Tierversuche und Tierschutz Invertebrate Versuchstiere: 1 ... · Daphnia magna als Modellorganismus...

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Invertebrate Versuchstiere:1. Rahmenbedingungen und Akklimation

2. Betäubung und TötungBettina Zeis, Benedikt Fels, Verena Blome

Institut für ZoophysiologieWestfälische Wilhelms-Universität Münster

NADH

ATP

Tierversuche und Tierschutz

Beispiele für Tierversuche

- Grundlagenforschung: Physiologie des Geruchssinnes

- Pharmakologie: Wirkung eines potentiellen Medikamentes

- Toxikologie: Überprüfung der Schadwirkung einer Substanz

- Biomonitoring: Gewässerüberwachung, Indikatororganismen

Vorteile des Einsatzes von Invertebraten:

- hohe Individuenzahlen (Statistik)

- kurze Generationsdauer / schnelle Entwicklung

- nur anzeigepflichtig nach Tierschutzgesetz

Daphnia magna als Modellorganismus

- hohe Individuenzahlen (Statistik)

- kurze Generationsdauer / schnelle Entwicklung

- nur anzeigepflichtig nach Tierschutzgesetz

- Transparenz: nicht-invasiven Untersuchungen leicht zugänglich

-Wichtige Position im Nahrungsnetz / hohe ökologische Bedeutung

Einsatz von Daphnia magna:

- Grundlagenforschung (Hypoxiebedingte Hämoglobininduktion)

- Pharmakologie (Test von Herz-Kreislauf-Medikamenten)

- Toxikologie (Test von Waschmittelinhaltsstoffen)

- Biomonitoring (Gewässerüberwachung)

dynamischer Daphnientest nach Knie

Der dynamische Daphnientest nach Knie (1986, DIN 38412 L11 und L30)

Bundesanstalt für Gewässerkunde

Gewässerüberwachungsstationen in NRW

Zeit [sec]

Ext

inkt

ion

0,00,10,20,30,40,50,6

0,00,10,20,30,40,50,6

Bewegungsindex: 23,197

Bewegungsindex: 1,686

Extin

ktio

n

0 200 400 600

Einfluss eines Toxins

Elementare Voraussetzungen für aussagekräftige Tierversuchsergebnisse:

- optimale Rahmenbedingungen:

- geeignete Kontrollversuche!

- mehrmalige Wiederholung

Einflüsse anderer Faktoren müssen auszuschließen sein

Eindeutige Ursache-Wirkungs-Beziehung

1. Akklimation/ Rahmenbedingungen

Faktoren, die Versuchsergebnisse beeinflussen können:

-Stress durch äußere Reize: Temperatur, Lichtverhältnisse, Geräusche

mechanische Einflüsse (Versuchstierhandhabung, Injektion)

- Alter der Tiere / Entwicklungszustand, Geschlecht

- Ernährungsbedingungen

- Krankheiten, Parasitenbefall

- Biorhythmus (Tageszeit, Jahreszeit)

- Sozialverhalten der Tiere Optimal

Das Toleranzfenster

Optimum

PessimumPessimum

Pejus Pejus

TemperaturSchwerdtfeger, 1977, Ökologie der Tiere, Parey

Pörtner, 2002, Comp Biochem Physiol A 132:739

Physiologische Fitness

time [min]0 5 10 15 20

E

0,00

0,25

0,50

0,75

time [min]0 5 10 15 20

E

0,00

0,25

0,50

0,75

acclimation temperature 20°C, measuring temperature 20 °C - activity index 0.10

acclimation temperature 20°C, measuring temperature 10 °C - activity index 0.06

Einfluss der Temperaturakklimation auf die Schwimmaktivität von Daphnia magna

measuring temperature [°C]

0 10 20 30 40

swim

min

g ac

tivity

inde

x

0,00

0,05

0,10

0,15

0,2010 °C acclimation20 °C acclimation30 °C acclimation

Schwimmaktivität als Funktion der Temperatur

temperature [°C]

0 10 20 30 40

thor

aic

limb

mov

emen

ts [m

in-1

]

0

100

200

300

400

500

600

700

temperature [°C]

0 10 20 30 40he

art b

eatin

g ra

te [m

in-1

]0

100

200

300

400

500

600

Einfluss der Temperaturakklimation

Ventilation Perfusion

(Atmung) (Herztätigkeit)

Lamkemeyer et al (2003) Can J Zool 81:237-249

10 °C akklimiert

20 °C akklimiert

30 °C akklimiert

measuring temperature [°C]0 10 20 30 40

0

3

6

9

12

15

L-la

ctat

e [µ

mol

g-1

FW

h-1

]

Temperatur, Sauerstoff und anaerober Stoffwechsel

wavelength [nm]

200 400 600 800 1000

swim

min

g ac

tivity

inde

x

0,00

0,04

0,08

0,12

0,16

UV-Licht als Stressfaktor

Einfluss von Nahrung auf physiologische

Parameter

Pirow & Buchen, 2004

Einfluss des Sozialverhaltens auf das Versuchsergebnis

time [min]

0 50 100 150 200 250 300

Po2 [

kPa]

0

20

40

60

80

100

0 50 100 150 200 250 300

Präferenzverhalten von Daphnia magna im Sauerstoffgradienten nach O2-Akklimierung

Akklimatisation bei Hyperoxie

Akklimatisation bei Hypoxie

Rahmenbedingungen

- Hälterung der Tiere unter Versuchsbedingungen

- Einsatz von gesunden Tieren gleichen Alters

- Akklimationsphase vor Versuchsbeginn (Gewöhnung an den Messplatz)

- Konstanz aller Versuchsbedingungen (Festlegung, Kontrolle und Dokumentation)

- Kontrollversuch unter gleichen Bedingungen

Beispiel 1

Bei 10 Individuen der Art Daphnia magna wurde die Herzfrequenz gemessen. Dann wurde ihnen 10 µl Substanz X injiziert. Die erneute Messung der Herzfrequenz ergab einen um 18 ± 7 % verminderten Wert.

