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DIA L OG R UNDE B R UST K REBS Sonderdruck Wenn Brustkrebs fortschreitet DIE AKTUELLE ZEITUNG VON SPRINGER MEDIZIN JANUAR 2017 SONDERDRUCK Eine Veranstaltung von Pfizer und Brustkrebs Deutschland e.V. in Kooperation mit „Mamma Mia! – Das Brustkrebsmagazin“ und der „Ärzte Zeitung“ Stark und lebensfroh – trotz metastasiertem Brustkrebs Sie haben Botschaften formuliert, die ein- drucksvoller kaum sein könnten: Frauen mit metastasiertem Brustkrebs haben sich vor kurzem in Frankfurt am Main getroffen. Einge- laden vom Brustkrebsmagazin „Mamma Mia“ haben sie sich ausgetauscht, Botschaften und Wünsche formuliert, über Ängste gesprochen und klargestellt, dass sie sich ihre Lebensfreu- de trotz ihrer schweren Erkrankung bewahren wollen. Allzu oft fühlen sich diese Frauen al- lein gelassen. Sie stehen im Abseits. Jahr für Jahr erkranken in Deutschland etwa 72 000 Frauen neu an Brustkrebs. 30 Prozent von ihnen entwickeln Metastasen. Um mehr Sensibilität für ihre Probleme zu entwickeln, ist die Dialogrunde Brustkrebs initiiert wor- den. Sie wird vom Unternehmen Pfizer und Brustkrebs Deutschland e.V. in Kooperation mit „Mamma Mia“ und der „Ärzte Zeitung“ un- terstützt. Ärzte, Journalisten, Patientenver- bände und Vertreter aus der Industrie disku- tieren bei diesen Veranstaltungen über die Perspektiven der betroffenen Frauen. Auf den folgenden Seiten informieren wir über Ergeb- nisse der Dialogrunde Brustkrebs in Stuttgart und werfen einen Blick auf die Versorgung in anderen Ländern. © MAMMA MIA (10)

© MAMMA MIA (10) Stark und lebensfroh – trotz ... · Metastasierte Patientinnen wollen ei-ne Therapie, die möglichst lange wirkt, damit die Erkrankung nicht vo-ranschreitet. Sie

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Page 1: © MAMMA MIA (10) Stark und lebensfroh – trotz ... · Metastasierte Patientinnen wollen ei-ne Therapie, die möglichst lange wirkt, damit die Erkrankung nicht vo-ranschreitet. Sie

DIALOGRUNDE BRUSTKREBS

Sonderdruck

Wenn Brustkrebs

fortschreitetDIE AKTUELLE ZEITUNG VON SPRINGER MEDIZIN JANUAR 2017 SONDERDRUCK

Eine Veranstaltung von Pfizer und Brustkrebs Deutschland e.V. in Kooperation mit „Mamma Mia! – Das Brustkrebsmagazin“ und der „Ärzte Zeitung“

Stark und lebensfroh – trotz

metastasiertem BrustkrebsSie haben Botschaften formuliert, die ein-

drucksvoller kaum sein könnten: Frauen mit

metastasiertem Brustkrebs haben sich vor

kurzem in Frankfurt am Main getroffen. Einge-

laden vom Brustkrebsmagazin „Mamma Mia“

haben sie sich ausgetauscht, Botschaften und

Wünsche formuliert, über Ängste gesprochen

und klargestellt, dass sie sich ihre Lebensfreu-

de trotz ihrer schweren Erkrankung bewahren

wollen. Allzu oft fühlen sich diese Frauen al-

lein gelassen. Sie stehen im Abseits.

Jahr für Jahr erkranken in Deutschland etwa

72 000 Frauen neu an Brustkrebs. 30 Prozent

von ihnen entwickeln Metastasen. Um mehr

Sensibilität für ihre Probleme zu entwickeln,

ist die Dialogrunde Brustkrebs initiiert wor-

den. Sie wird vom Unternehmen Pfizer und

Brustkrebs Deutschland e.V. in Kooperation

mit „Mamma Mia“ und der „Ärzte Zeitung“ un-

terstützt. Ärzte, Journalisten, Patientenver-

bände und Vertreter aus der Industrie disku-

tieren bei diesen Veranstaltungen über die

Perspektiven der betroffenen Frauen. Auf den

folgenden Seiten informieren wir über Ergeb-

nisse der Dialogrunde Brustkrebs in Stuttgart

und werfen einen Blick auf die Versorgung in

anderen Ländern.

© M

AMMA M

IA (10

)

Page 2: © MAMMA MIA (10) Stark und lebensfroh – trotz ... · Metastasierte Patientinnen wollen ei-ne Therapie, die möglichst lange wirkt, damit die Erkrankung nicht vo-ranschreitet. Sie

Dialogrunde Brustkrebs Januar 2017 Sonderdruck2

WENN BRUSTKREBS FORTSCHREITETEine Veranstaltung von Pfizer und Brustkrebs Deutschland e.V.in Kooperation mit Mamma Mia! – Das Brustkrebsmagazin und der Ärzte Zeitung

STUTTGART. Wenn prominente Frau-en an Brustkrebs sterben, dann be-kommt Professor Wolfgang Janni, Di-rektor der UniversitätsfrauenklinikUlm, nicht selten Anfragen von Bou-levard- und anderen Zeitungen. „Wieist das möglich, was ist da schiefgelau-fen?“ Das sei er etwa nach dem Todder Schauspielerin Maja Maranowoder der Moderatorin Miriam Pielhauin diesem Jahr gefragt worden, be-richtete Janni vor kurzem bei der Dia-logrunde Brustkrebs Stuttgart.Janni hatte eine präzise Erklärung

für diese Anfragen: Es gibt zu wenigHintergrundwissen. Zwar werden dieallermeisten betroffenen Frauen vonBrustkrebs geheilt und die Fünf-Jah-res-Überlebensrate liegt bei über 80Prozent. Doch diese positive Bot-schaft könne nicht darüber hinweg-täuschen, dass es eine Kehrseite gibt,die in der Öffentlichkeit noch viel zuwenig bekannt ist. Bei jeder drittenBrustkrebspatientin tritt die Erkran-kung nach einigen Jahren wieder auf,schreitet fort und es bilden sich Me-tastasen. In einem fortgeschrittenenStadium ist eine Heilung in der Regelnicht mehr möglich.

Völlig andere Probleme

Die Tatsache, dass Frauen mit metas-tasiertem Brustkrebs völlig andereProbleme haben als Frauen im frühenStadium der Erkrankung, werde imAlltag oft nicht wahrgenommen, sagtePetra Krebs, gesundheitspolitischeSprecherin der Grünen im Landtagvon Baden-Württemberg.In ihrer Fraktion will die gelernte

Krankenschwester jetzt nicht nur dasThema ansprechen, sondern auch diepsychoonkologischen Versorgungs-strukturen im Ländle prüfen.Der ehrenamtliche Geschäftsfüh-

rer des Krebsverbandes Baden-Würt-temberg, Hubert Seiter, brachte alsBesucher der Dialogrunde seine Sorgeum die Zukunft der acht Krebsbera-tungsstellen in Baden-Württembergzum Ausdruck. Die Finanzierungszu-sage der alten Landesregierung laufeEnde 2016 aus. Im aktuellen Haus-haltsplan finde sich keine Bereitstel-lung entsprechender neuer Mittel.Der Bestand dieser für viele Men-schen wichtigen Beratungseinrich-tungen sei deshalb massiv bedroht,warnte Seiter.Ein Kernproblem der Patientinnen

ist die Tatsache, dass es in ihrem All-tag in aller Regel keine Frauen mitBrustkrebs gibt, die sich im gleichenfortgeschrittenen Stadium befinden.„Es gibt bisher kaum Vernetzung, unddarunter leiden diese Frauen sehr“,bedauerte Eva Schumacher-Wulf,Chefredakteurin des Brustkrebsma-gazins „Mamma Mia“.Im Ausland, vor allem in den USA,

sei die Situation hingegen ganz an-

ders, sagte Renate Haidinger, Gründe-rin der Organisation BrustkrebsDeutschland e.V.. Dort würden vielstärker die Möglichkeiten des Inter-nets genutzt. Die Journalistin will inZukunft online ein entsprechendesNetz für betroffene Frauen inDeutschland aufbauen.Der zurückhaltende öffentliche

