WOCHENENDE (Fernnuigabo November · Koszlusko fährt fort, mit eben so vieler Klugheit als Muth,...

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Statt ;iiird|tr..iciliiii|i WOCHENENDE Sonntngi 2. November 1969 Nr. 854(Fernnuigabo Nr. 3M) 61

Elgonarligo Ithciiisi hilliiliii

Der Schmelzer tastet vor dem Turnenoe. «Wenn der Schmelzer dm Kop[ mit der Schlaggcrte getastet

hat und alles klar Ist, fahren wir vollan und turnen, bis der RanzenNordsee unter sich hat.»

DIcsor Satz erinnert stark un Schriftdeutsch, Ist aber nur fürSchiffischo verständlich.

Schiffisch? Dieses lobendo Attribut verleihen die Rholnschlffereinom Mann, der nautisch richtig denkt und handelt. Dol demeingangs erwähnton Schmelzer handelt es sich um don Schiffs-jungon. Der kam /u solncm Ucbernamon, well or für don (un-vorhoixatoten) Matrosen und sich solbst zu kochen und daboi

Der Malrote (hier zugleich Sohn) de» Schleppcrkapllänt Johan RIetlnetlatlel, will utiavn mißt mil dar Schlagaerle die Tlele i/e.i Faliiwasbcts.

Fett zu schmelzon Hat. Kopf steht fn der Rhetnschiffersprache fürden vorderen Teil des Schiffs. Die Schlaggerte iit keineswegsbiegsami die Rheinschiffer verstehen darunter die rot und weißgestreifte Stange, mit der sie die Tiefe des Fahrwassers tasten, dasheißt messen. Vollen wird gefahren, wenn die Motoren mit vollerKraft arbeiten.

Von Turnen (abgeleitet vom niederländischen Wort «tornnn» =trennen) spricht man auf dem Rhein, wenn zum Beispiel einSchlepper ein anderes

Fahrzeug wieder flottmacht, das geragtIi.it, will snge-n iit>f <!em Griind.fostsit/t und 'sich nicht mit eigener

Krult helfen kann.' Man schleppt' es' mittels einet Drahtes,' aucliSchleppstrang genannt, aus dem Dreck. Mit Dreck ist eine Un-tiefe gemeint. Nordsee ist fUr den Schiffer in diesem Fall schonein Gewässer von etwa drei Metern Tiefe. Der Ranzen In dem obenritiprtnn Sulz Ist ein Wort, 'das die Schiffer vom Mlttolrheln füreinen großen und schlechten Rheinkahn geprägt haben.

Mit dem Turnen darf übrigens nicht frisch-fröhlich begonnen

werden, bevor der Turnvertrag unterzeichnet ist. Die Führer deshilfebrauchenden und des hilfebringenden Schiffes schließen ihnab. Der Turnlohn hängt von der PS-Zahl des hilfebringenden

Schiffes und von d er Zelt ab, die ei durch das Turnen verlorenhat.

Briefmarken

Die Beliebtheitsstatistikmd. Ein deutscher Philatelie-Neuhcitendienst veröffentlicht«

kürzlich eine Bcllebtheitsstatlstlk europaischer Briefmarken. DieseStatistik basierte auf d er Gestaltung der Marken, der Wcrtsteige-rung, d er Ausgabepolitik des betreffenden Staates und dem Ver-kaufsergebnis bei den Kunden des Neuheitendienstes,

Wohl nicht zu Unrecht wurde Österreich in der Rangliste aufPlatz eins gesetzt, denn seine Briefmarken zeichnen »ich beionderadurch die künstlerisch anspruchsvolle Gestaltung aus. Die öster-

Zwe/ Beispiele aus der öaterrelchltchen Serie xum iwelhunderltten Oeburtitag der Albcrllna. ül* beiden Brietmarken zeigen Wtikt Goyas

(links) und Rembrandli (rechts).

reichische Postverwaltung hat für die Briefmarken auch einen ge-

wissen Stil gefunden, der verschiedene Ausgaben künstlerisch mit-einander verbindet. Daß dieser Stil erreicht werden konnte, Istdem Wiener Künstler Adalbert Pilch zu verdanken, denn er wares, d er die meisten österreichischen Postwertzeichen der letztenJahre entwarf. Eine einheitliche Linie wird sodann durch denhauptsächlich angewendeten Stichtiefdruck der Wiener Staats-druckerei erreicht, der die Briefmarken zu kleinen Kunstwerkenwerden läßt. Die Wiener Stecherschule ist weltbekannt und hatschon viele Meisterstecher hervorgebracht.