Rahmenbedingungen?

Kontrollversuch?

Beispiel 2Ca. 100 Tiere der Art Caenorhabditis elegans wurden mit Bakterien gefüttert, die doppelsträngige RNA des Gens XY herstellen. Vier Tage später wurden 20 Tiere vermessen. Diese waren durchschnittlich 0,8 mm lang. Die Kulturplatte wies ca. 350 Eier und 120 Jungtiere des Larvenstadiums L1 auf.

Rahmenbedingungen?

Kontrollansatz?

Betäubung / Narkose: reaktionsloser Zustand

1. Unempfindlichkeit gegenüber äußeren Reizen und Schmerzen das Tier leidet nicht (Tierschutzaspekt)

2. Relaxation der peripheren Muskelnerleichtert die Präparation bzw. den Versuch

2. Betäubung

a. Reversibel

b. Vorbereitung zum Töten

Betäubungsmittel1. Kälte

2. Kohlendioxid/Kohlensäure

3. Magnesiumchlorid

4. Alkohol (Ethanol)

5. Ether (Essigsäureethylether)

6. Chloroform (Trichlorkohlenstoff)

7. Chloralhydrat

8. Urethan (Ethylcarbamat)

9. MS 222 (Sandoz, ein m-Aminobenzoesäureethylester)

Weitere Betäubungsmittel:

- Alkaloide (Cocain u. verwandte Substanzen)

- Barbiturate (u. verwandte Substanzen)

Beachtung des Betäubungsmittelrechts:

Anzeige/Genehmigung/Dokumentation

NarkosewirkungFaktoren, die Eintritt, Stärke und

Dauer einer Narkose beeinflussen:

- Alter

- Ernährungszustand

- Erregungszustand

- Umgebungstemperatur

- Konzentration des Narkotikums

Dosiseffekte

Geringe Konzentration: anregende Wirkung, Rauschzustand

starke Muskelkontraktion, beschleunigter Herzschlag

Mittlere Konzentration: reversible Betäubung, Toleranzzustand

(optimale Konz.) erschlaffte periphere Muskulatur, ruhige Herz- und Atemfrequenz

Hohe Konzentration: Tod des Tieres

(letale Dosis) Lähmung der Atemmuskulatur und des Herzens

Applikation

Aquatische Tiere: Zusatz ins Wasser

Terrestrische Tiere: Inhalation (flüchtige Narkotika)

Injektion

Dosis und Einwirkzeit beachten, ggf. in Vorversuchen experimentell optimieren

Überprüfung der Narkosewirkung (z.B. mechanische Reizung mit Präpariernadel)

Beispiele

CO2-ZusatzWärmestarre

Aschelminthes

10 %iger Alkohol7 %iges MagnesiumchloridUrethan 1 %MS-222 (1 : 100 bis 1 : 10000)

Plathelminthes

5-10 %iger Alkohol7 %iges MagnesiumchloridKohlendioxid-Wasser

Coelenterata

Urethan 1 %Porifera

Urethan 1 %Protozoa

BetäubungsmethodenTierstamm

Quelle: Adam H & Czihak G (1964): Arbeitsmethoden der makroskopischen und mikroskopischen Anatomie. Fischer Verlag, Jena

Methyl- oder Äthylakohol7 %iges Magnesiumchlorid

Bryozoa

Magnesiumchlorid5-10 %iger AlkoholChloralhydrat

Mollusca

KohlensäureÄther, Chloroform

Insecta

5-10 %iger Alkohol7 %iges MagnesiumchloridUrethan 1 %MS-222 (1:1000 bis 1 : 5000)

Crustacea

InjektionAlkohol, Äther, Chloralhydrat7 %iges MagnesiumchloridMS-222 (1:100 bis 1 : 10000)Urethan 1 %

Annelida

BetäubungsmethodenTierstamm

Quelle: Adam H & Czihak G (1964): Arbeitsmethoden der makroskopischen und mikroskopischen Anatomie. Fischer Verlag, Jena

Äther- und ChloroformdämpfeUnterkühlung und Kälteschock

Reptilia

MS-222 (1:100 bis 1 : 1000)Urethan (0,01 bis 1 %)

Amphibia

MS-222 (1:1000 bis 1 : 10000)KohlensäureanreicherungChloralhydrat (1 %)

Pisces

MS-222Cyclostomata

MS-222 (1:1000 bis 1 : 2000)Acrania

Chloralhydrat 1-2 %Magnesiumsulfatlösung

Tunicata

MagnesiumchloridAlkohol, Kohlensäure

Echinodermata

BetäubungsmethodenTierstamm

Quelle: Adam H & Czihak G (1964): Arbeitsmethoden der makroskopischen und mikroskopischen Anatomie. Fischer Verlag, Jena

Tierschutzaspekte / Ethische Verpflichtung

- sorgfältige Planung

- sorgfältige Vorbereitung

Minimierung der eingesetzten Anzahl an Versuchstieren

(nicht auf Kosten des Kontrollversuchs!!)

Vermeidung von Schmerzen / Leiden (nicht auf Kosten der Aussagenkraft des Versuchs!)

Verwaltungsaspekt: Meldung / Genehmigung / Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten

Demonstrationsversuche

1. Betäubung von Daphnia magna (großer Wasserfloh)

a. Reduktion der Motilität durch Urethan

b. Toleranzzustand: Lähmung der Extremitäten bei andauernder Herztätigkeit (revesible Betäubung)

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