Universität AugsburgPD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Familie und sozialer Wandel:...

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PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Familie und sozialer Wandel: Soziologische Theorien• Gesellschaftliche Differenzierung• Deinstitutionalisierung von Ehe und Familie• Individualisierung

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Die Modernisierung der Institution

Arbeit

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Arbeit als Schlüsselkategorie moderner GesellschaftenArbeit als

… Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur

… Produktion von Gütern und Dienstleistungen

… als Medium der Vergesellschaftung von Menschen

… Mühe, Zwang, Anstrengung

… Lust an der Gestaltung, Quelle der Zufriedenheit

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Das Arbeitsverständnis der Antike

Hierarchie der Bürgertugenden entspricht Hierarchie der Staatszwecke

• Politisches Handeln (Lenkung des Gemeinwesens, Pflege des Kults, Rechtssprechung) durch Freie, Reiche, Gebildete, Adlige

• Kunst der Hausverwaltung als organisierte Wirtschaftstätigkeit (oikonomia)

• Handwerk (Einsatz kunstvoller Mittel)

• Sklavenarbeit (Herstellung der nötigen Lebensmittel)

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Arbeitsverständnis im Mittelalter

• „Idee der Nahrung“, d.h. Sicherstellung einer standesgemäßen Bedarfsdeckung

• Heiligung der Nahrungssicherung Pflicht zur Arbeit vor Gott, Hochschätzung der durch Arbeit geschaffenen Werke

• Luther: Berufspflicht• Calvin: Leistungsethos

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Die Arbeitsverfassung im Mittelalter

• Landwirtschaft: Grundherrschaft, Fronarbeit• Handwerk: Zünfte: Verbot der Konkurrenz,

Regulierungganzheitliche Tätigkeitpraktische Fertigkeiten, überlieferte Regelnhierarchische Beziehung personengebundene

ErfahrungIdee des gemeinschaftlichen Handelns:

persönliche Bindung und Orientierung am Wohl der Gemeinschaft

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Die Entstehung einer Tausch- und Erwerbskultur• Der Warenhandel löst sich von der

handwerklich-zünftischen Gewerbeordnung: systematische Kontenführung, doppelte Buchführung

• Ansätze zu einer arbeitsteiligen und primär auf Produktionseffizienz und Ertragssteigerung ausgerichteten Warenproduktion

• Erwerb oder Steigerung von Gewinn um seiner selbst willen (G-W-G‘)

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Umbrüche: von der mittelalterlichen Arbeitsverfassung zum modernen industriellen Kapitalismus• „Geist des Kapitalismus“ (Dispositionen der

handelnden Subjekte, Strukturen und Institutionen wie Verträge oder Organisationen)

• Grundlegende Veränderung der Arbeit in ihren technischen und organisatorischen Bedingungen

• Änderung des ökonomischen, gesellschaftlichen und politischen Ordnungsgefüges

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Der Prozess der Rationalisierung als Grundlage des gesellschaftlichen modernen Industriekapitalismus• Kapitalistische Herrschaft

– Gewerbefreiheit– Durchsetzung einer unpersönlichen Arbeitsdisziplin

• Industrielle Revolution– Motorisierung, Mechanisierung bestehender Arbeits-,

Transport- und Verkehrsprozesse– Neue Branchenstruktur

• Gesellschaftliche Differenzierung:– Kopf- und Handarbeit– industrielle Herstellung – Dienstleistungen– Produktionssphäre - Bildungsbereich

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Drei Typen der Industrialisierung

• Industriell geprägtes Handwerk: der Wertcharakter der Arbeit bleibt erhalten, maschinelle Produktionsmittel als Arbeitshilfen, Bau und Transportgewerbe, Feinmechanik, Optik, Maschinen- und Anlagenbau

• Produktion von Massengütern: menschliche Arbeit als „Lückenbüßer der Automation“, Textilindustrie, Fahrzeugbau, Elektroindustrie

• Prozessindustrien: Nutzung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und Verfahren, Umwandlung von Stoffen, Energieerzeugung, Chemieindustrie, Lebensmittel

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Taylorismus: betriebliche Rationalisierung• Trennung von Hand- und Kopfarbeit• Leistungs- statt Festlohn• Weit vorangetriebene Arbeitsteilung• Auslese und Anpassung der Arbeiter

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Prinzipien des Fordismus (nach Pfeiffer o.J.)

• Optimierung des Arbeitsflusses durch Material- Transportsysteme (Fließband)

• Standardisierung der Teile und Produkte• Starke Mechanisierung• Verrichtungsspezialisierung

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„Traditionelles“ Rationalisierungs-prinzip: Top Down (nach Pfeiffer o.J.)

