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Wissenschaftliche Gütekriterienbei sportmotorischen Tests
Reliabilität, Validität undZusammenhangsmerkmale ausgewählterleistungsdiagnostischer Verfahren
Christian T. Jansen
Diplomica Verlag
Christian T. Jansen Wissenschaftliche Gütekriterien bei sportmotorischen Tests: Reliabilität, Validität und Zusammenhangsmerkmale ausgewählter leistungsdiagnostischer Verfahren ISBN: 978-3-8428-2081-4 Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2012 Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes.
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Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen.
© Diplomica Verlag GmbH http://www.diplomica-verlag.de, Hamburg 2012
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ............................................................................................... 3
1.1 Struktur der Kraftfähigkeiten aus dimensionsanalytischer Sicht ......... 5 1.1.1 Gegenseitige Abhängigkeit der Kraftfähigkeiten ........................ 18
1.2 Prinzipien des sportlichen Trainings am Beispiel Kraft ..................... 22 1.3 Belastungsnormative ........................................................................ 26 1.4 Leistungsdiagnostik im Sport ........................................................... 28
1.4.1 Kategorien der kraftdiagnostischen Messverfahren................... 31 1.5 Exemplarische Messverfahren der Kraftdiagnostik .......................... 33
1.5.1 Sprungdiagnostik ....................................................................... 33 1.5.2 Isokinetik ................................................................................... 40
1.5.2.1 Prinzip der isokinetischen Kraftmessungen ........................ 40 1.5.3 Bestimmung des Einer-Wiederholungs-Maximums (EWM) ....... 45
1.6 Gütekriterien sportmotorischer Tests ............................................... 48 1.6.1 Hauptgütekriterien ..................................................................... 49 1.6.2 Nebengütekriterien .................................................................... 57
2. Material und Methode .......................................................................... 59
2.1 Untersuchungsdesign ...................................................................... 59 2.2 Hypothesenbildung .......................................................................... 62 2.3 Personenstichprobe ......................................................................... 66 2.4 Untersuchungsablauf ....................................................................... 68 2.5 Geräte und Materialien ..................................................................... 77 2.6 Überprüfung der Gütekriterien für ausgewählte Testverfahren ........ 84 2.7 Statistik ............................................................................................ 86
3. Ergebnisdarstellung ............................................................................ 89
3.1 Sprungdiagnostik ............................................................................. 89 3.2 Isokinetische Kraftmessungen ....................................................... 106
3.2.1 Kniegelenk Durchschnittswerte ............................................... 106 3.2.2 Kniegelenk Maximalwerte ........................................................ 112 3.2.3 Sprunggelenk Durchschnittswerte ........................................... 118 3.2.4 Sprunggelenk Maximalwerte ................................................... 127
3.3 Isometrische Kniebeuge ................................................................. 135
2
3.4 Interspezifische Korrelationen der ausgewählten Testverfahren .... 139 3.4.1 Sprungdiagnostik ..................................................................... 140 3.4.2 Sprungdiagnostik und isokinetische Kraftmessungen .............. 147 3.4.3 Sprungdiagnostik und isometrische Kniebeuge ....................... 149 3.4.4 Isokinetische Kraftmessungen und isometrische Kniebeuge ... 149
3.5 Auswertung des Fragebogens ....................................................... 156 3.5.1 Befindlichkeit am Testtag ......................................................... 156 3.5.2 Motivation am Testtag ............................................................. 160
3.6 RPE- und Schmerzskalen .............................................................. 161 4. Ergebnisdiskussion und Ausblick ................................................... 166
4.1 Sprungdiagnostik............................................................................ 166 4.2 Isokinetische Kraftmessungen (Kniegelenk) .................................. 169 4.3 Isokinetische Kraftmessungen (Sprunggelenk) .............................. 171 4.4 Isometrische Kniebeuge ................................................................. 173 4.5 Zusammenhangsmerkmale der ausgewählten Testverfahren ........ 175
5. Zusammenfassung ............................................................................ 177
6. Literaturverzeichnis ........................................................................... 179
7. Abbildungsverzeichnis ...................................................................... 190
8. Tabellenverzeichnis ........................................................................... 196
3
1. Einleitung
Dem konditionellen Faktor Kraft wird vielfach eine grundlegende Bedeutung
bezüglich der individuellen Leistungsfähigkeit zugeschrieben. Demnach
scheint ein gezielt durchgeführtes Krafttraining sowohl für Zielsetzungen im
sportlichen Bereich als auch für die Befindlichkeit im Alltag von großem Wert
zu sein. In der medizinischen Rehabilitation führt Denner (1998) z.B. eine
Steigerung der isometrischen Maximalkraft der Hauptfunktionsmuskeln von
Rumpf und Halswirbelsäule als Option zur Linderung chronischer Rücken-
schmerzen an. Im Bereich des Freizeit- und Breitensports ist das Krafttrai-
ning ebenfalls als ein wichtiger Bestandteil kommerzieller und nicht-
kommerzieller Anbieter anzusehen. War bis vor einigen Jahren ein Krafttrai-
ning nur im Bereich der Schwerathletik und den von Kraft dominierten Diszip-
linen denkbar, so hat sich dieses Bild auch im Leistungs- und Hochleistungs-
sport erheblich gewandelt. Demnach ist das Krafttraining auch in den Trai-
ningsplänen der Leichtathletik und Mannschaftssportarten fest verankert.
