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___ Obwohl es im Badezimmer so warm war, wurde es Anna Weller plötzlich ganz kalt. Langsam ließ die 52-Jährige den Waschlappen von der Hand gleiten und tastete nochmals gezielt nach dem eigenartigen Knoten, den sie eben am Oberrand ihrer linken Brust gefühlt hatte. Voller Angst dachte sie an das Schick- sal ihrer Mutter: Die hatte vor 30 Jahren auch einen solchen Knoten in der Brust gehabt. Wenige Wochen später hatte man ihr diese Brust mit den darunter liegenden Muskeln und allen Achsellymphknoten ent- fernt und ein paar Monate später war sie tot gewesen. Als sich Frau Weller zwei Tage später in der Praxis ihres Gynäkologen vorstellte, stand ihr die Sorge ins Gesicht geschrieben. Gerne hätte der Arzt ihre Be- fürchtungen zerstreut. Aber nachdem er den Tast- befund erhoben hatte, war ihm klar, dass Frau Weller wohl tatsächlich eine schwierige Zeit bevorstand. An der linken Brust befand sich bei „zwölf Uhr“, drei Fingerbreit oberhalb der Mamille, ein kirschgroßer Tumor unter der Haut. Mit ernster Miene teilte der Arzt seiner Patientin daraufhin mit, dass er sie in die Spezial-Sprechstunde eines Brustzentrums über- weisen werde, da man diesen Knoten unbedingt näher untersuchen müsse. Diagnose: Tasten, Schallen, Röntgen, Stanzen f Eine Woche später hatte Frau Weller dort ihren Termin und saß mit dunklen Vorahnungen einem jungen Arzt gegenüber, der das Aufnahmegespräch führte. Auf seine Frage, ob ihr neben dem Knoten noch andere Symptome aufgefallen seien, schüttelte sie den Kopf. Nichts habe sie bemerkt – keine Hautveränderungen über dem Knoten, keine Schmerzen und auch keine atypische Sekretion aus der Brustwarze. Bei der klini- schen Untersuchung fand der Arzt denselben Befund, wie ihn schon der Frauenarzt von Frau Weller erhoben hatte. Weitere Knoten stellte er nicht fest und in den Achselhöhlen konnte er auch keine vergrößerten Jede neunte Frau erkrankt irgendwann im Laufe ihres Lebens an Brust- krebs. In den letzten Jah- ren hat sich allerdings in der Therapie viel getan. Die Behandlung ist jetzt sehr viel schonender und erfolgreicher als früher. Dr. med. Jakob Keilbach, niedergelassener Frauen- arzt, erklärt Ihnen das bei Brustkrebs am häu- figsten angewandte operative Verfahren: die brusterhaltende OP mit Resektion des „Wächter- lymphknotens“. OP-Techniken: Mamma-Ca Dem Wächter auf der Spur 36 A RS M EDICI Aus Via medici 4/04 © Georg Thieme Verlag

OP-Techniken: Mamma-Ca Dem Wächter auf der Spur · Lymphknoten, der die von der Mamma zur Axilla fließende Lymphe filtert – der so genannte „Sentinel- oder Wächterlymphknoten“

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Page 1: OP-Techniken: Mamma-Ca Dem Wächter auf der Spur · Lymphknoten, der die von der Mamma zur Axilla fließende Lymphe filtert – der so genannte „Sentinel- oder Wächterlymphknoten“

___Obwohl es im Badezimmer so warm war, wurde

es Anna Weller plötzlich ganz kalt. Langsam ließ die52-Jährige den Waschlappen von der Hand gleitenund tastete nochmals gezielt nach dem eigenartigenKnoten, den sie eben am Oberrand ihrer linken Brustgefühlt hatte. Voller Angst dachte sie an das Schick-sal ihrer Mutter: Die hatte vor 30 Jahren auch einensolchen Knoten in der Brust gehabt. Wenige Wochenspäter hatte man ihr diese Brust mit den darunterliegenden Muskeln und allen Achsellymphknoten ent-fernt und ein paar Monate später war sie tot gewesen.

