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Die Neuapostolische Kirche im Umbruch · I. Die Neuapostolische Kirche im Umbruch Zwischen Wachstum und Reformstau 2 1. Die neuapostolische Familie 2 2. Der Stammapostel 3 3. NAK

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Vorwort 1

I. Die Neuapostolische Kircheim Umbruch Zwischen Wachstum und Reformstau 2

1. Die neuapostolische Familie 22. Der Stammapostel 33. NAK im Aufwind 44. Die Anfänge der heutigen NAK 55. Die NAK im „Dritten Reich“ 96. Die „Botschaft“ von 1951 107. Die NAK in der Kritik 118. Die „Freunde der reinen Jesu-

lehre“ 139. Finanzen in der NAK 16

10. Der zentrale Diskussionspunkt:Das exklusive Selbstverständnis der NAK 18

11. Ausblick 20

II. Literatur zur NeuapostolischenKirche (Auswahl) 24

III. Dokumente zur Theologie der NAK 26

IV. Berichte zur NAK 37

Gabriele Jakob-Stoffel„Wenn du ein Mann wärst...“ Zur Rolle der Frau in der NAK 37

Georg Otto SchmidHaltet euch an das Gesetz Gottes,dann wird es euch gut gehen!Eindrücke von einer neuaposto-lischen Trauung 41

Erwin Meier-WidmerWas vertreten wir? 44

INHALT

IMPRESSUM

Evangelische Zentralstellefür Weltanschauungsfragen

Auguststraße 8010117 BerlinTelefon 030/28395-2 11Fax-Nr. 030/28395-2 12Internet: http://www.ekd.de/ezwE-Mail: [email protected]

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Die vorliegende Schrift beschäftigt sichaus kritischer Distanz mit der Neuapo-stolischen Kirche. Sie nimmt die derzeitbeachtlichen Missionserfolge zur Kennt-nis, fragt nach Lehrbesonderheiten undhört auf kritische Stimmen. Damit ent-wirft sie ein Bild von der NAK, wie siesich dem distanzierten Beobachter dar-stellt – aber eben auch nur ein Bild. An-dere Bilder ergeben sich, wenn man mitVertretern der NAK spricht, Gottesdien-ste besucht oder neuapostolische Ge-meindemitglieder befragt. Jedes dieserBilder könnte auf seine Art Anspruch er-heben, die Realität widerzuspiegeln, undist doch zugleich hinterfragbar und ein-seitig.Wenn wir in dieser Schrift Kritikern derNAK großen Raum einräumen, so weilwir der Meinung sind, daß sie interes-sante Überlegungen vortragen. Wir wis-

sen jedoch, daß breite neuapostolischeKreise von den beschriebenen Vorgän-gen wenig Kenntnis haben und häufiggenug davon auch nichts hören wollen.Sie finden in der NAK offensichtlich Ge-borgenheit und religiöse Orientierungund sind – so ist zu vermuten – für dieNAK wohl auch viel typischer als die kri-tischen Stimmen. Traditionell bemüht sich die EZW nichtnur um Kontakte zu Aussteigern oder„Noch-Mitgliedern“, sondern auch zuoffiziellen Vertretern der Religionsge-meinschaften. Dieser EZW-Text hättenicht geschrieben werden können, ohnedie Unterstützung aller Seiten. So bin ichdankbar für viele hilfreiche Gespräche .

Berlin, im November 1998

Andreas Fincke

EZW-TEXTE Nr. 146 1

Vorwort

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Die Neuapostolische Kirche (NAK) istmit etwa 400 000 Mitgliedern die größtechristliche Sondergemeinschaft inDeutschland. Sie hat wesentlich mehrMitglieder als alle evangelischen Freikir-chen zusammen und deutlich mehr alsdoppelt so viele Mitglieder wie dieWachtturmgesellschaft der Zeugen Jeho-vas. Gemessen an dieser Größe gerät dieNAK relativ selten in das Blickfeld derÖffentlichkeit. Konflikte wurden bisherkaum nach außen getragen. Gelegent-lich entdecken die Medien die NAK,dann häufen sich Berichte über „Angsthinter frommen Fassaden“ und „Psycho-terror“ in „Deutschlands unbekanntesterSekte“.1 Das Interesse verliert sich je-doch meist schnell wieder.Auch in der EZW wird nach der NAKeher selten gefragt. Wenn dennoch einRatsuchender vorspricht, dann macht dieAnfrage deutlich, daß es so etwas wieeine „sprachlose Koexistenz“ gibt: Manhat sich an die NAK im Ort längst ge-wöhnt, vom Glaubensleben der Ge-meinde weiß der Außenstehende jedochso gut wie nichts. Dabei gibt es eine Füllevon drängenden Fragen: Was ist das füreine Gemeinschaft, die – gerade in denöstlichen Gliedkirchen – einen moder-nen Kirchenneubau nach dem andereneröffnet, die auffällig regen Gottesdienst-besuch verzeichnet und immer häufigermit geschickter Werbung für kirchenmu-sikalische Höhepunkte („Gästesingen“)von sich reden macht? Welches theologi-sche Selbstverständnis treibt die NAK?Stimmt es, daß neuapostolische Amtsträ-ger in Osteuropa rege missionieren?Warum kommt es in den letzten Jahren

immer häufiger zu kritischen Wortmel-dungen von Aussteigern und „Abtrünni-gen“? Was wird kontrovers diskutiert?Wie verhält sich die Leitung der NAK zuden aufgeworfenen Fragen? Warum spre-chen Beauftragte des Stammapostels mitAussteigern hinter verschlossenen Tü-ren?

1. Die neuapostolische Familie

Die NAK läßt sich gut in Metaphern be-schreiben: Hans-Diether Reimer hat wie-derholt das Bild vom „göttlich geordne-ten Haus“2 benutzt. Bezeichnend istauch der Titel der zweimal monatlich inimmerhin 100000 Exemplaren3 erschei-nenden Zeitschrift: „Unsere Familie“.Die NAK lebt wie eine (Glaubens-)Fami-lie: Jeder hat seinen Platz, jeder hat seineAufgabe, und allen ist geholfen, wenndie gleichsam gottgegebene Ordnungnicht unnötig hinterfragt wird: „Darin un-terscheiden wir uns von den übrigenChristen“, hieß es 1973 in o. g. Zeit-schrift, „daß wir eine große Familie dar-stellen, wo eben der Jüngste so denkt wieder Älteste.“4

Die neuapostolische Familie ist ein Hortungewöhnlicher Beständigkeit: Beiträge,die Hans-Diether Reimer vor mehr als 20Jahren im Materialdienst der EZW veröf-fentlicht hat, haben auch heute nochweitgehende Gültigkeit. Das gilt beson-ders für theologische Fragen, für Fragendes Menschenbildes und sozialpsycho-logische Aspekte des Gemeindelebens.5

Dieser Umstand ist um so erstaunlicher,als wir sonst im Bereich außerkirchlicherReligiosität eine hohe Alterungsge-schwindigkeit erleben: Nicht selten sind

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I. Die Neuapostolische Kirche im UmbruchZwischen Wachstum und Reformstau

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Texte zu entsprechenden Themen zwi-schen der Fertigstellung des Manuskriptsund ihrem Erscheinungstermin schonnicht mehr aktuell. Davon kann bei Dar-stellungen zur NAK nicht die Rede sein,auch wenn sich in jüngster Zeit Verände-rungen anbahnen. Das Bild von der neuapostolischen Fami-lie verweist bereits auf die Stärke dieserKirche: Sie vermittelt Geborgenheit wiekaum eine andere Religionsgemein-schaft. Das neuapostolische Haus ist derFels in der Brandung des Zeitgeistes;während „in der Welt“ eine Hiobsbot-schaft die andere jagt und ein modischerSpleen den anderen ablöst, ist hier Ori-entierung und Verläßlichkeit zu finden.Schon das jeweilige Titelbild der Zeit-schrift „Unsere Familie“ vermittelt Ruhe:Entweder zeigt es die Schönheiten vonGottes Schöpfung oder aber den Stamm-apostel bei seiner Arbeit. Hier ist keinPlatz für sensationelle Aufmachung. Dieneuapostolische Familie weiß sich her-ausgehoben: „Unter den Milliarden vonMenschen hat sich der treue Gott etlicheerwählt, mit denen er seinen Heils- undErlösungsplan durchführen will.“6 Be-zeichnend ist auch, wie man die Weltbuchstabiert, in der Millionen Menschenabseits der neuapostolischen Familie le-ben: WELT = Wehe, E lend, Leid undTod.Dieser Erwählungsgedanke ist es, der denBlick nach innen lenkt: Die NAK ist eineherzliche Glaubensgemeinschaft inselbstgewählter Isolation, die sich untereiner besonderen Verheißung Gotteswähnt. Ganz im Gegensatz zur Wacht-turmgesellschaft der Zeugen Jehovas, diegelegentlich die anderen Religionsge-meinschaften mit maßlosen Vorhaltungenund Haßtiraden überzieht, hat die NAKeine solche der Selbstvergewisserungdienende Abgrenzung gar nicht nötig: Diean Gewißheit grenzende Verheißung

„Schlußkirche Christi“ zu sein, macht dasAnderssein leicht. Mit dem in der NAKweit verbreiteten Sinn für griffige Weishei-ten heißt es: „Wir sehen das Schwarze,aber wir sehen nicht schwarz.“Doch die Idylle hat auch ihre Untiefen:Läßt Wort und Geist der Heiligen Schriftes zu, das Heil an eine Organisation zubinden? Begegnet uns hier nicht ein un-christlicher Heilsegoismus? EhemaligeMitglieder der NAK sprechen von subti-lem Druck, der auf die Mitglieder aus-geübt wird. Was ist, wenn – um im Bildzu bleiben – die neuapostolischen Glau-benskinder pubertieren und den Famili-enfrieden hinterfragen? Welche Konflikt-fähigkeit entwickelt die Gemeinschaft?Auch scheint es mit dem Familienfriedenin der Geschichte der NAK häufig genugproblematisch gewesen zu sein: Keinezweite Religionsgemeinschaft hat inrund 100 Jahren etwa 80 Abspaltungenhervorgebracht.

2. Der Stammapostel

An der Spitze der hierarchisch aufgebau-ten NAK steht der sog. „Stammapostel“.Seit Mai 1988 hat dieses Amt der Schwei-zer Richard Fehr (geb. 1939) inne. Der Stammapostel „ist als das sichtbareHaupt der Kirche Jesu Christi in allenihren Angelegenheiten ihre oberste In-stanz“, ja, er wird als „Repräsentant desHerren auf Erden“ beschrieben.7 Mit sei-nen weltweit ca. 293 Aposteln, die in 27Apostelbezirken tätig sind, garantiert erfür das Heil der Glaubensfamilie. InDeutschland amtieren derzeit 41 Apo-stel, in der Schweiz vier und in Öster-reich einer.Die herausragende Stellung des Stamm-apostels wird bei der Lektüre der Zeit-schrift „Unsere Familie“ besonders deut-lich: Im Zentrum eines jeden Hefts steht(seit Jahrzehnten!) der Bericht über einen

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Gottesdienst, den der Stammapostel ir-gendwo in der weltweiten Kirche gehal-ten hat. Die Predigt ist abgedruckt,ebenso die sie flankierenden Worte dermitreisenden Amtsträger. Meist handeltes sich dabei um den zuständigen Be-zirksapostel und weitere Apostel. Geradediese Co-Predigten ermöglichen einengenauen Blick auf die besondere Dignitätdes Stammapostels: So erklärt Bezirks-apostel Saur beim Stammapostelgottes-dienst in Dhaka (Bangladesch) EndeMärz 1998 der versammelten Gemeinde:„Ich bin sicher, daß ihr heute sehr glück-lich seid, denn unser himmlischer Vatererfüllte Euch heute einen Wunsch, denIhr hattet, seit Ihr Kinder Gottes gewor-den seid. Ihr kennt unseren Stammapo-stel von Bildern oder Fotos (…). Aber Ihrhabt gewiß den Wusch gehabt, ihn ein-mal im Leben von Angesicht zu sehen.Heute ist das möglich geworden.“8 Gele-gentlich drängt sich der Eindruck vonUnterwürfigkeit auf, wenn beispiels-weise Apostel Wiktor in einem Gottes-dienst in Hilversum am 16. November1997 immer wieder den Stammapostelzitiert und mit seinen Worten wiederholt,was dieser bereits ausgeführt hat.9

Der Dienst des Stammapostels wird mitWorten größter Dankbarkeit beschrie-ben: „Es gibt nichts Schöneres und füruns Bedeutsameres auf dieser Erde zu er-leben, als Jesus im Stammapostelamt er-kennen zu können.“10 In der Euphoriefinden sich gelegentlich Formulierungen,die theologisch äußerst problematischsind, so zum Beispiel wenn Bezirksapo-stel Pos in einem Gottesdienst Anfang1997 erklärt: Der Stammapostel „(er-höht) in seinem Dienen den himmli-schen Vater und seinen Sohn“, ja, er „of-fenbart in Wort und Tat den Willen desSohnes“.11 Für Zweifel oder zumindestkritische Reflexion besteht kein Raum.Apostel Bott am 19. Juli 1998 in Wil-

helmshaven: „Es gibt sicher Menschen,die können im Stammapostel, im Aposto-lat, den Herrn Jesus nicht erkennen. Aberdas liegt an ihnen.“12

3. NAK im Aufwind

Weltweit bekennen sich heute etwa 9,4Millionen Menschen zum neuapostoli-schen Glauben. Allein in den letztenzehn Jahren konnte eine Verdopplungder Mitgliederzahlen erreicht werden.Damit gehört die NAK zu den amschnellsten wachsenden Religionsge-meinschaften. Für Deutschland, Österreich und dieSchweiz sind die Zahlen zwar bestenfallsstagnierend, wenn nicht gar rückläufig,rasant ist jedoch die Entwicklung derNAK in einigen Ländern Osteuropasbzw. in der sog. Dritten Welt: „Nir-gendwo leben mehr Gotteskinder als inAfrika“, schrieb „Unsere Familie“ im Ja-nuar 1998. Auf dem Titelbild ist einegroße, schwarzafrikanische Versamm-lung beim Gottesdienst im Freien zu se-hen.13 Eine Spitzenposition nehmen da-bei die Demokratische Republik Kongo(ehemals Zaire) und Sambia ein. Hier le-ben mehr als 2,6 Millionen Mitgliederder NAK; in einigen Regionen sollen fast50 Prozent der Bevölkerung neuaposto-lisch sein.14 Rasant ist auch das Wachs-tum in Indien: Dort konnten in nur 25Jahren 1,5 Millionen Menschen für denneuapostolischen Glauben geworbenwerden.15 Addieren wir allein diese Zah-len, so wird deutlich, daß derzeit fast je-des zweite Mitglied der NAK aus Indienoder aus einem der beiden genanntenzentralafrikanischen Staaten kommt. Von293 Aposteln sind heute 95 in diesendrei Ländern tätig. Ausgesprochen aktiv ist die NAK auch inOsteuropa. Im September 1992 besuchteder Stammapostel erstmals Moskau und

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im Mai 1993 St. Petersburg.16 Auch dieanderen Länder der ehemaligen UdSSRwerden seit 1991 von Amtsträgern derNAK regelmäßig besucht.17 So reiste derStammapostel z.B. im August 1993 nachKasachstan, im März 1994 nach Estlandund im Mai 1994 nach Usbekistan.18

Um das missionarische Engagement aneinem Beispiel zu verdeutlichen, sei aufWeißrußland verwiesen: Im Sommer1991 fuhr der heutige BezirksapostelKlingler zu einer Erkundungsreise nachMinsk. Schon am 17. Februar 1992 fandein erster neuapostolischer Gottesdienststatt. Drei Jahre später besuchte derStammapostel erstmals das Land und imAugust 1995 wurde bereits der Grund-stein für eine Kirche gelegt, die nach ge-nau zweijähriger Bauzeit im August1997 eingeweiht werden konnte.19

Für das beachtliche Wachstum der NAKin den Ländern der sog. Zweiten bzw.Dritten Welt gibt es unterschiedliche Er-klärungen. In all jenen Staaten, die sich ineiner Phase des Umbruchs und der Neu-orientierung befinden, vermittelt die NAKOrdnung und Geborgenheit. Die eherkonservative Orientierung der NAK bildetin den Augen vieler Menschen gleichsamein Bollwerk gegen den Verfall der Sittenund der Moral, der als Schattenseite derpolitischen Veränderungen überall imehemaligen sowjetischen Herrschaftsbe-reich zu beobachten ist. Die stark end-zeitliche Ausrichtung der NAK greift dasLebensgefühl der vielen auf, deren Alltagvon Zukunftssorgen und Existenznötengeprägt ist. Auf einer anderen Ebene be-dient die NAK jedoch auch die Hoffnungnach einer „Verwestlichung“ des Lebens:Der in der Schweiz beheimatete Stamm-apostel mit seiner (tatsächlichen oder inihn projizierten) Machtfülle ist auch einVertreter des wohlhabenden Westens.Wenn er mit dem Mercedes durch diestaubigen Straßen Afrikas oder Rußlands

fährt, gleicht das einer Epiphanie aus ei-ner besseren Welt.Es ist noch nicht abzusehen, welche Ver-änderungen sich aus der Verschiebungder Hauptverbreitungsgebiete der NAKergeben werden. Mann kann jedochschon jetzt prognostizieren, daß die NAKvor einer gewaltigen Herausforderungsteht. Traditionell wurden Konflikte ent-weder totgeschwiegen oder durch Raus-wurf der Unruhestifter „geklärt“. DieseForm einer „Problemlösungsstrategie“war aber nur möglich, solange die NAKin überschaubaren Regionen tätig war.Das jedoch hat sich in den letzten zehnJahren grundsätzlich geändert. Eine Kul-tur der Konfliktlösung ist bisher nochnicht entwickelt worden. Mit der Expan-sion in den Großraum anderer Kulturensteht nun die Frage nach Transparenzund Dialogfähigkeit immer dringlicherauf der Tagesordnung.