Unter anderem konnten die Arbeitsgruppen um Bangsbo et al. (1991), Hoff &
Helgerud (2004) sowie Wisloff et al. (2004) positive Effekte eines auf neuro-
nale Anpassungen ausgelegten Krafttrainings bei Profi-Fußballern feststel-
len. Sie evaluierten übereinstimmend Verbesserungen der Sprintfähigkeit.
Vor dem Hintergrund aktueller trainingswissenschaftlicher Erkenntnisse und
den daraus resultierenden Konsequenzen für die Trainingspraxis ist eine an-
gemessene Trainingssteuerung unabdingbar. Als Voraussetzungen hierfür
sind die Trainingsplanung und die Leistungsdiagnostik anzuführen
(Weineck, 2007). Basierte die Trainingsplanung noch vor 40 Jahren aus-
schließlich auf so genannten „Meisterlehren“ ehemaliger Weltklasseathleten,
so ist dieser Bereich besonders im Hochleistungssport mit wissenschaftli-
chem Wissen angereichert worden (Hohmann, Lames & Letzelter, 2002).
Ähnliches gilt für die Leistungsdiagnostik, welche für die Optimierung der
sportlichen Leistungsfähigkeit unerlässlich ist (Grosser, 1991). Nach
Steinhöfer (2003) und Weineck (2007) beinhaltet Leistungsdiagnostik das
Erkennen, Benennen und Erfassen des individuellen Niveaus der Kompo-
nenten einer sportlichen Leistung oder eines sportlichen Leistungs-Ist-
Zustandes. Es wird die Intention verfolgt, sowohl quantitative als auch quali-
4
tative Aussagen über sportliche Leistungen treffen zu können. Vor diesem
Hintergrund kommt den sportmotorischen Tests eine große Bedeutung zu.
Lienert (1969, S. 7) definiert diese als „[…] wissenschaftliche Prüfverfahren
zur Untersuchung sportmotorischer Merkmale, die unter standardisierten Be-
dingungen ablaufen […].“ Die Definition von Lienert lässt folgern, dass bei
einem erhobenen wissenschaftlichen Anspruch bestimmte wissenschaftliche
Kriterien erfüllt werden müssen. Ob zwei der drei Hauptgütekriterien, die Re-
liabilität und die Validität, bei ausgewählten leistungsdiagnostischen Verfah-
ren erfüllt werden, steht im Zentrum des vorliegenden Buches. Orientiert an
der leistungsdiagnostischen Praxis werden folgende Verfahren hinsichtlich
Reliabilität, Validität und ihrer Zusammenhangsmerkmale überprüft:
• Sprungdiagnostik
1. Countermovement-Jump
2. Squat-Jump
3. Drop-Jump
• Isokinetik
1. Drehmomentsentwicklungen im Kniegelenk
2. Drehmomentsentwicklungen im Sprunggelenk
• Isometrische Kniebeuge (Einer-Wiederholungs-Maximum)
Gemäß der aktuellen Studienlage ist anzunehmen, dass die ausgewählten
Verfahren der Kraftdiagnostik sowohl ausreichend reliabel als auch valide
sind (vgl. Möller et al., 2000; Carlock et al., 2004). Bezüglich ihrer Zusam-
menhangsmerkmale ist die empirische Befundlage, auch durch die unter-
schiedlichen Untersuchungsdesigns, differenziert zu betrachten (vgl. Nuzzo
et al., 2008). Um die Ergebnisse der Untersuchung objektiv beurteilen zu
können, erfolgt ein Vergleich mit bereits erhobenen Normwerten anderer
wissenschaftlicher Erhebungen. Im Rahmen dieser Pre-Post-Studie absolvie-
ren hierzu zehn Versuchsteilnehmer die komplette Testbatterie insgesamt
zweimal, jeweils exakt im Abstand von einer Woche und zur identischen Ta-
geszeit. Es erfolgt ebenfalls die Erhebung der Befindlichkeit und Motivation
5
am Testtag sowie die Ermittlung des subjektiven Schmerz- und Belastungs-
empfindens (RPE-Skala nach Borg) nach dem jeweiligen sportmotorischen
Test.
