Über niedere Vanadinhydroxyde. I

Preview:

Citation preview

Uber niedere Vanadinhydroxyde. I Von OSKAR GLEMSER und EINHARD SCHWARZMANN~)

Mit 3 Abbildungen

Inhaltsiibersieht Es werden Darstellung und Eigenschaften der niederen Vanadinhydroxyde VO(OH),

(rosafarben) und V,O,(OH), (schwarz) beschrieben. Beide Hydroxyde sind kristallisiert ; ihre Formnlierung ergibt sich aus dem isobaren Abbau. Die Moglichkeit zur Gewinnung weiterer niederer Vanadiuhydroxyde wird aufgezeigt.

Versetzt man Vanadin(I1)-salzlosungen init Alkalilaugen, so fallt braunes Vanadin( [I)-hydroxyd aus, das unter Abgabe von Wasserstoff sich sofort oxydiert und deshalb noch nicht isoliert werden konnte 2).

Auf gleiche Weise erhalt man griines Vanadin(II1)-hydroxyd aus Vana- din(II1)-salzlosungen, das sich leicht in ein braunes Oxydationsprodukt verwandelt3). Mit wenig uberschiissiger Sodalosung versetzt, bildet sich nach BERZELIUS~) aus Vanadylsulfat grauweil)es V,04 2 H,O, doch wird dieses Ergebnis von anderen Autoren bestritten. CROWS)

halt die von ihm erhaltenen Niederschlage V204 * 7 H20 bzw. V,04.3H20 fur Gele von willkurlicliem Entwasserungsgrad, wahrend GAIN^) die Verbindungen V204 - 2 H20 und V,O, - H 2 0 beschreibt.

Lal3t man V,O, einige Monate an der Luft liegen, so sol1 nach BRIERLEY~) graugrunes V20, * 2 V205 8 H,O entstehen. Durch ge- lindes Erhitzen des von BRIERLEY als (NH4),0 * 2 V,04 e 2 V20s * 14H20 formulierten Amnioniumsalzes bildet sich nach dem Lagern des Reak- tionsproduktes an feuchter Luft 3 (V204 - V,05) * 8 H20.

In neuester Zeit fuhrten BRITTON und WELFORD~) potentiometrische und konduktometrische Titrationen von Vanadyl- und Vanadin(II1)-

1) Diplomarbeit Gottingen 1953, I. Teil.

3) J. LOCKE 11. G. H. EDWARDS, Z. anorg. allg. Chem. 19, 378 (1899). 4, J. J. BERZELIUS, Pogg. Ann. 22, 1 (1831).

J. K. CROW, J. chem. SOC. [London] 30, 454 (1876). 6 , G. GAIN, C. R. hebd. SBances Acad. Sci. 143, 823 (1906); 146, 403 (1907). 5 , J. I. BRIERLEY, J. chem. SOC. [London] 49, 30 (1886). *) H. T. S. BRITTON u. G. WELFORD, J. chem. SOC. [London] 1940, 758, 761.

GMELIN-KRAUT, Handb. d. anorg. Chem. Bd. 111, Abt. 2, S. 74, Heidelberg 1908.

250 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 278. 1955

salzen durch. Auf Grund des Basenverbrauches schlosseii sie auf die Existenz der Hydroxyde V(OH), und VO(OH),, ohne dies zu beweisen.

Wirklich sichere Unterlagen uber niedere Vanadinhydroxyde gibt cs also bis heute nicht. Die in alteren Arbeiten vermerkten Zusammen- setzungen von Verbindungen haben zudem hoclistens orientierenden Charakter. Im folgenden berichten wir uber die ersten Ergebnisse iinserer Untersuchungen.

Uritersiieliungsm~thodon a) A n a l y t i s c h e Me t h o d i k : Zur Bestimmung des Reduktionsgrades werden die

Praparate unter sauerstofffreiem Stickstoff in Schwefelsaure in der Wiirme gelost und hierauf bei 70--80° in schwach saurer Losung init n/10 Kaliumpermanganatlosung bis zum Farbumschlag titriert.