4. Die Anfänge der heutigen NAK

Die Wurzeln der NAK reichen in dasEngland des 19. Jahrhunderts zurück, woin den zwanziger Jahren starke Er-weckungsbewegungen verbreitet waren.Unter dem Eindruck der FranzösischenRevolution bzw. der Folgeerscheinungender Industrialisierung Englands entstan-den vielerorts Gemeinschaften, die aufbiblischer Grundlage und im Gebet überihre Zeit nachdachten. 1826 trafen sichmehr als zwei Dutzend Vertreter erweck-ter Kreise in Albury Park, dem Landsitzdes Bankiers Henry Drummond (1786–1860). Einer der wichtigsten Teilnehmeran diesen Treffen, die bis 1830 regel-mäßig fortgesetzt wurden, war Edward Ir-ving (1792–1834). Seine Londoner Pre-digten waren von ungewöhnlicher Kraftund beschäftigten sich mit der erwartetenParusie Christi, der Ausgießung des Hei-ligen Geistes und der Sorge um das Chri-

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stentum bei zunehmender Entchristli-chung des privaten und auch des öffentli-chen Lebens. In Irvings Gemeinde kam es im April1831 – auch unter dem Einfluß Schotti-scher Erweckungsbewegungen und ver-mittelt durch John Bate Cardale (1802–1877) – zu Zungenreden und Weissa-gungen. Obwohl Irving schon bald inKonflikte mit seiner Kirche geriet, konntesich die charismatische Gemeinde eta-blieren. Diese sah es als ihre Aufgabe an,die Kirche der Endzeit aufzubauen. Eswurde eine gewisse Analogie zur Urge-meinde erwartet, und so kam es zu Apo-stelberufungen. Dem Apostelamt wurdeeine entscheidende eschatologische Be-deutung zugesprochen. Berufen wurdendie Apostel durch „Propheten“. DieZwölfzahl der Apostel war 1835 er-reicht. Weitere urchristliche Ämtergemäß Eph 4,11 (Apostel, Propheten,Evangelisten, Hirten) folgten. Das Selbst-verständnis dieser „Katholisch-apostoli-schen“ Gemeinden war ein endzeitli-ches: Die Apostel sahen ihren Auftragdarin, die zerstreute Christenheit zusam-menzubringen (deshalb der Name „ka-tholisch“ im Sinne von weltumspan-nend) und sie Christus bei dessen Wie-derkunft entgegenzuführen.Das zentrale Dokument der „Katholisch-apostolische Bewegung“ ist das „Testi-monium an die geistlichen und weltli-chen Häupter der Christenheit“ von1836. Darin heißt es : „Ihr aber, ihr Für-sten und Herrscher der Christenheit, seidversichert, daß in der Wiederkehr derHerrlichkeit des heiligen Geistes zu derKirche Gottes eure wahre Kraft liegt unddie einzig sichere Rettung inmitten dieserZeiten der Verwirrung. Und deshalb be-schwören wir euch im Namen unseresGottes (…) steht fest im Glauben (…);wehret den Gottlosen; reinigt eure Höfevon Laster und Verderben; rufet in euren

Dienst rechtschaffene, gläubige und got-tesfürchtige Männer.“20

Das Testimonium wurde übrigens 1932vom „Apostelkollegium der Neuapostoli-schen Gemeinden“ neu herausgegeben.Diese Ausgabe wird im Vorwort als ein„Auszug aus dem ,Zeugnis der Apostel‘“beschrieben, muß aber als Fälschung be-zeichnet werden: Wesentliche Stückeund Passagen wurden gestrichen oderverändert; gelegentlich sind sogar sinn-verändernde Ergänzungen eingefügt.21

Als im Jahre 1855 drei der zwölf Apostelverstarben, ohne daß der Herr wiederge-kommen war, stand man vor der Frage,ob neue Apostel berufen werden sollten.Das Apostelkollegium entschied sich da-gegen, da man in der Heiligen Schriftkeine Ermächtigung für einen solchenSchritt zu finden glaubte. Der Berliner„Prophet“ Heinrich Geyer (1818–1896),einer der damals bekanntesten und wich-tigsten Amtsträger der Katholisch-aposto-lischen Gemeinden in Deutschland, wardamit nicht einverstanden. Er berief 1860während der Apostelversammlung in Al-bury zwei neue Apostel, die jedoch vomApostelkollegium nicht anerkannt wur-den. Diese Berufungen sowie grundsätz-liche Auseinandersetzungen um dasApostel- und das Prophetenamt führtenzu harten Kontroversen, welche 1862/63mit dem Ausschluß Geyers aus der Ka-tholisch-apostolischen Gemeinde ende-ten („Fall Geyer“).22 Geyer blieb jedochin seinem theologischen Denken den Ka-tholisch-apostolischen Gemeinden rela-tiv nahe, weshalb er in Geschichtsdar-stellungen der heutigen NAK übermäßigkritisch gesehen wird. Anfang 1863 gründete Geyer zusammenmit anderen Ausgeschlossenen in Ham-burg die „Allgemeine Apostolische Ge-meinde“ (später: „Allgemeine christlicheApostolische Mission“). Nach schwieri-gen Jahren einer allmählichen Konsoli-

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dierung brachen in einem Gottesdienstam 4. August 1878 erneut offene Kon-flikte aus: Geyer wurde für abgesetzt er-klärt und verließ mit etwa 250 von 300Anwesenden und den ihm ergebenenAmtsträgern den Saal. Der weitere Wegvon Geyer soll uns an dieser Stelle nichtinteressieren, wichtiger sind die etwa 50im Kirchsaal verbliebenen Personenbzw. die ihnen zuzurechnenden aposto-lischen Gemeinden. Zentrale Persönlich-keit für diesen Kreis war der Apostel Fried-rich Wilhelm Schwarz (1815–1895). Un-ter seiner Führung gewannen in dennächsten Jahren zunehmend Personenan Einfluß, die den katholisch-apostoli-schen Wurzeln der Bewegung nichtmehr zuzurechnen waren und die einenneuen theologischen Kurs einschlugen.So wurden wichtige Elemente des katho-lisch-apostolischen Erbes, wie beispiels-weise die ökumenische Einstellung zuanderen Konfessionen oder auch dieHochschätzung charismatischer Gaben(insbesondere des Prophetenamts), nachund nach zurückgedrängt. Auch im Got-tesdienst machten sich Veränderungenbemerkbar: Die reichhaltige, noch vonden Katholisch-apostolischen Gemein-den übernommene Liturgie und die prie-sterlichen Gewänder wurden durchschlichte Formen ersetzt. Der Wechsel hatte schließlich auch Aus-wirkungen auf das soziale Gefüge derGemeinden: Dominierten die Katho-lisch-apostolischen Gemeinden geistignoch gesellschaftlich höherstehende Per-sönlichkeiten, so übernahm nunmehrder Mittelstand die Führung. Handwer-ker, Kaufleute, Angestellte und Arbeiterprägten fortan das Gemeindeleben, dassich durch innige Frömmigkeit undstrenge Moral auszeichnete.Nach dem Tod des Apostels Schwarz imJahre 1895 verabschiedete man sich auchimmer mehr von dem Gedanken der

Gleichheit der Apostel. Pfingsten 1897wurde Friedrich Krebs (1832–1905) zumsog. „Stammapostel“ ernannt. Die Be-zeichnung war nicht neu. Auch in denKatholisch-apostolischen Gemeindengalt jeder Apostel als Apostel eines Stam-mes. Mit Krebs jedoch verschiebt sich dieeher auf regionale Zusammengehörigkeitzielende Bedeutung des Wortes zu einerinhaltlichen: Nun versteht man unter„Stammapostel“ gleichsam jenen Stamm,von dem alle anderen Apostel wieZweige ausgehen; und ebenso wie dieZweige eines Baumes nicht aus sichselbst leben können, so leben die einzel-nen (neuapostolischen) Apostel aus derFülle des sie tragenden Stammapostels.Damit war der alte Konflikt zwischenGeist (Prophet) und Amt (Apostel) zugun-sten letzterem entschieden. Es ist von ho-her symbolischer Bedeutung, daß die In-itiative zur Errichtung des Stammapostel-amts nicht von einem Propheten, sondernvon einem Apostel ausging. Die NAK istalso nicht die Gründung einer herausra-genden Gestalt, wie das von der „Chri-stengemeinschaft“ oder der „Kirche JesuChristi der Heiligen der Letzten Tage“ ge-sagt werden kann, sie ist vielmehr aus ei-nem komplizierten Prozeß erwachsen.Als ihre eigentliche Geburtsstunde könn-ten die Ereignisse vom August 1878 ange-sehen werden, weil sie die Trennung vomkatholisch-apostolischen Erbe bedeuten(so Schröter)23, oder auch die Einführungdes Stammapostelamts neuapostolischerPrägung 1895/97 und damit das Ende desKollegialitätsprinzips unter den Aposteln(so Obst)24. Es gibt gute Argumente fürbeide Positionen. Auf jeden Fall war dieEinrichtung des Stammapostelamts Pfing-sten 1897 ein ganz entscheidenderSchritt bei der Konstituierung jener Ge-meinschaft, die sich ab 1907 „Neuapo-stolische Gemeinde“ und ab 1930 „Neu-apostolische Kirche“ nennt.

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In den hauseigenen Darstellungen ver-kürzt die NAK ihre eigene Geschichte:So unterstellt z. B. die vom „Internationa-len Apostelbund Zürich“ herausgege-bene „Neue Apostelgeschichte“ eineKontinuität der „neuapostolischen“ Apo-stel bis zu dem bereits kurz erwähntenJ. B. Cardale und den anderen Albury-Aposteln.25 Das ist weder historisch nochinhaltlich gerechtfertigt: Die NAK istzwar aus den Katholisch-apostolischenGemeinden entstanden, diese können je-doch nicht als Vorläufer der NAK angese-hen werden. Dazu sind die theologi-schen Unterschiede zu gravierend undpersonale Kontinuitäten zu gering. Vondenen, die ab 1878 Krebs gefolgt sind,hatte kaum einer katholisch-apostoli-sches Gemeindeleben kennengelernt,und hier gab es auch keinen einzigenwichtigen Amtsträger, der eine – wieauch immer geartete – Kontinuität hättegewährleisten können. Ferner wird die Rolle Geyers in neuapo-stolischen Darstellungen kritischer gese-hen, als er es verdient hat: Immerhinsind zwischen 1852 und 1862 fast allekatholisch-apostolischen Amtsträger inDeutschland von ihm berufen worden.In neuapostolischen Darstellungen wirdder Aussonderungsgottesdienst vom4. August 1878 so dargestellt, als ob le-diglich die Unruhestifter den Saal verlas-sen hätten. Auch das ist verkürzt, dennim Grunde sind Geyer und die Seinendie rechtmäßigen Erben der Allgemei-nen christlichen apostolischen Mission.Die nach dem Auszug Geyers in Ham-burg Zurückgebliebenen standen mitleeren Händen da. Damit war jedochdas Feld für jene Entwicklung frei ge-worden, die schließlich zur NAK geführthat. Die Wirren um diese Ereignisse sindbei Schröter hervorragend dokumen-tiert.26

Friedrich Krebs, der erste Stammapostel,

gilt in der NAK als „Vater der Einheit“. Erhat es verstanden, die zentrifugalenKräfte zu bündeln und den Gemeindenein exklusives Glaubens- und Selbstver-ständnis zu vermitteln. Obwohl es auchin dieser Zeit Abspaltungen27 von der Be-wegung gegeben hat, erlebt die Gemein-schaft in den Jahren um die Jahrhundert-wende ein vergleichsweise raschesWachstum.Als Krebs 1905 verstarb, wurde jenerMann sein Nachfolger, von dem 1897die Initiative zur Errichtung des Stamm-apostelamts ausgegangen war: Her-mann Niehaus (1848–1932). Die weite-ren Stammapostel waren: Johann Gott-fried Bischoff, er amtierte in den Jahren1930–1960, Walter Schmidt (1960–1975), Ernst Streckeisen (1975–1978),Hans Urwyler (1978–1988), und seitdem 3.Mai 1988 ist Richard FehrStammapostel.In fast alle Amtszeiten fallen Abspaltun-gen von der NAK. Eine der heute wich-tigsten ist die „Apostolische Gemein-schaft“. Sie wurde 1955 gegründet, alssich die Apostel Peter Kuhlen, SiegfriedDehmel und Ernst Dunkmann der „Bot-schaft“ des Stammapostels über die Wie-derkehr Christi (s. u.) widersetzten.28

Die Geschichte der NAK kann als dieGeschichte ihrer Stammapostel erzähltwerden, so sehr prägen diese Personendas Glaubensleben ihrer Kirche. Vonbesonderer Bedeutung sind jedoch dieJahre 1930–1960, als Johann GottfriedBischoff (1871–1960) dieses Amt innehatte. In seine Amtszeit fallen zwei Pro-blembereiche, die noch heute von Kriti-kern der NAK kontrovers diskutiert wer-den und innerhalb der NAK nicht hin-reichend aufgearbeitet sind. Es handeltsich um das Verhältnis der NAK zumNationalsozialismus und um die sog.„Botschaft“ des Stammapostels von1951.

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5. Die NAK im „Dritten Reich“

Von Kritikern wird der NAK häufig ihrefehlende Distanz zu autoritären politi-schen Systemen vorgeworfen. Ein beson-ders heikles Thema ist das Verhältnis derNAK zum deutschen Nationalsozialis-mus. Beispielsweise ließ sich die NAKbei der Neuaufnahme von Glaubensge-schwistern deren politische Unauffällig-keit von der zuständigen NSDAP-Orts-gruppe bestätigen. Von dreizehn deut-schen Aposteln waren zehn nachweis-lich Mitglied in der NSDAP. Stammapo-stel Bischoff stand dem politischen Sy-stem ohne Zweifel nahe, auch wenn ernicht Mitglied in NSDAP und SA war,wie gelegentlich behauptet wird.29 Beisolchen Aussagen handelt es sich mut-maßlich um eine Verwechslung: DerSohn des Stammapostels, Friedrich Bi-schoff (1909–1987), war Mitglied in bei-den Organisationen; für Johann GottfriedBischoff trifft das nachweislich nicht zu.Die fehlende Distanz zum Nationalso-zialismus dürfte ihre primäre Ursachedarin haben, daß breite neuapostolischeKreise im Führerprinzip Hitlers gleich-sam das weltliche Gegenstück zumneuapostolischen Führerprinzip sahen.30

Darüber hinaus scheint die patriarchali-sche und vergleichsweise undemokrati-sche Struktur der NAK eine gewisse gei-stige Nähe zu autoritären politischen Sy-stemen zu begünstigen. Als in den Jahren 1936/37 zahlreichekleinere Religionsgemeinschaften inDeutschland verboten wurden, konnteder Stammapostel einen solchen Schrittfür die NAK abwenden. Mit Beginn desZweiten Weltkrieges findet sich in derZeitschrift „Unsere Familie“ eine Füllevon Propaganda auf der Linie der Partei.Da es zu diesem Thema eine erhellendeMonographie gibt31, hier nur einige ex-emplarische Zitate. Über die Juden hieß

es beispielsweise am 5. Juli 1941: „DieTempel- und Synagogenbräuche der Ju-den sind (…) für den, der sie – etwa inWarschau – einmal in Reinkultur gese-hen hat, nur ein peinliches Schauspiel.(…) Das wissen die Juden. Sie sind dahernicht darauf aus, ihre altjüdischen Legen-den und die ,Weisheiten’ des Talmud un-ter die Völker zu bringen, in deren Landesie wohnen, sondern sie versuchen aufandere Weise, kulturellen und damit po-litischen Einfluß zu gewinnen; durchZersetzung, Verwüstung und schließlichZerstörung der Kultur ihres Gastlan-des.“32 Am 5. September 1941 schriebErich Meyer-Geweke: „Deutschlandwird kämpfen bis zum totalen Siege, d. h.bis zur Befreiung Europas und der Weltvon bolschewistischen Mördern, von derbritischen Plutokratie und von den Judenund Freimaurern.“33

Um nicht mißverstanden zu werden:Kriegspropaganda gab es in jenen Jahrenvielerorts; auch die großen Kirchen ha-ben sich der herrschenden Ideologie inweiten Teilen angeschlossen. Es geht andieser Stelle nicht um eine moralischeBewertung des Anpassungskurses. DasProblem besteht darin, daß sich die heu-tige NAK ihrer Vergangenheit nicht hin-reichend stellt, diese Epoche nicht aufar-beitet und nicht kritisch reflektiert. In ei-ner neueren Darstellung der Geschichteder NAK heißt es lapidar: „Es bedurfte oftder ganz besonderen Weisheit desStammapostels Bischoff, das Schiff derKirche sicher und ungefährdet durch diedrohenden Klippen zu steuern, wovondie Mehrzahl der Kinder Gottes kaum et-was gemerkt hat.“34 Das ist doch wohl zueinfach! Das Dilemma, in dem sich die Leitungder NAK befindet, liegt auf der Hand.Gibt sie einer Diskussion um die Politikdes Stammapostels Raum, dann drängtsich sofort die Frage nach der maßlos

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überzogenen Bedeutung des Stammapo-stelamts auf. Um es zugespitzt zu formu-lieren: Kann es wirklich sein, daß einStammapostel „in Wort und Tat“ denWillen Gottes offenbart35, auch wenn erdem NS-Regime nahesteht?Früher oder später wird die Leitung derNAK um eine kritische Aufarbeitung die-ser Zeit nicht herumkommen, zumal dasverdrängte Thema Fortsetzungen hat: AbOktober 1951 wird der zitierte Meyer-Geweke wieder als verantwortlicher Re-dakteur im Impressum der Zeitschrift ge-nannt, alsbald arrangiert sich die NAKmit den Machthabern in Ostberlin,36 undim Dezember 1989 zelebriert Stamm-apostel Richard Fehr in Kinshasa einenGottesdienst, der vom Diktator Mobutologistisch unterstützt wird.37

6. Die „Botschaft“ von 1951

Am Weihnachtsfest 1951 verkündeteStammapostel Bischoff in Gießen: „Ichbin persönlich überzeugt, daß die Zube-reitung des königlichen Priestertums inder Zeit erfolgt, in der ich noch vorhan-den bin, und daß die Reichsgottesarbeitim Weinberg des Herrn mit mir ihr Endeerreicht (…). Ich bin der Letzte. Der Herrwird zu meiner Zeit kommen, die Seinenzu sich zu nehmen.“38

Diese Botschaft löste in der NAK endzeit-lich geprägte Aktivitäten aus. Bedeutetesie doch, daß mit der Wiederkunft desHerrn unmittelbar zu rechnen war, zu-mal sich Bischoff damals bereits im ho-hen Alter von 80 Jahren befand. FürZweifel gab es keinen Raum; der Stamm-apostel verknüpfte diese Botschaft mitder Autorität seines Amtes und seinerPerson. Ohne Übertreibung kann mansagen, daß sie binnen weniger Monatezu einem heilsnotwendigen Dogma er-hoben wurde. In der folgenden Zeit hat Bischoff wie-

derholt unterstrichen, daß ihm diese Er-kenntnis in einer Offenbarung Gottes zu-teil geworden sei. So schrieb er beispiels-weise im Jahre 1955 an Amtsträger imApostelbezirk Düsseldorf: „Mir ist vomHerrn Jesus eine unmittelbare, persönli-che Offenbarung geworden, mit der ermir selbst seine Wiederkunft zu meinerLebenszeit mitgeteilt hat.“39

Nicht nur die Botschaft als solche ist pro-blematisch, sondern auch, wie mit ihrumgegangen wurde: Nachdem der Be-zirksapostel (und ehemalige Stammapo-stelhelfer) Peter Kuhlen im Jahre 1954zusammen mit weiteren Amtsträgern for-derte, die Annahme oder Ablehnung die-ser „Wahrheit“ dem Gewissen des ein-zelnen zu überlassen, wurden sie kurzer-hand aus der NAK ausgeschlossen. Als der Stammapostel am 6. Juli 1960starb und seine Botschaft damit des Irr-tums überführt worden war, wurde dieSchuld für das Desaster bei Gott gesucht:„Wir stehen deshalb vor dem unerforsch-lichen Ratschluß unseres Gottes und fra-gen uns, warum er seinen Willen geän-dert hat. Der Stammapostel (…) kannsich nicht geirrt haben, weil er immer dasWort des Herrn zur Richtschnur seinesHandelns gemacht hat.“40

Fast ein Jahrzehnt lang wurde die Bot-schaft so entschieden mit der Autoritätdes Stammapostels verknüpft, daß dieKatastrophe von 1960 eigentlich dasEnde des Stammapostelamts hätte be-deuten müssen. Daß es letztlich anderskam, ist vermutlich dem schnellen undgeschickten Eingreifen der Apostelver-sammlung zu verdanken, die am 7. Juli1960 ohne zu zögern Walter Schmidt(1891–1981) zum neuen Stammapostelgewählt hat. Damit hatte die NAK eineihrer schwersten Krisen überstanden. Hinter diesen eher formalen Vorgängenverbergen sich jedoch Schicksale, die bisheute nicht aufgearbeitet sind. Im Archiv

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der EZW findet sich eine Fülle von per-sönlichen Briefen aus jenen Jahren, indenen sich die tiefe Verunsicherung überdie Botschaft Bischoffs bzw. (wichtigernoch!) über das Ausbleiben der Wieder-kunft widerspiegelt. Häufig genug sindFamilien an dieser Leidensgeschichtezerbrochen. In nicht wenigen Briefen fin-det sich der Hinweis, daß man sich auchschriftlich an den Stammapostel gewen-det habe. Solche Dokumente müßtensich also heute in Zürich befinden. Viel-leicht kommt ja die Zeit, in der die NAKihre Archive öffnet und sich dem Themastellt. Wie weit man davon heute aller-dings noch entfernt ist, zeigt eine offizi-elle Stellungnahme des Stammapostelsvom 2. Mai 1995 zur „Botschaft“ seinesVorgängers von 1951: „Die Nichterfül-lung der Botschaft kann mit dem Ver-stand letztlich nicht erklärt werden. Dergöttliche Charakter der Botschaft wirddadurch nicht in Frage gestellt. Wir hal-ten daran fest, dass der Stammapostelsich nicht geirrt hat. Wenn der Herr wie-dergekommen sein wird, wird die Frage,warum die Botschaft sich nicht erfüllthat, vollends beantwortet werden.“41

Bis heute ist von den damals Gemaßre-gelten niemand rehabilitiert worden.

