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4.037 Deschner Bd. 5 Fünfter Band: 9. und 10. Jahrhundert Karlheinz Deschner Kriminalgeschichte des Christentums Fünfter Band 9. und 10. Jahrhundert Von Ludwig dem Frommen (814) bis zum Tode Ottos III. (1002) Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.037 Deschner Bd. 5Fünfter Band: 9. und 10. Jahrhundert

Karlheinz Deschner

Kriminalgeschichte des Christentums

Fünfter Band

9. und 10. Jahrhundert

Von Ludwig dem Frommen (814)bis zum Tode Ottos III. (1002)

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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Gewidmet besonders meinen Freunden AlfredSchwarz und Herbert Steffen sowie allen, derenselbstlosen Beistand ich, nach dem steten meiner El-tern, dankbar erfuhr:

Wilhelm AdlerProf. Dr. Hans AlbertLore AlbertKlaus AntesElse ArnoldJosef BeckerKarl BeerschtDr. Wolfgang BeutinDr. Otto BickelProf. Dr. Dieter BirnbacherDr. Eleonore Kottje-BirnbacherKurt BirrDr. Otmar EinwagDieter FeldmannDr. Karl FinkeFranz FischerKläre Fischer-VogelHenry GelhausenDr. Helmut HäußlerProf. Dr. Dr. Norbert HoersterProf. Dr. Walter Hofmann

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4.039 Deschner Bd. 5Widmung

Dr. Stefan Kager und Frau LenaHans KalveramKarl Kaminski und FrauDr. Hedwig KatzenbergerDr. Klaus KatzenbergerHilde und Lothar KayserProf. Dr. Christof KellmannProf. Dr. Hartmut KliemtDr. Fritz KöbleHans KochHans KreilIne und Ernst KreuderEduard KüstersRobert MächlerJürgen MackVolker MackDr. Jörg MagerProf. Dr. H.M.Nelly MoiaFritz MoserRegine PaulusJean-Marc PochonArthur und Gisela ReegHildegunde RehleM. RenardGabriele RöwerGerman Rüdel

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4.040 Deschner Bd. 5Widmung

Dr. K. Rügheimer u. Frau JohannaHeinz Ruppel und Frau RenateMartha SachseHedwig und Willy SchaafFriedrich ScheibeElse und Sepp SchmidtDr. Werner SchmitzNorbert SchneiderAlfred SchwarzDr. Gustav SeehuberDr. Michael Stahl-BaumeisterHerbert SteffenProf. Dr. Dr. Dr. h.c.Wolfgang StegmüllerAlmut und Walter StumpfArtur UeckerDr. Bernd UmlaufHelmut WeilandKlaus WesselyRichard WildLothar WilliusDr. Elsbeth WolffheimProf. Dr. Hans WolffheimFranz ZitzlspergerDr. Ludwig Zollitsch

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4.041 Deschner Bd. 5*, 1Replik

Replik

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4.042 Deschner Bd. 5*, 3Editorial

Editorial

Nach rund dreißig Jahren der Vorbereitung erschienim September 1986 der erste Band von KarlheinzDeschners auf zehn Bände angelegter Kriminalge-schichte des Christentums. Es folgten im Oktober1988 der zweite und im Oktober 1990 der dritteBand. Damit war die erste Epoche, das Altertum, ab-geschlossen.

Drei stattliche Bände – was da auf etwa 1600 Sei-ten dargestellt und auf rund 350 Seiten wissenschaft-lich belegt wird, umfaßt rund anderthalbtausend Per-sonen- und fast ebenso viele Ortsnamen, zitiert Tau-sende von Primär- und Sekundärquellen – alles inallem eine wahre Milchstraße von Namen, Daten,Dogmen, Titeln, Fakten.

Eine so fundierte und so fundamentale Anklagegegen das Christentum (nicht etwa nur die Kirche)hatte es noch nicht gegeben. Gleichwohl hielt sich dieangegriffene Seite zunächst an die OggersheimerRegel: aussitzen.

Als den berufenen und beruflichen Christen dasTotschweigen nicht gelang, als Zehntausende von Le-sern alle zwei Jahre einen neuen Band von Deschnershistorischem »Krimi« verschlangen, als die Zahl derjährlichen Kirchenaustritte rapide auf sechs StellenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.043 Deschner Bd. 5*, 4Editorial

anschwoll und viele Austrittswillige für ihren Ent-schluß historische Gründe nannten, eben die Greuelta-ten, die Deschner anprangert – da wurde es den attak-kierten Amtsträgern des organisierten Christentumsdann doch zu bunt. 1992 bliesen sie zum Gegenan-griff.

Hans Reinhard Seeliger, Professor für HistorischeTheologie an der Universität-Gesamthochschule Sie-gen, organisierte unter der Überschrift Kriminalisie-rung des Christentums? Karlheinz Deschners Kir-chengeschichte auf dem Prüfstand ein dreitägigesSymposium in der Katholischen Akademie Schwerteam Nordrand des Sauerlandes.

Vom 1. bis zum 3. Oktober 1992 wurden dort Vor-träge gehalten, die sich im allgemeinen oder im ein-zelnen mit den bis dato erschinenen 23 Kapiteln derersten drei Bände befaßten. Die meisten Referentenwaren Professoren aus Deutschland und Österreich:ordentliche, außerordentliche, außerplanmäßige, eme-ritierte; dazu ein Titular- und ein Honorarprofessor.Zwei gehören dem Dominikaner-, einer dem Franzis-kanerorden an. Das Fächerspektrum reicht von Alterund Älterer Kirchengeschichte, Patrologie, Christli-cher Archäologie, Alter Geschichte, Altphilologieüber Judaistik bis zur Historischen und Systemati-schen Theologie. Hinzu kamen ein Hochschullehrerfür Strafrecht, Strafprozeßrecht und Kriminologie

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(weil es sich ja um eine Kriminalgeschichte handelt!)sowie ein frisch promovierter Dr. med. aus Freiburg.

Auch Karlheinz Deschner war – eine ritterlicheGeste – eingeladen worden, »die Grund- und Gesamt-konzeption seines Werkes« vorzutragen. Einer alleingegen zweiundzwanzig – für einen kämpferischenGeist wie Deschner eine durchaus reizvolle Heraus-forderung. Trotzdem hat er abgelehnt. Zu dem ange-botenen Thema hatte er bereits in der Einleitung zumGesamtwerk ausführlich geschrieben: Über den The-menkreis, die Methode, das Objektivitätsproblemund die Problematik aller Geschichtsschreibung (60Druckseiten). Dem habe er, schrieb Deschner an dieVeranstalter, nichts hinzuzufügen.

Sämtliche Referate erschienen 1993 als Buch indem katholischen Traditionsverlag Herder in Frei-burg, herausgegeben vom Initiator Hans ReinhardSeeliger. Umfang: 320 Seiten. Auf dem Umschlag:»Die Verbrennung des Dominikaners Savonarola alsKetzer in Florenz« von Fra Bartolommeo. EinScherz? Wunschdenken? Immerhin schreibt der Her-ausgeber in seiner Einleitung, daß »ein ›Dahin-schlachten‹ des Autors ... leicht zu bewerkstelligengewesen wäre« (11).

Das bei Herder erschienene, recht teure Buch (58DM) wurde, natürlich, kein Bestseller. Doch auch inkleiner Stückzahl erfüllte es seine Alibifunktion,

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wenn man fortan mit dem so gelehrt wirkenden Hin-weis auf diesen Sammelband das Verdikt verquickt,dort sei von über zwanzig Experten bewiesen worden,Deschner arbeite unwissenschaftlich und schreibe par-teiisch. Wenn jetzt jemand mit Verweis auf Deschnerpeinliche Fragen an die Kirche richtet, braucht derEingeweihte nur noch mitleidig zu lächeln und aufdiesen – natürlich ungelesenen – Band zu zeigen, undschon löst sich durch diesen autoritären Zaubertrickdas ganze historische Mosaik der Kriminalgeschichtein Wohlgefallen auf, und die von Deschner verführteSeele darf weiter glauben, das Christentum und seineKirche(n) hätten nie eine Kriminalgeschichte gehabt,sondern immer nur eine Sakralgeschichte.

Der Dortmunder Philosoph Prof. Hermann JosefSchmidt hat Seeligers Herder-Band gründlich unter-sucht und seinen katastrophalen Befund unter demTitel Das »einhellige« oder scheinheilige »Urteilder Wissenschaft«? Nachdenkliches zur katholi-schen Kritik an Karlheinz Deschners »Kriminalge-schichte des Christentums« veröffentlicht.1

Deschner ging davon aus, daß der interessierteLeser selbst beurteilen könne, welcher Standpunktüberzeugender, welcher Autor kritischer und der ge-schichtlichen »Wahrheit« näher sei. Er, der seinemPublikum stets empfiehlt, zu prüfen, was er sagt, ihmnicht zu »glauben« – er glaubt seinerseits: an den Sog

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4.046 Deschner Bd. 5*, 6Editorial

der Vernunft.Doch Schweigen wäre in diesem Falle selbstschä-

digend und weltfremd. Calumniare audacter, semperaliquid haeret: Beim Anschwärzen nur nicht schüch-tern! Etwas bleibt immer hängen! An diesen alten(und wahren) Zynismus erinnerte besonders nach-drücklich ein ausländischer Wissenschaftler: Desch-ner müsse unbedingt, unverzüglich und öffentlichStellung nehmen zu seinen Schwerter Kritikern.

Eine böse Grippe im Winter 1996 erschwerteDeschner das Schreiben des fünften Bandes der Kri-minalgeschichte. Da nahm er sich, gleichsam als gei-stige Krankengymnastik, erneut den Herder-Band vorund suchte nach einem Modus operandi. Den ganzendreihundert Seiten langen Text kritisch analysieren?Unmöglich. Also konnte man nur exemplarisch vor-gehen: einen Aufsatz herausgreifen und den gründlichdurchmustern.

Deschner entschied sich für das Referat KaiserKonstantin: ein Großer der Geschichte? von MariaR.-Alföldi (der einzigen Frau in der Korona vonSchwerte). Dieser Aufsatz entspricht, alles in allem,dem durchschnittlichen Pegelstand des Bandes. Etli-che Texte darin sind unter aller Kritik. Einige wenigeenthalten sich wenigstens der persönlichen Verun-glimpfung und versuchen, Deschners Eigenart undLeistung gerecht zu werden.2 Maria R.-Alföldi liegt

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4.047 Deschner Bd. 5*, 6Editorial

im Mittelfeld, ist also repräsentativ.Maria Radnóti-Alföldi, geboren 1926 in Budapest,

wurde 1949 promoviert, 1961 in München habilitiert,arbeitete seit 1965 als Wissenschaftlicher Rat, späterals Professorin am Seminar für Griechische und Rö-mische Geschichte der Universität Frankfurt am Mainin den Fächern Hilfswissenschaften der Altertumskun-de sowie Geschichte und Kultur der römischen Pro-vinzen. Zu den historischen Hilfswissenschaften zäh-len Disziplinen wie Epigraphik, Papyrologie, Glypto-graphie, Sphragistik. Maria Radnóti-Alföldi hat vorallem über Numismatik (Münzkunde) publiziert,unter anderem Die constantinische Goldprägung:Untersuchungen zu ihrer Bedeutung für Kaiserpoli-tik und Hofkunst (1963) oder Antike Numismatik:Theorie, Praxis, Bibliographie (1978).

Frau Prof. em. Radnóti-Alföldi ist korrespondie-rendes Mitglied der Akademie der Wissenschaftenund der Literatur in Mainz. Der Schwerte-InitiatorSeeliger stellt sie als »international angesehene Kon-stantinforscherin« (148) vor. Ihr Referat wurde inSchwerte besonders beifällig aufgenommen, schienhier doch eine Koryphäe Deschners Zuverlässigkeitals Historiker zu torpedieren. Wie viele Treffer lande-te sie denn nun wirklich? Dies untersucht KarlheinzDeschner in der folgenden Replik.

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4.048 Deschner Bd. 5*Editorial

Hermann GieselbuschReinbek, 23. August 1996SachbuchlektoratRowohlt Verlag

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4.049 Deschner Bd. 5*Editorial

Fußnoten

1 In: Clara und Paul Reinsdorf (Hg.): DrahtzieherGottes. Die Kirchen auf dem Marsch ins 21. Jahr-hundert. Aschaffenburg: Alibri 1995. Darin auch dieStudie von Oliver Benjamin Hemmerle: KlerikaleKontinuitäten: Wer sie lehrte, was sie lehren. Bio-graphisch-bibliographische Annotationen zu ausge-wählten Deschner-Kritikern, ihren Lehrern und Vor-bildern

2 Aus Gesprächen mit Karlheinz Deschner weiß ich,daß er besonders vier Referenten für ihre Fairneßdankt: Professor Ulrich Faust O.S.B., Dekan der Hi-storischen Sektion der Bayerischen Benediktineraka-demie, Professor Theofried Baumeister O.F.M., Uni-versität Mainz, Professor Erich Feldmann, UniversitätMünster, und zumal Professor Gert Haendler, Univer-sität Rostock.

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4.050 Deschner Bd. 5*, 7Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Wes brot ich ess'oder »Vor jeder Form von Macht auf dem

Bauch«

von Karlheinz Deschner

Maria R.-Alföldi rezensiert und zensiert auf knapp 12Seiten (148–159) unter dem Titel Kaiser Konstantin:ein Großer der Geschichte? die 72 Seiten (213–285)des Kapitels »Der Hl. Konstantin, der erste christlicheKaiser. ›Signatur von siebzehn Jahrhunderten Kir-chengeschichte‹« in Band I meiner Kriminalgeschich-te des Christentums. Gleich eingangs findet sie es»schwer, auch annähernd den Inhalt der Ausführun-gen Deschners anzugeben« (149). Warum? Wohl weilder Inhalt selbst, in zehn Zwischenüberschriften dochpräzisiert und dementsprechend genau referiert, ihrmißfällt, ebenso die unakademische Direktheit derDarstellung, die sie »populär« nennt, »sogar populi-stisch« (159), von »starker Tendenziösität geprägt«(149), zu der ich mich in meiner »Einleitung zum Ge-samtwerk« bereits nachdrücklich bekannte (Band I,36 ff.). Und mahnt sie zum Abschluß ihres Berichtszu einem vorsichtigen Umgang mit der Geschichts-schreibung, kann ich nur energisch beipflichten!

Maria R.-Alföldis Versuch steht im Dritten Teil,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.051 Deschner Bd. 5*, 8Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

den der Herausgeber »Exemplarische Einzelkritik« ti-tuliert. Exemplarisch, pars pro toto, unterziehe ichdiesen Aufsatz jetzt, dicht am Text bleibend, einerEinzelheitenkritik. Notwendig muß solche Kritik derKritik Kleinigkeiten aufgreifen, muß daraus fastzwangsläufig eine etwas mühselige Lektüre werden.Manches mag krittelsüchtig, pedantisch, spröd wir-ken. Anders aber geht es kaum, soll die Entgegnungüberzeugend sein. Viele Steinchen ergeben so immer-hin ein klar konturiertes aussagefähiges Mosaik, andem die Geister sich scheiden mögen. »Man liest, daßKonstantin seine Abstammung gefälscht hat ...«(149). Man liest's. Na und? Ist's falsch? Das sagt dieAutorin nicht. Sie suggeriert es nur – ein Nadelstich,Bestandteil der Taktik, mich unterschwellig unglaub-haft zu machen, zu disqualifizieren. Daß Konstantin,um die Mitherrscher als Usurpatoren abzustempeln,seinem Vater Konstantius Chlorus eine viel edlereAszendenz andichten, daß er den Heiden und, nachKirchenvater Laktanz, sogar Kirchenzerstörer, alsChristen ausgeben ließ, verhehlt sie und bagatellisiertdie gefälschte Abstammung als »zeitweiliges Propa-gandamanöver« (149). Man liest, er habe, fügt siehinzu, »seine Vorfahren kompromittierend gefunden«.Na und? Ist's falsch? (Siehe oben)

»Seine Mutter Helena wird mit allem Klatsch be-dacht, die [!] eine mißgünstige Meinung je zutage för-

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4.052 Deschner Bd. 5*, 8Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

dert; sie war seinerzeit situationsabhängig und natür-lich standesbedingt. Deschner kriecht ihr unbesehenauf den Leim« (149).

Erneut ignoriert Frau Alföldi die Gründe für diese»mißgünstige Meinung«. Sie nennt sie »situationsab-hängig« (was Meinung meistens ist) und, was sie hierja nicht abschwächt, »standesbedingt«. Wobei sieabermals verschweigt, daß auch prominente Prälatenden »Klatsch« kolportierten, daß deswegen Konstan-tin Bischof Eustathius von Antiochien auf Nimmer-wiedersehen exiliert, daß Kirchenlehrer Ambrosiusgar von Helena sagt, Christus habe sie »von der Misteauf den Thron erhoben«.

»Die ersten Regierungsjahre des jungen Kaisers imWesten sind nichts als schreckliche Kriege gegenarmselige Germanen, die dann, gefangengenommen,erbarmungslos abgeschlachtet werden.« Alles scheintda von mir grausig übertrieben, nicht wahr, wird aberwieder nicht gesagt. Denn alte Quellen wie neue Un-tersuchungen bestätigen, Konstantins Barbarei warschon seinerzeit ungewohnt, furchtbar. Doch liebt dieKritikerin diskrete Andeutungen, tadelnde Beiklänge,die mich als historischen Obskuranten hinstellen,ohne daß sie, dezente Tücke, dies ausspricht; obwohlsie auch davor, unter dem Druck ihrer Beweislast,nicht zurückschreckt (vgl. S. 154, 156), ja meinenText einfach fälscht (S. 150).

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4.053 Deschner Bd. 5*, 9Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Konstantins Opfer Maxentius, meint sie, werde»trotz nachgewiesener Willkürherrschaft stets ent-schuldigt« (149). Stets? Als schriebe ich nicht auchvon Maxentius, daß er »die Landbewohner schröpf-te«, daß er »den bisherigen Steuerlasten neuehinzu«fügte – freilich »sein Geld in erster Linie ebendort« holte, »wo es fast unbegrenzt vorhanden war«;letzteres doch ein löbliches Unterfangen. Im übrigen:nicht ich entschuldige. Ich führe einen Forscher an,der im 28. Halbband der Realencyclopädie vonPauly-Wissowa so extensiv wie intensiv begründet,warum er Maxentius verteidigt – dessen Lage der»eines umstellten Wildes« glich (Groag).

Die christliche Seite allerdings schmäht den »gott-losen Tyrannen« beinah bis heute und verfälscht sy-stematisch seine Biographie (vgl. S. 220 f.). Bereitsder »Vater der Kirchengeschichte«, Bischof Euseb,den Jacob Burckhardt »den ersten durch und durchunredlichen Geschichtsschreiber des Altertums«nennt, behauptet zum Beispiel von »der blutigen Roh-heit des Tyrannen« Maxentius: »Die Zahl der Senato-ren, die er hinrichten ließ ..., kann gar nicht berechnetwerden. In Massen ließ er sie ... ermorden.« Tatsäch-lich aber ist kein von ihm getöteter Senator bekannt.Auch kennt die Überlieferung für die ihm unterstellteGrausamkeit »keinen einzigen konkreten Beleg«.Ebensowenig stimmt, weder für Rom noch für Afrika,

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4.054 Deschner Bd. 5*, 10Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

die ihm kirchlicherseits angeschwindelte Christen-feindschaft. Manche seiner Wohltaten für den Klerushat man später auf Konstantin übertragen. Selbstchristliche Quellen bestätigen die Toleranz des Ma-xentius. Bischof Optatus von Milewe nennt ihn kor-rekt den Befreier der Kirche.

Von alldem erwähnt die Autorin nichts. Vielmehrrügt sie, und wieder ohne es zu bestreiten, »Konstan-tin gilt als Aggressor« (149). Als erklärte nicht Kon-stantin den Krieg, sondern Maxentius! Als stürmtenicht Konstantin vom Rhein nach Rom, sondern Ma-xentius von Rom an den Rhein! Als habe nicht Kon-stantin bald auch die anderen Mitregenten niederge-rungen bzw. niederringen und töten lassen! Und alsbrächte nicht Konstantin bald auch den Vater des Ma-xentius um!

Konstantins »Kriegsführung, die Schlachten, trie-fen vor Blut, vor allem die eben noch bedauerten Ger-manen, nunmehr dienstverpflichtet, strotzen vor Grau-samkeit« (149). Nun schreibe ich zwar, überliefer-ungsgemäß, Konstantin habe die Aufstände seinergermanischen Gegner in Blut erstickt, ihre Könige inder Trierer Arena von Bären zerfleischen lassen undderartige Darbietungen als »Fränkische Spiele« zueiner Dauereinrichtung, dem jährlichen (14. bis 20.Juli) Höhepunkt der Saison erhoben. Doch äußereich – sosehr ich es empfinde – weder Bedauern, noch

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strotzen da »die eben noch bedauerten Germanen ...vor Grausamkeit«. Was ja auch kein Widerspruchwäre.

Unmittelbar darauf zitiert Frau Alföldi mich: »AmEnde wird ›der Sohn des Besiegten samt seinen politi-schen Anhängern über die Klinge gejagt‹ (I/223)«,und fährt fort: »doch der Maxentius-Sohn Romuluslebt damals seit Jahren nicht mehr. Ob ein zweiterSohn brutal beseitigt wird, ist nicht bekannt«. DaßRomulus Valerius »seit Jahren« nicht mehr lebte, magstimmen. Wir kennen aber sein genaues Todesjahr sowenig sicher wie das genaue Jahr seiner Geburt. Undich nenne gar nicht Romulus Valerius. Wäre freilichauch kein anderer Maxentius-Sohn seinerzeit umge-kommen, hätte ich mich geirrt. Ich gebe jedoch zu be-denken, daß beispielsweise Karl Hönn in seiner Bio-graphie Konstantin der Große. Leben einer Zeiten-wende auf S. 107 von Maxentius schreibt: »SeineKinder [!] wurden getötet«: wonach sogar mehrereKinder des Besiegten Konstantins Opfer gewordensind. Wie denn Frau R.-Alföldi mein Zitat mitten imSatz abbricht und unterschlägt: »...das ganze Hausdes Maxentius [wird] ausgerottet«. Dies ist das ent-scheidende Faktum.

»Daß die hohen heidnischen Würdenträger in Rommit äußerster Klugheit verschont und in Dienst ge-nommen werden, nimmt der Autor nicht zur Kennt-

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4.056 Deschner Bd. 5*, 11Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

nis« (149 f.). O doch! »Vielmehr sehen wir die füh-renden römischen Aristokraten«, steht bei mir aufSeite 220, »unter Konstantin wieder in Amt und Wür-den«.

Bewußt falsch gleich weiter die Behauptung, dennächsten Bürgerkrieg gegen Maximinus Daia »führtejedoch nicht, wie Deschner suggeriert, Konstantin,sondern sein Mitkaiser Licinius« (150). Denn ich be-richte (228), daß »Konstantin und [!] Licinius«, daß»zwei [!] gottgeliebte Männer« den Ausbruch diesesWaffengangs betrieben, daß ihn aber »Licinius« mit»christlichen Devisen unternommen« und »Licinius«vor der Schlacht am 30. April 313 kommandiert habe:»Helm ab zum Gebet ...« Von Konstantin ist in die-sem ganzen Konflikt keine Rede.

Während Frau Alföldi jedoch, wie so oft, mir an-kreidet, den Leser hinters Licht zu führen, tut sie esselbst. Und während sie erklärt, ich suggeriere, Kon-stantin habe den Krieg geführt, suggeriert sie, erneutunwahrhaftig, schon mit dem nächsten Satz – »Manliest wieder extrem emotionale Schilderungen vonAtrozitäten aller Art« (150) –, diese Schilderungenseien von mir, obwohl sie sämtlich, wie klar ver-merkt, von den Kirchenvätern Euseb und Laktanzstammen. Indes muß ich um so eher als Verfasser er-scheinen, als sie mich unmittelbar darauf auch nochzitiert: »Licinius' Soldaten heißen schlicht ›Schläch-

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4.057 Deschner Bd. 5*, 12Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

ter‹« (150). (Nebenbei: also plötzlich doch Licinius!Und nicht Konstantin, wie sie mir zwei Zeilen vorheruntergeschoben hatte!)

Soldaten sind Schlächter bei mir: Wie unseriös!Die Professorin für Hilfswissenschaften der Alter-tumskunde etc. schaudert's. Schlachterfahren,Schlachtenlenker, Schlachtenglück, Schlachtenruhm,Schlachtentod, das darf man sagen und schreiben, esklingt gut, ist aller Ehren wert, wie die Schlachtselbst! Doch Schlächter ist schlicht unfein.

Mit »hämischer Schärfe« (150) – so wird mir vor-geworfen – kommentiere ich dann die Alleinherrschaftdessen, den sogar sie des »Byzantinismus« zeiht. »Erzwingt die Kirche unter seine Fuchtel; diese wiederumbeugt sich Deschner zufolge gerne und opportuni-stisch, um zu Geld und Macht zu kommen.« Das abersei nur »eine bestimmte klar abgrenzbare Gruppe amHofe ...«

Nein. Denn die Kirche gelangte durch Konstantin(und seine nächsten Nachfolger) als ganze zu eminen-tem Einfluß, zu Prestige, was unbestritten ist. Überallim Reich jubelten dem Diktator die Bischöfe zu. Er-gossen sich seine Gunstbezeigungen doch über dieHierarchen auch ferner Länder, ja kamen dem katholi-schen Klerus, der nun anerkannten, privilegiertenKaste, insgesamt zugute durch Geld, Ehren, Titel,durch Basiliken und andere Bauten, durch Auflagen-,

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Steuererlaß, Befreiung von Eidesleistung, Zeugnisab-gabe, durch die Erlaubnis zur Benutzung der Staats-post, durch das Recht, letztwillige Verfügungen, Ver-mächtnisse anzunehmen, ja, der Herrscher trat – wieso viele künftige noch! – den Prälaten staatlicheMacht ab, und er entschied freilich auch Fragen desGlaubens. Nicht wenige Oberhirten ahmten an ihrenAmtssitzen schon das Gepräge und Zeremoniell derKaiserresidenz nach. Immer wieder heißt es in denQuellen, »er machte sie geehrt und beneidenswert inaller Augen«, »verschaffte ihnen durch seine Befehleund Gesetze noch mehr Ansehen«, »öffnete mit kai-serlicher Großherzigkeit alle Schatzkammern ...« Undso preisen Konstantin – der sich nicht nur Mit-Bi-schof, »Bischof für die äußeren Belange« (epískopostōn ektós), sondern, bescheiden, »Unsere Gottheit«(nostrum numen) nannte – bald noch und gerade diegrößten Kirchenlichter, Ambrosius, Chrysostomos,Hieronymus, Kyrill von Alexandrien.

Meine Kritikerin aber tadelt, daß »andere in Oppo-sition gehen, wird nicht gesagt« – weil nicht relevant;der ungleich bedeutendere Widerstand der Schismati-ker und Häretiker wird seitenlang erörtert. Washilft's! »Daß die Kirchengeschichtsschreibung alserste ihrem Helden den Beinamen eines ›Großen‹ ge-geben hat, ist wieder falsch: Es war der Athener Pra-xagoras ...« (150). Was heißt hier »wieder« falsch?

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Und was heißt da »falsch«? Steht bei mir doch kor-rekt: »die Kirchengeschichte gibt Konstantin den Bei-namen ›der Große‹«. Um dies freilich erst falsch zumachen, um mich eines weiteren »Fehlerchens« über-führen zu können, schmuggelt Frau Professor R.-Al-földi ebenso unauffällig wie infam die beiden Wört-chen »als erste« ein, die bei mir fehlen!

Nun spricht nicht alles für mich, was bei mir fehlt:»Offenbar fehlende Forschungstechnik« zum Beispiel,die mir der Herausgeber nachsagt. Frau R.-Alföldi hatsicher jede Menge »Forschungstechnik«. Nicht zuletztdeshalb mißfällt ihr auch meine Polemik. Und beson-ders polemisch findet sie mich gegenüber Kirche, Mi-litär und Krieg. Indes weder polemisch noch populi-stisch, nein, fachlich elegant hebt sie an: »Er sieht indieser Form des Mittragens des Staates schlicht denVerrat an Christus selbst. Seine Tendenziösität gipfeltin der eigens herausgehobenen Wendung: ›Genau diesaber, die Größe des Wütens, die das Verbrechen straf-los macht, wurde die Moral der Kirche und blieb es‹«(150 f.).

Nun ist die stets obszöne Liaison von Thron undAltar, zumal in ungezählten Gemetzeln vom 4. Jahr-hundert bis heute, ja nicht ein Produkt meiner »Ten-denziösität« (149), sondern grauenhaft genug. Dochwie bei sehr vielen Konformisten vom Fach fließtauch bei ihr kaum Blut, in Wahrheit: kein Tropfen,

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während sie mir, so scheint's, mit allem Abscheu zu-ruft: »die Schlachten triefen von Blut« (149) – alswürde ich es vergießen!

Dagegen ignoriert sie, zweifellos mit dem Gros derHistoriker-Zunft, die geschichtsnotorische Perversität,die Epoche um Epoche moralisch ad absurdum führt,ethisch gänzlich diskreditiert: die überaus peinlichePraxis, kleine Gangster hängen, große glorifizieren zulassen. Nichts spezifisch Christliches, gewiß. Schonder afrikanische Bischof, Märtyrer und Heilige Cyp-rian geißelt dies am Heidentum. Werde Blut im ein-zelnen vergossen, klagt er, nenne man es Untat, wennöffentlich, Tapferkeit. »Die Größe des Wütens ist es,die das Verbrechen straflos macht ...« (251 f.).

Meine »Tendenziösität«, so Maria R.-Alföldi, gip-fele in dieser Wendung, wobei sie völlig verschweigt,daß sie vom hl. Cyprian stammt! Ich dagegen werde,heißt es gleich danach, »immer undifferenzierter undgefühliger ...« (151). Denn während sie, nur in einemNebensatz, forschungskühl, summarisch vom »tragi-schen Ende« der Konstantin-Verwandten spricht,zähle ich offenbar »immer undifferenzierter und ge-fühliger« auf, daß der große Heilige und heiligeGroße seinen Schwiegervater Kaiser Maximian 310in Marseille erhängen, dann seine Schwäger Liciniusund Bassianus erwürgen, den Sohn des Licinius, Lici-nianus, in Karthago totschlagen, seinen eigenen Sohn

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4.061 Deschner Bd. 5*, 14Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Krispus vergiften (dazu auch zahlreiche Freunde mas-sakrieren) und seine Gattin Fausta, Mutter von fünfKindern, im Bad ersticken ließ – indes er selber ande-re Verwandtenmörder durch das längst abgeschafftefürchterliche Säcken (poena cullei, besonders langsa-mes Ersäufen in einem Ledersack) zur Hölle schickte.

Nicht genug des immer Gefühligeren: ich untersu-che auch »die Veränderungen in der Strafgesetzge-bung«, bemängelt die Professorin indigniert, »stetsmit negativem Vorzeichen« (151). Und ist damit wie-der unwahrhaftig, falls sie meine Arbeit nicht bloßüberflogen und einfach geschlampt hat. Denn ichräume – durchaus nicht stets negativ – sehr wohl ein,daß die Rechtsentwicklung »oft humanisierendenTendenzen des älteren (heidnischen) Rechts oder der(heidnischen) Philosophie folgte, sie manchmal, zuge-geben, unter christlichem Einfluß verstärkte«. Undbetone vom ersten christlichen Kaiser überdies,»gewiß hat auch Konstantin manche Strafbestimmunggemildert, vielleicht sogar, im einzelnen oft schwer zuermitteln, unter christlichem Einfluß. So wurde dieeinseitige Ehescheidung erschwert (nicht abge-schafft!), der Schuldner besser vor seinen Gläubigerngeschützt, die Todesstrafe durch Kreuzigung undBeinbrechen (320 gesetzlich noch bezeugt) durch Er-drosseln am Galgen ersetzt. Auch verbot Konstantindas Brandmarken im Gesicht (der zu Gladiatoren-

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4.062 Deschner Bd. 5*, 15Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

kampf und Bergwerksarbeiten Verurteilten), ›weil derMensch nach dem Ebenbilde Gottes geschaffenist ...‹« – wobei ich nicht den Nachsatz verbergenwill: »und man ja auch Hände und Waden brandmar-ken könne!« So steht es bei mir auf Seite 266.

Die Kritikerin aber macht nicht einmal den Ver-such, das von mir »stets« negativ Behandelte richtig-zustellen, ihre Rüge zu begründen. Denn natürlichpaßt es gar nicht in ihr apologetisches Konzept, daßder von Theologen und Historikern bis heute hoch ge-feierte Despot (der »unter dem Einfluß christlicherVorstellungen«, wie ihm das Handbuch der Kirchen-geschichte nachrühmt, »eine steigende Achtung vorder Würde der menschlichen Person« bekunde, die»christliche Achtung vor dem Menschenleben«: Ka-tholik Baus), daß dieser heilige Halsabschneider zumBeispiel Denunzianten vor ihrer Hinrichtung noch dieZunge herausreißen, daß er bei Brautraub noch dasbeteiligte Hauspersonal töten, Sklaven verbrennen,Ammen durch flüssiges Blei in den Mund sterbenließ; daß er überhaupt jeden Sklaven und Domesti-ken, der seinen Herrn nur anklagte (ausgenommen,bezeichnenderweise, Fälle von Ehebruch, Hochverratund Steuerbetrug!) ohne Untersuchung oder Zulas-sung von Zeugen sofort zu töten befahl; daß er, selberder Astrologie ergeben, selber gesetzlich Heil-, Wet-terzauber, Sympathiekuren erlaubend, schon das

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4.063 Deschner Bd. 5*, 16Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

bloße Verabreichen von »Liebesbechern« mit Exilund Güterkonfiskation, bei Todesfolge aber mit Zer-reißen durch Raubzeug oder Kreuzigung bestrafte.

Zu alldem und mehr kein Wort der Konstantinex-pertin. Vielmehr fährt sie unmittelbar nach derFalschmeldung, ich bespräche die konstantinischeStrafgesetzgebung stets negativ, fort, ich zeihe »denKaiser sogar des Antisemitismus«, und dies »trotz derbekannten Tatsache, daß die Juden zu jener Zeit ihrenGlauben noch frei ausüben können« (151).

Als widerspreche die freie Glaubensausübung derJuden dem Antisemitismus des Kaisers – eines Herr-schers, der die Juden geistig blind schimpft, ein »ver-haßtes Volk«, dem er »angeborenen Wahnsinn« atte-stiert; der ihnen das Betreten Jerusalems nur an einemTag im Jahr gestattet, ihnen die christliche Sklaven-haltung ganz untersagt, womit ihre folgenschwereVerdrängung aus der Landwirtschaft beginnt; ja, des-sen erstes judenfeindliches Gesetz aus dem Herbst315 für Bekehrung zum Judentum dem bekehrendenJuden und dem bekehrten Christen bereits mit Ver-brennung droht!

