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2 FRAU ARCHITEKT «Frau Architekt» ist eine Ausstellung des DAM (Deutsches Architekturmuseum in Frankfurt am Main) und wurde dort erstmalig 2017 / 2018 gezeigt. Die Schau erzählt die Architekturgeschichte neu – aus der Perspektive von Frauen, die seit über 100 Jahren die Architektur prägen und gestalten. Mit dem Ziel, die Ausstellung für ein Schweizer Publikum zu adaptieren, zeigt das ZAZ (Zentrum Architektur Zürich) «Frau Architekt» in leicht reduzierter Form und ergänzt die 18 Porträts von Frauen aus Deutschland um solche hiesiger Pionierin- nen und Vertreterinnen der Baukultur. Warum zeigen wir «Frau Architekt» jetzt? Immer mehr Frauen studieren Archi- tektur. An manchen Ausbildungsstätten sind sogar mehr weibliche Studierende als männliche immatrikuliert. Längst nicht alle kommen aber auch tatsächlich im Beruf an. Sie brechen das Studium entwe- der nach kurzer Zeit wieder ab, steigen nach dem Abschluss erst gar nicht in die Berufswelt ein oder verlassen diese nach wenigen Jahren. So entsteht eine grosse «missing group» – eine Diskrepanz zwischen der Anzahl der weiblichen Stu- dierenden und der Anzahl praktizierender Architektinnen. Es stellt sich die grosse Frage: Warum kehren so viele Frauen der Architektur wieder den Rücken – sei es während des Studiums oder nach dem Abschluss? Gleichzeitig fokussiert die Geschichts- schreibung selbst stark auf männliche Protagonisten. (Landschaſts-) Architektin- nen, Ingenieurinnen und Theoretikerinnen sind in Archiven, Lexika, Publikationen und Ausstellungen deutlich untervertreten. In der Schau erhalten zahlreiche Akteu- rinnen, die die Baukultur nachhaltig geprägt haben, eine posthume Würdigung und damit die verdiente Sichtbarkeit. Indem sich die Ausstellung auf weibliche Archi- tektinnen beschränkt, deklariert sie diese nicht zum Ausnahmefall. Im Gegenteil: Sie zeigt die grosse Bandbreite bauender Frauen aus Deutschland und der Schweiz und gibt ihnen erstmals einen angemessenen Raum. Die Erweiterung der Ausstellung im ZAZ besteht aus verschiedenen Bereichen: In den Foyers im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss sind jeweils SCHWEIZER PIONIERINNEN sowie ihre WERKE ab- gebildet. Das SAFFA-ZIMMER verdeut- licht, wie die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit 1958 in Zürich für viele Schweizer Architektinnen eine einmalige Gelegenheit bot, um sich als Gestalterin- nen einzubringen. Eine TIMELINE doku- mentiert die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Schweizer Architektinnen und in INTERVIEWS schildern verschiedene Protagonistinnen unterschiedlichster Generationen ihre Perspektive auf das Frau- sein in der Baubranche. Auch die jüngere Generation erhält eine Plattform: Das ZAZ bietet jungen Architektinnen im Turnus für jeweils zwei bis drei Wochen eine CARTE BLANCHE, um ihr Büro, ihre Projekte und ihre Haltung einem grösseren Publikum vorzustellen. Ergänzend wird die Schau mit STATIS- TIK-SKULPTUREN bestückt. Die in Instal- lationen und Grafiken überführten Fakten zeigen auf, welche quantitative Realität sich hinter der Schweizer Architektur ver- birgt. Ein vielfältiges BEGLEITPROGRAMM schafft einen weiteren Rahmen, um das aktuelle Geschehen in Praxis und Lehre zu diskutieren und den Architektinnen- beruf in der Schweiz aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten. zaz-bellerive.ch ZAZ Zentrum Architektur Zürich Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architektenberuf 28.2. — 10.5.2020 FRAU ARCHITEKT DEUTSCHLAND FRAU ARCHITEKT DEUTSCHLAND FRAU ARCHITEKT DEUTSCHLAND Obergeschoss CARTE BLANCHE TIMELINE INTERVIEWS 2 2 Eingang SAFFA ZIMMER HER STORIES SCHWEIZER PIONIERINNEN FRAU ARCHITEKT DEUTSCHLAND FRAU ARCHITEKT DEUTSCHLAND STATISTIK- SKULPTUREN TIMELINE Erdgeschoss Grundriss © gestalten AG WERKE DISKUSSION

