsalternativen

4. ...Aufgabennähe

5. ...Bürgernähe

6. ...Wettbewerb

7. ...Ausgleich

8. ...Vielfalt

MachtverteilungMachtverteilung

Horizontale Trennung der Staatsgewalten

Vertikale Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern

Machtverteilung gewährleistet Machtkontrolle und Schutz vor Machtmissbrauch

Mehr DemokratieMehr Demokratie

Gliederung in kleinere staatliche Einheiten erleichtert die Überschaubarkeit und Verständlichkeit staatlichen Handelns und fördert damit die aktive Anteilnahme und Mitbestimmung

Bürger kann sein Wahlrecht doppelt einsetzen

FührungsalternativenFührungsalternativen

Chancen und Wettbewerb der politischen Parteien auf mehreren föderalen Ebenen

AufgabennäheAufgabennähe

Staatliche Organe sind regionalen Problemen im Bundesstaat näher als im

Einheitsstaat

Vergessene, ferne Provinzen gibt es nicht

BürgernäheBürgernähe

Kurze Wege zu staatlichen Stellen

Keine anonyme, ferne Zentrale wie im

Einheitsstaat

WettbewerbWettbewerb

Länder stehen im Wettbewerb zueinander

Erfahrungsaustausch fördert den Fortschritt und beugt bundesweiten Fehlentwicklungen vor

AusgleichAusgleich

Wechselseitige Kontrolle, gegenseitige Rücksichtnahme und Kompromisszwang verhindern oder erschweren doch zumindest Extrempositionen

Föderalismus wirkt ausgleichend und damit auch stabilisierend

VielfaltVielfalt

Gliederung des Bundes in Länder garantiert viele wirtschaftliche, politische und kulturelle Mittelpunkte

Vielfalt kann zu mehr Freiheit verhelfen

Schwächen im deutschen Schwächen im deutschen BundesstaatBundesstaat

Eine Kette von Ursachen...

Art. 72 II GGArt. 72 II GG

Aushöhlung der konkurrierenden Gesetzgebung durch den Bund

„... wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesstaatliche Regelung erforderlich macht“

Diese Tatsache führt zu einer...

Entmachtung der Entmachtung der LandesparlamenteLandesparlamente

Diese Tatsache führt zu einer...

Machtaufwertung des Machtaufwertung des BundesratesBundesrates

Exekutivlastigkeit der Länder

Diese Tatsache führt zu einer...

Blockadepolitik, weil...Blockadepolitik, weil...

Diese Tatsache führt zu einer...

Überbeanspruchung des Überbeanspruchung des Vermittlungsausschusses als Vermittlungsausschusses als

„ultima ratio“„ultima ratio“

Mittlerweile Status eines Verfassungsorgans

Nicht demokratisch legitimierte Institution

Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit

Diese Tatsache führt zu einem...

Mangel an TransparenzMangel an Transparenz

Verhandlungsdemokratie

Umfangreiche Konsultationen zwischen Bund und Ländern

In der Regel über die politischen Exekutiven und die Bürokratien

Diese Tatsache führt zu einem...

DemokratiedefizitDemokratiedefizit

Weitere Probleme...

„„Dauerwahlkampf“Dauerwahlkampf“

• Kurzer Zeitabstand zwischen Bundestagswahlen und Wahlen auf Landesebene

• Landtagswahlen als „Denkzettel“ für Bundesregierung

• Förderung kurzsichtiger politischer Entscheidungen

Verflechtungen in der Verflechtungen in der FinanzordnungFinanzordnung

• Große Bedeutung der Gemeinschaftssteuern

- Schwerfälligkeit bei Steuerreformen

- kaum eigener Handlungsspielraum für die Länder

• Länderfinanzausgleich

- geringe Eigenverantwortlichkeit der Länder

- Hemmung wirtschaftlich starker Länder

Folgen der Folgen der GemeinschaftsaufgabenGemeinschaftsaufgaben

• Gemeinsame Planung und Mischfinanzierung (z.B. Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur)