• Rationalisierung und Gestaltung der Arbeit als Aufgabe des Managements

• Hierarchie und Kontrolle auf Grundlage und Voraussetzung

• Kontrolle durch weisungsbefugte Funktions- bzw. Werksmeister

• Formalisierung und Zentralisierung der Anweisungs- und Kontrollstrukturen

• Zuweisung der Arbeitsaufgaben und detaillierte Durchführungsanweisungen

• Fixierung in Arbeitsanweisungs- und Zeitkarten („Arbeitsbüro“)

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

„Traditionelles“ Rationalisierungs-prinzip: Zeitökonomie (nach Pfeiffer o.J.)

• Intensivierung der Arbeitskraft: Steigerung der Arbeitsleistung pro Zeiteinheit

• Verdichtung des Arbeitstages

„Bereinigung“ von nicht unmittelbar arbeitsbezogenen Elementen

• Kalkulation der Arbeitsleistung über Zeit

Nivellierung qualitativer Leistungen

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

„Traditionelles“ Rationalisierungsprinzip:

Verwissenschaftlichung (nach Pfeiffer o.J.)

• Ersetzung von Erfahrungswissen durch objektivierbares Wissen

• Transformation von Erfahrungs- in Planungswissen

• Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf den Arbeitsprozess

• Arbeit als „Sache“• Entsubjektivierung• Herstellung von Wiederhol- und Berechenbarkeit

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

„Traditionelles“ Rationalisierungsprinzip: Kontinuierliche Rationalisierung (nach Pfeiffer o.J.)

• Rationalisierung als betriebliche Funktion• beständige Verfeinerung• Abspaltung von Arbeitsprozessen• Fortschreitende Rationalisierung sämtlicher

Arbeitsbereiche

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Traditionelle Ratinalisierungs-prinzipien (nach Pfeiffer o.J.)

… ermöglichen einen ungeahnten Modernisierungsschub

… waren bis in die 1970er Jahre fast ungebrochen erfolgreich

… zeigen seit den 1980er Jahren zunehmend ihre Grenzen

Ihre Prinzipien sind bis heute kulturell und gesellschaftlich spürbar

Der heutige Wandel von Arbeit ist ohne sie nicht zu verstehen

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Arbeit in „tayloristischen“ Arbeitsstrukturen (nach Pfeiffer o.J.)

• produktionsorientiert• Massenarbeiter• Repetitive Teilarbeit• Fremdbestimmt• Restriktiv• Instrumentelle Arbeitsorientierung• Männlich

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Humanisierung der Arbeit: Regulierung durch den StaatFestlegung von Arbeitsbeschränkungen

Mindestalter für Fabrikarbeit: Preußisches Regulativ (1839): 10 Jahre, ab 1853 12 Jahre, jetzt: 15 Jahre

Mutter- und Jugendschutz

Regelung von Arbeitszeiten

Gewerbeaufsicht

Gesetze und Verordnungen: Unfallverhütung, Arbeitsstätten, Lärm, Gefahrstoffe, Strahlenschutz, Bilschirmarbeitsplätze u.ä.

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Humanisierung der Arbeit: Qualität der Arbeit• Unabhängigkeit vom Maschinentakt• Arbeitszeit• Aufgaben- und Arbeitsteilung• Ganzheitlichkeit der Aufgaben• Einheit von Planung und Ausführung• Jobenrichment, Jobrotation• Sozialkontakte in der Arbeit

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Neue Produktionskonzepte (Kern, Schumann 1984)

• Vom Anbieter- zum Käufermarkt:Stagnierender Absatz

Neue Ansprüche an Flexibilität

• Einzug der MikroelektronikNC, CNC, PPS

• Neue Perspektiven der RationalisierungFlexible Produktion

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Systemische Rationalisierung

Quelle: Sabine Pfeiffer; Tobias Ritter; Erik Treske: Work Based Usability: Produktionsmitarbeiter gestalten ERP-Systeme "von unten". ISF München 2008.