© gestalten AG Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im ... · 2005 Konstitution Kommission Frau und SIA. 1918 Werkbundausstellung Zürich: Erste Architekturausstellung in der Schweiz,

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«Frau Architekt» ist eine Ausstellung des DAM (Deutsches Architekturmuseum in Frankfurt am Main) und wurde dort erstmalig 2017 / 2018 gezeigt. Die Schau erzählt die Architekturgeschichte neu – aus der Perspektive von Frauen, die seit über 100 Jahren die Architektur prägen und gestalten.

Mit dem Ziel, die Ausstellung für ein Schweizer Publikum zu adaptieren, zeigt das ZAZ (Zentrum Architektur Zürich) «Frau Architekt» in leicht reduzierter Form und ergänzt die 18 Porträts von Frauen aus Deutschland um solche hiesiger Pionierin-nen und Vertreterinnen der Baukultur.

Warum zeigen wir «Frau Architekt» jetzt?

Immer mehr Frauen studieren Archi- tektur. An manchen Ausbildungsstätten sind sogar mehr weibliche Studierende als männliche immatrikuliert. Längst nicht alle kommen aber auch tatsächlich im Beruf an. Sie brechen das Studium entwe-der nach kurzer Zeit wieder ab, steigen nach dem Abschluss erst gar nicht in die Berufswelt ein oder verlassen diese nach wenigen Jahren. So entsteht eine grosse «missing group» – eine Diskrepanz zwischen der Anzahl der weiblichen Stu-dierenden und der Anzahl praktizierender Architektinnen. Es stellt sich die grosse Frage: Warum kehren so viele Frauen der Architektur wieder den Rücken – sei es während des Studiums oder nach dem Abschluss?

Gleichzeitig fokussiert die Geschichts-schreibung selbst stark auf männliche Protagonisten. (Landschafts-) Architektin-nen, Ingenieurinnen und Theoretikerinnen sind in Archiven, Lexika, Publikationen und Ausstellungen deutlich untervertreten. In der Schau erhalten zahlreiche Akteu- rinnen, die die Baukultur nachhaltig geprägt haben, eine posthume Würdigung und damit die verdiente Sichtbarkeit. Indem sich die Ausstellung auf weibliche Archi-tektinnen beschränkt, deklariert sie diese nicht zum Ausnahmefall. Im Gegenteil: Sie zeigt die grosse Bandbreite bauender Frauen aus Deutschland

und der Schweiz und gibt ihnen erstmals einen angemessenen Raum.

Die Erweiterung der Ausstellung im ZAZ besteht aus verschiedenen Bereichen: In den Foyers im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss sind jeweils SCHWEIZER PIONIERINNEN sowie ihre WERKE ab- gebildet. Das SAFFA-ZIMMER verdeut-licht, wie die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit 1958 in Zürich für viele Schweizer Architektinnen eine einmalige Gelegenheit bot, um sich als Gestalterin-nen einzubringen. Eine TIMELINE doku-mentiert die wichtigsten Ereignisse in der Geschichte der Schweizer Architektinnen und in INTERVIEWS schildern verschiedene Protagonistinnen unterschiedlichster Generationen ihre Perspektive auf das Frau- sein in der Baubranche.

Auch die jüngere Generation erhält eine Plattform: Das ZAZ bietet jungen Architektinnen im Turnus für jeweils zwei bis drei Wochen eine CARTE BLANCHE, um ihr Büro, ihre Projekte und ihre Haltung einem grösseren Publikum vorzustellen.