1.1 Struktur der Kraftfähigkeiten aus dimensionsanalytischer Sicht
Aus physikalischer Sicht fällt eine exakte Definition der Kraft F (engl. force)
relativ leicht. Hierbei wird unter der abgeleiteten Größe Kraft die mechani-
sche Wechselwirkung zwischen mindestens zwei Körpern verstanden. Die
Kraft wird in Newton [N] gemessen (Preiß, 1996). Eine genaue Definition der
körperlichen Fähigkeit Kraft (engl. strength) fällt dagegen ungleich schwerer,
da sowohl physische als auch psychische Aspekte berücksichtigt werden
müssen. Hohmann, Lames und Letzelter (2002) sind der Ansicht, dass es
bezüglich der Terminologie des Kraftbegriffs nicht selten zu Diskrepanzen
kommt. „Die Ursache liegt in den verschiedenen Betrachtungsweisen des
Phänomens Kraft“ (S. 66). Spricht man von dem Kraftbegriff als körperliche
Fähigkeit, so ist demnach eine Differenzierung vorzunehmen, welche den
unterschiedlichen Kraftmanifestationen sowie den einzelnen Formen der
Muskelarbeit und Muskelanspannung gerecht wird (Weineck, 2007). Eine
weitere Differenzierung der Kraft kann durch eine phänomenorientierte oder
eine dimensionsanalytische Betrachtungsweise erfolgen (Wang, 1994).
Schmidtbleicher (1987) sieht eine Differenzierung der Kraftfähigkeit, welche
ausschließlich auf der äußeren Erscheinungsform bzw. auf Bewegungsfertig-
keiten basiert, als nicht unproblematisch an, da eine exakte Trennung bzw.
Gewichtung von konditionellen und koordinativen Einflüssen auf die Kraft
erschwert wird.
Im Rahmen dieses Buches wird daher die Struktur der Kraftfähigkeit aus di-
mensionsanalytischer Sicht betrachtet. Der dimensionsanalytische Ansatz
inkludiert morphologisch-physiologische und neurophysiologische Faktoren.
Ausführliche Beschreibungen zu Dimensionen und Strukturierungen der Kraft
sind bei Bührle (1989) und Bührle & Schmidtbleicher (1981) zu finden.
Grundsätzlich lässt sich die Kraft in ihre drei Hauptformen Maximalkraft,
Schnellkraft und Kraftausdauer einteilen (Nett, 1964). Güllich und Schmidt-
bleicher (1999) legen dar, dass diese drei Subkategorien der Kraft nicht als
gleichwertig zu bezeichnen sind. Die Maximalkraft stellt in diesem Kontext
6
vielmehr eine Art Basisfähigkeit dar und übt dabei einen direkten Einfluss auf
die Schnellkraft und Kraftausdauer aus. Daher generiert eine Verbesserung
der Maximalkraft im Normalfall ebenfalls Leistungssteigerungen in den Berei-
chen Schnellkraft und Kraftausdauer. Bei untrainierten Freizeitsportlern konn-
ten die Untersuchungsergebnisse von Marx et al. (1998) diese positiven Ef-
fekte einer verbesserten Maximalkraft bestätigen. Die von der “Freiburger
Gruppe“ konzipierte Struktur der Kraftfähigkeiten ist in Abbildung 1 darge-
stellt.
Abb.1. Struktur der motorischen Eigenschaft Kraft (Güllich & Schmidtbleicher, 1999, S. 224).
Güllich & Schmidtbleicher (1999) stellen die Schnellkraft und die Kraftaus-
dauer als relativ autonome Bereiche der Kraft dar. Hierbei unterscheiden sie
zwischen einer isometrischen oder konzentrischen Arbeitsweise und einer
exzentrisch-konzentrischen Arbeitsweise (Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus).
Der Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) wird ebenfalls als relativ eigen-
7
ständiger Bereich angesehen und in einen kurzen (200ms) unterteilt. Im Gegensatz zu anderen Autoren nehmen Güllich &
Schmidtbleicher (1999) keine dimensionale Trennung von statischer und dy-
namischer Maximalkraft vor. Aufgrund eigener empirischer Untersuchungen
erfolgt keine Differenzierung in isometrische und konzentrische Maximalkraft.
So konnten zwischen isometrischer und konzentrischer Maximalkraft Korrela-
tionskoeffizienten von r ≥ 0,85 nachgewiesen werden. Bei trainierten Leis-
tungssportlern lag dieser Zusammenhang bei r ≥ 0,90. Eine Einordnung der
exzentrischen Maximalkraft als eigenständige Fähigkeit wird im Modell der
“Freiburger Gruppe“ ebenfalls nicht vorgenommen. Zwischen isometrischen
und exzentrischen Maximalkraftleistungen konnten bei allen Versuchsgrup-
pen Korrelationskoeffizienten von r ≥ 0,85 dokumentiert werden (Güllich &
Schmidtbleicher, 1999).
In der internationalen Literatur wird die körperliche Kraftfähigkeit (engl.
strength) wie folgt definiert: „Strength is the maximal amount of force a mus-
cle or muscle group can generate in a specified movement pattern at a speci-
fied velocity of movement“ (Knuttgen & Kraemer, 1987, S. 6). Diese Definiti-
on inkludiert die konzentrische, exzentrische und die isometrische Arbeits-
weise der Muskulatur. Die dynamische Maximalkraft (engl. One-Repetition-
Maximum) wird als „load which could be lifted once only, throughout the
complete range of movement” bezeichnet (vgl. Berger, 1967; McCartney et
al., 1988).