Da Österreich und Insbesondere Wien sehr reiche Kunst-schäUe besitzen, ist genügend Vorrat für Briefmarkenserien mit

dem Thomu «Kunst» vorhanden. Kürzlich beging mun don zwol-hundertston Goburtstag dor Wlonor Alhcrtlna, der berühmtenSammlung von Handzoichnungon und Graphik, mit einem Satz ausacht Worton zu ]o zwei Schilling Nominalwert. Dlo Postwert-zeichen zeigen Worko von Rubens, Ruffac), Rembrandt, Goya,Dflrer, Bruegol dorn Aoltoron, Schleie und Guorln ullus Aus-stollungsobjokto dos gonannten Museums.

Doch nicht allo neuen Marken Oostorrolchs iindon kritiklosesLob, So war man Im Mal dieses Jahres nicht wenig erstaunt, alseine Marko mit zwei modern ausgorüstoton Soldaten und der Auf-schrift «Das Bundosheor bereit für Ocstorrclch» herausgegeben

wurdo. Dlo Schwolzor Brlofmarkon figurieren In diosor Beliebtheit»-Statistik hinter dorn Vatikan und Llechtonstoln auf Platz vier. Diueidgenössischen Marken sind allerdings graphisch häufig nichtsehr glücklich gestaltet, doch dürfte dor saubere Druck zur euro-päischen Spitzenklasse zählen.

Platz für wlldo Tiere

Die Bedrohung der Landvogelfauna

im SUdwestpazifik

wwl. Vom Februar bis April dieses Jahres unternahm Prof. Dr.Vlnzenz Ziswller vom Zoologischen Museum d er Universität Züricholne Forschungsreise nach dem Südwostpazlflk, die unter anderemauch von dor Schweizerischort Naturtorschondcn Gesellschaft undvom World Wlldlifo Fund unterstützt wurdo. In solnem soebenveröffentlichten Bericht lilim seine Reise, die ihn nach Neukaie-donlen, den Loyalty-Insoln, den Neuen Hebrlden, Flji und Samoaführte, zieht Prof. Ziswilor eiao erschreckende Bilanz dor Natur-scluitzsituution In don besuchten Gcbiclon. Menschliche! Uober-völkerung, rücksichtsloser K.iubhmi an d en Tropcnwaidorn undungenügende Gesetzgebung machen die meisten dieser Inseln zueigentlichen Notstandsgebieten des Naturschutzes und führon zueiner zunehmenden Bedrohung Ihrer Liindvogolfaumi, clnschlioH-lich so bekannter Arten wie dos Kagu und der Riesonfruchttaubc.

Nebenbei

Steinriesen mit Namenwrg. Die Landschaft der Eibensteln-Blockheldc im nlcderöster-

reichischen Waldviertel hart an der. Staatsgrenze zwischen Oester-reich und der Tschechoslowakei hat große Achnlichkett mit der-jenigen in norwegischen und teilweise auch schwedischen oderdänischen FJordon. Beherrscht von mächtigen Granitblöcken, 'zeigt

das weite Gebiet d er Eibenstein-Blockheide oine abwechslungs-

reiche Mischlandschaft mit Heide, Wiesen, Feldern, kleinen Wäl-dern, Tümpeln und Weihern. Die wuchtigen Granitblöcke, die imVolksmund irrtümlich «Findlinge^ genannt werden, haben jedoch

einen wesentlich anderen Ursprung als jene in Skandinavien.

Während in den Nordländern dio Granitblöcke durch eiszeitlicheGletscher' zu Ihren hoiillgon Sl.iiulprton g'etr.in'en wurden, sind dieWaldviertier Steinriesen im Verlauf von Jahrtausenden durchVerwitterung des bodenständigen '"

Gestoins entstanden. Früherdienten die Granitblöcke Ihrer Wettorbestä'ndlgkeit wegen als