Umgang mit dem sensiblen Themametastasierter Brustkrebs sei zumin-dest in den skandinavischen Ländernoder in den Niederlanden kaum an-ders als in Deutschland, berichteteaus eigener Erfahrung Carl Janssen,Leiter von Pfizer Oncology Deutsch-land und einer der Geschäftsführerder Pfizer Pharma GmbH.Die Präsidentin des LandFrauen-

verbandes Württemberg-Baden e.V.,Marie-Luise Linckh, erläuterte, dassder Fokus des Vereins bisher auf Prä-vention und Probleme von Frauen mitfrühem Brustkrebs gerichtet wordensei. Die bei der Dialogrunde Brust-krebs neu gewonnenen Erfahrungen

seien Ansporn, sich verstärkt auch umPatientinnen mit fortgeschrittenerErkrankung zu kümmern. Ihr opti-mistischer Ausblick: „Wir sind starkin den Regionen verankert. Wir kön-nen Vertrauen zu betroffenen Frauenaufbauen und zugleich auch in derBreite unter unseren Mitgliederndeutlich machen, dass diese Frauenallzu oft allein auf sich gestellt sind“,sagte Marie-Luise Linckh.

Rückzug – nein danke!

Viele Frauen, die die Krankheit be-siegt haben, ziehen keinen Schluss-strich, sondern helfen aktiv vor demHintergrund ihrer eigenen Krank-heitsgeschichte, um Defizite zu kom-pensieren. Über diese Erfahrung be-richtete in Stuttgart Doris C. Schmittvon der Stiftung PATH. PATH – Pati-ents Tumor Bank of Hope – ist dieeinzige Brustkrebs-Biobank, die voneinem ehrenamtlichen Vorstand ge-leitet wird, alle drei sind ehemaligeBrustkrebspatientinnen.

VON CHRISTOPH FUHR

Es geht um gesellschaftliche Aufklärungund um den Aufbau von NetzwerkenEs fehlt an Hintergrundwis-

sen – an allen Ecken und En-

den: Die Dialogrunde Brust-

krebs zeigt: Dieses Problem

muss gelöst werden, um

Frauen mit fortgeschritte-

nem Brustkrebs zu helfen.

Dialogrunde

Brustkrebs

Die Dialogrunde ist eine

gemeinsame Initiative des for-schenden Arzneimittelherstel-lers Pfizer und von „BrustkrebsDeutschland e.V.“ in Kooperationmit „Mamma Mia! – Das Brust-krebsmagazin“ sowie der„Ärzte Zeitung“.

Ziel ist es, die besondere Situati-on von Frauen mit metastasier-tem Brustkrebs stärker in denöffentlichen Fokus zu rücken.

Informationen im Internet:

www.dialogrunde-brustkrebs.de

Dialogrunde Brustkrebs (v. l.): Carl Janssen (Leiter Pfizer Oncology Deutschland), Eva Schumacher-Wulf (Brustkrebsmagazin „Mamma Mia“) ,Wolfgang van den Bergh (Chefredakteur „Ärzte Zeitung“), Marie-Luise Linckh (Landfrauen Baden-Württemberg), Renate Haidinger (Brustkrebs Deutschland e.V.),Professor Wolfgang Janni (Direktor Uni-Frauenklinik, Ulm). © RUDEL

Metastasierter Brustkrebs – das istohne Zweifel ein wichtiges gesund-heitspolitisches Thema, gerade mitBlick auf den Ausbau von besserenVersorgungsstrukturen für die betrof-fenen Frauen.Als Frau, Mutter von zwei Töchtern

und gelernte Krankenschwester fälltes mir allerdings schwer, mich diesemThemenkomplex analytisch und poli-tisch nüchtern zu nähern. Es geht da-

bei zunächst einmal ganz stark umEmotionen. Die Brust der Frau ist einäußeres Geschlechtsmerkmal, oft inschöner Wäsche verpackt, viel bere-det, ein gesellschaftliches Thema, einDauerbrenner nicht nur im Boule-vardjournalismus. Über Brüste redetdie ganze Welt.Einmal im Jahr gehe ich zur Krebs-

vorsorge – im Grunde widerwillig,und das dürfte bei vielen Frauen ganzähnlich sein. Man geht hin mit einemflauen Gefühl im Magen: hoffentlichwird nichts gefunden, hoffentlichgeht alles gut. Wenn das positive Sig-nal kommt, ist man leicht geneigt, dasThema wieder zu verdrängen.Die Diagnose Brustkrebs jedoch

ändert die Situation schlagartig. Be-troffene selbst haben dann keineChancen mehr, Fakten zu verdrängen.Zugleich setzen jedoch gesellschaftli-

che Verdrängungsmechanismen ein.Mag auch das Interesse an Brustkrebsin seinem frühen Stadium noch vor-handen sein, so sinkt es rasant, wennes um Frauen geht, bei denen es be-reits Metastasen gibt. Diese Patientin-nen stehen im Abseits, niemand inte-ressiert sich für ihr Schicksal. Sie be-nötigen unsere Solidarität, hier be-steht dringend Handlungsbedarf.Ich habe als Pflegekraft in der neu-

rologischen Frührehabilitation gear-beitet. Das ist natürlich im Vergleichzum Brustkrebs ein anderes Arbeit-feld, und dennoch gibt es Parallelen:Ich war in dieser Zeit oft in Zimmernvon schwer betroffenen Patienten, indenen ich verzweifelte, trauernde, zu-tiefst verunsicherte Menschen gese-hen habe. „Weinen Sie ruhig, habe ichihnen gesagt, lassen Sie raus, was Siebedrückt.“ Aber irgendwann muss

dann auch Schluss sein mit Trauerund Frustabbau, dann geht es ganzeinfach darum, die Krankheit zu orga-nisieren, damit der Alltag weiter funk-tioniert. Das mag sich merkwürdiganhören, trifft aber die Sache auf denPunkt.Kein Zweifel: Es bleibt auch poli-

tisch noch vieles zu tun: Wir werdenuns im Landtag zu beschäftigen habenmit der Situation und dem weiterenAusbau der so ungemein wichtigenpsychoonkologischen Beratungsstel-len in Baden-Württemberg. Und da-mit allein ist es nicht getan. Ich werdedie Lebensbedingungen von Frauenmit metastasiertem Brustkrebs offen-siv in der Grünen-Landtagsfraktionzum Thema machen. Es ist eine Fragevon Glaubwürdigkeit, dass wir unsProblemen stellen, die in der Öffent-lichkeit bisher verdrängt worden sind.

Schwerkranke Frauen im

Abseits. Doch warum? Petra

Krebs von den Grünen in

Baden-Württemberg analy-

siert Hintergründe.

„Weinen Sie, lassen Sie raus, was Sie bedrückt!“

VON PETRA KREBS

Petra Krebs, GesundheitspolitischeSprecherin der Grünen im Landtag Ba-den-Württemberg . © HORST RUDEL

Page 3: © MAMMA MIA (10) Stark und lebensfroh – trotz ... · Metastasierte Patientinnen wollen ei-ne Therapie, die möglichst lange wirkt, damit die Erkrankung nicht vo-ranschreitet. Sie

Metastasierte Patientinnen wollen ei-ne Therapie, die möglichst langewirkt, damit die Erkrankung nicht vo-ranschreitet. Sie soll möglichst wenigNebenwirkungen haben und ein „nor-males“ Leben ermöglichen. Diese Er-fahrung hat Renate Haidinger, Jour-nalistin und 1. Vorsitzende von Brust-krebs Deutschland e.V., in Gesprächenmit vielen betroffenen Frauen ge-macht.