Analog zu Hohmann et al. (2002) sehen auch Hollmann & Hettinger (2000)
in der Vielzahl der gebräuchlichen Kraftbezeichnungen, besonders in deut-
schen Publikationen, die Ursache für eine unterschiedliche Terminologie des
Kraftbegriffs. „Zwecks Vereinheitlichung dieser Vielfalt von Begriffen empfeh-
len wir die Benutzung der Standardbezeichnungen statische Kraft und dyna-mische Kraft“ (S. 162). Die Autoren nehmen somit im Gegensatz zu Güllich &
Schmidtbleicher (1999) eine dimensionale Trennung von statischer und dy-
namischer Kraft vor. Hollmann et al. (2000) sehen in dieser Begriffsbezeich-
nung Vorteile, da per se auf die jeweilige Arbeitsform (statisch/dynamisch)
hingewiesen wird. Der Begriff der statischen Kraft wird definiert „als diejenige
Spannung, gemessen in N, die ein Muskel oder eine Muskelgruppe in einer
bestimmten Position willkürlich gegen einen fixierten Widerstand auszuüben
8
vermag“ (S. 162). Die dynamische Kraft „ist die willkürlich ausgeübte Bewe-
gung einer Masse innerhalb eines programmierten Vorganges […]“
(Hollmann et al., 2000, S. 182).
De Marées (2003) berücksichtigt bei seiner Definition der statischen und dy-
namischen Kraft zusätzlich die Form der Muskelanspannung und die damit
verbundene Veränderung der Muskellänge. „Statische Kraft wird von einem
Muskel oder einer Muskelgruppe bei vorgegebener Gelenkwinkelstellung
willentlich gegen relativ zu große ruhende Massen oder fixe Widerstände
entwickelt, ohne dass sich dabei die Muskellänge sichtbar ändert“ (S. 189).
„Dynamische Kraft wird von einem Muskel oder Muskelgruppe im Rahmen
eines Bewegungsablaufes willentlich gegen sich dabei bewegende Massen -
u.a. gegen die eigene Körpermasse oder Teile davon - unter sichtbarer Län-
genänderung der Muskulatur entwickelt“ (S.189).
Die Einteilung der Kraft in ihre Hauptformen Maximalkraft, Schnellkraft und
Kraftausdauer nach Nett (1964) wurde bereits zu Beginn dieses Kapitels
dargelegt. Nach heutigem Wissen wird diese Kategorisierung durch die Re-
aktivkraft ergänzt (Ehlenz, Grosser & Zimmermann, 1998; Martin, Carl &
Lehnertz, 2001; Weineck, 2007). Eine entsprechende Übersicht liefert Abbil-
dung 2.
9
Abb.2. Die Kraft und ihre verschiedenen Kraftfähigkeiten und Erscheinungsformen
(Weineck, 2007, S. 372).
Einer derartigen Kategorisierung der Kraft pflichtet unter anderem Pampus
(1995) bei. Er legt dar, dass im Sport nicht die Kraft schlecht hin auftritt, son-
dern dass entsprechend der spezifischen motorischen Anforderungen der
jeweiligen Sportart die Kraft nach den genannten vier Kraftfähigkeiten diffe-
renziert werden muss. Auch Weineck (2007) ist der Auffassung, dass „die
Kraft in den verschiedenen Sportarten niemals in einer abstrakten „Reinform“
[auftritt], sondern stets in einer Kombination bzw. mehr oder weniger nuan-
cierten Mischform der konditionellen physischen Leistungsfaktoren“ (S. 371).
Nachfolgend werden die einzelnen Kraftfähigkeiten detaillierter dargestellt.
Maximalkraft Nach Weineck (2007) stellt die Maximalkraft „die höchstmögliche Kraft dar,
die das Nerv-Muskel-System bei maximaler willkürlicher Kontraktion auszu-
üben vermag“ (S. 371). Der Autor unterteilt dabei die Maximalkraft in eine
statische und dynamische Variante (vgl. Abb. 2). Die statische Maximalkraft
ist dabei grundsätzlich größer als die dynamische, da eine maximale Kraft
nur auftreten kann, wenn sich die auftretende Belastung und die Kontrak-
tionskraft des Muskels das Gleichgewicht halten. Die Autoren Schnabel,
Harre & Borde (1997) nehmen wie Hohmann et al. (2002) ebenfalls eine di-
mensionale Trennung von statischer und dynamischer Maximalkraft vor. „Die
Maximalkraft wird durch eine willkürliche Muskelkontraktion bis zur Grenze
10
der maximalen Mobilisierung erreicht und bei einer maximalen konzentri-
schen oder isometrischen Muskelaktion gemessen“ (S. 77).