7. Die NAK in der Kritik

Seit Anfang der 90er Jahre gerät die NAKhäufiger in die Kritik. Dafür gibt es unter-schiedliche Ursachen: Zum einen legtdas gestiegene öffentliche Interesse ansog. „Sekten“ es nahe, sich auch dergrößten christlichen Sondergemeinschaftzuzuwenden; andererseits – und hierindürfte der entscheidende Umstand lie-gen – ist auch das Unmutspotential ineinigen neuapostolischen Gemeindendeutlich gestiegen. Besonders in Süd-deutschland finden sich vermehrt kriti-sche Artikel und Leserbriefe in den Zei-

tungen, und öffentliche Veranstaltungenzum Thema werden angeboten. Beson-deres Gewicht erhalten diese dadurch,daß ehemalige Amtsträger der NAK Insi-derwissen veröffentlichen und eigene Er-fahrungen thematisieren.Die Leitung der NAK hat einige Zeit zuden Berichten geschwiegen und eine Po-litik des „Aussitzens“ verfolgt. Eine typi-sche NAK-Redewendung lautet: „DerKritiker empfängt nichts.“ Oder : „Ihm/Ihr steht der Verstand im Wege.“ Verbrei-tet ist auch folgendes Bild: Daß Vögel(= kritische Gedanken) über das Hauptfliegen, läßt sich nicht verhindern; aberdaß sie auf dem Haupt ihre Nesterbauen, das läßt sich verhindern!In einer Predigt des Stammapostels Ri-chard Fehr vom 17. März 1991 findetsich eine eher beiläufige, wohl aber be-zeichnende Reaktion auf öffentliche Kri-tik: „Wir leben in einer Zeit, in der sehr,sehr viel Kritik offenbar wird. (…) Kritik istan der Tagesordnung, und das zeigt sichzur Zeit auch innerhalb des Werkes Got-tes. Es ist nicht zu vermeiden, daß Strö-mungen von außen eindringen. (…) Ge-schwister, das Wort ,Kritik‘ kommt nichtein einziges Mal in der Heiligen Schriftvor! Ich habe in einigen Konkordanzennachgeschaut: Das Wort ,Kritik‘ steht nir-gends in der Bibel. Also hat es bei uns imWerk Gottes auch nichts zu suchen.“42

Ein solches Votum muß kommentiertwerden: Der Stammapostel hat formalrecht, weil dieser Begriff in deutschspra-chigen Konkordanzen in der Tat nicht zufinden ist. Aber in der Sache ist der Be-fund ungenau, weil das Wort „Kritik“vom griechischen κρινειν (scheiden, un-terscheiden, urteilen) kommt und somitdurchaus einen zentralen Platz in derHeiligen Schrift hat (vgl. 1. Kor 12,10).Viel entscheidender jedoch ist die psy-chologische Wirkung eines solchen Vo-tums: Jegliche Kritik an der NAK wird als

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vordergründiges Schlechtmachen abge-stempelt. Hinter solchen Aussagen stehtunausgesprochen der Satz: Setzt euchmit Kritikern und Abtrünnigen nicht aneinen Tisch, denn ihre Rede ist gottlos. Diese Haltung des Stammapostels wirddem Ernst der Anfragen nicht gerecht.Deshalb sei folgendes festgehalten: DieAussteiger bzw. Kritiker der NAK, die wirkennen, sind menschlich glaubwürdigePersonen, die eine unterschiedlicheFülle von Leiderfahrungen in dieser Kir-che gemacht haben. Häufig genug sindihre Berichte von der Hoffnung getragen,daß die Probleme beseitigt und die Feh-ler korrigiert werden können. In fast allenFällen wurden Dokumente vorgelegt,welche die beschriebenen Umstände be-legen. Einer solchen Herausforderungwird die Leitung der NAK nicht gerecht,indem sie Kritik schlechthin verteufelt.Am 8. Januar 1995 ging der Stammapostelerstmals in einem Gottesdienst direkt aufdie erhobenen Vorwürfe ein.43 Nicht zuUnrecht konstatiert er, daß viele Medien-berichte sich nicht mit theologischen Fra-gen auseinandersetzen, sondern Fragender Kirchenzucht und des Gemeindele-bens („Unterdrückung und Gängelung“)in den Mittelpunkt ihrer Darstellungenrücken. Sicherlich könnte man noch ei-nen Schritt weiter gehen und festhalten,daß die Regenbogenpresse und mancheprivaten Fernsehsender nur an einerreißerischen Aufmachung des Themas in-teressiert sind. Aber sein schlichter Appell„Anfeindungen beirren uns nicht!“ greiftschon deshalb nicht, weil die theologi-sche Diskussion in den eigenen Reihen –wie aufgezeigt – verhindert wird. Die Lei-tung der NAK wird sich deshalb die Vor-haltung gefallen lassen müssen, daß man-che der Abtrünnigen nur deshalb im Pri-vatfernsehen auftreten, weil sie keineChance haben, in hauseigenen Publika-tionen zu Wort zu kommen.

Daß die Erklärung vom Januar 1995 zumager war, scheint man selbst verspürtzu haben. Gut ein Jahr später, am 20. Ja-nuar 1996, druckt die Zeitschrift „UnsereFamilie“ eine dreiseitige Stellungnahmezu den Vorwürfen ab. Hier werden – einekleine Sensation – zwar Fehler von Amts-trägern und Geschwistern eingeräumt,die Vorwürfe bezüglich psychischenDrucks, Überwachung der Mitglieder,Absolutheitsanspruch, undurchsichtigenFinanzgebarens usw. jedoch ohne Dis-kussion zurückgewiesen. Wie wenigdiese Proklamation befriedigen kann, seian einem Beispiel verdeutlicht: Eine derhäufig zitierten Klagen besagt, die NAKüberwache das Privatleben ihrer Mitglie-der. Gemeint sind damit vor allem die re-gelmäßigen Besuche der Amtsträger inden Familien. Sie sind dabei angehalten,mittels eines „Meldebogens“ nach„oben“ zu berichten, ohne daß die Be-troffenen davon erfahren. In der „Stel-lungnahme“ von 1996 wird nun schlichtauf die damals relativ neuen „Richtlinienfür Amtsträger“ (1993) Bezug genom-men, in denen es heißt: „Familienbesu-che sind grundsätzlich im voraus anzu-melden.“ Verschwiegen wird jedoch,daß die bis 1993 gültigen Richtlinien un-angemeldete Besuche ausdrücklichempfohlen haben: „In der Regel machtman die Besuche unangemeldet. Mansieht und erfährt dann manches, was aufden inneren Zustand der Geschwisterund auch auf die äußere Ordnung in derFamilie einen Schluß ziehen läßt.“44

Eine der wichtigsten Publikationen einesehemaligen Amtsträgers ist das von Sieg-fried Dannwolf im Jahre 1996 vorgelegteTaschenbuch „Gottes verlorene Kinder“.Hier schildert ein ehemaliger Priesterseine problematischen Erfahrungen in ei-ner Kirche, in der es – wie er ausdrücklichbetont – „viele liebenswürdige, freundli-che und hilfsbereite Menschen“ gibt, die

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jedoch von einem Glaubenssystem getra-gen wird, „das Menschen zerstört stattaufrichtet, das aus der frohen Botschaftdes Evangeliums subtil ein System derAngst zimmert, das einen grenzenlosenund liebenden Gott in die Mauern einerunfreien Institution sperrt und für derenZwecke mißbraucht“.45 Heute berichtetDannwolf, daß verblüffend viele Men-schen nach dem Erscheinen seines Bu-ches Kontakt mit ihm aufgenommen ha-ben, die vergleichbare Erfahrungen in derNAK machen mußten. Es scheint allein inDeutschland mehrere tausend ehemaligeMitglieder der NAK zu geben, die sich inseiner Darstellung (mehr oder weniger)wiederfinden. Davon zeugt auch eineVielzahl von Selbsthilfeinitiativen, die in-zwischen entstanden sind.46 Worum esden Gruppen geht, zeigt folgender Aus-zug aus einer Selbstdarstellung:

»„In den letzten Jahren haben immermehr Mitglieder der NeuapostolischenKirche große innere und äußere Pro-bleme, aktive gleichermaßen wie sol-che, die bereits Abstand gewonnen ha-ben. Die Gründe liegen vorwiegend inder autoritären Führungsstruktur, derdogmatischen Lehre, der Endzeiterwar-tung und dem Eliteanspruch. Die ver-mittelten Glaubensinhalte sind größten-teils unbiblisch, fordern blinde Nach-folge, bedingungslosen Gehorsam undkindlichen Glauben. Verbunden mit derautoritären, streng hierarchischenFührung wird Menschenverherrlichunggefördert, konstruktive Kritik und Hin-terfragen verhindert, Andersdenkenund Anderssein ausgegrenzt. Informa-tionen werden manipuliert und unter-drückt. Die ,Wahrheit‘ der Amtsträgerwird mit massiven Drohungen durchge-setzt, Ängste werden erzeugt und ge-fördert. Gefühle werden ,verordnet‘.Durch Amtsträger und Mitglieder wird

ein enormer sozialer Druck ausgeübt.Kinder und Jugendliche werden in dasgeistige Zwangskorsett hineinerzogen.(…) Diese Elemente des neuapostoli-schen Glaubenssystems führen zu Ab-hängigkeit und Bewußtseinskontrolle,zu Fremdbestimmung und Außensteue-rung, zu Isolation und Abgrenzung, zuLebensfeindlichkeit und Intoleranz, zuPsychodruck und Unterwerfung, zurUnfähigkeit zu kritischem Nachdenkenund Hinterfragen. Es fördert ein Leben,das von Angstmechanismen geprägtist, ein Leben gegen die eigenen Ge-fühle, Gedanken und Vorstellungen.Letztlich begünstigt dieses System dieEntstehung psychischer Krisen undpsychosomatischer Erkrankungen. Inder Seelsorge dominieren die Vorgabenan die Gläubigen, nicht seine Gefühleund Gedanken.“47

Das Internet ermöglicht eine bisher un-gekannte Vernetzung von „Aussteigern“und den ungehinderten Austausch vonInformationen.48 Zu dieser „Szene“ ge-hören keinesfalls nur ehemalige Mitglie-der, sondern immer häufiger auch unzu-friedene „Noch-Mitglieder“ der NAK.Man kann folglich die Grenze zwischen„innen“ und „außen“ immer schwererziehen, was die Leitung der NAK zusätz-lich unter Druck setzen dürfte. In der„Szene“ der Kritiker erzählt man sich,daß „fast jede Woche“ ein Amtsträgeraus Unzufriedenheit mit der Leitung derNAK bzw. wegen Differenzen in theolo-gischen Fragen sein Amt niederlegt.

8. Die „Freunde der reinen Jesulehre“

Seit 1995 tritt der Arzt und frühere Prie-ster der NAK, Dr. Erwin Meier-Widmeraus Schaffhausen, mit Hinweisen auf Irr-tümer oder Widersprüche in der NAK anden Stammapostel heran. Sein Engage-

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ment gilt keinesfalls einer vernichtendenKritik an der NAK, wohl aber „der Sorgeum ein gedeihliches Vorankommen inder Missionsarbeit“.49 Meier-Widmer ist(noch) Mitglied in der NAK und will dieMitgliedschaft von sich aus auch nichtbeenden. Aus einem Briefwechsel zwi-schen Freunden – Stammapostel RichardFehr und Erwin Meier-Widmer haben vorvielen Jahren gemeinsam die Jugend-stunde besucht – ist inzwischen ein un-versöhnliches Gegenüber geworden. Die Vorgänge sind auf unterschiedlichenEbenen interessant: So bemüht sichMeier-Widmer um eine biblisch fun-dierte Kritik an bestimmten Erscheinun-gen in der NAK, was für die theologischeDiskussion mit der NAK von Interesse ist.Gruppendynamisch lehrreich ist, wie dieAuseinandersetzung verzögert wurdeund damit eskaliert ist: Zwar reagierte dieLeitung der NAK im März 1997 durch dieEinberufung einer Arbeitsgruppe, siezeigte in der Sache jedoch kaum Beweg-lichkeit. So ist es wenig verwunderlich,daß die Fronten inzwischen verhärtetsind. Im Laufe der Zeit hat Meier-Widmer ei-nen beachtlichen Kreis von Sympathi-santen gefunden, die ebenfalls Miß-stände und Probleme in der NAK sehen,aber bisher keinen Weg in die Öffentlich-keit finden konnten. Meier-Widmernennt sich und seine engsten Mitstreiter„Freunde der reinen Jesulehre“ und willmit diesem Namen darauf hinweisen,daß die NAK theologische Positionenvertritt, welche mit der Botschaft von Je-sus Christus gemäß dem Neuen Testa-ment kaum vereinbar sind. Inzwischenkursieren die von Meier-Widmer aufge-stellten Thesen in unzähligen Kopien un-ter „Noch-Mitgliedern“, Ausgetretenenoder Exkommunizierten. Nicht zuletztdie Einrichtung einer eigenen Seite im In-ternet (http://members.xoom.com/step-

hann/) wird zur weiteren Verbreitung derSchriften beitragen.50

Ein zentrales Datum innerhalb dieserAuseinandersetzungen ist der 21. März1997. An diesem Tag hielt Meier-Wid-mer „im Namen von Tausenden besorg-ten Geschwistern und Amtsträgern derunteren und mittleren Schicht“51 ein er-stes Plädoyer vor dem Stammapostel. ImBeisein von Bezirksapostel Peter Dessi-moz und Priester Arthur Sigrist warf erdem Stammapostel folgendes vor:

a) Unehrlichkeit � bezüglich der Lehre der NAK („Bot-

schaft“ von 1951, Erwählung derAmtsträger, Offenbarung des göttli-chen Willens etc.),

� in bezug auf die Predigten, welche un-mittelbares „geistgewirktes Wort“ seinsollen, aber häufig eher „irdisch“ sind,

� mit Blick auf den Finanzhaushalt (lu-xuriöse Kirchenneubauten wie in Jo-hannesburg „sind ein Verbrechen“, so-lange in Zentralafrika die Geschwisterauf dem Boden sitzen müssen),

� mit Blick auf die Satzungen des Apo-stelbundes, weil die Statute des Inter-nationalen Apostelbundes beschlossenworden sind, ohne daß die Gemein-den Einsicht oder Mitspracherecht ge-habt hätten,

� in bezug auf die Geschichtsschreibungder NAK.

b)Sturheit � mit Blick auf jene Glaubensgeschwi-

ster, die wegen der Nichtannahme der„Botschaft“ Bischoffs reglementiertwurden und bis heute nicht rehabili-tiert sind.

c) Überheblichkeit,� weil Opfergelder verschleudert wer-

den.

Das Plädoyer gipfelt in der Aufforderung:„Wir wollen Dich aber nicht zum Teufel

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jagen, wie das die neuapostolische Kir-chenleitung seit 100 Jahren mit mißliebi-gen Gläubigen gemacht hat, sondern wirräumen Dir Raum ein zur Buße, d.h. wirgeben Dir Gelegenheit, Deine Fehler ein-zusehen (…). Ob Du bereit bist, Dich zuändern, mußt Du uns bis Pfingsten 1997schriftlich mitteilen (…). Kommt (…) keineMeldung, nehmen wir an, daß Du nichtvorhast, Dich zu ändern. Dann (werdenwir) alles der Gemeinde vortragen, viaFernsehen, Rundfunk und Presse.“52

Vorerst jedoch wurde Vertraulichkeit ver-einbart. Der Stammapostel beauftragteein „Gremium für besondere Angelegen-heiten“ mit der weiteren Bearbeitung derFragen. Dem Gremium gehörten an: alsVorsitzender Bezirksapostel WilfriedKlingler (Hannover), als Beisitzende Be-zirksapostel Hagen Wend, Bischof GertOpdenplatz, Evangelist Johanning (alleFrankfurt/M.) sowie als Beobachter Prie-ster Arthur Sigrist (Zürich).Am 3. November 1997, also deutlichspäter als der zuerst von Meier-Widmeranvisierte Termin, fand in Frankfurt einerstes Treffen zwischen dem Gremiumund Meier-Widmer statt. Meier-Widmerhat zwölf Diskussionspunkte vorgetra-gen. Die Überlegungen kreisen um Wi-dersprüche in der neuapostolischenTheologie, so beispielsweise in derFrage, wer die Amtsträger erwählt (dasLehrbuch für die Konfirmanden sagt, sieseien vom Herrn erwählt, der 5. Glau-bensartikel spricht von der Erwählungdurch Apostel)53, um weitere Änderungs-vorschläge für den vierten, fünften undsechsten Artikel des Glaubensbekennt-nisses, um Konflikte zwischen der NAKInternational und der NewapostolicChurch Canada, um Fragen der Ordina-tion, um die Frage, ob die Prophetie nachbiblischem Befund an ein Amt gebundensein kann, sowie immer wieder um dasAmt des Stammapostels.

Bei der Aufnahme von Mitgliedern in dieNAK wird beispielsweise – neben Taufeund Besuch der Gottesdienste – der„Glauben an die Apostellehre“54 ver-langt. In These 10 kritisiert Meier-Wid-mer, daß diese „Apostellehre“ sich vonJesu Lehre entfernt hat: „Wir kommen zurÜberzeugung: Die Apostellehre der NAKist nicht von Gott“.55

Im Zentrum von Meier-Widmers Thesensteht immer wieder die Frage, wie sichder Wille Gottes offenbart: So verweist erbeispielsweise auf „Fragen und Antwor-ten“ Nr. 235, wo es heißt: „Unter Glau-bensgehorsam verstehen wir das Unter-ordnen des menschlichen Willens unterden göttlichen Willen, der sich für denneuapostolischen Christen in Wort undLehre der Apostel offenbart.“ Meier-Wid-mer moniert, daß sich Gottes Wille vor-rangig in Jesus Christus offenbart und al-lenfalls teilweise in Wort und Lehre derneuapostolischen Apostel. Die vorgetragenen Thesen wurden am19. Dezember 1997 in einer von Bezirks-apostel Klingler unterzeichneten Stellung-nahme knapp beantwortet. Auf die Argu-mentationen wird dabei kaum eingegan-gen. Lediglich mit Blick auf den 5. Glau-bensartikel ist ausgeführt, daß die Proble-matik bekannt sei und bearbeitet wird.Alles in allem kann man sagen, daß dieseAntwort den Anfragen nicht gerechtwird. Am 20. Januar 1998 fand in Frankfurt einzweites Treffen zwischen dem Gremiumund Meier-Widmer statt. Hier hatte mansich u.a. auf eine Vorgehensweise geei-nigt, von der das Gremium später einsei-tig abgewichen ist. Meier-Widmer hatdaraufhin seine Zusammenarbeit mit ei-nem Schreiben vom 16. Februar 1998aufgekündigt. Seit Ende Februar 1998legt er fortlaufend weiteres Material überkritikwürdige Umstände in der NAK vor.Wir können an dieser Stelle auf die ver-

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schiedenen Fragen nicht detailliert ein-gehen und greifen deshalb nur dasThema Finanzen in der NAK beispielhaftauf.

9. Finanzen in der NAK

Die NAK finanziert sich über den sog.„Zehnten“, d.h. die Gemeindegliederspenden 10 Prozent ihres Einkommensder Kirche. Das ist in vielen Religionsge-meinschaften gängige Praxis. Der größteTeil der Einnahmen wird für den Bau undUnterhalt von Kirchengebäuden verwen-det, weitere Ausgabenblöcke sind dieweltweite Missionsarbeit, humanitäreund soziale Hilfeleistungen sowie Perso-nalkosten. Genaue Zahlen werden nichtveröffentlicht. Die Gemeinden habenkeinen Einfluß auf die Verwendung derGelder und nicht die geringste Möglich-keit, die Finanzunterlagen einzusehen.Kritiker sprechen deshalb von „Geheim-niskrämerei“56. Grundsätzlich sind die Spenden als frei-willige Gabe zu verstehen; sie werdennicht kontrolliert. Andreas Maurer, ehe-maliger Gemeindevorsteher und meh-rere Jahre betriebswirtschaftlicher Leiterder NAK-International berichtete in einerSendung des Schweizer Rundfunks da-von, welche Problematik mit dem„Zehnten“ verbunden ist: „Die NAK hatden Zweck, die Gläubigen auf die Wie-derkunft Christi vorzubereiten, auf densog. Tag des Herrn, und alles was mantat, war auf diesen Tag ausgerichtet: Bistdu dabei oder bist du nicht dabei? Unddazu zählte eben auch deine Opferbe-reitschaft. Damit war diese Angst eigent-lich permanent vorhanden. Wenn manes nicht gibt, dann könnte man aus derGnade Gottes fallen. Die meisten, die ichkenne, haben diese 10 Prozent Abgabesehr ernst genommen. Für die galt diehöchste Zahl im Lohnausweis. Also, da

stellte sich nicht die Frage: Welche Ab-züge soll ich vorerst mal machen unddann die 10 Prozent aus dem Restbetragberechnen?“57 Ein geflügeltes Wort inmanchen NAK-Kreisen umschreibt dieFrage, ob sich die 10 Prozent auf dasBrutto- oder Nettogehalt beziehen, mitder Formel vom „Brutto- oder Nettose-gen“. Und in der Tat wird in der NAKgerne Opfer = Geldopfer = (erkaufter) Se-gen/Nutzen gesetzt. So wird beispiels-weise in „Unsere Familie“ von einemSoldaten erzählt, der in der Kaserne ty-rannisiert wird. Er baut jedoch ganz aufdie Hilfe Gottes und legt den gesamtenSold in den Opferkasten. Daraufhin wirdder Vorgesetzte versetzt.58

Kritiker gehen davon aus, daß die NAK inDeutschland wahrscheinlich mehr als500 Millionen DM jährlich einnimmt, fürdie Schweiz werden 55 Millionen Fran-ken veranschlagt. Die Zahlen könnenleicht nachgerechnet werden: Wenn vonca. 400000 Mitgliedern in Deutschlandnur jedes 4. Mitglied monatlich 400 DMzahlt, dann sind das 516 Millionen DMim Jahr. Sicherlich darf man sich von sol-chen Beträgen nicht blenden lassen undmuß sie mit Blick auf die beachtlichenAusgaben gewichten. Aber derartig ge-waltige Umsätze in Verbindung mit feh-lender Transparenz beflügeln die Phanta-sie kritischer Geister, zumal wenn siehören, daß der Stammapostel ein Jahres-einkommen von 300000 SchweizerFranken versteuert und First-class-Flügebzw. Luxushotels bei Apostelkonferen-zen die Regel sind. Peter Johanning,Sprecher der NAK-International, weist indiesem Zusammenhang darauf hin, daßin die genannte Summe auch Mietein-nahmen und andere Vergütungen ein-fließen würden, sie also nicht dem Ge-halt entspräche.59 Dennoch bleibt einschaler Nachgeschmack, wenn man be-denkt, daß nur ein Prozent der Schweizer

