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Altägyptische Zaubersprüche

019542 Altaegyptische Zaubersprueche · wie die Nr. 77–79 zur Weisen Frau von Deir el-Medineh eine mögliche Ausnahme bilden. Inwieweit sich die Ausbildung der primär als Heiler

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Altägyptische Zaubersprüche

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Altägyptische Zaubersprüche

Eingeleitet, übersetzt und kommentiertvon Hans-W. Fischer-Elfert

Mit Beiträgen vonTonio Sebastian Richter

Reclam

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Dem Department of Near Eastern Languagesand Civilizations an der Yale University

für seine Gastfreundschaft

RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 195422005, 2018 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG,

Siemensstraße 32, 71254 DitzingenDurchgesehene und aktualisierte Ausgabe 2018

Umschlaggestaltung: Stefan Schmid DesignUmschlagabbildung: Totengott Anubis mumifiziert einen Leichnam.

Gemälde in der Grabkammer des Sennedjem at Deir-el-Medina,19. Dynastie. © Granger Historical Picture Archive / Alamy Stock Foto

Druck und Bindung: Canon Deutschland Business Services GmbH,Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Printed in Germany 2018RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK und

RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Markender Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-019542-0

www.reclam.de

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Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Editorische Zeichen und Abkürzungen . . . . . . 33

A. Texte und Riten in vornehmlichhieratischer und hieroglyphischer Schrift

I. Schutz von Leib und Seele . . . . . . . . . . . . 35Kopfschmerzen einschließlich Migräne (1–7) . . . . 35Leibschmerzen und andere körperliche

Beschwerden (8–9) . . . . . . . . . . . . . . . . . 41Ausländische Krankheiten und Dämonen (10–14) . 42Wiedergänger und Albträume (15–19) . . . . . . . . 45

II. Schutz vor gefährlichen Tieren . . . . . . . . . 53Schlangen (20–26) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53Skorpione (27–33) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60Krokodile – Schakale – Wölfe – Hunde – Insekten

(34–47) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

III. Schutz in Krisenzeiten . . . . . . . . . . . . . 72Schwangerschaft, Geburt und Kindbett (48–52) . . 72Fertilitätstests (53–56) . . . . . . . . . . . . . . . . . 75Kalendarisch bedingte Krisen und Gefahren für

Kosmos und Individuum (57–58) . . . . . . . . . 76

IV. Liebeszauber (59) . . . . . . . . . . . . . . . . . 78

V. Schaden- und Vernichtungszauber (60–61) . . . 79

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VI. Schutz des Hauses (62–69) . . . . . . . . . . . 82

VII. Zauberei in der Literatur und Zauberer inAktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Der König als Lebensretter: Der Priester und könig-liche Garderobier Rawer überlebt seinenKultfrevel (70) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Wundergeschichten vom königlichen Hofe aus demPap. Westcar (71–73) . . . . . . . . . . . . . . . . 85

Attentat auf Ramses III. unter Einsatz von Zau-bertexten und Voodoo-Puppen (74–75) . . . . . . 90

Aus der Begegnung von Chonsemhab und demEdlen Totengeist (76) . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Die Weise Frau von Deir el-Medineh (77–79) . . . . 94Merire formt einen Golem in der Unterwelt und

sendet ihn zu Pharao (80) . . . . . . . . . . . . . 95

VIII. Zauber und Medizin im Transfer . . . . . . 96

Memorandum bezüglich der Aushändigung einesAnti-Giftzaubers (81) . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Bitte um erneute Anfertigung einer Thoeris-Statuette (82) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96

Bitte um eine Medizin (83) . . . . . . . . . . . . . . 96Übergabe von Geburtsamuletten usw. (84) . . . . . 96Bestätigung über die Rücksendung zweier

medizinischer Handbücher (85) . . . . . . . . . . 97

IX. Divination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Aus Traumbüchern (86–87) . . . . . . . . . . . . . . 98Aus einer Menologie (Lehre von den Monaten und

ihrer Prognostik) (88) . . . . . . . . . . . . . . . . 101

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X. Orakeldekrete und -anfragen; öffentlichpraktizierter Exorzismus . . . . . . . . . . . . 104

Schutzdekrete (89–90) . . . . . . . . . . . . . . . . . 104Zwei alternative Orakelvorlagen bezüglich einer

Kuh (91) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113Exorzismus eines Besessenen durch Chons-in-

Theben und Amenophis I. (92) . . . . . . . . . . 113

B. Quellen aus römischer, byzantinischer undarabischer Zeit

I. Texte und Riten in demotischer Schrift . . . . . 115

Herbeiführen von Gotteserscheinungen (93–95) . . 115Auffinden eines Diebes (96) . . . . . . . . . . . . . 119Mittel zur Trennung von Paaren, zur Eroberung

von Frauen und zur Ausschaltung von Mit-bewerbern (97) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

II. Texte und Riten in koptischer Schriftund Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

Formular eines Liebeszaubers (98) . . . . . . . . . . 123Formular eines Zaubers gegen Bauchschmerzen (99) 124Verfluchungen (100–101) . . . . . . . . . . . . . . . 125Sammlung von Mitteln zur Beeinflussung und

Schädigung von Menschen (102) . . . . . . . . . . 126

Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178Zeittafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

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Einleitung

Er hat ihnen den Zauber zur Waffe geschaffen,um den Schlag der Ereignisse abzuwehren,über die nachts wie tagsüber Wache gehalten wird.

