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    Ausführliche Informationen überunsere Autoren und Bücherwww.dtv.de

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    6__3Matt Haig

    ZIEMLICH GUTE GRÜNDE,AM LEBEN ZU BLEIBEN

    Deutsch vonSophie Zeitz

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  • Deutsche Erstausgabe 20164. Auflage 2016dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München© 2015 Matt HaigTitel der englischen Originalausgabe:›Reasons To Stay Alive‹ (Canongate Books Ltd,14 High Street, Edinburgh EH1 1TE)© 2016 der deutschsprachigen Ausgabe:dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, MünchenQuellenhinweise s. S. 304Gesetzt aus der Sabon 9,9/13,7.

    Satz: pagina GmbH, TübingenDruck und Bindung: Druckerei C.H.Beck, NördlingenGedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany · isbn 978-3-423-28071-6

    Von Matt Haigsind bei dtv außerdem erschienen:Ich und die Menschen (21604)Die Menschen von A bis Z (21605)Ein Junge namens Weihnacht (28088)

    Für Andrea

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    Dieses Buch ist unmöglich

    Vor dreizehn Jahren wusste ich, dass dieses Buchgar nicht möglich war.

    Ich würde vorher sterben. Oder den Verstandverlieren.

    Auf jeden Fall wäre ich nicht mehr hier. Manch-mal hatte ich Zweifel, ob ich die nächsten zehnMinuten überstehen würde. Die Idee, es könntemir irgendwann wieder so gut gehen, dass ich dasSelbstvertrauen hätte, ein Buch darüber zu schrei-ben, war vollkommen unglaubhaft.

    Eins der wesentlichen Symptome der Depressionist, keine Hoffnung zu haben. Keine Zukunft zu se-hen. Da ist kein Licht am Ende des Tunnels, dennder Tunnel ist an beiden Enden zu, und du bist drin.Hätte ich in die Zukunft blicken können, hätte ichgewusst, dass sie heller ist als alles, was ich bis-her kannte, dann hätte dieses Wissen das Ende des

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    Tunnels weggesprengt und ich hätte Licht sehenkönnen. Die Existenz dieses Buchs ist der Beweis,dass die Depression lügt. Die Depression spiegeltdir falsche Tatsachen vor.

    Aber die Depression selbst ist keine Lüge. De-pression ist an Echtheit kaum zu überbieten. Auchwenn sie unsichtbar ist.

    Andere Leute bekommen oft nichts davon mit.Dein Kopf brennt lichterloh, und niemand siehtdie Flammen. Deswegen – weil Depression über-wiegend unsichtbar und undurchsichtig ist – hältsich ihr Stigma so hartnäckig. Und das ist beson-ders grausam für Depressive, weil das Stigma sichnegativ auf die Gedanken auswirkt und Depressioneine Krankheit der Gedanken ist.

    Wenn du depressiv bist, fühlst du dich allein, unddu hast das Gefühl, niemand hat je erlebt, was dugerade erlebst. Du hast solche Angst, in irgendeinerForm verrückt zu wirken, dass du alles in deinemInneren verbirgst; du hast solche Angst, die Men-schen würden dich weiter ausgrenzen, dass du dichverschließt und nicht darüber sprichst. Was fatal ist,denn darüber zu sprechen würde helfen. Worte –gesprochene, geschriebene – sind unsere Verbin-

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    dung zur Welt. Mit anderen über solche Dinge zusprechen oder darüber zu schreiben, verbindet unsmiteinander und mit unserem wahren Ich.

    Ja, ich weiß. Wir sind Menschen. Wir reden nichtgern über unsere Gefühle. Im Gegensatz zu ande-ren Tieren bedecken wir uns mit Kleidung und ge-hen unserer Fortpflanzung hinter geschlossenen Tü-ren nach. Wir schämen uns, wenn wir nicht richtigfunktionieren. Aber wir sind in der Lage, uns wei-terzuentwickeln, zum Beispiel, indem wir darübersprechen. Und vielleicht auch, indem wir darüberlesen und schreiben.

    Daran glaube ich fest. Denn es war auch das Le-sen und das Schreiben, was mich aus dem Dunkelgerettet hat. Seit ich weiß, dass die Depression michüber die Zukunft angelogen hat, wollte ich ein Buchüber meine Erfahrungen schreiben, in dem ich mirDepression und Angst vorknöpfe. Ich hatte alsozwei Ziele mit diesem Buch. Gegen die Stigmatisie-rung zu kämpfen und – vielleicht die größere He-rausforderung – andere Menschen davon zu über-zeugen, dass wir am tiefsten Punkt des Tals einfachnicht die klarste Aussicht haben. Ich habe diesesBuch geschrieben, weil letztendlich doch etwas

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    6__8 dran ist an den uralten Klischees. Die Zeit heilt alle

    Wunden. Es gibt ein Licht am Ende des Tunnels,selbst wenn wir es im Moment nicht sehen kön-nen. Nach dem Regen kommt Sonnenschein. Undmanchmal können Worte einen Menschen tatsäch-lich befreien.