Ergänzend wird die Schau mit STATIS-TIK-SKULPTUREN bestückt. Die in Instal- lationen und Grafiken überführten Fakten zeigen auf, welche quantitative Realität sich hinter der Schweizer Architektur ver-birgt.

Ein vielfältiges BEGLEITPROGRAMM schafft einen weiteren Rahmen, um das aktuelle Geschehen in Praxis und Lehre zu diskutieren und den Architektinnen-beruf in der Schweiz aus verschiedenen Blickwinkeln zu beleuchten.

zaz-bellerive.ch

ZAZ Zentrum Architektur Zürich

Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im Architektenberuf 28.2. — 10.5.2020

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Page 2: © gestalten AG Seit mehr als 100 Jahren: Frauen im ... · 2005 Konstitution Kommission Frau und SIA. 1918 Werkbundausstellung Zürich: Erste Architekturausstellung in der Schweiz,

Pionierinnen der Schweizer Architektur

Die porträtierten 31 Architektinnen sind zwischen 1894 und 1930 geboren. Sie zählen zu den ersten ausgebildeten Architektinnen in der Schweiz und sind damit Pionierinnen.

Erst im Klima der Frauenrechtsbewe-gung studieren Schweizerinnen ab den 20er Jahren Architektur. 1923 diplo-miert die erste Schweizer Architektin Flora Steiger-Crawford an der ETH Zürich. In den folgenden Jahren steigt die Anzahl der Architektinnen, die an der ETH studieren, langsam an: Zwischen 1921–1940 schliessen 25 Schweizerinnen die Ausbildung ab, zwischen 1941–1960 sind es rund 60. In der Stadt Zürich gibt es 1960 rund 15 (Teil)-Inhaberinnen eines Architekturbüros. Heute beträgt der Frauenanteil im Architekturstudium nahezu 40 % und 30 % aller Architekten sind hierzulande weiblich. Doch je höher die Qualifizierungsebene ist, desto geringer fällt der Frauenanteil aus.

Die fehlenden Bilder weisen darauf hin, dass die Geschichtsschreibung über Schweizer Architektinnen noch viele blinde Flecken aufweist. Obwohl in den späten 70er Jahren in Kreisen der neu- en Frauenbewegung das Interesse an den Leistungen der Architektinnen der ersten Stunde wächst, sind weibliche Akteurinnen immer noch zu wenig erforscht. Im Rah- men der Ausstellung erhalten die wenigen Frauen, die Spuren hinterlassen haben, eine späte Würdigung und sollen die weitere Auseinandersetzung mit ihnen anregen.

Ihre Biographien weisen frappierende Ähnlichkeiten auf: Viele Frauen stammen aus Architektenfamilien oder aus einem kunstaffinen Umfeld, sind teilweise im Ausland tätig und verbringen ausgedehnte Reise- und Arbeitsaufenthalte in Skan-dinavien oder Holland. Viele gründen zusammen mit ihren Ehemännern Arbeits-gemeinschaften. Nur wenige führen alleine ein Büro. Ein grosser Teil der Archi-tektinnen widmet sich kurz nach dem Start ins Berufsleben primär der Familien-planung sowie -betreuung und ist nicht mehr aktiv im Büro tätig. Auch die Tätig-keitsfelder vieler Pionierinnen ähneln sich: Sie beschränken sich hauptsäch-lich – teilweise notgedrungen aufgrund fehlender öffentlicher Bauaufträge – auf Innen- und Wohnarchitektur, Möbel design oder auf Ausstellungsgestaltung.

Insbesondere die zweite SAFFA (Schweizerische Ausstellung für Frauen-arbeit) 1958 in Zürich bietet für viele Architektinnen eine einmalige Gelegen-heit, sich aktiv an der Gestaltung zu beteiligen. Als Chefarchitektin amtet An-nemarie Hubacher-Constam. Von den 104 Architektinnen, die an der ETH Zürich zwischen 1923–58 diplomiert haben, nehmen über 20 an der SAFFA teil. Resultat ist eine Vielzahl innova- tiver Ausstellungspavillons und -hallen, Wohnarchitekturen und Ladenstrassen, die sich am linken unteren Zürichsee- ufer erstrecken.