(Aus dem Hymnus auf den Schöpfer inder Lehre für Prinz Merikare, Z. 136f.; um2000 v. Chr.)

Im Denken der Alten Ägypter hat der Demiurg seinenGeschöpfen neben anderen elementaren Dingen wie Luft,Nahrung, Himmel und Erde sowie einem Königtum alsHerrschaftsform auch eine Potenz verliehen, die alt-ägyptisch hekaw und im späteren Koptisch hik lautet.Diesen Begriff übersetzen wir Modernen leichtfertig mit»Zauber« oder »Magie«, ohne dabei zu bedenken, wiesehr wir damit westlichem Denken klassisch-antiker undbesonders jüdisch-christlicher Prägung verpflichtet sind.1Diese Voreingenommenheit (bias) trägt auch eine gehö-rige Portion Abscheu und Verachtung gegenüber allemvermeintlich »Magischen«, womöglich gar »Hexenhaf-ten«, mit sich, die nicht erst mit der ChristianisierungÄgyptens einsetzt, sondern bereits von den Römern alsOkkupatoren des Landes am Nil seinen Priestern undBewohnern entgegengebracht wurde. Die koptischenChristen haben diese Haltung nur konsequent übernom-men und die gesamte pharaonische Religion als magischesTeufelszeug denunziert. Um es gleich vorneweg zu beto-nen: hekaw in pharaonischer – also sozusagen »heidni-scher« – Zeit trug dieses Stigma nicht, vielmehr stand sei-ne Verwendung theoretisch allen Ägyptern offen, entwe-der im aktiven Sinne als Handlung von Priestern und/

1 Die Anführungszeichen bei »Magie« und »magisch« entfallen im Folgen-den, da der Begriff noch problematisiert wird. – Zur neuplatonischen Re-zeption von Konzept und Personifikation hekaw Oréal (2003).

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oder Heilern oder im passiven Sinne als deren Nutznie-ßer oder Patienten. Da niemand unter den Sterblichenwissen konnte, was die Zukunft wirklich bringen würde,hat der Schöpfer, heiße er nun Atum, Ptah oder wie im-mer, die entweder präexistente oder bei der Schöpfungmit ins Werk gesetzte Potenz den Menschen zu ihremausdrücklichen Schutz mit auf den Weg gegeben. Dasist, was der König Chety seinem Sohn Merikare sagenwill.

Damit ist hekaw eine kreative Größe oder Macht, dievon Anbeginn da war, die aber auch für das ununterbro-chene Fortbestehen des Kosmos unverzichtbar bleibt. Sa-lopp formuliert, ohne hekaw »läuft nach ägyptischemDenken gar nichts«. hekaw ist diejenige Potenz undMacht, die zugleich sämtliche der sog. offiziellen Tempel-rituale, aus welchen Anlässen auch immer performiert,überhaupt erst ermöglicht. Zu deren Orthopraxie bedarfes natürlich entsprechender Kenntnisse und Fähigkeitenauf Seiten derjenigen, die hekaw praktizieren. Die Potenzist trotz ihres In-die-Welt-gekommen-Seins qua Schöp-fungsakt nicht jedem noch jeder angeboren, sie mussmühsam erworben werden, was durch Ausbildung undInitiation geschieht. Da wir von unabhängig agierendenMagiern, die wie Quacksalber im Mittelalter von Ort zuOrt zogen, nichts lesen, sollten wir eher davon ausgehen,dass die hekaw Praktizierenden durchweg professionellePriester waren, die im Bedarfsfalle ihre magische Qualifi-kation auch Privatleuten zur Verfügung stellen konnten.Das jedenfalls dürfte die Regel gewesen sein, zu der Textewie die Nr. 77–79 zur Weisen Frau von Deir el-Medineheine mögliche Ausnahme bilden.

Inwieweit sich die Ausbildung der primär als Heiler(äg. sinuw; kopt. ) Agierenden von der einesObersten Vorlesepriesters oder Oberritualisten bei derZeremonie des täglichen Kultbildrituals in den Tempel-sanktuarien unterschieden hat, wissen wir nicht im Detail.

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Sicher werden wir hier differenzieren müssen. Möglicher-weise waren nicht alle Chefritualisten in der Lage, Krank-heiten mit Hilfe der entsprechenden Handbücher zu be-handeln, oder gar dazu befugt, umgekehrt werden wiraber mit einem gehörigen religiösen, d. h. auch mytho-logischen Wissen bei den Heilern rechnen dürfen, wieihre Diagnosen und Rezepte dies nicht selten deutlichzeigen.

Einer der Sprüche in der berühmten Leipziger Hand-schrift des Papyrus Ebers (Nr. 854; ca. 1550 v. Chr.) er-wähnt ausdrücklich drei Chargen bei der medizinischenTherapie:

• den Heiler (sinuw),• den Sachmet-Priester (wab-Sachmet) und• den Amulettmann, Beschützer oder curandero (saw),

die zur gleichen Zeit »ihre Hand auf den Körper desPatienten legen« können. Von diesen ist der sinuw nocham ehesten mit einem rein medizinisch praktizierenden»Arzt« zu vergleichen, aber selbst er verfügt über magi-sche Kenntnisse und Fähigkeiten. Der Sachmet-Priester istseiner Patronin, der zumeist löwengestaltigen GöttinSachmet, verpflichtet und agiert in ihrem Auftrag. DieseGöttin wird besonders an der Schwellenphase des Jahres-wechsels als Sendbotin von Seuchen, besonders der Beu-lenpest und wohl auch der Cholera, gefürchtet und rituellbedacht; »Besänftigen« nennen das die Alten Ägypter.Diese kollektive Angst hat einen ganz natürlichen Hinter-grund insofern, als während und bei Abflauen der Nil-überschwemmung zu Beginn eines neuen Kalenderjahresin der Hitze des Spätsommers Myriaden von Ratten dieSiedlungen überrannten und eine hohe Infektionsgefahrfür die Bevölkerung darstellten. Diese Priester sind aberaufgrund ihrer Affiliation mit dieser gefährlichen Göttinihrerseits sehr gefürchtet, können sie doch durch ihrenbloßen Atem Krankheiten evozieren. Über den »Amulett-mann« ist vorläufig zu wenig bekannt, als dass wir sagen