Daß ich Konstantins Zurückhaltung gegenüber denHeiden nur »zögerlich« einräume (151), trifft eben-falls nicht zu. Gegenüber den Heiden, konzediere ichauf Seite 278, wahre der Regent »zunächst deutlichReserve«. Ich hebe seine lebenslange Stellung als

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4.064 Deschner Bd. 5*, 16Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Pontifex maximus hervor, als Präsident des heidni-schen Priesterkollegiums, betone, daß sein Oberponti-fikat, der die Verbundenheit mit der paganen Religionbezeugt, in den offiziellen Texten immer an der Spitzeseiner Ämter stand u.a.

Dagegen verschweigt die Kennerin des Kaisers,daß ihr Heros mit wachsender Macht und Bewe-gungsfreiheit stets rigoroser auch die Heiden attak-kierte, am deutlichsten in seinen letzten Regierungs-jahren, wenn es auch nicht in seinem Interesse lag, diegroße Mehrheit des Reiches frontal anzugehn. Immer-hin, er verbot die Wiederherstellung baufälliger Tem-pel, befahl auch bereits das Schließen von Tempeln.In allen Provinzen wurden sie außerdem für ihn, seineGünstlinge, für die Kirchen bestohlen, »rücksichtslosausgeplündert« (Tinnefeld), ja es kam zu einem»Kunstraub noch nie dagewesener Art« (Kornemann).Und dann verfügte Konstantin auch schon ihre Ver-nichtung; »er zerstörte von Grund aus gerade diejeni-gen, die bei den Götzendienern in höchster Ehre stan-den«. »Auf einen Wink«, triumphiert Bischof Euseb,lagen ganze Tempel »am Boden«. Nicht zuletzt ließder Potentat die fünfzehn Bücher des PorphyriosGegen die Christen verbrennen, womit dieser der»gesamten Bibelkritik der Neuzeit« vorgreift (Poul-sen) und »auch heute«, so der Theologe Harnack,»nicht widerlegt« ist.

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4.065 Deschner Bd. 5*, 17Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Von alldem verlautet bei Maria R.-Alföldi wiederabsolut nichts. Hingegen vermerkt sie die »nicht zuleugnende Zurückhaltung Konstantins gegenüber denHeiden«, die ich angeblich nur »zögerlich« zugebe,und tischt gleich die weitere Unwahrheit auf, von mirwerde »wieder kaum gesehen«, daß seine »Strenge«gegen Häretiker aus dem Wunsch resultiere, »den in-neren Frieden zu sichern« (151).

Denn in Wirklichkeit, so steht bei mir auf Seite277 f., ging der Kampf des Kaisers gegen die »Ket-zer« weniger um Religion »als um die Einheit derKirche ... und damit um die Einheit des Reiches ... zurStärkung des Staates erstrebte der Herrscher die Ein-heit der Kirche, haßte er den ›Brand der Zwietracht‹«.Ich mache deutlich, daß Konstantin, wie er selbstsagt, »unter allen Dienern Gottes Einigkeit« wünsch-te, auf daß auch der Staat »von deren Früchten genie-ßen könnte«; ich unterstreiche, daß der Regent des-halb »staatliche Einheit suchte wie nichts sonst«, daßer in Briefen an Bischöfe, Synoden, Gemeinden »un-ermüdlich die Einigkeit, Concordia« beschwor, »Frie-den und Einklang«, »Zusammenklang und Einheit«,daß er immer wieder »eine einheitliche Ordnung« po-stulierte, immer wieder forderte, daß bei »der katholi-schen Kirche ein einziger Glaube«, »daß die allgemei-ne Kirche eine sei« – und bekomme nachgesagt, dieswerde »wieder kaum gesehen ...«

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4.066 Deschner Bd. 5*, 18Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Dagegen konkretisiert die Autorin die knapp ge-streifte kaiserliche »Strenge« gegenüber Häretikernwieder nicht im geringsten. Der erste christliche Im-perator im Kampf gegen Christen, das paßt nicht gutins Bild. Kein Wort also dazu, daß Konstantin ineinem scharfen »Ketzer«-Edikt (falls es BischofEuseb, der Überlieferer, nicht gefälscht hat) alle Häre-tiker »Lügen« zeiht, der »Torheit«, sie »Feinde derWahrheit« schimpft, »Verführer zum Untergang«;daß er jahrelang die afrikanischen Donatisten be-kriegt, ihnen die Kirchen wegnimmt, das Vermögen,daß er Soldaten gegen sie schickt, wobei es, noch eheman die Heiden massakriert, zur ersten, im Namender Kirche geführten Christenverfolgung kommt, zumSturm auf Basiliken, zur Ermordung von Männern,Frauen, zur Tötung von zwei donatistischen Bischö-fen, zu einem blutigen Bauernkrieg auch, da sich dieVerfolgten mit den schwer drangsalierten Landskla-ven verbinden. Und ebenfalls nichts natürlich über dieBekämpfung der markionitischen Kirche, die viel-leicht größer, jedenfalls älter war als die katholische.Er verbot ihre Gottesdienste, konfiszierte ihre Grund-stücke, zerstörte ihre Bethäuser. So kann die Exper-tin, alles Abträgliche im einzelnen weitgehend aus-sparend, zuletzt nicht nur einem vieltausendfachenMörder, sondern auch einem unumschränkten Auto-kraten, dem ersten Kaiser, der seinen persönlichen

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4.067 Deschner Bd. 5*, 18Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Willen als »unmittelbare Rechtsquelle« (Schwartz)aufstellte, das Attribut »der Große ... nicht ohneGrund« zuerkennen (159).

Alles Bisherige betraf bloß etwas mehr als zwei Sei-ten Text der Historikerin.

Nun offeriert sie im Kleindruck einige »besondersstörende Fehler und Entstellungen«. Doch da sieschon im Großdruck wenig, vor allem wenig Wesent-liches zu sagen wußte, vielerlei Unrichtiges aber,Richtigstellungen, die Falschstellungen waren, euphe-mistische Verdrehungen, unredliche Suggestionen,Unterschlagungen, vom Entscheidenden – typisch fürden nach der Kirchen- oder Staatsmacht schielendenGeschichtsdarsteller – meist Ablenkendes, ahnt manwohl, welche Bedeutsamkeiten sie im Kleindruck bie-tet.

Ich will damit nicht langweilen. Doch pars pro totoein paar Beispiele (von insgesamt zehn).

Da werde der Name eines Senators der Konstantin-zeit »stets ›Anylinus‹ geschrieben« (152.). Nun, derName kommt zweimal vor. Wieso also »stets«? Unddie Schreibung »Anylinus« ist durchaus nicht falsch.Denn so schreibt u.a. stets auch der »Vater der Kir-chengeschichte«, Bischof Euseb. Und selbstverständ-lich kann man ungezählte Namen griechisch oder la-teinisch schreiben, ohne im geringsten einen Lapsus

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4.068 Deschner Bd. 5*, 19Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

zu begehen. Sie aber behauptet: »er heißt in Wirklich-keit Annulinus ...«

Zu Seite 223 notiert sie »›Doch noch in seinen letz-ten Lebensjahren läßt Konstantin sich in einer Por-phyrstatue wie Helios abbilden (....)‹ – was beiDeschner für seine eminente Falschheit steht« (152).Davon aber ist in meinem Kontext überhaupt nichtdie Rede. Denn es geht hier gar nicht um den Kaiser,sondern um die Kirchenväter, die dessen Sieg überMaxentius mit Hilfe einander widersprechender Le-gendenlügen zu einem Sieg des Christentums überdas Heidentum machen und damit eine bis in den Er-sten und Zweiten Weltkrieg fatal fortwirkende poli-tisch-militante »Religiosität«, die »Kaisertheologie«,begründen. Demgegenüber, berichte ich auf Seite223, erscheint auf Konstantins Münzen noch langeJuppiter Conservator, auch Mars, am längsten jedochder unbesiegte Sonnengott, Sol Invictus. Dann folgtder von ihr gebrachte Satz, und ich zitiere den Ab-schnitt zu Ende: »Doch noch in seinen letzten Lebens-jahren läßt Konstantin sich in einer Porphyrstatue wieHelios abbilden, ja, noch einen Tag vor seinem Todschärft ein Gesetz ein, ›daß die heidnischen Priesterfür immer von allen niederen Lasten frei sein sollen‹.Wie er denn selber der Meinung war, den Gott, zudem er betete, nie gewechselt zu haben.«

Wo hätte ich hier Konstantins »eminente Falsch-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.069 Deschner Bd. 5*, 19Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

heit« auch nur angedeutet? Die Forscherin erfindet es.Auf derselben Seite (152) greift sie meine Bemer-

kung auf und an, der Kopf des Licinius erscheine zu-nächst, »wie der Konstantins, auf Münzen mit einem›nimbus‹, einem Heiligenschein: Symbol ihrer innerengöttlichen Erleuchtung« (233).

Worum geht es? Solange Konstantin den Liciniuszur Vernichtung seiner Gegner braucht, loben undpreisen die Kirchenväter auch den Licinius. Sobaldaber Konstantin sich gegen Licinius wendet, verteu-feln die krassen Opportunisten den bisher »Gottge-liebten« und krempeln ihn zu einem Scheusal ohne-gleichen um; nun plötzlich ist er grausam und ver-rückt! Alles, was der Kritikerin dazu einfällt: »DieGleichsetzung von Nimbus und Heiligenscheinstimmt für die Spätantike nicht« (152). Sie lenkt vomWesentlichen ab. Sie geht auch hier wieder auf meinegrößeren und großen Anschuldigungen, auf die ei-gentliche Sache, gar nicht ein und präsentiert stattdes-sen irgendwelche Nebensächlichkeiten wie »stimmtfür die Spätantike nicht ...« Als ob das mein Themawäre! Doch trifft der Einwand überhaupt für sich ge-nommen? Denn was heißt hier Spätantike? Wie langedauert sie? Bis 313? Bis 375? Bis 476? Oder bisgegen die Mitte des 7. Jahrhunderts? Darüber gibt eskeine communis opinio. Und jeder weiß, solchemEpocheneinteilen, zeitlichem Abgrenzen, Zuordnen

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4.070 Deschner Bd. 5*, 20Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

haftet immer etwas Willkürliches an – stets nurscheinbare, weil in Wirklichkeit Ungewisse Fixpunk-te.

Fest steht dagegen, daß der Nimbus, der in Formeiner verhüllenden oder leuchtenden Wolke göttlicheErscheinungen signalisiert, sich bereits bei Homerzeigt, daß er Götter, Heroen, Könige auszeichnet,Venus etwa, Neptun, Mithras, Alexander, schließlich,im 4. Jahrhundert, von Konstantin auf Christus über-tragen wird und seit dem beginnenden 5. Jahrhundertregelmäßig und allgemein bei Engeln, Aposteln, Hei-ligen vorkommt. (Findige katholische Theologen ent-decken den nimbus, die gloria, den Heiligenscheinschon im Neuen Testament!) Wie auch immer: die in-kriminierte »Gleichsetzung von Nimbus und Heili-genschein« spielt erstens in meinem Textzusammen-hang keine Rolle, zweitens ist sie sachlich richtig, unddrittens stimmt sie auch zeitlich für die Spätantike.

Zu meiner Seite 243 f. passim merkt Maria R.-Al-földi an, »divus« werde »als Titel der Kaiser apostro-phiert, sacer und sanctus im kaiserlichen Umfeld alshöchste Anmaßung gescholten« (153). Aber bei mirheißt es erstens klar, daß »man Konstantin nichtmehr, wie noch Diokletian samt Mitregenten, Divusnennen« durfte; und zweitens werden die Terminisacer und sanctus von mir nirgends gescholten,weder als höchste Anmaßung noch überhaupt.

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4.071 Deschner Bd. 5*, 21Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Ein letztes Beispiel für das kritische IngeniumMaria R.-Alföldis aus ihrem kleingedruckten Ein-schub über »besonders störende Fehler und Einstel-lungen« (151). Sie zitiert mich: »Auf Münzen aus denPrägestätten seiner christlichen Söhne fährt er zumHimmel auf, wie schon sein Vater«, und findet hier»einmal mehr, wie wenig sich Deschner unter Kon-trolle halten kann, wenn er seine Kritik formuliert: Esist ihm offenbar unbekannt geblieben, wie gerade aufMünzen die klassisch-heidnische consecratio mitdem aus dem brennenden Scheiterhaufen aufsteigen-den Adler von Constantius Chlorus überliefert ist«(153).

Danach fehlt mir also nicht nur die »Forschungs-technik«, nein, es fehlt mir auch an Wissen. Dessenbin ich mir übrigens selbst sehr bewußt. Wem fehltees nicht an Wissen? Keinesfalls »offenbar unbekannt«aber blieb mir, womit sie meine vermeintliche Wis-senslücke stopft. Zitiert sie mich ja selbst, Konstantinfuhr »zum Himmel auf, wie schon sein Vater ...« Undvor fast vierzig Jahren bereits, in Abermals krähteder Hahn, nachzulesen, waren mir zahlreiche weitereHimmelfahrten heidnischer und jüdischer Herrschaf-ten bekannt, die von Kybele, Herakles, Attis, Mithras,von Caesar und Homer, von Henoch, Moses, Elias ...Freilich: »Das ›Himmelfahrt‹ zu nennen, ist zumin-dest mißverständlich« (153). Doch warum denn? Soll

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4.072 Deschner Bd. 5*, 21Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

etwa nur Herr Jesus ganz wirklich und wahrhaftigaufgefahren sein?

Maria R.-Alföldi, die es schon »schwer« fand, »auchannähernd den Inhalt« meines Konstantin-Kapitelsanzugeben, hatte, wie sie eingangs ihres II. Textteilsbekennt, bereits Probleme beim Lesen der »als Mottovorangestellten Zitate«; war ihr die Auswahl dochwieder »nicht eben einsichtig«, zugleich aber »cha-rakteristischer noch als die eben angedeuteten Einzel-heiten«, nämlich: »Tendenz und Stimmungsmachealso schon als Auftakt« (153 f.). Doch tendenziös istjede Geschichtsschreibung, ausnahmslos; die ehrlichegibt es zu! Denn jede hat eine gewisse Neigung, Rich-tung, jede tritt für oder gegen etwas ein, »stimmt«also für oder gegen etwas. Jeder Historiker ist selbst-verständlich vorgeprägt, gebunden, subjektiv. Jederhat seine Determinanten, Prämissen, Prädilektionen;jeder seine Wertesysteme, Hypothesen, Auswahlme-chanismen, Projektionen, Egoismen, seine Deutungs-muster und Typisierungen, seine Interpretationsmo-delle. Jeder beleuchtet, erforscht, erklärt die Welt unddie Geschichte im Sinne seiner Weltanschauung. Undam gefährlichsten allemal: wer dies leugnet, wer un-parteiisch tut, Wertneutralität vortäuscht, wissen-schaftstheoretische Unschuld, kurz, wer Objektivitätmimt, die es vermutlich nicht gibt, am wenigsten

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4.073 Deschner Bd. 5*, 22Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

wohl in der Theologie und in der Geschichtsschrei-bung (man lese dazu meine »Einleitung zum Gesamt-werk« im Ersten Band, Seite 37 ff.). »Objektiv«, sagtJohann Gustav Droysen, »ist nur der Gedankenlose!«

Es geht um sechs Zitate. Das erste, von Augustin,preist in aller Kürze Konstantins Kriege und Siege;das zweite, von Kirchenhistoriker Bischof Euseb, be-jubelt des Herrschers Ausrottung aller Arten von»Götzendiensten«. In drei weiteren Zitaten von Theo-logen aus dem späteren 20. Jahrhundert ist der ersteChristenkaiser für Peter Stockmeier ein »leuchtendesVorbild«, für Kurt Aland »Christ, und zwar Christdem Herzen, nicht nur der äußeren Handlung nach«.Und Karl Baus nennt seine Seelenhaltung »die eineswirklichen Gläubigen«. Den Beschluß bildet ein TextPercy Bysshe Shelleys, »des frühvollendeten großarti-gen Lyrikers vom Anfang des 19. Jhs., der für Desch-ner offenbar das einzig Wahre gesagt hat« (154):»...dieses Ungeheuer Konstantin ... dieser kaltblütigeund scheinheilige Rohling durchschnitt seinem Sohndie Kehle, erdrosselte seine Frau, ermordete seinenSchwiegervater und seinen Schwager und unterhieltan seinem Hofe eine Clique blutdürstiger und bigotterchristlicher Priester, von denen ein einziger genügthätte, die eine Hälfte der Menschheit zur Abschlach-tung der anderen aufzureizen.«

Nun ist Shelleys Statement für mich keinesfallsKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.074 Deschner Bd. 5*, 23Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

»das einzig Wahre«. Wohl aber kommt diese Sichtder Dinge dem Geschehenen sicher näher als die dervor ihm zitierten antiken und modernen Pfaffen.

Bevor ich gleich zum III. und letzten Hauptteil derAlföldi-Kritik übergehe, noch einige Vorwürfe ausihrer Nummer II.

Zum Beispiel belehrt sie mich über Termini techni-ci, die ich schon vor Jahrzehnten bei der Darstellungdes Herrscherkultes und seiner Beeinflussung desNeuen Testaments beschrieb, und suggeriert – ein sobeliebter wie plumper Trick –, ein »Spötteln« überTitel wie »Heiland und Wohltäter« renne offeneTüren ein; es »lohnt sich nicht«. Als wüßte nicht auchsie: das Gros der Gläubigen hat von diesen (und hun-dert anderen) religionshistorischen Hintergründen, hatvon der Tatsache, daß nichts im Christentum ur-sprünglich ist – vom Weihnachtsfest zur Himmelfahrtlauter Plagiate –, noch heute keine Ahnung. Davonleben ja die Kirchen! Im übrigen erschöpft sich mein»Spötteln« in dem Satz – von mir angeblich »eigenshöhnisch hervorgehoben« –: »Der ›Heiland undWohltäter‹ hatte den Entscheidungskampf mit reli-gionspolitischen Aktionen vorbereitet ...«

Sie hat nichts Entscheidendes vorzubringen, alsokann sie immer wieder nur andeutend, weil unbegrün-det, sticheln, muß sie verzerrend übertreiben, glatt un-terschlagen oder einfach unwahrhaftig sein. Doch

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zeigt die mir häufig zugedachte, nicht nur in Anbe-tracht des zur Debatte Stehenden geradezu lächerlicheSchulmeistern mehr als vieles, wie wenig stichhaltigdies alles ist. Etwa wenn sie (S. 154 f.) moniert, derGebrauch moderner, der Antike unbekannter Aus-drücke wie »Aggressor« (sic) und »Angriffskrieg« seinicht »sachgerecht« und führe den Leser »in die Irre«.Doch wie viele neuere Historiker verwenden neue Vo-kabeln für alte Epochen; in meinem Konstantin-Kapi-tel zitiere ich Altmeister Otto Seeck mit dem Wort»Angriffskrieg«.

Aus eklatantem Mangel an handfesten Einwändenbemäkelt sie sogar, bei mir seien »Aufsätze vergli-chen mit den Monographien relativ unterrepräsen-tiert« (155). Nun, das genügt doch. Auch hier gibt eskeine Norm. Zwar wird gewiß »gerade in Aufsatzformsehr viel Neues geschrieben«; viel zuviel. Doch »sehrviel Neues« muß ja nicht, worauf es mir ankommt,schon sehr viel Gutes sein. Und nach dem Guten frageich bestimmt nicht sie.

»Unkenntnis« kreidet mir Frau R.-Alföldi auchüber die stammesmäßige Zusammensetzung der Fran-ken an.

Der junge Kaiser Konstantin, schreibe ich auf Seite217, habe als Herr über Britannien und Gallien dieFranken besiegt und darauf »deren Könige Ascaricusund Merogaisus zur allgemeinen Augenweide von

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4.076 Deschner Bd. 5*, 24Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

hungrigen Bären zerfleischen« lassen. Etwas späterergänze ich, diese »fränkischen« Könige seien mögli-cherweise Brukterer oder Tubanten gewesen. Diesaber, kontert sie, offenbare nicht, »wie vielleicht be-absichtigt, Gelehrsamkeit und Wissen, sondern dieUnkenntnis der historischen Tatsache, daß ›die Fran-ken‹ ein Stammesverband sind, in denen [sic] sehrwohl auch die Brukterer und die Tubanten ihren Platzhaben« (156)

Doch schließt mein Text das aus? »Möglicherwei-se«, sage ich, waren die beiden Könige der Franken»in Wirklichkeit Brukterer oder Tubanten«. Konstan-tin hatte seinerzeit den germanischen Stamm der»bructeri« am Rhein besiegt. Es gab aber auch »Bo-ruktuarier«, wie Beda berichtet, die erst sehr viel spä-ter, gegen Ende des 7. Jahrhunderts, zwischen Lippeund Ruhr unter sächsische Herrschaft kamen. AlsMissionsbischof Suitbert (gest. 713) diese westfä-lischen Brukterer zu »bekehren« suchte, mußte er vorden Sachsen fliehen. Somit gingen die Brukterer zu-nächst keinesfalls (ganz) in den Franken auf. Und ge-hörte auch zur Zeit Konstantins ein Teil jener zu die-sen, waren sie doch Brukterer – so wie die Sachsenauch unter den Franken Sachsen blieben.

Ich zitiere nie sinnwidrig. Und führe ich Zitate an,so geschieht es mit aller Sorgfalt. Natürlich zitiere ichregelmäßig aus dem »Zusammenhang gerissen«

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(154); das habe ich mit allen Zitierenden der Welt ge-mein. Erstaunlich aber die Verleumdung, ich böte»Zitate aus antiker und moderner (Fach-)Literaturmeist verstümmelt« (154). Dies wäre, selbst wenn ichnicht auf der besonders infamen Vokabel »meist« in-sistiere, durch eine Fülle von Belegen zu untermauerngewesen. Wo sind sie?

Einen Treffer freilich kann Maria R.-Alföldi wirk-lich verbuchen (156): meine Verwechslung der Late-ranbasilika mit der Basilika am Forum Romanum.Triumph!

Ich fasse meine Darstellung des Kaisers zusammen,beziehe auch bereits Erörtertes, das mir besonderstriftig scheint, ein und konfrontiere damit abschlie-ßend, ebenfalls nur kurz, das von der Kritikerin skiz-zierte »Gegenbild Konstantins«.

Konstantin I. hat um seiner Karriere willen die Re-ligion seines Vaters Konstantius Chlorus, eines ein-stigen kaiserlichen Leibwächters, gefälscht, hat illegalzum Kaiser sich erheben und in einer Machtsucht oh-negleichen das diokletianische System der Tetrarchiezerschlagen, drei Mitkaiser ermorden lassen. Kon-stantin führte sein Leben lang Krieg. Er ist aggressiv»von Anfang an« (Stallknecht); vor Augen stets »nurdieses Ziel einer größeren Herrschaft« (Vogt); dabeiimmer wieder »furchtbare Härte« (Kornemann) prak-

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tizierend: 306 gegen die Brukterer, 310 gegen dieBrukterer, 312 gegen Mitkaiser Maxentius, 313gegen die Franken, 314 gegen die Sarmaten, 315gegen die Goten, ungefähr um diese Zeit auch gegenMitkaiser Licinius, wobei Konstantin mehr als 20000seiner Feinde vernichtet haben soll. 320 gegen dieAlemannen, 322 gegen die Sarmaten, 323 gegen dieGoten, wobei er jeden, der ihnen beisteht, lebendig zuverbrennen befiehlt. 324 gegen Mitkaiser Licinius,ein »Religionskrieg«, vor dem Konstantin, der schonmit Feldbischöfen ausrückt, »heilig und rein«, mitseiner Soldateska betet und schließlich 40000 Lei-chen das Schlachtfeld bedecken; 130 Schiffe und5000 Matrosen versinken vor der Steilküste bei Kalli-polis.

Dem Licinius verspricht Konstantin eidlich dasLeben und läßt ihn ein Jahr später erwürgen, auchviele seiner prominenten Parteigänger in allen Städtendes Ostens liquidieren. »Diesem großen Vorbildnachzueifern bemühte sich jeder christliche Kaiser«,versichert der katholische Theologe Stockmeier; »be-liebig ließ sich darauf verweisen, um ein Ideal [!] vordie Augen der Fürsten zu stellen«. Ja, er wurde zur»Idealfigur ... christlichen Herrschertums überhaupt«(Löwe).

All dies, hier nur aufgezählt, spiegelt sich beiR.-Alföldi (148) in dem Satz: »Er behauptet sich zu-

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4.079 Deschner Bd. 5*, 26Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

nächst, gewinnt dann Schritt für Schritt die Gebieteseiner Mitregenten hinzu, um schließlich 324 dasganze römische Reich unter seinem Zepter zu verei-nen.« So gesehen wird Geschichte gewiß eine saube-re, aseptische Sache. Blut fließt da kaum, selbst wennsie noch hinzusetzt: »Er muß wiederholt an den Gren-zen kämpfen, um das Reichsgebiet zu sichern«.

328 zieht Konstantin gegen die Goten, 329 gegendie Alemannen, 332 gegen die Goten, deren Verluste,auch durch Hunger und Frost, auf hunderttausend be-rechnet worden sind. Und noch in seinem Todesjahr337 wollte der »Schöpfer des christlichen Weltrei-ches« (Dölger) mit vielen Militärbischöfen zu einemKreuzzug gegen die Perser ausrücken.

Von alldem aber, womit Konstantin das christlicheAbendland begründete, was Konstantin ja erst – wiemutatis mutandis dann Karl I. – zu »dem Großen«macht, steht bei Maria R.-Alföldi sehr wenig, unddies mehr zwangsläufig in der Polemik gegen mich.Auch von der persönlichen Grausamkeit des Kaisers,für den Menschenleben »keinen Wert« hatten (Seeck),von den durch ihn initiierten »Fränkischen Spielen«(14.–20. Juli), von den »ludi Gothici« (4.–9. Febru-ar), wobei er Gefangene massenweise in der Arenawilden Tieren vorwerfen ließ, findet sich schlechthinnichts; ähnlich von der Meuchelung seiner nächstenVerwandten. Wahrscheinlich gilt diesem brutalen

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4.080 Deschner Bd. 5*, 27Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Hinmorden (das sein Sohn Konstantius II. noch imTodesjahr seines Vaters fortsetzt, wie überhaupt Ver-wandtenmassaker in christlichen Dynastien die Regelbleiben), wahrscheinlich gilt diesem schlimmen We-senszug des heiligen Großen Maria R.-Alföldis da-menhafter Satz, der grotesker kaum sein könnte: »Erscheint sogar zu Jähzorn zu neigen« (158).

Die vom christlichen Idealfürsten Konstantin ge-wünschte Beibehaltung der Folter auch vor Gericht –»und die dafür vorgesehenen Methoden waren grau-sam« (Grant) – wird von der »international angesehe-nen Konstantinforscherin« (148) mit keinem Wort er-wähnt. Ebenso die jämmerliche Sklavenschinderei.Wann immer Sklaven durch Schläge ihrer Herrensterben, verfügt Konstantin am 18. April 326, so sinddie Totschläger »von Schuld frei (culpa nudi sunt) ...mögen die Herren keine Untersuchung (quaestionem)befürchten ...« Und seine Majestät verbietet in einemweiteren Dekret sogar ausdrücklich nachzuforschen,ob absichtlich getötet wurde oder nicht! Derlei ver-schweigt die Verteidigerin des »Großen« gänzlich.Auch nahezu jedes Detail aus dem besonders wichti-gen und deshalb mit Abstand längsten Unterkapitel»Von der Kirche der Pazifisten zur Kirche der Feld-pfaffen«. Es thematisiert die fundamentale, die Catho-lica bis heute desavouierende Tatsache, daß ihreTheologen der ersten drei Jahrhunderte nirgends in

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4.081 Deschner Bd. 5*, 27Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Ost und West den Kriegsdienst erlauben; daß siesogar jede Notwehr und die Todesstrafe, das Todesur-teil ebenso wie die Hinrichtung oder auch nur die An-zeige, die dazu führt, verbieten (daß nach der Kir-chenordnung des römischen Bischofs und HeiligenHippolyt aus dem 3. Jahrhundert selbst Jäger nichtChristen sein können). Da macht Konstantin dasChristentum 313 zu einer erlaubten Religion mit einerFülle von Vorteilen zumal für die Hierarchen – undsofort liefern die bisherigen Pazifisten dem plötzlichprochristlichen Staat die Schäfchen ans Messer. Werjetzt im Krieg die Waffen wegwarf, wurde ausge-schlossen, und die Soldatenmärtyrer von einst flogenaus den Kirchenkalendern!

In diesem Zusammenhang kämpfe ich gegen alteund neue Verteidiger solch ungeheuren Verrates,unter anderem auch gegen Hans von Campenhausen –worauf Maria R.-Alföldi mit dem ihr eigenen Gespürfürs Wesentliche nichts zu sagen weiß als den Satz:»Einen Höhepunkt stellt die Zitierweise ›der freiherr-liche Theologe‹ ... dar« (156).

Und wie sieht nun ihr »Gegenbild Konstantins inwenigen Zügen skizzenhaft« (157) aus? Ich muß eshier noch einmal, wo möglich in wörtlicher Anleh-nung, verknappen: Der geschwächte Limes wird vomHerrscher wieder ausgebaut, ein effektiveres Steuersy-stem eingeführt, das Reichsgebiet zur Mehrung der

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4.082 Deschner Bd. 5*, 28Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Erträge neu durchstrukturiert, die Bürokratie gewaltigvermehrt. Berufe und Aufgaben werden – das ist nichtmein Deutsch – zwangsweise erblich gemacht, Män-gel tunlichst beseitigt, ein mächtiger Generalstab ent-steht, gegründet wird die neue Residenz Konstantino-pel an strategisch entscheidender Stelle.

Konstantin selbst hat demnach nicht zu bezweifeln-de militärische Gaben und weiß seine enormen Mög-lichkeiten als Kaiser souverän zu nutzen. Er kannmild sein, greift aber, kommt seine Position in Ge-fahr, hart durch, bleibt indes anfangs ein vorsichtigerRealpolitiker. Mit Macht versucht er die Gräben zwi-schen dem alten und dem neuen Glauben einzuebnen,bevorzugt freilich die Christen, doch handelt er auchhierbei meist vorsichtig-realistisch, wenngleich dasProblem des gerechten Krieges der Angegriffenengute Christen stark belastet. Kurz, ein unerschrocke-ner Neuerer, sein Wirken hat erstaunlich lange Be-stand und dient der Zukunft als brauchbare Basis –»auch das Christentum ist in diesem Sinne neu, esführte und führt bis heute historisch weiter« (159).

Klingt das nicht gut, nicht sehr vertraut akade-misch, wie sie, so der Herausgeber im Vorspann,»den Wissensstand zu Kaiser Konstantin zusam-men«faßt? Fließt da Blut? Krepieren da Stämme undVölker im Dreck? Nein, der Dreck staut sich bei mir!Mein »übermäßiger, mehr noch, gefühlsgeladener

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4.083 Deschner Bd. 5*, 29Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

Eifer befremdet«, wirkt »unglaubwürdig«, macht»echte Diskussionsbeiträge« unmöglich. Und so giltfür mein Unternehmen »ohne Einschränkung dasnachdenkliche Wort des französischen Dichters PaulValéry, wenn er sagt: ›Die Geschichtsschreibungstellt das gefährlichste Produkt dar, das in der Gift-küche des menschlichen Intellekts je gebrauchtwurde.‹« (Nebenbei: »wenn er sagt ...«, etwas lin-kisch, dämlich, völlig überflüssig. Nicht nebenbei:Die Professorin für Hilfswissenschaften der Alter-tumskunde liefert in einer Fußnote die Originalfas-sung des Satzes. Den Tippfehler »dangeureux« über-gehe ich. Aber von der »Giftküche des menschlichenIntellekts«, in der »je« etwas »gebraut« wurde, findetsich bei Valéry keine Silbe. Hätte ich mir irgendwoderartige Übersetzerfreiheiten herausgenommen,wären mir von der Hilfswissenschaftlerin garantiert»traduttore, traditore«, »Tendenziösität«, ja »Fäl-schung« nachgesagt worden.)

Im übrigen: von der Trefflichkeit des Valéry-Bon-mots, seiner Signifikanz, bin auch ich überzeugt, vonder Bedeutung dieses Wortes im Hinblick auf die üb-liche, von machtpolitischen Kategorien beherrschteGeschichtsschreibung, auf eine Geschichtsschreibung,die zwar stets alles kleine Gangstertum beflissen ver-teufelt, oft auch bloß vermeintliches, gar erst dazu ge-machtes, die großen Geschichtsverbrecher aber devot

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4.084 Deschner Bd. 5*, 29Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

durch die Zeiten hofiert. Fort und fort stellt diese Ge-schichtsschreibung die verderblichsten Leitbilder auf.Fort und fort korrumpieren ihre perversen, bösartigenPseudoideale die Menschheit. Fort und fort hat siederen aus zutiefst unethischem, menschenverachten-dem, aus nur machthörigem, nur erfolgsberauschtemDenken resultierendes Elend kaum weniger mitver-schuldet als die glorifizierten Bluthunde selbst. Undals das Christentum. Jenes Christentum, von dem esbei R.-Alföldi (159) im unmittelbaren Anschluß anKonstantins »Wirken« heißt: »auch das Christentumist in diesem Sinne neu«. Es klingt unziemlich zy-nisch angesichts seines damaligen ungeheuren Ver-rats, doch auch unbestreitbar wahr.

Und nichts wurde so fatal für die Völker, zumal fürdie christlichen, nichts spricht diesem Christentumselbst so vernichtend das Verdikt wie gerade das ge-rühmte Faktum, daß es »bis heute historisch weiter«führte und führt.

Folgte aber der herkömmlichen, nur die Sieger be-kränzenden, nur eine andere Art von Hagiographiepflegenden Historiographie eine herrschaftskritische,eine wirklich ethische Geschichtsbetrachtung und -be-urteilung, was wäre wünschenswerter, was den Völ-kern, diesen immer und immer wieder unterdrücktenund verheizten Völkern, nützlicher? Und so erinnereauch ich zum Schluß an ein Dichter- und Denkerwort,

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4.085 Deschner Bd. 5*, 29Wes brot ich ess' oder »Vor jeder Form von ...

an eine Sentenz des Literaturnobelpreisträgers EliasCanetti, die dem ersten Band der Kriminalgeschichtedes Christentums voransteht: »Den Historikern sinddie Kriege wie heilig, diese brechen, heilsame oderunvermeidliche Gewitter, aus der Sphäre des Überna-türlichen in den selbstverständlichen und erklärtenLauf der Welt ein. Ich hasse den Respekt der Histori-ker vor irgendwas, bloß weil es geschehen ist, ihre ge-fälschten, nachträglichen Maßstäbe, ihre Ohnmacht,die vor jeder Form von Macht auf dem Bauche liegt.«

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4.086 Deschner Bd. 5, 131. Kapitel

1. Kapitel

Kaiser Ludwig I. der Fromme

(814–840)

»Ludwigs Reich sollte ja ein Reich des Friedenssein ... Das schloß jedoch Kriege gegen die Hei-den nicht aus, sondern verlangte sie geradezu,da sie als Verbündete Satans galten.«

Heinrich Fichtenau1

»Wie verhielt sich die Kirche während dieserganzen traurigen Zeit? Es ist interessant zu be-obachten, wie es der Kirche gelingt, in dem Au-genblick die Oberhand zu gewinnen, als dieKaisermacht zu verfallen beginnt. Es ist sicher,daß die fränkischen Bischöfe dabei eine ent-scheidende Rolle spielten ... Allem Anscheinnach hielten Männer wie Agobard und Wala,Paschasius Radbert, Bernhart von Vienne undEbbo von Reims die Fäden dieser verwickeltenIntrigen in der Hand und nützten die Habgierund den Ehrgeiz der Laien in der ehrlichstenund selbstlosesten Absicht für die größere EhreGottes aus.«

H. Daniel-Rops2

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4.087 Deschner Bd. 5, 131. Kapitel

»Mit dem Reich aber ging es, da jeder von sei-nen bösen Leidenschaften getrieben, nur seinenVorteil suchte, von Tag zu Tag schlimmer.«

Nithardi historiarum3

»...und das Elend der Menschen wuchs vielfachmit jedem Tag.«

Annales Xantenses (834)4

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4.088 Deschner Bd. 5, 151. Kapitel

Karl »der Große«, der Heilige, war nicht nur auf demSchlachtfeld aktiv. Soweit bekannt, hatte er auchneunzehn Kinder gezeugt, acht Söhne, elf Töchter,und dies mit immerhin neun verschiedenen Frauen –(freilich noch eine fast bescheidene Schar angesichtsder 61 Kinder des Bischofs Heinrich von Lüttich, die-sem emsigen Arbeiter im Weinberg des Herrn, demPapst Gregor X. im 13. Jahrhundert allein »innerhalb22 Monaten 14 Söhne« attestiert).

