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Zeitung/Zeitschrift:
Erscheinungsdatum:
Autor:
Titet:
ISBN:
Die Tonkunst
Januar 20L0
Lukas HaseLböck
Görard Grisey: Unhörbares hörbar machen
97 8-3-7 930-9548-4
l".ul (R.ombach) 2009
Bereits dieses Detail verdeutlichr, dass l.lasel_böck nrcht den V/eg des einfachsten Widerstanclsgehen möchte, sondern die Verortur-rg r.on Grisel,sSchaffen in umfassenderen Zr-rsammenhängen an-strebt - eine Aufgabe, dcr er mit GeCanl:enfüllcund N,Iaterialreichtum begegnet, indem er Hinter_grände aufzeigt r-rnd diverse philos<tphische v,iekorapositionstechni sche Ansätze skizziert. Aufbar,rund }irgebnisse der auf sehr hohem Reflexionsni_veau angesiedelten Studie lassen erkennen, class clerAutor über ein aus-qcsprochen feines Sensorium fürdie unterschiecll.ichen Seiten der problematik r.er-fiigt: Seine überleg,-rngcn zur Asrhetik und zu clenProblemen einer genaueren, rvider die einsertigeDeutung ger:ich teten B es timmung der postm oder_ne als innere, dur:ch Iftitik gefrlterte Hrneuerunsder N{oderne stehe n stellvertretend für das Bemii_hen r,rm ein differenziertes Erfassen cliver,ser Nu_ancen von philosophischen Diskursen rvie jenenzu N{oderne/Postmoderne und Strr-rkturalisn-rr-rs/Poststrukturalisn.rr,rs. l-lier u'ird behutsam und unterrveit reichender l(enntnisnahme der Literatur: eineN{atrix enßvorfen, die Haselböck anschljeßend alsGrundlase für die rveiteren Äusführungen nr'rtzt,und die ihm ästhetische prämissen ebenso liefert.,vie Änsätze züiir Verständnis von Grise1,5 16,*-
positorischer Ennvickiuns. I)en Begriftsapparat,mit dem der Ar-rtor jrn Rahmen seiner Analysenhantiert, ent$/ickelt er 1.ringeger-r durch ]{ontextua-lisierLrng, ir-rdem er - ansetzend an exer-nplarischen
E,inzelbetrachtungen - zentrale Elemente von Gri-se)rs Schaffen übcr Vergleichc mit Beispieien aus
den \\terken anderer Iiomponisten erschließt. So
greiit er zur E,rläuterung der Begriffe >Figur< r-rncl
>Struktut-<< auf anah,tjsche Betrachtunger.r zu Olivi-er l\,Iessiaen zurück, den F'ormbegriff in seiner spe-
zi fi schen Äusprägr"rnc al s Aufeinanderbezogcr-rlr ei tr-on Iilans uncl Zeit cnnrtickclt cr in clcr I{onfror-r-tatron mit l(arlheinz Stockhausens I{omponicrcn,
Haselböck: G6rard Grisey. >lJnhörbares hörbar machen<
Freiburg im Breisgau
frrctz dcr zunehmenden Präsenz, die Getarcl
I Grir."r; Nlusik inzrvischen in den l{onzertsälenetfäirrt, hat sich die deutschsptachige Nlusiktrissen-schaft bislang eher zurr.rckhaltend mit dem Schaffen
cl es t]üir vers torbenen f-ran zir s i sch en Ko ttrponi sten
auseinandergesetzt. Insof€rn jst l-ukas Haselböcl<s
r.crdiensrvolle Srudie tatsächlich clie erste umfassencle
Untersuchung, die srcii - die zrvar ausgezeichneten,
aber dennoch in ihret Thematik auf Einzelerschei-
nungen fixierten Beitr'ägc von Peter Niklas \Wilson
pÄrwegs zu einer >,Ökologie< der ä1änge: Gerard
örir.,u, uPartielsu uncl clie Asthetik der Gtoupe cle
l'ltin6raire, in: N{elos 2, 1988, S' 33-55) r-rnd Pietrc>
Cavalotti @ifferenzen. Poststrukturalistische As-
pekte in der Musik der 1980erJzrhre am Bcispiel r'on
Helmut Lachenmann, Brian Ferncvhough uncl Gö-
ratcl Grisel', Schliengen 200(t) hinter sich lassend -clieser Aufgabe u'idmet und damit det gervicl-rtigen
i\,Ionografie r.'on Jeröme llaillet (Gerards Grisevs.
F'ondements d'un 6cr:iture, N{clntreal und Paris 2000)
ein ebenso gewichtiges und sogar: besser fundiertesPendant gegenüber:stellt. Die Entscheidung cies Au-tors, clcm l{ornponisrcnclas gern gebrauchte
E,r"ilictt eines so genann-ten >SpektraListen< zr-r
venvcigern, machr das
Buch um so bedeutsa-
mcr: f)e rrn mit ihr echte inc Schu'crpunl<n,er-
laretung einher, die
von Pionienverken r.vie
>Par:tiels< (1975) ivce.
führt und sich dezidiert>eineftl Erörtetung det vielfiltigen Perspektiven
spel<tralen l{omponierens bis zum Ende cler 90er
Jal-rre< (10) zuurcndet, in cleren I{ontext Gtiset's
\!'erke als u'iederum besondere Äusiormune p<>si-
tioniert sterden.
die Sr-rclre nacir dem \Vese n musikalischer Zeit wie-
clerum führt ihn zur Befragur-ig von Gyi-itgv I 'igetis
Arbeit. A11 dies erscheint utnsrl sinnvoller, als clas
individuelle Pr:of-il von Grisevs lrrfi-rsik durch solche
Vcrgleiche u,eitar:s deutliclrer hervortritt als irr allcn
bisherigen Untersr-rchungen.