AnsehlieBend wird die oxydierte Losung mit schwefliger Saure bis zur 4wertigen Stufe des Vanadins reduziert und dann wie oben mit n/10 Kaliumpermanganatlosung zur hwertigen Stufe oxydiert. Daraus ergibt sich der Vanadingehalt der Losung.

b) I s o b a r e r A b b a u : Der isobare Abhan wurde bei pHZO = 10 Torr in der ublichen Weise vorgenommen. Das abgegebene Wasser wurde in einrm GefaB mit Magnesium- perchlorat absorbiert und dann gewogen.

c) R o n t g e n o g r a p hi s c he U n t e r s uc h ungen : Fur die Rontgenaufnahmen wurde Chrom-Ka-Strahlnng nnd eine SEEMANN-Kamera (28,7 mm Durchmesser) verwendet.

Ilosafarbenes VO( OH), Durch Einwirkung von Schwefeldioxyd auf eine wafierige Suspen-

sion von Vanadinpentoxyd entsteht eine blaue Losung, aus der beim Erhitzen ein rosafarbenes Hydroxyd sich aloscheidet,

Beispiel : I n einen ERLENMEYER-Kolben gibt man 5 g F',o, (reinst, Merck) i n 1000 ml Wasser und leitet in der WLrme langsam einen gereinigten SO,-Strom ein. Nach etwa 20 Stunden ist die Reduktion beendet. Die entstandene blaue Losung wird im ge- reinigten Stickstoffstrom durch Erhitzen konzentriert, wobei ein rosafarbenes Pulver ausfallt. Nach dem Abkiihlen dekantiert man mit Wasser, bis das PrBparat sulfatfrei ist, und trocknet im evakuierten Exsikkator uber konzentrierter Schwefelsanre. Das Pra- parat ist besser darchkristallisiert, wenn man es einen Ta,g lang im Stiekstoffstrom unter konzentrierter Kochsalzlosung kocht.

Die Verbindung ist weiterhin durch Fallung von Vanadylchlorid hzw. Vanadylsulfatlijsung mit Ammonialr beim pH 4-5 zu gewinnen. Zuerst erhdt man einen grauweioen, rontgenamorphen Niederschla,g, der in der Warme in das rosafrabene Produkt ubergeht.

SclilieBlicli kann man das Praparat auch durch direkte Synthese aus einem stijchiometrischen Gemisch von V,O, und Vanadinpulver in Gegennrart von etwas Wasser darstellen, wenn man die Suspension im wbgeschmolzenen Rohr bei 110" etwa drei Wochen lang unter Schutteln crhitzt. Diese neue Methode ziir Darstellung niederer Metallhydroxyde

0. GLEMSER u. E. SCHWARZMANN, Uber niedere Vanadinhydroxyde. I 251

iht \-on uns erstmalig bei der Synthese von Molybdkn9)- und Wolfram- liJ-droxydenlO) mit Erfolg verwendet 1% orden.

A n a l y sene rge bnisse : a) Gesa m t v a n a d i n g e ha1 t (aIs VO, ber.) : Einwaage: 68%,2; 1486,G mg. Verbrauch a n 0,l n KMn0,-Losung fur Oxydation VO,,,, zii V02,,: 67.3; 146,9 ml. Das entspricht 81,83; 61,970; VO,.

Is) R e d u k t i o n s g r a d : Verbrauch an 0,l n IiNInO,-Losung: 45,76; 24,3 ml. Berech-

c ) R o n t g e n a u f n a h m e : Abb. 3, Nr. 111; d-Werte s. Tabelle 1. net fur VO,,, bis VO,,,,: 45,95; 24,4 ml. Entspricht: VO,,,,,.

Isobarer Abbau Das PrBparat wurde dreimal einem isobaren Abbau unterzogen.

Die Wasserabgabt: erfolgt dislantinuierlich, wie aus der Abhaukurvt in A I J ~ . 1 zu entnehmen ist. Es wird die Verbindung VO, * H,O, sls Hydroxyd formuliert VO (OH),, abgebaut. Der Ruch- stand entspriclit der Reduktions- stufe VO,,m; die Rontgenauf- nahme zeigt VO,.