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    Eine Anmerkung noch,bevor es losgeht

    Jedes Gehirn ist einzigartig. Und auch die Fehlfunk-tionen jedes Gehirns sind einzigartig. Die Abwegemeines Gehirns waren anders als die Abwege ande-rer Gehirne. Unsere Erfahrungen ähneln denen an-derer Leute, doch es sind nie ganz genau die glei-chen Erfahrungen.

    Oberbegriffe wie »Depression« (und »Angststö-rung« und »Panikstörung« und »Zwangsneurose«)sind nützlich, aber nur, wenn wir uns klarmachen,dass die Menschen diese Dinge nie genau gleich er-leben.

    Depression sieht für jeden anders aus. Schmerzwird unterschiedlich empfunden, in unterschiedli-cher Intensität, und löst unterschiedliche Reaktio-nen aus. Aber um nützlich zu sein, muss ein Buchnicht exakt unsere eigene Erfahrung der Welt be-schreiben, sonst wären die einzigen Bücher, die es

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    0 sich zu lesen lohnt, die Bücher, die wir selbst ge-schrieben hätten.

    Es gibt keine richtige oder falsche Art, Depres-sionen zu haben, oder Panikattacken, oder Selbst-mordgedanken. Diese Dinge sind, wie sie sind. Leidist – wie Yoga – kein Leistungssport. Doch ich habeüber die Jahre herausgefunden, dass es mich trös-tet, von anderen Menschen zu lesen, die Verzweif-lung erlitten, überlebt und überwunden haben. Eshat mir Hoffnung gegeben. Und ich hoffe, diesesBuch kann das Gleiche bewirken.

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    Am Ende braucht man mehrMut, um zu leben, als um sichumzubringen.

    Albert Camus,Der glückliche Tod

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    Der Tag, an dem ich starb

    Ich erinnere mich gut an den Tag, an dem mein al-tes Ich starb.

    Es begann mit einem Gedanken. Irgendwasstimmt nicht. Das war der Anfang. Bevor ichwusste, was es war, das nicht stimmte. Und dann,vielleicht eine Sekunde später, hatte ich eine selt-same Empfindung im Kopf, es war wie eine Akti-vität im hinteren Teil meines Schädels, nicht weitüber dem Nacken. Das Kleinhirn. Ein pulsieren-des, intensives Flackern, als wäre ein Schmetterlingdarin gefangen, kombiniert mit einem kribbelndenGefühl. Ich wusste noch nichts von den seltsamenkörperlichen Symptomen, die mit Depression undAngststörungen einhergehen. Ich dachte einfach,ich würde sterben. Und dann rutschte mein Herz-schlag weg. Und dann rutschte ich weg. Ich fiel,immer schneller, stürzte in eine neue klaustropho-

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    bische, erstickende Realität. Es sollte weit über einJahr dauern, bis ich mich wieder auch nur halbwegsnormal fühlen würde.

    Bis dahin hatte ich kein wirkliches Bewusstseindavon gehabt, was Depression bedeutet, ich wusstenur, dass meine Mutter nach meiner Geburt einekurze Zeit lang daran gelitten hatte und dass meineUrgroßmutter väterlicherseits Selbstmord began-gen hatte. Es scheint also eine familiäre Belastungda gewesen zu sein, über die ich mir allerdings nieirgendwelche Gedanken gemacht hatte.

    Wie dem auch sei, ich war vierundzwanzig. Ichlebte auf Ibiza, in einer der ruhigeren, schönenEcken der Insel. Es war September. In vierzehn Ta-gen musste ich nach London zurückkehren, in denErnst des Lebens. Nach sechs Jahren Studenten-leben und Sommerjobs. Ich hatte das Erwachsen-werden so lange wie möglich aufgeschoben, aberes hing finster über mir wie eine schwarze Wolke.Eine Wolke, die jetzt ihre Schleusen öffnete und aufmich herabregnete.

    Das Merkwürdige am menschlichen Gehirn ist,es können die extremsten Dinge darin vorgehen,ohne dass irgendjemand etwas davon mitbekommt.

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    Die Welt zuckt einfach mit den Schultern. Viel-leicht sind deine Pupillen erweitert. Vielleicht re-dest du unzusammenhängendes Zeug. Deine Hautglänzt schweißfeucht. Und doch konnte niemand,der mich in der Villa auf der Insel sah, ahnen, wasich fühlte, niemand konnte nachvollziehen, welchgroteske Hölle ich erlebte, oder warum mir der Todwie eine so phänomenal gute Idee vorkam.

    Ich blieb drei Tage im Bett. Aber ich schlief nicht.Meine Freundin Andrea kam regelmäßig hereinund brachte mir Wasser oder Obst, das ich kaumessen konnte.