Die Patientinnen seien in vieler

Hinsicht ge- und überfordert, sagtesie bei der Dialogrunde Brustkrebs inStuttgart. Die Angst zu Sterben werdetäglicher Begleiter. Zugleich steige dieAngst vor Schmerzen, den Alltag nichtmehr bewältigen zu können, die Kin-der nicht mehr versorgen und auf-wachsen zu sehen. „Wer bereits beider Erstdiagnose metastasiert ist, derverkraftet die neue Situation nochschwerer. Hoffnung und Durchhalte-vermögen werden lebenswichtig“, soHaidinger weiter.

Für die Frauen sei es darüber hi-naus wichtig zu wissen, dass es ver-schiedene therapeutische Optionengibt, insbesondere, wenn eine Thera-pie versagt. Man müsse allerdings andiese neue Therapie auch herankom-men, und das sei keinesfalls selbstver-ständlich. Am Ende bleibe die Hoff-

nung, dass immer wieder neue Thera-piemöglichkeiten gefunden werden,so Haidinger .

Mit fortschreitender Erkrankungwird aus ihrer Sicht das Verhältnisvon Wirkung zu Nebenwirkungen im-mer wichtiger. Diese Nebenwirkun-gen würden allerdings bei Heilungleichter weggesteckt.

Problematisch ist aus ihrer Sichtdie Situation für Patientinnen, die ei-nen Rückfall bekommen. „WennFrauen zusätzlich zur Operation be-reits eine adjuvante Therapie erhal-ten haben und erfahren, dass nun Me-tastasen da sind, dann ist das kata-strophal.“ Alle erlernten und angeeig-neten Bewältigungsstrategien seien indieser Situation sofort wieder dahin.

Eine US-Studie zeigt, dass immer-hin 25 Prozent der befragten Frauen

das Thema frei und offen mit ihrer Fa-milie und mit Freunden besprechenkönnen. 21 Prozent berichten aller-dings, dass sie extrem selten in ihremsozialen Umfeld darüber reden. Be-troffene Frauen suchen gerne den Di-alog untereinander – weil sie sich bes-ser verstanden fühlen. Sie sind abernur schwer zu vernetzen.

Die öffentliche Wahrnehmung vonBrustkrebs hat sich in den letztenJahren verändert, erläuterte Haidin-ger abschließend. Immer mehr Frau-en überleben die Erkrankung. Dasführt dazu, dass eine Metastasierungverharmlost wahrgenommen wirdund Patientinnen meist auf völligesUnverständnis stoßen. Sie seien ausnachvollziehbaren Gründen müde,immer wieder ihre Erkrankung in derÖffentlichkeit zu erklären. ( fuh)

Hoffnung auf neue therapeutische Optionen wächstSie sind massiv gefordert

und zugleich überfordert:

Frauen mit metastasiertem

Brustkrebs stehen vor

großen Herausforderungen.

Setzt darauf, dass immer wieder neueTherapieoptionen gefunden werden:Renate Haidinger. © HORST RUDEL

Viele Journalisten aus den Publi-kumsmedien haben offenbar eineher bescheidenes Hintergrund-wissen, wenn es um die speziellenBedürfnisse und Probleme vonFrauen mit metastasiertem Brust-krebs geht. Das ist eine Kernerfah-rung, über die sich engagierteFrauen aus Selbsthilfegruppenüberall in Europa immer wiederbeklagen.

Ohne konkreten Anlass gibt eskein journalistisches Interesse amfortgeschrittenen Brustkrebs, essei denn, für kurze Zeit rückt dasSchicksal von betroffenen Frauenin den Fokus der Öffentlichkeit. Sogeschehen im Sommer in Deutsch-land, als die TV-ModeratorinnenMiriam Pielhau und Jana Thiel anden Folgen von Brustkrebs star-ben. Das öffentliche Interesse wargroß – aber eben nur für eine kurzeZeit.

So sind die Regeln des Nachrich-tenmarktes, und sie werden vonMenschen, die sich für Frauen mitmetastasiertem Brustkrebs enga-gieren, nicht aufzubrechen sein. Eswird auch in Zukunft – traurig ge-nug für die Betroffenen und derenAngehörige – immer wieder Situa-tionen geben, in denen das Interes-se an diesem Thema schlagartigsteigt. Für Selbsthilfegruppenmuss es deshalb auch darum ge-hen, ein Netz an konkreten An-sprechpartnern in Redaktionenaufzubauen. Zugleich müssen pro-fessionelle Hintergrundinformati-onen erarbeitet werden, um Jour-nalisten bei ihrer täglichen Arbeitzu unterstützen.

Für die Ärzte Zeitung als Fach-Medium sind kritische Bestands-aufnahmen auch ohne konkretenAnlass jederzeit möglich. Sie wer-den von unseren Leserinnen undLesern sogar erwartet. Wir errei-chen tausende von Ärzten und on-line (www.aerztezeitung.de) auchimmer mehr medizinische Laien.

Es gibt viele Wege, das Themametastasierter Brustkrebs offensivin die Öffentlichkeit zu tragen. DieHerausforderungen sind groß, Re-signation wäre die falsche Antwort.

VON WOLFGANG

VAN DEN BERGH

PUBLIKUMSMEDIEN

Strategien

gegen das

Desinteresse

„Die allermeisten Frauen werden vonBrustkrebs geheilt.“ Diese Botschaftwerde allen Patientinnen, die neu inder Unifrauenklinik Ulm behandeltwerden, mit auf den Weg gegeben,sagte Professor Wolfgang Janni. Beider Dialogrunde Brustkrebs in Stutt-gart ließ der Chef der Universitäts-frauenklinik Ulm keinen Zweifel, dassdiese positive Nachricht sehr gut be-gründet werden kann. Die Fünf-Jah-res-Überlebensrate bei einer Brust-krebs-Neuerkrankung liege bei über80 Prozent, die Heilung gelinge im-mer häufiger, sagte er. Doch Janniweiß nur zu gut, dass es auch eineKehrseite der Medaille gibt: „Wir re-den nicht darüber, dass eben ein Teilder Patientinnnen stirbt.“

Für den Frauenarzt ist klar, dassder Kampf gegen Brustkrebs nur mitinterdisziplinären Konzepten zu füh-ren ist. Diagnostik, Therapie undNachsorge könnten nur dann auf ho-hem Niveau sichergestellt werden,wenn alle beteiligten Fachdisziplinensowie Wissenschaftler, Krankenkas-sen, Selbsthilfegruppen und Industriekooperieren. Die Qualität des gesam-ten Behandlungsteams entscheide da-rüber, ob und wie eine Frau mit derKrankheit lebt.

Hervorragende Versorgung

„Wir haben in Deutschland auch iminternationalen Vergleich eine her-vorragende Versorgungssituation“, soJanni weiter. Als einen Hauptgrundnannte er in diesem Zusammenhangdie zertifizierten Brustzentren, derenZahl weiter steigt. Die Zertifizie-rungs-Richtlinien sind von der Deut-schen Gesellschaft für Senologie ge-meinsam mit der Deutschen Krebsge-sellschaft entwickelt worden. Sie sei-en nicht nur allgemein Garant für ei-ne interdisziplinäre Zusammenarbeit,

sondern sicherten auch den Aus-tausch zwischen niedergelassenen-und Klinik-Onkologen.