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Steuerzahler über ein vergleichbares Ein-kommen wie der Stammapostel verfü-gen.60

Die Frage nach der finanziellen Lage derNAK gewinnt auch von daher Gewicht,daß ein großer Ausgabenposten entfällt:Die „unteren“ Amtsträger (Diakone, Prie-ster, Evangelisten, Hirten, Bezirksevange-listen und Bezirksälteste) arbeiten ehren-und nebenamtlich, nur die Bischöfe,Apostel und der Stammapostel werdenbezahlt. Damit spart die NAK beachtli-che Personalkosten, die bei anderen Kir-chen schwer wiegen. Kritiker berichtenzudem, daß die von der NAK an die„höheren“ Ämter gezahlten Saläre jenevergleichbarer Mitarbeiter in der Refor-mierten Kirche der Schweiz weit über-steigen.61

Bleibt noch ein letzter Aspekt, der bei derBetrachtung der finanziellen Lage derNAK zu berücksichtigen ist: Die NAK be-treibt keine nennenswerte Diakonie (Kin-dergärten, Suppenküchen für Obdach-lose, Krankenhäuser etc.); in armen Län-dern ist diakonisches Engagement häufiggenug mit missionarischem Interesse ver-bunden. Im April 1998 hat Meier-Widmer eineStudie über „die mißbräuchliche Ver-wendung von Geldern aus der Sonder-sammlung ,Dankopfer‘“ vorgelegt. Ge-meint ist ein Sonderopfer, für das seit1988 am Buß- und Bettag in der NAK ge-sammelt wird. Offiziell hieß es damals,das Geld sei „zu Gunsten unserer Brüderund Schwestern in ärmeren Ländern undVerhältnissen“62 gedacht. Diese Formu-lierung appelliert eindeutig an die Hilfs-bereitschaft der Gläubigen in den wohl-habenden Ländern, ihren Brüdern undSchwestern in den Missionsgebieten so-zial und humanitär zu helfen. In den er-sten Jahren wurden die Spendengeldertatsächlich für Bauvorhaben in ärmerenLändern eingesetzt. Ab 1991 finden die

Gelder jedoch auch in der Schweiz Ver-wendung. So wurde z. B. der Kirchen-neubau 1993 in Safenwil und 1995 inRheinfelden sowie 1996 der Umbau derKirche in Brugg-Windisch aus Mittelndes Sonderopfers finanziert.63 Meier-Widmer spricht davon, daß gutgläubigeGemeindemitglieder in ihrer Hilfsbereit-schaft schlicht getäuscht werden.64

Die Diskussion um die Verwendung derGelder bzw. um Gehälter in der NAKdarf zwar nicht überbewertet werden, sietrifft aber in einer Kirche, die sich selbstals „wiederaufgerichtetes ErlösungswerkChristi“ versteht, einen empfindlichenPunkt: Bekanntlich stammten Jesus undseine Apostel aus den einfacheren sozia-len Schichten, und die NAK-Mitgliedergehören überwiegend auch nicht geradezu den Spitzenverdienern. Wie heikeldas Thema ist, konnte man am 5. No-vember 1998 der Zeitschrift „Unsere Fa-milie“ entnehmen: Unter der Überschrift„Vorwürfe sind ungerechtfertigt!“ ist eineStellungnahme zum Streit um die Ver-wendung des Sonderopfers bzw. um dieGehälter abgedruckt, zu der sich die Lei-tung der NAK offenbar genötigt sah. Dadie Vorwürfe im einzelnen nicht zitiertwerden, kann der Beitrag überhaupt nurvon jemandem verstanden werden, derdie im Internet und in zahlreichen Ko-pien kursierenden Vorhaltungen kennt.Zur Sache erfährt man lediglich, daß dieVorwürfe falsch seien, Phantasiezahlenenthalten würden und im übrigen dieEinkommensverhältnisse des Stammapo-stels in den Bereich schutzwürdiger Da-ten fallen und somit nur ihn selbst etwasangehen.65 Dieses Argument ist nicht un-berechtigt, wenn man in Rechnung stellt,daß die Leitung einer Kirche mit über9 Millionen Mitgliedern verantwortungs-volles Management erfordert. Ist derStammapostel Manager oder Seelsorger?Er selbst beantwortet diese Frage mit dem

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Hinweis, Seelsorger zu sein und keinManager.66 Das Thema Geld ist mit sol-chen Statements noch nicht aus der Weltund dürfte die Gemeinden wohl nochlänger beschäftigen.

10. Der zentrale Diskussionspunkt: Das exklusive Selbstverständnis derNAK

Die NAK versteht sich selbst als„Schlußkirche Christi“, als einzig wahreKirche. Nur die eigenen Mitglieder wer-den als „Kinder Gottes“ im Vollsinn desWortes angesehen. „Wir sind nicht be-stimmt, einmal – zu einem uns noch un-bekannten Zeitpunkt – (…) des Herrn Ei-gentum zu werden, sondern wir sind es:Gottes Kinder, seine Heiligen und Ge-liebten“67, so hieß es 1975 in dem inter-nen Informationsblatt „Wächterstimme“.Erwählt ist also nur eine kleine Schar in-mitten der großen Menschheit, und dieseSchar findet sich -ausschließlich!- in derNAK. Besonders deutlich drückt sich die-ser exklusive Erwählungsgedanke in ei-nem Lied aus, welches dem Gesangbuchvorangestellt ist und dessen Aussage alstypisch gelten kann. Darin heißt es:

» „Über die Erde wandelt / eine heiligeSchar; / sie tragen Kronen unsichtbar. /Es schreiten die Füße / durch Dornenund Dunkel; / auf den Häuptern ist’s /wie Kronengefunkel. / Sie halten imStaub / leuchtend den Schild. / DurchSchmerzen und Nächte / blicken siemild. / Ein Sonntag läutet in ihrer Brust /mit Glocken der Freude. / Sie lächelnins Leben / und sind voller Mut, / be-gegnen den Menschen / hilfreich undgut. / Sie ziehn die Gesunknen / liebendhinauf; / aus ihrer Liebe geht Liebe auf./ Sie führen die Erde / dem Himmel ent-gegen; / denn alles an ihnen ist Größeund Segen. / Wer sind diese Edlen? /

Das sind die Getreuen / des KönigsJesu, / das ist seine liebe, holdseligeBraut, / die er sich erwählet. / Ach, daßsie für immer festhielt‘ ihre Krone!“68

Die NAK versteht sich selbst als das„wiederaufgerichtete Erlösungswerk desHerrn“, in ihr wird „das von Jesus begon-nene Erlösungswerk durch die von ihmgesandten Apostel vollendet“.69 Die Exi-stenz der wahren Kirche ist also an dasAmt, genauer gesagt an das Amt des Apo-stels gebunden: „Es gibt heute viele Mil-lionen Christen, die in ihren Gemein-schaften alle vom Wort Gottes hören –aber es ist nicht das Wort Gottes, das ih-nen verkündigt wird. (…) Warum hat dasWort, das in so mancher Religionsge-meinschaft gepredigt wird, kein göttli-ches Leben? Weil jene Menschen nichtGottes Eigentum sind. Wir sind aus Gna-den Gottes Kinder geworden. Der HerrJesus hatte den Heiligen Geist ja nicht ir-gendwelchen Menschen verheißen, son-dern seinen Aposteln.“70 Der neuaposto-lische Apostel „ist der von Gott erwählteBevollmächtigte Jesu Christi in seiner Kir-che“, er spendet den Heiligen Geist.71

Mehr noch: Der heilige Geist ist demApostelamt untergeordnet, da allein dasAmt über die Geistesgaben verfügt.72

Folgen wir dieser Logik, dann ist Kircheim Vollsinn nur da möglich, wo Apostelsind. Dieser Befund ist für das theologi-sche Selbstverständnis der NAK grundle-gend – und er ist grundlegend falsch, dadas biblische Apostelamt an die Beauf-tragung durch den irdischen (bzw. mitBlick auf Paulus durch den auferstande-nen) Jesus gebunden war. Nachdem einesolche nicht mehr möglich war, ging dasApostelamt unter bzw. wurde durch an-dere Ämter ersetzt. Die NAK unterstellteine heilsgeschichtliche „Lücke“ vonetwa 1700 Jahren (für die Zeit zwischendem Tod des letzten Urapostels und der

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Berufung des ersten Albury-Apostels), inder es keine Kirche Jesu Christi im Voll-sinn gegeben habe. Abgesehen davon,daß die NAK mit dieser Sicht der Dingeeine Position vertritt, die von keinerchristlichen Kirche oder Konfession auchnur annähernd geteilt wird, entstehenneue Fragen. Wenn es tatsächlich GottesWille gewesen wäre, daß die Kirchewährend der Jahrhunderte von Apostelngeleitet wird, wer trägt dann die Verant-wortung dafür, daß Neuberufungen un-terblieben sind? Mehr noch: Warum istdie Geschichte des wiedergefundenenApostelamts dann so widersprüchlichund voller Merkwürdigkeiten?73 Erinnertsei nur an den „Fall“ Rosochacky: Er warder erste deutsche Apostel und hat kurznach seiner Berufung sein Apostelamtmit dem Hinweis niedergelegt, in die„Ränke Satans“ geraten zu sein.74

Die NAK hat unterschiedliche Antwortenversucht, diese Aporien zu überwin-den.75 Wirklich überzeugen können siejedoch nicht, zumal jede Erklärung einerheilsgeschichtliche „Lücke“ letztlichdem biblischen Befund im Mt 28,20 wi-derspricht. Aber selbst wenn man diese Frage aus-blendet, bleibt festzuhalten, daß einetiefe Kluft zwischen den neuapostoli-schen Aposteln und den biblischen Apo-steln besteht: In der Urgemeinde wähltdie Gemeinde ihre Amtsträger (Acta 6,5),in der NAK haben allein die Apostel dasRecht, Amtsträger zu ernennen (vgl. 5.Glaubensartikel). Die Heilige Schriftkennt auch keine Hierarchie unter denAposteln, keinen Stammapostel. Folgtman der Logik der NAK, dann wäre Pe-trus sozusagen der Stammapostel der Ur-gemeinde gewesen. Aber bereits Paulushätte sich als – im neuapostolischen Sinn– schlechter Apostel erwiesen, weil ernicht in kontinuierlichem Kontakt zu sei-nem Stammapostel Petrus stand und ihm

in Antiochien sogar öffentlich widerspro-chen hat (vgl. Gal 2,11f). Wenn es heutein „Unsere Familie“ heißt: „Der Vater,der Herr Jesus (hat) uns durch denStammapostel an die Hand genom-men“76, so begegnet uns hier letztlichunbiblisches Denken. Jesus hat seinen Aposteln Anweisungund Vollmacht gegeben, Kranke undAussätzige zu heilen, böse Geister aus-zutreiben und Tote aufzuerwecken (vgl.Mt 10,8). Kein Geringerer als Kurt Huttenhat schon vor Jahren darauf hingewiesen,daß weder der Stammapostel noch einerder anderen neuapostolischen Apostelüber diese Vollmachten verfügt.77

Die Auseinandersetzung mit der NAKbewegt sich im Kern um die Frage nachdem Amtsverständnis. Als evangelischeChristen reden wir von der Rechtferti-gung des Sünders allein aus Glauben.Dieser Glaube bedarf keiner heilsvermit-telnden Institution, keiner – wie auch im-mer gearteten – Hierarchie. Gottes Worterschließt sich dem Gläubigen unmittel-bar aus der Heiligen Schrift und ohne einbesonderes „Amtsvermögen“.78 Im Ge-spräch mit der NAK haben wir aus evan-gelischer Sicht die „Freiheit eines Chri-stenmenschen“ zu betonen, die keineFreiheit zur Beliebigkeit ist, aber eineFreiheit zur unmittelbaren Begegnungmit Gott. Die NAK hat zwischen den Ein-zelnen und Gott den Stammapostel ge-schoben. Damit entsteht subjektiv fürden Gläubigen das angenehme Gefühl,einem „geordneten Haus“, einer Familieanzugehören. Auf Dauer jedoch wird zufragen sein, ob die Abhängigkeit des Ein-zelnen von Gott nicht durch eine Abhän-gigkeit vom Stammapostel bzw. von derneuapostolischen Hierarchie ersetztwird.79 Wenn ein Amt in besondererWeise den Anspruch erhebt, Sprachrohrdes Heiligen Geistes zu sein, dann trittdieses Amt praktisch an die Stelle Christi.

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Es ist aber unaufgebbare christlicheLehre, daß Christus seinen Geist derganzen Kirche gegeben hat; der Geist istnicht verfügbar, sondern „weht wo erwill“ (Joh 3, 8).Aus dieser Perspektive erscheinen dieKonflikte mit Meier-Widmer und den vie-len Abtrünnigen in einem neuen Licht:Das exklusive Selbstverständnis verhin-dert, daß Korrekturen möglich sind. Zu-gespitzt wird man fragen müssen, ob dieNAK überhaupt bußfähig ist. Deshalbwerden und wurden Kritiker immer aus-gegrenzt und gravierende Fehleinschät-zungen wie die falsche Ankündigung derWiederkunft Christi z.Zt. des Stammapo-stels Bischoff nachträglich Gott „unterge-schoben“. Neuerdings werden kleineFehlentscheidungen eingeräumt, dieman dann als „menschliche Schwäche“erklärt. Um eine Zukunft zu haben, wirddie Leitung der NAK früher oder späterdie „Unfehlbarkeit“ der neuapostoli-schen Hierarchie zugunsten einer bi-blisch begründeten Ekklesiologie über-denken müssen.

11. Ausblick

Die NAK steht vor gewaltigen Herausfor-derungen. Mit Gorbatschows berühmtenWorten möchte man „Glasnost und Pe-restroika“ (etwa Transparenz und Um-bau) einfordern. Viele zermürbende Auseinandersetzun-gen könnte sich die Leitung der NAK er-sparen, wenn Entscheidungsprozessetransparenter wären und die Gemeindenmehr Mitspracherechte hätten. Auch den„kritischen Geistern“ in den Reihen derNAK könnten seelisch belastende Kon-flikte erspart bleiben. Vielleicht wird sichdie „Männerkirche“ NAK ja auch einesTages dazu durchringen, Frauen wichti-gere Ämter als nur die Mitwirkung imChor zu öffnen. Gewiß: Zu einer „Art

zweitem Vatikanischen Konzil“ für dieNAK ist es noch ein weiter Weg.80 Als re-formfähig wird sich keinesfalls nur dieLeitung der Neuapostolische Kirche er-weisen müssen, auch die Gemeinden ste-hen vor der – mitunter schmerzvollen –Aufgabe der Erneuerung. Es steht mir nicht zu, Empfehlungen aus-zusprechen, aber an eines darf man viel-leicht als Außenstehender erinnern: Diekritische Reflexion des eigenen Weges,das Eingeständnis von Irrtümern undSchuld, die ständige Rückfrage, ob dieKirche noch auf dem Boden der HeiligenSchrift steht, sind Bestandteile eines zu-tiefst christlichen Handelns. Wo sonst istdenn das Eingestehen von Fehlern mög-lich, wenn nicht unter dem Kreuz Chri-sti? Ist es nicht an der Zeit, den unseligenAlleinvertretungsanspruch zugunsten ei-ner ökumenischen Offenheit und Ge-sprächsfähigkeit zu relativieren? Undschließlich: Sollte es nicht 100 Jahre nachder Ernennung von Friedrich Krebs zumStammapostel möglich sein, neu darübernachzudenken, ob Apostel gemäß derHeiligen Schrift wirklich heilsnotwendigsind und wie ein solches Amt in Zukunftsinnvoll gefüllt werden könnte?Es gibt Hinweise darauf, daß das neuapo-stolische Apostelkollegium längst keinmonolithischer Block mehr ist, sondernauch hier unterschiedliche Standpunktemöglich werden. Ein niederländischesNAK-Jugendmagazin hat im Dezember1997 ein Interview mit Apostel Sepersveröffentlicht, in welchem dieser unge-wohnte Auffassungen vertritt. So erklärter, daß dem geistlichen Wachstum derGemeinden mehr Aufmerksamkeit ge-widmet werden muß und daß ein tieferesInteresse an theologischen Fragestellun-gen in der Laienkirche NAK dringendnotwendig sei. Schließlich erwähnt erdas problematische Verhältnis zu den ab-gespaltenen apostolische Gemeinschaf-

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ten und regt an, daß die NAK ihr Verhält-nis z.B. zur Apostolisch Genootschap81

überdenkt.82 Das ist doch etwas!Einige Monate vor diesem Interview hatder Stammapostel in einem Gottesdienstin Frankreich sich selbst die rhetorischeFrage gestellt, ob denn jedes am Altar ge-sprochene Wort „unverfälschtes und hei-liges Gotteswort“ sei. Seine bezeich-nende Antwort: Wir wollen nicht unnötigüber solche Fragen nachdenken, son-dern dankbar annehmen, was uns darge-reicht wird.83 Wenn wichtige Positionenin der NAK derzeit so disparat ausfallen,darf man gespannt sein, welchen weite-ren Weg die größte christliche Sonderge-meinschaft in den nächsten Jahren neh-men wird.

Anmerkungen1 Z.B. Holger Reile, NAK: Angst hinter frommen

Fassaden, in: Kirche Intern, 8/1997; Extrem streng,in: Der Spiegel vom 30. 10. 1995; Hans Meiser(Talkshow) am 15. 11. 1995 auf RTL.

2 Z.B. H.-D. Reimer, Das Heil im eigenen Hause.Die neuapostolische Glaubensfamilie, in: Materi-aldienst der EZW 1985, S. 252–262.

3 Man unterscheidet zwischen der großen Ausgabeund der sog. „Miniausgabe“. Die große Ausgabeerscheint in deutscher, englischer, französischer,spanischer, portugiesischer, niederländischer undindonesischer Sprache, die sog. „Miniausgabe“ inweiteren 24 Sprachen bei einer Auflagenhöhe voninsgesamt 163000 Stück (Schreiben des Medien-referenten der NAK P. Johanning an die EZW vom28. September 1998).

4 Apostel Weinmann am 7. Oktober 1973 in Han-nover, in: Unsere Familie, 33. Jg., 1973, Nr. 24,S. 652.

5 Vgl. H.-D. Reimer, „Göttliche Bedienung“ undkindlicher Glaube in der Neuapostolischen Kir-che, in: Materialdienst der EZW 1972, S. 370–374, sowie H.-D. Reimer: Das Heil im eigenenHause. Die neuapostolische Glaubensfamilie, in:Materialdienst der EZW 1985, S. 252–262. Wie-derabgedruckt in: H.-D. Reimer, W. Thiede, Arti-kel über die Neuapostolische Kirche, Material-dienst der EZW, Sonderdruck Nr. 11.

6 Der Stammapostel in einem Gottesdienst am24. Oktober 1971, in: Unsere Familie, 32. Jg.,1972, Nr. 5, S. 116.

7 Fragen und Antworten über den neuapostolischenGlauben, Frankfurt o. J. (1992), Frage 177, S. 82.

8 Bezirksapostel Saur in Dhaka, in: Unsere Familie,58. Jg., 1998, Nr. 12, S. 14.

9 Vgl. Gottesdienst in Hilversum, in: Unsere Fami-lie, 58. Jg., 1998, Nr. 3, S. 13f.

10 Bezirksapostel Engelauf in Wiesbaden am 29. 4.1984, in: Unsere Familie, 44. Jg., 1984, Nr. 16,S. 429.

11 Bezirksapostel Pos am 26. 1. 1997 in Managua,in: Unsere Familie, 57. Jg., 1997, Nr. 9, S. 12.

12 Apostel Bott am 19. Juli 1998 in Wilhelmshaven,in: Unsere Familie, 58. Jg., 1998, Nr. 20, S. 13.

13 Vgl. Unsere Familie, 58. Jg., 1998, Nr. 1, S. 4.14 Vgl. Unsere Familie, 58. Jg., 1998, Nr. 1, S. 5.15 Vgl. Unsere Familie, 58. Jg., 1998, Nr. 10, S. 4.16 Vgl. Der Stammapostel in Rußland, in: Unsere

Familie, 53. Jg., 1993, Nr. 1, S. 4 ff und UnsereFamilie, 53. Jg., 1993, Nr. 19, S. 4 ff.

17 Vgl. Unsere Familie, 51. Jg., 1991, Nr. 4, S. 17;Nr. 5, S. 15 und Nr. 13, S. 20, sowie Unsere Fa-milie, 32. Jg., 1992 mehrere Berichte.