' oi

Dtr TeulelibctUleln In du Mbcnstetn-Blockheidc

Rohmaterial für Brücken- und Tunnelbauten, als Pflastersteine undfür Denkmalen heute steht der Großteil aller absonderlich geform-

ten Blöcke unter Naturschutz

Manche Sage rankt sich um das eigenartige Gebiet der Block-heide, die vom ehr- und gottesfürchtigen Landvolk des Wald-viertels des Nachts und bei Unwettern streng gemieden wurde.Namen wie «Teufelsbettstein», «Chrlstophoruistein», «Teufelsbrot-laib», "Schullorstein» sind nur einige der Bezeichnungen, die manden Granitblöcken schon vor Jahrhunderten gab. So soll der Sage

nach am «Chrlstophorusstein» der Schutzheilige gerastet und am«Schullerstein» ein Schüler im Fechtduell den Tod gefunden haben.Der «Teufelsbettstein» und der -Tnufelsbrotlalb» verdanken ihreNamen der Sage, wonach d er Teufel seine Lagerstätte just aufjenem Ste'.n aufgeschlagen habe, auf dem die Muttergottes auchhabe rasten wollen. Eines der drei von der heiligen Maria erbet-telten Brote verwandelte der Satan in den «Toufnlibrotlalb» ausStein, einen der nahezu kreisrunden Blöcke des Naturparks. AndereGranitblöcke wieder weisen besonders eigenartige Formen aufund erhielten aus diesem Grunde Bezeichnungen wie «Pilzitein»,«Kopfstein» und «WackeUtein».

Begegnung

Klosterfrauen beim Wümmetmwg An die zwanzig junge Schwestern des Klosters Fahr, das

in einer aargaulschon Enklave im Zürcher Limmattal liegt, erntenjetzt die süßen blauen Burgunder- und die noch süßeren heil-braunen Tokayertrauben in ihrem Weinberg in Weiningen. DasKloster besitzt 3,3 Hektaren Rebbau, und man muß gut .Ausschau

halten, bis man dio weiden Schleier der Novizinnen und dieschwarzen d or Klostcrfrauon zwischon don Uobstöckon entdeckt.

Der Wümmot, dlo Weinlese, Ist laut dorn Ronmolstor olne aus-gosprochono Frauenarbeit Dio Arboltskloldung dor Bonedlktlne-rlnuon ist. gruuos langes Kloid mit Gürtol, blauo lange Schürzeund 'lohn Schuhe, dlo man den stellen Hängen gut gohrauchon

kann. Ein abgorundotos Kübclchen, in dor WInzorsprache dasSondorungsgnschirr, wird an den Gürtel gohakt. Mit einer Schereschneiden die Klostcrfrauon dlo Traubonkümmc ab und vorlesendlo Booron - dlo guton kommen Ins Töpfchon (am Boden) unddio schlechten nicht ins Kiöplchen, sonrlurn in das Sonderlings-gcschlrr am Gürtel. Dar kleine Franz, Sohn dos Traktortührors,tragt dann dlo faulun Heeren In einem kleinen Kassel zu donriesigen Standen auf dem Wagen. Aus diesen Heeren wird einbosondorer Woln gegoren, dor FodorwolM. Dlo g u l on Trdubon je-doch schüttet in. in einem jungen Apponzcllor, Angestellter desklösterlichen Landwirtschaftsbetriebes, In dlo Tanso, die mein als50 Kilogramm faßt.

Im Winzorhäuschcn finde ich ein kleines Bild In einem Rahmeneine farbige Ansichtskarte. Sio stellt die Madonmi doll'uvii

(oder Madonna dolla Provvldonzu) von Pierre Mlginird dar. glück-

lich Ihrem Kind zulächelnd, das unter ihrem durchsichtigen

Schleior Verstecken spielt: es li.ili ihn mit beiden Patschhändchenüber dorn Kopl und schaut schelmisch hervor. Dio Madonna reichtihm mit der rechten Hand prächtlgo blaue Trauben aus einer über-quellenden Schale

Dlo Fahrt mich ll.inse auf dem Wagen mit don gefüllten Stan-den biotet oln reizvolles Bild. Dlo Klosterfrauen sitzun RUckon anRückon In zwei Reihen, unter Ihnen dlo Kinder, vorne beim Trak-tor stehen die Männer.

Die Schwostorn nehen zur Mosso abor in dor Trotte beginntjetzt die Arbeit und dauert bll spiit. Sofort werden dio Blau-burgundertrrtuben gemahlen. I.TOO Handarbeitsstunden pro Hektareund Jahr erfordern der Rcbbiiu des Klosters Pahri dlo schönsteArbeitszeit sind zweifellos die fröhlichen Stunden des Wümmots.