Trotz des karolingischen Kindersegens aber gab eskeine Probleme in der Nachfolgefrage.

Für den Todesfall hatte Karl in der sogenanntenDivisio regnorum das Reich unter seine drei Söhnegeteilt. Jeder sollte dabei die Defensio sankti Petriübernehmen, den Schutz der römischen Kirche. Dochdie beiden Älteren sah der Vater völlig unerwartet insGrab sinken: Pippin 810, Karl, dem als Haupterbe of-fenbar lange Zeit die Kaiserkrone zugedacht war,schon im Jahr darauf. Es traf den Herrscher so, daß erdaran dachte, Mönch zu werden. Nur der jüngste und,wie er wußte, am wenigsten für den Thron taugliche,778 in Chasseneuil bei Poitiers geborene Ludwigblieb von seinen »legitimen« Söhnen übrig, umschließlich, bereits sechsunddreißig Jahre alt, als Kai-ser eingesetzt, dann abgesetzt, wieder eingesetzt, nocheinmal gestürzt und noch einmal zurückgeholt zu wer-

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4.089 Deschner Bd. 5, 161. Kapitel

den.Ende gut, alles gut? Nun, jedenfalls hatte der from-

me Ludwig, was ja mehr zählt als alles, schon vonkleinauf »immer Gott fürchten und lieben gelernt«,wie der eine seiner zeitgenössischen Biographen um837 überliefert, der vornehme Franke Thegan, Chor-bischof des Trierer Bistums, Propst des St. Cassius-Stifts in Bonn. Seit 781 war Ludwig Unterkönig inAquitanien und von Papst Hadrian I. gesalbt. Und amSonntag den 11. September 813 ließ ihn der Vater inAachen zum Nachfolger proklamieren, auch zum Mit-kaiser krönen, dabei freilich auf jede Beteiligung desPapstes verzichtend, ja, auf die jedes Geistlichen.

Doch geschah das Ganze vor einem Altar, geschah»zu Ehren unseres Herrn Jesus Christus« nach langenGebeten der beiden Potentaten. Karl ermahnte denSohn und Nachfolger, besonders den Allmächtigen zulieben, zu fürchten, seine Gebote in allem zu befol-gen, seine Kirchen zu leiten, die Priester zu ehren wieVäter, das Volk zu lieben wie Söhne. Hochmütigeund üble Menschen sollte er auf den Weg des Heilszwingen, die Klöster trösten und gottesfürchtige Die-ner anstellen. Er fand kaum ein Ende in seiner Be-schwörung des Herrn, krönte Ludwig dann aber,nachdem dieser eidlich alles zu halten gelobt hatte,zum Mitkaiser, worauf das Volk schrie: »Es lebe Kai-ser Ludwig!«, und beide Monarchen die Messe hör-

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4.090 Deschner Bd. 5, 17Töten und beten

ten.Seit dieser Krönung hat Karl, schon recht hinfällig,

auf einem Fuß auch lahm, nur noch, falls wir BischofThegan trauen dürfen, gebetet, Almosen gespendet –und die vier Evangelien, das unfehlbare Gotteswort,»verbessert« oder, wie Thegan auch sagt, »aufs Bestekorrigiert« (optime correxerat), bevor er am 28. Janu-ar 814 starb. Er hinterließ dem Sohn ein riesiges, vonihm sowie den hochgeschätzten Ahnen und Vorgän-gern fast ganz zusammengeraubtes, aus vier mächti-gen Einheiten bestehendes Reich: die Francia, dasZentrum des Staates, mit den Königshöfen, den gro-ßen Abteien, ferner die Germania, Aquitania und Ita-lia.5

Töten und beten

Zwei Bereiche, die jeden christlichen Herrscher seitlangem und noch durch viele Jahrhunderte entschei-dend bestimmten, prägten auch das Leben des jungenLudwig: der Krieg und die Kirche.

Alle edlen Christen hatten das sogenannte Kriegs-handwerk von früher Kindheit an zu lernen. In derRegel mußten sie bereits bis zur Pubertät im Reiter-kampf ausgebildet und mit 14 oder 15 Jahren, manch-mal noch früher, zum Waffenführen fähig sein. Und

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4.091 Deschner Bd. 5, 17Töten und beten

natürlich »brannten die Adeligen darauf, in denKampf zu ziehen« (Riché). (Dagegen kannte mankaum einen Großen unter ihnen, der Lesen oder garSchreiben konnte. »Drei Finger schreiben, aber derganze Körper arbeitet«, lautete ein vielzitiertes Wort.Es verderbe die Augen, hieß es, krümme den Rücken,verletze Rippen und Bauch, die Nieren schmerzen,der ganze Körper nährt den Überdruß.)

Auch Ludwig, der einen kräftigen Körper, starkeArme, der im Reiten, Bogenschießen, Lanzenwerfen»nicht seinesgleichen« hatte, doch nach Auskunft derForschung friedfertig war, begleitete den Vater aufdessen Verlangen schon bei seiner Awarenvernich-tung (IV 485 ff.), jedenfalls bis zum Wiener Wald.Bald darauf, 793, unterstützt er, wieder auf väterli-chen Befehl, einen Rachefeldzug seines Bruders Pip-pin in Süditalien. Erst feiert der katholische Jüngling»das Geburtsfest Christi zu Ravenna«, wie der Ver-fasser der zweiten zeitgenössischen (allein vollständi-gen) Biographie Ludwigs schreibt – ein nach eigenerAngabe seit 814 am Kaiserhof lebender und wegenseiner sternkundlichen Kenntnisse Astronomus ge-nannter unbekannter Geistlicher der Hofkapelle –,dann »fallen sie mit vereinten Kräften in die ProvinzBenevent ein, verwüsten alles, wohin sie kommen ...«

Dabei war Ludwig ein besonders guter Christ, nochbesser als der hl. Vater. Eine Fülle zeitgenössischer

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4.092 Deschner Bd. 5, 18Töten und beten

Zeugnisse, darunter allein 28 Fuldaer Urkunden ausden Jahren 819 bis 838, nennt ihn »pius«, »piissi-mus«; ein allerdings längst zur Floskel erstarrtesHerrscherprädikat. Doch schwärmt man oft von Lud-wigs »Frömmigkeit«; ja, der fränkische Kleriker Er-moldus Nigellus meint in dem panegyrischen Epos»in honorem Hludowici Christianissimi Caesaris Au-gusti« (von dem er freilich die Aufhebung seines Ver-bannungsurteils erhofft), Ludwig regiere geradezu»mit Hilfe seiner pietas«. Übrigens bekam der Kaiserden in alle europäischen Sprachen eingegangenenBeinamen »pius« (der Fromme, le Pieux, il Pio, thePious, auch Louis le Débonnaire, der Gutmütige, eineneuzeitliche Abwertung französischer Historiker) kei-nesfalls zu seinen Lebzeiten, wo man ihn gewöhnlichHludovicus imperator nannte, sondern frühestenswohl im ausgehenden 9. Jahrhundert.

Bereits als Kind aber hatte Ludwig das Unterkö-nigtum Aquitanien samt einem Regentschaftsrat er-halten, und dorthin kehrte er nach dem BeneventerKriegszug im Frühjahr 794 zurück, begleitet von »co-mites« seines Vaters. So konnte er nicht nur dieMacht des einheimischen Adels beschneiden, sondernauch häufig in das südliche Nachbarland vorstoßen,gewiß nur auf höhere Weisung hin, was für alle au-ßenpolitischen und zumal militärischen Aktionen desUnterkönigs galt.

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4.093 Deschner Bd. 5, 18Töten und beten

Auf Karls Befehl überfiel der fromme friedfertigeSohn also immer wieder Spanien. Er unterwarf undzerstörte Lerida. »Hierauf«, schreibt der Astronomus,»und nachdem die übrigen Städte verwüstet und ver-brannt waren, ging er bis Huesca vor. Das an Frucht-feldern reiche Gebiet der Stadt wurde von demKriegsvolk abgemäht, verwüstet, verbrannt und alleswas sich außerhalb der Stadt fand, durch die Verhee-rung des Feuers vernichtet.«

Wie fast immer seinerzeit, hinderte den jungenLudwig bloß der Winter an weiteren Taten christli-cher Kultur. Im übrigen verfeuerte der katholischeHeros außer Städten gelegentlich auch Menschen,wenn auch nur »nach dem Recht der Wiedervergel-tung« (Anonymi vita Hludowici); ganz biblisch: Augeum Auge, Zahn um Zahn. Und kaum war »dies erle-digt«, so dieselbe Quelle, »schien es dem König undseinen Ratgebern nötig, zum Angriff auf Barcelona zuschreiten«. Und als die Eingeschlossenen vor Hungerschon wochenlang altes, als Türbehang dienendesLeder verschlungen, andere sich aus Verzweiflungüber das Elend des Krieges kopfüber von den Mauerngestürzt hatten, ergab sich der böse Feind, und Lud-wig feierte dies »mit einem Gottes würdigen Dankfe-ste«, zog mit den Priestern, »welche ihm und demHeere vorangingen, in feierlichem Aufzug, unter Lob-gesängen in das Tor der Stadt ein und begab sich

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4.094 Deschner Bd. 5, 19Töten und beten

nach der Kirche des heiligen und siegreichen Kreu-zes ...«

Natürlich kam König Ludwig stets wieder zu denschlimmen spanischen Nachbarn, nichts lag ja näher.Der Astronomus meldet solche Attacken aus immerneuen Jahren. »Im nächsten Sommer aber zog er mitso großer Kriegsmacht, als ihm nötig schien, nachSpanien, über Barcelona bis nach Tarragona, nahmdort, wen er fand, gefangen, jagte andere in dieFlucht, und alle Ortschaften, Kastelle und Städte bisTortosa zerstörte das Heer und verzehrte die gierigeFlamme.« Dann wieder fielen sie aus dem Hinterhaltdem ganz unvorbereiteten Gegner in den Rücken,»verwüsteten sie weit und breit das Land der Fein-de ..., kämpften heftig und zwangen sie mit ChristiHilfe die Flucht zu ergreifen. Wen sie ergriffen, töte-ten sie, und holten sich fröhlich die Beute ... KönigLudwig aber kehrte nach Hause zurück, nachdem erdie Seinigen fröhlich empfangen und das feindlichLand überall verwüstet hatte.«

Ein fideles Christentum.Dabei liest man in einem alten katholischen Stan-

dardwerk von Ludwig: »Er meinte es überall gut«,sein Gemüt sei »edel«, sein Herz »mit allen guten Sit-ten ausgeschmückt« gewesen (Wetzer/Welte). Einblutiges Schwert und ein goldnes Gemüt, das paßt zudieser Religion durchaus; war's nicht ein ferner, be-

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4.095 Deschner Bd. 5, 20Töten und beten

scheidner Abglanz geradezu des lieben Gottes selbstund seiner Höllenfeuerpraxis?

Denn, so mit messerscharfer Theo-Logik Kirchen-lehrer Papst Gregor I. »der Große«: »Der allmächtigeGott hat, insofern er gütig ist, kein Wohlgefallen ander Qual der Unglücklichen; aber insofern er gerechtist, wird er durch die Strafe der Bösen in Ewigkeitnicht milde gestimmt.«

Eine kommode Religion. Etwas für alle Fälle.Mit eben diesem Gott, gütig, doch gegen Böse –

und alle Feinde sind böse – »in Ewigkeit nicht mild«,geschah jedwedes Rauben und Morden, wie schon zuZeiten der seligen Merowinger und Pippiniden, stetsvon neuem im christlichen Abendland. So liest manwieder: »Doch mit Vertrauen auf Gottes Hilfe zwan-gen die Unsern, obgleich ungleich und an Zahl weitschwächer als jene, die Feinde dennoch zur Fluchtund erfüllten den Weg der Fliehenden mit vielenToten: und nicht eher ließen sie ab vom Morden (et eousque manus ab eorum caede non continuerunt), alsbis, da die Sonne und mit ihr das Tageslicht ge-schwunden war und Schatten die Erde deckte, dieleuchtenden Sterne erschienen um die Nacht zu erhel-len. Hierauf zogen sie unter Christi Beistand mit gro-ßer Freude und vielen Schätzen zu den Ihrigen zu-rück.«

Fast romantisch, so ein kleiner Aderlaß. UndKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.096 Deschner Bd. 5, 20Töten und beten

immer eben mit Gott, mit seiner Hilfe, seinem Segen,seinem Schutz. Als man etwa gerade jemand aufhing,»den übrigen fast allen nahm man die Weiber oder dieSöhne«, heißt es gleich danach: »Hierauf zogen derKönig und sein Volk unter Gottes Schutz nachHause.«

Zuweilen darf Ludwig einen Feldzug nicht »in ei-gener Person« leiten und begleiten. Doch im nächstenJahr zieht er wieder gegen Tortosa, »bedrängte undschädigte er die Stadt so durch Mauerböcke, Stein-schleudern, Schutzdächer und andere Belagerungsma-schinen, daß ihre Bürger die Hoffnung aufgaben ...«Oder es geht wider die Wasken. Nur auf das »Ge-rücht« hin, daß sie sich erheben wollten, beschließtder König für »das öffentliche Wohl« einen neuenKriegszug, überläßt er »alle ihre Besitzungen demHeere zur Plünderung. Endlich als alles, was ihnen zugehören schien, zugrunde gerichtet war, kamen sie umGnade zu flehen und mußten es zuletzt, nachdem siealles verloren hatten, als ein großes Geschenk be-trachten, daß sie Verzeihung erhielten« (Anonymi vitaHludowici).

So erzieht man die Seinen. Kurz, von Mal zu Malbestätigt sich, daß bei Ludwig dem Frommen, mitForscher Fichtenau zu sprechen, »die christlicheLehre tiefere Schichten erfaßte ...«

Denn damit das Blut all der barbarisch Hingemet-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.097 Deschner Bd. 5, 21Töten und beten

zelten nicht gar zu dick sprudelt, damit es diese Chro-nik des Grauens nicht ganz und gar ersäuft, wird dasGeistliche, Göttliche stets noch stärker aufgetragenund mit dem Blut würdevoll verschmiert. Wie Lud-wig so »niemand im Bogenschießen oder Lanzenwer-fen gleichkam«, im Gebrauch von Waffentechniken,von Mordinstrumenten, so besaß er, der im strengenMönchsgeist Aquitaniens Aufgewachsene, der »Adju-tor Dei«, der Adjutant, der Helfershelfer sozusagenGottes, das heißt immer der Kirche, auch eine bemer-kenswerte priesterliche Würde, ja gleichsam geistlichbegabte Kniee. Chorbischof Thegan sagt deshalb imselben Zusammenhang von ihm: »Niemals erhob erseine Stimme zum Gelächter.« Und: »Wenn er sichtäglich morgens zum Gebet in die Kirche begab,beugte er immer die Kniee und berührte mit der Stirnden Fußboden, lange demütig betend, manchmal unterTränen ...« Kurz, so der bischöfliche Biograph unmit-telbar anschließend: »und immer zierten ihn alle gutenSitten.« Ja, »von heiliger Frömmigkeit getrieben«, be-teuert auch der Anonymus, ließ er »nichts ungesche-hen, wovon er meinte, daß es zur Ehre der heiligenKirche Gottes gereichen könnte.«

Ludwig der Fromme stand seit seiner Kindheitunter dem Einfluß des Klerus. Er war deshalb vonfrüh an so kirchenhörig, daß ihn nur der Vater gehin-dert hatte, Mönch zu werden. Wie ihm denn auch der

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4.098 Deschner Bd. 5, 21Töten und beten

Astronomus nachrühmt, er sei derart »für den göttli-chen Dienst und die Erhöhung der heiligen Kirche be-sorgt, so daß man ihn nach seinen Werken eher einenPriester als einen König nennen möchte«. Ludwig,pietistisch, hyperklerikal, auch der von seinem Vatergepflegten Bildung eher feindlich, ersetzte in Aachennicht nur genußsüchtige Höflinge durch Kleriker, son-dern vertrieb auch alle Prostituierten und steckte seineSchwestern ins Kloster (S. 33).

Dementsprechend sind seine Regierungsmaßnah-men von kirchlichen Vorstellungen geprägt oderdurch Prälaten mit-, wenn nicht oft allein bestimmt.Auch als es seit 819 personelle Änderungen unter sei-nen Beratern gibt, als Erzbischof Hildebald von Kölnstirbt, Abt Helisachar sich zurückzieht, stehen dieneuen Räte, allen voran der Erzkapellan und Leiterder Hofkapelle, Abt Hilduin von St-Denis, Abt auchvon St-Germaine-des-Prés, von St-Médard bei Sois-sons, St-Ouen in Rouen und Salonne, natürlich nichtnur der Kirche nahe, sondern sind wieder meist Geist-liche, ja, vertreten in Kirchenfragen eine eher »nochradikalere Richtung als ihre Vorgänger« (Konecny) –und werden später die hauptsächlichsten Gegner sei-ner zweiten Frau Judith.6

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.099 Deschner Bd. 5, 22»Neuer Anlauf zur Reform ...«

»Neuer Anlauf zur Reform ...« – bis zu fünfLiter Wein und vier Liter Bier pro Tag und

Kanoniker

Besonders in den ersten Jahren nach seiner Gesamtre-gierungsübernahme ließ Ludwig eine Reihe von Syn-oden nach Aachen einberufen, ließ er schon bald denhohen Klerus zusammentreten, um Details einer gro-ßen Kirchenreform zu beraten. War doch für sein Pro-gramm der »Renovatio regni Francorum« die Einheitder Kirche die Voraussetzung für die Einheit des Rei-ches.

So wurde etwa auf dem Tag zu Aachen im Spät-sommer 816 in den »Institutiones Aquisgranenses«eine Regel für Kanonissen kreiert, vor allem aber dieKanonikerregel Chrodegangs von Metz erneuert, diedieser hl. Bischof aus einer der »allerersten« Familien»fränkischen Adels« im Sinne der »vita communis«um 755 geschaffen hatte. Gegenüber seiner »Reform«in lokalem Rahmen wurde nun allgemeinverbindlichweiter reformiert, wurde insbesondere »jetzt eine vielstärkere Ausrichtung auch der Kanoniker am mönchi-schen Ideal angestrebt« (W. Hartmann).

Einen gewissen Begriff davon vermitteln etwa dieSpeise- und Getränkevorschriften der großen Synodevon Aachen 816. Jeder Kanoniker sollte – so »gleich«Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.100 Deschner Bd. 5, 22»Neuer Anlauf zur Reform ...«

war man in dieser hochfeudalen Ära bereits – dieselbeMenge an Speisen und Getränken bekommen, jedernicht nur täglich vier »Pfund« Brot, sondern auch, jenach Gegend, zwischen einem und fünf Liter Wein.Und zusätzlich noch bis zu vier Liter Bier, ebenfallsam Tag! Freilich sieht die Forschung das mönchische»Ideal« erst »angestrebt«. (Oder wie Wilfried Hart-mann diesbezüglich titelt: »a) Neuer Anlauf zur Re-form«. – Im 12. Jahrhundert bestand das Sonntagses-sen des Bamberger Domkapitels aus acht Gängen, im18. Jahrhundert das Geburtstagsmahl des EbracherAbtes aus 28.)7

Was für den hohen Klerus damals (wie heute) imZentrum des Interesses steht, spiegeln die Dokumenteziemlich getreu, nämlich daß sein Reich »von dieserWelt« ist.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.101 Deschner Bd. 5, 23Kampf um das »Kirchengut« und gegen die ...

Kampf um das »Kirchengut« und gegen dieEigenkirche

Schon 813 hatte eine Fülle von Kanones der fünffränkischen »concilia« (in Arles, Reims, Mainz,Chalon und Tours) an das Kirchengut, die Kirchenge-bäude, Kirchenschenkungen erinnert, ja, jede der fünfSynoden den Zehnt thematisiert. Es beleuchtet übri-gens die geistliche Geldgier, wenn (nicht nur seiner-zeit) verboten werden mußte, daß in der Kirche Märk-te stattfinden! Doch schließlich wurde schon in bibli-schen Tagen das Haus des Herrn »zu einer Räuber-höhle« gemacht. Nicht verwunderlich, wenn nachWeihnachten 818 ein »conventus« in Aachen »vielüber den Zustand der Kirche und Klöster verhandelt«;wenn schon Kapitel 1 der Reichsversammlung818/819 dem Schutz des Kirchengutes gilt; Kapitel 7die Schenkungen an die Kirche betrifft, ebenso Kapi-tel 8; wenn Kapitel 12 die Zehnten neu gegründeterDörfer, Kapitel 14 noch einmal die Kirchenzehnten,auch die Kirchenneunten erörtert; und wenn das ab-schließende Kapitel 29 sich abermals den Kirchengü-tern zuwendet sowie dem Problem der Eigenkirchen,das bereits die Kapitel 6 bis 14 behandelt hatten.

Eine Eigenkirche (ecclesia propria) war ein soge-nanntes Gotteshaus (Kloster), das unter privatem Ei-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.102 Deschner Bd. 5, 24Kampf um das »Kirchengut« und gegen die ...

gentumsrecht, das auf dem Eigentum eines weltlichenoder geistlichen Grundherren stand und diesem injeder Hinsicht, in wirtschaftlicher und geistlicher,auch absolut unterstand. Wie jeder Landkirche schonim 9. Jahrhundert ihre eigenen Einnahmen undGrundstücke voll und ganz gehörten, so gebot auchder Grundherr einer Eigenkirche über das Kirchenge-bäude wie über seinen übrigen privaten Besitz. Erverfügte über die ungeschmälerte Nutzung des gesam-ten Gutes einer solchen Kirche samt ihrer Einkünfte,über Vermögen, Baulichkeiten, Ertrag, über alleArten von Abgaben, die Zehnten zumal, die Regalien,Spolien etc., wie auch über die Ein- und Absetzungder Kleriker oder (bei Eigenklöstern) der Äbte.

Das Eigenkirchenwesen, bereits in der Antike aufrömischem Boden angebahnt, war schließlich in ganzEuropa verbreitet und hatte seinen Höhepunkt in dengermanischen Staaten des 9. und 10. Jahrhunderts.Seit der Durchsetzung des allgemeinen Zehntgeboteslohnte es sich also, eine Kirche zu bauen und ihr Be-sitzer zu sein, wurden die Eigenkirchen immer lukrati-ver, wurden zu begehrten Objekten ökonomischerSpekulation, von Kauf, Tausch, Leihe, Schenkung,Erbschaft u.ä., kurz die »Gotteshäuser« wurden zu»einer rentablen Kapitalanlage« (Schieffer), einem»gewinnbringenden Unternehmen« (Nylander).

Damit hängt sicher entscheidend zusammen, daßKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.103 Deschner Bd. 5, 24Kampf um das »Kirchengut« und gegen die ...

die Kirche das von ihr zunächst lange geduldete,schon seit karolingischer Zeit faktisch wie rechtlichanerkannte Eigenkirchenwesen allmählich im Hoch-mittelalter bekämpft. Dabei, bemerkenswert, bestrei-tet sie zuerst, um den Schein zu wahren, als offenbarbesonders schlimm, die Verfügung von Laien übergeistliche Ämter an den Eigenkirchen, dann aber dieihr gewiß weit wichtigere private Nutzung durchLaien bis zur Androhung der Exkommunikation undschließlich zum grundsätzlichen Verbot – währenddavon die Eigenkirchenherrschaft der Bischöfe undKlöster unberührt bleibt!8

So hat Ludwig der Fromme, stark unter kirchli-chem Einfluß stehend, auch gewisse radikale agrarpo-litische Neuerungen hinsichtlich des Kirchengutes in-tendiert, sollten die grundbesitzenden Laien doch umwesentliche Einnahmequellen gebracht werden, über-haupt jeden Einfluß auf die Besetzung von Kirchen-ämtern verlieren, wodurch der Kaiser in schroffen Ge-gensatz zum Adel geriet.

Immer wieder indes erinnern die Bischöfe an dasfür Staatszwecke verwendete »Kirchengut«, an das andiesem Gut begangene »Unrecht« und an seine Rück-gabe. So auf dem Reichstag von Attingny 822, einJahr später schon wieder auf dem Reichstag vomCompiègne. Und in weiteren Erklärungen davor unddanach.

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4.104 Deschner Bd. 5, 25Kampf um das »Kirchengut« und gegen die ...

In einer Rede vor der Synode 822 macht sich fürdas Kirchengut auch der berüchtigte Erzbischof Ago-bard von Lyon stark, dessen große Lebensaufgabe die»Verchristlichung der Welt« war (Boshof) und die –vom Kaiser offenbar nicht gebilligte – Bekämpfungder Juden (die Agobard in fünf Traktaten attackiert,wobei schon er den Nazislogan »Kauft bei keinemJuden« vorwegnimmt!). Das Kirchengut aber sollte sosakrosankt wie möglich sein. Folglich erklärt der Erz-bischof alle Kanones für unverletzlich, da sie auf denKonzilien in Übereinstimmung mit der HeiligenSchrift und unter Mitwirkung des Heiligen Geistesentstanden. Ergo sei jeder Verstoß ein Widerspruchgegen Gott, jede Säkularisation von Kirchengut eineVerletzung göttlicher Rechte.

So macht man das: alles, was der Klerus haben, ansich raffen, behalten will, gehört Gott. Und Gott darfman auf keinen Fall prellen! (Gott freilich, das mußdie gläubige Welt lernen, ist in praxi stets der geld-und machtgeile Prälatenhaufen.)

Ludwig der Fromme hat auch die Ausnahmestel-lung der Klöster in der Volkswirtschaft gefestigt undgefördert durch Erteilung zahlreicher Zollfreiheiten,Münzrechte, Gebührenbefreiungen, durch Verzichtauf Heerespflichtleistungen, was sich unter seinenNachfolgern fortsetzt, wo vor allem Markt- undMünzverleihungen immer häufiger vorkommen.9

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4.105 Deschner Bd. 5, 26Ehereform und Mondfinsternisse oder Vom ...

Ehereform und Mondfinsternisse oder VomAberglauben des Kaisers

Daß sich ferner unter dem pfaffenhörigen Herrscherder Tugend- und Moralkodex der Kirche noch mehrverbreitete, wenn auch, wie üblich, oft nur auf demPapier, wird kaum wundernehmen. Besonders giltdies für Ludwigs Eherecht und seine Ehepolitik. Eridentifizierte sich, hier nicht gerade zum Vorteil desStaates, voll mit den Wünschen des Klerus. Hattennämlich die christlichen Merowinger noch kräftig derPolygamie gefrönt (s. etwa IV 99), ähnlich die frühenKarolinger, ja stand die Konkubine noch lange fastgleichrangig neben der Ehefrau, so daß sie selbst dieKirche zeitweise tolerierte, wie etwa die Synode vonMainz (852 c. 15) bezeugt, so duldete Ludwig derFromme sogar das monogame Konkubinat nichtmehr.

Zunächst zwar hatte er offenbar selbst im Konkubi-nat gelebt. Schon 794, ungefähr sechzehnjährig, warer mit Ermengard, der Tochter des Grafen Ingram ausder Familie der Robertiner, verbunden worden, wohlum ihn vor Ausschweifungen, vor – so sein anonymerBiograph – »den natürlich hitzigen Trieben seinesFleisches« zu bewahren. Ja, anscheinend hatte er be-reits vorher Beziehungen zu Frauen, denen Alpais undKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.106 Deschner Bd. 5, 26Ehereform und Mondfinsternisse oder Vom ...

Arnulf entstammten. Doch seit seiner Alleinregierunglebte er in erster wie in zweiter Ehe ganz gemäß demkanonischen Recht, nahm weder eine Kebse nochlöste er eine Ehe eigenmächtig auf, wie er denn auchseine Kinder in Vollehen verheiratete, zumindest dieihm von Ermengard geborenen Söhne, Lothar (795),Pippin (um 797) und Ludwig (806), während die eineoder andere seiner Töchter, Rotrud und Hildegard,vielleicht erst nachträglich Vollehen führten.

Freilich scheiterte der Monarch mit seiner reinkirchlich inspirierten Reform des Eherechts. Denn derVerzicht auf die frühere Vielfalt der Eheformen sowieauf herrscherliche Sonderformen der Ehe gefährdetedie von ihm erstrebte Reichseinheit und führte einebeträchtliche Rechtsunsicherheit herbei. Und nachihm kehrte man zu den alten Rechtsvorstellungen zu-rück, stellte man im Reich Ludwigs des Deutschenwie Karls des Kahlen den eigenen Vorteil weitgehendüber die Kirchenlehre, an die man sich meist nur erin-nerte, um politische Rivalen oder mißliebige Partnerauszuschalten.10

Auch den christlichen Aberglauben förderte derKaiser, wie allerdings schon eine lange Reihe seinerVorfahren.

So hat man immer wieder heilige Leichen aus Romgeholt, auch entführt, den hl. Marcellinus, den hl. Pe-trus (durch Einhards Schreiber Ratleik über Michel-

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4.107 Deschner Bd. 5, 27Ehereform und Mondfinsternisse oder Vom ...

stadt im Odenwald), worauf sie, die Leichen, versi-chern die Reichsannalen, »durch viele Zeichen undWunderkräfte berühmt wurden«. Auch »die Gebeinedes seligen Märtyrers Sebastian« kamen – »Heeres-heiliger«, Patron der Soldaten, der Schützenvereine,gut ferner gegen Viehseuchen, Pest. Und auch »dieÜberreste des heiligen Streiters Christi« bewirktenbald »eine so große Fülle von Segnungen, daß ihreMenge jede Zahl übersteigt. Und ihre Beschaffenheitmachte sie fast unglaublich ...« Doch sei, fügt dergeistliche Anonymus hinzu – und dies, wie so oft,noch nicht mal aus eignem Ingenium, sondern dieReichsannalen plagiierend –, »für den, welcherglaubt, alles möglich« (omnia possibilia esse creden-ti).11

Sofort reagierte der Herrscher aller Franken auch,wenn »Zeichen« sein Gemüt beunruhigten, Dinge, mitdenen er »sich viel ... beschäftigte«, Gestirnsbewe-gungen, furchtbare Kometen, Erdbeben, Mondfinster-nisse, vom Himmel gefallenes Getreide, »unerhörteTöne ... zur Nachtzeit«, »häufige und ungewöhnlicheBlitze, das Herabfallen von Steinen mit dem Hagel,Seuchen von Menschen und Vieh«. Nicht minder be-wegte ihn das Fasten eines Mädchens von etwa zwölfJahren aus dem Dorf Commercy bei Toul, das, natür-lich »nach dem Genuß des heiligen Abendmahls« ausPriesterhand, weder trank noch aß, es vielmehr »so-

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4.108 Deschner Bd. 5, 27Ehereform und Mondfinsternisse oder Vom ...

weit im Fasten brachte, daß es gar keine leiblicheNahrung zu sich nahm und ohne jedes Verlangennach Speise drei volle Jahre zubrachte«, übermittelndie Reichsannalen. Derartiges raubte dem aufmerksa-men Kaiser mitunter den Schlaf. Es geschah, daß erdeshalb eine ganze Nacht kaum ein Auge zudrückte,sondern »unter Lobgesängen und Gebeten zu Gott«den Morgen abwartete, war es ihm doch klar, »daßdiese Wunderzeichen schweres Unheil für dasmenschliche Geschlecht anzeigten«. Somit befahl erdagegen Fasten und anhaltendes Beten und reiche Al-mosen zur Versöhnung der durch die reuelosen un-bußfertigen Sünder erzürnten Gottheit. Almosen fürdie Armen nicht nur, sondern auch, selbstverständ-lich, für die Diener Gottes, Weltpriester und Mönche,»und ließ durch jeden, der das konnte, Messen lesen;nicht so sehr aus Furcht für sein Wohl, als aus Be-sorgnis für die ihm anvertraute Kirche« – obwohlauch manch Zeichen, wie er wußte, »auf Veränderungdes Reichs und Tod des Fürsten deutet ...« Ja, unddann »begab er sich zur Jagd nach den Ardennen«(Anonymi vita Hludowici).12

Jahr um Jahr Krieg, Mord, Totschlag, Verskla-vung. Und Tag für Tag Kirchgang, langes demütigesGebet. Doch all das ergänzt sich hier – und nicht nurhier – wie die natürlichste Sache der Welt, »zur Ehreder heiligen Kirche«.

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4.109 Deschner Bd. 5, 27Ehereform und Mondfinsternisse oder Vom ...

Wozu noch die Jagd kam.

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4.110 Deschner Bd. 5, 28»...jenes Mörderspiel, die Jagd«

»...jenes Mörderspiel, die Jagd«

Die Jagd hat bei Ludwig dem Frommen alljährlichmonatelang sogar Krieg und Diplomatie verdrängt,war übrigens auch selbst eine Möglichkeit, auf denKrieg vorzubereiten. Dabei sind die riesigen Forstedes Frühmittelalters wildarm gewesen, »zum Verhun-gern leer«, so daß ein altsächsischer Dichter geradezuvom »Grab des Waldes« (waldes hlêo) sprechenkann. Gleichwohl: »Im Monat August aber, wenn dieHirsche am fettesten sind, lag er der Jagd ob, bis dieZeit der Eber kam.« Dies geschah einfach »nach Sitteder fränkischen Könige«. Auch von Ludwigs SohnPippin, dem König von Aquitanien, wird dieselbeLeidenschaft berichtet. Selbst der am aquitanischenHof lebende Kleriker Ermoldus Nigellus ermahnt Pip-pin, über seiner unmäßigen Passion für Jagd undHunde nicht die Pflichten seines hohen Berufes zuversäumen.