Bes t i rnmung d e s W a s s e r g e - h a l t s : Einwaage: 1097,3; 2259,4 mg. Auswaage H,O: 193,5; 399,5 mg bzw. 17,63; 17,680,, H,O.

F o r m e l des a b g e b a u t e n Hq- d r o x y d s : VO,,,,, . 0,!19 H,O; VO,,,,, . 0,995 H,O.

C he m is c 11 e E ig e n s c h a i - t e n v o n VOIOH),: VO(OH), ist unter Stickstoff nnd in eva- li 11 ier ten w o clien lang bestandig. An tier Luft, be-

Ge f a Ben Abb.1. I s o b a r e r A b b a u d e s r o s a f a r b e n e n

VO(OH), '

sondrrs in Gegcnwart von Feuchtiglieit, oxydiert es sich uber eine graubraune und grune Stufe zu tinem tiefblauen Prodiikt. Nach 6 Wochen hetragt der Redulitionsgrad V02,06. Bei diesem Vorgang I\ erden die Rontgeninterferenzen diffus und verschwinden allmahlich ; ncue Linien treten nicht auf. VO (OH), lost sich in mittelstarker Schwefel- saure mit tiefblauer Farbe. In Alkalilauge ist rs nicht loslich, doch tri t t eine Verfarbung nach braun aiif.

0. GLEMSER u. G. LUTZ, Z. anorg. allg. Chem. 284, 17 (1951). 0. GLEMSER 11. CH. NAUMANN, Z. anorg. allg. Chem. 365, 288 (1951).

252 Zeitschrift fur anorganische und allgemeine Chemie. Band 278. 1955

-

6,41 1 5,lO I 4,32 3,58 ~

3,20 ~

Nr.

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 1 2 13 14

Int.

sst sst m m m m m sst 6

Tabelle 1 R o n t g e n a u f n a h m e von VO(OH),

6 O

10,2 13,O 15,4 18,7 21,o 23,O 25,7 27,9 30,9

-.- ~

I m 35,O m 36,7 s 1 38,7 9 47,4 m ~ 49,8 ss 52,7 ss 61,l ss 70,8

___ dln

2,oo 1,92 1,83 1,56 1,50 1,44 1,31 1,21

~-

Schwarzes V306( OH), Vanadinpentoxyd wird in konzentrierter Arnmoniurnchloridlosung

mit Zinkraspeln in der Hitze nach einigen Stunden uber ein grunes Produkt zu einer schwarzen Verbindung reduziert

Beispiel: In einen ERLENMEYER-Kolben gibt man zu 1 g v,o, (reinst, MERCX) eine Losung von 30gNH4CIin 150ml Wasser, fugt Ziukraspeln (reinst, MERCK) in gro- Bern UberschiiB zu und verschlieat den IColben mit einem Contat-GocKEL-Auf- satz. Wahrend 3 Stunden wird unter stetigem Ruhren (Magnetruhrung) auf etwa 100' erhitzt. Nach dem Abkuhlen dekantiert man das entstandene schwarze Produkt mit Wasser, bis es chlorfrei ist, und trocknet im eva- kuierten Exsikkator uber konzentrierter Schwefelsiiure.

Analysenergebnisse: a) Ge- Sam t v a n a d i nge ha1 t: Einwaage : 302,2; 345,l mg. Verbrauch an 0 , l n KMn0,-Losung fur Oxydation VO,,,,, bis VO,,,,: 30,24; 34,42 ml. Das ent- spricht 51,O; 50,82% V bzw. 88,29;

b) Redii k t ionsgr ad : Verbrauc h an 0 , l n KMn04-Losnng: 5,47; 10,04 ml; berechnet fur VO,,,, bis VO,,,: 15,73; 29,16 ml. Reduktionsgrad: V02,33;

c) Rontgenaufnahme: Abb. 3,

8799% VO,,w

VO,,,.

Nr. I; d-Werte siehe Tabelle 2.