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könnten, er sei nur mit Amuletten, deren Herstellung undApplikation befasst.2

Was uns diese Ebers-Passage ganz klar sagt, ist die Un-trennbarkeit der Kompetenzbereiche Medizin und Magie,beide zusammen lassen sich in Bezug auf das ägyptischeMaterial und das dahinter stehende Klassifikationssystemam adäquatesten und unverfänglichsten durch »Heilkun-de« benennen. Heilung von Krankheiten und/oder Befrei-ung von Dämonen – wir würden grob unterteilen in Lei-den physischer und psychischer Natur – kann entwederim Zusammenwirken dieser drei Instanzen geschehenoder kraft Therapie und/oder magischem Ritual durcheine einzige allein. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dassin den Fällen, in denen eine Krankheit wie auch eine Ver-letzung eine bekannte Ursache hat, diese Probleme zu-nächst mit der Applikation von Rezepturen und eventuel-len Verbänden allein bekämpft werden. Sind die Aussich-ten aber schlecht bis hoffnungslos, räsoniert der Heilermeist per Verdikt: »Eine Krankheit, die aufzugeben«, d. h.unheilbar ist. Einiges spricht dafür, dass in solchen Fällenhekaw die letzte Zuflucht bildet, insbesondere dann, wennman die Aitiologie des Leidens nicht kennt, schließlichkann ja ein Dämon der Verursacher sein. Aber selbst indiesen Fällen glaubt man sich nicht immer völlig ratlosund unterzieht im Verlaufe eines magischen Rituals gleichalle potentiellen Unholde in Dies- und Jenseits einer kol-lektiven Beschwörung. In Einzelfällen gibt es aber auchhier wohlumrissene Kompetenzzonen, die die Störenfrie-de sich untereinander aufteilen. Dies gilt ganz besondersdann, wenn der Name von Dämon oder Dämonin, zu-meist in beiden grammatischen Formen, mit dem der

2 Das synchrone Agieren von Priester, zwei als Fischen verkleideten – fikti-ven oder realen – Adjutanten und einem Leberschauspezialisten über einemPatienten in Assyrien und Babylonien zeigt die zeichnerische Rekonstruk-tion in: J. Black / A. Green, Gods, Demons and Symbols in Ancient Meso-potamia. An Illustrated Dictionary, London 1992, 125.

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Krankheit identisch ist. So sind z. B. die Dämonen Nesyund Nesyt oder Samanu (Nr. 15; s. a. Nr. 11 und 12) fürdas so lautende Leiden verantwortlich, sei dies nun psy-chologischer oder dermatologischer Art. D. h., hier waltetdas Prinzip »medizinischer Terminus« = »dämonischer ≈magischer Verursacher«, was zeigt, dass wir nicht berech-tigt sind, von Medizin plus oder gar versus Magie zu spre-chen, beide lassen sich, wie gesagt, am adäquatesten unter»Altägyptische Heilkunde« subsumieren.

Die vorliegende Anthologie bemüht sich nun, überwie-gend sog. magische oder beschwörende Texte aus pharao-nischer bis arabischer Zeit zu präsentieren. MedizinischeQuellen im strengen Sinne einer einleitenden Diagnose –von einer vorangehenden Anamnese hören wir nichts –plus anschließender Therapie und Medikamentierung fin-den sich hier nicht. Wenn wir denn überhaupt eine Trenn-linie zwischen medizinischen und magischen Textenziehen wollen, dann gelingt dies am ehesten sachlich inder minutiös quantifizierten Applikation von Drogen beiErsteren bzw. in ausbleibender Quantifizierung bei Letz-teren. Auch magische Texte verordnen nicht selten pflanz-liche, animalische o. a. Ingredienzen und Konkokte, alsodie gleichen wie die medizinischen, nur überlassen sie esdem Praktikanten, wie viel er davon im Einzelfall verab-reichen möchte. Letztere Texte nennen ihren Gegner, alsoden Dämon oder seine ganze Schar, auch individuell in der2. Person Singular beim Namen, was der Heiler bei derDeskription von Krankheiten in den medizinischen Tex-ten nicht tut: Er spricht über sie zum potentiell behan-delnden Kollegen (z. B. »wenn du findest die Krankheit /das Symptom XY, …«)3, nicht zu der Krankheit selbst. DieSprechhaltung hier ist eine rein deskriptive in Bezug aufdas Problem, kommunikativ ist sie nur in Bezug auf denPraktikanten der Therapie, nicht aber zugleich eine kom-3 Zum per Imperativ adressierten praktizierenden Kollegen z. B. in der grä-

ko-ägyptischen Magie Ritner (1993), 99 ff.