Timeline

1900 Die erste nachgewiesene Architekturstudentin an der ETH Zürich ist eine Amerikanerin. Nach dem Ersten Weltkrieg nehmen verschiedene Frauen aus dem In- und Ausland das Architek-turstudium auf, ohne dieses mit dem Diplom abzuschliessen.

1990 Gründung Frauenlobby Städtebau, Zürich.

1991 Gründung Schweizerische Vereinigung der Ingenieurinnen.

1992 Dissertation von Evelyne Lang Jakob über die Pionier- generation der Schweizer Architektinnen (Les premières femmes architectes en Suisse) an der EPF Lausanne. Durchführung des Planungsseminars «Weibliche und männliche Aspekte in der Stadtplanung» am ORL (Institut für Orts-, Regional- und Landesplanung, ETH Zürich). Gründung Gruppe FFF in Basel (Freiraum für Frauen). Gründung ABAP Bern (Arbeitsgemeinschaft Berner Architektin-nen und Planerinnen).

1993 Inès Lamunière erhält als erste Frau eine ordentliche Professur für Entwurf und Architekturtheorie an der EPF Lausanne. Die Studie «FRAU – STADT – ANGST – RAUM» der Frauenlobby Städtebau, Zürich erscheint.

1994 Gründung des Vereins «P, A, F. – Planung, Architektur, Frauen» in Bern. Einführung des Diplomwahlfachs «Frauen in der Geschichte des Bauens» an der ETH Zürich.

1997 Aufsetzung Pilotprojekt «FRAU AM BAU» in der Region Bern mit dem Ziel, gleichstellungsgerechte Arbeitsbedingungen und die Erhöhung des Frauenanteils in der Bauplanungsbranche zu realisieren (bis 2003).

2009 Einführung Gender Monitoring ETH.

2012 Auflösung des Vereins «P, A, F. – Planung, Architektur, Frauen».

2013 Gründung des Vereins Lares zwecks Förderung des gender- und alltagsgerechten Planens und Bauens als soziale Dimension der Nachhaltigkeit. Petition von Women in Design (Studierende der Harvard Graduate School of Design) zur nachträglichen Pritzker-Preis-Anerkennung für die Architektin Denise Scott Brown. Dieser wurde 1991 nur an ihren Ehemann und Büropartner Robert Venturi verliehen.

2014 Einführung ETH Zürich Gender Action Plan. Gründung Plattform wipswiss (women in property switzerland). Gründung Netzwerk Frau und SIA.

2016 Gründung Parity Group am Departement Architektur der ETH Zürich.

2017 Gründung Verein Créatrices.ch Ausstellung «Frau Architekt» am Deutschen Architekturmuseum Frankfurt.

2020 Ausstellung «Frau Architekt» im ZAZ (Zentrum Architektur Zürich).

2000 Offizielle Lancierung von «FRAU AM BAU» in der deutsch- sprachigen Schweiz.

2003 Initiierung Arbeitsgruppe Frau und SIA.

2004 Zaha Hadid gewinnt als erste Frau den Pritzker-Preis.

2005 Konstitution Kommission Frau und SIA.

1918 Werkbundausstellung Zürich: Erste Architekturausstellung in der Schweiz, an der eine Frau (Lux Guyer) teilnimmt.

1923 Flora Steiger-Crawford erhält als erste Frau das Diplom an der Architekturabteilung der ETH Zürich.

1924 Monique de Meuron diplomiert als erste Westschweizer Architektin an der ETH Zürich. Lux Guyer eröffnet in Zürich als wahrscheinlich erste Schweizer Architektin ein eigenes Architekturbüro.

1928 Die erste «Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit» (SAFFA) findet in Bern statt (Leitende Architektin Lux Guyer).