Güllich & Schmidtbleicher (1999) sehen aufgrund eigener Forschungsergeb-
nisse keine Veranlassung, eine Trennung von statischer und dynamischer
Maximalkraft vorzunehmen (vgl. Abb. 1). De Marées (2003) ist ebenfalls der
Ansicht, dass die entwickelte isometrische Maximalkraft eines Muskels oder
einer Muskelgruppe und die bei einer dynamisch-konzentrischen Bewegung
generierte Maximalkraft nahezu identisch sind. Als Begründung führt er die
aufgrund des hohen Lastgewichts stark verlangsamte dynamisch-
konzentrische Bewegung an. „Unter dieser Perspektive könnte auf eine Diffe-
renzierung der Maximalkraft in eine isometrische und dynamische Kompo-
nente verzichtet werden. […] Allerdings könnten dann beträchtliche, primär
auf divergierendes neuronales Aktivierungsvermögen zurückführende inter-
individuelle Leistungsunterschiede nicht mehr diagnostisch erfasst werden“
(S. 189). Nach Hohmann et al. (2002) wird die Maximalkraft1 durch folgende
Faktoren determiniert:
1. physiologischer Muskelquerschnitt („Brückenbildung zwischen Aktin
und Myosin“),
2. Muskelfaserzusammensetzung,
3. willkürliche Aktivierungsfähigkeit.
Allerdings sind Krafteinsätze, welche bei über 80% der Maximalkraft liegen,
willentlich kaum zu realisieren. Nur in Extremsituationen (z.B. Lebensgefahr)
können diese Kraftreserven mobilisiert werden. Die Summe aus Maximalkraft
und Kraftreserven wird als Absolutkraft bezeichnet. Die Differenz zwischen
Absolutkraft und Maximalkraft nennt man Kraftdefizit. Dieses kann bei kraft-
untrainierten Personen durchaus 30% betragen. Bei Krafttrainierten ist ein
Kraftdefizit von lediglich 10% möglich (Weineck, 2007).
In der Trainingspraxis kann eine valide Bestimmung der Absolutkraft jedoch
ausschließlich über eine Elektrostimulation des entsprechenden Nervs erfol- 1 Die Maximalkraft ist ebenfalls stark von der aktiven Muskelmasse abhängig. So konnten
bei Hochleistungsgewichthebern Korrelationskoeffizienten von r ≥ 0,80 zwischen Maxi-malkraft und Körpergewicht nachgewiesen werden (Zatsiorsky, 1996). Daher sollte die Maximalkraft vor dem Hintergrund der Relativkraft stets in Relation zum Körpergewicht betrachtet werden (Tittel & Wutscherk, 1992).
11
gen, da selbst bei höchster willentlicher Aktivierung nicht die maximale Zahl
von Aktionspotenzialen an die motorischen Einheiten geleitet werden können
(de Marées, 2003).
Schnellkraft Die Schnellkraft beinhaltet nach Weineck (2007) „die Fähigkeit des Nerv-
Muskelsystems, den Körper, Teile des Körpers (z.B. Arme, Beine) oder Ge-
genstände (z.B. Bälle, Kugeln, Speere, Disken etc.) mit maximaler Ge-
schwindigkeit zu bewegen“ (S. 374). Fleck & Kraemer (2004) definieren den
Begriff Power, welcher der deutschen Bezeichnung Schnellkraft nahe kommt,
als „the rate of performing work. Power during a repetition is defined as a
weight lifted multiplied by the vertical distance the weight is lifted divided by
the time to complete the repetition” (S. 5). Hollmann & Hettinger (2000) ord-
nen die Schnellkraft der dynamischen Kraft zu und definieren diese als „[…]
dynamische Kraft pro Zeiteinheit“ (S. 182). Hohmann et al. (2002) verstehen
unter dem Begriff Schnellkraft die Fähigkeit „einen möglichst hohen Impuls in
möglichst kurzer Zeit zu entfalten“ (S. 80) und sehen somit bei schnellkräfti-
gen Handlungen eine gewisse Abhängigkeit von der Maximalkraft.
Der Einfluss der Maximalkraft ist dabei an den äußeren Widerstand adaptiert.
Je geringer dieser ist, desto geringer ist auch die Maximalkraft. Bei mittleren
Widerständen wird die Leistung von der maximum rate of force development
(MRFD) determiniert. Die MRFD wird nach Bührle & Schmidtbleicher (1981)
als Explosivkraft bezeichnet (vgl. Werchoshanskij & Tatjan, 1975). Bei ballis-
tischen Bewegungen gegen geringere Widerstände ist die initial rate of force
development (IRFD) der limitierende Faktor. Der IRFD wird der Terminus
Startkraft zugeordnet.