Als sich Frau Weller zwei Tage später in der Praxisihres Gynäkologen vorstellte, stand ihr die Sorge insGesicht geschrieben. Gerne hätte der Arzt ihre Be-fürchtungen zerstreut. Aber nachdem er den Tast-befund erhoben hatte, war ihm klar, dass Frau Wellerwohl tatsächlich eine schwierige Zeit bevorstand. Ander linken Brust befand sich bei „zwölf Uhr“, dreiFingerbreit oberhalb der Mamille, ein kirschgroßer

Tumor unter der Haut. Mit ernster Miene teilte derArzt seiner Patientin daraufhin mit, dass er sie in dieSpezial-Sprechstunde eines Brustzentrums über-weisen werde, da man diesen Knoten unbedingt näheruntersuchen müsse.

Diagnose: Tasten, Schallen, Röntgen, Stanzen f EineWoche später hatte Frau Weller dort ihren Terminund saß mit dunklen Vorahnungen einem jungen Arztgegenüber, der das Aufnahmegespräch führte. Aufseine Frage, ob ihr neben dem Knoten noch andereSymptome aufgefallen seien, schüttelte sie den Kopf.Nichts habe sie bemerkt – keine Hautveränderungenüber dem Knoten, keine Schmerzen und auch keineatypische Sekretion aus der Brustwarze. Bei der klini-schen Untersuchung fand der Arzt denselben Befund,wie ihn schon der Frauenarzt von Frau Weller erhobenhatte. Weitere Knoten stellte er nicht fest und in denAchselhöhlen konnte er auch keine vergrößerten

Jede neunte Frau erkranktirgendwann im Laufeihres Lebens an Brust-krebs. In den letzten Jah-ren hat sich allerdings inder Therapie viel getan.Die Behandlung ist jetztsehr viel schonender underfolgreicher als früher.Dr. med. Jakob Keilbach,niedergelassener Frauen-arzt, erklärt Ihnen dasbei Brustkrebs am häu-figsten angewandteoperative Verfahren: diebrusterhaltende OP mitResektion des „Wächter-lymphknotens“.

OP-Techniken: Mamma-Ca

Dem Wächter auf der Spur

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Aus Via medici 4/04 © Georg Thieme Verlag

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Brust abnehmen würde und wie lange sie wohl nochzu leben habe. So schnell und einfühlsam wie möglich,erklärte ihr der Arzt daraufhin, dass sie zwar durchausan einer sehr ernsten Erkrankung leide, sie aber sehrgute Chancen habe, wieder ganz gesund zu werden.Auch müsse man ihre Brust aller Voraussicht nachnicht abnehmen. Da habe sich in der Medizin in denletzten Jahren sehr viel getan. „Meistens wird heuteso operiert, dass man nur den Tumor herausnimmtund die Brust danach einige Male bestrahlt, um even-tuell noch verbliebenes Tumorgewebe abzutöten.Wahrscheinlich können wir bei Ihnen sogar einbesonders schonendes Verfahren anwenden“, erklärteder Gynäkologe seiner Patientin, die nun wieder Hoff-nung schöpfte.

Damit meinte der Arzt die so genannte „Sentinel-Technik“ (a Abb. 1), die sich anbietet, wenn – so wiebei Frau Weller – weder die klinische noch die bild-gebende Diagnostik auf Metastasen in den Lymph-knoten der Achselhöhle hinweist. Dabei wird der ersteLymphknoten, der die von der Mamma zur Axillafließende Lymphe filtert – der so genannte „Sentinel-oder Wächterlymphknoten“ – markiert, reseziert undper Schnellschnitt untersucht. Diese Markierung ge-schieht – meistens am Tag vor der OP – per Lymph-abflussszintigraphie mit Technetium 99 (a Abb. 4).Zusätzlich kann der Wächterlymphknoten mit Methy-

Lymphknoten tasten. Um auszuschließen, dass es sichbei dem Knoten um ein altes Hämatom handelte,fragte der Arzt Frau Weller auch, ob sie sich in letzterZeit an der Brust verletzt habe. Aber sie konnte sichan keinen solchen Vorfall erinnern.