Von diesen Grurncllagen ausgehencl zeigt Hasel-
böck, inu'iet-etn Grisev das I(omponieren als Refle-
xionsvedrältnis zur \X,'elt begr:cift, das dem Außer.rste-
henden nicht nur analvt-isch, sotrdern aucir tiber: dzrs
Hören Zuganggeu'ährt. Denn trcltz der augenschcin-
lichen konstr:r-rktiven Iic-rmplcxität bieiben clie N'{ocli
cler tireoretischen l{ouzepti<>n ar"ich im Vortzlng clcr
musika|ischen \X/ahrnel-rmung in unterschiedlichen
Graden der Deutlichkeit als solche erfahrbat, rvas
der Aulor als rvesentliche I{omponente \ron Gr:ise1'5
N'{usik aui-fasst. f)er Titel des Buches ist aiso insofer:n
Progtamm, als Haselböch seine Ar-rfmetlisaml<eit irn-
mer rvieder dezidiett auf die Frage nach cler Nach-
r'oilzielrbatkeit komponietter Prozesse richtet' mithin
also auch einen Bercich untersucht, in dem die von
Gri sev pr:oklamierten Gedanker-r einer: >N atür:Li cl-rkei t<
des l{lingendell aus unter:schiedlichen Gr:ünden ins
OsziUier:en gefaten. Aus diescr: Intcr-csscnlagc rcstti-
tieren letztcn Encles auch clie methodiscl-ren Schu'ct'
punkte von Haseibticks Ansrrtz: Er orclnet c{ic analv-
tischen Ftagestellr-rngen \roll Anfang an cletrr Prirnat
der ästherischen Erfahrunq unter Luld geht dabei, an-
knüpfend an Grisevs Wissen um die Bedeutunq einet
Kenntnis von den Gesetzmäßigkeiten trrenschlicher
Vrahrnehmun$, t,ort Prozess des Hörens aus. Dabei
versucht er, einen möglichst unmittelbaren Zugang
zur N{r-rsik zu etlangen, cler zunächst imme r übct clem
V/eg einer Reschreibung etfolgt, bevor dann zentrale
Fragesteilungen austührlicher ins Blickfelc'l eines ana-
lytischen Zugr:iff-s auf Notentext r"rnd/oder Entste-hungspr:ozess treten. Aufgrund ihres exempiarisch en
Charurkters r.verden die Anah'sen folglich nreist nur: scr
u,eit ausgeführt, w-ie es zur Vcrdeutlichung dcr jct ci-ligen Gedankengänge nötig ist, doch r,vird diese r\us-schnirti-,af-,igkeit ciadurch aufge-'vcgeir, ciass Har;ci,
btjck im Vedauf seiner Ausiührungen irnmer u'iederaus anderen Perspektiven auf \f'erke wie >Prologue<
(197(r) und >N{odulation< (1976/11) aus >l,es lJspaces
i\coustiques<( (1974-85) sowie auf >Talea< (1986) oder))Vortex temporum( (199(:) zurückkommt. Rir-ic um-fassende, auf dem Skizzenmaterial basicrende Studie
ist abschlie{3end allerdings den >Quatre chants pourfranchir le seuil<< (1996-98) gev,idmet, so dass hierdie Einzelergebnisse geu'issermaßen zu einer c1uel-
lengestützten Gesamtanalyse zLrsammenfließen, die
- wiederum auf das Hören Bezug nehmend - r-rach-
vollzieht, warum (]risev j erveils bestir:rn-rtc kom po si-
torische Lösungen ges,'ählt hat.
Die Abruncir-rng clr'rrcl-r cine Reihe tn;s Ver-
zeichnisse sorvie ciurch clie einleitende bioerafi-
sci-re Skizze macht clen Band dal:über hinar'rs zu e i-
nem umthsscnclcn I{ompendium' das trotz scirlcr
I(omplexität - uncl gelegentlicher Diskrcpzrr-rzcu rn
B.rui auf clie Daten cler \Xlerkentstchttns - auch
"in" i.orrrprkte Einführung in Lel>cn und W'erk
Grisevs bietet' Besonclers r'vern''oll ist hier neben
der austührlichen Biblioqrafie die Ilruänzr-rng des
\Xierkrrerzeichnisses mit Notizen zutl Skizzenma-
teriai in der Par-rl Sacher Stiftung B:lsci sou'ie dic
Ar-rsclchnung cliskografischet Ängaben altt unvcr-
<iffentlichte l\ufnahmen aus clem Be stand dcs Cen-
tre de D<lcumentätlon cle la Musiqure Cclnterrpotai-
ne Paris. Das umfangreiche Register Llntel'stätzt
clie Rrschljeß,t,-tg jenes begrifflichen Apirarats' den
Haseiböck in Bezug aof Jie philosophischen und
l<ulturgeschicirtliche n f)iskutse nutzt' be inh2lltet
^b., ,".1lr.tt'etstäncllich auch Verrveise auf alle er-
läuterten l{ornposidonen' fstefan Drcesl