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munikative in Bezug auf das Problem wie in den magi-schen Quellen. Diese Sprechhaltung dürfte aus der man-gelnden Personifikation der Krankheit resultieren. Damitenden die Diskrepanzen wohl auch schon, die sich auf sol-che kommunikations- bzw. handlungstheoretischer Naturreduzieren lassen. Allerdings gehen Kommunikation undHandlung im Falle der auf die Beschwörungen folgendenrhetorischen und manuellen Instruktion in Gestalt infini-ter, passivischer Verbalformen eine Symbiose ein, die sichindirekt an den potentiellen Praktikanten richtet (z. B.»Rezitation über einem Bild des Gottes N. N.«; »DieserSpruch werde gesprochen über …« o. ä.). Ihre wechselsei-tige Kompatibilität und die Kollokation in ein und dersel-ben Handschrift ist damit nicht ausgeschlossen, ganz imGegenteil. Medizinische Texte können im Einzelfall – dieselektiven Kriterien liegen noch im Dunkeln – direkt mitz. B. nachfolgenden Beschwörungen kombiniert werden;vgl. dazu wieder das praktische Interagieren der oben ge-nannten drei Spezialisten im Papyrus Ebers.

Mag eine Differenzierung von Magie und Medizin an-hand der genannten sachlichen wie sprachlich-stilistischenEigenheiten beider Aktionsfelder noch einigermaßen ge-lingen, so fällt eine Unterscheidung zwischen Magie einer-seits und Religion – im Sinne von Theologie und Kultpra-xis andererseits – schon erheblich schwerer. Stilistisch-rhetorische Differenzen in der Argumentation der Textelassen sich hierbei jedenfalls nicht ausmachen. Die über-wiegend in Ethnologie/Anthropologie und Religionswis-senschaft im gesamten 20. Jahrhundert geführte Debatteüber das Verhältnis der vermeintlich nebeneinander exis-tierenden oder gar gegeneinander agierenden Größen –und damit meist zugleich ihrer angeblich unterschiedli-chen Repräsentanten – ist zumindest in der Ägyptologiean einem Punkt angelangt, der eine künstliche Trennungin »altägyptische Religion« versus oder plus »altägyptischeMagie« zu einem wissenschaftshistorischen Anachronis-

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mus macht, auch wenn es an Reanimationen in neuererZeit nicht fehlt (Assmann, 1997; Kákosy, 1988). Dreh-und Angelpunkt in der Diskussion sind immer wieder diegleichen Zentralbegriffe ägyptischer Theologie, von denenhekaw in der Liste ganz oben rangiert (s. zuletzt Schnei-der, 2000)4. Dabei handelt es sich nach Aussage insbeson-dere explizit theologischer Quellen wie der Sargtextsprü-che Nr. 261 und Nr. 648 aus dem Mittleren Reich um einebei der Schöpfung ins Werk gesetzte Potenz oder Macht,die ihrerseits kreativ in praxi instrumentalisiert werdenkann. Ihre Beschränkung auf den Mikrokosmos einer in-dividuellen Existenz, vulgo eines Patienten zum Zweckeseiner Heilung, wird dem vollen semantischen wie prag-matischen Inhalt von hekaw ebenso wenig gerecht wieseine vermeintlich ausschließlich in – privaten wie kollek-tiven – Krisensituationen zur Anwendung kommendeKraft. Ohne hekaw hätte wie gesagt kein Ritual zur Auf-rechterhaltung von Kosmos, Herrschaft, Staat und Gesell-schaft – aus welchen Anlässen oder Motiven heraus auchimmer inszeniert – jemals wirksam sein können. hekaw istsomit eine Größe, die sowohl im kollektiven wie im indi-viduell-privaten Kontext das Leben in Gang und alle po-tentiellen Gefahren auf Abstand hält bzw. durch rituali-siertes Handeln zumindest zeitweise vernichtet oder außerGefecht setzt. Vielleicht kann man sich in diesem Disputdergestalt aus der Affäre ziehen, dass wir die ägyptischeMagie im Wesentlichen als Interaktion zwischen Menschund Dämon bzw. personifiziertem Übel betrachten, Reli-gion einschließlich Theologie hingegen im Wesentlichenals eine Interaktion zwischen König/Mensch und Göttern.Natürlich spielen zahllose Götter in der Magie eine we-sentliche Rolle, aber die überwiegende Zahl der direkten

4 Zum – bis heute nicht ganz geklärten – Verhältnis von hekaw zu achuw s.ebenfalls Schneider (2000) mit Verw. auf die ältere Diskussion. achuwmeint nicht selten die durch das rezitierte Wort, den »Spruch«, performier-te magische Aktion.

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Adressaten und Opponenten von Magier und seinem Pa-tienten sind Dämonen. Zwar stehen diese nicht selten imSold von Gottheiten, wie etwa die messerbewehrtenKrankheits- und Pestdämonen der Sachmet oder diverseHypostasen der göttlichen Skorpionin Selqet. Aber mitAusnahme des Osirismörders und Horusgegners Sethoder der den gesamten Kosmos wie den Sonnenlauf be-drohenden Riesenschlange (Drachen) Apophis befassensich die Beschwörungen und Exorzismen mit spukendenGeistern, Götter treten dabei eher als Helfer des Magiersin Aktion.