18 Vgl. Unsere Familie, 54. Jg., 1994, Nr. 1, S. 4ff;Nr. 12, S. 4ff und Nr. 16, S. 4ff.

19 Vgl. Erste Kirche in Weißrußland geweiht, in: Un-sere Familie, 58. Jg., 1998, Nr. 2, S. 16ff. Vgl.auch: Kalender der NAK 1996, S. 95ff.

20 Das Zeugnis der Apostel an die geistlichen undweltlichen Oberhäupter der Christenheit, aufge-stellt im Jahre 1836, S. 168.

21 Vgl. H.-D. Reimer, Dokumentenfälschung?, in:Materialdienst der EZW 1990, S. 261 f. Wer sichgenauer über die Eingriffe informieren möchte,der findet den Text mit farblicher Hervorhebungaller Korrekturen unter http://www.boxxx.de/pen-tagon/dokumente.htm im Internet.

22 Vgl. hierzu die grundlegende Darstellung von Jo-hannes Albrecht Schröter, Die Katholisch-aposto-lischen Gemeinden in Deutschland und der „FallGeyer“, Marburg 1997 (2. Aufl. 1998).

23 J. A. Schröter, Die Katholisch-apostolischen Ge-meinden, S. 239 und 267.

24 H. Obst, Neuapostolische Kirche – die exklusiveEndzeitkirche?, S. 37.

25 Vgl. Neuapostolische Kirche, Internationaler Apo-stelbund Zürich (Hrsg.), Neue Apostelgeschichte,Frankfurt/M. 1985, S. 414.

26 Vgl. J. A. Schröter, Die Katholisch-apostolischenGemeinden, S. 236 ff.

27 Z.B. wurde 1902 der Bezirksälteste Julius Fischerwegen Lehrdifferenzen von Krebs ausgeschlossen.Fischer gründete das „Apostelamt Juda“, welchesspäter ebenfalls Spaltungen erlebte.

28 Vgl. H.-D. Reimer, Die „Apostolische Gemein-schaft e.V.“ und die „Vereinigung apostolischerGemeinden“, in: Materialdienst der EZW 1981,S. 263–268. Vgl. auch Materialdienst der EZW1994, S. 368f.

29 Vgl. z. B. Eggert Blum und Holger Reile, Gotteskinderinmitten der grauen Menschenmasse?, eine Sendungdes Schweizer Radio DRS 2 am 27. 11. 1997.

30 Vgl. H. Obst, Neuapostolische Kirche – die exklu-sive Endzeitkirche?, S. 51.

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31 Michael König, Jürgen Marschall, Die Neuaposto-lische Kirche in der N.S.-Zeit und ihre Auswirkun-gen bis zu Gegenwart, Feldafing 1994.

32 Unsere Familie, 8. Jg., 1941, Nr. 13, S. 230.33 Unsere Familie, 8. Jg., 1941, Nr. 16, S. 278.34 Geschichte der Neuapostolischen Kirche, Frank-

furt 1987, S. 125f.35 Vgl. Bezirksapostel Pos Ende Januar 1997 in Nica-

ragua, in: Unsere Familie, 57. Jg., 1997, Nr. 9, S.12.

36 Zu DDR-Zeiten war ein kleiner Teil Neuapostoli-scher Mitglied der SED, die positive Einstellungder NAK zur DDR wurde in vertraulichem Mate-rial des Staates immer wieder betont. Konfliktreichwar lediglich die Endzeitbotschaft des Stammapo-stels Bischoff. Die SED befürchtete „eine Ablen-kung der Bürger von den großen Aufgaben desFünfjahresplanes…“. Vgl. dazu genauer: H. Kirch-ner, Die Freikirchen und Religionsgemeinschaftenin der DDR in ihrer Zusammenarbeit in der AGCKund in ihrem Verhältnis zum SED-Staat. Expertiseim Auftrag der Enquete-Kommission des Deut-schen Bundestags „Aufarbeitung von Geschichteund Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“,hier zitiert nach Manuskript im Archiv derEZW.

37 Vgl. Klaus Emmerling, Zaire, Missionsarbeit amÄquator, Frankfurt o. J. , bes. S. 19, 95, 103, 110f.

38 Stammapostel Bischoff bei einem Gottesdienst inGießen, in: Unsere Familie, 12. Jg., 1952, Nr. 5,S. 101f.

39 Schreiben des Stammapostels Bischoff vom 18. 1.1955.

40 Schreiben vom 7. Juli 1960. 41 Aus einem Rundschreiben der Neuapostolischen

Kirche International vom 2. Mai 1995. 42 Stammapostel R. Fehr bei einem Gottesdienst in

Aarau, in: Unsere Familie, 51. Jg., 1991, Nr. 12,S. 7.

43 Anfeindungen beirren uns nicht!, in: Unsere Fa-milie, 55. Jg., 1995, Nr. 8, S. 17.

44 Richtlinien für Amtsträger (alte Auflage von 1963)zit. nach: S. Dannwolf, Die NAK, Manuskript vom3. Oktober 1995, S. 11.

45 S. Dannwolf, Gottes verlorene Kinder, Gütersloh1996, S. 9.

46 Zu den wichtigsten gehören „Kontakt und Infor-mationsstelle für Selbsthilfegruppen“ (KISS) Ma-rienstraße 9 in 70178 Stuttgart, Telefon 0711 /6 40 6117, Fax. 0711 / 6074561 und „Artikel 4 –Initiative für Glaubensfreiheit“ e.V., PF 101202 in44712 Bochum sowie „Selbsthilfegruppe für Aus-steiger aus religiösen Gruppierungen Heidelberg/Heppenheim“, Alte Eppelheimer Straße 38 in69115 Heidelberg, Telefon 06221/18490 oder0 6252 / 98 28 45.

47 Material der „Kontakt- und Informationsstelle fürSelbsthilfegruppen“ (KISS) in 70178 Stuttgart. Zit.nach: Internet.

48 Die wichtigsten Internetseiten von Kritikern sind:http://home.allgaeu.org/mserflin/index.htm

http://www.datacomm.ch/wstoll/hauptseite.htmlhttp://www.uni-karlsruhe.de/~ughl/AFhttp://www.shop.de/priv/hp/6003/f

49 Meier-Widmer in einem Schreiben vom 17. Au-gust 1998 .

50 Sämtliche Dokumente sind auch zu finden unter:http://www.geocities.com/Athens/Olympus/8059/index.html

51 Meier-Widmer in einem Schreiben vom 21. März1997.

52 Ebd.53 Vgl. Neuapostolische Kirche International (Hrsg.),

Schülerheft für den Konfirmandenunterricht in derNAK: Auch ich will…, Frankfurt 1997, S. 48.

54 Hausregeln für die Mitglieder der NAK, S. 16.55 Zitiert nach den Thesen Meier-Widmers vom

3. 11. 1997.56 Z. B. Andreas Maurer in der Sendung Kontext

vom 27. 11. 1997 im Schweizer Radio DRS 2.57 Ebd.58 Vgl. Rauhe Töne, in: Unsere Familie, 58. Jg.,

1998, Nr. 20, S. 20. 59 Vgl. Sendung Kontext vom 27. 11. 1997 im

Schweizer Radio DRS 2.60 Vgl. Martin Fenner, Politszene Schweiz. Politik

und Wirtschaft heute, Basel 1997, S. 63: Nur1 Prozent der Bevölkerung versteuert ein Einkom-men über 200000 Schweizer Franken jährlich.

61 Vgl. Meier-Widmer in einem Schreiben vom12. Juni 1998 an Regierungsrat Notter in Zürich.

62 Schreiben von Bezirksapostel Peter Dessimoz analle Gemeindevorsteher im ApostelbezirkSchweiz vom 12.8.1988.

63 Die Informationen über die Verwendung des Son-deropfers werden seit 1990 jeweils in der Aus-gabe Nr. 15 vom 5. August in „Unsere Familie“publiziert.

64 Meier-Widmer, Studie über die mißbräuchlicheVerwendung von Geldern aus der Sondersamm-lung „Dankopfer“ in der NAK, vom 16. April 1998.

65 Vgl. Vorwürfe sind ungerechtfertigt!, in: UnsereFamilie, 58. Jg., 1998, Nr. 21, S. 23.

66 Vgl. Ich bin Seelsorger und kein Manager, in: Un-sere Familie, 58. Jg., 1998, Nr. 20, S. 34f.

67 Wächterstimme vom 15. 5. 1975. 68 Neuapostolisches Gesangbuch, Frankfurt o. J.,

S. 2.69 Fragen und Antworten über den neuapostolischen

Glauben, Frankfurt o. J. (1992), Frage 169 und 171.70 Bezirksapostel Kraus in Caracas (Venezuela), in:

Unsere Familie, 51. Jg., 1991, Nr. 23, S. 13.71 Fragen und Antworten, Nr. 126 und 220.72 A.a.O., Nr.19173 Vgl. H. Obst, Neuapostolische Kirche – die exklu-

sive Endzeitkirche?, S. 194f.74 Brief Rosochackys vom 17. Januar 1863 an F. W.

Schwarz in: J. A. Schröter, Die Katholisch-aposto-lischen Gemeinden, S.299–301.

75 Vgl. H. Obst, Neuapostolische Kirche – die exklu-sive Endzeitkirche?, S. 189ff sowie Hutten, Seher,Grübler, Enthusiasten, Stuttgart 1982, S. 490ff.

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76 Apostel Bott bei einem Gottesdienst in Wilhelms-haven, in: Unsere Familie, 58. Jg., 1998, Nr. 20,S. 13

77 Vgl. K. Hutten, Seher, Grübler, Enthusiasten, S.492.

78 Vgl. Fragen und Antworten, Frage 5.79 Schon Dreijährige lernen im Kindergarten das

Lied „Der Stammapostel ist unser Hirt“, derStammapostel, also nicht Jesus Christus. In derSonntagsschule wird beim Singen des Liedes „Dusollst es sein, Du nur allein“ auf das Bild desStammapostels gedeutet.

80 So H. Obst in: Die NAK und ihre Kritiker, Diskus-sion in Südwest 2 – Kultur am 9. 1. 1997.

81 Entstanden 1946 in Holland wegen Auseinander-setzungen in der Frage der neuapostolischenAbendmahlspraxis. Die Gemeinschaft hat heuteetwa 26000 Mitglieder.

82 Zit. nach undatiertem Manuskript aus dem Inter-net.

83 Der Stammapostel am 21. April 1996, in: UnsereFamilie, 56. Jg., 1996, Nr. 15, S. 8f.

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1. Quellen

Die Literatur der NAK erscheint aus-schließlich im Verlag Friedrich Bischoffin Frankfurt /M. Sie ist nicht über denBuchhandel erhältlich, sondern kann nurüber den Verlagsbeauftragten der NAKvor Ort bezogen werden. Die Weltan-schauungsbeauftragten der Kirchen,Selbsthilfegruppen und wissenschaftli-che Bibliotheken verfügen jedoch oft-mals über die Publikationen. Der VerlagFriedrich Bischoff (Tel.: 069/2696-240;Fax -146) zeigt sich bei Literaturanfragenin letzter Zeit entgegenkommender. Die offizielle Homepage der NAK ist un-ter http://www.nak.org/ zu finden.

2. Sekundärliteratur

Da in dem vorliegenden EZW-Text einigeFragen des neuapostolischen Glaubens-lebens (z.B. Sakramentsverständnis, Got-tesdienste für die Verstorbenen etc.) nichterörtert werden, sei weiterführend aus-drücklich auf die Literatur verwiesen.Die derzeit wichtigste Monographie zumThema ist:� Helmut Obst, Neuapostolische Kirche

– die exklusive Endzeitkirche?, ReiheApologetische Themen Bd. 8, Neukir-chen-Vluyn 1996.

Hilfreiche Darstellungen findet manauch in den wichtigsten Handbüchern:� Handbuch Religiöse Gemeinschaften.

Freikirchen, Sondergemeinschaften, Sek-ten, Weltanschauungen, missionierendeReligionen des Ostens, Neureligionen,Psycho-Organisationen, hrsg. von HorstReller, Gütersloh 1993, S. 245–258.

� Kurt Hutten, Seher – Grübler – Enthu-siasten. Das Buch der traditionellenSekten und religiösen Sonderbewe-gungen, Stuttgart 1982, S.470–512.

� Rüdiger Hauth (Hrsg.), …neben denKirchen, 10. Aufl., Neukirchen Vluyn1995, S.252–264.

� Helmut Obst, Apostel und Prophetender Neuzeit. Gründer christlicher Reli-gionsgemeinschaften des 19./20. Jahr-hunderts, Berlin 1990, S.46–111.

Weitere Darstellungen in:� Friedrich-Wilhelm Haack, Neuaposto-

lische Kirche, 7. von Thomas Gandowbearbeitete und aktualisierte Aufl.,München 1996.

� Rüdiger Hauth, Kleiner Sektenkate-chismus, Wuppertal und Zürich 1992,S.59–73.

Kritische Literatur von ehemaligen Mit-gliedern oder Amtsträgern der NAK:� Siegfried Dannwolf, Gottes verlorene

Kinder. Ein Ex-Priester der Neuaposto-lischen Kirche klagt an, Gütersloh1996.

� Olaf Stoffel, Angeklagt: Die Neuapo-stolische Kirche. Erfahrungen einesAussteigers, Gütersloh 1999.

� Siegfried Dannwolf / Joachim Gerbert /Bernd Stöhr, Raus aus dem Bann. ÜberAnspruch und Wirklichkeit der NAK,ihres Glaubenssystems und dessenWirkungen, Stuttgart 1995.

� Joachim Gerbert, Nur Wir! Eine kriti-sche Auseinandersetzung mit derLehre der Neuapostolischen Kirche,Worms 1994.

� Michael König, Die NeuapostolischeKirche in der N.S.-Zeit und die Auswir-

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II. Literatur zur Neuapostolischen Kirche(Auswahl)

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kungen bis zur Gegenwart, 2. Aufl.,Feldafing 1994.

� Walter Krappatsch / Heinz-Peter Tja-den, An ihren Früchten. Betr.: ZeugenJehovas und NAK, 3. Aufl., Worms1992.

� Karl Eugen Siegel, Die Botschaft desJ. G. Bischoff. Eine kritische Auseinan-dersetzung mit einer der Endzeitbot-schaften, Stuttgart 1994.

� Karl Eugen Siegel, Der Repräsentantdes Herrn oder die Lebensbeschrei-bungen der neuapostolischen Stamm-apostel, Stuttgart 1995.

� Heinz-Peter Tjaden, „Kauft nicht beiEx-Neuapostolischen“, Worms 1995.

� Hans Winter / Heinz-Peter Tjaden,Menschen rinnen wie Sand durch dieFinger. Psychologie der NAK, Hanno-ver 1993.

Ein ausführliches Literaturverzeichnisfindet sich in Helmut Obst, Neuaposto-lische Kirche – die exklusive Endzeit-kirche? sowie im Internet unterhttp://home.allgaeu.org/mserflin/lit.htmBei Bezugsschwierigkeiten der Literaturvon ehemaligen Mitgliedern wenden Siesich bitte an die EZW.

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Für Außenstehende ist es schwer, sichein Bild von der Theologie der NAK zumachen. Wir dokumentieren deshalbAuszüge aus einigen zentralen theologi-schen Texten.

Das neuapostolische Glaubens-bekenntnis

(in der seit 1992 gültigen Fassung)

1. Glaubensartikel:Ich glaube an Gott den Vater, den all-mächtigen Schöpfer Himmels und derErden.

2. Glaubensartikel:Ich glaube an Jesum Christum, Gotteseingeborenen Sohn, unsern Herrn, derempfangen ist von dem Heiligen Geist,geboren von der Jungfrau Maria, gelit-ten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt,gestorben, begraben, eingegangen indas Reich der Entschlafenen, auferstan-den von den Toten, aufgefahren genHimmel, sitzend zur rechten HandGottes, des allmächtigen Vaters, vondannen er wiederkommen wird.

3. Glaubensartikel:Ich glaube an den Heiligen Geist, eineheilige Apostolische Kirche, die Ge-meinde der Heiligen, Vergebung derSünden, Auferstehung der Toten undein ewiges Leben.

4. Glaubensartikel:Ich glaube, daß der Herr Jesus seineKirche durch lebende Apostel regiertbis zu seinem Wiederkommen, daß erseine Apostel gesandt hat und nochsendet mit dem Auftrag, zu lehren, inseinem Namen Sünden zu vergeben

und mit Wasser und dem HeiligenGeist zu taufen.

5. Glaubensartikel:Ich glaube, daß sämtliche Ämter inder Kirche Christi nur von Aposteln er-wählt und in ihr Amt eingesetzt wer-den und daß aus dem ApostelamtChristi sämtliche Gaben und Kräftehervorgehen müssen, auf daß, mit ih-nen ausgerüstet, die Gemeinde einlesbarer Brief Christi werde.

6. Glaubensartikel:Ich glaube, daß die Heilige Taufe mitWasser ein Bestandteil der Wiederge-burt ist und der Täufling dadurch dieAnwartschaft zur Empfangnahme desHeiligen Geistes erlangt. Sie ist fernerder Bund eines guten Gewissens mitGott.

7. Glaubensartikel:Ich glaube, daß das Heilige Abend-mahl zum Gedächtnis an das einmalgebrachte, vollgültige Opfer, an dasbittere Leiden und Sterben Christi,vom Herrn selbst eingesetzt ist. Derwürdige Genuß des Heiligen Abend-mahls verbürgt uns die Lebensge-meinschaft mit Christo Jesu, unseremHerrn. Es wird mit ungesäuertem Brotund Wein gefeiert; beides muß von ei-nem priesterlichen Amt der Kirche ge-segnet und gespendet werden.

8. Glaubensartikel:Ich glaube, daß die mit Wasser Ge-tauften durch einen Apostel zur Erlan-gung der Gotteskindschaft den Heili-gen Geist empfangen müssen, wo-durch sie als Glieder dem Leibe Chri-sti eingefügt werden.

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III. Dokumente zur Theologie der NAK

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9. Glaubensartikel:Ich glaube, daß der Herr Jesus so ge-wiß wiederkommen wird, wie er genHimmel gefahren ist, und die Toten inChristo sowie die lebenden Brautsee-len, die auf sein Kommen hofften undzubereitet wurden, verwandelt und zusich nimmt, daß er nach der Hochzeitim Himmel mit diesen auf die Erdezurückkommt, sein Friedensreich auf-richtet und sie mit ihm als Könige undPriester regieren. Nach Abschluß desFriedensreiches wird er das Endge-richt halten, wo alle Seelen, die nichtan der Ersten Auferstehung teilhatten,ihr Teil empfangen, wie sie gehandelthaben, es sei gut oder böse.

10. Glaubensartikel:Ich glaube, daß ich der weltlichenObrigkeit zum Gehorsam verpflichtetbin, soweit nicht göttliche Gesetzedem entgegenstehen.

Das zentrale theologische Lehrbuch derNAK trägt den Titel „Fragen und Antwor-ten über den neuapostolischen Glau-ben“. Wir zitieren – in Auszügen – ausdem sechsten Teil. Er trägt die ÜberschriftDie Neuapostolische Kirche als KircheJesu Christi in der Vollendungszeit (derText folgt der Auflage von 1992).

1. Die Neuapostolische Kirche als gött-liche Einrichtung

167. Wer ist die NeuapostolischeKirche?Die Neuapostolische Kirche ist dieKirche Jesu Christi, gleich den aposto-lischen Gemeinden zur Zeit der erstenApostel. Als das wiederaufgerichteteErlösungswerk des Herrn wird sie vomHeiligen Geist regiert.In dieser Kirche, die eine Gemein-

schaft der Apostel, der Ämter undGlieder mit dem Herrn Jesus Christusist, sind Liebe und Glaubensgehorsamdie tragenden Kräfte allen Handelnsund Strebens. Der Heilige Geist selbstist die Lebenskraft der in Christo Wie-dergeborenen.Das durch den Heiligen Geist geoffen-barte Wort Gottes bewirkt den Glau-ben an den ewigen Gott, seinen SohnJesus Christus, den Heiligen Geist unddie Kirche des Herrn mit ihren Sakra-menten und Amtsgaben.Ziel der neuapostolischen Glaubens-lehre ist die Zubereitung gläubigerSeelen auf die Wiederkunft Jesu Chri-sti.