Und die Jagd blieb feudaler, fürstlicher Brauch (umdie angebliche Sünde des historischen »Anachronis-mus« zu begehen) durch die Jahrhunderte. Denn, wieChristian Weiße sagt: »Von allen ritterlichen Lustbar-keiten ist keine, die so sehr den großen Herrn behagt,wie jenes Mörderspiel, die Jagd.« Und FriedrichHeer, der den engen Zusammenhang von Jagd und

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4.111 Deschner Bd. 5, 29»...jenes Mörderspiel, die Jagd«

Krieg, Tierjagd und Menschenjagd besonders im ade-ligen Leben seit Karls »des Großen« Tagen betont,fordert, die »mörderische Jagdlust dieser hohen Her-ren« einmal tiefenpsychologisch und metapolitisch zuuntersuchen.13

Der Jagd frönte und frönt man zwar vor allem des»Vergnügens«, doch auch des Profites wegen, wes-halb beispielsweise im Frühmittelalter ein gewisserOthere an zwei Tagen mit nur sechs Gehilfen (»Spee-ren«) 60 Walrösser umbringt. »Die Abendländer ver-nichten Wälder, zerstören ›Biotope‹, rotten halbeTierpopulationen aus«, schreibt Johannes Fried in sei-nem sehr lesenswerten Werk »Die Formierung Euro-pas«.

Auch den frommen Ludwig hielt da nichts ab, keinWunder, kein Zeichen, keine Seuche. Sogar als 820eine besonders heftige Epidemie unter Mensch undTier ausbrach, die im ganzen Frankenreich »kaumeinen Strich Landes« verschonte, verzichtete der pas-sionierte Nimrod nicht auf »seine gewohnte Herbst-jagd«. »Herbstjagd« – eine historiographische Unter-treibung. Denn das Verfolgen, Verwunden, das Tötender Tiere in dem – selbst gegenüber Mönchen – eifer-süchtig gehüteten Jagdrevier (brolium, foresta, forêt,Forst) genoß man vom Spätsommer bis (zuletzt be-sonders mit Falkenjagd auf Federwild) oft in denWinter hinein, bevorzugt in Aachen, in den Vogesen,

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4.112 Deschner Bd. 5, 29»...jenes Mörderspiel, die Jagd«

Ardennen, der Eifel, in Franken, dem Hofgut Frank-furt etwa, in Kreuznach. Doch war auch die Gegendum Paris von den Merowingern der ausgedehntenForste wegen zum Aufenthalt gewählt worden, undJahrhunderte später noch gab es dort nicht wenigerWald.

Dazu kamen spezielle Mordgehege in nächsterNähe der Pfalzen – die Karolinger hatten ihre eigenen»Jagdpfalzen« (später gab es auch besondere Jagd-traktate) – zwecks Jagd mit kleinem Gefolge, gele-gentlich mit Staatsgästen und Staatsschmäusen. Solud Ludwig den Dänenkönig Harald bei seinem Be-such in Ingelheim zur Jagd auf einer Rheininsel ein,mit anschließendem Hirsch-, Reh-, Eberbratenessen,mit erlegten Bärenteilen – »und auch der Klerus erhältmanches treffliche Stück«, alles mitten im Forst untereinem luftigen Zelt. Ja, erst »Herbstjagd«, dann,»nach hergebrachter und ihm stets teurer Sitte«, schonwieder »Geburtstag des Herrn und das Osterfest«samt folgendem Sommerkrieg. Darauf die feisten Hir-sche. Dann die geilen Eber – der Kaiser »vergnügtesich wie gewöhnlich im Herbst mit Jagen«; »vergnüg-te sich bis zur Winterzeit in den ... Wäldern mit derJagd«; »jagte hier solange es ihm gefiel und die naheKälte des Winters zuließ«; trieb »so lange es ihm be-liebte Fischen und Jagen«. Danach schon wieder,»würdig, wie es sich gehörte«, diverse Feste, beson-

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4.113 Deschner Bd. 5, 30»...jenes Mörderspiel, die Jagd«

ders »das Geburtsfest des Herrn und die übrigen«, vorallem auch das seiner Auferstehung. Und nun erneutein frisch-fröhlicher kleiner Krieg. »Im Monat Augustaber, wenn die Hirsche ...«

Das liest sich wie Satire, ist aber nicht meineRegie, ist die der Herren selbst. Es sind die Höhe-punkte des kaiserlichen Christenjahres. Und manch-mal dominiert die Jagd das ganze Jahr. Anno 825 bei-spielsweise. Kaum war zu Aachen »das heilige Oster-fest« gefeiert, Anfang April, »bei lachendem Früh-lingswetter, begab er sich zur Jagd nach Nymwegen«.Mitte Mai Rückkehr zu einem Reichstag nach Aa-chen, dann ab »in den Wasgenwald nach Remiremontzur Jagd«; »nach dem Schluß der Jagd nach Aachen«,im August ein weiterer Reichstag, darauf wieder nachNymwegen und »kehrte nach dem Schluß der Herbst-jagd zu Anfang des Winters nach Aachen zurück«.

Regieren ist anstrengend. Man braucht Entspan-nung. Nicht nur durch Töten von Hirschen, Damwild,Hindinnen, Sauen, auch durch das von Wölfen,Bären, Büffeln (bubalus), Auerochsen (urus) u.a. Esgab mancherlei Tiere im deutschen Wald. Und siewarteten nur darauf, für den Kaiser ihr Blut zu vergie-ßen. Und für die Aristokratie natürlich, die ja auchdas »Wild« zu Tode hetzte, vom Pferd aus darauf ein-stach, es erstach, es schoß und erschoß, auf derPirsch, bei der Hetze, mit speziellen vierbeinigen Ver-

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4.114 Deschner Bd. 5, 31»...jenes Mörderspiel, die Jagd«

folgungs-, Greif-, Zerreißrudeln.Hatten die edlen Weidmänner doch allem Anschein

nach schon im frühen Mittelalter »eine formgerechteHetzjagdtechnik« (Schwenk) entwickelt mit vielenArten von Hunden, Leithunden, Meutehunden, Spür-hunden, Windhunden, Hirtenhunden, Vorstehhunden,Stöberhunden, Laufhunden, Vogelhunden, Biberhun-den. Von den Terrier, den Spitzern und Pintschern,die zu den ältesten Jagdhunden gehören, über Pointer,Setter, Wachtel, Spaniels bis zu den Doggen, all daswurde zur Befriedigung hochgeborener Mordlust ge-züchtet, scharf gemacht, auch in Klöstern, im Arden-nenkloster St. Hubert zum Beispiel, und es erschien,liebevoll abgebildet, in den Mönchshandschriften, aufAltarbildern in Kirchen. (Jagdhunde und Reliquienzählt Ingrid Voss – unmittelbar hintereinander und indieser Reihenfolge – als Präsente mittelalterlicherFürsten an Fürsten auf.) Hielt ja auch – trotz der Kon-zilienverbote – der geistliche Adel hier kräftig mit.Leisteten sich doch Bischöfe, Äbte, simple Priesterkostspielige Meuten und zogen das große Halali nochallemal der Sonntagsmesse vor – da sie »die Hymnender Engel weniger als das Gebell der Hunde schätz-ten« (Bischof Jonas von Orléans).

Schon die Kinder der Edlen wurden zur Jagd erzo-gen. Auch Ludwigs eigener Sohn Karl begleitetedabei den Vater, zusammen mit Mutter Judith, bereits

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4.115 Deschner Bd. 5, 31»...jenes Mörderspiel, die Jagd«

als Dreijähriger, wie 826 bei Ingelheim. Und sobaldder kleine Karl das Wild erspähte, erzählt ErmoldusNigellus, der fränkische Kleriker, vielleicht Mönch,wollte er es »unbedingt nach dem Vorbild seines Va-ters verfolgen«. Er flehte um ein Pferd, um Waffen.»Aber andere junge Leute fangen das flüchtige Jung-wild und bringen es unversehrt zu Karl. Sofort greifter nach seinen Spielzeugwaffen und schlägt das zit-ternde Tier.«

Früh übt sich. So wuchs man im christlichenAbendland auf. So »gehörte« es sich ...

Töten, Mensch und Tier. Und Beten. Auf beideshin war Ludwig der Fromme eben von kleinauf dres-siert. Eines so selbstverständlich wie das andere.»Des Königs frommer Sinn war schon von früher Ju-gend an«, schreibt der sogenannte Astronomus wie-der, »für den göttlichen Dienst und die Erhöhung derheiligen Kirche besorgt, so daß man ihn nach seinenWerken eher einen Priester als einen König nennenmöchte.« Ja, er brachte es dahin, daß »die ganzeGeistlichkeit Aquitaniens«, die sich bisher »mehr demReiten, dem Kriegsdienst, dem Lanzenschwingen alsdem göttlichen Dienst« gewidmet, es dann geradezuumgekehrt hielt. Jetzt nämlich blühte dank Ludwig –der doch sogar in der Fastenzeit (!) das Reiten nichtganz unterließ – der göttliche Dienst samt der weltli-chen Wissenschaft »schneller auf als man es glauben

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4.116 Deschner Bd. 5, 31»...jenes Mörderspiel, die Jagd«

konnte«. Ja, dieser Klerus, vor Ludwig »ganz verfal-len« (conlapsus erat), florierte durch den jungenKönig, der auch viele Klöster – bis 814 angeblich25 – in seinem Machtbereich reformierte, wiederher-stellte oder erst neu erbaute, nun derart, »daß er selbstdas denkwürdige Beispiel seines Großoheims Karl-mann« (vgl. IV 370 f.u. 385!) »nachzuahmenwünschte und daran dachte, den Gipfel des gottseli-gen Lebens zu erreichen«.14

Nun, daraus wurde nichts. Die Macht schmecktebesser. Denn da seine älteren Brüder Pippin und Karlschon gestorben waren, »erwachte in ihm die Hoff-nung auf die Herrschaft des ganzen Reichs« (Anony-mi vita Hludowici). Und so titulierte sich der frommePotentat nicht mehr schlicht »rex Francorum«, son-dern von allem Anfang an »imperator Augustus«.15

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4.117 Deschner Bd. 5, 32Säuberung Aachens von »Hochverrätern« und ...

Säuberung Aachens von »Hochverrätern« undHuren

Ludwig der Fromme, beim Tod seines Vaters sechs-unddreißig Jahre alt, weilte damals gerade in der Pfalzzu Doué-la-Fontaine (bei Saumur) in Aquitanien,jenem weiten, erst nach langen schweren Kämpfen768 endgültig unterworfenen Land zwischen Atlantikund Rhone, zwischen Loire und der Pyrenäenkette.Zunächst ordnete er eine kirchliche Totenfeier, Gebe-te, Hymnen, Meßgesang an. Dann zog er über Or-léans – wo ihn Ortsbischof Theodulf, der erfahreneHöfling, in einer ad hoc fabrizierten Ode so schwül-stig wie überschwenglich verhimmelte – und Parisnach Aachen, allerorts zuerst Christentempel undKlöster besuchend, S. Aignan, S. Mesmin, S. Ge-nevièv, S. Germain-des-Prés, S. Denis, die Grabstätteseines Großvaters Pippin. Und überall eilte ihm derhohe Adel, sagt der Astronom, »um die Wette in gro-ßer Menge« zu. Selbst Wala, Karls I. Vetter und einerseiner einflußreichsten Berater, ein Mann, von demman es vielleicht am wenigsten erwartet hatte, leisteteLudwig sogleich den Treueid.

Noch von unterwegs befahl der neue Herr, die Aa-chener Pfalz, wo der amtierende Klerus nebst Prosti-tuierten unter dem hl. Karl einem wohl zu unbe-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.118 Deschner Bd. 5, 33Säuberung Aachens von »Hochverrätern« und ...

herrschten Genuß gefrönt (IV 502. f.), von unwürdi-gen Elementen zu säubern und einige, »welche sichdurch besonders greuliche Unzucht und hochmütigeHoffart des Majestätsverbrechens schuldig gemachthätten, sorgsam bis zu seiner Ankunft in Gewahrsamzu halten«.

Angeblich befand sich ein Gesindel von »Huren,Dieben, Todtschlägern und anderen Verbrechern«(Simson) am Hof und in den umliegenden Dörfern.Ein Bote Ludwigs, Graf Warnar, wurde bei dieserHygienemaßnahme in Aachen getötet, sein NeffeLambert schwer verletzt; ihr Gegner Hoduin kam um.Der fromme, gelegentlich jedoch jähzornige Monarch,der »gegen andere stets gütige Kaiser«, ließ daraufseinerseits einem schon »beinah« Begnadigten, Tulli-us, in seiner »Mildherzigkeit« (clementia), so beteuertder Astronomus, bloß die Augen ausreißen.16

Und noch bevor Ludwig in Aachen einzog, räumteman dort einige Personen als »Hochverräter« aus demWeg. Gerade solche, die an Karls Hof zuletzt bedeu-tenden Einfluß hatten, verschwanden schnell, wie dieKinder Bernhards, eines Bruders von König Pippin.Karls Stiefvetter Adalhard, Abt von Corbie an derSomme (IV 499), seinerzeit schon ein Greis, landete,ohne Verhör und Gericht abgesetzt und seiner Güterberaubt, im Kloster St-Filibert auf der abgelegenenAtlantikinsel Heri an der aquitanischen Küste, seine

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4.119 Deschner Bd. 5, 33Säuberung Aachens von »Hochverrätern« und ...

Schwester Gundrada, die Freundin Alkuins, seiner-seits Abt von einem halben Dutzend Klöstern, ineinem Nonnenhaus in Poitiers. Gleich von selbst eilteihr Bruder, Graf Wala, Ludwigs Zorn zuvorkom-mend, ins Kloster Corbie, aus dem der Kaiser dendritten, dort als einfacher Mönch lebenden jüngstenBruder Bernar in das Kloster Lérins auf einer Insel ander Küste der Provence verwies.

Auch Karls I. heißbegehrte Töchter, Ludwigs viel-umschwärmte leibliche Schwestern Bertha und Gisla,deren lockeres Liebesleben, »der einzige Flecken« amkaiserlichen Hof, den Frommen »schon lang« genervt,wurden nun in diverse Klöster gesteckt – strikt entge-gen der väterlichen Verfügung, sie zwischen Ehe undSchleier wählen zu lassen; strikt auch wider Ludwigseidliches Gelöbnis von 813, gegenüber Schwesternund Brüdern, den Neffen sowie allen übrigen Ver-wandten »immer unwandelbare Barmherzigkeit zuüben«. Doch die Entfernung der (später kaum nocherwähnten) Schwestern aus der Pfalz – wohin ist un-bekannt – gehörte zu Ludwigs ersten Regierungsmaß-nahmen. Und vermutlich diente ihr »unmoralischer«Lebenswandel dem Neuling in Aachen überhaupt nurals Vorwand. In Wirklichkeit fürchtete er wohl mehrihre Einmischung, Aufsässigkeit, die Vertrautheit mitden seit langem die Staatsgeschäfte führenden Beam-ten, fürchtete er, sie könnten besser mit der Macht

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4.120 Deschner Bd. 5, 34Säuberung Aachens von »Hochverrätern« und ...

umgehen als er selbst.Während aber der Kaiser so im Familienkreis nicht

immer schonend verfuhr, auch nicht mit näheren Ver-wandten – die Halbbrüder Drogo, Hugo, Theoderich,seines hl. Vaters »Bastarde« von dessen Kebsen Re-gina und Adallindis zunächst einmal beiseite –, nahmer sich der eigenen Nachkommen doch recht fürsorg-lich an. Die schon erwachsenen Söhne Lothar undPippin machte er zu Unterkönigen in Bayern undAquitanien, seinen illegitimen Sprößling Arnulf zumGrafen von Sens, seinen Schwiegersohn aus der Fa-milie der Gerhardiner, den seit etwa 806 mit dergleichfalls vorehelichen Tochter Alpais verbundenenBego von Toulouse, zum Grafen von Paris.

Bevorzugt wurden später auch die Welfen, die Ver-wandten der ehrgeizigen Kaiserin Judith, seiner zwei-ten Gattin. Ihre Mutter Heilwig bekam die vornehmeKönigsabtei Chelles geschenkt, ihr Bruder Rudolf dieKlöster Saint-Riquier und Jumièges, ihr Bruder Kon-rad, der als Magnat in Alemannien aufstieg, erhieltSankt Gallen und zudem als Ehefrau Adelheid, dieTochter des Grafen Hugo von Tours, LudwigsSchwiegervater.17

Kaum war der Monarch in der Aachener Pfalz, daübernahm er nicht nur »alle Reiche, welche Gott sei-nem Vater gegeben« – schön gesagt von einem Groß-räuber der Weltgeschichte –, sondern er ließ sich, wie

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4.121 Deschner Bd. 5, 34Säuberung Aachens von »Hochverrätern« und ...

verständlich, so Chorbischof Thegan, »vor allem mitgroßer Eile alle Schätze des Vaters in Gold und Sil-ber, wertvollen Edelsteinen« etc. zeigen – und schick-te »den größten Teil des Schatzes« natürlich »nachRom zur Zeit des seligen Papstes Leo ...« Herrschtdort doch immer Not wie nirgends. Und hatte ja auchLudwigs Vater dem »Heiligen Stuhl« schon großzü-gig massenhaft geraubtes Gut gesandt (IV 488). Dennwie Goethes »Faust« weiß:

»Die Kirche hat einen guten Magen,Hat ganze Länder aufgefressenUnd doch noch nie sich übergessen ...«18

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4.122 Deschner Bd. 5, 35Der Kaiser, der Klerus und die Reichseinheit

Der Kaiser, der Klerus und die Reichseinheit

Ludwig der Fromme kam überhaupt der Geistlichkeitnoch mehr entgegen als der Vater, und die zahlreichenHistoriker, die ihn gottergeben, klerushörig, bigottnennen, haben durchaus recht. Schon zu Beginn sei-ner Regierung erneuerte der junge Monarch »alle Ver-ordnungen, welche zu Zeiten seiner Voreltern für dieKirche Gottes erlassen waren«. Dabei stützte er sichfast ausschließlich auf Geistliche, zumeist »Aquita-nier«, Leute, von denen selbst der dem Kaiser wohl-gesonnene Bischof Thegan wieder meint, er habe»seinen Ratgebern mehr vertraut als nötig war«.19

Mit Ausnahme des Erzkapellans Hildebald vonKöln ließ Ludwig keinen der bisher führenden Män-ner des Staates im Amt; er besetzte so gut wie allemaßgebenden Hofstellen neu, zumal mit Leuten eben,die schon in Aquitanien leitenden Einfluß besessen.

Darunter war der Priester Helisachar, der seit 808bereits der aquitanischen Kanzlei vorgestanden undnun in Aachen die Reichskanzlei übernahm, bald ge-nerös beschenkt mit der Abtei St-Aubin, dann mit derAbtei St-Riquier und wahrscheinlich auch noch mitdem besonders reichen St-Jumièges samt seinem weitgestreuten Besitz vom Loire- bis zum Schelderaum.Zum Dank dafür ging der Priester und Abt beim Auf-

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4.123 Deschner Bd. 5, 36Der Kaiser, der Klerus und die Reichseinheit

stand 930 zu Ludwigs Feinden über.20

Der vermutlich wichtigste Berater des Kaisers aberwurde der von ihm hoch verehrte Westgote Witiza,mit dem programmatischen Mönchsnamen Benedikt,ein Sohn des Grafen von Maguelonne, eines gefürch-teten Haudegen. Wie denn auch der an den HöfenPippins III. und Karls I. aufgewachsene Benedikt(Fest: 11. Februar) als guter Christ an den Kriegszü-gen Pippins – ja gleichfalls ein »guter Christ« und»großer Soldat« (IV 371 ff.) – wie Karls teilgenom-men, ehe ihn der tragische Tod seines Bruders in dieMönchskutte trieb. Doch scheiterte er in seiner Aske-ten-Laufbahn wiederholt. Das Kloster St. Seine beiDijon verließ er, weil es ihm zu lax erschien. Dannstieß er auf dem väterlichen Erbgut zu Aniane beiMontpellier seine ersten Jünger durch Rigorismus ab.Nun bekannte er sich zu den Mönchsregeln von Pa-chomius (I 163) und Basilius; denn die Regel Bene-dikts von Nursia fand er »nur für Schwächlinge undAnfänger« tauglich. Doch als er erneut in eine »Beru-fungs«-Krise geriet, erhob er – »kompromißlos« (Le-xikon für Theologie und Kirche) – eben diese verwor-fene Regel für »Schwächlinge und Anfänger« zur ein-zig gültigen Regel klösterlicher Existenz und wurdeder »zweite Benedikt«.

Allzu schwächlich ging es aber unter Benediktkaum zu. Tadelte seine Mönche ein Vorgesetzter,

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4.124 Deschner Bd. 5, 36Der Kaiser, der Klerus und die Reichseinheit

mußten sie sich zu dessen Füßen legen, bis er ihnendas Aufstehen erlaubte. Und als ein Mönch flüchtete,befahl Benedikt, ihn mit gefesselten Beinen zurückzu-schleppen und auszupeitschen. Auch ließ der Heiligein jedem Kloster ein Gefängnis einrichten – und diemittelalterlichen Klosterkerker waren barbarisch, dieVollzugsbedingungen darin »äußerst hart«, da dieHaft »in den Auswirkungen einer Leibesstrafe gleich-kam« (Schild). Zudem enthielt diese Klosterreform»stets eine gegen menschliche Wissenschaft und Bil-dung gerichtete Spitze« (Fried).21

Abt Benedikt von Aniane, dem Ludwig zuerst imElsaß das Kloster Maursmünster anvertraute, dann,nächst Aachen, das Kloster Inden (Kornelimünster),eine reich mit Krongut ausgestattete Neugründung,eine Art »Musterkloster« im Gesamtreich, weilte häu-figer am Hof als in seinem Kloster, das der Herrschergleichwohl oft besuchte, was diesem den Beinamen»der Mönch« eintrug. Benedikt, der über alle fränki-schen Klöster gebot, blieb bis zu seinem Tod (821)wohl auch der maßgebende Mann am Hof, wo er sichum Kleines, um Bittschriften, Beschwerden ebensokümmerte wie um Großes und nicht zuletzt den Kai-ser bei der 816 begonnenen umfassenden weltlich-kirchlichen Reform beriet.

Die Reformbewegung des Abts gemäß der Regeldes Benedikt von Nursia suchte aus den vielen Völ-

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4.125 Deschner Bd. 5, 37Der Kaiser, der Klerus und die Reichseinheit

kern des Reiches – und dies entsprach genau derstaatlichen Politik – ein einziges Christenvolk, dasChristentum überhaupt zur Grundlage des gesamtenöffentlichen Lebens zu machen, ja, die »Civitas Dei«auf Erden herzustellen: Ein Gott, eine Kirche, einKaiser, dessen Amt immer mehr als ein von Gott ver-liehenes Amt innerhalb der Kirche galt.

Die Prälaten waren deshalb stark an der Einheit desReiches interessiert, und gerade ihre Führer verfoch-ten den Gedanken dieser Einheit leidenschaftlich.Dabei ging es ihnen keinesfalls in erster Linie um dasReich, sondern um die Kirche, hatten sie nicht dessen,sondern deren Vorteil im Auge. Denn das Teilungs-prinzip, in der Staats- und Rechtsanschauung tief ver-wurzelt, führte bei konsequenter Anwendung zuimmer mehr Teilreichen, je mehr erbberechtigteSöhne ein Herrscher hinterließ, und folglich auch zuimmer kleineren Teilreichen, das heißt zu immer grö-ßerer Zersplitterung. Mit der Zerreißung des staatli-chen Verbands aber zerriß auch der kirchliche, kamendie zahlreichen, oft weit zerstreuten Ländereien vonKirchen und Klöstern unter die verschiedensten Her-ren, wurde das Kirchengut schwerer verwaltbar,schwerer kontrollierbar, und es konnte leichter undschneller, zumal in Krisenzeiten, konfisziert werden.Kurz, für niemand waren die Nachteile der Zersplitte-rung und die Vorteile der Einheit des Reiches größer

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4.126 Deschner Bd. 5, 37Der Kaiser, der Klerus und die Reichseinheit

als für die Bischöfe.Betraf ja auch Benedikts Klosterreform, sein »Prin-

zip der una regula«, nicht nur das Mönchsleben, soge-nannte geistliche Dinge. Mindestens ebenso wichtig,wenn nicht wichtiger, war das Kirchengut. Der Kaiserwollte es weder teilen noch mindern lassen, auchunter seinen Nachfolgern nicht. Allerdings verbot erauch die schon längst florierende Seelenfängerei, dasLocken von Kindern, von Männer und Frauen insKloster, um an ihr Vermögen zu kommen; verbotsomit ein seit der Antike (vgl. III 475 ff. bes. 502 ff.)und soweit möglich noch heute hochbeliebtes Ge-schäft, Verwandte zugunsten von Kirchen zu enter-ben.22

Wohl den größten Einfluß auf den Kaiser bekamneben dem bisherigen aquitanischen Kanzler, demPresbyter und Abt Helisachar, und neben Abt Bene-dikt von Aniane, zumal seit 819, Hilduin, Abt vonSt-Denis, St-Médard in Soissons, St-Germain-des-Près in Paris (einem Kloster, dem damals allein in dernäheren und weiteren Umgebung mehr als 75000Hektar Land gehörten!). Abt Hilduin leitete nach demTod des Erzkapellans und Erzbischofs Hildebald vonKöln die Hofkapelle, die Hofgeistlichkeit und setzteallmählich den Titel »Erzkapellan« (archicapellanus)durch. Beim ersten Aufstand gegen Ludwig 830 frei-lich wechselte Abt Hilduin, wie Abt Helisachar, ins

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4.127 Deschner Bd. 5, 37Der Kaiser, der Klerus und die Reichseinheit

Lager der kaiserlichen Feinde, wo sich u.a. auch derFührer des gallischen Episkopats, Erzbischof Ago-bard von Lyon, einfand, der große Judenfeind, der ge-rade unter Ludwig besonders hervorgetreten war.23

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4.128 Deschner Bd. 5, 38Die Ordinatio imperii (817) und die Ironie der ...

Die Ordinatio imperii (817) und die Ironie derGeschichte

Die grundlegende, auf der von weltlichen und geistli-chen Großen stark besuchten Aachener Reichsver-sammlung im Juli 817 vorgenommene und durch drei-tägiges Fasten, Beten, Messelesen eingeleitete Verfas-sungsänderung verfügte die unteilbare Einheit derHerrschaft im Frankenreich. Das neue Thronfolgege-setz, die Ordinatio imperii, ersetzte die Divisio regno-rum, das Reichsteilungsgesetz und die Nachfolgeord-nung Karls I. vom 6. Februar 806 (die – gemäß demfränkischen Erbrecht – die Teilung des Reichs unteralle Kaisersöhne vorsah) und ordnete, neu in der frän-kischen Geschichte und entgegen dem bisherigenBrauch der Reichsteilungen, dem traditionell gleichenErbrecht aller legitimen Königssöhne, ordnete jetztder Unitas ecclesiae die Unitas imperii zu und ver-dammte jede Spaltung als Verbrechen am CorpusChristi. Uralte Thronfolgeordnungen, Rechtsprinzi-pien wurden damit umgestoßen, nicht zuletzt im Inter-esse der Kirche, ja »vornehmlich von Kreisen derhohen Geistlichkeit« (Schieffer).

Die ganze Sache hatte man natürlich im engstenZirkel genau beredet. Doch da das alles tiefeingewur-zelten Rechtsanschauungen widersprach, da es neuKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.129 Deschner Bd. 5, 39Die Ordinatio imperii (817) und die Ironie der ...

war, war es auch, »wie stets in solchen Fällen«, sagtBernhard Simson, notwendig, »das neue Recht, wel-ches man schaffen wollte, mit einer religiösen Weihe,mit dem Schein göttlicher Eingebung und Vorsehung,zu umkleiden«. In wohlgeübter Heuchelei gab manalso vor, durch drei Tage lange allgemeine Fasten,durch Beten, Messelesen etc. den Willen des Aller-höchsten zu erforschen, und anschließend verkündeteder fromme Fürst, was längst beschlossene Sache undhauptsächlich »das heilige Interesse der Kirche« war,als plötzliche göttliche Eingebung. So durfte jetztnicht aus Ludwigs Liebe zu den Söhnen das Reichzerrissen, vielmehr mußte der älteste Sohn, Lothar,aus Gehorsam zu »Gott« Alleinherrscher werden. Undso wurde er denn auch »auf göttliche Eingebung hin«zum Mitkaiser gewählt und unmittelbar danach ge-krönt, wobei ihm nun Ludwig, wie diesem einst des-sen Vater, den Schutz der Kirche und besonders desApostolischen Stuhles ans Herz gelegt hat. Allerdingsbekam Lothar die Krone aus eigener Hand, also ohnepäpstliche oder bischöfliche Vermittlung; er bekamauch den größten Reichsteil.

Die jüngeren Söhne, Pippin und Ludwig, erhieltenden Königstitel sowie verhältnismäßig kleine, wennauch nicht unbedeutende Gebiete: Pippin Aquitanien,Waskonien, die Mark Toulouse nebst einigen weite-ren Grafschaften, Ludwig den größeren Teil Bayerns,

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4.130 Deschner Bd. 5, 39Die Ordinatio imperii (817) und die Ironie der ...

die Ostmark, Pannonien und Kärnten. Beide wurden,um nach Ludwigs Tod dem Zerfall des Reiches inTeilreiche vorzubeugen, Lothar nachdrücklich unter-geordnet, in den wichtigsten Herrscherrechten erheb-lich entmachtet, auf die Innenpolitik beschränkt undals Unterkönige dem Kaiser zum jährlichen Rapportverpflichtet; auch durften sie nur mit seiner Bewilli-gung heiraten und hatten zudem der Reichsversamm-lung zu gehorchen. Kurz, die jüngeren Brüder wurdenvon jeder gleichberechtigten Teilnahme an der Re-gentschaft ausgeschlossen.

Andererseits haben die Unterkönige das Recht, alleÄmter in ihren Reichen zu vergeben, nicht nur dieweltlichen, wie die Grafschaften, sondern auch diegeistlichen, die Bischofssitze und Abteien. Undselbstverständlich behalten die fränkischen Bistümerund Klöster (St-Denis, St-Germain-des-Prés, Reims,Trier, Fulda u.a.) ihre eher mehr als weniger ausge-dehnten Besitzungen in Aquitanien, Italien sowie an-deren abhängigen Gebieten.

Auf der Reichsversammlung von Aachen 817 wur-den also die Teilreiche zu Reichsteilen. Sie solltenkeine selbständigen Staaten, sondern Lothar, dem Be-herrscher des Gesamtreiches, unterstellt und jede wei-tere Teilung, etwa infolge weiterer gesetzlicher Erbender Brüder, ausgeschlossen sein. Alle schworen, dievom Kaiser eigenhändig unterzeichneten Verfügungen

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4.131 Deschner Bd. 5, 40Die Ordinatio imperii (817) und die Ironie der ...

zu halten.24

Die Ironie der Geschichte: Karls I. Divisio regno-rum von 806 sah die Reichsteilung unter seine dreiSöhne vor. Da aber die beiden älteren Söhne starben,wurde Ludwig Alleinherrscher und das Reich bliebungeteilt. Ludwigs Ordinatio imperii von 817 suchtedie Reichseinheit unter allen Umständen zu sichern.Doch das Unterfangen mißlang – trotz göttlicher Ein-gebung –, und das Reich wurde geteilt. Nicht zuletztdeshalb, weil König Bernhard von Italien, ein Neffedes Kaisers, in der Ordinatio imperii sang- und klang-los übergangen worden, aber auch keiner der jüngerenKaisersöhne damit einverstanden war. Die neue Ord-nung führte – wie so oft, ja, wie gewöhnlich – zuneuem Streit, zu fortgesetzten Rivalitäten innerhalbdes Kaiserhauses und damit zur beginnenden großenKrise des karolingischen Imperiums.

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4.132 Deschner Bd. 5, 40Ludwig der Fromme läßt Verwandte schinden

Ludwig der Fromme läßt Verwandte schinden,scheren und legt ein öffentliches

Schuldbekenntnis ab

Das erste Aufbegehren gegen Ludwigs neue Rege-lung, welche die Einheit von Reich und Kirche, Thronund Altar sichern sollte, ging von Bernhard von Itali-en aus. Der einzige Sohn König Pippins, des Awaren-schatz-Räubers (IV 487 f.), nach dem Tod seines Va-ters (810) im Kloster Fulda erzogen, amtierte seit demAachener Reichstag vom September 813 offiziell als»König der Langobarden«. Er hatte beim Regierungs-wechsel dem neuen Kaiser gehuldigt, war »wieder un-versehrt«, wie Chorbischof Thegan sagt, nach Italiengelassen, aber zum Reichsteilungsgesetz weder hinzu-gezogen noch darin auch nur erwähnt worden. Dochals er kraft der Ordinatio imperii Ludwigs Sohn Lo-thar I. so unterstehen sollte wie bisher Karl »demGroßen«, seinem Großvater, und Kaiser Ludwig, em-pörte er sich mit zahlreichen Magnaten seines Rei-ches. Allerdings ging die Initiative dazu, wie dieQuellen übereinstimmend berichten, nicht von demjungen, etwa 20jährigen König aus, sondern von sei-nen Beratern.

Wenige Monate nach Veröffentlichung der Ordina-tio imperii von 817 hat also der darin gänzlich über-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.133 Deschner Bd. 5, 41Ludwig der Fromme läßt Verwandte schinden

gangene Bernhard – zusammen mit »einigen schlech-ten Menschen« (Annales regni Francorum), ihn auf-stachelnden Großen, darunter Bischof Theodulf vonOrléans, der Hofpoet, die Bischöfe Anselm von Mai-land und Wolfold von Cremona sowie, nach eineralten Quelle, auch Äbte – einen zwar weit verzweig-ten, aber schlecht vorbereiteten »Aufstand« inszeniert.Ludwig sollte angeblich entthront und Bernhard anseine Stelle gesetzt werden. Doch spricht alles dafür,daß es hier um keinen Thronsturz ging, sondern umdie Sicherung von Bernhards Teilkönigtum.

Der Kaiser mobilisierte umfangreiche Truppenver-bände, forderte noch von Äbten und Äbtissinnen,»den Kriegsdienst zu leisten«, weil »durch SatansList der König Bernhard sich zur Empörung« an-schicke, rückte in Eilmärschen gen Süden und ließ dieAlpenpässe nach Italien besetzen. Aber noch bevordie Erhebung recht begann, ja, ohne einen Schwert-streich stellte sich Bernhard mit seinen Getreuen inChalon-sur-Saône anscheinend freiwillig. Er tat seineWaffe ab und warf sich dem Kaiser zu Füßen. Ähn-lich Bernhards nächste Große, die »auch gleich beidem ersten Verhör aus freien Stücken den ganzenVerlauf der Sache offen darlegten«. Vergeblich. Lud-wig ließ sie festnehmen, nach Aachen schaffen unddort im Frühjahr 818 auf der Reichsversammlung,zartfühlender Weise, wie der Reichsannalist wieder

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4.134 Deschner Bd. 5, 42Ludwig der Fromme läßt Verwandte schinden

meldet, erst nachdem »die vierzigtägige Fastenzeitvorbei war«, zum Tod verurteilen, jedenfalls alle so-genannten Weltlichen, dann zur grausameren Strafeder Blendung »begnadigen«. Sie wurden »bloß desAugenlichts beraubt« – »juristisch einwandfrei«(Boshof).