0. GLEMSER u. E. SCHWARZMANN, fiber niedere Vanadinhydroxyde. I 253

5,54 4,46 3,97 3,46 3,23 3,14 2,79 2,50 2,25 2,15 2,09 1,98 1,86 1,74 1,68

Nr. __

19 20 21

I 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31

, 32 33

1 2 3 4 5 6 7 8 9

10 11 12

1 13 ~ 14

' 16

18

I 15

I 17 I

I

Int.

b0.j (OH)q

, I I I I I Ifllull,ll I I ! I I ,II,,I I I .

sst s-in sst st sst S

s t st-m S

S

S

st-m m s-m m S

S

S

Tabelle 2 Ron t g e n a u f n a h m e von V,O, (OH),

8 O

11,95 14,9 16,s 19,35 20,8 21,4 24,3 27,3 30,6 32,2 33,3 35,4 38,O 41,3 43,O 43,7 44,2 45,2

S I 46,7

s-m , 47,9 S I 49,4 s-m ' 50,9

S 54,9

S ' 60,O S 62,9

ss 66,l m ~ 66,9

68,4

S

S

S ~ 64,5

m m 1 78,s

din

1,58 1,57 1,55 1,51 1,48 1,46 1,40 1,36 1,32 1,29 1,27 1,25 1,25 1,23 1,23 1,21 1,20 1,17

~~

254 Zeitschrift fur anorganisohe und allgemeine Chemie. Band 278. 1955

Jsobarer -4bbau Die Verkhidung n urde dreiinal isobar abgebaut. Aus der clis-

liontiniiierliclicri Wasserahgabc (vgl. Abb. 2 ) wird die stocliiometrisehe Zusammeiiietzung der fierbindurig zu VO,,,, - 0,65 H,O ermittelt. Als Hydroxytl forinuliert liegt demmch V,O, (OH), or. Beim Erhitzen auf 400" ist alles Wasser vom Praparat abgeqeben, doch wird von etwa 300" a b ncben Wasser auch Sauerstoff abgespalten. Der Ruckstand \ o m isobaren Abbau ist blauschrvarz, qein Reduktioiisgrad VO,,,,.

H,O: 143,O; 70,O nig bzw. 11,7; 11,63% H,O. B e s t i m r n u n g d e s W a s a e r g e h a i t e s : Einwsage: 121!1,6; 602,l ing. Ausndage

F o r m e l d r \ s h g e b a u t e n H y d r o s y d s : VO,,,, - O,b6 H,O; VO,,,,. 0,64, H,O. Cl iemische E i g e n s c h a f t e n von V,O,(OH),: An der Luft ist das

Hydroxyd wochenlag bestandig. Es lost sich in verdunnter SchM efel- saure mit gruiier Farbe. Mit Zinkraspeln und sehr verdunnter Salz- mum, dic mit etwas NH&I versetzt ist, laat es sic11 zu cinem grunen Produkt mit eigenem charakteristischen Rontgmdiagramm (Abb. 3, Nr. 11) reduzieren. Bei 11 eiterer Einwirkung von iiaszjereiiclein Wasser- stoff tritt VO(OH), auf, das nber auf diesem Wept. bis jetzt noch nicht rein erhslten \\ erden konnte.

SchluQbemerkung Wie beim Molybdan uiid Wolfram, so scheint t's auch beim Vaiiadiri

einc groBere Zahl niederer Hydroxyde zu geben. Das geht einmal a u s den oben mitgeteilten Ergebnissen hervor ; zum arideren findet man bt,i der rontgenographisclicii Untersuchung von Syiitheseprodukten, die durch Reaktion einer Mischung voii V,O, und Vanadinpulver mit Wasser entstantlen sind, die Rontgenlinien weiterer Verbindungen, uber die Untersuchungen iioch im Gttnge sind.Vielleicht sind auch beim Vanadin genotypisehe Hydroxyde vorhanden 9), doch kiinneii hieriiber erst weitere Experimente AufschluB gehen

Dcr Deutschcn Forschungsgemeinschaft wid dern Fonds der Chemie danken r i r fur TJnterstiitznng.

Gottingeri, Anorganisch-chenzisches Imtitut der Universitat.

Bei der Redaktion eingegangen s r n 28. Oktoher 1954.

Recommended