168. Wie kam es zur Entstehung derNeuapostolischen Kirche?Von 1828 bis 1832 empfingen gläu-bige Menschen in Deutschland undGroßbritannien göttliche Offenbarun-gen, daß der Herr die apostolischeOrdnung geben werde, wie sie amAnfang war (Wiedererweckung derGeistesgaben und Wiederherstellungdes Apostelamtes). 1832 wurde durchWeissagung aus dem Heiligen Geistder erste der in England wirkenden 12Apostel, John Bate Cardale, gerufen.Nach dem Tod einiger Apostel kam eszur Rufung weiterer Apostel, die nurvon einem kleinen Teil der Gemein-den angenommen wurden. Die nochlebenden Apostel in England erkann-ten diese nicht an. Der Segen Gottesruhte aber sichtbar auf den Gemein-den, die nach seinem Willen unter derFührung der neu gerufenen Apostelweiterschritten. Die Trennung (1863)war die Geburtsstunde der Neuapo-stolischen Kirche.Die von den englischen Aposteln ge-führte Kirche nannte sich seit 1849„Katholisch-Apostolische Kirche“.

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169. Wie war die weitere Entwick-lung der Neuapostolischen Kirche?Die Neuapostolische Kirche breitetesich immer mehr aus, und an vielenOrten Europas entstanden neue Ge-meinden. Das Werk faßte auch in denübrigen Erdteilen Fuß und befindetsich gegenwärtig auf der ganzen Weltin der Ausbreitung.

171. Welche Aufgabe hat die Neu-apostolische Kirche?In der Neuapostolischen Kirche wirddas von Jesu begonnene Erlösungs-werk durch die von ihm gesandtenApostel vollendet. Damit erfüllt sichder von Christo an seine Apostel ge-richtete Auftrag: „Darum gehet hinund lehret alle Völker und taufet sieim Namen des Vaters und des Sohnesund des Heiligen Geistes, und lehretsie halten alles, was ich euch befoh-len habe. Und siehe, ich bin bei euchalle Tage bis an der Welt Ende“ (Mat-thäus 28,19.20).Durch das geistgewirkte Wort werdendie Gläubigen für das ewige Lebenzubereitet. In der engen Verbindungzu den Amtsträgern und durch diegläubige Hinnahme der Sakramenteist einem jeden Gnadesuchenden dieErreichung des von Jesu verheißenenZieles ermöglicht.

172. Was verstehen wir unter der Er-lösung des Menschen?Unter der Erlösung des Menschen ver-stehen wir die Befreiung seiner Seelevon Schuld und Sünde durch das Ver-dienst Christi (Römer 3,24) und dieBereitung der neuen Kreatur durch dieWiedergeburt aus Wasser und Geist(vgl. 2. Korinther 5,17). Die Vorausset-zung, die der Mensch erbringen muß,ist sein Glaube an den Erlöser (Römer3,28). Hinzu kommen die Erkenntnis,

daß er aus eigener Anstrengung dieGerechtigkeit, die vor Gott gilt, nichterlangen kann, sowie das herzlicheVerlangen, mit Gott versöhnt zu wer-den.

2. Die Ämter der NeuapostolischenKirche

173. Was ist ein Amt?Allgemein ist ein Amt ein Dienst, derauftragsgemäß getan wird. Ein geistli-ches Amt ist ein Dienst durch göttli-che Beauftragung und wird in derKraft des Heiligen Geistes ausgeübt.Jesus Christus hat nur ein Amt gestif-tet, das Apostelamt. Aus demselbensind alle weiteren Ämter seiner Kirchehervorgegangen. Sie bildeten sich jenach Bedürfnis und gingen auf dieverschiedenen Geistesgaben zurück.Erst in späterer Zeit entwickelte sicheine Ordnung von festen kirchlichenÄmtern.

174. Welche Ämter gibt es in derNeuapostolischen Kirche?Stammapostel, Bezirksapostel, Apo-stel, Bischof, Bezirksältester, Bezirks-evangelist, Gemeindeältester, Hirte,Gemeindeevangelist, Priester, Dia-kon, Unterdiakon.

176. Wie werden Männer in ein be-stimmtes Amt eingesetzt?Ist jemand gemäß vorliegender göttli-cher Zeugnisse vom Apostel unterHinzuziehung verantwortlicher Amts-brüder zu einem Amt erwählt, so wirder vom Apostel unter Auflegung derHände und unter Gebet in das ent-sprechende Amt eingesetzt.

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177. Welche Stellung nimmt derStammapostel innerhalb der Neuapo-stolischen Kirche ein?Der Stammapostel ist als das sichtbareHaupt der Kirche Jesu Christi in allenihren Angelegenheiten oberste Instanz.Er wird von den Mitgliedern der Neu-apostolischen Kirche als Repräsentantdes Herrn auf Erden angesehen undweiß sich selbst als Gehilfe des Glau-bens seiner Brüder und Geschwister.Es ist der Wille Jesu, daß seine Kircheein sichtbares Haupt habe, zu dem dieApostel und alle Gläubigen auf-schauen (vgl. Johannes 21,15–17).Dadurch wird das Werk des Herrnzielbewußt und einheitlich geführt.Aus der Schar der Apostel wird jenerApostel in das Stammapostelamt geru-fen, der durch besondere Zeugnissevon Gott dem amtierenden Stamm-apostel bzw. dem Kreis der Apostel of-fenbart wurde.

178. Welche Aufgaben fallen demStammapostel zu?Der Stammapostel hat vor allem dieAufgabe, die von Jesu erbetene, ge-wünschte und gebotene Einheit (Jo-hannes 15,17; 17,20.21; Lukas 22,32) innerhalb der Apostelschar zuschaffen und zu erhalten. Im weiterenhat er die Lehre Christi zu verkündi-gen, neue Offenbarungen des Heili-gen Geistes zu fördern (Johannes 16,12.13), die Reinheit des Glaubens zuüberwachen, die Aussonderung derzu Aposteln erwählten Amtsträgervorzunehmen sowie für die Ausbrei-tung der Jesu- und Apostellehre in ein-heitlicher Weise Sorge zu tragen.

179. Warum ist das Stammapostel-amt eine Einrichtung gemäß göttli-cher Ordnung?In der Reichsgottesgeschichte ist der

Grundsatz der göttlichen Führung, derauch im Stammapostelamt Verwirkli-chung findet, klar zu erkennen: Immererwählte Gott einen Mann, dem er be-sonderen Auftrag zur Führung seinesVolkes gab, und bekannte sich zuihm.Die Reichsgottesgeschichte lehrt zu-dem, daß die verderbende und zer-störende Macht in der Vielheit offen-bar wird, aber niemals in der Einheit.Gott hat seine Macht stets in der Ein-heit entfaltet.Dieses findet man im Alten Testamentdarin bestätigt, wie Mose, Josua, Gi-deon, David und Salomo ihren göttli-chen Auftrag erfüllten.Im Neuen Testament ist die Führungdes Erlösungswerkes Jesu Christi un-trennbar mit Amt und Auftrag desApostels Petrus verbunden.Nach der Wiederaufrichtung des Apo-stelamtes zu Beginn der Vollendungs-zeit war es das Bemühen der Apostel,dem Grundsatz der göttlichen Füh-rung Rechnung zu tragen.

180. Welche Aufgaben haben dieApostel?Die nächsten Mitarbeiter des Stamm-apostels sind die Bezirksapostel mitden ihnen zur Hilfe gegebenen Apo-steln.Wie zur Zeit der ersten Apostel habendie Träger des Apostelamtes in derVollendungszeit die Aufgaben,– das Evangelium von Jesu Christo

unverfälscht zu predigen– als Licht der Welt den hellen Schein

göttlicher Wahrheit zu verbreiten– den Gottesdienst in der gottgewoll-

ten Ordnung zu erhalten– mit Wasser zu taufen– Sünden zu vergeben– das Heilige Abendmahl in Brot und

Wein zu reichen

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– mit dem Heiligen Geist zu versie-geln

– die Kirche zu regieren– die erforderlichen Ämter zu ordi-

nieren– die Wiederkunft Christi zu verkün-

digen– die Auserwählten zu sammeln und

sie dem Herrn als Braut zuzuführen.

3. Die Gaben des Heiligen Geistes

188. Was verstehen wir unter Gabendes Heiligen Geistes?Unter Gaben des Heiligen Geistesverstehen wir von ihm in der Ge-meinde bewirkte besondere Fähigkei-ten, Eigenschaften und Offenbarun-gen.Apostel Paulus gibt in seinem 1. Ko-rintherbrief (Kap. 12–14) Aufschlußüber die Geistesgaben: Sie wirken inbesonderem Dienst in der Gemeindeund unterstehen dem Apostelwort(1. Korinther 14,19.37). Dadurchbleibt gesichert, daß in der Verschie-denheit der Gaben doch die Einheitdes Geistes (1. Korinther 12,4) be-steht. Alle Gaben müssen in der göttli-chen Liebe gebraucht werden (1. Ko-rinther 13). In der Verteilung der Ga-ben wirkt der Geist, wie er es will(1. Korinther 12,11).

189. Welche Gaben des Heiligen Gei-stes finden in der Heiligen Schrift be-sondere Erwähnung?Als Gaben des Heiligen Geistes nenntder Apostel Paulus:Die Gabe der Weisheit, der Erkennt-nis, des Glaubens, der Heilung, derWundertaten, der Weissagung, derUnterscheidung der Geister, des Zun-genredens und der Auslegung derZungen (1. Korinther 12.8–10).

190. Was haben die Menschen, andenen diese Gaben offenbar werden,besonders zu beachten?Alles Empfangene ist Gottes Gabe.Gott bleibt der Herr der Gabe und for-dert Verantwortung. Alle so Begabtenhaben sich vorbildlich in der Ordnungder Gemeinde Gottes zu bewegen,wenn sie sich nicht der Gefahr ausset-zen wollen, daß ihre Gabe verlästertoder geringgeachtet wird. Alle Gabenbedürfen zu ihrer Vervollkommnungder im Glaubensgehorsam hingenom-menen Aufsicht und Pflege.

191. Welche Bedeutung haben dieGeistesgaben in der Neuapostoli-schen Kirche?Wie in den Gemeinden der urchristli-chen Zeit wirken die Geistesgabenauch in der Neuapostolischen Kircheund sind dem Apostelamt untergeord-net.

4. Die Sakramente

192. Was sind Sakramente?Sakramente sind heilige Handlungen,durch die Gott mit dem Menschen ei-nen Bund schließt, der Gott mit sei-nem von ihm erwählten Volk verbin-det. Sie werden von den GesandtenGottes vollzogen und bilden die un-entbehrlichen Grundlagen, KinderGottes zu sein.

193. Wie viele Sakramente werden inder Neuapostolischen Kirche gespen-det?In der Neuapostolischen Kirche wer-den entsprechend der Jesu- und Apo-stellehre drei Sakramente gespendet:a) die Heilige Wassertaufeb) das Heilige Abendmahl und c) die Heilige Versiegelung

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(Matthäus 3,13–17; 28,19.20; Lukas22,19.20; Johannes 6,27; Apostelge-schichte 8,14–17; 1. Korinther 11,23–26).

194. Welche Tatsache bezeugt, daßGott diese drei Sakramente verordnethat?Der eindeutige Beweis, daß Gottdiese drei Sakramente verordnet hat,liegt darin, daß sich Gott in seinerWesensentfaltung als der dreifachWirkende offenbart: „Dieser ist‘s, derda kommt mit Wasser und Blut, JesusChristus; nicht mit Wasser allein, son-dern mit Wasser und Blut. Und derGeist ist‘s, der da zeugt; denn derGeist ist die Wahrheit. Denn drei sind,die da zeugen: der Geist und das Was-ser und das Blut; und die drei sind bei-sammen“ (1. Johannes 5,6–8).

a) Die Heilige Wassertaufe

195. Was ist die Heilige Wassertaufe?Die Heilige Taufe mit Wasser ist einBestandteil der Wiedergeburt und dienotwendige Voraussetzung zur Hin-nahme des Heiligen Geistes. Sie istferner der Bund eines guten Gewis-sens mit Gott (Johannes 3,5;1. Petrus3,21). Mit ihr verbunden ist die Ab-waschung der Erbsünde, die durchden Sündenfall Adams und Evas be-wirkte Sündhaftigkeit des Menschen-geschlechts.

196. Welche Stellung nimmt Gott indiesem Bund ein?In der Taufhandlung öffnet Gott demMenschen den Weg zur völligen Erlö-sung aus dem Verdienst Jesu Christi.

197. Welche Stellung nimmt derMensch in diesem Bund ein?

Der Mensch bekennt sich zu der gött-lichen Erwählung und gelobt vor Gott,daß er dem Teufel und allem ungöttli-chen Wesen entsagen und den Ge-sandten Gottes auf dem Weg zur Erlö-sung nachfolgen will.

198. Wer kann die Heilige Taufe emp-fangen?Nach dem Auftrag Jesu an seine Apo-stel sollen alle Völker getauft werden(Matthäus 28,19). Danach gibt eskeine von Jesu angeordneten Ein-schränkungen. Die Voraussetzungendes einzelnen sind sein Glaube undseine Bußfertigkeit.

199. Warum werden auch Kinder ge-tauft?Jesus sagte selbst: „Lasset die Kindleinzu mir kommen und wehret ihnennicht; denn solcher ist das Reich Got-tes“ (Markus 10,14). Apostel Paulustaufte in Philippi den Kerkermeisterund alle die Seinen (Apostelge-schichte 16,31–33). So gibt es keinenGrund, die Kinder von den Segnun-gen des Heilands auszuschließen,denn auch sie bedürfen der Gnadedes Herrn.

200. Wer übernimmt für die Kinderbis zu ihrer Konfirmation die Pflich-ten aus dem Taufgelöbnis?Bis zur Konfirmation übernehmen an-stelle der Kinder die Eltern oder derenStellvertreter die sich aus dem Taufge-löbnis ergebenden Pflichten und ver-sprechen, die Seele des Kindes nachbesten Kräften dem Herrn zu bewah-ren.

201. Wer ist berechtigt, die HeiligeTaufe zu spenden?Die Apostel Jesu Christi und die vonihnen eingesetzten priesterlichen Äm-

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ter sind berechtigt, die Heilige Taufezu spenden. In Notfällen kann jedergläubige, versiegelte neuapostolischeChrist die Taufe spenden.

202. Welchen Wert hat die in ande-ren christlichen Gemeinschaftenvollzogene Taufe?Die Wassertaufe, die in einer anderenchristlichen Gemeinschaft oder Kir-che im dreieinigen Namen Gottesempfangen wurde, wird von derNeuapostolischen Kirche als ein fürdiese Gemeinschaft gültiges Sakra-ment anerkannt. Zur Erlangung derWiedergeburt aus Wasser und Geistist die Bestätigung dieser Taufe durchden Apostel oder einem von ihm be-auftragten Amtsträger Voraussetzung.

b) Das Heilige Abendmahl

203. Was ist das Heilige Abendmahl?Das Heilige Abendmahl ist jenes Sa-krament, das von Jesu selbst zum Ge-dächtnis an sein bitteres Leiden undSterben und an das von ihm gebrachtevollgültige Opfer gestiftet worden ist(Matthäus 26,26–28; Lukas 22,19.20).Sein würdiger Genuß erhält der Seeleewiges Leben und gibt ihr die Sicher-heit, in Jesu zu bleiben, wie auch er inihr bleiben will, und innigste Lebens-gemeinschaft mit ihm zu behalten (Jo-hannes 6,51– 58).Die so empfangenen Kräfte verhelfendazu, alles zu überwinden, was demewigen Heil der Seele hinderlich seinkönnte (vgl. Offenbarung 12,11).Neuapostolische Christen erleben dasHeilige Abendmahl nicht nur als Ge-dächtnisfeier („das tut zu meinem Ge-dächtnis“, Lukas 22,19). Vielmehr istder Sohn Gottes, an den die Gläubi-

gen gedenken, mitten unter ihnen.Das Heilsgeschehen der Vergangen-heit wird im Heiligen Abendmahl ver-gegenwärtigt, wirkt in die Zukunft undgeht dahin, daß Christus das vollen-den wird, was er begonnen hat.Das Heilige Abendmahl ist zudemeine Feier der Freude, ein Lobpreisund eine Danksagung. In Anlehnungan Matthäus 26,27 und 1. Korinther11,24 entwickelte sich in der urchrist-lichen Zeit der Name „Eucharistie“(Dank).Wie Jesus Brot und Wein nahm und„dankte“, so tritt die Gemeinde mitBrot und Wein vor Gott, um ihn zu lo-ben und ihm zu danken für das Ver-dienst des Sohnes.

204. Wann hat Jesus das HeiligeAbendmahl gestiftet?Vor seinem Leiden und Sterben ver-sammelte Jesus seine Apostel zumletzten gemeinsamen Mahl und fei-erte mit ihnen erstmals das HeiligeAbendmahl, wie es in Lukas 22,14–20 beschrieben ist.

205. Wie gestaltet sich die Feier desHeiligen Abendmahls im Rahmen ei-nes Gottesdienstes?Nach der Predigt erhebt sich die Ge-meinde und betet das „Unser Vater“.Dann folgt die Verkündigung der Sün-denvergebung (Freisprache) durchden Apostel oder das in seinem Auf-trag handelnde priesterliche Amt.Dieser spricht dann das Opfergebetund nimmt die Aussonderung desHeiligen Abendmahls vor. Danach er-halten zuerst die priesterlichen Ämterund anschließend die Gemeinde dasHeilige Abendmahl.

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206. In welchem Zusammenhangsteht die Predigt mit dem HeiligenAbendmahl?Das aus dem Heiligen Geist kom-mende und verkündigte Wort Gotteswirkt auf den Gläubigen nicht nur trö-stend, erbauend und erkenntnisför-dernd, sondern auch erleuchtend undreinigend.Dadurch werden vorhandene Sündenund allerlei Mängel im Geisteslebenbeleuchtet. Das erweckt in den Auf-richtigen und mit sich selbst Ehrlichendie Erkenntnis, was sie in Gedanken,Worten, Werken oder Unterlassungengefehlt haben. Aus der dadurch be-wirkten Reue entsteht die Sehnsucht,Gnade und Vergebung zu erlangenund selbst allen zu vergeben.Öffnet man dem Wort Gottes nichtdas Herz, ist man nicht bereit, die Ge-sinnung zu ändern und zu vergeben,oder ist man ein vergeßlicher Hörer(vgl. Jakobus 1,25), dann wird mandas Heilige Abendmahl unwürdig ge-nießen und sich selber zum Gerichtessen und trinken (vgl. 1. Korinther11,29).

207. Gibt es in der NeuapostolischenKirche eine Beichte?Der neuapostolische Christ bekenntseine Sünden, indem er im „Unser Va-ter“ betet: „Und vergib uns unsereSchulden.“ Eine spezielle Einzel-beichte im Zusammenhang mit demGottesdienst gibt es nicht. Unabhän-gig davon bleibt es den Gläubigen un-benommen, sich an den Apostel zuwenden und ihm mündlich oderschriftlich besondere Sünden zubeichten.Liegt jemand im Sterben und hat denWunsch, eine Beichte abzulegen,kann in dieser Ausnahmesituation je-des priesterliche Amt eine Beichte an-

nehmen und im Auftrage des ApostelsGnade und Vergebung verkündigen.

208. Welche Bedeutung hat das „Un-ser Vater“ für das Heilige Abend-mahl?Das „Unser Vater“, das von derganzen Gemeinde gebetet wird, ist je-nes vom Herrn selbst gelehrte Gebet,das Anbetung, Bitten für Seele undLeib sowie Lob enthält. Jeder Gläu-bige legt das von ihm durch die Pre-digt Erkannte und Bereute auf den le-bendigen Altar und bringt im Bekennt-nis der Sünden, also in aufrichtigerBuße, und über allem im kindlichenGlauben sein Opfer dar.

210. Welche Bedeutung hat die Frei-sprache?Die Freisprache bewirkt die Verge-bung der Sünden. Durch die Verkün-digung der Worte: „In dem Namenunseres Herrn Jesus Christus sindeuch die Sünden vergeben, und derFriede des Auferstandenen sei miteuch“, werden die Apostel ihrem Auf-trag gerecht, den Jesus ihnen mit denWorten gab: „Welchen ihr die Sündenerlasset, denen sind sie erlassen; undwelchen ihr sie behaltet, denen sindsie behalten“ (Johannes 20,23).Die Verkündigung der Vergebung derSünden durch die im Auftrag der Apo-stel tätigen priesterlichen Ämter hatdie gleiche Wirkung.

211. Was ist notwendig, um der Frei-sprache teilhaftig zu werden?Um der Freisprache teilhaftig zu wer-den, sind notwendig:– die Einsicht, daß der Mensch in sei-nen Unvollkommenheiten aus eige-nem Vermögen nie die Gerechtigkeiterlangen kann, die vor Gott gilt,– die aufrichtige Reue über erkannte

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Schwächen und Fehler und derernstgemeinte Vorsatz, sie zu über-winden,– das herzliche Verlangen, mit Gottversöhnt zu werden,– das gläubige Ergreifen der Freispra-che (Lukas 18,13; 1. Johannes 1,8.9).