Als Henker des »gegen andere stets gütigen Kö-nigs«, eines Monarchen, der »immer Milde zu übenpflegte«, »von Natur barmherzigen Sinnes«, walteteGraf Bertmund von Lyon. König Bernhard, von Lud-wig früher sein Sohn genannt und selber soeben Vatereines Sohnes mit dem Namen (des Großvaters) Pippingeworden, sah sich, wohl mit Recht, zu schwer be-straft. Er wehrte sich und starb mit leeren Augenhöh-len »trotz der gnädigen Handlungsweise des Kaisers«zwei Tage später, am 17. April 818. Auch sein Käm-merer und Berater Reginhard sowie Reginhar, derSohn des Grafen Meginhar, dessen Großvater Hadrad785 die Verschwörung der Thüringer gegen KaiserKarl angezettelt, wehrte sich und erlag der fürchterli-chen Prozedur; beide, weil sie »die Blendung nichtgeduldig genug ertrugen« (Anonymi vita Hludowici).

Die anderen überstanden sie. Und die beteiligtenBischöfe, Äbte und sonstige Priester kamen wieimmer viel glimpflicher davon, da sie nur von derSynode, von ihresgleichen, gerichtet wurden und dergeistliche Stand – was ja zur Kriminalität geradezu

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4.135 Deschner Bd. 5, 42Ludwig der Fromme läßt Verwandte schinden

animieren mußte – stets vor dem Schlimmsten schütz-te; leider nicht die »Laien« vor dem Schlimmsten derGeistlichkeit. Deren Rebellen wurden am 17. April818 in Klöster gebracht, weitere weltliche Teilnehmerentweder verbannt oder zu Mönchen geschoren, ihreGüter konfisziert.25

Seine Grausamkeit, besonders gegen den jungenund freundlichen, von seiner Umgebung verleitetenKönig Bernhard, wurde dem frommen Ludwig allge-mein verdacht. Er aber ließ jetzt, mißtrauisch gewor-den, sogar seine kleinen Stiefbrüder, die nicht »voll-bürtigen« Söhne Karls I., scheren, Drogo nach Lu-xeuil, Hugo nach Charroux, Theuderich an einen un-bekannten Ort stecken, sowohl wider ihren Willen alsauch erneut entgegen seinem eidlichen Versprechen,zu seinen Schwestern, Brüdern und allen übrigen Ver-wandten immer unwandelbar barmherzig zu sein (S.33). Doch so unterband er einen eventuellen An-spruch auf das Reich, eine Teilhabe an der Regierung.Später söhnte er sich mit den beiden aus und erkauftesich durch die Vergabe von geistlichen Posten undPfründen ihre dauernde Treue. Stiefbruder Drogowurde schon mit 20 Jahren Bischof von Metz, Stief-bruder Hugo Abt des reichen Klosters S. Quentin,Abt auch von S. Omer (Sithiu) und Lobbes; Theude-rich scheint früh gestorben zu sein.26

Vermutlich trug zu dem brutalen Vorgehen desKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.136 Deschner Bd. 5, 43Ludwig der Fromme läßt Verwandte schinden

Kaisers sein einflußreicher Freund Abt Benedikt vonAniane bei. Auffallend jedenfalls: kaum war der Hei-lige 821 gestorben, so begnadigte Ludwig noch imHerbst auf der Diedenhofener Reichsversammlung dieüberlebenden Rebellen, ja, die Brüder Adalhard undWala, die in jahrelanger Verbannung geschmachtet,holte er an den Hof zurück und machte sie zu wichti-gen Beratern.

Im August 822 legte Ludwig auf dem Reichstagvon Attigny an der Aisne gar ein öffentliches Schuld-bekenntnis ab. Er beklagte sein Verbrechen an dementsetzlich umgekommenen jungen Neffen Bernhard,beklagte die Hartherzigkeit gegenüber seinen gescho-renen kleinen Stiefbrüdern sowie gegenüber Adalhardund Wala, den Vettern seines Vaters: ein einmaligerVorgang in der fränkischen Geschichte, eine vomKlerus ausgehende Erniedrigung des Kaisers, hinterder vielleicht besonders die einst tief gedemütigtenKarlsvettern standen. Jedenfalls minderte der von denPrälaten verhängte Bußakt vor allem Volk das Anse-hen des Herrschers, während er das der Bischöfe hob,auch wenn sie beiläufig ihre Nachlässigkeit in Lehrewie Amt bekannten »an mehreren Orten, die aufzu-zählen nicht gut möglich sei«.27

Nein, da ist man diskret.

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4.137 Deschner Bd. 5, 43Die Habgier der Großen und die Habenichtse

Die Habgier der Großen und die Habenichtse

Bei dieser Entwicklung der Dinge verbesserten sichnicht die Zustände im Staat, es trat eine Verschlimme-rung ein. Wachsender Egoismus machte sich breit,Unzufriedenheit, Ungehorsam. Die Kriegszüge brach-ten immer häufiger keinen Erfolg, die Ränke am Hof,die Rechtsbrüche eskalierten, die Ausbeutung durchBedienstete wuchs, die Bestechlichkeit des Adels, dieBrutalität.

Die fortwährenden Fehden im Innern und Kriegenach außen (S. 45 ff.) hatten zwar die Reichen oft rei-cher gemacht, die Armen aber blieben arm oder ver-armten noch mehr. Sie wurden überdies durch dieHabsucht der Magnaten, der Priester weiter ge-schröpft, belastet, unterjocht. Weltliche wie geistlicheHerren diktierten die Preise, schindeten ihre Hörigen,ließen sie hungern. Selbst nach einem BiographenLudwigs fanden seine Königsboten »eine unzählbareMenge Unterdrückter«, die die Ungerechtigkeit derBeamten um Erbe oder Freiheit gebracht. Die Intrigender Großen aber, ihre Konkurrenzkämpfe, ihre Sucht,einander zu übervorteilen, sich immer fettere Pfrün-den zuzuschanzen, die in der Kirche grassierendeKorruption, die Simonie, die am schlimmsten in Romwar, all das vermehrte das Elend der Massen noch.

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4.138 Deschner Bd. 5, 44Die Habgier der Großen und die Habenichtse

Und während viele Mächtige, Reiche der Jagd frön-ten, dem Spiel, der Trunksucht, Völlerei, während sieder Blutrache nachgingen und allen Arten geschlecht-licher Exzesse, während sie manchmal mit Diebenund Verbrechern unter einer Decke steckten, besta-chen, sich bestechen ließen, prügelten sie die vonihnen Abhängigen, fast Rechtlosen, peitschten, ver-stümmelten, töteten sie. Und während die Bischöfe inÜppigkeit schwelgten, Luxus, in Machtrausch, wäh-rend auch Priester und Mönche ihre Häuser verließen,Klöster, während sie sich herumtrieben, dem Vergnü-gen nacheilten, Wuchergeschäften, während sie dasKirchengut verschleuderten, sie soffen, hurten undpredigten, daß »die Knechte den Herren von Naturgleich sind«, stießen sie die Masse des Volkes in stetsgrößere Armut, betrogen sie durch falsche Maße, Ge-wichte, durch blutsaugerische Preise. Nicht wenigeder Geschundenen wanderten aus oder rotteten sich zuBanden zusammen.

Karl Kupisch schreibt in seiner Kirchengeschichtedes Mittelalters, daß es auch mit den verschiedenen,von Ludwig dem Frommen begrüßten Anläufen zueiner Kirchenreform »schlecht stand«, denn: »In derKirche hatten diese Bemühungen wenig Erfolg, weilder hohe Episkopat nach dem Tode Karls des Großennach Unabhängigkeit und Vermehrung des Reichtumsstrebte. Aber auch in den Klöstern waren die Erfolge

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4.139 Deschner Bd. 5, 45Die Habgier der Großen und die Habenichtse

nur gering.«Es war eine Zeit, klagt Paschasius Radbertus, der

Abt von Corbie und Augenzeuge, die »die Bande derBrüderlichkeit und des Blutes auflöste, überall Feind-schaften entstehen ließ, Landsleute trennte, Glaubeund Liebe aufhören ließ, selbst den Kirchen Gewaltantat und überall Verderbnis hervorrief ...« Kurz, eswar eine christliche Zeit, eine Zeit, wie wir sie im we-sentlichen ja auch aus früheren Jahrhunderten kennen.Und, im wesentlichen wieder, doch auch aus allenspäteren. Es war eine Zeit, wie der Franke Nithard,einer der wenigen Laienschriftsteller des Frühmittelal-ters, meldet, in der es mit dem Reich ständig schlech-ter ging, weil jeder, von seinen bösen Leidenschaftengetrieben, nur den eigenen Vorteil suchte. Und letzte-res dürfte freilich wieder für viele Zeiten gelten – bisheute.

Zu den herrschenden Übelständen stießen Naturka-tastrophen, schier endlose Regengüsse, Hochwasser,Großbrände – anno 823 wurden allein in Sachsen 23Dörfer »bei Tage und heiterem Himmel« vom Blitzangezündet. Erdbeben erschütterten die Welt, Seu-chen brachen über alle Kreatur herein und verschon-ten manchmal »kaum ein Stück Landes«. Rauhe,langanhaltende, schneereiche Winter tobten, in denenMensch und Tier zugrundegingen, mitunter selbst diegrößten Ströme, Rhein, Donau, Elbe, viele Wochen

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4.140 Deschner Bd. 5, 45Die Habgier der Großen und die Habenichtse

lang so zugefroren waren, daß sie Wagen vollerFracht »wie auf einer Brücke« überqueren konnten,gefolgt im Frühjahr von verheerendem Eisgang. Un-gewöhnlich dürre, heiße Sommer kamen, Hungersnö-te, zeigt doch die landwirtschaftliche Produktion desFrühmittelalters überhaupt »alles andere als einenhohen Grad der Naturbeherrschung«, vielmehr »einniedriges Kulturniveau« (Bentzien). Die Sterblichkeitging um. Das Elend wuchs fortwährend in diesen frü-hen zwanziger Jahren.28

Dazu, wie stets, die Außenpolitik.

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4.141 Deschner Bd. 5, 46Außenpolitik oder »des Sommers liebliche Reize ...

Außenpolitik oder »des Sommers lieblicheReize ...«

Ludwig der Fromme führte, wie sich das für einenchristgläubigen Herrscher ziemte, fast Jahr für JahrKrieg, vor allem dynastischer Konflikte, innenpoliti-scher Probleme wegen. Immer wieder aber überschritter auch die Grenzen oder ließ sie überschreiten, nahmer als Gesamtherrscher doch beinah nie persönlich anFeldzügen teil, sondern ließ andere für sich kämp-fen – ja nun längst Methode aller Herrschenden in in-zwischen freilich viel größeren Gemetzeln.

Um Verträge kümmerte man sich kaum.Kurz nach Regierungsantritt des Kaisers suchte

zum Beispiel der Sarazenenkönig Abulaz, der Vaterdes 'Abdarrah.mān, Emir von Cordoba (796–822), umeinen dreijährigen Frieden nach. »Dieser wurde auchzuerst gewährt«, berichtet Ludwigs anonymer Bio-graph, »später aber als unvorteilhaft wieder verworfenund den Sarazenen Krieg angekündigt.« »Nach Auf-hebung des Scheinfriedens«, wie er ein anderes Malnotiert, wurde »der Krieg erklärt.« Frieden konntenweder die Merowinger noch die Karolinger brauchen.So geschah das Schlachten unter diesen christlichenFürsten fast so regelmäßig wie das Beten, jedenfallssobald die Pferde Futter fanden, sobald, so sagt die-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.142 Deschner Bd. 5, 46Außenpolitik oder »des Sommers liebliche Reize ...

selbe Quelle kurz darauf, »des Sommers lieblicheReize folgten ...« Ja, dann ließ man kaum einen dieserReize vergehn, ohne in irgendeiner Himmelsrichtung,in mehreren, mitunter auch in allen zuzuschlagen, na-türlich – »mit Christi Hilfe ...«29

Schließlich war Krieg gegen Heiden und Feinde derheiligen Kirche heilige Pflicht. Und wie schon dieerste christliche Majestät Feldpfaffen begleiteten (I247 ff.), so auch die karolingischen Regenten. »JederBischof soll drei Messen mit drei Psalmen feiern, einefür den König, eine für das Heer der Franken, die drit-te für die augenblickliche Bedrängnis.« Dabei plün-derten die fränkischen Haudegen im Feindesland hem-mungslos; vorher zu plündern war verboten. Dannaber wandte man »eine Politik der verbrannten Erdean ...; und wer immer dem Aufgebot in die Hände fiel,wurde umgebracht. Aquitanien, die Bretagne, Sach-sen, Septimanien und viele andere Gegenden wurdenderart verwüstet, daß die Folgen jahrhundertelangspürbar blieben« (Riché).30

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4.143 Deschner Bd. 5, 47Krieg gegen Dänen, Sorben und Basken

Krieg gegen Dänen, Sorben und Basken

Die neueste Forschung attestiert Ludwig dem From-men zwar den »Versuch einer durchgängigen ethi-schen Fundierung seiner Politik« (R. Schneider). Bei-seite aber, daß der Versuch noch keine Realität ist,die Politik wird nicht nur vom Kaiser und vom Kai-serhof gemacht. Und als Ludwig zu Beginn seiner Re-gierung in allen Teilen seines Reiches nachforschenließ, wie Chorbischof Thegan geradezu rührend un-schuldig schreibt, »ob irgend jemand ein Unrecht zu-gefügt wäre«, da fanden seine Männer »eine unzähli-ge Menge von Unterdrückten, sei's daß ihnen das vä-terliche Erbe entzogen oder die Freiheit geraubt war:was ungerechte Beamte, Grafen und Stellvertreter arg-listiger Weise zu tun pflegten ...« Doch sprang manschon mit den eigenen Untertanen so um, wie dannerst mit Feinden!

815 suchte ein sächsisch-abodritisches Heer dieDänen heim, kehrte aber, nach Verwüstungen »ringsumher«, mit vierzig Geiseln ohne Erfolg zurück. 816schickte Ludwig sein Kriegsvolk gegen die Sorben.Es kam diesmal dem kaiserlichen Befehl »kräftignach« (strenue compleverunt: Reichsannalen), und at-tackierte sie, so die Quellen, »ebenso schnell alsleicht mit Christi Hilfe« und trug »mit Gottes Hilfe

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4.144 Deschner Bd. 5, 47Krieg gegen Dänen, Sorben und Basken

den Sieg davon«; der Kaiser aber »begab sich zurJagd nach dem Wasgenwald«. Ferner wurden damalsam anderen Ende des Reiches, an den Nordhängen derPyrenäen, die gleichfalls aufsässigen Basken überwäl-tigt, wenn auch erst nach zwei Feldzügen, dafür aber»vollständig« (Annales regni Francorum), worauf sie,so der Anonymus, »sehr nach der Unterwerfung ver-langten«, die sie doch gerade abzuschütteln such-ten.31

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4.145 Deschner Bd. 5, 48Krieg gegen die Bretonen

Krieg gegen die Bretonen

Wiederholt führte Ludwig verheerende Unternehmengegen die aufständischen Bretonen durch, deren Für-sten manchmal den Königstitel selbst beanspruchten.Mehrmals griff er »das lügenhafte, hochmütige undrebellische« Volk an, das nicht einmal sein Vaterganz niedergerungen hatte, das vor Karl und Pippinschon die Merowinger stets von neuem bezwingenwollten.

Im Sommer 818 rückte er in persona – beinah seineinziger Kriegszug als Kaiser – mit Franken, Burgun-dern, Alemannen, Sachsen und Thüringern gegen die»ungehorsamen Bretonen, welche soweit in ihrerFrechheit gingen, daß sie einen der Ihrigen, Marma-nus, zum König zu ernennen wagten und jeglichenGehorsam verweigerten« (Anonymus). Die herrischenChristen freilich, die auf die ihnen so fremden Men-schen – wie ihr König Morman doch gleichfalls Chri-sten – herabsahen, forderten die »Oberhoheit«, Unter-ordnung, Zins. Die Versagung der Huldigung, desTributs (fünfzig Pfund Silber »von altersher«) reichteihnen gewiß als Kriegsgrund. Doch mochten Ludwigauch klerikale Motive bewegen. Die bretonische Kir-che war noch ziemlich selbständig, das heißt mehrdurch die schottische, von den benediktinischen Re-

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4.146 Deschner Bd. 5, 48Krieg gegen die Bretonen

geln abweichende Kirche bestimmt, dem EinflußRoms merklich entzogen. Der fränkische Klerus ver-abscheute vor allem die größere Freiheit des bretoni-schen Eherechts, die Gestattung der Ehen unter nahenVerwandten.

Schon auf dem Anmarsch wallfahrtete Ludwig inParis erst wieder von Kirche zu Kirche. Und unter-wegs besuchte er Kloster um Kloster, wurde er vonden Äbten Hilduin von S. Denis, Durandus von S.Aignan, einem eifrigen Beamten seiner Kanzlei, vonAbt Fridugis von S. Martin in Tours u.a., wie das soBrauch war, reich beschenkt. Dann verwüstete erweithin das Land; doch alles, so der Reichsannalist,»ohne große Anstrengung«. Der fromme Herrscher,von dem seinerzeit Bischof Thegan vorsichtig rühmt:»Er nahm von Tag zu Tag zu an heiligen Tugenden,was aber aufzuzählen zu weit führen würde«, erdrück-te die Bretonen durch seine Übermacht. Er äschertesämtliche Gebäude, mit Ausnahme der Kirchen, einund ließ sich während all der Mordbrennereien vondem Abt Matmonocus von Landevennec ausführlichüber das Mönchswesen des Landes unterrichten.

Töten und beten, beten und töten, dann war allesgut, alles, zumindest im Krieg, erlaubt – vorausge-setzt es geschah auf der »rechtgläubigen« Seite.König Morman, der einen Teil des fränkischen Tros-ses niedergemacht, fiel durch einen Aufseher der kai-

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4.147 Deschner Bd. 5, 49Krieg gegen die Bretonen

serlichen Pferde, Choslus, der ihm den Speer durchdie Schläfen rammte, mit dem Schwert dann den Kopfabschlug, bevor er selbst durch einen Bretonenumkam, den wieder der Knappe des Choslus nieder-streckte, worauf ihn noch, bereits sterbend, der Breto-ne abstach: Innenansichten des Krieges, ein Schnapp-schuß sozusagen vom süßehrenvollen Tod fürs Vater-land ... Eine Menge Gefangene, viel Vieh wurde weg-geführt, und die Bretonen unterwarfen sich – »aufwelche Bedingungen immer der Kaiser wollte ... UndGeiseln, wen und wieviel er befahl, wurden gestelltund angenommen, und das ganze Land nach seinemWillen eingerichtet«, schreibt der Astronomus.32

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4.148 Deschner Bd. 5, 49Krieg gegen Abodriten und Basken

Krieg gegen Abodriten und Basken

819 warf Ludwig ein Heer über die Elbe geben dieAbodriten. Man schleppte ihren abtrünnigen FürstenSclaomir (809–819) nach Aachen, nahm sein Landund verbannte ihn; wenig später jagte man ihn wiederzurück, aber noch in Sachsen erlag er einer Krankheit,immerhin inzwischen mit dem Sakrament der hl.Taufe versehen; war das Slawenvolk an der Elbe dochdurchaus noch heidnisch und Ludwigs Oberhoheitnoch 838 und 839 schweren Aufständen ausgesetzt(S. 95).

Auch wider die aufmüpfigen Basken oder die mitihnen verwandten Waskonen errang der Fürst, ja sooft als friedfertig gepriesen, 819 einen blutigen Sieg.

Seit dem Fiasko von Roncevaux war die Gascognefür die Franken eine Art Niemandsland, vom Grafenvon Toulouse nur mühsam überwacht. Ludwig selbstbesuchte als Kaiser zwar nie mehr das Land seinerfrühen Schlachterfahrung, setzte aber das Grenzgebietzum islamischen Spanien 816 der verstärkten Kon-trolle eines Grafen von Bordeaux und Herzogs derWaskonen aus. Und 819 stellte sein Sohn Pippindurch einen Kriegszug in die Gascogne, im Frühmit-telalter ein eigenes Herzogtum, »die Ruhe in dieserProvinz so vollständig her, daß man keinen Empörer

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4.149 Deschner Bd. 5, 49Krieg gegen Abodriten und Basken

oder Ungehorsamen mehr darin fand«; indes der Re-gent – wie wieder Reichsannalist und Astronomusmelden – »in der üblichen Weise« sich »der Jagd inden Ardennen« zuwandte. – Mit den Mauren freilichgab es in den zwanziger Jahren stets erneute Zusam-menstöße.33

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4.150 Deschner Bd. 5, 50Krieg gegen die Kroaten

Krieg gegen die Kroaten

Einen dreijährigen Krieg mit großem Aufgebot führteder Kaiser gegen die Kroaten.

Die Kroaten waren Slawen, die in den ersten nach-christlichen Jahrhunderten als Nomaden oder Halbno-maden durch das Schwarzmeergebiet in den Karpa-tenraum, im 7. Jahrundert nach Dalmatien und Panno-nien zogen. Doch ist über ihre Geschichte in dieserund der nächstfolgenden Zeit fast nichts bekannt. Um800 wurden sie während der Awarengemetzel (IV 485ff.), wenn auch noch nicht endgültig, unterworfen,auch Christen, und Pannonisch- wie Dalmatinisch-Kroatien dem Patriarchen von Aquileja kirchlich un-terstellt.

819 erhob sich der zwischen Drau und Save regie-rende Herzog von Niederpannonien, Ljudevit Posav-ski (gest. 823), gegen das Reich, aufgestachelt übri-gens von dem Patriarchen Fortunatus von Grado, derLjudevit sogar die zum Festungsbau benötigtenHandwerker, die Baumeister und Maurer, stellte.

Einst hatte der Patriarch es zwar sehr mit demmächtigen Karl gehalten, war wiederholt im Nordenerschienen, das erstemal mit reichen Geschenken be-reits im Sommer 803 in der Pfalz Salz (heute BadNeustadt) an der Saale, vom Herrscher selbst auch

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4.151 Deschner Bd. 5, 51Krieg gegen die Kroaten

mit umfassenden Privilegien beglückt, u.a. mit einemBenefizium im Frankenreich. Jetzt aber glaubte derwendige, seiner Hab- und Machtsucht frönende Kir-chenfürst an die stärkere Potenz der slawischen Stäm-me, an die Zukunft des Slawenreiches in seiner Nach-barschaft, witterte dort seinen Vorteil und kollaborier-te entsprechend. (Solche Wendungen nach Osten gibtes im Lauf der Jahrhunderte unter erfolgsgierigen Prä-laten immer wieder, natürlich auch und gerade inRom – bis hin, beispielsweise, zu Leo XIII., der vordem Ersten Weltkrieg vollen Kurs nicht nur aufFrankreich, sondern mehr noch auf Rußland nahm.)

Hatte aber Patriarch Fortunat einst aus Furcht vorder Rache der Byzantiner Karls Schutz gesucht, sofloh er nun, an den Hof Kaiser Ludwigs befohlen,nach Byzanz. (Es gibt – auch gelehrte – Schwachköp-fe, Opportunisten, die aller Welt stets von neuem densuperdummen Satz unterjubeln, mit dem man gar er-giebig im Trüben fischt: die Geschichte wiederholtsich nicht. Doch alles Geschichtstypische, -notori-sche, Verrat, Unterdrücken, Verdummen, Ausbeuten,Wirtschaftskrisen, Währungsschwindel, staatlich ver-ordneter Mord und Totschlag, all das wiederholt sichunablässig (vgl. I 30 ff.). Was tut's, wer jeweils denTanz ums Goldene Kalb an- und die Tanzenden ander Nase herumführt – in der Hauptsache: semperidem.

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4.152 Deschner Bd. 5, 51Krieg gegen die Kroaten

Bei seiner Erhebung gegen die fränkische Zentral-gewalt 819 behauptete sich Ljudevit zwar zunächstgegen den Markgrafen Cadolah von Friaul, wurdedann aber an der Drau von dem Nachfolger Cadolahs(der selbst seinen glanzlosen Rückzug nicht überleb-te), dem Markgrafen Balderich von Friaul, geschlagenund aus dem Land gejagt. Doch konnte Ljudevit nochBorna, den Herrscher über Küstenkroatien, mit demer 818 zum Hoftag in Aachen anreiste, an der Kulpabesiegen; wobei Ljudevits eigener Schwiegervater,Dragamosus, als Mitstreiter Bornas umkam, dieseraber dank seiner Leibwache zu fliehen vermochte. DerKroatenfürst suchte auch weiter seinen Vorteil bei denFranken und leistete dem in Dalmatien eingedrunge-nen Rivalen von den festen Küstenplätzen aus erfolg-reich Widerstand; griff ihn bald im Rücken, bald vonder Seite an, angeblich Tag und Nacht, und zwang ihnzuletzt zu einem verlustreichen Abzug, »denn dreitau-send seiner Leute waren gefallen, über dreihundertRosse gefangen«, behauptet der Reichsannalist, wäh-rend sich der Herrscher wieder einmal im königlichenJagdrevier in der Eifel von den Regierungsstrapazenerholte. 820 erschien Borna erneut in Aachen, um dorteinen gemeinsamen Krieg gegen Ljudevit vorzuschla-gen, starb freilich bereits im folgenden Jahr, wahr-scheinlich eines gewaltsamen Todes.

820, sobald die Pferde draußen Futter fanden, bra-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.153 Deschner Bd. 5, 52Krieg gegen die Kroaten

chen drei Heere Ludwigs von drei Seiten zugleich,aus Italien, Kärnten sowie aus Bayern und Oberpan-nonien, in Ljudevits, »des Tyrannen« (Anonymi vitaHludowici), Gebiet ein und brandschatzten »fast dasganze Land« (Annales regni Francorum), blieben imübrigen aber erfolglos. Ja, ein beträchtlicher Teil der(durch Pannonien gezogenen) Truppe ging an einerSeuche zugrunde, während sich Ludwig der Frommejetzt »in der üblichen Weise der Jagd« in den Arden-nen widmete. Und bereits im nächsten Jahr, 821,machten wieder drei seiner Schlachthaufen »das ganzeGebiet« des Ljudevit zuschanden, indes Majestät nun»den Rest des Sommers und den halben Herbst aufder Jagd im abgelegenen Wasgenwald zubrachte«(Reichsannalen).

822 focht man fast in allen Himmelsrichtungen.Im Südosten warf man aus Italien Militär nach

Pannonien. Der Kroate mußte diesmal nach Serbienausweichen, wo er Schutz und Gastfreundschaft einesSerbenführers genoß, den er heimtückisch ermordete,um sich seiner Burg und Stadt zu bemächtigen. Docherst als man Ljudevit selbst 823 in der Burg Srb ander Una beseitigte, als er »von jemand durch List ge-tötet wurde«, übrigens als Gast eines Onkels desKroatenfürsten Borna, kam der ganze Raum zwischenDrau und Save wieder unter fränkische Oberhoheit.34

Im Norden, wo die Sachsen auf Ludwigs Befehl inKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.154 Deschner Bd. 5, 52Krieg gegen die Kroaten

Delbende jenseits der Elbe eine Feste erbaut hatten,legte man eine Besatzung in den Ort und vertrieb »diebisherigen slavischen Bewohner aus der Gegend«(Annales regni Francorum).35

Und auch im Südwesten, im Nordwesten: Raubund Mord.

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4.155 Deschner Bd. 5, 53Krieg in Spanien und gegen die Bretonen

Krieg in Spanien und gegen die Bretonen

Die Grafen der spanischen Mark fielen über denSegre »in das Innere von Spanien« ein und kehrten»mit großer Beute von dort glücklich zurück«, nach-dem »sie alles verwüstet und verbrannt«, wie derAstronomus schreibt. Ebenso registriert der Reichsan-nalist die Verheerung der Felder, das Verbrennen derDörfer sowie »nicht geringe Beute« und fügt unmit-telbar darauf hinzu: »In gleicher Weise wurde nachder Tag- und Nachtgleiche, im Herbste, von den Gra-fen der bretonischen Mark in das Besitztum eines auf-rührerischen Bretonen namens Wihomarkus ein Ein-fall gemacht und alles mit Feuer und Schwert verwü-stet.« Und warum nicht – schließlich galt das Kaiser-tum »als göttlicher Auftrag und wie ein kirchlichesAmt« (Schieffer). Ludwig aber begab sich danach»auf die Jagd in die Ardennen« und dann zu einemReichstag in Frankfurt, wo er »von allen Ostslaven ...Gesandtschaften mit Geschenken zu empfangen«hatte: von Abodriten also, Sorben, Wiltzen, Böhmen,Mährern, Prädenecentern (einer östlichen Abodriten-Gruppe im Gau Branitschewo) sowie von den AwarenPannoniens – dieses Volk verschwindet danach fürimmer aus der Geschichte.36

Denn natürlich ließ man sich bei Hof nicht lumpenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.156 Deschner Bd. 5, 53Krieg in Spanien und gegen die Bretonen

und seine Furchtbarkeit honorieren. Noch den fernenFürsten Grimoald von Benevent verpflichtete der Kai-ser von seinem Regierungsantritt an, »durch Vertragund Eide (pacto et sacramentis), jährlich 7000 SolidiGold in den königlichen Schatz zu zahlen« (AnonymiVita Hludowici).37

824 zog der Monarch mit drei Heeresgruppen –eine führte er selbst – wieder gegen die Bretonen undihren Fürsten Wihomarch, den Nachfolger Mormans.Die beiden anderen Armeen kommandierten die kai-serlichen Söhne Pippin und Ludwig, wobei sich of-fenbar besonders die Führer der angrenzenden Gaue,die Grafen von Tours, Orléans und Nantes, engagier-ten.

Wie im Herbst Drossel und andere Vögel in dich-ten Schwärmen in die Weinberge einfallen, um dieTrauben zu holen, so kamen die Franken sofort beiErntebeginn und plünderten den reichen Ertrag desLandes. Dies erzählt im vierten Gesang seines Hel-denepos der fränkische Priester Ermoldus Nigellus,der, bewaffnet mit Schild und Schwert, den Feldzuggegen die Bretonen (nicht ohne Selbstironie) begleitetund als große Leistung Ludwigs besungen hat. »Siesuchten nach den in Wäldern, Sümpfen und Gräbenversteckten Reichtümern. Sie nahmen unglückseligeMenschen, Schafe und Rinder mit. Die Franken ver-wüsteten alles. Die Kirchen wurden, wie es der Kaiser

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4.157 Deschner Bd. 5, 54Krieg in Spanien und gegen die Bretonen

befohlen hatte, geschont, aber alles andere wurde inBrand gesteckt.«

Über vierzig Tage, melden die fränkischen Quellen,verödete Ludwig der Fromme »das ganze Land mitFeuer und Schwert«, suchte er es »mit großer Verhee-rung« (magna plaga) heim – er, der doch »der frömm-ste der Kaiser ist«, wie ihn Chorbischof Theganpreist, »da er schon früher seine Feinde schonte, dasWort des Evangelisten erfüllend, wo gesagt ist: ›Ver-gebet und es wird euch vergeben werden‹«. Ludwigzerstörte Felder und Wälder, ruinierte weithin denViehbestand, tötete viele Bretonen, schleppte vielegefangen fort und kehrte mit Geiseln von »dem treulo-sen Volk« zurück. (König Wihomarch wurde balddarauf von den Leuten des Grafen Lambert von Nan-tes in seinem eigenen Haus umzingelt und erschla-gen.)

Weniger »glücklich« endete im gleichen Jahr einemilitärische Expedition nach Pamplona, wo auf demRückweg durch die Pyrenäen die Franken im selbenEngpaß von Roncevalles ihr Schicksal ereilt habensoll, in dem, wie die Sage weiß, 778 die NachhutKarls »des Großen« nach seiner Zerstörung der Bas-kenstadt Pamplona zugrundeging (IV 466 ff.). Jetzt,ein knappes halbes Jahrhundert später, wurden in derfinsteren Gebirgsschlucht die Truppen der GrafenAeblus und Asenarius »von den treulosen Bergbe-

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4.158 Deschner Bd. 5, 55Krieg in Spanien und gegen die Bretonen

wohnern ... fast bis auf den letzten Mann aufgerie-ben«. Die beiden Grafen überlebten – »nach Verlustihres ganzen Heeres« (Astronomus).38

In seiner Gesetzgebung begann sich der Kaiser da-mals wieder deutlich an die Kirche zu klammern, mitderen Repräsentanten er inzwischen so schmerzlicheErfahrungen hatte machen müssen (S. 42 f.), ohnedaraus zu lernen oder lernen zu können. Jedenfallstrat er nun ausdrücklich für die Ehre, den Schutz die-ser Kirche ein, für ihre Erhöhung, natürlich auch fürdie Würde ihrer Diener, denen man Ehrfurcht zu er-weisen, deren Predigt man zu hören habe. Er verlang-te Fasten, Sonntagsheiligung, das Errichten von Schu-len zur Heranbildung des Klerus, sah sich allerdingsauch genötigt, die Bischöfe zu mahnen, »ihre Hirten-pflichten in vollem Umfang zu erfüllen«.39

Überhaupt konnte man sich auf Gott und die Kir-che nicht allein verlassen. Wann immer deshalb Lud-wig in den ja stets schwereren Zeiten des HimmelsSegen auf seine Maßnahmen herabflehte, vergaß erkeineswegs, was diesen erst die Durchschlagskraftgab. Als er so nur wenige Jahre später allen ein drei-tägiges Fasten auferlegte und allerhöchste Unterstüt-zung erbat, befahl er doch zugleich angesichts derFeinde der Christen ringsum sämtlichen Heerespflich-tigen, mit Roß und Waffen, mit Kleidung, Karren,Proviant bereitzustehen, um gegebenenfalls unverzüg-

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4.159 Deschner Bd. 5, 55Krieg in Spanien und gegen die Bretonen

lich ausrücken zu können. Ja – wer Gott vertraut,brav um sich haut ...40

Als er freilich 826 auf dem Königshof Salz an derSaale von dem Abfall des vornehmen Westgoten Aizoerfuhr und von dem Aufruhr, den jener in der spani-schen Mark verursachte, wo er Kastelle in seinen Be-sitz, Grafen auf flüchtige Beine und die enorm ausge-beutete, oft von ihren Höfen vertriebene oder ver-knechtete Bevölkerung auf seine Seite brachte, da be-schloß der Monarch alsbald die böse Sache reiflich zubedenken und vor allem seinen Zorn erst mal auf derHerbstjagd (»autumnali venatione«) verrauchen zulassen.