1936 Gertrud Brenner tritt als erste Frau in den SIA (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverband) ein.

1939 Lisbeth Sachs gewinnt die Ausschreibung zur Gestaltung des neuen Kurtheaters in Baden (ausgeführt 1951–52).

1954 Gret Reinhard-Müller wird als erste Frau in den Bund Schweizer Architekten (BSA) aufgenommen. Später folgen Elsa Burckhardt-Blum (1956), Annemarie Hubacher-Constam und Jeanne Bueche (1959).

1958 Die zweite «Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit» (SAFFA) findet unter dem Titel «Die Schweizerfrau, ihr Leben, ihre Arbeit» in Zürich statt (Leitende Architektin Annemarie Hubacher-Constam).

1960 Es gibt ca. 15 (Teil)-Inhaberinnen eines Architekturbüros in der Stadt Zürich.

1963 Gründung der UIFA (Union Internationale des Femmes Architectes) in Paris.

1971 Einführung Frauenstimmrecht in der Schweiz.

1977 Ausstellung «Women in American Architecture: A Historic and Contemporary Perspective» im Brooklyn Museum New York. Es ist eine der ersten Ausstellungen über Frauen in der Architektur.

1983 Ausstellung über die Architektin Lux Guyer an der ETH Hönggerberg, Zürich.

1984 Vortrag von Beate Schnitter zum Thema «Möglichkeiten einer Frauenarchitektur» im Rahmen der Ringvorlesung «Frau – Realität + Utopie» an der Universität Zürich.

1985 Flora Ruchat-Roncati erhält als erste Frau eine ordentliche Professur an der ETH Zürich (für Architektur und Entwurf).

1987 Ausstellung «Ladies first – eine Überlegung über das Thema ein Zimmer für sich allein» im Architekturforum Zürich zur Frage: Gibt es eine Frauenarchitektur?

1989 Ausstellung «SAFFA 1928, 1958 … 1988?» von Inès Lamunière, Beate Schnitter und Flora Ruchat-Roncati im Architekturmuseum Basel. Gründung FachFrauen Umwelt – Professionelles En Environnement (ffu-pee).

1959 10,9 % der Architekturstudierenden an der ETH sind Frauen. Die erste Volksabstimmung über das eidgenössische Frauenstimmrecht (66 % Nein-Stimmen) findet statt. Die Zürcher Ortsgruppe des BSA (Bund Schweizer Architekten) beschliesst die Zulassung der Architektinnen unter der Voraus-setzung, «dass sie den Kriterien für die Aufnahme in gleichem Masse wie die männlichen Kollegen entsprechen.»

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Die SAFFA 1958Die SAFFA 1958, die zweite Schwei-

zerische Ausstellung für Frauenarbeit, öffnete am 17. Juli 1958 in Zürich ihre Tore zur ausführlichen multimedialen Darstellung der zeitgenössischen Arbeit und des Lebens der Schweizer Frauen. Bis zum 15. September präsentierte die weitläufig am linken Zürcher Seeufer angelegte Schau im Grünen zahlreiche Architekturen wie Pavillons, Zeltbauten und Mustergebäude. Die Bauwerke selbst wie auch die darin gezeigten Aus-stellungen und Exponate erlaubten eine dichte und beeindruckende Über- sicht des gestalterischen und künst- lerischen Schaffens von Frauen in der Schweiz der Nachkriegsjahre. Gezeigt wurde eine Fülle an architektonischen, landschaftsgestalterischen, malerischen, plastischen, graphischen und ausstel- lungsgestalterischen Beiträgen. Die Teilneh-menden waren zum Teil bekannte Persön- lichkeiten aus der Kunst- und Berufswelt. Für viele erwies sich die SAFFA 1958 jedoch als eine privilegierte Plattform und eine Möglichkeit, die eige-nen Werke einer grösseren Öffentlich-keit zu präsentieren. Wie keine andere Veranstaltung jener Zeit vermochte es die SAFFA 1958 einen Querschnitt künstlerischer und ge- stalterischer Tätigkeiten von Schweizer Frauen zusammenzutragen und eine bis heute ungeschriebene Geschichte zu skizzieren. Diese Leistungsschau wei- blicher Kreativität war den Anstrengungen der Schweizer Frauenvereinen zu ver- danken und wurde ebenso von Frauen kon-zipiert wie auch realisiert. Sie verzeichnete mit 1.9 Millionen Besuchern einen beacht-lichen Erfolg und kann als Veranstaltung von nationaler Relevanz – sowohl im kulturellen wie auch im politischen Sinne – eingestuft werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Abstimmung von 1959 zum Frauenstimm- und Wahlrecht.