Dann ging sie zum Ultraschall, wo sie erstmals mitder von ihr schon befürchteten Verdachtsdiagnosekonfrontiert wurde. Frau Weller erfuhr, dass sono-graphisch ein solitäres Mamma-Karzinom im Bereichdes Tastbefundes vermutet werden muss (a Abb. 2).Wenigstens ließen sich keine weiteren Herde nach-weisen und auch die Achselhöhlen schienen auf beidenSeiten unauffällig zu sein. Ein ähnliches Ergebnislieferte die Mammographie, die ebenfalls den Ver-dacht auf ein Karzinom bestätigte und keinen Anhaltauf Lymphknotenmetastasen bot (a Abb. 3). Um dieDiagnose endgültig zu klären, wurde schließlich einesonographisch gesteuerte Stanzbiopsie durchgeführt(a Abb. 2). Am nächsten Tag erfuhr Frau Weller dieendgültige Diagnose: Der Pathologe hatte in denStanzzylindern ein mäßig differenziertes, invasivduktales Mamma-Karzinom erkannt – den mit Abstandhäufigsten Brustkrebs-Typ.

Schonende OP dank Lymph-Wächter f Nach diesemBefund war Frau Weller völlig am Boden zerstört.Unter Tränen fragte sie den Arzt, wann man ihr nun die

s a Abb. 1: Der zentraleMoment der so genanntenSentinel-OP: Der farblich undszintigraphisch markierteWächterlymphknoten istidentifiziert und reseziert.Wenn der Pathologe darinkeine Karzinomzellen findet,kann der Operateur aufeine radikale Dissektion derAchsellymphknoten ver-zichten und die Patientinhat beste Chancen, wiedervöllig gesund zu werden.

e a Abb. 2: Ultraschallgesteuerte Stanzbiop-sie bei Verdacht auf Mamma-Ca: Der Tumor istechoarm, inhomogen und unscharf begrenzt.

e a Abb. 5: Vor Beginn der OP injiziert der Operateur subkutan 1 bis 2 ml Methylenblau. DerFarbstoff fließt mit der Lymphe in die Axilla zumWächterlymphknoten, der so nicht nur szinti-graphisch, sondern auch farblich markiert wird.

e a Abb. 6: Mit der Gamma-Sonde wird der „hotspot“, der Sitz des radioaktiv markierten Lymph-knotens, erfasst. Nach Desinfektion und steri-lem Abdecken wird dies wiederholt, damit derOperateur genau weiß, wo er schneiden muss.

e a Abb. 3: Sternförmige, strahlige Verschattungen in der Mammographiesind typisch für ein Karzinom.

e a Abb. 4: Szintigraphie bei Mamma-Ca: In derlinken Axilla stellt sich ein Wächterlymphknoten dar(rechts mit, links ohne Abdeckung des Tumors).

zeitschrift/spezial. Mit dem Stichwort „Mamma“ sind Siedabei. Einsende-schluss ist der8.11.2004.

Abb. 1 und 5 bis 18: D. SchmidAbb. 2: H. Madjar, Kursbuch Mammasonographie, Thieme VerlagAbb. 3 und 4: Marienhospital Stuttgart

Stanznadel

Sentinel Sentinel

nicht abge-deckter Tumor

Tumor

angemarkerterTumorsitz

Methylenblau-Injektion

Gamma-Sonde

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Brusterhaltend: sicher und ästhetisch besser f Jedeneunte Frau in Deutschland erkrankt irgendwann imLeben an einem Mamma-Karzinom und nach wie vorsterben auch jedes Jahr etwa 18.000 Frauen an dieserbösartigen Krankheit. Die Zeiten, als den meistenFrauen mit Brustkrebs radikal die Brust, die darunterliegenden Mm. pectoralis major und minor und prak-tisch alle Lymphknoten der Achselhöhle entfernt wur-den, sind allerdings Gott sei dank vorbei. Dadurch kannden Patientinnen viel unnötiges Leid erspart werden.