Aizo warf inzwischen Besatzungen in die genom-menen Kastelle, eroberte weitere, fühlte bei den Mau-ren vor, die auf der Halbinsel über einen gut funktio-nierenden Staat verfügten, und mit denen die Bevöl-kerung, Goten und spanische Ansiedler – die sichschon unter Karl I. bitter über die Bedrückung durchchristliche Grafen und deren Büttel beklagt hatten –besser auskamen, als man meinen könnte. Tag fürTag wandelte und handelte man miteinander, mit frän-kischem Silbergeld, mit arabischen Goldmünzen, undAizo, der offenbar die spanische Mark den Frankenzu entreißen suchte, versäumte auch nicht, mit 'Ab-darrah.mān II. (822–852), dem Emir von Cordoba, zukontaktieren, und zwar durchaus erfolgreich.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.160 Deschner Bd. 5, 56Krieg in Spanien und gegen die Bretonen

Ludwig der Fromme seinerseits schickte 827 zu-nächst den Abt Helisachar, seinen einstigen Kanzler,dann seinen Sohn Pippin, den König von Aquitanien,»mit zahllosen fränkischen Truppen« in den Süden.Doch konnten die Mauren, die den Ebro überschrit-ten, das Gebiet um Barcelona und Gerona brand-schatzten, die auch Kirchen eingeäschert, Priestergrausam ermordet, viele Christen fortgeschleppthaben sollen, sich wieder nach Saragossa zurückzie-hen, ohne daß das – aus welchen Gründen immer zuspät kommende – fränkische Aufgebot sie auch nurgesehen hätte; was freilich schon gar »schrecklicheSchlachtbilder bei nächtlicher Zeit« hatten ahnen las-sen, wie der Astronom weiß. Folglich beeilte sich derso gott- wie abergläubische Monarch, als er von dengrauenhaften Zeichen vernahm, sandte »Hilfstruppenzum Schutz der genannten Markgrafschaft und ver-gnügte sich bis zur Winterszeit in den um Compiegneund Quierzy liegenden Wäldern mit der Jagd«. 828blieb auch ein Zug seines Sohnes Lothar »mit einemzahlreichen fränkischen Heer« ohne Ergebnis. UndAizo verschwindet spurlos aus der Geschichte.41

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4.161 Deschner Bd. 5, 56Krieg gegen die Bulgaren

Krieg gegen die Bulgaren

Zum Konflikt kam es auch mit den Bulgaren.Ihr Khan Omurtag (815 – ca. 831), der als erster

bulgarischer Herrscher direkt mit den Franken konfe-rierte, hatte seit 824 immer wieder Gesandtschaften –auch mit Geschenken – an Ludwig geschickt und umGrenzklärungen sowie Herstellung eines friedlichenVerhältnisses ersucht. Immer wieder aber ließ Ludwigdie Gesandten ungebührlich lange warten und denKhan hinhalten. Schließlich drang dieser nach demScheitern aller Versuche 827 zu Schiff von der Drauaus in Unterpannonien ein, verwüstete das Land undbestellte dort sogar bulgarische Beamte. Da Pannoni-en verloren ging, unternahm im folgenden Jahr derjüngere Ludwig eine Heerfahrt gegen die Bulgaren,offensichtlich aber erneut ohne Erfolg, obwohl dieMönche von Fulda sich rühmten, in der Fastenzeit(19. Februar bis 4. April) tausend Messen und eben-soviel Psalter für die Truppe gesungen zu haben.Schon im nächsten Jahr fuhren die Bulgaren wiederdie Drau herauf und »verbrannten einige Dörfer derUnsern nahe am Flusse« (Annales Fuldenses). Derkaiserliche Hof bezeichnete »die Einfälle und Verhee-rungen der Ungläubigen« – auch die Sarazenen wüte-ten in der spanischen Mark – sowie andere Kalamitä-

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4.162 Deschner Bd. 5, 57Krieg gegen die Bulgaren

ten als »gerechte Strafen Gottes«.42

Etwas mehr »Glück« hatte seinerzeit offenbar derMarkgraf von Tuscien, Bonifacius, dem vom Kaiserder Schutz Korsikas anvertraut war. Bei der »Jagd«auf ungläubige Seeräuber stieß der eifrige Insel-Ver-teidiger gleich bis Afrika vor! Zwischen Utika undKarthago ging er an Land, griff ganze Massen vonEingeborenen an, »schlug sie fünfmal oder noch öfterin die Flucht und machte eine große Menge Afrikanernieder«; verlor aber auch »eine beträchtliche Zahl sei-ner eigenen Leute«. Immerhin hinterließ er »durchdiese Tat große Furcht« (Annales regni Franco-rum).43

Besonders im letzten Jahrzehnt von Ludwigs Regi-ment gingen die auswärtigen Konflikte stark zurück.Das katholische Herrscherhaus hatte durch Palastre-volutionen nun genug mit sich selbst zu tun. Das warindes auch an anderen Höfen des christlichen Abend-landes schon länger, schon seit Beginn dieser Ge-samtherrschaft so.

Zum Beispiel in Rom.

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4.163 Deschner Bd. 5, 58Römische Zustände: Warum man Mörderpapst ...

Römische Zustände: Warum man MörderpapstLeo III. kanonisierte

Am Tiber hatte man beim Tod des alten Kaisers Karlalsbald Morgenluft gewittert. Kaum war dieser am28. Januar 814 zweiundsiebzigjährig gestorben undihm Ludwig in der Regierung gefolgt, da spürte derhohe Klerus jenseits der Alpen gleich, daß er gegen-über dem Sohn anders auftreten konnte. Man erstrebtenun wieder mehr Selbständigkeit, Macht, wollte»Handlungsfreiheit« zumal innerhalb des Kirchen-staates, und erhielt sie auch.

Als noch im gleichen Jahr die Ewige Stadt den argverhaßten, der Unzucht und des Meineids angeklagtenPapst Leo III. bekämpfte – diesen (kraft seiner wun-derbar geheilten Augen und Zunge nach einer, lautden Quellen, nur versuchten, doch unterbliebenenVerstümmelung!) 1673 kanonisierten hundertfachenSchreibtischmörder (IV 446 ... ff.) –, ließ der die»Majestätsverbrecher« schnurstracks haufenweisebaumeln. Es bestürzte sogar den frommen Ludwig,»daß von dem ersten Priester der Welt so strengeStrafen verhängt worden seien« (Anonymus). Hattedoch einst selbst sein Vater Karl die offenbar zahlrei-chen Todesurteile gegen Leos stadtadelige Widersa-cher in Verbannung umgewandelt. Und anno 815, alsKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.164 Deschner Bd. 5, 58Römische Zustände: Warum man Mörderpapst ...

Leo, nachdem er mehr als zwei Jahrzehnte den vonPetrus nie besetzten Stuhl gedrückt, schon todkranklag, erschütterte eine neue Rebellion, eine Adelsrevol-te und ein Bauernaufstand, das Regiment des Heili-gen, der Güter gewaltsam für die »apostolische Kam-mer« einziehen, enteignete Eigentümer köpfen ließ,Todesurteile gleich reihenweise fällte, und dem mannatürlich auch selber ans kostbare Leben wollte.

Die Römer sammelten sich zu Hauf, schreibt derReichsannalist, »und plünderten zuerst die Landgüteraus, die der Papst in der letzten Zeit in dem Gebietder einzelnen Städte angelegt hatte, und brannten siedann nieder. Hierauf beschlossen sie, nach Rom zuziehen und sich das mit Gewalt zu nehmen, wasihnen, wie sie sich beschwerten, entrissen wordenwar.« Auf die Stadt vorrückend, wurden sie jedochvon dem fränkischen Herzog Winigis, obwohl alters-müde schon und schwach wie der Papst, niedergewor-fen. Zum Trost in seiner Trübsal (nicht für seine Un-tertanen) pflegte der Geplagte schließlich mehrmalsam Tag die Messe zu lesen. Und Herzog Winigiswurde wenige Jahre später Mönch und starb gleich-falls bald darauf.

Warum aber kam Leo III. im 17. Jahrhundert indas römische Martyrologium? Warum sprach mandieses Mörderscheusal heilig? (Einen Papst, neben-bei, während dessen 21jährigem Pontifikat auch nicht

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4.165 Deschner Bd. 5, 59Römische Zustände: Warum man Mörderpapst ...

eine Synode auf seine Initiative tagte, die Kanones zurFestigung der Kirchendisziplin erlassen hätte!) Nichtwegen seiner Brutalität kanonisierte man ihn, nichtwegen seiner Liquidierungen, erst recht nicht wegenseines Kniefalls vor Karl »dem Großen« – es war,wenn nicht die erste, so doch die letzte Proskynesiseines Papstes vor einem westlichen Kaiser –, dem al-lein er sein Überleben (mehr im Amt als in derWürde) verdankte. Nein, man kanonisierte ihn, weiler Karl an Weihnachten 800 die Krone auf den Kopfgesetzt (IV 449 f.); weil er derart die Herrschsucht,das nimmersatte Suprematiestreben der Päpste ein-drucksvoll forciert, weil er mit diesem die Zeitendurchstrahlendem Signal, diesem »Geniestreich« (deRosa) ihren absoluten Führungsanspruch gleichsamfür immer ins triste Buch der Geschichte geschriebenhat. Nur darum sieht auch Franz Xaver Seppelt, derkatholische Papsthistoriker, Leos III. Namen im »Ka-talog der Heiligen« prangen – ungeachtet aller Fatali-täten seines langen Terrors, aller Leichen, die seinenWeg säumen – heilig, heilig heilig! (Fest: 12. Juni)44

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4.166 Deschner Bd. 5, 59Schwindel mit Kaiserkrone und -krönung

Schwindel mit Kaiserkrone und -krönung:Stephan IV. (816–817) und Paschalis I.

(817–824)

Leo war am 12. Juni 816 gestorben.Sein Nachfolger Stephan IV., ein von Kind an im

Lateran herangedrillter adeliger Römer, den man bin-nen zehn Tagen erhob, ohne den Kaiser zu fragen, re-gierte nur wenige Monate, doch stellte seine vor-nehme Familie im Lauf des Jahrhunderts zwei weiterePäpste. Stephan selbst brach noch im August vonRom auf, um, begleitet von König Bernhard, »mitgrößter Eile« über die Alpen nach Reims zu reisen,wo sich in den ersten Oktobertagen Ludwig, von Goldund Edelsteinen strotzend, unter den Lobgesängen desKlerus, dem byzantinischen Zeremoniell gemäß, drei-mal vor dem Papst niederwarf und darauf diesen mitdem Psalmwort begrüßte: »Gebenedeit sei, der dakommt im Namen des Herrn«. Umarmung, Küsse,Kirchgang, Tedeum, neue Lobgesänge – und amnächsten und folgenden Tag »gegenseitig viele Ge-schenke« und »herrliche Gastereien« (Reichsannalen).Der Imperator opferte dem Kirchenfürsten Silber,edelsteingeschmückte Pokale, Tafelgeschirr aus Gold,mit Gold beladene Pferde u.a. Stephan spendiertesparsam, etwas Gold auch, Gewänder, wobei er frei-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.167 Deschner Bd. 5, 60Schwindel mit Kaiserkrone und -krönung

lich »hundertfach zurückerhielt, was er an Geschen-ken aus Rom mitgebracht« (Ermoldus Nigellus). Ja,so macht Schenken Freude. So gibt gerne selbst derPapst.

Und Heiligkeit, die nicht vergaß, Ludwig »einenzweiten König David« (Thegan) zu nennen, war nurso erpicht darauf, bei einer Festmesse in der ReimserMarienkirche, wo Chlodwig getauft worden sein soll-te, den Kaiser zum Kaiser zu krönen: obwohl derschon drei Jahre vorher, 813, doch in Aachen zumKaiser gekrönt und auch nach dessen Tod noch ein-mal in Aachen feierlich als Kaiser akklamiert worden,sogar nach kurialer Ansicht »schon unbestritten ›Kai-ser‹ war« (Eichmann). Dennoch – das durfte, konntenicht genügen. Roms Mitwirkung sollte, mußte zurvollen Geltung cäsarischer Würde notwendig sein.Kaiserkronen wollten die Päpste vergeben, mochtensie Kaisern gegenüber sonst noch so knauserig sein.Eine Krone aber hatte Stephan bereits im Reisege-päck, »eine goldene Krone von wunderbarer Schön-heit mit den wertvollsten Edelsteinen geschmückt«(Thegan), eine, die der Papst auch noch als KroneKaiser Konstantins ausgab! (Das katholische Hand-buch der Kirchengeschichte präsentiert diese »KroneKonstantins« dezent in Gänsefüßchen.)

Der Schwindel, rechtlich zwar belanglos, konnteund sollte selbstverständlich auch an die römische

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4.168 Deschner Bd. 5, 61Schwindel mit Kaiserkrone und -krönung

Herkunft des Kaisertums erinnern sowie an die Bezie-hung der beiden Potentaten, an die »Achse« Aachen-Rom gleichsam. Vor allem aber: es war eine Anknüp-fung an den Coup seines Vorgängers, eine Fortset-zung und ein neuer Vorstoß somit zugunsten der rö-mischen Ansicht der Dinge, der höchsten Aspekte derHistorie; gewissermaßen der papalen Auffassungnämlich »von der Kaiserwürde, ... vom Recht desPapstes auf die Kaiserkrönung und von der päpstli-chen Übertragung des Kaisertums« (Seppelt). DasReich wurde nun als das »Heilige Reich« feierlich be-stätigt.

Stephan IV. salbte seinerzeit auch den jungenMonarchen und dessen Gemahlin Irmingard, wobei ererstmals die Krönung eines Kaisers mit der Salbungverband. Bezeichnenderweise kam die Personensal-bung in der abendländischen Kirche auf, in der orien-talischen, in der man, viel früher als im Westen, nurAltar und Gotteshaus salbte, war sie unbekannt undwurde erst später aus dem Westen übernommen.

Nach der Segnung betete Papst Stephan bezie-hungsreich: »O Christus, Herrscher über die Welt undalle Zeitalter, der Du gewünscht hast, Rom als Hauptdes Erdenkreises zu sehen ...« Ludwig seinerseits lei-stete offenbar einen Schutzeid für die römische Kir-che, der bald unter dem Namen Pactum Hludowicia-num bekannt geworden ist, an ältere generöse Freund-

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4.169 Deschner Bd. 5, 61Schwindel mit Kaiserkrone und -krönung

schaftsdienste der Franken anknüpfte und Rom eineinterne Bischofswahl, reguläre Gerichtsbarkeit ge-währte, auch den ganzen Territorialbesitz des Papstesaufzählte, kurz, diesem großzügig bemessene Privile-gien gab, sowohl seine Kirchengüter als auch Ho-heitsrechte garantierte, freilich auch den fränkischenSuprematieanspruch zu sichern suchte.

Das Streben nach Macht und Besitz stand wie stetsim Vordergrund, während die von Ludwig so geför-derte kirchliche Reformpolitik »bezeichnenderweiseohne erkennbare Beteiligung der Päpste« blieb(Schieffer). Doch: »So lange der Papst anwesend war,pflogen sie jeden Tag Unterhaltung über das Besteder heiligen Kirche Gottes (de utilitate sanctae Deiaecclesiae). Nachdem aber der Kaiser ihn mit großenund unzähligen Geschenken überhäuft hatte, mehrdenn dreimal so vielen, als er selbst von jenem emp-fangen hatte, wie er es denn immer zu tun pflegte,mehr zu geben als zu nehmen, ließ er ihn wieder nachRom ziehen ...« (Thegan); »...kehrte der Papst, deralles erreicht hatte, was er wünschte, nach Rom zu-rück« (Astronomus). Tatsächlich traf er dort reich be-laden mit Gold und Silber ein, vor allem aber mit Be-sitz-Garantien, Bestätigungen von Privilegien, Immu-nitäten; auch hatte er eine zusätzliche kaiserlicheSchenkung erhalten, das fränkische Krongut Ven-deuvre (bei Bar-sur-Aube), verschied jedoch schon im

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4.170 Deschner Bd. 5, 62Schwindel mit Kaiserkrone und -krönung

folgenden Winter, am 24. Januar 817, und wirktenach dem Tod noch ein paar Wunder.45

Stephans Nachfolger Paschalis I. (817–824) ließsich das mit seinem Vorgänger ausgehandelte PactumHludowicianum alsbald vom Kaiser bestätigen, d.h.den ganzen Umfang der von Pippin und Karl, Lud-wigs Großvater und Vater, gemachten Schenkungs-versprechen und Schenkungen, die Autonomie desKirchenstaates also, die päpstlichen Herrschaftsrechteund nicht zuletzt die freie Papstwahl. Die Urkunde,ein vielumstrittenes, nicht einmal im offiziellen Papst-buch erwähntes, nur als Abschrift (nicht im Original)in den kirchlichen Rechtssammlungen des 11./12.Jahrhunderts überliefertes Dokument, wurde wegenihrer eigenartigen, von den üblichen Diplomen abwei-chenden Formeln lange als Fälschung angesehen. Siegilt inzwischen aber, formell wie sachlich, meist alsecht – bis auf diverse Verunechtungen, Interpolatio-nen, die Einschiebung Sardiniens etwa, Korsikas, Si-ziliens, die man in alter Raffsucht offenbar dazuge-schwindelt hat.46

Der Akt von Reims 816 erfuhr an Ostern 823 nocheine bedeutsame Wiederholung und Ergänzung inRom.

Damals nämlich weilte Ludwigs Sohn Lothar I. inItalien, wo er, beraten von Wala, seit 822 die Herr-schaft Pippins und Bernhards fortzusetzen hatte. Zu

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4.171 Deschner Bd. 5, 62Schwindel mit Kaiserkrone und -krönung

Ostern bat ihn Stephans Nachfolger Paschalis I. zusich, ein harter, viel böses Blut machender Papst, derwiederum ohne Befragung des Kaisers, wofür er sichallerdings entschuldigte, konsekriert worden war. Undin der Peterskirche zelebrierte er am Ostertag (5.April 823) mit Lothar, doch bereits 817 vom Vater inAachen zum Kaiser gekrönt, dasselbe Ritual wie ebensein Vorgänger mit diesem Vater einst in Reims. Undwieder hatte die Krönung, die Lothar umso eher zu-statten kam, als man gerade die Schwangerschaft derKaiserin erfahren, denselben Zweck: das Kaiserreichan Rom zu binden, die Salbung und Krönung durchden Papst als unerläßlich auch für bereits von weltli-chen Instanzen ernannte und gekrönte Kaiser erschei-nen zu lassen. Und tatsächlich hat man das »Recht«der Päpste zur Kaiserkrönung ebenso wie das»Recht« Roms und Sankt Peters, wofür man hier einPräjudiz geschaffen, Krönungsstätte zu sein, »immermehr anerkannt« (Kelly). Bemerkenswerterweisewurde diese Zweitkrönung Lothars erstmalig auch mitder Übergabe eines Schwertes verbunden; wie mandenn jetzt auch die Kooperation bei der Mission desNordens intensivierte (S. 70, 470). Das Schwert aber,das der Papst außer der Krone Lothar überreichte, warSymbol des Schutzes wie der Gewalt, Zeichen derVerpflichtung zur Ausrottung des »Bösen«.47

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4.172 Deschner Bd. 5, 63Papst Paschalis blendet und köpft

Papst Paschalis blendet und köpft, wird heiligund im Kalender wieder gestrichen

Das Böse aber erkannte stets niemand besser als diePäpste.

Paschalis, zum Beispiel, erkannte es selbst in deneigenen Ministern, und zwar, interessanterweise, inden führenden Köpfen der profränkischen Partei. Des-halb wurden zwei der höchsten päpstlichen Beamten,der hochadelige Primicerius Theodor (noch 821 Nun-tius am fränkischen Hof) und sein Schwiegersohn, derNomenclator Leo, 823, nach Lothars Abzug, »wegenihrer Treue gegen Lothar« (Astronomus), weil sie, be-richten auch die Reichsannalen, »in allen Stücken treuzu dem jungen Kaiser Lothar gehalten«, durch päpst-liche Bedienstete im Lateranpalast geblendet und ge-köpft – ohne jedes Rechts verfahren. Dabei schriebman dem Papst oder doch »seiner Zustimmung alleszu«, sagt der Astronom.

Die ganze Sache erinnert etwas an die blutige Pro-zedur des hl. Leo III. im Jahr 815 (S. 57 f.). DerMonarch aber sandte auch 823 seine Richter nachRom und zog sich für den Rest des Sommers sowiefür den Herbst in den Wormsgau und zur Jagd in dieEifel zurück. Doch Paschalis (bei den Römern so be-liebt, daß es noch bei seinem Leichenbegängnis zuKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.173 Deschner Bd. 5, 64Papst Paschalis blendet und köpft

Tumulten kam) stritt jede Mitschuld ab und entzogsich, Grund genug dafür mochte er haben, dem Ver-fahren, indem er – ein schon durch den hl. Leo III. imDezember 800 erprobtes (IV 449), besonders bei denkirchlichen Offizialaten häufiges »Beweismittel« –unter Beihilfe von 34 Bischöfen sowie fünf Presby-tern und Diakonen öffentlich den Reinigungseidschwor. Zugleich verfluchte er die Ermordeten alsHochverräter, nannte ihren Tod einen Akt der Gerech-tigkeit, hätten sie doch als Majestätsverbrecher ihrSchicksal verdient, und nahm die Mörder als Dienst-leute des hl. Petrus (de familia sancti Petri) »aufs ent-schiedenste in Schutz« (Annales regni Francorum).48

Kaiser Ludwig resignierte. Und Papst Paschalis I.starb 824 inmitten der familia sancti Petri. Der Mannwar schlau, Ludwig unverkennbar überlegen, undhart. Fuldaer Mönche, die ihm eine unliebsame Nach-richt brachten, ließ er kurzweg in den Kerker werfenund bedrohte ihren Abt Rhabanus Maurus mit Ex-kommunikation. In Rom selbst war sein rigoroses,den Staat völlig zerrüttendes Regiment verhaßt. Undda nicht nur seine beabsichtigte Beisetzung, sondernauch die folgende Papstwahl im Zeichen schwererKrawalle stand, blieb Paschalis' Leiche längere Zeitunbestattet, bis sie sein Nachfolger unter die Erdebringen konnte, allerdings nicht in St. Peter.

Dafür gelangte jedoch Paschalis' Name, etwas spä-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.174 Deschner Bd. 5, 64Papst Paschalis blendet und köpft

ter, Ende des 16. Jahrhunderts, durch den Kirchenhi-storiker Cäsar Baronius – er mußte zur Annahme derKardinalswürde durch Exkommunikationandrohunggezwungen werden – in den Heiligenkalender der ka-tholischen Kirche (Fest 14. Mai), noch einmal etwasspäter freilich (Roms Mühlen mahlen langsam),1963, auch wieder hinaus; sein Festtag wurde gestri-chen.49

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4.175 Deschner Bd. 5, 65Mitkaiser Lothar I. und die »Constitutio Romana«

Mitkaiser Lothar I. und die »ConstitutioRomana«

Als nach Paschalis' Hingang erbitterte Kämpfe zwi-schen Volk und Adel ausbrachen, wobei dieser denErzpriester Eugen von Santa Sabina zum Pontifexmaximus machte, kam der energische Junior-KaiserLothar I., der durchaus politisches Talent entwickelte,ein zweites Mal nach Rom. Er protestierte gegen dieErmordung seiner Anhänger, »die dem Kaiser, ihmund den Franken getreu gewesen«, protestierte gegen»die Unwissenheit und Schwäche einiger Päpste«,gegen die Habgier ihrer Richter, die widerrechtlicheEnteignung von Gütern im Namen der Päpste sowiewider die ganze Unfähigkeit des geistlichen Regi-ments. Und sein Vorgehen wurde von der römischenBevölkerung dankbar begrüßt.

Kapitularien Kaiser Ludwigs hatten bereits die Si-monie und Profitgier der Bischöfe in Italien gebrand-markt, die ihre Pfarreien oft finanziell ausbeuteten,die Kirchen verfallen ließen und die den Priestern aufeiner Synode 826 in Rom unter Eugen II. einschärf-ten, daß sie nicht spielen, wuchern, auf die Jagd oderden Vogelfang gehen, daß sie die Kirchenausstattun-gen nicht verschleudern, nicht herumhuren dürfen etc.(Es ist übrigens die einzige römische Synode aus derKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.176 Deschner Bd. 5, 65Mitkaiser Lothar I. und die »Constitutio Romana«

ganzen ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts, von derAkten vorliegen. Und im ersten Jahrhundertviertelgab es in Rom offenbar gar keine Kirchenversamm-lungen!) Jetzt nahm sich Lothar in einer scharfen Un-tersuchung viele Verbrechen und Mißbräuche vor: die»schon längere Zeit durch das verkehrte Benehmenmehrerer Päpste in große Verwirrung geratenen römi-schen Zustände«, wie der Reichsannalist sagt. »Immererschreckender stellte sich der Umfang der vorgekom-menen unrechtmäßigen Güterconfiskationen, dieWillkür und Habsucht, mit welcher die päpstlichenBeamten gewirtschaftet hatten, heraus« (Simson).

Selbstverständlich machten die Hohenpriesterdabei auch vor Klöstern nicht halt, vergriffen sie sichauch an diesen, zumal an besonders ergiebigen.

Zum Beispiel an Farfa.Das um 700 gegründete Benediktinerkloster gehör-

te zu den reichsten Abteien Italiens im Mittelalter.Zwischen Rom und Rieti gelegen, hatte es den Schutzder Langobardenkönige genossen, verdankte aber vorallem den spoletinischen Herzögen, doch auch vielenprivaten Stiftern einen umfangreichen Grundbesitz inund außerhalb der Sabina. Mit fränkischer Immunität,Abtswahlrecht und Exemtion durch Karl I. schon seit775 ausgestattet und durch die nachfolgenden Kaiserin seinem Besitz wie seiner Rechtsstellung bestätigt,konnte es zudem Bestätigungsbullen der Päpste vor-

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4.177 Deschner Bd. 5, 66Mitkaiser Lothar I. und die »Constitutio Romana«

weisen. Noch wenige Tage vor seinem Tod erkannteStephan IV. all dies an, wenn auch gegen einen jährli-chen Zins von 10 Goldsolidi.

Gleichwohl hatten andere Päpste immer wiederkraft ihrer Landesherrschaft über die Sabina dieReichsunmittelbarkeit Farfas zu ignorieren und diereiche Abtei sich zu unterwerfen gesucht. Hatte ihrHadrian Güter weggenommen, ebenso der hl. Leo III.;hatte schließlich der hl. Paschalis mit der Behaup-tung, Farfa stehe »zu Recht und Herrschaft der römi-schen Kirche«, vor dem kaiserlichen Gericht einenProzeß gegen den Abt Ingoald angestrengt und verlo-ren. (Doch schon wenige Jahre später, 829 – Päpstekönnen einfach kaum nachgeben, da sie stets imRecht sind, es immer um Gott geht –, führte GregorIV. einen neuen Rechtsstreit um Farfa.)

Nach einem förmlichen Verfahren verurteilte Lo-thar Papst Eugen II. (824–827) zur Herausgabe allerkonfiszierten Güter der Römer, verbannte unter demJubel des Volkes die päpstlichen Richter ins Franken-reich und veranlaßte die Rückkehr der unter PaschalisI. Verfolgten. Und am 11. November 824 stellte erdurch eine Neuregelung der fränkisch-päpstlichen Be-ziehungen, die (das Pactum Hludowicianum von 817wieder einschränkende) sogenannte »Constitutio Ro-mana«50, die höchste Gewalt des Kaisers im Kir-chenstaat sowie die Abhängigkeit des Papstes wieder

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4.178 Deschner Bd. 5, 66Mitkaiser Lothar I. und die »Constitutio Romana«

her, stellte er die Verwaltung des Kirchenstaates unterKontrolle eines ständigen päpstlichen und kaiserli-chen Missus, vor dem schließlich jeder »electus«,jeder zu weihende Papst, erst den Treueid auf denKaiser leisten mußte »pro conservatione omnium«.Somit war wieder, wie von Justinian bis zur Lossa-gung Italiens von Konstantinopel, die Bestätigung derPapstwahl durch den Kaiser erforderlich, war dasPactum Hludowicianum teilweise aufgehoben undeine Kulmination kaiserlicher Macht über die Kurieerreicht – freilich ohne langen Erfolg. Immerhin hatsie Johann IX. auf einer römischen Synode 898 aus-drücklich sanktioniert, um die fast üblichen Unruhenbei den Papstwahlen zu verhindern. Ja, Lothars Kon-stitution kam noch in die kanonistischen Sammlungender Zeit Gregors VII., wenn auch, wen wundert's (vgl.S. 181 ff.) – »verstümmelt und zurecht gerichtet«(Mühlbacher).51

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4.179 Deschner Bd. 5, 67Die fränkischen Bischöfe demütigen den Kaiser

Die fränkischen Bischöfe demütigen den Kaiserund wollen selbst von niemandem gerichtet

werden

Wie die Hirten in Rom, wurden allmählich auch dieim Reich immer aufsässiger. Das lag gewiß nicht anihnen allein, lag ebenso an ihren weltlichen Mit- undgelegentlichen Gegenspielern. Denn Priester wissenstets recht gut, wann sie zu kuschen haben, wann siebellen, zupacken, wann sie beißen können.

Ludwig der Fromme, viel weicher als der »große«Vater, viel weniger energisch, brutal, hatte dement-sprechend auch viel geringere »Erfolge« – in der Au-ßenpolitik, gegen Dänen, Bulgaren, Mauren, aberauch im Reich und, bei allem Reformeifer, vielleichtdeshalb, in der Kirche.

Die Bischöfe waren zwar bereit, die Könige zu sal-ben, zu krönen, sie über alle Laien zu erheben, dochdafür wollten sie auch selbst über allen Fürsten stehn.Sie erstrebten einen theokratischen Staat und machtenLudwig zu einem König »von ihrer Gnade« (Hal-phen). Und verzichtete dieser gegenüber Rom schonbald auf die Bestätigung der Papstwahl, auf die In-spektion im Kirchenstaat, unterlag er innenpolitischdem Episkopat zeitweise noch viel mehr.

Im August 822 erschien der Kaiser auf der Reichs-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.180 Deschner Bd. 5, 68Die fränkischen Bischöfe demütigen den Kaiser

versammlung von Attingny in der dortigen Kirche imBüßergewand und legte ein öffentliches Reuebekennt-nis ab. Es geschah auf den Rat der Prälaten. Er ge-stand die Mitschuld am Tod seines Neffen Bernhard,sein Unrecht gegenüber den Stiefbrüdern, Vettern undanderen. Er demütigte sich, wie dies sein Vater niegetan hat und hätte; er unterwarf sich dem Urteil derPriester. Damals verlangte Agobard von Lyon dieRückerstattung aller Güter, die frühere Fürsten derKirche genommen!

Ludwig trug es zerknirscht, jagte Truppen nachallen Richtungen, schickte ein Heer nach Pannonien,ein zweites in die spanische, ein drittes in die bretoni-sche Mark – und lag selber »nach der Sitte der fränki-schen Könige während der Herbstzeit der Jagd ob ...«All das, immer wieder zu bedenken, ist Teil christ-lich-abendländischer Kultur, kein akzidenteller, son-dern ein essentieller Teil.

Ebenso dies.Bemüht nämlich, sich den Staat unterzuordnen, for-

derten die Bischöfe 829 in Paris, im Rückgriff auf dieungewöhnlich hochfahrenden Lehren von Papst Gela-sius I. (II 324 ff.), daß sie niemand richten dürfe, daßsie selber nur Gott verantwortlich seien, die übrigenGroßen aber ihnen, den Bischöfen. Ja, ihre »auctori-tas« stehe auch über der »potestas« des Königs, desKaisers, der andernfalls zum Tyrannen werde und

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4.181 Deschner Bd. 5, 68Die fränkischen Bischöfe demütigen den Kaiser

jedes moralische Recht auf seine Herrschaft verliere.Ihre Anmaßung, mitunter in Floskeln scheinbarer

Bescheidenheit, in Pseudo-Ehrerbietung gekleidet –die notorische Pfaffenheuchelei –, konnte kaum grö-ßer sein. Sie lobten, hierin sogar aufrichtig, dieDemut der Kaiser, denn Demut bei andern finden siestets sehr verdienstvoll. Sie aber traten als jene auf,denen der Herr Gewalt gab, zu binden und zu lösen,und erinnerten selbstgefällig an das angebliche Kai-ser-Konstantin-Wort zu den Bischöfen (aus Rufinsominöser Kirchengeschichte): »Gott hat euch zu Prie-stern eingesetzt und euch die Macht gegeben, auchüber uns zu richten. Deshalb werden wir von euch mitRecht gerichtet; ihr jedoch könnt von Menschen nichtgerichtet werden.« Zu wohlerfunden, um wahr zusein. Dagegen glaubt man ihnen gern, plädieren siemit allem Nachdruck für das Kirchengut – das sie sel-ber nicht zusammenhielten, mit dem sie oft umspran-gen wie mit Privatbesitz. Nur Neidern, so erklärensie, erscheine es zuviel; tatsächlich könne es, »recht«verwendet, »nie zu viel sein«!52

Nun, das verfolgen wir. (Vgl. jedoch schon: III 435ff., bes. 465 ff.!)

Verriet all dies bereits eine kaum zu überbietendeepiskopale Arroganz, Herrschgier, trieben sie es baldnoch widerlicher beim Streit Ludwigs mit seinen Söh-nen.

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4.182 Deschner Bd. 5, 69Die fränkischen Bischöfe demütigen den Kaiser

Aber hatte den der Regent nicht selbst durch seineErgebenheit provoziert? Hatte er nicht selber bei denBeratungen in Aachen Mitte Dezember 828, als manalles Unheil, Hungersnot – grassierend freilich »wäh-rend des ganzen Mittelalters« (Goetz), eine »wildeWelt, eine Welt in den Fängen des Hungers«(Duby) –, als man Armut, Seuchen, Mißernte, greuli-chen Aberglauben, Auflehnung der Magnaten, Hab-gier der Beamten, der Grafen, Bestechlichkeit, Simo-nie, sittliche Verwilderung des Klerus, Hurerei, Päd-erastie, Sodomie, Raubzüge der Heiden etc. etc., kurz,als man alles Übel nach bewährtem Brauch auf dengöttlichen Zorn über die Sünden der Christenheit zu-rückführte, für die Priester jedoch Befreiung von Ab-gaben forderte, Verzicht des Kaisers auf jede Einmi-schung in kirchliche Angelegenheiten, hatte er es danicht als Aufgabe der Bischöfe bezeichnet zu erfor-schen, welch spezielle Sünden das Elend verschuldet,damit man sie gehörig sühnen könne? Und auch 829,auf der Pariser Synode, sprachen die Prälaten dergeistlichen Gewalt ausdrücklich den Vorrang vor derköniglichen zu.53

In die schlimmsten innenpolitischen Bedrängnissemit zweifellos weltgeschichtlichen Folgen aber glittLudwig durch ein Ereignis, das normalerweise alsfreudiges gilt: durch die Geburt eines Kindes, einesnachgeborenen Sohnes.