Die Explosivkraft wird nach Güllich & Schmidtbleicher (1999) als Fähigkeit
bezeichnet, einen möglichst steilen Kraftanstieg zu erzeugen. Die größte
entwickelte Kraftzunahme bezogen auf die Zeiteinheit während eines Kraft-
Zeit-Verlaufes gibt de Marees (2003) als Explosivkraft an. Die Startkraft wird
von Hollmann & Hettinger (2000) als Kraftanstieg vom Kontraktionsbeginn
bezeichnet. Schmidtbleicher & Gollhofer (1991) benennen die Startkraft
ebenfalls als die Fähigkeit, zu Beginn der Anspannung eine möglichst hohe
Kraftentwicklung generieren zu können. Das für die Startkraft geltende Zeit-
12
fenster ab Kontraktionsbeginn beziffern die Autoren auf 50ms. Dieser Zeit-
raum wird jedoch in der Literatur kontrovers dargestellt und auch mit 30ms
angegeben (Vgl. Tidow & Wiemann, 1993; Hollmann & Hettinger, 2000;
Weineck, 2007).
Die genannten Schnellkraft-Parameter und die charakteristische Kraft-Zeit-
Kurve sind in Abbildung 3 abgebildet. Der Grad des Anstiegs dieser Kurve
kann als verlässlicher Indikator für das Schnellkraftvermögen angesehen
werden (Weineck, 2007). Die Startkraft stellt dabei den Anstieg der Kraft zu
Beginn der Kraftentfaltung dar. Die Explosivkraft ist für den steilsten Anstieg
der Kurve verantwortlich. Der Kraftanstieg bis zum generierten Kraftmaxi-
mum wird als Schnellkraftindex bezeichnet.
Die Schnellkraft ist nach de Marées (2003) von folgenden Faktoren abhän-
gig:
1. von dem aktiven Muskelquerschnitt (Maximalkraft),
2. von der Muskelfaserzusammensetzung („slow twitch“2, „fast twitch“),
3. von der Aktionspotenzialfrequenz.
2 Slow-twitch: Rote, langsam zuckende Fasern mit einem höheren Myoglobingehalt. Fast-
twitch: Weiße, schnell zuckende Fasern mit einer höheren glykolytischen Aktivität. Die Muskelfaserveretilung gilt grundsätzlich als genetisch determiniert. In bestimmten Gren-zen können jedoch trainingsbedingte Adaptationen (Hypertrophie, Umwandlungen) er-folgen.
13
Abb.3. Schnellkraft-Parameter (Hollmann & Hettinger, 2000, S. 187, in Anlehnung an
Bührle, 1985).
Reaktivkraft Schmidtbleicher & Gollhofer (1985) verstehen unter reaktivem Bewegungs-
verhalten die Fähigkeit des Organismus, aus einer exzentrischen Bewegung
heraus, in kürzester Zeit einen möglichst großen konzentrischen Kraftanstieg
entfalten zu können. Demnach ist Reaktivkraft „jene Muskelleistung, die in-
nerhalb eines Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (DVZ) einen erhöhten Kraftstoß
generiert“ (Martin et al., 2001, S. 107). Der DVZ bezeichnet die Kombination
von exzentrischer und konzentrischer Kontraktion und wird von Hollmann et
al. (2000) als eigenständiger Bereich der dynamischen Kraft angegeben.
Bedingt durch ihre neuronalen und mechanischen Besonderheiten gilt die
Reaktivkraft als eigenständige Erscheinungsform der Kraft (vgl. Abb. 2). Es
sind sowohl die Maximalkraft, die Fähigkeit zur schnellen Kontraktion, als
auch die reaktive Spannungsfähigkeit als Einflussfaktoren der Reaktivkraft
anzuführen. Als weitere beeinflussende Größen gelten die intra- und inter-
muskuläre Koordination sowie motivationale Faktoren (Neubert, 1999). Die
reaktive Spannungsfähigkeit ist von neuromuskulär bedingten, segmentellen
14
Dehnungsreflexen und der „muscle stiffness“3 abhängig. (Werchoshanskij,
1972; Gollhofer, 1987; Bührle, 1989).
Erfährt ein aktivierter Muskel eine Dehnung oder wird ein passiv gedehnter
Muskel aktiviert, so erhöht dieser seine Spannung und speichert Energie in
den so genannten serienelastischen Teilen. Der Großteil der Serienelastizität
befindet sich nach Huxley & Simmons (1971) in den gebildeten Brücken zwi-
schen Aktin und Myosin. Hierbei bewegen sich die Myosinköpfe während des
Dehnungsvorganges auf eine Position höherer Energie zurück. Um diese
Energie nutzen zu können, sollten sowohl die Dehnung als auch das Zeit-
fenster zwischen Dehnung und Entdehnung möglichst kurz sein. Ist das nicht
der Fall, so führt dies durch die verlängerte Dehnungszeit zu einer Auflösung
der gebildeten Brücken zwischen Aktin und Myosin. Die Folge ist ein Verlust
des gespeicherten elastischen Potentials (Komi, 1985).
Der für die Reaktivkraft als charakteristisch geltende DVZ wird in eine lange
(>200ms) und kurze (
15
haltbaren Definitionen vorliegen. Als eine Folge dieser uneinheitlichen Ter-
minologie sehen Klein & Fröhlich (2001) nicht unerhebliche Diskrepanzen
bezüglich der Trainingsmethodik und der Belastungsnormative im Kraftaus-
dauerbereich.