Was u. a. alle drei Felder, Medizin – Magie – Religion,miteinander eint, ist eine der zentralen Techniken altägyp-tischer Magie, die auch aus dem Mittelalter bestens be-kannte »Einkreisung« des Übels an einem qua Ritual sa-kralisierten Ort. Eine Reihe altägyptischer Rituale bedientsich dieses Umkreisens und damit der totalen Abschot-tung des Ortes der Handlung gegen die profane Außen-welt. Das tut auch der Heiler, wenn er seine »Rezepte«appliziert, denn die Grundbedeutung des von uns durch»Rezept« übertragenen ägyptischen Terminus (pachret)meint zunächst nichts anderes als »bannendes und nachaußen abtrennendes Einkreisen«, in Bezug auf die Symp-tome der Krankheit sowie den krankheitsauslösenden Dä-mon (Ritner, 1993, 57 ff.).

Etwas wesentlich anderes kommt noch hinzu, und dasbetrifft die altägyptische Mentalität. Soweit wir sehenkönnen, hat es zu keiner Zeit in der pharaonischen bzw.vorchristlichen Geschichte Ägyptens irgendwelche Ressen-timents oder gar öffentlich betriebene Versuche zur Aus-merzung irgendwelcher magischen Praktiken und Techni-ken gegeben. Wie eingangs schon angedeutet, setzt einesolche Gegenwehr erst in der Epoche der römischenOkkupation Ägyptens ein, um dann unter den Koptenumso heftiger zu eskalieren. In den drei Jahrtausenden biszur Zeitenwende allerdings ist die Inszenierung von he-

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kaw, solange es nicht zum nachhaltigen Schaden vonStaat, Gesellschaft oder Individuum (besonders der Köni-ge) praktiziert wurde, nie grundsätzlich in Frage gestelltworden. Der einzige Fall, in dem – auch juristisch – he-kaw bzw. diejenigen auf der Anklagebank saßen, die diesePotenz gezielt zur physischen Vernichtung eines Individu-ums einzusetzen gewagt hatten, war die Verschwörung amHofe Ramses’ III. um 1150 v. Chr. Die uns bekanntenQuellen machen unmissverständlich klar, dass die Intri-ganten des Harims, die auf Betreiben einer königlichenNebenfrau deren Sohn anstelle des vom König vorgesehe-nen Prätendenten auf den Thron heben wollten, sich zudiesem Zweck u. a. magischer Texte aus der Privatbiblio-thek (!) des Königs selbst bedient hatten. Aber nicht die-ser Diebstahl war der Auslöser für den Prozess, demmehrere der Angeklagten – z. T. durch verordneten Selbst-mord5 – zum Opfer fielen, sondern die Instrumentalisie-rung dieser Texte oder Sprüche gegen deren Besitzer(Nr. 74; 75). Inwieweit dieser coup d’état tatsächlich zumTode des Königs geführt hat, entzieht sich unserer Kennt-nis, die Mumie Ramses’ III. zeigt – soweit bislang unter-sucht – jedenfalls keine Spuren von Fremdeinwirkung.

hekaw kann somit als ein prinzipiell zur Aufrechterhal-tung des altägyptischen Kosmos mit allen darin Involvier-ten – Göttern, Königen wie Privatleuten – dienendes undden Menschen ausdrücklich zu diesem Zwecke in dieHand gegebenes »Werkzeug« verstanden werden (vgl. dasMerikare-Zitat), das vornehmlich eine prophylaktischeoder apotropäische (übelabwehrende) Funktion hat, dane-ben aber auch eine dezidiert reaktiv-kurative, nämlich eineingetretenes Übel zu beseitigen. Bisweilen heißt das ein

5 Ein ägyptischer König macht sich nicht die Finger durch Hinrichtung vonKriminellen und Feinden schmutzig, wenngleich zahllose Tempeldarstel-lungen das Gegenteil suggerieren. Auch eine offizielle Notiz wie »Pharaotötete (den Schatzkanzler) Bay« heißt nicht, dass er selbst Hand angelegthat.

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Individuum heimsuchende Übel jedoch selbst hekaw(Nr. 18). Die ägyptische Schrift notiert in einem solchenFall die besondere Qualität von hekaw durch Hinzufügeneines eigenen Zeichens, das die ansonsten unmarkierte Ei-genschaft der Potenz nun als eine negativ-feindliche kenn-zeichnet. Bei diesem Zeichen handelt es sich um die abs-trahierte Gestalt eines Erschlagenen, dem ein Blutstromaus dem Schädel rinnt. Wie aber ist die Nebenbedeutung»böser Zauber« während des Aktes der Rezitation einessolchen Spruches überhaupt »hörbar« zu machen? Hattediese spezielle Bedeutung von hekaw etwa eine von derGrundform abweichende Vokalisation? Das ist sehr un-wahrscheinlich, eher könnte man sich ein besonders ver-ächtliches Aussprechen des Wortes seitens des Magiersvorstellen, wohl unter begleitender Mimik und Gestik.

hekaw manifestiert sich in Wort und Tat. Ein magischesRitual zum Exorzismus eines Dämons etwa besteht aus ri-tuell inszenierter Sprache nach genau vorgeschriebenemWortlaut und begleitenden manuellen Riten, deren Schrit-te in den Texten auf das Rezitativ folgend der Reihe nachaufgelistet werden.6 Dabei dürften auch Gesten seitens desRitualisten eine gehörige Rolle spielen, worauf die ubiqui-tären Demonstrativa hindeuten. Wenn der Magier von»diesem Körperteil XY«, »diesem Requisit« etc. spricht,dann ist das nur als ein gleichzeitiges Deuten mittels einerHandbewegung zu verstehen. Darstellungen von Zaube-rern in Aktion auf Grabwänden zeigen z. B., wie er seinenrechten Zeigefinger auf das Auge eines Krokodils oderNilpferds richtet, um deren Bösen Blick zu bannen. DasSprechen allein macht aber noch keinen Ritus, Gestik und

6 In der Übersetzung durch eine andere Schriftart (Frutiger) markiert, diegleichzeitig eine Rotschreibung in den originalen Handschriften, gegenüberder schwarzen Farbe im Haupttext, bedeutet. Die Rubrizierung betrifftauch fast regelhaft die Titel der Sprüche. Götternamen dürfen aus Scheuvor der von Rot ausgehenden Gefahr nur schwarz geschrieben werden(Stichwort: Farbsymbolik).