Interdisziplinäre Tumorboards

Für die Therapie von Frauen mit me-tastasiertem Brustkrebs spielen eineVielzahl von Parametern eine Rolle,erläuterte Janni. „Wir treffen unszweimal pro Woche zu interdiszipli-nären Tumorboards, um eine sinnvol-le und gute Empfehlungsentschei-dung zu treffen.“ Diese Boards wer-den von einem Fachärzte-Team koor-diniert. Das therapeutische Vorgehenwerde diskutiert, dann werde gemein-sam eine Therapiestrategie festgelegt.

Bei der Behandlung gelte es, vieleFaktoren zu berücksichtigen. Um wasfür einen Tumor handelt es sich? Wel-che Vortherapien hat es bei der Pati-entin gegeben? Welche Medikamentemuss sie aktuell einnehmen? Gibt esBegleiterkrankungen? Nicht nur derKrebs selbst rücke in den Fokus. „Esgeht darum, die Menschen mit all denÄngsten, die diese Erkrankung mitsich bringen kann, zu sehen und zubehandeln.“ Konkret sei deshalb stetszu berücksichtigen, in welchem sozia-

len Umfeld sich die Patientin befin-det. Was will sie, was ist ihr wichtig?Ist es die maximalste Effektivität derTherapie, oder geht es ihr primär umdie Lebensqualität? „Diese Bedürfnis-se auszubalancieren ist für uns Ärzteeine sehr anspruchsvolle Aufgabe“,

sagte Janni. Zugleich machte der Kli-nikdirektor deutlich, dass ökonomi-sche Zwänge im Krankenhaus-Alltagimmer stärker an Bedeutung gewin-nen.

Ärzte als Fallbetreuer

„Wir werden als Ärzte von Politikernimmer mehr in die Rolle von Fallbe-treuern gezwungen“, kritisiert Janni.Sein Erfolg als Ärztlicher Direktor derUnifrauenklinik Ulm werde nicht sosehr nach dem Kriterium bewertet,inwieweit es dort tatsächlich gelinge,eine gute Medizin mit zufriedenenPatientinnen zu machen. Maßstab seiallzu häufig der Deckungsbeitrag inder Klinik pro Quartal. „Jahr für Jahrwerden unsere Arbeitsbedingungenschwieriger“, klagte der Frauenarzt.Bei steigenden Kosten und unterpro-portional steigenden Erlösen sei eszunehmend komplizierter, eine guteVersorgung anzubieten.

Grund zur Entmutigung sieht Jan-ni allerdings nicht. Auch in Zukunftwill er mit seinem Team sicherstellen,„dass die Patientinnen bei uns Spit-zenmedizin und menschliche Zuwen-dung finden“.

Auch für die Behandlung

von Frauen mit fortgeschrit-

tenem Brustkrebs gilt: Der

Kampf gegen die Erkran-

kung kann nur mit interdis-

ziplinären Konzepten

geführt werden.

Hohe Versorgungsqualität, steigende ökonomische Zwänge

VON CHRISTOPH FUHR

Entwicklung der Zahl der zertifizierten Brustkrebs-Zentren

Entwicklung der Zahl der Primärfälle in Brustkrebszentren

Quelle: DKG Krebsgesellschaft Grafik: ÄrzteZeitung

55 000

54 000

53 000

52 000

51 000

50 000

49 000

230

220

210

2002011 2012 2013 2014 2015

49 332

204

212

218

224

228

50 329

51 826

52 568

54 405

Immer mehr zertifizierte Brustkrebszentren in Deutschland

Setzt auf Spitzenmedizin und menschli-che Zuwendung: Professor WolfgangJanni. © HORST RUDEL

Sonderdruck Januar 2017 Dialogrunde Brustkrebs 3

WENN BRUSTKREBS FORTSCHREITET Eine Veranstaltung von Pfizer und Brustkrebs Deutschland e.V.in Kooperation mit Mamma Mia! – Das Brustkrebsmagazin und der Ärzte Zeitung

Page 4: © MAMMA MIA (10) Stark und lebensfroh – trotz ... · Metastasierte Patientinnen wollen ei-ne Therapie, die möglichst lange wirkt, damit die Erkrankung nicht vo-ranschreitet. Sie

ÄRZTE ZEITUNG: Ist die Beschäftigungmit Brustkrebs für die Landfrauen inBaden-Württemberg überhaupt einThema?MARIE-LUISE LINCKH: Es wäre ein Ar-mutszeugnis für unsere Organisation,wenn wir uns dieser Krankheit undden damit verbundenen Herausforde-rungen nicht stellen würden. Klar istallerdings, dass wir strategisch gut be-raten sind, dabei auch auf externeKompetenz zu setzen.

Was bedeutet das konkret?Wir brauchen Bündnispartner, um inder Breite eine größere Wirkung zuerzielen. Im November 2011 habenwir zusammen mit der DeutschenKrebsgesellschaft, der Arbeitsge-meinschaft Gynäkologische Onkolo-gie und der Deutschen Gesellschaftfür Senologie die Kampagne „Quali-tätsoffensive Brustkrebs“ in Baden-Württemberg neu gestartet.

Was ist das Ziel?Die Qualitätsoffensive soll Frauen so-wohl zur gynäkologischen Vorsorge-untersuchung als auch zur Teilnahmeam Mammographie-Screening moti-vieren. Darüber hinaus versuchen wir,die Frauen für eine monatliche Selbst-untersuchung der Brust zu sensibili-sieren. Mit der Qualitätsoffensive sollnicht nur über die Möglichkeiten derFrüherkennung, über die Risikogrup-pen und die Entstehungsfaktoren in-formiert werden, sondern etwa auchüber die Leistungen der gesetzlichen

Krankenkassen. Da herrscht oft eingroßes Unwissen, wir stellen mit un-serer Arbeit Transparenz her.

Wie reagieren politische Entscheiderauf ihre Aktivitäten?Wir machen Druck. 2013 haben wirim baden-württembergischen Sozial-ministerium mehr als 22 000 Unter-schriften von Landfrauen abgegeben.Wir wollten die Ziele der Qualitätsof-fensive nachhaltig in Erinnerung ru-fen und Zeichen setzen – für Verbes-serungen in der Vorsorge, der Be-handlung und der Nachsorge von be-troffenen Frauen. Wir haben uns inder gesundheitspolitischen Debatteklar positioniert: Wir unterstützenden Aufbau aussagekräftiger Krebsre-

gister und der Qualitätssicherung inBaden-Württemberg. Wir setzen aufdie interdisziplinäre Zusammenarbeitder behandelnden Ärzte und des me-dizinischen Fachpersonals und for-dern darüber hinaus die Ausweitungdes Mammographie-Screenings fürFrauen ab 40 und über 70 Jahren. Wirunterstützen Innovationen in derKrebsheilkunde und halten auch einekritischen Begleitforschung für zwin-gend erforderlich. Und wir fordernden Ausbau der psychosozialenKrebsberatung. Da besteht noch er-heblicher Optimierungsbedarf.

Wie erfolgreich ist ihre Arbeit bishergewesen?Wir haben gemeinsam mit unserenBündnispartnern einiges erreicht: et-wa den Ausbau der zertifiziertenBrustzentren. In Baden-Württembergkönnen sich Patienten an 53 Brust-zentren wenden, mehr als in jedemanderen Bundesland. Darüber hinausist auch der telefonische Beratungs-dienst ausgebaut worden, dessen Ar-beit nicht unterschätzt werden sollte.

Welche Bedeutung haben für ihre Ar-beit Frauen mit metastasiertemBrustkrebs?Bisher standen für uns vor allem diePrävention und Frauen in einem frü-hen Brustkrebs-Stadium im Fokus.Doch jetzt wollen wir uns verstärktauch metastasierten Frauen zuwen-den. Veranstaltungen wie die „Dialog-runde Brustkrebs“ in Stuttgart helfen,Kommunikations-Strategien zu über-denken, sie weiterzuentwickeln undfür diese spezielle Gruppe von Frau-en, die allzu oft ausgegrenzt werden,noch stärker zu sensibilisieren.