Eine Vielzahl der in der Literatur angegebenen Definitionen basieren auf den
Ausführungen von Harre (1971). „Die Kraftausdauer ist die Ermüdungswider-
standsfähigkeit des Organismus bei langandauernden Kraftleistungen“ (S.
125). Letzelter (1978) sieht jedoch den Begriff „langandauernde Kraftleistun-
gen“ als einen zu unpräzise formulierten Faktor an, wodurch eine benötigte
Quantifizierung der Kraftausdauer kaum realisierbar ist. Schmidtbleicher
(1989) liefert daher Angaben zu Belastungsintensität und Belastungsdauer.
„Mit Kraftausdauer wird die Fähigkeit des neuromuskulären Systems be-
zeichnet, eine möglichst große Impulssumme in einem definierten Zeitraum
(längstens 2 Minuten bei maximaler Auslastung) gegen höhere Lasten (mehr
als 30% der Maximalkraft) zu produzieren und dabei die Reduktion der pro-
duzierten Impulse im Verlauf der Belastung möglichst gering zu halten“ (S.
13). In einer aktuelleren Definition des Kraftausdauerbegriffes geben Güllich
& Schmidtbleicher (1999) an, dass sich die Kraftausdauer aus zwei Kompo-
nenten zusammensetzt. Zum einen führen die Autoren die Größe des Einzel-
kraftstoßes an, und zum anderen die Fähigkeit, die Reduktion der Kraftstoß-
summe möglichst gering zu halten. Dies hat eine Abhängigkeit der Kraftaus-
dauer von der Maximalkraft und der Ermüdungswiderstandsfähigkeit zur Fol-
ge (Nicolaus, 1995; Klein & Fröhlich, 2001). Die Autoren Rohmert (1960) und
Shaver (1970) sind der Ansicht, dass dieser Dualismus sowohl auf die stati-
sche als auch die dynamische Arbeitsweise zutrifft. Die Abhängigkeit zwi-
schen Lastgröße und Wiederholungszahl wird in Abbildung 4 dargestellt.
16
Abb.4. Graphische Darstellung der Abhängigkeit zwischen Lastgröße und Wiederholungs-
zahl (Weineck, 2007, S. 380, in Anlehnung an Zaciorskij et al., in Matwejew, 1981).
Der Abbildung 4 ist zu entnehmen, dass mit einer Erhöhung der zu bewälti-
genden Last die Anzahl der Wiederholungen reduziert wird. Demnach defi-
nieren Martin et al. (2001) Kraftausdauer als die Fähigkeit „bei einer be-
stimmten Wiederholungszahl von Kraftstößen innerhalb eines definierten
Zeitraumes die Verringerung der Kraftstoßhöhen möglichst geringzuhalten“
(S. 109).
Weineck (2007) definiert die Kraftausdauer als Ermüdungswiderstandsfähig-
keit gegenüber Belastungen, die bei über 30% des individuellen iso-
metrischen Kraftmaximums liegen. Auch Hohmann et al. (2002) führen für
eine Kraftausdauerbelastung einen Bewegungswiderstand an, welcher eben-
falls bei mindestens 30% der Maximalkraft anzusiedeln ist. Liegt dieser Be-
wegungswiderstand bei unter 30% der individuellen Maximalkraft, so spre-
chen die Autoren von einer aeroben Ausdauerbelastung. Bei höheren Belas-
tungen können nach Pach (1991) drei Erscheinungsweisen der Kraftausdau-
er unterschieden werden. Hierzu liefert die Abbildung 5 einen Überblick.
17
Abb.5. Erscheinungsweisen der Kraftausdauer (Hohmann et al., 2002, S. 84, in Anlehnung
an Pach, 1991).
Die hochintensive statisch-dynamische Kraftausdauer wird hauptsächlich den
kraftorientierten Kurzzeit-Ausdauerdisziplinen zugeordnet. Sie dominiert die
Wettkampfleistung bei Sportarten wie Judo oder Ringen; hierbei gilt es, die
Krafteinsätze in dem zur Verfügung stehenden Zeitfenster zu maximieren.
Die mittelintensive statische Kraftausdauer kommt in kraftorientierten Sport-
arten, wie dem Gerätturnen, zum Tragen. Die niedrigintensive dynamische
Kraftausdauer ist in kraftorientierten Mittelzeit-Ausdauerdisziplinen als der
limitierende Faktor anzusehen. Hier gilt es, den Kraftabfall über die gesamte
Dauer des Wettkampfes möglichst gering zu halten.
Nach Hohmann et al. (2002) unterscheidet man ferner zwischen absoluter
und relativer Kraftausdauer. Die absolute Kraftausdauer ist „durch die maxi-
male Impulssumme aus den einzelnen Krafteinsätzen gekennzeichnet“ (S.