Die Zürcher Architektin Annemarie Hubacher-Constam, die die Projek- tierung und Ausführung der gesamten Ausstellungsanlage als Chefarchitektin leitete und dabei ein fast 100-köpfiges Team koordinierte, entwarf ein organi-sches Ausstellungs-konzept und eine unaufdringliche, aber dennoch erkennbare Corporate Identity. Diese war im Einklang mit der zeitgenössi-schen Sprache der europäischen Grossausstellungen und im Geiste einer internationalen

Moderne. Auch der Gestaltung der Aussenräume und der Grünanlagen, die den Landschafts-architektinnen Verena Dubach- Steiner und Margrit Hofman oblag, wurde besondere Auf- merksamkeit ge-schenkt. Neben einem Rosen- und Schatten-staudengarten wurde dem Ausstellungsareal speziell für diesen

Anlass eine künstlich aufgeschüttete Insel vorgelagert, um auch landschafts- gestalterisch ein nachhaltiges Zeichen zu setzen.

Grundlegend für die Disposition der Anlage, die manche Anleihen an die Landi 1939 aufwies, war – neben der kommerziellen Ladenstrasse – das Werk «Die Linie» der Illustratorin und Grafikerin Warja Lavater. Es führte wie ein Rückgrat durch die Aus-stellung. In Zusammenarbeit mit der Theologin Dr. Marga Bührig, der Grafikerin Helen Sarasin sowie den Archi-tektinnen Beate Schnitter und Ruth Lanners wurde die

grafisch-räumliche Installation von 275 Metern Länge geplant und realisiert. In einem Teil des Parcours waren zwanzig

monumentale Hi- storienbilder (10× 4 m) mit weiblichen Figuren aus der Schweizer Geschichte ausgestellt. Weitere Bereiche der Installation stell- ten zeitgenössische Themen aus der Welt der Frauen mit fotografischen Auf-nahmen dar. «Die Linie» funktionierte auch, ähnlich dem «Höhenweg» an der Landi 1939, als eine Art

Einführungsroute in das ideologische und thematische Setting der Ausstellung.

Eine zentrale Stellung nahm bei der SAFFA 1958 neben dem Thema «Arbeit» auch das Thema «Wohnen» ein. Dieses wurde vornehmlich im sogenannten «Wohn- turm» auf verschiedenen Ebenen und anhand verschiedener Exponate und Bau- ten jeweils mit einem didaktischen Zug thematisiert. In diesem wurde zusätzlich eine Städtebauausstellung gezeigt, die das explizite Ziel hatte, das Thema zu popularisieren; dazu formulierte der Katalog: «Städtebau geht nicht nur die Architekten und Planer, sondern uns alle an, Männer, Frauen und Kinder.»

«Aus der Not der kurzen

Ausstellungsdau-er und der be-

schränkten finan-ziellen Mittel wurde eine

Tugend gemacht.»Annemarie Hubacher-Constam

«Ein wesentliches bauliches Merk- mal der SAFFA

1958 stellte die Verwendung

billiger vorhande-ner Elemente und Materialien dar.»

Annemarie Hubacher-Constam

Carte BlancheJunge Schweizer Architektinnen

erhalten innerhalb der Ausstellung je- weils für zwei bis drei Wochen eine «CARTE BLANCHE», um ihr Büro, ihre Projekte und / oder ihre Haltung im Turnus einem grösseren Publikum vor- zustellen.