Wie können Sie konkret helfen?Wir sind stark in den Regionen veran-kert. Wir können Vertrauen zu betrof-fenen Frauen aufbauen und zugleichauch in der Breite unter unseren Mit-gliedern deutlich machen, dass dieseFrauen allzu oft allein auf sich gestelltsind. Sie benötigen Solidarität. Wirwerden uns dieser herausforderndenAufgabe stellen.

Der Kampf gegen Brust-

krebs ist eine anspruchsvol-

le Aufgabe. Marie-Luise

Linckh, Präsidentin des

LandFrauenverbandes

Württemberg-Baden e.V.,

erläutert künftige Herausfor-

derungen.

DAS INTERVIEW FÜHRTE

CHRISTOPH FUHR

„Metastasierte Frauen könnenauf unsere Solidarität setzen“

Marie-LuiseLinckh

Präsidentin des LandFrauen-

verbandes Württemberg-Badenaus Vaihingen/Enz

Seit 2010 gehört sie dem Präsi-

dium des LandFrauenverbandesan, ab 2013 als Vizepräsidentin.

Landwirtin, Meisterin der ländli-

chen Hauswirtschaft

Setzt auf Solidarität der Landfrauen: Marie-Luise Linckh. © HORST RUDEL

PATH, die „Patienteneigene Tumor-bank der Hoffnung“, will mit derSammlung von Brustkrebsgewebe ei-nen Beitrag zur Krebsforschung leis-ten und hat deshalb in Kooperationmit sieben Brustzentren in Deutsch-land eine Biobank aufgebaut.

Es geht um Innovation

PATH sieht Handlungsbedarf: Derwissenschaftliche Fortschritt mitBlick auf metastasierten Brustkrebsin den vergangenen Jahren ist ehergering, innovative, zielgerichtete The-rapien sind gefordert, es geht um dieIdentifizierung neuer Ansatzpunktefür die Forschung und die Entwick-lung neuer Biomarker.

„PATH ist keine lokale Selbsthilfe-gruppe, sondern eine Initiative, diebundesweit daran arbeitet, für dieKrebsforschung kostbares Materialnach besten Qualitätsstandards zu

sammeln und zu dokumentieren“, er-läuterte Doris C. Schmitt, ehrenamtli-ches Vorstandsmitglied, bei der Dia-logrunde Brustkrebs in Stuttgart. Fürdiese Arbeit werden erhebliche Fi-nanzmittel benötigt. Der PATH-Vor-stand hat Partner gefunden, die beider Anschaffung der teuren Gefrier-behälter helfen. Das bei der Operationentnommene Tumorgewebe wird zu-nächst für die Routinediagnostik ver-wendet. Vom restlichen Gewebe wirddann ein nur wenige Millimeter gro-ßer Teil, ein sogenanntes Aliquot ab-geschnitten, eingefroren und für diePatientin aufbewahrt. Der restlicheTumor wird in weitere Teile geschnit-ten, die die Patientin der StiftungPATH für Forschungszwecke spendet.

Die Biobank der Stiftung PATHumfasse Brustkrebs-Biomaterial vonmehr als 9200 Patienten, erläuterteDoris Schmitt. Alle molekularen Sub-typen sind vorhanden. Alle Probenwerden als Frischgewebe in der Gas-phase von flüssigem Stickstoff gela-gert. Bei diesen tiefen Temperaturen

kann das Gewebe für viele Jahre ohneQualitätsverlust gelagert werden. Danur standardisiert und schnell verar-beitetes Gewebe diesen Kriterien ent-spricht, werden nur Proben von Pati-entinnen eingelagert, die in Koopera-tionskliniken der Stiftung PATH ent-nommen wurden. Zusätzlich zu denGewebeproben wird auch Blut einge-froren, um weitere Möglichkeitenspäterer Diagnostik offenzuhalten.

Großes Interesse bei Forschern

Die Gewebeproben und die dazugehö-rige Datenbank haben bei Forscherngroßes Interesse geweckt. Nutzen siedie Proben, erhält PATH eine Auf-wandsentschädigung. Das trägt zu ei-nem großen Teil zur Finanzierungbei. Vergeben werden die Proben undDaten nach einer Begutachtung durchunabhängige Wissenschaftler. In derFachwelt ist der Nutzen der Biobankbekannt. Das Deutsche Krebsfor-schungszentrum (DKFZ) in Heidel-berg etwa kooperiert mit PATH undnutzt gespendete Gewebeproben. (eb)

Kostbares Material für die KrebsforschungPATH ist eine Stiftung von

Brustkrebspatientinnen, die

ein ehrgeiziges Ziel hat: die

Heilungschancen von Brust-

krebs sollen erhöht werden.

Unermüdlich im Einsatz für die Stif-tung PATH: Vorstandsmitglied Doris C.Schmitt. © RUDEL

Was Patientinnen gut tut:

Austausch mit Gleichgesinnten

Freunde, die sich über die Krank-heit informieren und beratenkönnen

Begleitung bei Arztterminen

offen geäußerte Gefühle („Ichbin in Gedanken bei Dir“, „Michärgert/ich bin traurig, dass Du sokrank bist“)

Das Wissen um eine gute Betreu-ung und frühzeitige Begleitungder Kinder

Wenn andere einfach zuhören

Nicht allein sein

Was Patientinnen hilft:

Angebot, bei praktischen Dingendes Alltags zu unterstützen

Kompetenter Sozialdienst, derbei formellen Vorgängen berätund unterstützt (Rehaantrag,Krankengeld, Frührente etc.)

Kompetente Unterstützung inKrebsberatungsstellen

Umfassende Übersicht übermögliche Therapieoptionen

Übersicht über Studien undmögliche Optionen, daran teilzu-nehmen

Mehr onkologischer Facharzt-kompetenz außerhalb großerStädte

Individuelle Betreuung, die inBrustzentren nicht immer gege-ben ist

Einfachere bürokratische Prozes-se, schnellere Bearbeitung vonAnträgen bei Behörden undKrankenkassen

Haushaltshilfe, auch wenn keineeigenen Kinder im Haushalt le-ben

Psychologische Begleitung vonKindern betroffener Mütter

Darauf können betroffene Frauengut verzichten:

Schuldzuweisungen („Warumbist Du so spät zum Arzt gegan-gen?“)

Zeitschätzungen seitens der Ärz-te („noch x Monate“)

Sätze wie etwa „Du musst nurpositiv denken“, „Du bist dochjetzt geheilt“

Lange Wartezeiten auf Untersu-chungsergebnisse

Die Erwartung, nach einer durch-geführten Therapie müsse wie-der alles sein wie vorher

Unsachliche Situationsanalyse(Verharmlosung/Überreaktion)

Vergleiche mit anderen Krank-heitsverläufen

Diverse Krankengeschichten vonunbekannten Menschen

Betretenes Schweigen oder Kon-taktabbruch

Besuche aus Sensationslust

Übertriebene Kampfparolen

Die Erkrankte als Opfer sehenund entsprechend behandeln.