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4.183 Deschner Bd. 5, 70Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

Kaiserin Ermengard hatte dem Herrscher drei Söhnezur Welt gebracht: Lothar (795), Pippin (797) undLudwig (806). Als sie nach etwa zwanzigjähriger Eheam 3. Oktober 818 in Angers starb, fürchtete man,den frommen Witwer im Kloster verschwinden zusehen. Und natürlich galt dem Klerus »mönchischeGesinnung auf dem Thron mehr ... als ein Kaiser imMönchsgewande zwischen Klostermauern« (Luden).So präsentierte man ihm auf einer Art Schönheitskon-kurrenz, einer »Besichtigung«, wie der nüchterneReichsannalist etwas undelikat formuliert, eine Aus-wahl des Hochadels. Und der für Frauen keinesfallsunempfängliche Karolinger entschied sich für dieTochter des Grafen Welf, Judith, die sich nicht nurdurch ihre Abkunft empfahl – das ursprünglich frän-kische, dann vor allem in Alemannien und Bayern be-güterte ältere Welfengeschlecht –, sondern die angeb-lich alle Vorzüge in sich vereinigte, ungewöhnlich»süß und verführerisch« war (Erzbischof Agobard),doch auch reich, geistvoll, gebildet. Schon wenigeMonate nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete sieder Kaiser Anfang 819, und nach einer Tochter Giselagebar sie am 13. Juni 823 in der neuen Pfalz zuFrankfurt einen Sohn, der nach dem Großvater den

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4.184 Deschner Bd. 5, 70Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

Namen Karl und später den Beinamen »der Kahle«bekam.54

Denn kraft der Bemühungen der Mutter, dem klei-nen Nachzügler ebenfalls ein Erbe wie seinen Stief-brüdern zu sichern, durch diese nun unentwegten Ein-mischungen der so anziehenden wie willensstarken ju-gendlichen Welfin, nahm die Geschichte einen ande-ren Verlauf; wurde Ludwigs eigene Ordinatio imperii,die doch so feierlich beschworene, auf »Gottes Einge-bung« hin geschaffene Erbfolgeordnung von 817 (S.38 ff.), die das Reich bereits unter seine Söhne aus er-ster Ehe aufgeteilt hatte, völlig umgestoßen und stattder Dreiteilung eine Vierteilung vorgenommen.

Prinz Karl war 829 erst sechs Jahre alt, als ihnLudwig auf dem Wormser Reichstag zum König vonAlemannien bestimmte, dem Stammland seiner Mut-ter, ihm dazu das Elsaß, Rätien sowie Teile von Bur-gund verlieh. Und infolge der jetzt einsetzenden, wohlmeist von der Kaiserin ausgehenden Kabalen wurdeLudwig mit seinen älteren Söhnen verfeindet, wurdeLothar gegen die Brüder, die Brüder gegen Lothar,doch auch ein Bruder gegen den anderen ausgespielt,kurz, Demoralisation, Korruption, Bestechung, Verratzu Hauf. Und, weißgott, nicht zufällig gingen all demZeichen voraus, verfinsterte sich der Mond am 1. Juliin der Dämmerung und noch einmal am 25. Dezember828 um Mitternacht. Ja, während der kommenden

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4.185 Deschner Bd. 5, 71Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

»heiligen vierzigtägigen Fastenzeit«, vor dem »heili-gen Osterfest«, räumte ein nächtliches Erdbeben samtheftigem Sturmwind zu Aachen selbst die mit Blei-platten gedeckte »Kirche der heiligen Mutter Gotteszu einem nicht geringen Teil ab« (Reichsannalen).Ergo ging es bald mit dem Reich »von Tag zu Tagschlimmer«.55

Die erste Empörung 830 gegen den Senior leitetein dem frommen und doch so familienfreundlichenAbendland ein Jahrzehnt fortgesetzter Palastrebellio-nen und Bürgerkriege ein.

Die älteren Söhne des Kaisers waren über die Ent-wicklung begreiflicherweise erbittert. Zumal Lothar,dessen Reich man kräftig zugunsten Karls geschmä-lert, sah außerdem seine künftige Vorherrschaft ge-fährdet. Doch auch das jüngere Brüderpaar Pippinund Ludwig bedrohte weiterer Gebietsverlust. Ebensobangte die auf die Reichseinheit bedachte kirchlicheHierarchie um ihr Konzept. Die Situation spitzte sichnoch zu, als Lothar, seit Ende 825 formell gleichbe-rechtigter Regent an Ludwigs Hof, im Herbst nachItalien, Wala in sein Kloster Corbie abgeschobenwurde. Statt ihrer aber kam als Kämmerer, als »Zwei-ter in der Herrschaft«, der den bisher führenden Ma-gnaten verhaßte Graf Bernhard von Barcelona, ein an-scheinend besonders hochmütiger Ehrgeizling, derdurch Preisgabe des Krongutes neue Anhänger zu-

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4.186 Deschner Bd. 5, 72Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

sammensuchte.Ludwig selbst zog, nachdem er noch den Staat »in

Ordnung gebracht«, natürlich »auf sein Hofgut Frank-furt zur Herbstjagd« »und jagte hier so lang es ihmgefiel«, notieren die Biographen. Erst gegen Winterfeierte er wieder in Aachen die Feste, wie sie fielen,Martinsmesse, Andreastag, das heilige Weihnachts-spektakel, und alles, versichert der Reichsannalist,»mit Freude und Jubel«.

Die sollten ihm allerdings vergehn.Bernhard, Abkömmling fränkischen Hochadels,

Sohn Wilhelms – des unter Karl I. sehr geachtetenGrafen von Toulouse, zuletzt durch seinen Freund Be-nedikt von Aniane Mönch mit strengster Askese –,Bernhard verspürte zu derlei wenig Neigung. DasBett der jungen Kaiserin, so böse Zungen, zumal bi-schöfliche, habe ihm viel näher gelegen. Und Ludwigder Fromme hatte den Mann von kleinauf gefördert,ihn bereits aus der Taufe gehoben, dann zum Grafenvon Barcelona ernannt und an die Spitze der spani-schen Mark gestellt, wo er den Gotenaufstand unterAizo (S. 55 f.) erfolgreich bekämpfte.

Als Parteigänger der Kaiserin holte man Bernhard829 an den Hof und suchte mit seiner Hilfe die»Reichseinheitspartei« zu zerschlagen. Doch geradedas Gegenteil geschah. Bernhards Berufung war einSchritt, schreibt selbst Ludwigs Lobredner, der Astro-

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4.187 Deschner Bd. 5, 72Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

nom, der »die Saat der Zwietracht nicht erstickte, son-dern vielmehr mehrte«. Und auch Nithard, Karls »desGroßen« Enkel, der sich im Bruderzwist an Karl (denKahlen) anschloß, in dessen Auftrag er die Zeitge-schichte dokumentierte, meint von Bernhard: »Stattden schwankenden Staat zu befestigen, richtete er die-sen durch den unbesonnenen Mißbrauch der Gewaltgänzlich zugrunde.«56

Dem eigenen Anhang soll der Kämmerer rasch zuMacht und Würden verholfen haben. Doch die Grup-pe war verhältnismäßig klein, bestand vor allem ausseinem Bruder Heribert, Vetter Odo, den Brüdern derKaiserin, Konrad und Rudolf, und natürlich zählteauch Judith selbst dazu, angeblich des Kaisers böserGeist. Der Kreis seiner Widersacher aber war großund einflußreich. Denn rundum sammelten sich dieMißvergnügten, Gedemütigten, alle, die durch einenUmsturz oder doch eine Änderung der Verhältnisse zuprofitieren hofften, die Meute derer, die, »wie Hundeund Raubvögel, anderen Schaden zuzufügen suchte,um selbst daraus Gewinn zu ziehen« (Astronomus).Gerüchte kursierten, vielleicht Verleumdungen, regel-rechte Kampagnen, die zumal von den darin versier-ten Prälaten ausgingen, die der Kaiserin alles Mögli-che unterstellten, einschließlich Ehebruch mit demKämmerer Bernhard und anderen.

»Die geringeren Leute machten sich darüber lu-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.188 Deschner Bd. 5, 73Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

stig«, kolportiert Erzbischof Agobard, »die vorneh-men und großen litten darunter, daß das kaiserlicheLager beschmutzt, der Palast entehrt und der Ruf derFranken verdunkelt wurde, weil die Herrin frivoleSpiele sogar in der Gegenwart von Geistlichen trieb«.Abt Regino von Prüm spricht gleich von ihrer »viel-fältigen Hurerei« (multimodam fornicationem), waszumindest unsicher ist.

Man bezichtigte Judith auch teuflischer Künste,heimtückischer Zauberei. Amulette aber, Magie,Weissagen, Wahrsagen, Zukunfts- und Traumdeutensowie ähnlich »verderbliche Übel« hatte ja gerade erst829 die Synode von Paris verdammt, und alle, diederart »dem ruchlosen Teufel dienen«, wollte sieselbstverständlich »besonders streng« bestraft sehen.

Kaum weniger schlimm aber erscheint Bernhard.Der im Nonnenkloster von Soissons erzogene hl. AbtPaschasius Radbertus, Walas Biograph, sieht denschurkischen Kämmerer in allen Schmutzsuhlen sichwälzen, wie ein wilder Eber die Pfalz verwüsten, gardas Bett der Kaiserin besetzen. »Der Palast wurdezum Freudenhaus, in dem die Ehebrecherin herrschtund der Ehebrecher regiert, in dem sich Verbrechenhäufen, in dem besonders ruchlose und hexerischeZaubereien aller Art gebraucht werden.« Dagegengeht der »große und sanftmütige Kaiser« getäuscht»wie ein unschuldiges Lamm zur Schlachtbank ...«

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4.189 Deschner Bd. 5, 73Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

Bernhard hatte seine Frau Dhuoda – Verfasserindes »Liber manualis«, der eindringlichen Anleitungzu einem christlichen Leben – nicht bei Hofe, sondernsie nach Uzès verwiesen. Ob die Unterstellungen desHeiligen etwas Wahres enthielten, war bis heute nichtnachweisbar, die Kampagne freilich erfolgreich. Ca-lumniare audacter ...

Um von den desolaten inneren Verhältnissen abzu-lenken, wollte der Kaiser wieder einmal gegen dieBretagne ziehen, mit dem gesamten Heerbann desReiches, und ausgerechnet auch noch am 14. April,Gründonnerstag! Angeblich erbitterte dies »das ganzeVolk« (Annales Bertiniani). Tatsächlich erregten sichnur die Mächtigen über die Neuregelung zugunstendes nachgeborenen Karl, der nun eben nach dem frän-kischen Gewohnheitsrecht einen Teil des Gesamterbesbekommen sollte, was die drei Söhne aus Ludwigs er-ster Ehe, Karls Stiefbrüder, Pippin I. von Aquitanien,Ludwig von Bayern, besonders jedoch Lothar, be-nachteiligte. Dieser eilte schnell aus Italien über dieAlpen, um gemäß der Entscheidung von 817 seinRecht zu verfechten. Dabei traten ihm weltliche wiegeistliche Fürsten zur Seite, die alle nach außen fürdie Einheit des Reiches, in Wirklichkeit freilich mehrfür ihr eigenes Interesse streiten wollten.

An der Spitze der Verschwörung standen frühereKaiseranhänger, einige seiner ersten Ratgeber, der

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4.190 Deschner Bd. 5, 74Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

einstige Kanzler Helisachar, der Erzkanzler und AbtHilduin von St. Denis, der Bischof Jesse von Amiens,vor allem aber der damals 56jährige Abt Wala, dergeistige Kopf der Erhebung und gefährlichste GegnerLudwigs, der die Parole prägte »pro principe contraprincipem« und dessen Kloster Corbie geradezu »dasZentrum« und »Hauptquartier« (Weinrich) der Rebel-len wurde. (Durch die Jahrhunderte dienen katholi-sche Klöster als Verschwörerzentralen, wie nochwährend des Zweiten Weltkriegs bei der Vorbereitungund Auflösung des klerofaschistischen Mörderpara-dieses »Großkroatien«.)57

Die Aufständischen, die sich, Ludwigs Zug gegendie Bretonen nutzend, im Kloster Corbie sammelten,warfen dem Kaiser vor, daß er »gegen die christlicheReligion ..., ohne irgeneinen Nutzen für den Staat undohne bestimmte Notwendigkeit für die Fastenzeit eineallgemeine Heerfahrt anbefohlen und den Heertag ander äußersten Reichsgrenze für den Tag des Abend-mahls des Herrn bestimmt habe«.

Die Rebellen wollten nicht nur Bernhard und diejunge Kaiserin samt Anhang, sondern auch den altenKaiser entfernen und womöglich Lothar an seine Stel-le setzen.

Judith wurde nach verschiedenen Peinigungensogar mit dem Tod bedroht und zu dem Versprechengezwungen, den Kaiser zu nötigen, sich das Haar

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4.191 Deschner Bd. 5, 75Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

scheren zu lassen und ins Kloster zu gehn. Sie selbstmußte den Schleier nehmen und bei den Nonnen deshl. Kreuzes (St-Croix) in Poitiers verschwinden. IhreBrüder, die Welfen Konrad und Rudolf, wurden, umsie politisch auszuschalten, zu Mönchen geschorenund, in König Pippins Gewahrsam, in aquitanischeKlöster gesteckt. Der hochverhaßte KaiserberaterGraf Bernhard von Barcelona und Herzog von Septi-manien, der »Schänder des väterlichen Ehebettes«(Astronomus), rettete sich mit Ludwigs Zustimmungnach Spanien. (Karl der Kahle ließ 844 den einstigenGünstling seiner Mutter als Hochverräter köpfen.)Bernhards Bruder Heribert, angeblich mitschuldig,wurde »mit dem Verlust der Augen bestraft« und nachItalien in Haft geschleppt, sein Vetter Odo exiliert.

Ludwig und den kleinen Karl nahm Lothar »in freieHaft«. Von ihm beauftragte Mönche des Médardklo-sters bei Soissons suchten den Kaiser mit dem Aske-tenleben bekannt zu machen und zum freiwilligenEintritt in ihren Stand zu bewegen. Doch der frommeLudwig war jetzt weit davon entfernt.

Lothar, der zwar den Anhang der eingesperrtenFürstin hartnäckig verfolgte, vermied es immerhin aufder Reichsversammlung zu Compiègne im Mai 830,den Vater selbst ganz zu entmachten. Er begnügtesich damit, dessen Verfügungen aus dem letzten Jahrzu annullieren, und mochte im übrigen glauben, das

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4.192 Deschner Bd. 5, 75Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

Heft in der Hand zu haben. Doch während die Großensich immer mehr verfeindeten, jeder nur seinen Nut-zen suchte, die Lage sich nicht besserte und der Miß-mut über die neue Regierung wuchs, gelang des demKaiser, seine beiden jüngeren Söhne gegen den Älte-ren aufzustacheln. Durch einen gewissen Guntbald,einen Mönch, bot er Ludwig und Pippin eine Vergrö-ßerung ihrer Reichsteile an, womit er sie schnell aufseine Seite und die bisher Verbündeten auseinanderbrachte, zumal den Brüdern Lothars Oberherrschaftnicht weniger drückend erschien als die des Vaters.

So mißlang der Staatsstreich völlig. Auf demReichstag zu Nymwegen im Oktober 830 gewann derMonarch wieder die Freiheit, Lothar unterwarf sich,seine führenden Parteigänger wurden eingesperrt undim Februar auf dem Reichstag zu Aachen abgeurteilt.Abt Wala von Corbie, der zunächst in sein Kloster –774 schon Haftort des Langobardenkönigs Desiderius(IV 420 ff.) – verschwinden mußte, kam in ein schwerzugängliches Felsennest am Genfer See, wo er nurden Schnee der Alpen und den Himmel sah. BischofJesse von Amiens wurde durch die Prälaten seinerWürde entsetzt, Abt Hilduin als Erzkaplan durch denAbt Fulco abgelöst und in das Kloster Korvei inSachsen gegeben, auch Abt Helisachar verbannt. Här-ter ging man, wie üblich, gegen die sogenanntenLaien vor, die man um Ämter und Güter brachte. Und

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4.193 Deschner Bd. 5, 76Katholiken unter sich: Der erste Aufstand

Lothar selbst fand sich, als Mitregent entthront,schließlich in Italien wieder, nachdem er versprochen,»niemals mehr solches zu begehen«.

Die Kaiserin kehrte mit ausdrücklicher DispensGregors IV. und der fränkischen Bischöfe alsbald ausdem Kloster zurück und leistete, ihre Verwandtschaftals Mitschwörer (sacramentales) benutzend, einenReinigungseid, der von jeder weiteren »Beweisfüh-rung« entband, und den dann auch der wieder auftau-chende Graf Bernhard schwor. Judith wurde rehabili-tiert und mächtiger als zuvor. Und natürlich warenauch ihre beiden geschorenen Brüder längst wiederdie Mönchskutte los.58

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4.194 Deschner Bd. 5, 76Katholiken unter sich: Der zweite Aufstand

Katholiken unter sich: Der zweite Aufstand

Indes Lothar nun auf Italien beschränkt blieb, teilteder Kaiser den übrigen Söhnen Pippin, Ludwig undKarl im Februar 831 etwa gleich große regna zu.Doch trotz deren beträchtlicher Erweiterung schwelteder Konflikt fort, wollten die einen die Reichseinheit,die anderen mehr Einfluß oder mehr Land – alles abervon nacktem Egoismus diktiert, nicht zuletzt von dennimmer ruhenden Bemühungen der Kaiserin für ihrenSprößling, den Nachzügler Karl. Kaisersohn Pippinrevoltierte in Aquitanien und verlor es, Judiths Sohnbekam es. Und der Adel des Landes, der Pippin treu-los verließ, leistete dem neuen Herrn den Eid. Ist die-ser Adel doch kaum minder opportunistisch wie derEpiskopat, läuft doch auch er gewöhnlich von einemzum andern über und gewöhnlich natürlich dorthin,wo er mehr Geld und Gut zu ergattern hofft, mehrMacht – das alles ergibt dann mehr Ehre und Edelhaf-tigkeit: sozusagen höheren Adel ...

An Ostern 832 rebellierte der Bayernherzog Lud-wig (der Deutsche).

Mit allen bayerischen und sogar slawischen Trup-pen, ja mit Hörigen (liberis et servis, et sclavis) unter-nahm er einen Kriegszug zur Rückgewinnung Ale-manniens, das inzwischen seinem Stiefbruder Karl

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4.195 Deschner Bd. 5, 77Katholiken unter sich: Der zweite Aufstand

(dem Kahlen) gehörte. Allmählich bis Worms vor-dringend, hatte Ludwig zwar »alles schrecklich ver-wüstet«, mußte sich aber, in Ermangelung erhoffterZuzüge von Franken und Sachsen, im Mai 832 beiAugsburg ergeben und wurde in sein Land zurückge-schickt. Eidlich gelobte er, »nie wieder dergleichen zubegehen oder anderen dazu seine Zustimmung zugeben« (Annales Bertiniani) – und brach schon imnächsten Jahr seinen Schwur.

Da der kleine Karl Aquitanien bekommen sollte,wurde Pippin noch im Oktober bei Limoges unter-worfen, abgesetzt und »zur Besserung seiner schlech-ten Sitten« mit Frau und Kind nach Trier verbannt. Erentkam jedoch bereits auf dem Transport, erreichteAquitanien, vom Vater alsbald verfolgt, der aber nachschweren Verlusten retirieren mußte.

Und schon Anfang nächsten Jahres, 833, verbünde-ten sich die drei älteren Brüder, um den Vater, unge-achtet ihrer Vasalleneide wie Kindespflicht, mit gro-ßer Heeresmacht anzugreifen. Sie appellierten an dasVolk, »eine gerechte Regierung zu schaffen«. Dennauch Ludwig der Deutsche (der bereits 838 und 839wieder revoltierte) und Pippin I. von Aquitaniensahen sich benachteiligt, bedroht. Lothar zog miteinem eilig mobilisierten Heer samt Papst Gregor IV.(827–844), der noch von Italien aus versucht hatte,den fränkischen Klerus zu gewinnen, in Burgund ein.

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4.196 Deschner Bd. 5, 78Katholiken unter sich: Der zweite Aufstand

Die dortigen Erzbischöfe liefen sofort über, Bernhardvon Vienne und Agobard von Lyon, der Geiferergegen die Juden (580), der jetzt auch, dem ViertenGebot zum Trotz, ein Manifest verfaßte für das Rechtder Söhne wider den Vater.

Lothar stieß zu den Brüdern und trat erneut an dieSpitze der Empörer. Doch stand die Mehrzahl derfränkischen Kirchenoberen zunächst noch zum altenHerrn und erinnerte brieflich den »Bruder Papst« anseinen Treueid, den er Ludwig geschworen, ja, drohtebei feindseligen Maßregeln mit Exkommunikation.Eine kleinere Prälatengruppe, darunter Abt Wala undAgobard, hielt aber zum Papst, der Gehorsam forder-te, auch wenn seinem Befehl einer Ludwigs entgegen-stehe, weil das geistliche Amt bedeutsamer sei als dasweltliche, die Leitung der Seelen wichtiger als allesZeitliche und überhaupt das Papsttum dem Kaisertumübergeordnet – eine Behauptung, die spätere Päpsteunablässig den Kaisern entgegenschleudern. Dochhatte Gregor ganz recht, schmähte er die Bischöfe(freilich nur seine Gegner), unbeständig wie der Windund das schwankende Rohr, charakterlose Schwäch-linge und egoistische Kriecher vor der weltlichen Ge-walt.59

Da Ludwig zu unterliegen drohte, harrten immerweniger Prälaten bei ihm aus. Der Papst schimpftederen Schreiben hochmütig, dumm und bestritt heftig

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4.197 Deschner Bd. 5, 78Katholiken unter sich: Der zweite Aufstand

den ihm von den Kaiserlichen allseits gemachten Vor-wurf, er sei bloß als Werkzeug der Söhne gekommen,um über deren Gegner den Bann zu verhängen.

Zwischen Straßburg und Basel, in der weitenEbene auf dem Rotfeld bei Colmar – vom Volksmundangeblich schon bald das »Lügenfeld« (Campus-men-titus), von schwäbischen Annalisten »die Schande derFranken« (Francorum dedecus) genannt – lag maneinander im Juni 833 tagelang nahe in Kampf Ord-nung gegenüber. Und während Gregor IV., alte Pfaf-fen-Taktik, stets nur das eine Ziel betonte, Friedenzwischen den streitenden Parteien zu stiften, währender auch, doch nur kurz (non diu), sagt Thegan, imAuftrag der Söhne mit ihrem Vater verhandelte, über-nahm er »die führende Rolle« in den Verfahren, »diein der Absetzung des Kaisers gipfelten« (Dawson),und ließ sich zu einem »bedauerlichen Schuld-spruch ... verleiten« (Grotz S.J.).

Es ist klar, daß der Papst die Erhebung für dieMasse rechtfertigen, den zaudernden Rest auf dieSeite der Rebellen ziehen sollte. Just nach seinerRückkehr zu den Brüdern ging auch fast Ludwigsganzes Heer (trotz dessen zusätzlichen Treueides,wider seine Söhne wie gegen Feinde sich zu schla-gen), verräterisch zu diesen über – »wie ein Wild-bach«, schreibt der Astronom, »teils durch Geschenkeverführt, teils durch Drohungen erschreckt«, worin

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4.198 Deschner Bd. 5, 79Katholiken unter sich: Der zweite Aufstand

der Klerus auf Lothars Seite ein göttliches Wunder er-kannte. Und nun wechselten auch die meisten Bischö-fe, die vordem Gregor IV. mit der Absetzung gedroht,die Fronten, so daß dieser, der seine Schuldigkeitgetan, nach Rom zurückkehren konnte – mit LotharsZustimmung.60

Der alte Kaiser aber mußte in jenem Sommer sichauf Gnade und Ungnade ergeben. Er galt jetzt alsdurch Gottes Hand gestürzt, als »Unkönig«, zweiterSaul, und die Bischöfe und andere taten ihm, so Chor-bischof Thegan, »viel Leids an«. Lothar hatte denVater zunächst mit durch die Vogesen geführt, überMetz, Verdun nach Soissons, wo Ludwig im KlosterSt.-Médard eingekerkert, der erst zehnjährige Karlihm weggenommen und in das Eifelkloster Prüm ge-steckt wurde, in strenge Haft – wie ein Schwerverbre-cher, meint Karl später, doch machte man ihn nichtzum Mönch. Die Brüder Judiths aber kamen gescho-ren nach Aquitanien in Pippins Gewalt, während sieselbst gleich mit Gregor nach Italien befördert unddort nach Tortona verbannt worden war.

Mit päpstlicher Billigung dekretierte man denÜbergang des Reiches vom alten Kaiser – von denBischöfen nur noch der »ehemalige Kaiser«, der »ehr-würdige Mann« oder auch »Herr Ludwig« genannt –auf Lothar. Er kassierte den größten Teil der Beute,das dem kleinen Stiefbruder zugedachte Erbe mit

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4.199 Deschner Bd. 5, 79Katholiken unter sich: Der zweite Aufstand

Ausnahme Alemanniens (das Ludwig der Deutschemit fast dem ganzen östlichen Reichsteil bekam).

Der Sieger datierte nun seine Urkunden nach »derRegierung Kaiser Lothars in Francien«. Und auch ausden Diplomen Ludwigs (des Deutschen) schwand dieOberherrlichkeit des Seniors. Ludwig urkundete nichtmehr als rex Baioariorum, sondern als rex und datier-te nach seinen Regierungsjahren »in orientali Fran-cia« (erstmals am 19. Oktober 833). Nur Pippin vonAquitanien datierte noch nach dem Kaiser. Im übrigenwurde das Reich zwischen den drei Brüdern vonneuem geteilt. Und wenn Lothar auch an die Stelledes Vaters trat und der Hauptgewinner war, so ge-wannen doch auch die beiden anderen Brüder dazu;und aller drei Länder standen selbständig nebeneinan-der. Stiefbruder Karl freilich hatte man ganz übergan-gen, enterbt.61

Seinerzeit ergriff Hrabanus Maurus, der Abt vonFulda, ein Verfechter der Reichseinheit, für Ludwigden Frommen Partei und schrieb in einem für diesenverfaßten Traktat, es sei »völlig unzulässig, daßSöhne gegen den Vater und Untertanen gegen ihrenHerrscher rebellieren«. Hraban zeigte die Ungerech-tigkeit des Komplotts wider Ludwig auf. Weder seiLothar berechtigt, den Vater zu entthronen, noch derEpiskopat befugt, ihn zu verdammen, zu exkommuni-zieren. (Nach 840 ergriff der »Praeceptor Germaniae«

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4.200 Deschner Bd. 5, 80Katholiken unter sich: Der zweite Aufstand

für Lothar, einige Jahre später für Ludwig den Deut-schen Partei, worauf er 847 Erzbischof von Mainzwerden konnte.)62

Dagegen stützte sich, angeführt von Agobard vonLyon, Ebo von Reims, Jesse von Amiens, zumindestein Teil des hohen Klerus auf die bereits 829 be-schlossenen Leitsätze: »Ein Herrscher, der seineAmtspflichten verletzt hat, ist nicht mehr König, son-dern Tyrann und darf abgesetzt werden. Wer die Ab-machungen von 817 gebrochen hat und durch das›Gottesurteil‹ des Zusammentreffens im Elsaß seinerMacht beraubt wurde, der müsse seine Schuld öffent-lich bekennen und Kirchenbuße tun.«63

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4.201 Deschner Bd. 5, 80Viel schlimmer als Canossa - und alles »nach ...

Viel schlimmer als Canossa – und alles »nachdem Urteil der Priester«

Als am 1. Oktober 833 in Compiègne unter LotharsVorsitz eine allgemeine Reichsversammlung zu dieserchristlichen Tragödie zusammentrat, forderte der einstvon Ludwig besonders begünstigte, ihm viel verdan-kende Erzbischof Agobard in einer eigenen SchriftKirchenbuße für den abgesetzten, den »gewesenenKaiser« (domnus dudum imperator) und öffentlichenSünder. Nicht nur diesmal freilich hatte er gegen denHerrscher gehetzt, hatte er seine Gattin Judith vomTeufel besessen und jeder Untat fähig, seinen Hofvom »Schmutz der Verbrechen« verseucht erklärt undvorbehaltlos, geradezu leidenschaftlich die Rebellionder Söhne gerechtfertigt.

War Agobard doch, wie die meisten seiner Zunft,überhaupt ein großer Hasser, auch der Heiden, »Ket-zer«, nicht zuletzt der Juden. Fünf rabiate Bücherschmetterte er gegen sie, darin bereits der berüchtigteNazislogan »Kauft bei keinem Juden«! So konnteman das hochgeschätzte Kirchenlicht (freilich schonin vornazistischer Zeit) »den brutalsten Judenfeindenaller Zeiten« an die Seite stellen, konnte Jesuit Rahner1934 Agobard – nebst anderen kirchenväterlichen Ju-denfeinden – prompt für die katholische Kirche aus-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.202 Deschner Bd. 5, 81Viel schlimmer als Canossa - und alles »nach ...

spielen. Kaiser Ludwig dagegen hatte den Juden zahl-reiche Schutzbriefe gewährt.64

Wie aber deuteten die in Compiègne versammeltenOberhirten, die mit allen Großen Lothar ein Treuever-sprechen leisteten, Ludwigs Niederlage? Selbstver-ständlich als Folge seines Ungehorsams gegenüberden Ermahnungen der Priester. Gott und den Men-schen habe er viel Mißfälliges getan und seine Unter-tanen an den Rand des Verderbens gebracht. Ergo er-klärte man ihn zum »Tyrannen«, seinen siegreichenSohn und Nachfolger aber zum »Freund des HerrnChristus«. Sie, die »Stellvertreter Christi«, die»Schlüsselträger des Himmelreiches«, fordern vondem alten Fürsten ein umfassendes Sündengeständnis,fordern ihn zur Weltentsagung auf und präsentierenihm ein Schriftstück über seine Vergehen, damit er»wie in einem Spiegel die Häßlichkeit seiner Hand-lungen schauen könne«.

Wilfried Hartmann bemerkt dazu in einer der neue-sten Konziliengeschichten: »Diese Vorgänge warennur möglich, weil der fränkische Episkopat bereits829 in Paris Leitsätze formuliert hatte, die eine ArtKontrolle des weltlichen Herrschers durch die Bischö-fe vorsahen.« So verkündete Kanon 55: »Wenn einerfromm und gerecht und barmherzig regiert, wird ernach Verdienst König genannt; die aber, die gottlos,ungerecht und grausam regieren, heißen nicht Könige,

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4.203 Deschner Bd. 5, 82Viel schlimmer als Canossa - und alles »nach ...

sondern Tyrannen«. Wie freilich ein König zu heißenhat, gerecht oder gottlos, das bestimmen die Prälaten.

Und wie glücklich waren sie unter Ludwigs Vaterund schon lange vordem!

Allen riefen sie ins Gedächtnis, »wie dieses Reichdurch die Verwaltung des vortrefflichsten KaisersKarl seligen Andenkens und durch die Arbeit seinerVorfahren befriedet und geeinigt und rühmlich erwei-tert wurde ...«! Tatsächlich hatten Merowinger undKarolinger, hatte nicht zuletzt auch der »vortrefflich-ste« Karl einen Krieg nach dem andern geführt, warendiese Fürsten der Franken nichts so sehr wie Räuberund Schlächter gewesen, Ausbeuter, Versklaver, inzwei Worten: christliche Abendländer, wofür sie janoch heute das Gros der Historiker glorifiziert!

Wie seinerzeit schon die frommen Seelenhirten.Die andererseits den Sohn verachteten, zumindest zurZeit seiner Erniedrigung, seiner Niederlage den Be-siegten, durch dessen »Kurzsichtigkeit«, »Nachlässig-keit«, wie sie jetzt schrieben, das Reich »zu solcherSchmach und Erbärmlichkeit herabsank, daß es nichtnur den Freunden zur Trauer, sondern auch den Fein-den zum Spotte wurde, und wie derselbe Fürst dasihm anvertraute Amt nachlässig geführt und vieles,was Gott und den Menschen mißfiel, sowohl tat alszu tun veranlaßte oder geschehen ließ und in vielenverruchten Anschlägen Gott reizte und der heiligen

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4.204 Deschner Bd. 5, 82Viel schlimmer als Canossa - und alles »nach ...

Kirche Ärgernis gab ... und wie durch göttliches undgerechtes Urteil ihm plötzlich die kaiserliche Machtgenommen wurde«.

In Gruppen und gemeinsam bearbeiteten die Kir-chenfürsten den Gefangenen, »schmiedeten sie vieleAnklagen gegen den Kaiser«, führten sie ihm »flei-ßig« zu Gemüte, »wodurch er Gott beleidigt und derheiligen Kirche Ärgernis gegeben ...« Und so soll er»gern ihrem Rat und ihren sehr heilsamen Ermahnun-gen« gehorcht haben; was aber wohl gelogen ist. Liestman ja auch: »Er jedoch weigerte sich und fügte sichihrem Willen nicht. Alle Bischöfe aber bedrängtenihn hart und vor allem die, welche er aus dem Zustandder niedrigsten Knechtschaft zu Ehren gebrachthatte ...« (Thegan); »und so lange peinigten sie denKaiser, bis sie ihn dahin brachten, die Waffen abzule-gen und seine Kleidung zu ändern, und ihn von derSchwelle der Kirche verstießen, so daß niemand mitihm zu sprechen wagte, außer denen, welche dazuverordnet waren« (Annales Bertiniani). Er legte, mel-den die Annales Fuldenses, »nach dem Urteil der Bi-schöfe die Waffen ab und wurde um Buße zu tun ein-gesperrt«.

Ludwig soll sich in St-Médard, wo ihm die Präla-ten noch einmal die Leviten lasen, tief gedemütigt,dreimal oder noch öfter vor den Oberhirten und einerMenge anderer Kleriker niedergeworfen, alles, was er

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4.205 Deschner Bd. 5, 83Viel schlimmer als Canossa - und alles »nach ...

eingestehen sollte, in ihm offenbar eingetrichtertenSprüchen – die auch heute noch praktizierte Gehirn-wäsche – eingestanden und um Vergebung gebetenhaben.

Zum Auskosten ihrer Häme hatten die Hierarchendies Schauspiel in der Marienkirche des Klosters vordem Altar inszeniert. Im Beisein eines großen Volks-haufens ließen sie den auf ein härenes Bußgewandausgestreckten Kaiser – »mit lauter Stimme unterreichlichem Tränenstrom ...« – drei-, viermal das vonihnen verfaßte Sündenbekenntnis verlesen, worin sieihn für fast alles Elend des Reiches, auch sofern ernur mittelbar, nur passiv daran beteiligt war, verant-wortlich machten; besonders für drei Kapitalverbre-chen: sacrilegium, homicidium, periurium, für Stö-rung des öffentlichen Friedens, Verbannung, Mord,Totschlag, Tempelschändung, Kirchenraub, Konfis-kation, Plünderung, Notzucht, Bürgerkrieg, überhauptfür Vergehen gegen göttliches und menschlichesRecht, für Ärgernis und Eidbrüchigkeit, Unfähigkeitund willkürliche Reichsteilung etc. etc. – alles »nachdem Urteil der Priester«. Er mußte dies lange Schand-register schriftlich den Seelenhirten überreichen,mußte seine Waffen vor dem Altar, »vor dem Leich-nam des heiligen Bekenners Medardus und des heili-gen Märtyrers Sebastian« (S. 584) niederlegen, seinOberkleid ausziehen und unter Psalmen und Gebeten

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4.206 Deschner Bd. 5, 83Viel schlimmer als Canossa - und alles »nach ...

das Büßergewand empfangen, in das ihn die geistli-chen Herren gleich eigenhändig steckten.65

Die ganze Prozedur sollte einerseits den Monar-chen moralisch vernichten, ihn unfähig machen, aufden Thron zurückzukehren, ja, nur Waffen zu tragen –das kanonische Recht schloß dies, wie auch Ludwigwußte, nach einer öffentlichen Kirchenbuße aus. An-dererseits sollte die ungeheuere Herabsetzung dievolle Superiorität der Bischöfe demonstrieren.