• Ziel der Angleichung der Lebensverhältnisse

• Autonomieverlust der Länder

• hoher Planungs- Verwaltungsaufwand

• Verantwortung wird verwischt

ÜBERSICHTÜBERSICHT

1. Allgemeines zum Föderalismus

2. Föderalismus in Deutschland

3. Stärken und Schwächen

4. Mögliche Lösungsstrategien4. Mögliche Lösungsstrategien

5. Diskussionsthesen

Mögliche LösungsstrategienMögliche Lösungsstrategien

1. Entflechtung der Kompetenzen

2. Reform der Finanzordnung

3. Neugliederung der Länder

4. Weitere Denkansätze

5. Zwei Hauptpositionen

6. Politischer Ausblick

Entflechtung der KompetenzenEntflechtung der Kompetenzen

• Weniger konkurrierende Gesetzgebung

• Rückverlagerungen in Länderverantwortung

• Geringere Zahl an Zustimmungsgesetzen

• Abschaffung der Rahmengesetzgebung

• Reduzierung der Gemeinschaftsaufgaben und deren Mischfinanzierungen

• Einführung eines „Zugriffsrechts“ für Länderparlamente

Entflechtung der KompetenzenEntflechtung der Kompetenzen

• Stichwort Zugriffsrecht:– Bund besitzt die Gesetzgebungskompetenz– Bei Untätigkeit eines Landes gelten dann die

Bundesgesetze– Länder können jedoch abweichende Gesetze

erlassen– Landesrecht bricht dann Bundesrecht– Beispiel: Wohnungswesen, Hochschulrecht

Reform der FinanzordnungReform der Finanzordnung

• Weniger Gemeinschaftssteuern

• Stärkung der Länderkompetenzen in puncto Steuern

• Neuregelung des Länderfinanzausgleichs

Neugliederung der LänderNeugliederung der Länder

• Ausgangspunkt: Ungleiche Ausgangschancen verschiedener Länder

• Weniger Länder bedeuten weniger Wahlen und weniger Ministerialbürokratie

• politisch und gesellschaftlich kaum durchsetzbar

• denkbar: „Regionalisierung“ durch Zusammenarbeit im Bereich der Bürokratie

Weitere DenkansätzeWeitere Denkansätze

• Angleichung der Wahltermine für Landtagswahlen

• Bundesrat als Vertretung der Parlamente anstatt der Regierungen

Zwei HauptpositionenZwei Hauptpositionen

• Befürworter eines „Wettbewerbsföderalismus“

• Verfechter des „Kooperativen Föderalismus“

WettbewerbsföderalismusWettbewerbsföderalismus

• Vielfalt der Konzepte

• Mehr Eigenständigkeit und -verantwortlich-keit für die Länderparlamente

• Kritik: Größere Kluft zwischen den Lebensverhältnissen, keine Chancengleichheit, hohe Ausgleichskosten für den Bund

Kooperativer FöderalismusKooperativer Föderalismus

• Ideal der Gleichheit der Lebenschancen

• Stärkung der Länderparlamente, aber Kooperation vor allem im Bereich der Finanzordnung

• Kritik: Gefahr der Aushöhlung des föderativen Prinzips, Hemmung der Entwicklung „starker“ Länder, wenig Konzeptvielfalt

Politischer AusblickPolitischer Ausblick

• Gleichgewichtiges Verhältnis der Positionen zueinander

• grundlegende Strukturreformen daher momentan eher unwahrscheinlich

• vermutlich je nach Mehrheitslage leichte Tendenz in eine der Richtungen

• Reformchancen am ehesten im Bereich „Entflechtung“ durch „Tauschgeschäfte“

ÜBERSICHTÜBERSICHT

1. Allgemeines zum Föderalismus

2. Föderalismus in Deutschland

3. Stärken und Schwächen

4. Mögliche Lösungsstrategien

5. Diskussionsthesen5. Diskussionsthesen

DiskussionsthesenDiskussionsthesen

1. Der „Reformstau“ ist zu einem großen Teil 1. Der „Reformstau“ ist zu einem großen Teil ein Resultat der föderativen Schwächen.ein Resultat der föderativen Schwächen.

2. Die Kontroverse um eine Föderalismus-2. Die Kontroverse um eine Föderalismus-Reform ist eine Kontroverse von „arm“ Reform ist eine Kontroverse von „arm“ gegen „reich“.gegen „reich“.

3. Trotz aller Probleme ist der bundesdeutsche 3. Trotz aller Probleme ist der bundesdeutsche Föderalismus auch eine Erfolgsgeschichte.Föderalismus auch eine Erfolgsgeschichte.

Vielen Dank für Vielen Dank für Ihre Ihre

Aufmerksamkeit!Aufmerksamkeit!

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