84). Diese ist in hohem Maße von der Maximalkraft abhängig. Der zu tolerie-
rende Kraftabfall, auf die einzelnen Krafteinsätze bezogen, wird als relative
Kraftausdauer bezeichnet. Zwischen der Maximalkraft und der relativen
Kraftausdauer sehen die Autoren hingegen keine Korrelation.
Die Kraftausdauer kann ebenfalls in eine allgemeine und lokale Variante dif-
ferenziert werden (Weineck, 2007). Unter allgemeiner Kraftausdauer wird die
Ermüdungswiderstandsfähigkeit bezeichnet, bei der mehr als ein Siebtel der
gesamten Skelettmuskulatur des Körpers beansprucht wird. Wird weniger als
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ein Siebtel der Muskulatur innerviert, spricht man von dem Begriff der lokalen
Ausdauer. Als eine Sonderform der Kraftausdauer gilt die Schnellkraftaus-
dauer. Diese ist in Sportarten wie Boxen oder den „großen Spielen“, wie
Fußball, von Bedeutung, da in diesen Betätigungsfeldern „über einen länge-
ren Zeitraum schnellkräftige Extremitäten- oder Rumpfbewegungen leis-
tungs(mit)-bestimmend sind“ (Weineck, 2007, S. 381). Die Schnellkraftaus-
dauer ist sehr stark von der allgemeinen und lokalen aeroben und anaeroben
Ausdauerleistungsfähigkeit abhängig.
1.1.1 Gegenseitige Abhängigkeit der Kraftfähigkeiten
Basierend auf dem dimensionsanalytischen Strukturansatz kann die körperli-
che Fähigkeit Kraft in die Komponenten Maximalkraft, Schnellkraft, Kraftaus-
dauer und Reaktivkraft unterteilt werden. Diese Kraftfähigkeiten sind jedoch
nicht isoliert voneinander zu betrachten. Aus trainingsmethodischer Sicht
können die Einzelkomponenten der Kraft relativ eigenständig trainiert werden
(vgl. Fleck, 2002; Schlumberger & Schmidtbleicher, 2000). Im Rahmen diver-
ser empirischer Arbeiten sind jedoch erhebliche wechselseitige Einflüsse
bzw. Synergieeffekte evaluiert worden. Nachfolgend wird daher ein kurzer
Überblick über die empirische Befundlage gegeben.
Der unmittelbare Einfluss der Maximalkraft auf schnellkräftige Leistungen im
Sport wurde bereits in Kapitel 1.1 dargelegt. Unter anderem weisen Bührle &
Schmidtbleicher (1977) aufgrund früherer Untersuchungen auf eine signifi-
kante Korrelation zwischen der maximalen Kraft als Maximum für eine Wie-
derholung (1 RM), der Beschleunigung und der Bewegungsgeschwindigkeit
hin. Durch eine Erhöhung der Muskelkontraktionskraft der beteiligten Mus-
kelgruppen konnte die Arbeitsgruppe um Bangsbo et al. (1991) eine Verbes-
serung der Beschleunigungs- und Sprintfähigkeit bei Fußballspielern diag-
nostizieren. Ähnliche Befunde liefert die Studie von Wisloff et al. (2004). Die
Arbeitsgruppe konnte bei Profi-Fußballern eine enge Beziehung zwischen
der Maximalkraft und den Leistungen im Sprint von 10m bis 20m dokumen-
tieren. Übereinstimmend konstatieren Delecluse et al. (1995) und Sale
(1992), dass die im Rahmen eines Krafttrainings verbesserte Maximal- und
Explosivkraft sowie neuronale Adaptationen für eine Verbesserung der
Sprintleistung verantwortlich sein können. Basierend auf eigenen Untersu-
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chungen mit professionellen Fußballspielern weisen auch Hoff et al. (2006)
bei einem auf neuronale Anpassungen ausgelegtem Krafttraining auf Ver-
besserungen der Maximalkraft, der Leistung im Sprint und der maximalen
Sprunghöhe hin. So konnten Hoff & Helgerud (2004) bei norwegischen Fuß-
ballprofis nach einem Krafttraining der Kniebeuge mit maximalen Lasten
Leistungssteigerungen beim 10m-Sprintantritt evaluieren. Die Arbeitsgruppe
um Wisloff et al. (2004) bestätigt eine signifikante Korrelation von maximalen
Leistungen in der Kniebeuge und Sprintfähigkeiten über eine Distanz von
10m (vgl. Abbildung 6). Die Wissenschaftler weisen ebenfalls auf den engen
Zusammenhang zwischen der Sprungleistung im Countermovement-Jump
und der besagten 10m-Sprintzeit hin.
Abb.6. Die Korrelation zwischen maximaler Einmalwiederholung und Sprint- und Sprungleis-
tung bei professionellen Fußballspielern (Wisloff et al., 2004, S. 287).
Dieser Befund wird unter anderem durch die Ausführungen von Cronin et al.
(2005) bestätigt. Entgegen anderer empirischer Untersuchungen konnte die-
se Arbeitsgruppe dagegen keinen Zusammenhang zwischen der Leistung im
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