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– im Falle des »bösen Zaubers« – auch Mimik und Em-phase dürften ihren gebührenden Anteil am Gelingen desAktes haben.

Die Rezitation situiert den Aktanten wie auch seinenPatienten in einer von der Alltagswelt und -zeit abgeson-derten und in göttliche Sphäre und Zeit entrückten Welt.Beide Beteiligte, Magier wie Patient, schlüpfen dabei –wenn Letzterer auch nicht regelhaft, dann zumindest sehrhäufig – selbst in die Rolle von Göttern. Eine geradezuklassische Konstellation identifiziert den Kranken mitdem kindlichen Horus, der vor den Nachstellungen durchseinen Onkel und Vatermörder Seth von seiner MutterIsis versteckt werden muss. Damit ist Seth die Triebfederfür alles Übel, er ist für alles Kranke und Todbringendeverantwortlich. Horus erscheint dann als das mythischeAnalogon und zugleich Antonym zu Seth; er ist in einphysisches oder psychisches Problem geraten, das von sei-ner zauberkräftigen Mutter Isis – dabei nicht selten vonderen Schwester Nephthys unterstützt – kuriert werdenkann. Und genau so, wie der – mythische – Patient Horusvon seiner Mutter in illo tempore geheilt wurde, genau sokann nun auch qua magischem Ritual der – irdische – Pa-tient von seinen Leiden befreit werden (z. B. Nr. 1; 8; 9;32). In welchem Maße der Magier dabei als Isis agiert, istnicht in allen Fällen klar. Bisweilen erklärt er sich zu Thot,dem göttlichen Schreiber, Mathematiker (Mondgott undBerechner der Mondphasen) wie Zauberer, dem auch dieKomposition des einen oder anderen Spruches zugeschrie-ben wird (Nr. 8).

Umgekehrt kann aber Horus auch – als Geheilter odergar von seiner Mutter Unterwiesener – seinerseits als Hei-ler oder Magier in Aktion treten, eine Rolle, mit der sichdann der menschliche Zauberer identifiziert (Nr. 41 und50). Die Vermutung liegt nahe, dass diese Fähigkeit aufder zuvor durch Heilung von einem Leiden erwirkten Im-munisierung des Gottes basiert.

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Als Gott zu agieren kann aber sicher in vielen Fällennicht verhindern, dass der Zauber ein fauler bleibt undkeine Wirkung zeitigt. Was dann und wie den darauf Ver-trauenden und Angewiesenen sein Versagen erklären? Fürdiesen Misserfolg weiß sich der Aktant zu helfen, indemer einer oder mehreren Gottheiten indirekt die Schuld indie Schuhe schiebt. Die dazu verwendete Phrase am Endedes Rezitativs, die den Charakter einer eidesstattlichen Er-klärung hat, lautet u. a. so:

Nicht ich bin/war es, der das gesagt hat (= den Spruch).Nicht ich bin/war es, der das wiederholt hat:Das war Isis, die das gesagt hat.Das war Isis, die das wiederholt hat.

Aber auch der ausgemachte Bösewicht selbst soll dasgesagt haben, wie Seth oder dessen krokodilgestaltigerSohn Maga. Besonders gerne treten diese Phrasen im Ge-folge von vorangehenden Götterbedrohungen auf, in de-nen der Magier für den Fall des nicht verschwindendenDämons oder Übels mit kosmischen Katastrophen droht,von denen der Dämon besonders schwer betroffen ge-dacht wird (Nr. 18; 26; 30; 52). Dieser für den Fall desScheiterns angewandte Trick fungiert als eine Art Blitzab-leiter. Robert Ritner hat diese Technik einmal treffend bla-me shifting genannt (zur gleichen Praxis in Sumer vgl. Ca-vigneaux, 2002, 362f.). Da der Magier selbst als Gottagiert, liegt die Verantwortung beim inkarnierten Gott,nicht beim menschlichen Zauberer. Diese Phrase impli-ziert zum einen eine Verschonung des scheiternden Ma-giers vor Regressforderungen seitens seines Patienten,vielleicht gar ausbleibende Strafverfolgung. Auf der ande-ren Seite verleiht sie seiner performance eine göttlich legi-timierte Autorität.