Eingeladene Architektinnen:Liliane Haltmeier und Luise KisterHaltmeier Kister Architektur, Zürich27.2.20 bis 15.3.20

Besa Zajmi, Alexia Sawerschel und Romana Castiglioni Studio Barrus, Zürich16.3.20 bis 5.4.20

Johanna Blättler und Danièle HeinzerBlättler Heinzer Architektur, Zürich & Luzern06.04.20 bis 26.4.20

Michèle Bär und Nicole BaumgartnerBaumgartner Bär Architekten, Zürich & Pratval 27.4.20 bis 10.5.20

InterviewsVerschiedene Akteurinnen der

Schweizer Architekturszene äussern sich hier in Interviews über die Stellung, Sichtbarkeit sowie die Teil- habe von Frauen im Architekten- beruf. Darüber hinaus reflektieren sie die Bedingungen und Strukturen der Branche.

Um ein möglichst vielfältiges Bild des Architektenberufes wieder- zugeben, wurden Protagonistinnen verschiedener Generationen und mit unterschiedlichen Arbeitsweisen zu ihrer individuellen Haltung befragt. Gemein ist ihnen, dass sie alleine oder mit einem Partner / einer Partnerin erfolgreich ein Architekturbüro führen.

Folgende Architektinnen sind vertreten:Beate Schnitter (1929) Trix Haussmann-Högl (1933) Marie-Claude Bétrix (1953) Vera Gloor (1963) Annette Helle (1965) Barbara Neff (1966) /Bettina Neumann (1967) Marianne Julia Baumgartner (1984)

«Her Stories ’20», 2019«Her Stories» ist eine Produktion

von Cristina Bellucci (Architektin MSc ETH SIA), Anouk Schepens (Architektin MSc ETH) und Janina Zollinger (Architektin MSc ETH).

Die drei Architektinnen haben per- sönliche Erlebnisse von Berufs- kolleginnen gesammelt, die fest etab- lierte Stereotypen sowie Vorurteile, mit denen Architektinnen im Berufs- alltag konfrontiert werden, aufzeigen.

Eine Auswahl der eingereichten Beiträge wurde von einer Schau- spielerin gesprochen, anonymisiert und erstmals als Videoprojektion im Centro Cultural São Paulo (CCSP) im Rahmen der XII. Internationalen Architekturbiennale in São Paolo gezeigt.

Im Sinne eines laufenden Projektes sammeln die Projektverantwortlichen weiterhin Erzählungen, damit der beste-hende Film stetig erweitert werden kann. Die Website «herstories.ch» bietet eine sichere und wirkungsvolle Platt- form, um weitere Beiträge zu teilen. Ziel von «Her Stories» ist, die Gleichstellungs-debatte weiter anzuregen, die aktuellen Missstände aufzuzeigen und auch Frauen aus anderen Berufen zu motivieren, ihre Alltagsgeschichten kundzutun.

Wohnturm im Bau, 1958, Foto: Philippe Giegel, Schweizerische Verkehrszentrale Zürich (Archiv Familie Hubacher)

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Leihgeber und Bildrechte: Beate Schnitter, gta Archiv / ETH Zürich, Rudolf Steiger und Flora Steiger-Crawford, Thomas Cugini Zürcher Hochschule der Künste / Archiv, Lukas Högl, Privatarchiv Silvia Witmer-Ferri, NZZ 17.07.1958 (NZZ Archiv), Blütenweiss bis rabenschwarz: St. Galler Frauen – 200 Porträts, Les premières femmes architectes de Suisse et leurs précurseuses au niveau interna-tional, Primula Bosshard, Alexander Barbey, Zürcher Hochschule der Künste / Archiv, Max Frisch Archiv, Zürich, Robert Hofer, Privatarchiv Susi Müller-Gehrig, © Anita Niesz / Fotostiftung Schweiz

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