Quelle: BrustkrebsmagazinMamma Mia

Was gut tut,

was hilft, was

überflüssige ist

TIPPS FÜR DEN ALLTAG

Dialogrunde Brustkrebs Januar 2017 Sonderdruck4

WENN BRUSTKREBS FORTSCHREITET Eine Veranstaltung von Pfizer und Brustkrebs Deutschland e.V.in Kooperation mit Mamma Mia! – Das Brustkrebsmagazin und der Ärzte Zeitung

Page 5: © MAMMA MIA (10) Stark und lebensfroh – trotz ... · Metastasierte Patientinnen wollen ei-ne Therapie, die möglichst lange wirkt, damit die Erkrankung nicht vo-ranschreitet. Sie

Sie beklagen Defizite in der Kommu-nikation mit ihren Ärzten, fühlen sichisoliert, stigmatisiert, von Politikernübersehen, von Journalisten – wennüberhaupt – völlig falsch dargestellt.Europaweit wollen Frauen mit metas-tasiertem Brustkrebs jetzt mit einerpositiven Botschaft in die Offensivegehen: Metastasierter Brustkrebs(Metastatic Breast Cancer, mBC) istzwar eine unheilbare Krankheit, abersie lässt sich gut managen und bietetPotenzial für viele weitere Lebensjah-re!In Madrid haben engagierte Pati-

entinnen aus Selbsthilfegruppen, On-kologen und Fach-Krankenschwes-tern aus mehreren europäischen Län-dern sowie Israel und Nordafrika ge-meinsam nach Wegen gesucht, um dieLebensbedingungen dieser Frauen zuverbessern. Das Motto des von Pfizerunterstützten Kongresses: „Jeder Tagist kostbar.“

Kommunikation mit Defiziten

Kostbar um so mehr, als dass im Ver-sorgungsalltag der Patientinnen im-mer noch vieles nicht funktioniert.Dazu gehört etwa, dass die unbefriedi-gende Kommunikation mit Ärzten einDauerärgernis bleibt. Die Suche nachUrsachen gestaltet sich kompliziert.Bei einer Befragung von Onkologen inden USA etwa hatten 44 Prozent derÄrzte angegeben, die Behandlung vonmBC-Patientinnen habe markantenegative Auswirkungen auf ihre eige-ne Befindlichkeit. Begründet wurdedas auch mit der für die Onkologenfrustrierenden Tatsache, dass die the-rapeutischen Optionen letztlich be-grenzt seien.

In einer anderen Befragung hattenlediglich 43 Prozent der beteiligtenÄrzte versichert, sie hätten in ihrerAusbildung tatsächlich gelernt, wieman Patientinnen und Angehörigenschlechte Nachrichten überbringt.Die sprechende Medizin werde un-

terschätzt und müsse bereits in derMediziner-Ausbildung grenzüber-greifend einen größeren Stellenwerterhalten, hieß es beim Meeting in Ma-drid. Angemahnt wurden spezielleGuidelines, um die Arzt-Patienten-Kommunikation weiter zu verbes-sern. Zugleich forderten Fachkran-kenschwestern, sie müssten mit ih-rem Know-how stärker in Behand-lungsprozesse einbezogen werden.

Keine verlässlichen Datenquellen

Immer noch fehlen in der öffentli-chen Diskussion klare Begriffsdefini-tionen. Verlässliche Datenquellen, diehelfen könnten, auch nach außen dieProbleme der betroffenen Frauen effi-zienter zu kommunizieren, sind kaumvorhanden. Und es gibt krasse Infor-mationsdefizite, wie der von Pfizer in-itiierte General Population Survey2015 deutlich macht. Die Frage:„Glauben Sie, dass metastasierterBrustkrebs heilbar ist?“, beantworte-ten 55 Prozent der in Deutschland be-fragten Bürger mit „Ja“, in der Türkeiwaren es sogar 76 Prozent.Wie kann die Perspektive der Pati-

entinnen nachhaltig in gesundheits-politische Entscheidungen einflie-ßen? Auch das war eine in Madrid dis-kutierte Frage mit wenig Aussicht aufbefriedigende Antworten. Die Ein-sicht der meisten Politiker für die Be-deutsamkeit des Problems ist bishernicht einmal im Ansatz vorhanden.Bemängelt wurde, dass viele Län-

der bisher keine nationalen Krebsplä-ne entwickelt haben. Hier müsste zu-nächst sichergestellt werden, dass esüberhaupt eine öffentliche Sensibili-sierung für das Thema Krebs gibt.Erst im zweiten Schritt könnte dannder Fokus auf Brustkrebs gerichtetwerden – die Interessen der mBC-Frauen stehen mit Blick auf diesesSzenario hintenan – nicht nur in die-sen Problemländern.

Auch die in Madrid formulierteForderung, Journalisten müssten bes-ser geschult werden, um die Anliegender Patientinnen qualifizierter in ih-rer Berichterstattung zu berücksichti-gen, dürfte nur schwer Chancen aufErfolg haben.Dabei wäre eine umfassende ge-

sellschaftliche Aufklärung dringenderforderlich. Auch wenn das fehlendeöffentliche Verständnis keine direk-ten Auswirkungen auf die Behandlungselbst hat, so sind, wie beim Summitdeutlich wurde, die negativen Folgenunübersehbar. Fehlendes Hinter-grundwissen über die mit der Erkran-kung verbundenen Folgen, eine Stig-matisierung und kulturell geprägteReaktionsmechanismen beeinflussendie sozialen und emotionalen Wahr-nehmungen vieler Menschen, die mitder Diagnose mbC konfrontiert sind.Und das sind nicht nur die betroffe-nen Frauen selbst, sondern auch ihreFamilien und alle in die Versorgunginvolvierten Leistungserbringer.

Tod einer Moderatorin

Doch wie können Journalisten ge-schult werden? Es bedürfe konkreterEreignisse, um Pressevertreter über-haupt für dieses Thema zu sensibili-sieren, hieß es beim MBC-Summit.Der Tod der deutschen TV-Mode-

ratorin Miriam Pielhau im Juli 2016wäre so eine Chance gewesen. Siestarb an metastasiertem Brustkrebs,für wenige Tage beschäftigten sich dieMedien mit ihrer tragischen Lebens-geschichte. Für solche Situationen, indenen das öffentliche Interesse zu-mindest vorübergehend groß ist, wärees wichtig, den Medien professionellaufbereitete Fakten möglichst schnellzur Verfügung zu stellen. „Wir müssenauf solche Situationen vorbereitetsein“, sagte Eva Schumacher-Wulf,Chefredakteurin des deutschenBrustkrebsmagazins „Mamma Mia“.Bei allen zum Teil frustrierenden

Erfahrungen ließen die Kongressteil-nehmers in Madrid am Ende aller-dings keinen Zweifel: Sie wollen wei-terkämpfen – im Interesse von metas-tasierten brustkrebskranken Frauen,für die jeder einzelne Tag kostbar ist.

Bei einem internationalen

Kongress in Madrid wurde

deutlich: Weltweit ist das

Hintergrundwissen über

metastasierten Brustkrebs

extrem unbefriedigend.

Jeder einzelne Tag ist fürPatientinnen ein kostbarer Tag

VON CHRISTOPH FUHR

Nur der Arzt als Kommunikationspartner

Auf die Befragungsthese: „Frauen mit metastasiertem Brust-

krebs sollten nur mit ihrem behandelnden Arzt darüber spre-

chen“ reagierten mit „stimme eher zu“ oder „stimme stark zu“:

49%Indien

42%Türkei

33%Polen

29%Brasilien

27%Deutschland

26%Südafrika

24%UK

23%Chile

22%Frankreich

21%Japan

18%Argentinien

65%Indien

76%Türkei

61%Polen

65%Brasilien

55%Deutschland

61%Südafrika

52%UK

56%Chile

48%Frankreich

74%Japan

52%Argentinien

Gravierende Unkenntnis über Brustkrebs

Auf die Befragungsthese: „Metastasierter Brustkrebs

ist heilbar“ reagierten mit „stimme eher zu“ oder„stimme stark zu“:

Es gibt wichtige Unterschiede

bei Behandlungserfolgen mitBlick auf metastasierten Brust-krebs in einzelnen Ländern, dieviel mit gesundheitspolitischenSchwerpunktsetzungen zu tunhaben.

Nationale Krebspläne sind In-diz für die Ambitionen einesLandes, sich bewusst den Her-ausforderungen der Krankheitzu stellen. Doch viele Länder ha-ben keinen Plan oder ihn zumin-dest noch nie veröffentlicht.