Beschwörungen und Behandlungen von Skorpionsti-chen etwa mögen aber längst nicht so erfolglos gewesensein, wie wir das den antiken Magiern zu unterstellen ge-

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neigt sind (Nr. 27–31). Toxikologische Nachforschungengerade der letzten Jahre im Raume von Assiut in Mittel-ägypten haben eine äußerst geringe Sterberate von Betrof-fenen erbracht (8 %). Zwar können die Stiche eine großeBandbreite von Symptomen im Gefolge haben, bleibendeSchäden tragen die Patienten nur in den seltensten Fällendavon (partielle Lähmungen). Einige der typischen Symp-tome erwähnen auch die ägyptischen Beschwörungen, wieheftige Schweißausbrüche, Fieber und Gliederzucken, diebisweilen kaum von denen eines epileptischen Anfalls zuunterscheiden sind (Farghly/Ali, 1999; zur Therapie einesden Mondphasen angelasteten grand mal s. hier Nr. 17).Besonders akut war das Problem wohl in den heißenSommermonaten zwischen Juni und September, wo dieseTiere in Scharen auftreten können. Manche Wüstenregio-nen der Erde verzeichnen eine Populationsdichte von5000 bis 10 000 Skorpionen pro Hektar! Ihre Nachtaktivi-tät notiert auch ein hier nicht aufgenommener Spruch aufPap. Genf MAH 15274 (rt. IV 4–VII 10).

Wesentlich seltener dürften die magischen Heilungser-folge bei Schlangenbissen gewesen sein, auch wenn nichtjede einzelne Art tödliche Bisse austeilte. Zur Vorgehens-weise und damit auch Thematik der bislang bekanntenAntischlangensprüche kann aber notiert werden, dass dieältesten ihrer Art aus den königlichen Pyramidentextendes späten Alten Reiches überwiegend prophylaktischerNatur sind, alle folgenden dann aber reaktiver bzw. kura-tiver Natur (Leitz, 1996; Relativierung bei Meurer, 2002,bes. 305ff.; s. hier Nr. 20–26).

Rein numerisch dürften Beschwörungen von Totengeis-tern das Gros der bislang bekannten Zauberrituale ausma-chen. In diesem Punkt bietet das Alte Ägypten im Grundenichts Besonderes, die individuelle wie kollektive Angst,ja geradezu der Horror vor nächtens ihre Gräber verlas-senden und umherschweifenden Seelen Verstorbener fin-det sich weltweit und zu allen Zeiten. Die Techniken ihrer

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Bekämpfung mögen sich kulturspezifisch unterscheiden,die psychologische Basis bleibt sicher die gleiche. InÄgypten bedeutet das hier durch »Wiedergänger(in)«übersetzte Wort mut(et) zunächst nichts weiter als »To-ter« bzw. »Tote«, das dazugehörige Verbum »sterben; tö-ten«. Die sogenannten »Gestorbenen« sind aber mit einemBa, einer Art nach dem physischen Tode ins Leben kom-menden »Seele«, ausgestattet, die es ihnen ermöglicht, ihrGrab zu verlassen und die Nachfahren auf- oder garheimzusuchen. Diese Gefahr besteht besonders dann,wenn sich die bestatteten Ahnen nicht ausreichend kul-tisch versorgt fühlen (s. Nr. 19) oder wenn sie eines unna-türlichen Todes – etwa durch Hinrichtung – gestorbensind. mut bzw. mutet genannte Verstorbene sind letztlichgar keine endgültig toten Wesen, sie sind eher Un-Tote,Wanderer zwischen den Welten von Dies- und Jenseits,die man sich per umgehängter Amulettkette buchstäblichvom Halse zu halten sucht. In den königlichen Vernich-tungsritualen, wie sie die sog. Unterweltsbücher des Neu-en Reiches und der Spätzeit schildern, nimmt das Wortgeradezu die Bedeutung »Verdammte(r)« an.

Gerne erscheinen diese »Wiedergänger« nebst anderen»Feinden« in einer mehr oder minder langen Liste vonAdressaten des Magiers (Nr. 15–19). Je länger die Liste derNamen, desto sicherer dürfen sich Magier wie Patientwähnen, den potentiellen Übeltäter namentlich identifi-ziert zu haben; ein gelegentliches »und so weiter« begreiftalle eventuell ausgelassenen oder vergessenen Namen mitein. Diese namentliche Identifizierung ist entscheidend,denn über die Kenntnis des Namens steigt die Chance,den Gegner ausschalten zu können, ohne Kenntnis seinerIdentität ist das unmöglich. Da man des Weiteren nieweiß, ob es sich um ein männliches oder um ein weibli-ches Unwesen handelt, rezitiert man die Namen in ihrerjeweiligen grammatischen Form und notiert in der Über-setzung »Wiedergänger, Wiedergängerin, Feind, Feindin,

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Widersacher, Widersacherin« u. ä. Allein, damit ist dieexakte Identifizierung der Unholde ja eigentlich noch garnicht erreicht, denn hinter den Klassifikationen (!) »Wie-dergänger« etc. kann sich jeder beliebige unstete Tote ver-bergen. Da es aber nun unmöglich ist, sämtliche dem je-weiligen Magier bekannten Namen von Verstorbenen zunennen, bescheidet er sich mit generischen Bezeichnun-gen, die individuelle Identitäten abdecken. Sollte sich einIndividuum z. B. durch einen Ahnen der eigenen Familiebelästigt fühlen, hat es immer noch die Möglichkeit, sichdirekt an den Geist zu wenden, was u. a. durch sog. »Brie-fe an Tote« über mindestens zwei Jahrtausende hinwegpraktiziert wurde und was im 1. Jt. v. Chr. durch Briefe anGötter und vergöttlichte Beamte der eigenen Vergangen-heit dann fortgeführt wurde. Eine literarische Ausprägungdieser Sitte ist hier die Geschichte vom Priester Chonsem-hab und dem Edlen Totengeist (Nr. 76), deren beiderKommunikation allerdings nicht auf Verwandtschaft ba-siert, soweit der erhaltene Textbestand das erkennen lässt.Allgemein wird man wohl sagen dürfen, dass den Anti-Wiedergängersprüchen ein wesentlich größeres Gewichtbei der Konstituierung des altägyptischen Totenglaubenszugekommen sein wird, als ihnen in sämtlichen Darstel-lungen zu Tod und Jenseits im Alten Ägypten bislang zu-gestanden wird. Es scheint, als habe weniger die reineFürsorge und Trauer um die Dahingegangenen diesenschon in der Antike bestaunten funerären Aufwand evo-ziert als vielmehr die blanke Angst vor deren uner-wünschter Rückkehr angesichts der Gewissheit, dass inkeinem Einzelfall ewige Versorgung garantiert werdenkonnte.