212. Was geschieht bei der Ausson-derung?Der Apostel oder das in seinem Auf-trag handelnde priesterliche Amt spre-chen sinngemäß folgenden Wortlaut:„Nun sondere ich aus Brot und Weinzum Heiligen Abendmahl und legeauf das Dargebrachte das einmal ge-brachte und ewig gültige Opfer JesuChristi mit den Worten: Das ist meinLeib, für euch gebrochen und in denTod gegeben, mein Blut, für euch ver-gossen zur Vergebung der Sünden. Sooft ihr davon genießt, tut es zu mei-nem Gedächtnis. Amen.“Brot und Wein verändern sich durchdie Aussonderung stofflich nicht. Ingeistlicher Wirklichkeit aber sind siedas geworden, wozu sie ausgesondertsind: Jesu Leib und Blut.

213. In welcher Form wird das Hei-lige Abendmahl gespendet?In der Neuapostolischen Kirche wirddas Heilige Abendmahl mit ungesäu-ertem Brot und Wein gefeiert.Im Jahre 1917 wurde durch denStammapostel Niehaus festgelegt, daßBrot und Wein in einer mit drei Trop-fen Wein beträufelten Hostie gereichtwerden.

214. Wer darf das Heilige Abendmahlin der Neuapostolischen Kirche emp-fangen?Alle in der Neuapostolischen KircheVersiegelten, Getauften und die alsGäste in die Gemeinde Aufgenomme-

nen sind berechtigt, das HeiligeAbendmahl zu empfangen.

215. Warum erhalten auch Kinderdas Heilige Abendmahl, obwohl siedessen Bedeutung noch nicht verste-hen können?Da nach den Worten Jesu nur der dasewige Leben hat, der sein Fleisch ißtund sein Blut trinkt (vgl. Johannes 6,53.54), ist das Heilige Abendmahl fürdie gottgewollte Entwicklung vonSeele und Geist unentbehrlich, unab-hängig davon, ob der Mensch einKind oder ein Erwachsener ist. Wennschon die Kinder mit Wasser und demHeiligen Geist getauft werden, istauch für sie zur Erhaltung und Förde-rung des empfangenen Wiederge-burtslebens die Teilnahme am Heili-gen Abendmahl unerläßlich. Diesliegt ganz im Sinne Jesu, der nichtwill, daß man den Kindern wehre,„denn solcher ist das Himmelreich“(Matthäus 19,14).

216. Wie empfangen jene neuaposto-lischen Christen, die infolge Krank-heit die Gottesdienste nicht besuchenkönnen, das Heilige Abendmahl?Sind die Geschwister durch Krankheitlängere Zeit verhindert, die Gottes-dienste zu besuchen, wird ihnen in re-gelmäßigen Abständen von einempriesterlichen Amt das Heilige Abend-mahl gereicht.

217. Wie oft wird das Heilige Abend-mahl gefeiert?Das Heilige Abendmahl wird in denGottesdiensten am Sonntag und ankirchlichen Festtagen gefeiert.

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c) Die Heilige Versiegelung

218. Was ist die Heilige Versiege-lung?Die Heilige Versiegelung ist die Spen-dung des Heiligen Geistes und damitder wesentliche Teil der Wiedergeburt(Apostelgeschichte 8,14–17; Epheser1,13,14;4,30). Sie ist die Grundlageeiner völligen Erneuerung des innerenMenschen (Römer 8, 9; 2. Korinther 5,17; 1. Petrus 1,23; Jakobus 1.18; vgl.auch Hesekiel 9,2–6 und Offenba-rung 7,3).Durch sie wird ein Mensch zu einemKind Gottes mit dem Anrecht auf dasErbe Christi (Römer 8,17). Somit istder Besitz des Heiligen Geistes dasUnterpfand zur ewigen Herrlichkeit(Johannes 3, 5; Epheser 2,17–20).Die Heilige Versiegelung wird auchgenannt:– die heilige Geistes- und Feuertaufe(Matthäus 3,11; Apostelgeschichte 1,5)– die heilige Salbung (2. Korinther 1,21.22).

219. Wie empfingen die ersten Chri-sten den Heiligen Geist?Durch Gebet und Handauflegung derApostel wurden die ersten Christenmit dem Heiligen Geist versiegelt(Apostelgeschichte 8,14–19; 19,6; 2.Timotheus 1,6).Der Hauptmann Kornelius und seineAngehörigen empfingen den HeiligenGeist ohne Handauflegung, aber inGegenwart des Apostels Petrus (Apo-stelgeschichte 10). Gott machte dieseAusnahme, um dem Apostel zu zei-gen, daß auch Heiden des HeiligenGeistes teilhaftig werden können.

220. Wer spendet den Heiligen Geistin unserer Zeit?Wie in der Urkirche sind auch in der

Neuapostolischen Kirche die ApostelJesu tätig, den Heiligen Geist zu spen-den (vgl. 2. Korinther 3,6.8).

221. Wer kann den Heiligen Geistempfangen?Der Mensch, der bereit und willensist, den Heiligen Geist zu empfangen,muß folgende Voraussetzungen erfül-len:Er muß die Taufe mit Wasser empfan-gen, durch das Wort der Predigt zumGlauben an die Lehre der Apostel ge-langt sein und Vergebung der Sündenhingenommen haben. Er muß beken-nen, entschlossen zu sein, sein Lebennach der Grundlage der Lehre derApostel, die Jesu Lehre ist, einzurich-ten.Auch Kinder empfangen durch Hand-auflegung eines Apostels den HeiligenGeist. Bei ihnen wird das Bekenntnisdurch die schon bei der Wassertaufeübernommene Verpflichtung der El-tern ersetzt, das Kind in der Apostel-lehre zu erziehen.

222. Was bewirkt der Besitz des Hei-ligen Geistes in uns?Die segensreiche Auswirkung desHeiligen Geistes erkennen wir an sei-nen Früchten (vgl. Galater 5,22). Erbewirkt, Gott in seinem gegenwärti-gen Wirken (1. Johannes 5,20) und dieWahrheit der Lehre Jesu immer mehrzu erkennen (1. Johannes 2,27). Er er-möglicht die Zubereitung unserer See-len auf den Tag der Ersten Auferste-hung (1. Korinther 15,20–24; 1. Jo-hannes 3,1–3).

223. Kommt der Heilige Geist bei al-len Versiegelten zur gleichen Wir-kung?Das durch den Heiligen Geist ge-zeugte Leben bedarf der ständigen

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Pflege durch das lebendige Wort. DerHerr Jesus hat in dem Gleichnis vomvierfachen Ackerfeld den Hinweis ge-geben, daß bei der Aussaat etlichesauf den Weg, etliches in das Steinige,etliches unter die Dornen und etlichesauf ein gutes Land fiel (Matthäus 13,4–8). Aus dem angeführten Schrift-wort geht hervor, daß die Fruchtbar-keit sogar im guten Ackerland unter-schiedlich ist. Seelen, die dem emp-fangenen Geist Christi keinen Raumzu seiner Entfaltung geben, fallen inihr altes Wesen zurück.

224. Was ist die Folge eines gleichgül-tigen Sinnes und nachlässigen Wan-dels von Versiegelten?

Solche dämpfen, unterdrücken undbetrüben den Heiligen Geist (Epheser4,30; 1. Thessalonicher 5,19) und ste-hen in Gefahr, das verheißene zukünf-tige Erbe zu verlieren.

225. Welches ist das größte Übel unddie größte nicht zu vergebendeSünde?Das größte Übel ist der Abfall vom le-bendigen Glauben (Hebräer 6,4–8).Die größte Sünde ist die Lästerung wi-der den Heiligen Geist, denn sie kannnicht vergeben werden, weder in die-ser noch in der zukünftigen Welt(Markus 3,28–30).

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Es ist für einen Außenstehenden schwernachzuvollziehen, wie sehr unser gesam-tes Familienleben durch die Amtstätigkeitmeines Mannes für die NAK geprägt war.Aus meiner heutigen Sicht muß ich sa-gen, daß ich damals über weite Streckenfür meine Kinder eine „Alleinerziehende“war. Jeden Abend, selbst am Sonntag zwi-schen den beiden Gottesdiensten, warmein Mann für das „Werk des Herrn“ un-terwegs und hatte somit keine Zeit füruns. Feiertage wurden seitens der NAKfür Gemeindeaktivitäten wie zusätzlicheJugend- oder Seniorenveranstaltungenverplant, an denen er als Amtsträgerebenfalls teilzunehmen hatte, so daß oftauch diese Tage für die Familie verlorenwaren. Die Kinder erlebten ihren Vaterentweder als gehetzt, zumal er auch nochmit dem Aufbau seiner beruflichen Kar-riere beschäftigt war, oder als völlig ab-wesend. Von der Ehefrau, die man als Ge-hilfin – also nicht etwa als gleichgestelltePartnerin – bezeichnet, wird völlig selbst-verständlich die unterstützende Logistikzu Hause erwartet, das bedeutet: demEhemann den Rücken frei halten, unge-zählte allein verbrachte Abende, nichtgeführte Gespräche, ungezählte gebü-gelte weiße Hemden und ausgebürsteteschwarze Anzüge.

Das erklärt meiner Meinung nach auch,warum man in der Regel nur verheirateteMänner in ein Priester- oder höheres Amtsetzt. Ein Single könnte diesen zusätzli-chen Aufwand neben dem Beruf alleinekaum bewältigen. An den eigentlichenAmtsaufgaben ihres Mannes soll eineEhefrau aber möglichst kein Interessezeigen: Mit erhobenem Zeigefinger wirddarauf verwiesen, wozu schon Evas Neu-gierde im Paradies geführt hat. Für dieMühen partizipiert sie allenfalls am Sta-tus ihres Mannes in der Gemeinde. Miteinem Amtsträger verheiratet sein sichertinnerhalb der Gemeinde einen gewissen,höheren Status, d.h. der Status und Werteiner Frau definiert sich sehr stark überden Status des Ehemanns. Damit ergibtsich auch unter den Frauen in der Ge-meinde eine Hierarchie; es kommt zugrotesken Situationen. Mehr als einmalhabe ich erlebt, daß nach Amtseinset-zungen und Amtshöherstufungen ein ge-wisser Neid unter den zugehörigen Ehe-frauen auftrat und es einige Zeit dauerte,bis die „Gemeindehackordnung“ sichwieder eingependelt hatte. Das Verhal-ten dieser Frauen, zu denen auch ichgehörte, ist durchaus verständlich. Derihnen zugewiesene Wirkungskreis fokus-siert sich auf das Putzen der Kirche, das

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IV. Berichte zur NAKWir dokumentieren drei Berichte, die sich kritisch mit dem Glaubensleben in derNAK beschäftigen. Wir weisen jedoch aus Gründen der Fairneß darauf hin, daß sichviele Menschen in der NAK sehr wohl fühlen: Ihre Berichte sehen anders aus. Aberes gibt auch die im folgenden sichtbar werdende Seite der NAK.

Gabriele Jakob-Stoffel

„Wenn du ein Mann wärst…“ Zur Rolle der Frau in der NAK1

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Singen im Chor, die systemkonforme So-zialisation der Kinder (Erziehungserfolgeund Qualifikation einer Mutter mißt sichzum Beispiel daran, wie schnell ein Kindlernt, in der Kirche stillzusitzen) und dar-auf, sich ihrem Mann, dem Haus-priester2, unterzuordnen. Die Herr-schafts- und Machtpositionen sind aus-schließlich von Männern besetzt. Es fehlt auch in Predigt und Liedgut völligan geeigneten, weiblichen Identifikati-onsfiguren. Die enge geschlechtsspezifi-sche Rollenzuweisung wird ständig ein-getrichtert. Wenn doch einmal eine Frauvorkommt, dann sind das devote, unter-würfige Persönlichkeiten oder sie wer-den zumindest so dargestellt, auch wennes dazu nötig ist, Zitate aus dem Zusam-menhang zu reißen oder zu verdrehen.Spontan fällt mir dazu die häufig zitierteRuth aus dem Alten Testament ein. Oftwird sie den Frauen als Vorbild darge-stellt: „Wo du hingehst will auch ich hin-gehen.“ Es wird allerdings weggelassen,daß sie das nicht zu einem Mann, son-dern zu ihrer Schwiegermutter gesagthat. Die Unterdrückung der Frauen bewirkt invielen Fällen ein verheerendes Selbstbild.Wie kann Individuation und Persön-lichkeitsentfaltung möglich sein, wennFrauen als Randfiguren in völliger Abhän-gigkeit zu einem von Männern konstru-ierten und beherrschten Mikrokosmosstehen? Wenn sich Selbstwert einzig undallein über den Mann als „Segensträger“definieren soll, bedeutet dies für dieFrauen ein permanentes „Von sich wegsein“, abgespalten von eigenen Empfin-dungen, Gefühlen und Bedürfnissen. Dieuntergeordnete Rolle der Frau in der NAKwird sehr deutlich in einem von Bezirks-apostel Klaus Saur im Jahr 1992 verfaßtenSchreiben skizziert: An alle Amtsträgerder Apostelbezirke Baden, Hessen,Rheinland-Pfalz und Saarland und deren

Frauen! „(…) noch ein Wort an unsereSchwestern speziell in diesem Zusam-menhang. Es wurde mir schon übel ge-nommen, daß ich in Ämtergottesdienstenauch im 20. Jh. noch immer den Begriff,Gehilfin‘ verwende. Auch hinter solchenGedanken steht ein Zeitgeist, der heuteviele Frauen in den Bann zieht. Für unsgilt immer noch die göttliche Ordnung inder Familie. Gott selbst hat Eva als Gehil-fin des Adam geschaffen und auch so be-zeichnet. Ist es nicht eine ehrenvolle undmit ewigem Lohn bedachte Aufgabe, Ge-hilfin eines Amtsträgers zu sein?“ Immer wieder wird die Bibel miß-braucht, um Frauen in ihre vermeintli-chen Schranken zu verweisen und ihreGefügsamkeit zu erhalten: „(…)vielleichtdenken jetzt unsere lieben Schwestern:,Lieber Bezirksapostel, sag uns einmal,warum hast du uns denn eingeladen, mitunseren Männern in den Gottesdienst zugehen? Du sprichst heute immer die Brü-der an, die Amtsträger, und sagst ihnen,daß sie Sterne sein und leuchten, glän-zen und strahlen sollen. Was ist denn mituns?‘ Gerne wende ich mich nun einigeAugenblicke an Euch, liebe Schwestern,weil auch ihr Sterne am geistigen Firma-ment sein könnt, wenn ihr euch in dergöttlichen Ordnung bewegt, die der liebeGott gegeben hat. In der Schöpfungsge-schichte lesen wir, daß Gott, als er demMann eine Frau gegeben hat, sagte: ,ichwill ihm eine Gehilfin machen‘ (…)Wenn ihr Schwestern euch bewußt seid,daß euer Ehemann ein Amtsträger ist,wenn ihr wißt, daß ihr dazu bereitet seid,dem Amtsträger eine Gehilfin zu sein …dann seid ihr Sterne, die Licht und Glanzverbreiten. Solche Sterne hat es schonfrüher gegeben. Ich denke in diesem Au-genblick an eine Rebekka (…). Seid eineRebekka und sucht alle Tage die Verbin-dung zum Herzen und zur Seele EuresEhemannes und Amtsträgers.“3 Aus die-

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sen Zeilen spricht deutlich die Auffas-sung der NAK-Leitung über die denFrauen zustehende Rolle. Eine derartigeSchriftauslegung widerspricht nach mei-ner Auffassung ganz klar der Forderungdes Art.3 unseres Grundgesetzes. Dazupaßt, daß Saur gerne anmerkt, eine Ge-hilfin könne durch konformes Verhaltendie Arbeit ihres Mannes unterstreichen,im anderen Fall würde sie diese durch-streichen. Wer wollte das schon riskie-ren? Ich nicht.Häufig bleibt den Frauen in der NAK nurdie Sublimation der Bedürfnisse nachSelbstentfaltung durch Übernahme dervon der Endzeitgruppierung postuliertenGehilfinnen- oder der ebenfalls sehr an-erkannten und geforderten Mutterrolle.Ich selbst war, als ich mein erstes Kindbekam, schon fast 30 Jahre alt. Die mei-sten anderen Frauen in der NAK sind beider Geburt ihres ersten Kindes deutlichjünger. Es ist nachvollziehbar, warumdiese Frauen ihre Mutterrolle sehr früheinlösen: Denn als Mutter gewinnt manin der Gemeinde an Status und man be-kommt mehr Anerkennung. Auch heutenoch wird das Kinderkriegen als ersteAufgabe einer Frau angesehen. Berufs-tätige Mütter werden als Exoten betrach-tet. Die geforderte Reduzierung auf dieseRollenmuster gelingt verständlicher-weise aber nicht allen Frauen mühelos.Der psychische Druck, dem man ausge-setzt ist, entlädt sich nicht selten bei denKindern (die dann zum Beispiel währenddes Gottesdienstes gezüchtigt werden,weil sie nicht „brav“ genug sind und mansich böse Blicke der anderen Gemein-deglieder zuzieht) oder in Form subtilerMachtansprüche im häuslichen Bereich,wie ich es oft beobachten konnte (derEhemann wird dann zum Beispiel als inAlltags- und Erziehungsdingen unge-schickte Person dargestellt, den Fraunichts machen lassen darf).

Dieses verzweifelte Zur-Wehr-Setzenwird da und dort auch in den Predigtenbeantwortet und schlägt sich auch in mei-nen Augen frauenfeindlichen Äußerun-gen nieder. So fragte einmal ein Bezirks-apostel in einem Gottesdienst, was bessersei, eine junge oder eine alte Frau zu hei-raten. Er gab auch sofort die Antwortdazu: „Dies hat eigentlich keine Bedeu-tung. Beide fressen gleich viel.“ Frappie-renderweise sah ich die meisten meinerGeschlechtsgenossinnen darüber lachen. Schon Luise Kraft, die sich Anfang des20. Jahrhunderts der NAK anschloß undnachdem sie die repressiven Mechanis-men durchschaut hatte, diese wieder ver-ließ, litt unter der frauenverachtendenHaltung: „,An Lisa ist uns ein Mann ver-loren‘, sagte zuweilen der Apostel zu denanderen Dienern und drückte damit seinBedauern aus, daß ich bei meiner gutenAuffassung als Frau nicht Trägerin einesAmtes sein könne.“4 Das ist übrigenseine Formulierung, die auch mir nichtfremd ist. Mir wurde gesagt: „Wenn duein Mann wärst, könnte man mit dir et-was anfangen.“ An der untergeordneten Stellung der Frauin der NAK hat sich bedauerlicherweisein den letzten Jahrzehnten nichts geän-dert. Da klingst es schon wie blankerHohn, wenn der Medienreferent der NAKin einem Schreiben an das TV-MagazinMONA LISA im März 1997 auf die Frage:„Wie stellt sich die NAK zur Emanzipa-tion der Frau?“ lapidar antwortet: „Garnicht. Jede Frau möge sich so emanzipie-ren, wie sie es persönlich verantwortenwill. Im übrigen sind wir der Meinung,daß neuapostolische Frauen genausoemanzipiert sind wie die anderen Frauenin unserer Gesellschaft.“ Vor dem Hinter-grund der in meinen Augen massiven Un-terdrückung von Frauen in der NAK kön-nen solche Aussagen nur als Versuch ge-wertet werden, die Öffentlichkeit zu täu-

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schen. Luise Kraft kam vor fast 70 Jahrenzu der Erkenntnis: „Hätte ich nicht an denFührern, den sogenannten Trägern dervier Apostolischen Ämter, Dinge gefun-den, die aus der Hölle geboren waren, sohätte ich mich meiner Fesseln nicht ent-wunden oder aber auch nur zu entwin-den gewagt. – Gottlob ich bin frei!“5

Da kann ich ihr nur aus vollem Herzenzustimmen, obschon mein Leben nachdem Ausstieg nicht leichter geworden istund ich wirklich schlimme Erfahrungenmachen mußte. Bis vor zwei Jahren gabes in meinem Leben immer diese InstanzNAK, auf die im Prinzip alle Entschei-dungen delegierbar waren. Jetzt muß ichselbst herausfinden, was gut undschlecht für mich ist und habe schmerz-haft erfahren, daß man sich, wenn mandie Freiheit hat zu entscheiden, ebenauch falsch entscheiden kann. In dieserHinsicht werde ich bestimmt noch einigeLern- und Entwicklungsprozesse nachzu-holen haben. Trotzdem, wenn ich meinLeben als „Schaf“ in der angeblichenSchafherde Christi, der NAK, mit mei-

nem jetzigen vergleiche, ich möchtenicht mehr in diese enge Gemeinschaftzurück. Lieber 10 Jahre als Löwin leben,als 100 Jahre als Schaf!

Gabriele Jakob-Stoffel, geb. 1958, zweiKinder, geboren und aufgewachsen in ei-ner neuapostolischen Familie: Großvaterund Vater waren Priester in der NAK,später auch ihr Ehemann. 1996 Austrittaus der NAK. Gründungsmitglied derHeidelberger Selbsthilfegruppe „WennGlaube krank macht“.