    Das Fenster stand offen, um frische Luft herein-zulassen, doch im Zimmer war es still und heiß. Icherinnere mich, wie erstaunt ich war, noch am Le-ben zu sein. Ich weiß, das klingt melodramatisch,aber Depression und Panik geben dir melodramati-sche Gedanken ein. Es war mir jedenfalls keine Er-leichterung. Ich wollte tot sein. Nein. Das stimmtnicht ganz. Ich wollte nicht tot sein, ich wollte nurnicht am Leben sein. Der Tod machte mir Angst.Außerdem passierte der Tod nur Menschen, die ge-lebt hatten. Es gab unendlich viel mehr Menschen,

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    die nie gelebt hatten. Und zu denen wollte ich ge-hören. Der klassische Wunsch. Nie geboren wordenzu sein. Eins der dreihundert Millionen Spermiengewesen zu sein, die es nicht schafften.

    (Was für ein Geschenk es war, normal zu sein!Wir alle balancieren auf einem unsichtbaren Draht-seil und könnten jeden Moment abrutschen, umdann dem existenziellen Grauen ausgeliefert zusein, das in unserer Psyche lauert.)

    Das Zimmer war leer. Es gab nur ein Bett mit ei-ner weißen ungemusterten Decke. Die Wände wa-ren weiß. Vielleicht hing ein Bild an der Wand,aber ich glaube nicht. Jedenfalls erinnere ich michan keines. Neben dem Bett lag ein Buch. Einmalnahm ich es in die Hand und legte es wieder hin.Ich konnte mich nicht eine Sekunde darauf kon-zentrieren. Es war mir unmöglich, meine Erfah-rung in Worte zu fassen, weil sie weit jenseits allerWorte war. Ich konnte buchstäblich nicht darübersprechen. Worte schienen zu banal neben dieser Artvon Schmerz.

    Ich erinnere mich, dass ich mir Sorgen um meinekleine Schwester Phoebe machte. Sie war in Austra-lien. Ich hatte Angst, dass sie, der Mensch, der mir

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    genetisch am ähnlichsten war, auch so etwas erlebenkönnte. Ich wollte mit ihr sprechen, aber ich wusste,ich konnte nicht. Zu Hause in Nottinghamshirehatten wir, als wir klein waren, einen Klopfcodeentwickelt, um uns durch die Wand zwischen unse-ren Zimmern zu verständigen. Jetzt klopfte ich aufdie Matratze und stellte mir vor, dass sie mich aufder anderen Seite der Erdkugel hören könnte.

    Klopf. Klopf. Klopf.Ich hatte keine Begriffe wie »Depression« oder

    »Panikstörung« im Kopf. In meiner lachhaften Nai-vität glaubte ich, dass noch nie ein Mensch durch-gemacht hatte, was ich erlebte. Weil es mir so un-fassbar fremd war, dachte ich, es müsste meinerganzen Spezies fremd sein.

    »Andrea, ich habe Angst.«»Alles wird gut. Es wird wieder gut. Es wird wie-

    der gut.«»Was passiert mit mir?«»Ich weiß es nicht. Aber es wird wieder gut.«»Ich verstehe nicht, wie es so etwas geben kann.«Am dritten Tag verließ ich das Zimmer, und ich

    verließ das Haus. Ich ging hinaus, um mich umzu-bringen.

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    Warum Depression so schwer zuverstehen ist

    Sie ist unsichtbar.

    Sie ist nicht »ein bisschen niedergeschlagen sein«.

    Sie ist das falsche Wort. Das Wort Depression erin-nert an einen platten Reifen, an etwas, das ein Lochhat und sich nicht bewegt. Vielleicht fühlt sich De-pression ohne Angststörung so an, aber Depressionmit Angst gemischt ist alles andere als platt oderreglos. (Die Dichterin Melissa Broder twitterte ein-mal: »welcher idiot hat es ›depression‹ genannt undnicht ›in meiner brust leben fledermäuse und neh-men viel raum ein, ps ich sehe einen schatten‹?«)Wenn es am schlimmsten ist, wünschst du dir ver-zweifelt irgendein anderes Leiden, irgendwelchekörperlichen Schmerzen, weil die Psyche unendlichist und ihre Qualen genauso unendlich sein können.

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    Man kann depressiv und glücklich sein, genau wieman ein trockener Alkoholiker sein kann.

    Sie hat nicht immer einen erkennbaren Grund.

    Sie trifft Menschen – Millionäre, Menschen mit tol-lem Haar, glücklich verheiratete Menschen, frischbeförderte Menschen, Menschen, die Gitarre spie-len, steppen oder Kartentricks können, Menschen,die in ihrem Leben noch keinen Pickel hatten,Menschen, deren Status-Updates überschwänglichglücklich klingen –, die von außen betrachtet kei-nen Grund zum Traurigsein haben.

    Sie ist selbst für die rätselhaft, die daran leiden.

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