In der NZZ vor 175 Jahren

Deutschland. Mittwoch, den 20. Wc/nmonaf 1704

Wien, vom 27. Herbstmonat. (Aus der Leidnerzeitung) Man hathier nicht ohne merkliche Unzufriedenheit wahrgenommen, da'Junser Hof, allzunachgiobig gegen. d(e Zudringlichkeiten der Höfevon Petersburg und Berlin, endlich darein gewllllgot hat, gemein-

schaftlich mit ihnen zu Werke, zu gehen, und Truppen in polnisches

Geblüt ulmücken zu lassen. Man war darüber um so mißvergnüg-ter, weil man die Aussicht auf einen neuen Krieg vor sich hatte,dessen Erklärung man von Tag zu Tag besorgt entgegen sah. AlleinKoszlusko fährt fort, mit eben so vieler Klugheit als Muth, undboy der unerschütterlichsten Sündhaftigkeit, gleichwohl stets mitMäßigkeit zu Werke zu gehen. Unser Hof hat davon einen neuenBeweis erhalten. Der Graf von Harnoncourt, welcher das an d erpolnischen Gränze versammelte Korps kaiserlicher Truppen kom-mandiert, meldet unserm Hofe: daß ein polnisches Korps ein aus70 Mann bestehendes kaiserliches Detachement umrungen urdgefangen genommen habei daß aber dor oberste BefehlshaberKosziusko kaum von diesem Vorfalle unterrichtet worden sey,

als er sogleich dio Gofa.ngenen wieder ausliefern ließ, und sichzugleich gegen den östreichischen Kommandanten sehr freund-schaftlich entschuldigte, mit der Versicherung, daß der polnischeOffizier, welcher dabey kommandierte, ganz ohne Befehl und bloßnach eigner Willkür zu Werke, gegangen sey, daß er ihn bereitsin Arrest habe nehmen lassen, und daß er es dem östreichischenKommandanten frey stelle, die Strafe zu bestimmen, mit welcherjener Offizier belegt werden soll. Es läßt sich nichts denken, wasedler und einer gesunden Politik gemäßer wäre, als ein solchesBenehmen, wodurch man, anstatt sich, wozu Polen allerdingsberechtiget wäre, über Verletzung seines Gebietes zu beklagen

weit lieber die Verletzung dissimuliert, ols es zu einer Kriegj-orklärung kommen läßt.

Frankreich. .Samstag, den 1. Wintermonat 1704

Der vor dem Revoluzionstrlbunale noch schwebende Kriminal-handel der Mitglieder des ehemaligen revoluzionalren Ausschusseszu Nantes ist noch immer der Gegenstand der allgemeinen Auf-merksamkeit, Die Geschichte kennt keine Greuel, die denen ähn-lich sind, welche im Laufe dieses schrecklichen Prozesses an dasTageslicht kommen. Vor Entsetzen ist demjenigen, der sie im«Journal de Paris» ausführlich beschreibt, mehrmals die Feder ausd er Hand gefallen. ( . .)

Deutschland-

Berlin, vom 20. October. General Fersen war mit einem Korps

von 13000 Russen soweit schon gegen Warschau vorgerückt, daßea Kosziusko für nöthig erachtete, ihm entgegen zu gehen, um ihndurch einen muthigen Angriff zu schlagen, oder zum Rückzug zunöthlgen. Er sonderte also von seiner Hauptarmee gegen 10000Mann, gleng dem General Fersen entgegen, und griff solchen mitd er entschlossendsten Tapferkeit an. Die Russen vertheidigtensich sehr standhaft, wurden aber von den Polen mit verzweiflungs-vollem UngestJmm dreymal zurückgeworfen. Endlich griffen dieRussen mit doppelter Wuth an, stürzten mit gefälltem Bajonet indie Polen ein, die durch hartnäckige Gefechte entkräftet nach undnach zu welchen anfiengen. Kosziusko selbst, d er an d<r Spitzeseiner Truppen mit unerschütterlichem Muthe und Geistesgegen-

wart focht, sank, durch mehrere Wunden durchbohret, besinnungs-

los vom Pferde, und kam nebst noch 3 andern Generälen in dt«Hände der Russen.

Neue Zürcher Zeitung vom 02.11.1969

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