Aber wie hekaw selbst, so haben auch die Totengeistereinen potentiell ambivalenten Charakter. Es gibt ja auchfreundlich gesonnene, deren Hilfe und Intervention mansich versichern kann, indem man nur ihren Namen alsSchutzamulett in Form eines entsprechend beschrifteten

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Papyrusstreifens am Halse trägt (Nr. 16). Allerdings sinddiese Schutzgeister oft nicht beliebige Verstorbene, son-dern bedeutende historische Persönlichkeiten wie auch li-terarische Figuren. Das sind dann z. B. der Sohn des Pha-rao Cheops mit Namen Djedefhor aus der 4. Dynastie,der Baumeister des Djoser aus der 3. Dynastie namensImhotep, daneben Schreiber, denen die ramessidische Tra-dition die Komposition literarischer Werke zugeschriebenhat wie Chety und Neferty. Eventuell erscheint sogar derin den Wundergeschichten vom Hofe des Königs Cheopsagierende Zauberer Djadjaemanch in dieser Liste (Nr. 72),deren Namen sich z. T. noch einer sicheren Deutung wi-dersetzen. Was aber mit ihrer Instrumentalisierung er-reicht werden soll, ist klar: als benevolente Geister, weilüber positiven bzw. schöpferischen hekaw verfügend, sol-len sie den Träger ihres Namens vor dem physischen wiepsychischen Eindringen jeglicher Wiedergänger bewahren.

Anstelle von recht allgemeinen Bezeichnungen für Dä-monen kann die Beschwörung auch wesentlich konkreterwerden, insbesondere dann, wenn Krankheit und dahinterstehender Dämon ein und denselben Namen tragen (s.Nr. 15). In diesem Falle wird aber nicht nur die aus Vor-derasien bekannte – und möglicherweise gar nach Ägyp-ten eingeschleppte – Krankheit (mycetoma, eine Hautge-schwulst?) bei ihrem fremden Namen (samanu) beschwo-ren, sondern auch unter ihrem ägyptischen Pendant(achu). Bedeutet der akkadische Name so viel wie ›rot‹,›der Rote‹ und meint insbesondere die rötliche Ausprä-gung der Geschwulst, zielt die ägyptische Version auf diemehr schwärzliche, weil »verkohlt« wirkende Variante.Der Text ist eines von inzwischen recht zahlreichen Bei-spielen der Rezeption fremder Magie und deren Texten,sei es in ägyptischer Übersetzung (so wohl bei Nr. 11–12),oder in Gestalt der in kursiven Hieroglyphen bzw. Hiera-tisch wiedergegebenen – kretischen – Originalsprache(Nr. 14).

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Sog. Schwellenphasen im Leben von Menschen sindwohl zu allen Zeiten und allerorten durch Riten begleitetworden, die man im Falle von echten Krisen wie Schwan-gerschaft und Geburt einschließlich Wochenbett als be-sonders dringend empfand. Angesichts der geringen Hy-giene, akuter oder gar chronischer Mangelernährung unddaraus resultierender hoher Kinder- und Müttersterblich-keit ist die Praktizierung übelabwehrender Maßnahmennicht verwunderlich (Nr. 48–56). Aber auch kalendarischbedingte liminale Phasen wie die »Fünf auf dem Jahr (von360 Tagen) befindlichen Tage« (Epagomenen) bergen gro-ße Gefahren in sich, die nicht selten ihre reale Ursache innatürlichen Phänomenen haben. So markiert der Über-gang von einem Jahr zum nächsten die schon oben ange-deutete Gefahr von Seuchen infolge der bisweilen zu ho-hen Überschwemmung des Nilbettes. Ratten- und Mäuse-plagen, verendende Tiere und deren Kadaver vergiftenbuchstäblich die Umwelt und infizieren die Menschen, dienicht selten auf Tuchfühlung mit ihrem Vieh leben. Nurzu verständlich ist deshalb, wenn man sich bemüßigtfühlt, die im Gefolge dieser Geburtstage der Götter desOsiriskreises agierenden Scharen von Dämonen und ihreMiasmen durch Beschwörungen zu bannen (Nr. 57; 58).Insbesondere geht es um den 3. Epagomenentag als Ge-burtstag des Seth und die während dieser gesamten fünfTage von der Sachmet ausgesandten Messer- und Krank-heitsdämonen.

Aber nicht nur Verstorbene oder Boten der Götter wer-den als reale Bedrohungen von Leib und Leben empfun-den und bekämpft, auch die eigenen Zeitgenossen, weilensie nun in Ägypten oder im benachbarten Ausland. In-dividuell verhasste oder missliebige Personen mag mannoch durch relativ harmlose, weil rein verbal praktizierteBannungen oder Verfluchungen auszuschalten suchen(Nr. 61). Aber solche den ägyptischen König wie den ge-samten Staat bedrohenden äußeren Feinde wie die ge-