Anmerkungen

1 Der Text ist aus einem Vortrag entstanden, den dieAutorin am 30. September 1997 in der Jakobusge-meinde in Karlsruhe gehalten hat. Die wörtlicheRede wurde bewußt beibehalten.

2 „Hauspriester“ wird das Oberhaupt der Familie(auch bei Ehepaaren ohne Kinder) in der NAK ge-nannt.

3 Aus einem Gottesdienst für Amtsträger und Frauendurch Bezirksapostel Saur in Offenburg vom 10.März 1996. Zit. nach Abdruck für Amtsträger.

4 Luise Kraft, Unter Aposteln und Propheten. Erinne-rungen aus meinem Leben, in: Hessische Lese-stube 3, Marburg 1931, S.11.

5 A.a.O., S.7.

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Es ist ein regnerischer Sommertag, anwelchem der Schreibende sich zurNeuapostolischen Kirche begibt, wo einjunges neuapostolisches Paar den Bundfürs Leben schließen wird. Das Auffin-den der Liegenschaft der NAK wird er-leichtert durch die Präsenz eines großenReisecars vor dem Gebäude, welcher ei-nen schönen Teil der lokalen Gemeindedes Bräutigams hierher zur Gemeindeder Braut beförderte. Das Paar hat sichnämlich nicht in der lokalen Gemeinde,sondern im Rahmen eines Jugendlagersder Neuapostolen kennengelernt.Beim Eintritt in das Kirchengebäude fälltder Blick auf ein gleich beim Eingang an-gebrachtes Schema mit den „Segens-trägern“ der Gemeinschaft, das vomStammapostel über den Bezirksapostel biszum lokalen Hirten die ganze für die örtli-che Gemeinde relevante Hierarchie auf-zählt. Die Verbundenheit mit der Hierar-chie, soviel wird dem Eintretenden gleichklargemacht, ist hier äußerst wichtig.Mit den ausliegenden Broschüren wohl-versorgt, begibt sich der Schreibende inden Gottesdienstraum. Obwohl der Saalbereits beinahe voll ist, ertönt kein Laut.Die ganze Gemeinde verharrt in absolu-ter Stille, die einerseits beklemmendwirkt, andererseits die Erwartung einesMysteriums in sich trägt: Hier befindetsich der vor dem Gottesdienst unbefan-gen plaudernde Landeskirchler offen-sichtlich auf fremdem Boden. Was wirdkommen? Orgelspiel und Einzug desBrautpaares tragen dann allerdingsäußerst konventionelle Züge.

Das einleitende Gebet nimmt Bezug aufdie Hierarchie der „Segensträger“, die inihrem Vertreter, dem Prediger, heute an-wesend ist und die Gültigkeit des Gottes-dienstes garantiert. Für die Gemeindelieder wurde derSchreibende mit einem Gesangbuchohne Noten versorgt, was seiner Sanges-freude deutlichen Abbruch tut. Ein Blicknach links und rechts zeigt ihm, dass dererfahrene Neuapostole sein individuellesGesangbuch besitzt, zumeist in Gold-schnitt gehalten, welches dann dem Textdie Melodie beigibt. Der Prediger, der nun das Wort ergreift,spricht aus dem Stegreif. Er mag vieleGaben haben, diese eine fehlt ihm. Dierhetorische Unbeholfenheit, mit welcherer seine Ausführungen vorträgt, der Plau-derton, in welchem er von Gedanke zuGedanke fortschreitet, wie sie ihm ebenin den Sinn kommen, ergibt eine Span-nung zu den Erwartungen, welche die li-turgische Stille vor dem Beginn des Got-tesdienstes geweckt hat.Inhaltlich wird eines klar, welches derPrediger nicht müde wird zu wiederho-len: Im Grunde ist das Christentum ganzeinfach. Was Jesus Christus uns Men-schen gebracht hat, ist das Gesetz Got-tes, Richtlinien, wie wir Christen uns imAlltag zu verhalten haben. Achten wirdieses Gesetz und kommen ihm nach, sowird es uns gut gehen. Und wenn es unsmal nicht gut geht, stellt dieses eine Prü-fung unserer Gesetzestreue dar.In der Ansprache ans Brautpaar, durch ei-nen Instrumentalteil von der Predigt ge-

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Georg Otto Schmid

Haltet euch an das Gesetz Gottes, dann wirdes euch gut gehen!Eindrücke von einer neuapostolischen Trauung1

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trennt, wird die Aussage vom GesetzGottes auf die Situation der Ehe ange-wendet. Wenn das Ehepaar sich auchfürderhin an die Gesetze Gottes hält,wird die Ehe wohlgelingen. Danebenwerden allgemeinmenschliche Erkennt-nisse von der Wichtigkeit der Kommuni-kation in der Ehe angeführt. Die das Ehe-versprechen bestätigenden zwei malzwei Buchstaben seitens des Brautpaaresstellen den einzigen Text des Gottesdien-stes dar, der nicht vom Prediger gespro-chen wird.Für den Vollzug des eigentlichen Trauak-tes vergewissert sich der Prediger seinerVerbindung zu den „Segensträgern“, undbetont, dass es diese Verbindung ist, dieihm die Kraft zur Spendung der Trauunggibt. Das Brautpaar wird so im Grundevom Stammapostel selbst getraut, für dender Prediger der Vertreter ist.Der anwesende Chor, aus dem Schrei-benden unbekannten Gründen nie alssolcher, sondern als „die Sänger“ be-zeichnet, bestätigt den Trauakt mit einemLied. Der Chor hat, soviel wird klar, als ersich das erste Mal erhebt, ein Drittel derPlätze der Gemeinde eingenommen. DieFülle des Raumes ist mithin eine wohlor-ganisierte.Im Schlußwort meint der Prediger, damitder Einschätzung des Schreibenden be-treffs der Stimmung des Gottesdienstesunfreiwillig beipflichtend: „Dadermitwäri de Truur… äh… die Trauig am End“.Hoffentlich glaubt niemand im Publi-kum, insonderheit das Brautpaar unddessen Angehörige, an schlechte Omina.Mit äußerst gespaltenen Eindrücken ver-läßt der Schreibende den Ort des Gottes-dienstes und tritt hinaus in den Regen.

Überlegungen

Der NAK gelingt es, dies der positive Ein-druck, das Bild einer Familie zu vermit-

teln, wo sich der eine für den anderen in-teressiert, ihm beisteht, und gegebenen-falls für ihn sorgt. Die Trauung eines jun-gen Paares ist ein Ereignis, das die ganzelokale Gemeinde bewegt. Das Gefühldes Getragenseins durch die Gemeindekann für das junge Ehepaar durchauseine Stütze sein.Stilistisch ist der Traugottesdienst dasKonservativste, was der Schreibende indiesem Bereich je gesehen hat. DieNeuapostolen sind in diesem BereichKirche in einem traditionellsten Sinne,wie sich keine Landes- oder Freikirchemehr getrauen würde, Kirche zu sein. Dagibt es keinerlei Einbezug von Gemein-degliedern oder Angehörigen in die Ge-staltung des Gottesdienstes. Was gege-ben wird, ist eine One-man-Show her-kömmlichsten Zuschnitts. Nicht mal dasTrauversprechen geben sich die Eheleutegegenseitig, der Prediger spricht vor, dasEhepaar bestätigt.Jegliche Bezugnahme auf das Ehepaar,dessen Biographie, dessen Berufe undHobbys unterbleibt. Sowohl Predigt alsauch Trauansprache entbehren so jedenpersönlichen Touchs. Die ganze Veran-staltung ist eine 08/15-Trauung, die beijedem Traupaar genau gleich, ja text-identisch durchgeführt werden kann.Es ergibt sich so der Eindruck eines: Manmacht es so, wie man es immer getanhat, und wie man es immer tun wird. FürVeränderungen bleibt da kein Raum.Und weiter wird das Gefühl vermittelt:Für Individuelles ist kein Platz. DasBrautpaar ist interessant, insofern es jetztdie Rolle eines neuapostolischen Ehe-paares übernimmt. Was das Paar im ein-zelnen bewegt, was es tut und läßt, trittzurück hinter dieser Rolle, ja ist ange-sichts der heilsentscheidenden Bedeu-tung derselben eigentlich egal.Nur aus diesem Rollen- oder Amtsver-ständnis heraus ist zu erklären, dass of-

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fenbar niemand an der eklatanten Unbe-holfenheit und der offensichtlich man-gelnden Vorbereitung des Predigers An-stoß nimmt. Für den Außenstehenden istdie Kombination aus zur Gänze fehlen-der Professionalität und immensemheilsgeschichtlichem Anspruch ein Är-gernis. Wenn jemand schon Vertreter desVertreters Christi auf Erden sein will,dürfte er sich etwas mehr Mühe geben,denkt der Nicht-Neuapostole. Für denNeuapostolen ist dies kein Widerspruch,sondern das zweite macht das erste erstmöglich. Weil der Prediger ohnehin Ver-treter des Vertreters Christi auf Erden ist,sind seine Aussagen und Handlungenvon Relevanz, auch wenn er sich garnicht vorbereitet oder gar eine Predigtlang denselben Satz wiederholen würde.Der Prediger ist Prediger, weil der dieRolle seines Amtes aus den Händen der„Segensträger“ empfangen hat. Und dieVerbindung zu diesen garantiert dieWirksamkeit seines Amtes, nicht seinevorhandenen oder fehlenden individuel-len Fähigkeiten.Der Bezugnahme auf die „Segensträger“,die Hierarchie der Neuapostolen, kommtso grundlegende Bedeutung zu. Insofernüberrascht nicht, dass sich der Predigeran herausragenden Stellen seiner Verbin-dung zu den „Segensträgern“ vergewis-sert. Diese Verbindung ist das Entschei-dende, nicht etwa das theologische Wis-

sen des Predigers. Die Neuapostolen zei-gen sich so als zutiefst hierarchische Ge-meinschaft, insofern es die Hierarchie ist,die Wahrheit vermittelt, und nicht etwaintellektuelles Ringen um das Verständ-nis der Bibel.So wird auch die sehr einfach struktu-rierte Theologie erklärbar, die der Predi-ger präsentiert: Gott gibt Gesetze, und andiese hat man sich zu halten. Dass damitaus der Erlösungsreligion Christentumeine Gesetzesreligion geworden ist undhinter die neutestamentliche Verkündi-gung zurück zum Alten Testament gegan-gen wird, tut nichts zur Sache. Verbun-denheit mit der Hierarchie und Haltender Gebote, das ist es, was von Gott be-lohnt wird. Die Freiheit des Evangeliumsversinkt im Paragraphendschungel derGesetzlichkeit. Wofür Jesus Christusdann gestorben ist, diese Frage bleibthier allerdings offen.

Georg Otto Schmid, geb. 1966, Theo-loge, Mitarbeiter der „Ev. Informations-stelle Kirche – Sekten – Religionen“ inder Schweiz.

Anmerkung1 Der Text wurde zuerst von der „Evangelischen In-

formationsstelle: Kirchen – Sekten – Religionen“ inder Schweiz auf deren Homepage im Internet(http://www.ref.ch/zh/infoksr) veröffentlicht.

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Dieser Tage hat mir ein 66jährigerGlaubensbruder geschrieben, der miteinem klaren Blick „die Völlereien vie-ler Apostel“ sieht, aber auch wahr-nimmt, wie der Heilige Geist immermehr aus der NAK gedrängt wird undmenschlichem Denken Platz macht. Erhat mir die konkrete Frage gestellt: „Wasvertreten Sie eigentlich?“ Diese Fragemöchte ich gleich öffentlich beantwor-ten:Gehen wir vom Selbstverständnis derNeuapostolischen Kirche aus, die sichals „die Kirche Jesu“ ausgibt und sich „indie letzte Zeit“ gestellt sieht, eine Kirche,die sagt:der Stammapostel ist das sichtbare Hauptder Kirche auf Erden (Literatur: Präambel der NAKI-Statutenvom 1. 6. 1990)der Stammapostel ist der Weinstock(Literatur: Christi Jugend 1948, Seite 170)der Stammapostel ist der Sender der Apo-stel (Literatur: Wächterstimme vom 1. 10.1949)dem Stammapostel nicht restlos zu ver-trauen und seinem Wort nur in Gedan-ken widerstehen zu wollen heißt, sichwider den Sohn Gottes zu versündigen(Literatur: Wächterstimme vom 1. 10.1949)die nächsten Gehilfen des Stammapo-stels sind die Apostel(Literatur: Fragen und Antworten Nr.229, Schweizer Ausgabe von 1953)die Apostel sind die nächsten Gehilfendes Stammapostels(Literatur: Präambel der NAKI-Statutenvom 1. 6. 1990),dann liefert uns diese Kirche selbst schon

mit diesen wenigen Aussagen die Haupt-richtung unserer Wünsche:Wir möchten (wieder) Jesum sehn, ihn,den wir lieben (Lied Nr. 164, 4. Strophe),und nicht eine von Menschen geschaf-fene Apostelamtshierarchie, die in ihrerSelbstanmassung unseren Herrn undMeister Jesus völlig überragt, und zwarnach folgendem Muster:Stammapostelamt: 5-Stern-GeneralStammapostelhelferamt: 4-Stern-GeneralBezirksapostelamt: 3-Stern-GeneralBezirksapostelhelferamt:2-Stern-GeneralApostelamt: 1-Stern-GeneralDenn: In der Kirche Jesu war, ist undbleibt Jesus das alleinige Haupt. (Wir be-dauern sehr, dass viele Apostel offen-sichtlich den unter uns weilenden Jesusnicht sehen können, obwohl er zu denElfen sagte: „Und siehe, ich bin bei euchalle Tage bis an der Welt Ende“ [Mt28,20]).Jesus war, ist und bleibt der rechte Wein-stock (Joh 15,1) und der Stammapostel istund bleibt der falsche. Die Apostel sollenals Reben aus Jesus hervorgehen und ausihm den Rebsaft bekommen, der alleinden Früchten des Geistes Substanz zu ge-ben vermag.Jesus war und ist und bleibt der Senderder Apostel, entweder durch persönli-chen, direkten Sendungsbefehl oder indi-rekt durch seinen Vertreter, den HeiligenGeist, der sich durch Prophetie offenbart(Mt 10,5 und 28,16–20, Apg 13,1–5 etc.).Auf diesem Weg erfüllt sich auch die Aus-sage Paulus‘: „Und Gott hat gesetzt in derGemeinde…“(1. Kor 12,28).Niemals in der Urkirche wurde ein Apo-stel durch einen anderen Apostel beru-fen!

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Erwin Meier-Widmer

Was vertreten wir?

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Auch echte Apostel sind Menschen mitFehlern! Die Deklaration von 19491 da-gegen ist eine Unfehlbarkeitserklärungdes damaligen Stammapostels und somitein Irrtum! Apostel Paulus hat seinerzeitApostel Petrus öffentlich gerügt und ei-nen Heuchler geheissen (Gal 2,11–16).Der alte Überheblichkeitsgeist klingt inden Statuten Richard Fehrs vom 1. Juni1990 immer noch fort. Die Worte Jesuaber gelten heute noch: „Aber ihr sollteuch nicht Rabbi (oder Chefapostel/Stammapostel) nennen lassen; denn ei-ner ist euer Meister, Christus; ihr aberseid alle Brüder. Und sollt niemand Va-ter heißen auf Erden; denn einer ist euerVater, der im Himmel ist (Mt 23,8–9). Va-ter Krebs und Vater Niehaus lassengrüßen.Die Apostel sind keinesfalls die Gehilfendes Stammapostels. Es gilt nach wie vordas Jesuwort: „Der Größte unter euchsoll euer Diener sein“ (Mt 23,11). Es gehtalso um 180 Grad in die andere Rich-tung, als es die alten Stammapostel (inkl.Richard Fehr) darstellen!Wir wünschen uns, dass sich der WilleGottes so schnell als möglich erfüllt.Durch den Propheten Jesajas hat er in dieletzte Zeit hinein sprechen können, aufdass wir (wir von der Basis) den göttli-chen Willen auch erfahren können.Erst zur letzten Zeit, wird der Berg, da desHerrn Haus ist, fest stehen, höher dennalle Berge, und über alle Hügel erhabenwerden, und werden alle Heiden dazu-laufen (Jes 2,2).Aber bevor es soweit ist, muß der Herrmit den Fürsten ein ernstes Wort reden:„Höret des Herrn Wort, ihr Fürsten vonSodom!“ aus Jes 1,10 (in den „Fürsten“sehen wir die vollamtlichen Amtsträgerder Neuapostolischen Kirche, die sichselber ein fürstliches Salär gegeben undeinen teuren, luxuriösen Lebenswandelführen und die die Not und den Existenz-

kampf der Ärmsten, der Witwen undWaisen nicht sehen wollen). Vgl. Jes 1,18–20.„Deine Fürsten sind Abtrünnige undDiebsgesellen; sie nehmen alle gern Ge-schenke und trachten nach Gaben; demWaisen schaffen sie nicht Recht, und derWitwe Sache kommt nicht vor sie“ (Jes1,23). (Michael Kraus‘ Geschenk anFehr: Ein Mercedes S500). „Darumspricht der Herr Zebaoth, der Mächtigein Israel: Ich werde …dir wieder Richtergeben, wie zuvor waren, und Ratsherrenwie im Anfang. Alsdann wirst du eineStadt der Gerechtigkeit und eine frommeStadt heißen. Zion muß durch Recht er-löst werden und ihre Gefangenen durchGerechtigkeit“ (Jes 1,24–27).Hier wird die künftige Aufteilung der Kir-chenaufgaben angesprochen; die derzei-tige Diktatur unter dem Stammapostelwird durch Gott selbst beschnitten wer-den. Richter und Ratsherren werdenwichtige Entscheidungsaufgaben über-nehmen (wie zuvor, in der Urkirche, nurergänzen wir mit Richterinnen und Rats-frauen). Die Amtsträger der NAK werdensich auf ihre von Jesu zugewiesene Seel-sorgetätigkeit besinnen müssen und unslehren zu halten alles, was Jesus ihnenbefohlen hat, d.h. sie müssen uns endlichetwas „vormachen“ (Mt 28,20).Bis der Stammapostel und die Oberapo-stel innerlich soweit sind, muß sich nochJesaja 3,14 erfüllen: „Und der Herr gehtins Gericht mit den Ältesten seinesVolkes und mit seinen Fürsten: Denn ihrhabt den Weinberg verderbt, und derRaub von den Armen ist in euremHause.“ Alsdann kann sich erfüllen, wasverheißen ist: „Der Herr aber wird alleinhoch sein zu der Zeit“ (Jes 2,11).Auf diese Zeit freuen wir uns. Und bis essoweit ist, wollen wir uns vom Herrn fin-den lassen als seine Werkzeuge, entspre-chend der anfallenden Arbeit, wie in Jes

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3,1–3 beschrieben. Der Herr kann alleGaben für seinen Dienst gebrauchen,inkl. Propheten und Weise und Schriftge-lehrte (Mt 23,34).

Schaffhausen, am 18. Mai 1998

Erwin Meier-Widmer, geb. 1941, Dr.med., Arzt, 33 Jahre aktiver Amtsträgerder NAK, zuletzt Priester, seit 1995 einer

der wichtigsten Kritiker innerhalb derNAK, Spiritus rector der „Freunde der rei-nen Jesulehre“.

Anmerkung1 Anspielung auf einen Beitrag in dem internen In-

formationsblatt „Wächterstimme“ vom 1. Oktober1949, in dem es heißt: Ihm, gemeint ist derStammapostel, „nicht restlos zu vertrauen und sei-nem Worte nur in Gedanken widerstehen zu wol-len heißt, sich wider den Sohn Gottes zu versündi-gen“.

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S. 47 ganzseitige Verlagswerbung; die Redaktion EZW-TEXTE Nr. 146 47

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S. 48 ganzseitige Verlagswerbung; die Redaktion 48 EZW-TEXTE Nr. 146

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Dr. theol. Andreas Fincke, geb. 1959 in Halle/S., 1981–1986 Studium der Evan-gelischen Theologie und anschließend wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhlfür Ökumenik und allgemeine Religionsgeschichte an der Martin-Luther-Univer-sität zu Halle-Wittenberg, Promotion über „Jesus Christus im Werk Jakob Lorbers.Untersuchungen zum Jesusbild und zur Christologie einer ,Neuoffenbarung‘“.Seit 1992 Pfarrer und Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen derEvangelischen Kirche der Kirchenprovinz Sachsen, ebenfalls seit 1992 wissen-schaftlicher Referent an der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfra-gen (EZW), zuständig für die christlichen Sondergemeinschaften.

Dieser EZW-TEXT kann – ebenso wie alle Publikationen der EZW – in Studienkrei-sen, Seminaren, Tagungen und dergleichen angewendet werden. Die EZW-TEXTEkönnen einzeln oder in größerer Menge bei der EZW, Auguststraße 80 in 10117 Ber-lin, angefordert werden. Bitte unterstützen Sie den Versand von EZW-Material durcheine Spende (DM 5,– plus Porto; bei regelmäßigem Bezug DM 20,– jährlich).

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