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Rationalisierungsgewinner- und verlierer• Neue Ansprüche an qualifiziertes Fachpersonal• Rationalisierungsgewinner:

Produktionsfacharbeiter, Instandhaltungsspezialisten

• Rationalisierungsverlierer: Ältere, Geringqualifizierte, Arbeitslose

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Alternativen zum Taylorismus I(in Anlehnung an Minssen 2006, S. 33)

Tayloristischer Modus• Standardproduktion• Fließband (Zwangstakt)

• unqualfizierte Massenarbeit• Vertikale Aufgabenteilung

(Trennung, Disposition, Ausführung)

• Horizontale Arbeitsteilung

• Arbeitsplatzbindung

Funktionale Alternativen• Produktvielfalt• Modulfertigung, Fertigungsinseln

(Entkoppelung)• Qualifizierte Facharbeit• Aufgabenintegration (ganzheit-

liche Aufgaben, Integration indirekter Bereiche)

• Horizontale Aufgabenintegration (Job Enlargement)

• Arbeitsplatzwechsel (Job Rotation)

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Alternativen zum Taylorismus II(in Anlehnung an Minssen 2006, S. 33)

Tayloristischer Modus• konfliktive Arbeits-

beziehungen• Hierarchisches Manage-

ment• Zeitvorgabe• Einzelarbeit• Externe Kontrolle• Niedrige Arbeitsmotivation

(Gleichgültigkeit)

Funktionale Alternativen• Kooperative Arbeits-

beziehungen• Partizipatives Management

• Zeitsouveränität• Gruppenarbeit• Interne Selbstregulation• Hohe Arbeitsmotivation

(„Identifikation“)

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Traditionelle und moderne Produktionsarbeit I (nach Minssen 2006, S.103)

Maschinen- und Anlagenführer

Facharbeiter (traditionell)

Facharbeiter (neuen Typs)

Qualifikation Zum Teil Ausbildung,

oft fachfremd

Ausbildung in einem technischen Beruf (traditionelle Berufsbilder)

Ausbildung in einem technischen Beruf (neugeordnete Berufsbilder)

Qualifikations-erweiterung durch

„learning by doing“

Berufserfahrung Problemlösungs-erfahrung

Systemregulierer

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Traditionelle und moderne Produktionsarbeit II (nach Minssen 2006, S.103)

Maschinen- und Anlagenführer

Facharbeiter (traditionell)

Facharbeiter (neuen Typs)

Qualifikations-reichweite

anlagenbezo-gen

berufsbildbe-zogen

problemtypbe-zogen

Berufsverständ-nis/Habitus

„alter Hase“ „solider Handerwerker“

„Problemlöser“

Wahrnehmung von Problem-situationen

Probleme als Belastung

Probleme als Herausfor-derung

Systemregulierer

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Dezentralisierung

• Verlagerung von Entscheidungskompetenzen und Verantwortung von „oben“ nach „unten“

• Strategische Dezentralisierung: Aufgaben werden auf neu definierten Unternehmenseinheiten verlagert oder ausgelagert

• Operative Dezentralisierung: Aufgaben werden aus der Hierarchie bzw. den indirekten Abteilungen zu den ausführend Beschäftigten verlagert

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Operative Dezentralisierung

• Qualitätszirkel und kVP

• Gruppenarbeit

• Projektgruppen

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Gruppenarbeit: Typische Aufgaben I

• Erweiterte fachliche AufgabenVerwaltung von Materialien und Werkzeugen

WartungInstandsetzungReaktion auf Störungen

• KontrolleQualitätskontrolle

Dokumentation der ProduktqualitätWareneingangskontrolleFehlerdokumentation

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Gruppenarbeit: Typische Aufgaben II

• DispositionBestellung von Zulieferteilen

Verbuchung von Zulieferteilen

(Hand-) Lagerverwaltung

• Beteiligung an PlanungsaufgabenKontakte zu vor- und nachgelagerten Bereichen

Absprachen mit Arbeitsvorbereitung

Kontakt zur Qualitätssicherung

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Dienstleistungen

• Originäre Dienstleistungen von Unternehmen, die nur Dienstleistungen und keine materiellen Güter herstellen

Handel, Banken, Versicherungen, Verkehrs-,

Gesundheits-, Erziehungs-, Bildungswesen: personenbezogene Dienstleistungen

• Produktbegleitende und industrienahe Dienstleistungen

PD Dr. Annegret Bolte, Sommersemester 2008 Universität Augsburg

Soziale Interaktion als Arbeit

• Gefühlsarbeit (sentimental work): auf die Gefühle der Klienten eingehen und diese beeinflussen

• Emotionalarbeit (emotional labour): Bearbeitung der eigenen Gefühle

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Subjektivierung von Arbeit

• Doppelter Subjektivierungsprozess:

erhöhter funktionaler Bedarf nach Subjektivität

subjektive Ansprüche der Beschäftigten

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Subjektivierung von Arbeit 2

• Zuständigkeit der Arbeitenden für aktive Selbststeuerung und Selbstüberwachung der eigenen Arbeit

• Verhältnis zur eigenen Arbeitskraft als Ware verändert sich: Selbstkontrolle und Selbstrationalisierung

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