Der entscheidende Fortschritt zu schonenderenVerfahren wurde durch die Erkenntnis angestoßen,dass für die Prognose der Brustkrebspatientinnen nichtdie lokale Situation, sondern vor allem die Ausbreitungdes Karzinoms im Körper verantwortlich ist. Mit an-deren Worten: Brustkrebs ist eine Systemerkrankung.Und deswegen hängt die Prognose der Patientinnennicht in erster Linie davon ab, wie radikal der Tumormitsamt dem umgebenden Brustgewebe entferntwird, sondern davon, ob der Krebs lymphogene oderhämatogene Tochtergeschwülste ausgebildet hat.

lenblau markiert werden. Dazu wird der Farbstoff kurzvor der Operation ins tumornahe Subkutangewebeinjiziert (a Abb. 5). Wichtig: Es kann auch mehrereWächterlymphknoten geben. Jeder szintigraphischoder farblich markierte Lymphknoten gilt per Defini-tion als Sentinel-Lymphknoten und muss reseziertund untersucht werden (a Abb. 6 bis 9) .

Ist der Wächterlymphknoten karzinomfrei, kannman mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen,dass auch die restlichen Lymphknoten der Achsel-höhle nicht befallen sind. Auf eine Dissektion dieserLymphknoten kann man dann verzichten. Da in derAxilla weniger radikal präpariert werden muss undnur eine geringe Zahl von Lymphknoten entfernt wird,können mit dieser Methode belastende Lymphödemevermieden werden. Außerdem ist das Risiko für Gefäß-und Nervenverletzungen sehr viel geringer.

Finden sich bei der klinischen Untersuchung ver-größerte, schlecht verschiebliche Lymphknoten oderstellen sich sonographisch vergrößerte, echoarme odermammographisch auffällige Lymphknoten dar, be-steht der Verdacht auf eine axilläre Metastasierung.In diesem Fall bietet sich die Sentinel-Technik nichtan. Dann müssen mindestens zehn axilläre Lymph-knoten entfernt und eine so genannte konventionelleAxilla-Dissektion durchgeführt werden. Gleiches giltfür den Fall, dass die Sentinel-Technik angewandt wirdund im Wächterlymphknoten in der Schnellschnitt-untersuchung während der OP eine Metastase nach-gewiesen wird. Dann erfolgt noch in der gleichen Nar-kose die vollständige Axilla-Dissektion. Wird erst inder endgültigen Histologie die Metastasierung nach-gewiesen, muss erneut operiert werden.

Vorsicht: Wächter können lügen f Ursprünglichstammt die Sentinel-Technik aus der Dermatologie.Dort wird sie eingesetzt, um Melanom-Metastasen zuidentifizieren. Seit etwa zehn Jahren wird dasVerfahren aber auch in der Therapie des Mamma-Karzinoms angewandt. Und derzeit wird die Methodeauch in der operativen Behandlung des Zervix-Karzinoms erprobt.

In der Therapie des Brustkrebses hat die Sentinel-Technik heutzutage eine zentrale Bedeutung. Bei denmeisten Patientinnen kann sie angewandt werden:Etwa 70% der 50.000 Frauen, die pro Jahr neu an Brust-krebs erkranken sind „nodal negativ“ – haben alsoeinen Wächterlymphknoten, in dem sich keine Kar-zinomzellen finden lassen. Trotzdem muss man diePatientinnen vor der OP natürlich darüber aufklären,dass die konventionelle Axilla-Dissektion nach wie vorStandard in der operativen Therapie des Brustkrebsesist. Das Risiko eines falsch negativen Ergebnisses beider Sentinel-Technik liegt bei 5%. Das bedeutet, dassbei einer von zwanzig Patientinnen, bei denen imWächterlymphknoten keine Karzinomzellen erkanntwerden, trotzdem lymphogene Metastasen in derAchselhöhle existieren. Für manche Patientinnenkönnte dies ein Grund sein, auf jeden Fall eine konven-tionelle Dissektion der Lymphknoten zu verlangen.

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» MIT DER SENTINEL-TECHNIK KÖNNEN LYMPHÖDEME UND

GEFÄSS- UND NERVENVERLETZUNGEN VERMIEDEN WERDEN. «

e a Abb. 7: Ein knapp 2 cm großer Schnitt reichtaus, um den Lymphknoten gezielt zu entfernen.Durch diesen Schnitt wird nun mit der steril ver-packten Gamma-Sonde in der Achselhöhle nachdem radioaktiv markierten „Wächter“ gesucht.

e a Abb. 10: Während der Sentinel-Lymphknotenin der Pathologie untersucht wird, führt der Ope-rateur die eigentliche Tumor-Exzision durch. Sitztder Krebs sehr nah an der Oberfläche, sollte dabeidie darüber liegende Haut mit entfernt werden.