Die meisten der bereits existie-renden nationalen Krebsplänerichten ihren Fokus speziell aufPrävention und Screening – da-bei bleiben bereits diagnostizier-te Frauen mit ihren spezifischenBedürfnissen außen vor.

Eine Studie über nationaleKrebspläne in 29 Ländernkommt zum Ergebnis, dass nurder Plan Großbritanniens expli-zit auch die Probleme von Frau-en mit metastasiertem Brust-krebs in den Fokus rückt.

Eine gesellschaftliche Stigma-

tisierung der betroffenen Frau-en hat fundamentale negativeAuswirkungen. Viele zögern denGang zum Arzt hinaus, obwohlsie Symptome spüren.

Im Schnitt sind nach Beobach-tungen von Onkologen drei Ge-spräche notwendig, bevor dieerkrankten Frauen die Ziele derfür sie vorgesehenen Therapieklar verstanden haben. Die Kom-munikation zwischen Ärztenund Patientinnen muss dringendverbessert werden.

Nur 43 Prozent der medizini-schen Fachkräfte haben über-haupt gelernt, Patienten und de-ren Angehörigen negative Bot-schaften zu überbringen.

Studien zeigen, dass viele Men-schen eine Beschäftigung mitmetastasiertem Brustkrebs be-wusst ablehnen, weil dieses The-ma bei ihnen Ängste auslöst.

Mit einer kompetenten Kom-

munikation in den Medien ließesich die Situation der betroffe-nen Frauen verbessern: Sie wür-den in der Öffentlichkeit stärkerwahrgenommen, Stigmatisie-rung würde zurückgedrängt, zu-gleich käme es zu einer wach-senden gesellschaftlichen Sensi-bilisierung für eine Patientinnen-gruppe, die bisher kaum wahr-genommen wird.

Der wissenschaftliche Fort-

schritt bei metastasiertemBrustkrebs konnte im Vergleichzum erreichten Fortschritt in vie-len anderen Krebsarten nichtschritthalten.

Die Lebensqualität (QoL) derPatientinnen mit metastasier-tem Brustkrebs hat sich in denvergangenen zehn Jahre imweltweiten Vergleich nicht ver-bessert, sondern sogar leichtverschlechtert. Dabei sind Frei-räume für diese Frauen, das Le-ben unabhängig von körperli-chen, emotionalen und finanziel-len Lasten zu genießen, von fun-damentaler Bedeutung. ( fuh)

Ein Blick über

Grenzen

EUROPA UND DIE WELT

Sonderdruck Januar 2017 Dialogrunde Brustkrebs 5

WENN BRUSTKREBS FORTSCHREITETEine Veranstaltung von Pfizer und Brustkrebs Deutschland e.V.in Kooperation mit Mamma Mia! – Das Brustkrebsmagazin und der Ärzte Zeitung

Verlag: Springer Medizin Verlag GmbH,BerlinEin Unternehmen der FachverlagsgruppeSpringer NatureTexte: Christoph FuhrRedaktion: Christoph Fuhr

Springer Medizin Verlag GmbH,Neu-IsenburgTelefon: 0 61 02 / 50 60,E-Mail: [email protected]äftsführung: Joachim Krieger,Fabian KaufmannChefredakteur: Wolfgang van den Bergh

Mit freundlicher Unterstützungvon Pfizer Pharma GmbH

IMPRESSUM

Page 6: © MAMMA MIA (10) Stark und lebensfroh – trotz ... · Metastasierte Patientinnen wollen ei-ne Therapie, die möglichst lange wirkt, damit die Erkrankung nicht vo-ranschreitet. Sie

Es gibt Momente im Leben, die über-rollen dich. Sie kommen ohne Vor-warnung und ziehen dich einfach mit.Wohin sie dich bringen, erfährst duerst, wenn du dich hast mitreißen las-sen. Und mit der Diagnose Krebs istdas so wie auf einer Achterbahn. Dasitze ich also im Juli 2005 in einer ra-diologischen Praxis, weil mein Gefühlmir sagt, irgendwas stimmt nicht mitmeiner linken Brust. Ich bin eine al-leinerziehende Mutter, habe meinen42. Geburtstag im Frühjahr gefeiertund gerade mein Examen zur Erzie-herin geschrieben. Das sollte ein Neu-start in ein Leben sein, in dem ich fi-nanziell unabhängiger und sicherersein kann. Meine Töchter sind 18 und15, mein Sohn gerade mal zarte 5 Jah-re jung. Es gibt keinen Vater, der sichkümmert, er glänzt durch Abwesen-heit. Die Diagnose Brustkrebs trifftmich wie ein Blitz aus heiteremHimmel und ich werde auf denhintersten Wagen der wohl heftigs-ten Berg- und Talbahn meines Le-bens katapultiert. Es folgen Opera-tionen und Bestrahlungen. Eigent-lich unglaublich, dass genau zu die-sem Zeitpunkt ein Mann in mein Le-ben tritt.

Es sind inzwischen vierJahre seit meiner Erstdia-gnose vergangen. Ich ha-be einen guten Job. Wirplanen unsere Hochzeitund alles scheint per-fekt. Bis zu dem Zeit-

punkt, als die Blutwerte auffällig wer-den und man der Sache auf den Grundgehen muss. Ich habe zunehmend Rü-ckenschmerzen und ein MRT gibt dieGewissheit - der Krebs ist zurück. Erhat sich in meinen Knochen ausge-breitet und ich gelte nun als chronischkrank.

Die zweite Runde Achterbahn isteingeläutet. Metastasiertes Mamma-Ca heißt der neue Streckenabschnitt.Die Knochen schmerzen und die Be-strahlung beginnt erneut. Eine weite-re Reha soll mich wieder auf die Füßebringen.

Es heißt nun, ich bin unheilbar. Ichbin eine Palliativpatientin - doch wasbedeutet das genau? Mein Onkologemeint, ich könne froh sein, dass es nurKnochenmetastasen sind. Es kämenPatienten zu ihm, die schon seit 15Jahren damit leben würden. Aha, ichrechne, ich versuche zu verhandeln.10 Jahre hätte ich gerne noch, min-destens. Denn dann ist mein Sohnvolljährig. Wenigstens das möchte icherreichen. Aber eigentlich möchte ichnoch viel mehr.

Ich werde kämpfen für all das, wasmir so viel bedeutet. Und die Aussich-ten sind ja laut Onkologen nicht dieSchlechtesten. Mein Leben bestehtnun aus laufenden Therapien, Unter-

suchungen und wieder neuen Thera-pien, wenn die Ergebnisse nicht wün-schenswert ausfallen. Meine Blutwer-te werden regelmäßig kontrolliert, derTumormarker - ich nenne ihn Terror-marker - bestimmt mein Leben.

Alle drei Monate werden CT´s ge-macht um neue Metastasen auszu-schließen. Ich nehme täglichSchmerzmittel, damit ich mich eini-germaßen schmerzfrei bewegen kann.Ich bin oft müde und schlapp undmuss öfters Pausen einlegen. Ich binnicht mehr so belastbar und kann

mich oft nicht anhaltend konzentrie-ren. Ich bin vergesslich und schusse-lig. Dinge, die mir früher leicht vonder Hand gingen, werden zum Ge-waltakt.

Mein Leben ist insgesamt mühseli-ger geworden. Und doch bin ich glück-lich. Ich genieße es in vollen Zügen.Ich mache Sport und tanze, wenn esmir gut geht. Ich verwirkliche meineTräume, unternehme Reisen mit mei-nem Mann, besuche Konzerte und ge-he sehr gerne auf Oldtimer-Ausstel-lungen.

