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Weniger von Martin Zenhäusern ([email protected] ) Die Weltbevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten explodiert. Der Zuwachs ist von uns als so natürlich empfunden worden, dass wir gar nichts Anderes mehr erwartet haben als ständig mehr Menschen auf einem immer kleiner werdenden Globus. Allein China zählt rund 1,3 Milliarden Menschen. Nur – gerade in China ist die Bevölkerung kleiner, als sie eigentlich sein könnte. Der Grund dafür liegt in der Ein-Kind-Politik, die 1979 eingeführt worden ist. Ohne diese Beschränkung, von der man nun halten kann, was man will, würde China rund 200 Millionen mehr Menschen zählen. Da China im Vergleich nur schon zu Japan bis zu sechsmal mehr Energie verbraucht für einen Dollar Bruttosozialprodukt, kann man sich leicht vorstellen, um wie viel die Umweltbelastung allein im Reich der Mitte heute höher läge. Auch der Westen würde sich ohne Zuwanderung nicht mehr „erneuern“ können. Der Geburtenmangel ist in allen Industrieländern festzustellen. Hinzu kommen noch weitere Implikationen, welche ein Wachstum eher unwahrscheinlich machen, zum Beispiel die zunehmende Unfruchtbarkeit, die auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist, unter anderem auf Umweltbelastungen, Nahrungsmittel, Stress usw. Sterben wir also irgendwann aus? Gerade in kinderreichen Kulturen waren die Kinder so etwas wie die Altersvorsorge für die Eltern. Wenn früher viele Kinder für die Eltern da sein konnten, ist es heute umgekehrt: Auf ein Kind kommen zwei Eltern und vier Grosseltern, die immer älter werden. Ein Kind, das heute in Japan geboren wird, hat gute Chancen, hundert Jahre alt zu werden. Das Durchschnittsalter nimmt laufend zu. In der Schweiz beträgt es 43 Jahre. Um dies als Bild zu zeigen: Dies ist ein 13-Jähriger in Begleitung von zwei 58-Jährigen. Die Lebensformen werden sich also verändern. Wie soll die Vorsorge in Zukunft geregelt werden? Sind Altersheime überhaupt noch zu betreiben, wenn die Pflegerinnen und Pfleger im Durchschnitt siebzig Jahre alt sein werden? Wie lange reichen die Ressourcen aus, wenn die Menschen immer länger immer mehr Energie verbrauchen werden? Vielleicht kommt es auch ganz anders. Die Weltbevölkerung wird schrumpfen. Es wird weniger Energie konsumiert, und zugleich können wir natürliche Ressourcen besser nutzen. Die Autos fahren nicht mehr mit Benzin, sondern mit Lichtenergie. Und wir werden darüber lächeln, dass wir einstmals über das Rentenalter 67 diskutiert haben, wenn wir als gut erhaltende Achtzigjährige gerade den x-ten Frühling spüren. Vielleicht werden wir uns in Zukunft mehr mit Szenarien befassen müssen, denen weniger das Wachstum als die Reduktion zugrunde liegen. Was auch ganz reizvoll wäre. Noch etwas: Der deutsche Schauspieler Gustav Knuth hat den Nagel wohl auf den Kopf getroffen, als er feststellte: „Alle wollen alt werden, aber keiner will es sein.“

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Die Lebensformen werden sich also verändern. Wie soll die Vorsorge in Zukunft geregelt werden? Sind Altersheime überhaupt noch zu betreiben, wenn die Pflegerinnen und Pfleger im Durchschnitt siebzig Jahre alt sein werden? Wie lange reichen die Ressourcen aus, wenn die Menschen immer länger immer mehr Energie verbrauchen werden?

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Weniger von Martin Zenhäusern ([email protected]) Die Weltbevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten explodiert. Der Zuwachs ist von uns als so natürlich empfunden worden, dass wir gar nichts Anderes mehr erwartet haben als ständig mehr Menschen auf einem immer kleiner werdenden Globus. Allein China zählt rund 1,3 Milliarden Menschen. Nur – gerade in China ist die Bevölkerung kleiner, als sie eigentlich sein könnte. Der Grund dafür liegt in der Ein-Kind-Politik, die 1979 eingeführt worden ist. Ohne diese Beschränkung, von der man nun halten kann, was man will, würde China rund 200 Millionen mehr Menschen zählen. Da China im Vergleich nur schon zu Japan bis zu sechsmal mehr Energie verbraucht für einen Dollar Bruttosozialprodukt, kann man sich leicht vorstellen, um wie viel die Umweltbelastung allein im Reich der Mitte heute höher läge. Auch der Westen würde sich ohne Zuwanderung nicht mehr „erneuern“ können. Der Geburtenmangel ist in allen Industrieländern festzustellen. Hinzu kommen noch weitere Implikationen, welche ein Wachstum eher unwahrscheinlich machen, zum Beispiel die zunehmende Unfruchtbarkeit, die auf verschiedene Ursachen zurückzuführen ist, unter anderem auf Umweltbelastungen, Nahrungsmittel, Stress usw. Sterben wir also irgendwann aus? Gerade in kinderreichen Kulturen waren die Kinder so etwas wie die Altersvorsorge für die Eltern. Wenn früher viele Kinder für die Eltern da sein konnten, ist es heute umgekehrt: Auf ein Kind kommen zwei Eltern und vier Grosseltern, die immer älter werden. Ein Kind, das heute in Japan geboren wird, hat gute Chancen, hundert Jahre alt zu werden. Das Durchschnittsalter nimmt laufend zu. In der Schweiz beträgt es 43 Jahre. Um dies als Bild zu zeigen: Dies ist ein 13-Jähriger in Begleitung von zwei 58-Jährigen. Die Lebensformen werden sich also verändern. Wie soll die Vorsorge in Zukunft geregelt werden? Sind Altersheime überhaupt noch zu betreiben, wenn die Pflegerinnen und Pfleger im Durchschnitt siebzig Jahre alt sein werden? Wie lange reichen die Ressourcen aus, wenn die Menschen immer länger immer mehr Energie verbrauchen werden? Vielleicht kommt es auch ganz anders. Die Weltbevölkerung wird schrumpfen. Es wird weniger Energie konsumiert, und zugleich können wir natürliche Ressourcen besser nutzen. Die Autos fahren nicht mehr mit Benzin, sondern mit Lichtenergie. Und wir werden darüber lächeln, dass wir einstmals über das Rentenalter 67 diskutiert haben, wenn wir als gut erhaltende Achtzigjährige gerade den x-ten Frühling spüren. Vielleicht werden wir uns in Zukunft mehr mit Szenarien befassen müssen, denen weniger das Wachstum als die Reduktion zugrunde liegen. Was auch ganz reizvoll wäre. Noch etwas: Der deutsche Schauspieler Gustav Knuth hat den Nagel wohl auf den Kopf getroffen, als er feststellte: „Alle wollen alt werden, aber keiner will es sein.“