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Zugang zu denLymphknoten der

Achselhöhle

steril umhüllteGamma-Sonde

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Deswegen werden heutzutage die meistenMamma-Karzinome brusterhaltend operiert (a Abb.

10 bis 18). Voraussetzung ist, dass man den Tumorim Gesunden so herausoperieren kann, dass sich trotz-dem ein vernünftiges ästhetisches Ergebnis erzielenlässt. Außerdem muss der Pathologe nach der Ope-ration bestätigen, dass man das Karzinom vollständigund mit einem ausreichenden Sicherheitsabstandreseziert hat. In diesem Fall spricht man von einer „R0-Resektion“, die in über 70% der Fälle möglich ist.

Ist eine R0-Resektion nicht möglich, weil das Kar-zinom zu groß ist oder aus mehreren Herden besteht,muss die Ablatio mammae durchgeführt werden.Dasselbe gilt, wenn die Haut oder die Thoraxwand-muskulatur vom Krebs befallen ist (Stadium T4) oderbei einem inflammatorischen Mamma-Karzinom.

Nachbehandlung: lokal und systemisch f Das Risikofür ein lokales Rezidiv ist bei der brusterhaltendenR0-Resektion nicht höher als bei der Amputation derBrust. Voraussetzung ist allerdings, dass nachbestrahlt

wird. Die Strahlentherapie erfolgt fraktioniert in etwa30 Sitzungen bis zu einer Gesamtdosis von 50 Gray.Sind mehr als vier axilläre Lymphknoten befallen, wirddie Radiatio auf die Lymphabflusswege ausgedehnt.Wurde die Brust entfernt, muss bei einem T4-Stadiumdie Thoraxwand nachbestrahlt werden.

Da das Mamma-Ca als Systemerkrankung ver-standen werden muss, wird – unabhängig vom primäran der Brust gewählten OP-Verfahren – praktisch immerauch systemisch nachbehandelt. Bei hormonemp-findlichen Tumoren werden dafür antihormonelleSubstanzen wie Tamoxifen oder Aromatasehemmereingesetzt. Bei hormonrezeptornegativen Karzinomenmuss eine Chemotherapie durchgeführt werden. Nurbei sehr alten oder durch Nebenerkrankungen starkbelasteten Patientinnen kann darauf verzichtetwerden. Man kann eine antihormonelle Therapie aberauch mit einer Chemotherapie kombinieren. Die Ent-scheidung über das jeweilige adjuvante Therapiever-fahren wird nach einer ausführlichen Besprechungmit der Patientin getroffen, wenn alle histologischen

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e a Abb. 8: Wenn der Wächterlymphknoten identifiziert ist, wirder mitsamt dem umgebenden Gewebe mit einer Babcock-Klemmegefasst und entfernt. Wichtig ist, dass möglichst blutarm undatraumatisch operiert wird. So kommen die Vorteile derschonenden Sentinel-Technik am besten zum Tragen.

e a Abb. 9: Nach der Resektion untersucht der Operateur das Gewebe-stück und die Axilla nochmals mit der Gamma-Sonde, um sicherzugehen,dass tatsächlich sämtliches radioaktiv markiertes Gewebe entfernt wurde. Auch alles blau markierte Gewebe muss reseziert werden. Merke: Es kann auch mehrere Wächterlymphknoten geben!

e a Abb. 11: Der Tumor wird weit im Gesunden mit einem Sicher-heitsabstand von 2–3 cm aus dem umgebenden Gewebe ausgelöst.Dieser Vorgang sollte immer als Segment-Resektion durchgeführtwerden. Der Operateur muss also den gesamten Gewebeblockzwischen Haut und Thoraxwand entfernen.

e a Abb. 12: Der solitäre Tumor ist en bloc entnommen. Während desganzen Resektionsvorgangs müssen Operateur und Assistent daraufachten, dass der Tumor nur atraumatisch gefasst, keinesfalls ge-quetscht und nicht eingeschnitten wird, damit kein Karzinommaterialin die Blut- oder Lymphbahnen gelangt.