Meine heftige Achterbahnfahrtverarbeite ich, in dem ich einen Blog,auf Facebook schreibe. Er dient zumAustausch von Betroffenen und zurInformation über den Verlauf einermetastasierten Erkrankung. Ichmöchte dazu beitragen, dass metasta-sierter Brustkrebs mehr in die Öffent-lichkeit rückt und besser verstandenwird, wie man mit solch einer chroni-schen Erkrankung lebt. Meinen Bloghabe ich „METAVIVA - und jetzt erstrecht“ genannt. Es soll darin der Trotzzum Ausdruck kommen, den ich tag-täglich meiner Diagnose samt Prog-nose entgegensetze.

Ich habe gerade aktuell viel Mutund Hoffnung für das Jahr 2017 tan-ken dürfen, da meine Blutwerte sichwunderbar entwickelt haben undmeine letzte CT einen Rückgang derMetastasen anzeigt. Denn die dritteRunde Achterbahn begann im Febru-ar 2016, als eine Routine-CT einenneuen Herd in der Leber aufdeckte.Es ist eine anstrengende dritte Rundemit einer fehlgeschlagenen Therapie

zu Beginn, einer misslungenen Bi-opsie und vielen Tränen.Nur mein Glaube, der mich im-mer wieder aufrichtet, und dieGeburt meines zweiten Enkel-kindes geben mir die Kraft wei-ter zu machen.Und jetzt stehe ich mit der rich-tigen Therapie und ganz vielHoffnung vor dem nächsten Ab-schnitt meiner Tour - mit derAussicht auf einen Tanz auf derHochzeit meiner ältesten Tochterund einem weiteren Wunder inGestalt meines dritten Enkelkindes.Das Leben ist schön!

„Ich genieße mein Leben in vollen Zügen“Sie lebt mit metastasiertem

Brustkrebs , bleibt voller Ta-

tendrang und und hat ihre

Freude am Leben nicht ver-

loren: Antje Rosenberger be-

richtet über ihren Alltag.

VON ANTJE ROSENBERGER

Antje Rosenberger

Patientin mit metastasiertemBrustkrebs

„Metaviva und jetzt erst recht“,

so heißt ein von ihr ins Lebengerufener Blog, in dem sie Stati-onen ihrer Krankheit beschreibt.

Ihr Ziel ist es, mit Hilfe des Blogsmehr Menschen für die Alltags-probleme von Frauen mit me-tastasiertem Brustkrebs zu sen-sibilisieren.

Bleibt optimistisch: AntjeRosenberger hat ihren Blog„Metaviva - und jetzt erstrecht“ genannt. © MAMMA MIA

Nach der Entlassung aus der Klinikbeginnt für Patientinnen mit metasta-siertem Brustkrebs zu Hause ein neu-er Lebensabschnitt. Auf den erstenBlick scheint dieser Schritt unproble-matisch. Doch die neuen Belastungenkönnen für die Frauen sehr schnell zueiner völligen Überforderung führen.

Die Patientinnen haben zu diesemZeitpunkt bereits viel hinter sich.Nach der ersten Brustkrebs-Diagnoseist es schon schwer genug, sich auf dieneue Lebenssituation einzustellenund wieder Boden unter den Füßen zufinden. Wenn das gelungen ist - unddieser Prozess erfordert viel Kraft -dann kommt plötzlich der Rück-schlag, weil festgestellt wurde, dassder Krebs zurückgekommen ist. Wie-

der beginnt eine harte Zeit - mit Diag-nosen, Therapien und vielen Arztter-minen, mit Hoffen, Bangen und oftniederschmetternden Untersu-chungsergebnissen.

Die Verunsicherung überträgt sichauf Partner, Kinder und Verwandte.Und für Alleinerziehende oder Frau-en, die dieses soziale Umfeld gar nichthaben, wird die Situation noch kom-plizierter.

Was erwarten diese Frauen? Wirstellen immer wieder fest, dass dergrößte Wunsch der Austausch mit Be-troffenen ist, die sich exakt in der glei-chen Lebenssituation befinden. Hiersoziale Netze zu knüpfen, ist aller-dings extrem schwierig. Da müssenFrauen, bei denen der Krebs erst neufestgestellt wurde, deutlich geringereHürden überwinden.

Selbsthilfegruppen in vielen Städten

Selbsthilfegruppen gibt es in fast jederStadt. Allzu oft – das ist bedauerlichund menschlich zugleich – wird derKontakt mit Frauen, bei denen bereitsMetastasen festgestellt wurden, be-wusst vermieden. Zu groß ist dieAngst der Frauen im frühen Brust-

krebs-Stadium, sich mit Lebenssitua-tionen zu beschäftigen, die sie viel-leicht in Zukunft selbst bewältigenmüssen.

Betroffene Frauen haben vielepraktische Bedürfnisse. Dazu gehörenetwa Unterstützungsangebote, wenn

es um Dinge des Alltags geht – Fahr-dienste zum Beispiel oder die Bereit-schaft, die Pflege des Gartens zu über-nehmen. Haushaltshilfen könntenwirksam entlasten, wenn der Krebsweiter fortschreitet – auch und geradedann, wenn keine Kinder im eigenenHaushalt leben. Doch das sind Wün-sche für die Zukunft. Die Realitätsieht anders aus.

Viele der Frauen fühlen sich woh-ler, wenn sie bei ihren zahlreichenArztbesuchen begleitet werden. Dasgibt ein Gefühl von Sicherheit im Kli-nikbetrieb, der oft als extrem anonymwahrgenommen wird.

Es ist im Übrigen nicht so, dass dieVorurteile im Alltag ausschließlichvon Angehörigen, Freunden oderauch von Menschen aus dem erwei-terten sozialen Umfeld kommen, mitdenen die betroffenen Frauen Kon-takt haben.

Sie sind vielmehr selbst gefährdet,Vorurteile aufzubauen. „Die Men-schen draußen verstehen mich sowie-so nicht, die wissen nichts über meineProbleme, sie laufen doch ohnehinnur verunsichert vorbei und flüchtenvor mir.“ So zum Beispiel nehmen

manche Patientinnen ihren Alltagwahr. Wer erlebt, dass Freunde voneinst die Straßenseite wechseln, umeine Begegnung zu vermeiden, derwird irgendwann nicht mehr offensein, um Signale von Menschen aufzu-nehmen, die sich stellen, die den Kon-takt zu den kranken Frauen suchenund ihnen nicht aus dem Weg gehenwollen. Hier entsteht ein fatalerKreislauf, und es bedarf großer An-strengungen, ihn aufzubrechen.

Bewegende Erfahrungen

Gelingt das aber, dann werden Men-schen, die sich auf die Nähe einlassen,bewegende, ihr Leben bereicherndeErfahrungen machen, die auch etwasmit der Endlichkeit des Lebens zu tunhaben.

Es geht den betroffenen Frauen da-rum, die eigene Würde behalten zudürfen, mit all ihren negativen undpositiven Gefühlen ernst genommenzu werden. Die Ohnmacht gemeinsamaushalten und nicht wegreden, das er-fordert Kraft und Mut zugleich. Wersich solidarisch und mitfühlend da-rauf einlässt, der wird am Ende be-lohnt.

Zurück zu Hause – und die Probleme nehmen kein EndeWenn die Behandlung in

der Klinik abgeschlossen ist,

entstehen für viele Frauen

mit metastasiertem Brust-

krebs völlig neue Probleme.

VON EVA SCHUMACHER-WULF

Eva Schumacher-Wulf, Chefredakteu-rin des Brustkrebs-Magazins „MammaMia“. © HORST RUDEL

Dialogrunde Brustkrebs Januar 2017 Sonderdruck6

WENN BRUSTKREBS FORTSCHREITETEine Veranstaltung von Pfizer und Brustkrebs Deutschland e.V.in Kooperation mit Mamma Mia! – Das Brustkrebsmagazin und der Ärzte Zeitung