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Blaufärbungdes Wächter-lymphknotens

Babcock-Klemme

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Dr. med. Jakob Keilbach istniedergelassener Gynäkologe

in Stuttgart. Ein besondererSchwerpunkt seiner Arbeit

ist die Therapie des Mamma-Karzinoms.

wurden, konnte man davon ausgehen, dass ihre Pro-gnose sehr gut war. Weil man nie sicher sein kann, obnicht doch schon eine Metastasierung stattgefundenhat, unterzog sich Frau Weller neben den Bestrah-lungsserien aber auch einer Chemotherapie. Diesewurde mit einer antihormonellen Therapie kombiniert,da ihr Tumor laut histochemischem Befund östrogen-sensible Rezeptoren aufwies. Diese Zeit war schwer fürFrau Weller. Während der Chemotherapie verlor sieihre Haare und es ging ihr sehr schlecht. Anders alsihre Mutter damals hatte sie ein paar Monate spätervon der ganzen Geschichte allerdings nicht mehr alseine kleine Narbe auf ihrer linken Brust zurückbe-halten. Und sie lebte noch. Frau Weller wusste aberauch, dass man von einer endgültigen Heilung nochlange nicht sprechen konnte. Vereinzelt treten auchnach über 15 Jahren noch Rezidive auf. Allerdingshaben die dann meistens eine sehr gute Prognose. .

Dr. med. Jakob Keilbach

Befunde vorliegen, der Hormonrezeptorstatus und der Tumordifferenzierungsgrad bekannt ist und dieStaging-Untersuchungen abgeschlossen sind.

Bleibende Angst vor Rezidiven f Bei Frau Weller ver-lief die Erkrankung weniger schlimm, als sie zunächstbefürchtet hatte. Da ihre axillären Lymphknoten allerVoraussicht nach frei waren, entschied sie sich füreine brusterhaltende Therapie mit Sentinel-Technikund anschließender Bestrahlung der erkrankten Brust.Prinzipiell hätte sie sich auch die Brust abnehmenlassen können. Dann wäre eine anschließende Be-strahlung nicht notwendig gewesen. Aber sie war nochrelativ jung. Dafür, dass sie ihre Brust behalten konnte,nahm sie gerne auf sich, dass sie nach der Operationnoch einige Bestrahlungsserien über sich ergehenlassen musste.

Während der Operation stellte sich heraus, dassihr Wächterlymphknoten keine Karzinomzellen ent-hielt. Entsprechend konnte man also auf die Dissektionder axillären Lymphknoten verzichten. Der Tumorwurde weit im Gesunden entfernt und nach der OPstellte der Pathologe fest, dass der Operateur das Karzi-nom tatsächlich mit einem ausreichenden Sicher-heitsabstand reseziert hatte. Da keine Lymphknotenbefallen waren und auch sonst keine anderen meta-stasenverdächtigen Herde in ihrem Körper gefunden

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viamedici/exklusivdemo/index.html in den Rubriken „Online-Kurse“ und „Fotoreportagen“.

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e a Abb. 13: Damit der Pathologe denTumor orientiert untersuchen kann,werden Fadenmarkierungen angelegt.

e a Abb. 15: Damit Blut und Wund-sekret ablaufen können, legt man Redon-Drainagen in die Wundtaschen ein.

e a Abb. 16: Den durch die Exzision ent-standenen Defekt gleicht der Operateur durcheine Verschiebeplastik mit Drüsengewebe aus.

e a Abb. 17: Zum Schluss wird die Wundemit resorbierbaren subkutanen und intra-kutanen Nähten verschlossen.

e a Abb. 18: Das Ergebnis aus der Patho-logie ist da: Der „Wächter“ ist tumorfrei!Jetzt wird auch die Axillawunde vernäht.

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e a Abb. 14: Sieht der Operateur in derWundhöhle weitere verdächtige Areale,werden diese sofort nachreseziert.

Naht über Sentinel-Exzisionswunde

Naht über Tumor-Exzisionswunde

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