In einer Denkschrift, in der sie sich selbst als »dieVertreter Christi und Schlüsselträger des Himmelrei-ches« feierten, »die das Recht zu binden und zu lösenauf Erden wie im Himmel besitzen«, verkündeten sieauch dem gemeinen Christenhaufen: »Weil dieserFürst das ihm anvertraute Amt nachlässig gehand-habt, in vielen verwerflichen Entschließungen Gottbeleidigt und die heilige Kirche skandaliziert undjüngst erst alles Volk, das ihm Untertan war, zumgänzlichen Untergang gebracht hat, so sei von ihmkraft göttlichen und gerechten Richterspruches diekaiserliche Gewalt genommen worden, nach göttli-chem Beschlusse und kirchlicher Autorität.« »Es wardie Rache der kirchlichen Partei« (F. Schneider). Eswaren dieselben Leute, die schon die Erhebung von830 betrieben hatten, durch neue Opportunisten ver-mehrt, waren vor allem, wenn auch keinesfalls allein,die Kirchenführer aus Westfrancien, Burgund, Aqui-

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4.207 Deschner Bd. 5, 84Viel schlimmer als Canossa - und alles »nach ...

tanien, die Erzbischöfe von Reims, Lyon, Vienne,Narbonne, die Bischöfe von Amiens, Auxerre, Tro-yes.66

Noch vor 33 Jahren hatte Karl I. Papst Leo III. ge-richtet (IV 446 ff.). Jetzt richtete der fränkische Epi-skopat den Kaiser! Mit der kläglichen Zeremonie, dergrößten Schmach im Leben Ludwigs, eine der tiefstenDemütigungen der Fürsten überhaupt, weit schlimmerals Canossa, war Ludwig der Fromme auch von derKirchengemeinschaft ausgeschlossen und durfte nurnoch mit wenigen, ganz bestimmten Personen verkeh-ren und sprechen. Als man deshalb Lothar die Gefan-genschaft des Vaters vorhielt, konnte er mit Recht er-widern, daß ihn doch die Bischöfe dazu verurteilt hät-ten. »Niemand«, sagte er, »habe mehr Mitgefühl mitdem Wohl und Wehe seines Vaters als er, nicht ihmdürfe man es als Schuld anrechnen, daß er die ihm an-gebotene Herrschaft übernommen habe, da ja sieselbst den Kaiser abgesetzt und verraten hätten, nichteinmal die Kerkerhaft könne man ihm zum Vorwurfmachen, da es ja bekannt sei, daß sie durch das Urteilder Bischöfe verhängt wurde.«

Als Ludwigs Kerkermeister fungierte der Erzbi-schof Otgar von Mainz.67

Eine Hauptrolle in dieser Tragödie, die zwischen833 und 843 eine Kette von Bürgerkriegen auslöste,hatte kein anderer als der mit Agobard von Lyon eng

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4.208 Deschner Bd. 5, 85Viel schlimmer als Canossa - und alles »nach ...

befreundete Erzbischof Ebo von Reims gespielt, gera-dezu ein Prototyp geistlicher Undankbarkeit und Ver-räterei – und auch ein Mann mit beachtlichen Missi-onserfolgen. War er doch vor Jahren »nach dem Ratdes Kaisers und mit Ermächtigung des Papstes nachdem Land der Dänen gezogen, um das Evangelium zupredigen« und hatte »viele von ihnen bekehrt und ge-tauft ...«

In der Tat gilt dieser von Papst Paschalis I. zumLegaten des Nordens ernannte Prälat im Rahmen derkarolingischen Skandinavienpolitik als der Initiantder nordischen Mission. Einst hatte Karl »der Große«den Nachkommen von »Ziegenhirten«, den Sohneines unfreien Bauern, in seine Hofschule aufgenom-men, hatte ihn Ludwig, als König von Aquitanien vonJugend an mit ihm befreundet, zum Hofbibliothekar,als Kaiser 816 zum Erzbischof von Reims und Abtvon St. Remi, aus dem Nichts also fast zu einem derersten Männer des Reiches gemacht. Jetzt aber stießer seinen kaiserlichen Freund und Förderer, der auchnoch den Kirchenfürsten oft begünstigte, in dessenschlimmster Stunde vom Thron. »Sie suchten da-mals«, schreibt Chorbischof Thegan, »einen frechenund grausamen Menschen aus, Bischof Ebo vonReims, aus ursprünglich unfreiem Geschlecht, daß erden Kaiser mit den Lügen der übrigen unmenschlichpeinigte.« Ein Prälat war also frech und grausam, die

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4.209 Deschner Bd. 5, 85Viel schlimmer als Canossa - und alles »nach ...

übrigen logen auf Teufel komm raus, kurz, die ganzeheilige Meute fiel über den Herrscher her. »Unerhör-tes redeten sie, Unerhörtes taten sie, indem sie ihmtäglich Vorwürfe machten ...« Und kein anderer alsEbo verdonnerte im Oktober 833 zu St-Médard inSoissons seinen einstigen Gönner persönlich zur Kir-chenbuße, wofür ihm Lothar die Abtei St-Vaast gege-ben haben soll.

Von Compiègne trieb man Ludwig, »den frömm-sten der Fürsten«, so nennt ihn Thegan nicht nur ein-mal, nach Aachen. Und der ihn trieb, war auch ein ka-tholischer Fürst, sein eigener Sohn! Und in Aachenverhielt sich der ganze katholische Klüngel »nicht nurnicht menschlicher«, klagen die Jahrbücher von St.Bertin, »sondern seine Feinde wüteten noch viel grau-samer gegen ihn, indem sie Tag und Nacht bemühtwaren, durch so schwere Kränkungen seinen Mut zubrechen, daß er freiwillig die Welt verlasse und sichin ein Kloster begebe«.68

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4.210 Deschner Bd. 5, 86Das gewissenlose Bischofspack wechselt ...

Das gewissenlose Bischofspack wechseltabermals die Front

Nach Ludwigs Absetzung 833 folgten langjährigeschwere Kämpfe nicht nur zwischen Vater und Söh-nen, sondern, unter Vertauschung der Fronten, auchzwischen den Brüdern. Die Gier nach diversen Herr-schaftsanteilen führte zu wechselnden Koalitionen, jenach dem Vorteil, den man sich versprach; das be-ständigste politische Prinzip, das punctum saliensschlechthin.

Zunächst versuchten offenbar alle drei Brüder ihreMacht zu erweitern, Pippin von Aquitanien und Lud-wig der Deutsche gegen Lothar, dieser gegen jene.Auch stritten sich die führenden Magnaten, Hugo,Lambert, Matfried, »über die Frage, wer von ihnen imReich nach Lothar die zweite Stelle einnehmen soll-te«. Kurz, »jeder«, fährt Nithard fort, »war auf seineneigenen Vorteil bedacht« – wie die (meisten) Politikernoch heute. (»Anachronistisch« wieder?)69

Unter solchen Streitereien schlug die Stimmungabermals um. Man verdachte Lothar nicht nur seinhabgieriges, gewalttätiges Verhalten, sondern offen-bar auch die unbarmherzige Behandlung des ständigvon ihm mitgeschleppten Vaters. Ludwig (der Deut-sche), der bei einer neuerlichen Wende wohl am we-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.211 Deschner Bd. 5, 86Das gewissenlose Bischofspack wechselt ...

nigsten zu riskieren und verlieren hatte, war schon imWinter 833/34 für den Vater eingetreten, dabei vonHrabanus Maurus, dem Fuldaer Abt, unterstützt (S.79). Und auch Pippin von Aquitanien änderte offen-bar seine Haltung wieder, zumal er einen Angriff Lo-thars auf sein Reich befürchtete, dieser überhaupt denganzen Gewinn einzusacken entschlossen und dieHerrschaft über das Reich anzustreben schien. Alsdann freilich beide Brüder mit zwei Heeren auf ihnzuzogen, Ludwig von Osten, Pippin von Westen, ver-lor er den Mut, ergriff die Flucht und ließ den altenKaiser in Saint-Denis zurück, ebenso den jungenKarl, den er aus Prüm geholt.

Während Lothar am 28. Februar mit seinem An-hang nach Burgund floh, kam das gewissenlose Packder Kirchenfürsten, das Ludwig entthront hatte, nachSaint-Denis, nahm diesen schon am nächsten Tag, amSonntag, den 1. März 834, feierlich wieder in die Kir-che auf und huldigte ihm. »Kaum hatte sich Lotharentfernt, so traten die anwesenden Bischöfe zusam-men, sprachen in der Kirche des heiligen Dionysiusden Kaiser von aller Buße los und legten ihm seineköniglichen Gewänder und Waffen an« (Annales Ber-tiniani) – die sie ihm vordem abgenommen – und»brachten Gott demütig Lobgesänge dar« (laudes Deodevote referunt: Nithard).

Die meisten Oberhirten wechselten sofort dieKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.212 Deschner Bd. 5, 87Das gewissenlose Bischofspack wechselt ...

Front. Natürlich hatte man vorher bei Ludwig ange-fragt, »ob er, wenn ihm die Herrschaft wieder zuge-wendet würde, das Reich und vor allem den Gottes-dienst, den Wahrer und Lenker aller Ordnung, nachKräften aufrichten und fördern wolle«. Und natürlichhatte sich der fromme Ludwig »hierzu ohne weiteresbereit erklärt«. Ergo »beschloß man schnell seineWiedereinsetzung« (Nithard). Und selbstverständlichwußte der Kaiser, was er jetzt zu tun hatte, nämlich»vieles Schlechte, was sich eingewurzelt«, abzustel-len, »vorzüglich aber folgendes. Er befahl seinemSohne Pippin durch den Abt Hermold die geistlichenGüter in seinem Reiche, welche er entweder selbstden Seinigen geschenkt, oder diese sich selbst zuge-eignet hatten, ohne Zögern den Kirchen wieder zu-rückzugeben. Auch schickte er Sendboten in denStädten und Klöstern umher, um das fast ganz verfal-lene Kirchenwesen wieder aufzurichten ...« (Anonymivita Hludowici).

Lothar hatte inzwischen sein Heer in den Diözesenseiner getreuesten Genossen, der Erzbischöfe vonLyon und Vienne, verstärkt. Und während KaiserLudwig, nachdem er »mit gewohnter Andacht das hei-lige Osterfest« gefeiert, sich bereits wieder weidlichmit sportlichem Tieretöten »vergnügte«, erst in denArdennen, darauf, nach Pfingsten, noch in den Voge-sen jagte und fischte, siegte die Partei Lothars 834 in

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4.213 Deschner Bd. 5, 88Das gewissenlose Bischofspack wechselt ...

einem blutigen Gefecht über ein weit stärkeres kaiser-liches Kontingent. Man kämpfte an der Grenze derbretonischen Mark, wobei Bischof Jonas von Orléans,Abt Boso von Fleury sowie viele andere Prälaten mit-fochten und zahlreiche Große Ludwigs fielen, darun-ter auch sein Kanzler Abt Theoto von Marmoutier lèsTours.

Lothar fühlte sich ermutigt.Er zog gegen Châlon sur Saône, ein wichtiges

Waffenlager seiner Gegner, äscherte die ganze Umge-bung ein und ließ dann die mehrere Tage lang berann-te Stadt, nach einem Vergleich mit ihr, plündern undniederbrennen. Dabei wurden – gute Katholikenar-beit – »nach Art grausamer Sieger erst die Kirchenausgeraubt und verwüstet«, darauf die führenden Ver-teidiger, Graf Gauzhelm von Roussillon, Graf Sanila,der königliche Vasall Madahelm geköpft – Chorbi-schof Thegan spricht gleich von »Märtyrern«, die üb-rigen Grafen in Gefangenschaft geschleppt. Sogar dieSchwester Herzog Bernhards von Septimanien, dieNonne Gerberga, kam als »Giftmischerin« in einWeinfaß und wurde in der Saône ertränkt. »Und erpeinigte sie lange«, schreibt Thegan, »schließlich ließer sie töten nach dem Urteil der Frauen seiner nichts-würdigen Ratgeber, erfüllend die Weissagung desPsalmisten: ›Und bei den Reinen bist du rein und beiden Verkehrten verkehrt.‹«

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4.214 Deschner Bd. 5, 88Das gewissenlose Bischofspack wechselt ...

Die Ermahnung des Vaters, »daß er von seinemschlechten Wege abkehre«, schlug Lothar zunächst inden Wind, vermied aber eine Auseinandersetzung mitdem gegen Blois angeblich »zur Befreiung des Vol-kes« (Annales Bertiniani) anrückenden Heer der Brü-der und Ludwigs, warf sich diesem dann freilich samtseinen prominentesten Gefolgsleuten zu Füßen, umihm Treue und Gehorsam zu schwören, auch zu ver-sprechen, Italien nie mehr ohne väterlichen Befehl zuverlassen.

Lothars Anhang stand es frei mit zu ziehen, und diemeisten, auch namhaftesten, schlössen sich an, dieGrafen Hugo, Lambert, Matfrid, Gottfrid u.a., diewohl all ihre fränkischen Güter, Lehen und Würdenverloren. Lothar entschädigte sie jedoch, indem erihnen, ungeachtet aller älteren, jüngeren, jüngstenSchwüre, in Italien gelegene Besitzungen fränkischerStifter gab, ganze Klöster, San Salvatore in Bresciaetwa, die berühmte Abtei Bobbio, eine Stiftung deshl. Columban (IV 193), sogar päpstliche Güter – ma-ximeque ecclesiam sancti Petri, und dies noch aufgrausamste Weise, crudelissima (Astronomus).

Auch einige Prälaten – die Erzbischöfe Agobardvon Lyon, Bernhard von Vienne, Bartholomäus vonNarbonne, die Bischöfe Jesse von Amiens, Elias vonTroyas, Herebald von Auxerre sowie Abt Wala vonCorbie – verließen vorsichtshalber, gegen jede kano-

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4.215 Deschner Bd. 5, 88Das gewissenlose Bischofspack wechselt ...

nische Vorschrift, ihre Bistümer. Und fast alle folgtenLothar, hinter dem man die Alpenpässe sperrte, in denSüden, um einst nach Ludwigs Tod mit dem künfti-gen Kaiser zurückzukommen. Viele von ihnen aberwurden das Opfer einer 837 grassierenden Pest.70

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4.216 Deschner Bd. 5, 89Die »Causa Ebonis«

Die »Causa Ebonis«

Inzwischen hatte man im November 834 auf demReichstag in Attigny wieder einmal die schlimmenallgemeinen Verhältnisse beschworen und wieder ein-mal Abhilfe versprochen. Doch alles, was wirklichgeschah, war der Auftrag des Kaisers, die in Aquita-nien entfremdeten Kirchengüter schleunigst zurückzu-geben. Das Elend des Volkes blieb unverändert.

Auf der am 2. Februar 835 in die Pfalz Diedenho-fen einberufenen Reichsversammlung, die vor allemeine Kirchenversammlung war, verlangte Ludwig dieNichtigkeitserklärung seiner Absetzung und Kirchen-buße, wie man sie in St-Denis ja bereits vollzogen,noch einmal ausführlich und in würdevoller Weise zuwiederholen. Und natürlich waren jetzt auch die ehr-würdigen Oberhirten dafür; natürlich erklärte »einegroße Versammlung fast aller Bischöfe und Äbte«aus dem »ganzen Reich« die Entscheidung von Com-piègne – ihre eigene – als »unverdient«, die Machen-schaften der kaiserlichen Gegner, »die Treulosigkeitvon Böswilligen und Gottesfeindlichen«, für vereiteltdurch ein neues »Urteil Gottes«. Und »schließlich be-fanden und bekräftigten alle ohne Ausnahme und ein-mütig, daß, nachdem durch Gottes Hilfe die Umtriebejener zu Schanden geworden und der Kaiser in die vä-

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4.217 Deschner Bd. 5, 90Die »Causa Ebonis«

terlichen Ehren wieder eingesetzt und zu Recht mitder königlichen Würde wieder bekleidet sei, er fortanvon allen in treuestem und unbedingtestem Gehorsamund Untertänigkeit als ihr Kaiser und Herr zu achtensei« (Annales Bertiniani).

So nahmen denn diese allzeit widerlichsten Oppor-tunisten am Jahrestag seiner Befreiung in feierlichsterForm in der Reichsversammlung am 28. Februar 835im Dom zu Metz noch einmal die Rekonziliation desHerrschers vor. Umringt von 44 Bischöfen, setzte ihmhier Halbbruder Drogo die Krone wieder auf. Mitdem Wortlaut der »Annales Bertiniani« (das heißt derwestfränkischen Fortsetzung der 829 abbrechendenReichsannalen), unserer wichtigsten, von Karl demKahlen bis zur Zeit Karlmanns und Ludwigs III.(882) reichenden Quelle: »und nachdem die heil.Messe gelesen und darauf der ganze Hergang derSache dem anwesenden Volke mitgeteilt worden war,nahmen die heiligen und verehrungswürdigen Priestereine Krone, das Sinnbild der Herrschaft, von dem ge-weihten Altar und setzten sie ihm unter dem größtenJubel aller Anwesenden eigenhändig auf« – »denn mitden Realitäten hatte sich auch der Wille Gottes« ge-wandelt (Bund).

Der Oberhirte aber, der 833 an erster Stelle dasschimpfliche Schauspiel der Kaiserentmachtung in-szeniert hatte, der »Bannerträger« bisher der kaiser-

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4.218 Deschner Bd. 5, 90Die »Causa Ebonis«

feindlichen Partei, Erzbischof Ebo von Reims, »derschändliche Bauer Ebo« (turpissimus rusticus), soseinerzeit Chorbischof Thegan, jedoch auch »derApostel des Nordens«, hatte Lothar nicht nach Italienbegleitet, sondern sich in Paris verborgen. Dort frei-lich war er im Frühjahr 834 von seinen Mitbrüdern,dem Ortsbischof Erchenrad und dem Bischof Rothadvon Soissons, verhaftet und dann in Fulda gefangengesetzt worden. Und nun besteigt Ebo, nicht freiwilligallerdings, sofort nach der offiziellen kirchlichen Re-stitution des Monarchen in der Metzer Stefansbasilikadie Kanzel, verdammt »freimütig vor allem Volk«Ludwigs Ablösung, die gegen jedes Recht gewesen,»dem Gesetz und allen Geboten der Gerechtigkeit zu-wider«, und feiert seine nach Gebühr und Würden er-folgte Wiedereinsetzung.

Zwar wagten die Bischöfe zunächst nicht, Ebo indie Wüste zu schicken, fürchteten sie doch, »er könnegegen sie zum Verräter werden«. Dann aber wurdeer – wie einige der nach Italien entwichenen Präla-ten – von den 44 versammelten Seelenhirten auf An-trag des Kaisers einstimmig abgesetzt. Selbst die Kai-serin soll mit allem Nachdruck, doch vergeblich zu-gunsten Ebos bei den Bischöfen interveniert haben.Einer nach dem anderen sprach die Formel: »NachDeinem Bekenntnis gib Dein Amt auf!«

Dabei ist es ein Genuß besonderer Art zu verfol-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.219 Deschner Bd. 5, 91Die »Causa Ebonis«

gen, wie Ebo nun, nachdem die »Laien« kraft bischöf-lichen Protestes ausgeschlossen worden waren, völligrichtig sich damit verteidigte, daß er allein zur Re-chenschaft gezogen werde, alle anderen an den Vor-gängen von 833 beteiligten Bischöfe aber unbehelligtblieben. Diese redeten sich durch die »Zwangslage«,in der sie sich befunden, heraus; sie hätten den trauri-gen Akt »im Herzen keineswegs gebilligt«. Dochnach außen waren sie mannhaft dafür eingetreten,sogar, wie auch jetzt, in einem doppelten Protokoll, ineiner eigenhändig unterzeichneten Erklärung jedeseinzelnen Bischofs und in einem ebenfalls unter-schriebenen Dokument der Gesamtheit.

Ja, jetzt waren sie froh, einen Sündenbock zuhaben, einen zwar einst von ihnen selbst Beauftrag-ten, durch dessen nunmehrige Verdammung sie aberein Exempel statuieren und die eigene schäbige Rollevertuschen konnten – eine Rolle, die sie doch nur we-nige Jahre später weiterspielten! Eine Rolle, in derUngezählte der Ihren durch die Zeiten brillierten undbrillieren. Der Schuft fand keinen einzigen Verteidi-ger unter all den Schuften in Christo.

Aber sieben Erzbischöfe sangen lauthals währendder Messe ...71

Die »Causa Ebonis« wurde von den sogenanntenEbo-Klerikern, darunter auch Bischöfe, noch vieleJahre in westfränkischen Synodalprozessen stets von

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4.220 Deschner Bd. 5, 92Die »Causa Ebonis«

neuem aufgegriffen und beschönigt. Ebo selbst kamwieder nach Fulda in Haft, dann in strengeren Ge-wahrsam zu dem Bischof Frechulf von Lisieux, end-lich zu dem Abt Boso von Fleury. Er fiel später auchbei seinem Beschützer Lothar I., der ihn nur wenigeWochen nach Ludwigs Tod als Erzbischof von Reimsrestituierte, in Ungnade, ergatterte aber durch Ludwigden Deutschen 845 die vakante Diözese Hildesheim,wobei er den unkanonischen Übergang in ein anderesBistum auch noch durch ein gefälschtes SchreibenPapst Gregors IV. zu rechtfertigen suchte. Hatte erdoch überhaupt im Kampf um seine Wiedereinset-zung »zahlreiche Fälschungen angefertigt oder anfer-tigen lassen« (W. Hartmann).72

Der feierliche Krönungsakt in Metz beendete wederden Verwandtenzwist der Karolinger noch die Be-gehrlichkeit des hohen Klerus, sein Verlangen nachstets größerer Macht.

Auf einer Aachener Synode im Februar 836 betonteder Episkopat, nach Wiederholung früherer Reform-vorschläge, einmal mehr den Vorrang der priesterli-chen Gewalt vor der königlichen. Schon die Vorredeführt Gelasius' I. (492–496) berüchtigte Zwei-Gewal-ten-Lehre an, die den Staat zum Büttel der Päpstemacht (II 324 ff., bes. 329 ff.); in karolingischen Syn-oden erstmals 829 im Kanon 3 von Paris rezipiert. Imübrigen demonstrierten die Bischöfe in Aachen – wo

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4.221 Deschner Bd. 5, 92Die »Causa Ebonis«

sie sich selbst zu »Nüchternheit« ermahnen, Vermei-dung von »Begehrlichkeit«, wo sie die Nonnenklöster»zum Teil zu Bordellen verkommen« sehen, zu Stät-ten, »in denen das Verbrechen blüht« – natürlich ihreKaisertreue. Und obwohl doch gerade sie »offenbargar viel und vielfach gefehlt haben«, sind selbstre-dend »hauptsächlich« nur die anderen schuld, beson-ders »der schmähliche Abfall« der Kaisersöhne sowie»die Verkehrtheit und Treulosigkeit einiger Großer«.Und alles kann selbstverständlich nur dann gut enden,wenn »die Ehre der heiligen Kirche Gottes vollständigwieder hergestellt wird und die Bischöfe ihres eige-nen, von Christus ihnen anvertrauten Amtes wiederwalten können«.73

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4.222 Deschner Bd. 5, 93Des Kaisers Kampf für Karl (den Kahlen)

Des Kaisers Kampf für Karl (den Kahlen) undgegen die Enkel oder Für »Ordnung« und wider

die »Pest«

Ludwigs Vertrauen freilich in die Kirchenführermochte inzwischen etwas angeschlagen sein. Jeden-falls blieb er taub gegenüber Mahnungen und Bitten;beiseite einmal, daß Pippin immerhin das eingezoge-ne Kirchengut zurückzugeben hatte. Doch noch dievordem mit Benedikt von Aniane so intensiv betriebe-ne Klosterreform kümmerte den Herrscher kaum.Vielmehr duldete er jetzt das stets mehr einreißendeWohlleben in den Orden, etwa in St-Germain-des-Prés oder in St-Denis. Abt und Mönche teilten sichhier die Einkünfte, ja, die Mönche entzogen ihre Do-tationen auch dem Zugriff des Abtes, der sie wederkürzen noch Leistungen daraus fordern noch denKonvent vergrößern durfte, ohne auch dessen Einnah-men entsprechend zu vergrößern – alles durch kaiser-liche Urkunden förmlich verbrieft. (Um die Wendevom 13. zum 14. Jahrhundert gibt die Abtei St-Denisvon 33000 Pariser Pfund Jahreseinnahmen – nicht,wie durch mehr als ein Jahrtausend, bis ins 17. Jahr-hundert, von der Kirche gefordert, vgl. III 466 ff. bes.473!, ein Viertel, sondern – weniger als 1000 Pfund,drei Prozent des Budgets, für die Armenhilfe aus.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.223 Deschner Bd. 5, 93Des Kaisers Kampf für Karl (den Kahlen)

Dies genügte den Asketen allerdings, an Feiertagenund zur Fastenzeit »spektakuläre Verteilungen zu ver-anstalten«: Geremek.)

Nur die junge Gattin und die Ausstattung des ge-meinsamen Sohnes schien den alternden Monarchenwirklich zu bewegen.74

Die neue Teilung auf dem Reichstag 837 in Aachenzugunsten Karls (des Kahlen), dem Kaiser Ludwig»auf dringendes Bitten der Kaiserin« (Astronomus)ein beträchtliches Gebiet und überdies den besten Teildes Reiches verlieh, nämlich alles Land zwischenFriesland, der Maas und weit nach Burgund hin, dasbald noch um Aquitanien erweitert werden sollte,auch die neue Teilung führte schließlich zu einemneuerlichen Zerwürfnis und zum Aufstand Ludwigsdes Deutschen. Er fühlte sich, nicht zu Unrecht, be-nachteiligt, da ihm der Vater im Sommer 838 auf demReichstag in Nymwegen alle außerbayerischen Regio-nen wieder entzog, die ihm nach der Verhaftung desKaisers auf dem »Lügenfeld« und der Reichsteilungzugefallen und, aus Dankbarkeit des Herrschers fürseine Befreiung, bisher auch belassen worden waren:Alemannien, Elsaß, Ostfranken, Sachsen, Thüringen.

Aufgestachelt hatten den Monarchen einige persön-liche Gegner des Bayern – darunter vermutlich Erzbi-schof Otgar von Mainz, des Kaisers einstiger Kerker-meister, der sich wieder in allerhöchste Gunst zu

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4.224 Deschner Bd. 5, 94Des Kaisers Kampf für Karl (den Kahlen)

schmeicheln wußte. So galten diese Länder nun als»angemaßt«. Es kam »zu einem ziemlich heftigenStreit zwischen den beiden und Ludwig mußte demVater alles zurückgeben« (Annales Bertiniani), wor-auf es denn hieß, der Bayernkönig wolle wieder »dieganze Reichshälfte jenseits des Rheins an sich reißen«(Nithardi historiarum).

Auf dem Reichstag zu Quierzy im September 838setzte der Kaiser dem gerade fünfzehn-, doch somitvolljährigen Karl eine Krone auf, was sehr ungewöhn-lich und keinem seiner Stiefbrüder beim Herrschafts-antritt widerfahren war. Und Pippin von Aquitanien,seit Jahren ein treuer Parteigänger des Vaters, tratjetzt auch noch auf Karls Seite als »Bundesgenosse«.Karl erhielt weitere Gebietszuweisungen, sein Besitzwuchs und wuchs. Es kam zu einem Aufmarsch desBayernkönigs bei Mainz – »hier der fromme Vater,dort der ungeratene Sohn«. Als aber die Ostfranken,Thüringer und Alemannen, die Ludwig der Deutschezunächst gewonnen hatte, von ihm abfielen, alle ost-fränkischen Stämme, außer den Bayern, ihn verließen,floh er nach Bayern zurück.

Inzwischen war im Spätherbst 838 Pippin I., derKönig von Aquitanien, gestorben. Er hatte sich in sei-nen Urkunden »rex Aquitanorum« genannt, war schon814 durch den Vater zum Unterkönig gemacht, 832zwar abgesetzt, infolge einer Aussöhnung jedoch er-

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4.225 Deschner Bd. 5, 94Des Kaisers Kampf für Karl (den Kahlen)

neut mit der aquitanischen Herrschaft betraut worden,freilich ohne weitergehende Hoffnungen verwirklichenzu können. Nach seinem Tod mißachtete Ludwig derFromme, offensichtlich gedrängt von der nur auf denMachtzuwachs ihres Sohnes bedachten Gattin, dasNachfolgerecht seiner beiden Enkel Pippin und Karl,der Pippinsöhne, deren ältester, Pippin II., geradevolljährig geworden war. Er gab Aquitanien 839 demeigenen Sohn Karl, der dort zunächst allerdingsschwer Fuß fassen konnte.

Das südlich der Loire gelegene Land war beson-ders stark von römischer Kultur geprägt und, nachKirchenschriftsteller Salvian, im 5. Jahrhundert derreichste Teil Galliens. Bisher weitgehend selbständig,hatte Aquitanien unter dem Zustrom heidnischer Bas-ken u.a. mancherlei Formen von Partikularismus ent-wickelt; so wurden die »Romanen« von den Frankenhäufig verspottet, diffamiert. Während der vielenFeldzüge gegen die aquitanischen Herzöge, gegenihren ins Kloster gesteckten Herzog Hunald (IV 484)sowie gegen dessen schlimmer als jedes Tier gejagten,dann heimtückisch ermordeten Sohn Waifar (IV 372f.), haben die Franken Aquitanien »systematisch ver-wüstet, um durch Schädigung der Wirtschaft den Wi-derstand zu brechen« (Claude). Nach acht mörderi-schen Kriegen rang Pippin III. das Land nieder, dochwurde es weder von ihm noch von Karl »dem Gro-

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4.226 Deschner Bd. 5, 95Des Kaisers Kampf für Karl (den Kahlen)

ßen« recht bezwungen.839 nun kam es im Herbst zu einer Heerfahrt Lud-

wigs gegen den eigenen Enkel – eine besonders un-verschämte Attacke, weil dessen Vater Pippin I. in allseinen letzten Jahren stets unverbrüchlich zu Kaiserund Reich gehalten hatte. Kaum aber war Pippin tot,gab Ludwig die Enkel kaltblütig preis und begann,»die Ordnung in Aquitanien herzustellen«. Übte Pip-pin II. doch mit seinem Anhang, »überall umherzie-hend, wie es solcher Leute Art ist ..., Raub und Ty-rannei«, behauptet jedenfalls Oberhirte Ebroin vonPoitiers, das Haupt der Kaiserlichen. Daher bat der»edle Bischof« den Herrscher, »diese Krankheit nichtlange um sich greifen zu lassen, sondern bei Zeitendurch seine Gegenwart Heilung zu bringen, bevordiese Pest die Mehrzahl anstecke« (Astronomus).

Der fromme Ludwig machte sich also stark für »dieOrdnung«, die »Heilung« und – auch dies durch zweiJahrtausende klerikale Schlagwörter wider alles, waspriesterlicher Eigensucht nicht paßt – gegen »Krank-heit«, »Pest«, hoffend, »mit Gottes Hilfe als Siegeraus Aquitanien« zurückzukehren. Er hatte starke Ver-bände aufgeboten, errang in einem strapaziösenKleinkrieg auch Teilerfolge. Doch wurden seine Trup-pen durch »schwere Drangsale« dezimiert, durcheinen entnervenden Guerillakrieg, zumal um die Fel-sennester der Auvergne, durch allerlei Streif- und

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4.227 Deschner Bd. 5, 96Des Kaisers Kampf für Karl (den Kahlen)

Beutezüge, eine lähmende Hitzewelle, eine Seuche,»während die Übrigen unter den größten Schwierig-keiten zurückkehrten«.

Auch im Norden erschütterten Aufstände LudwigsOberhoheit.

So zog im Herbst 839, indes Majestät selbst »denFreuden der Jagd in den Ardennen« frönte, ein ost-fränkisch-thüringischer Heerbann unter den GrafenAdalgar und Egilo gegen die Sorben, ein sächsischergegen die Obodriten und Linonen. Elf feste Plätze derSorben wurden erobert, ihr König Czismislaw fiel imKampf, sein Nachfolger mußte Geiseln stellen undLand abtreten.

Der Kaiser begab sich ins Winterquartier nach Poi-tiers, der seinerzeit reichsten Stadt Aquitaniens, feier-te da die Feste der Geburt, der Erscheinung des Herrn,der Reinigung der seligen Maria, der reinen Magd,mühte sich zugleich um Unterjochung der Aquitanierund empfing eine neue Hiobsbotschaft: Sohn Ludwigbeanspruchte »in seinem schon lange gewohntenÜbermut die Herrschaft des Reiches bis zum Rhein«(Annales Bertiniani).

Der Vater nämlich hatte sich im Jahr zuvor auf demWormser Hoftag mit Lothar, dem »verlorenen Sohn«(Nithard), in einem reichlich schmählichen Handelausgesöhnt, ausgerechnet mit dem ungetreuesten, ihnam meisten drangsalierenden seiner Söhne. Und

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4.228 Deschner Bd. 5, 96Des Kaisers Kampf für Karl (den Kahlen)

dies – angeblich unter dem Beifall aller – auf Kostendes dabei (bis auf Bayern zwischen Lech und Donaunebst den östlichen Alpenländern) enterbten Ludwig.So suchte der Monarch den jungen Karl zu schützen,um dessentwillen er ja gerade auch den Kindern sei-nes Sohnes Pippin ihr rechtmäßiges Erbe geraubthatte. Jetzt vertrieb er Ludwig, indem er ihm durchThüringen »bis an die Grenze der Barbaren« folgte,so daß dieser sich den Rückweg durch das Slawen-land auch noch erkaufen mußte und nur »mit großerMühe« (Annales Fuldenses) nach Bayern heimkehrenkonnte.75

Doch gleich darauf verschwand der Herrscherselbst vom Schauplatz seines bewegten Erdenlebens.

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4.229 Deschner Bd. 5, 97Des Kaisers Tod

Des Kaisers Tod

Ludwig der Fromme, dessen Lunge verschleimt, des-sen Brust geschwächt, der überhaupt vorzeitig alters-geschädigt und zudem durch ein unheilbares Ge-schwür, vielleicht ein Lungenemphysem, geschlagenwar, begann unter häufigen Brustbeklemmungen, mitBrechreiz und bei gänzlichem Widerwillen gegenNahrung dahinzusiechen. Nachdem er über den Kö-nigshof Salz an der fränkischen Saale zu Schiff aufdem Main nach Frankfurt gekommen war, starb Lud-wig I. zweiundsechzigjährig am Sonntag, den 20. Juni840, in einer »zeltartigen Sommerwohnung« auf einerkleinen Rheininsel unterhalb von Mainz. Sie lag ge-genüber Ingelheim, jener karolingischen Prachtpfalz,in der einst sein Vater dem bayerischen Herzog Tas-silo und dessen Familie den berüchtigten Prozeß ge-macht (IV 481 ff.) und die dann, durch Karl IV. in einKloster umgewandelt, schließlich im Bauernkrieg wieim Dreißigjährigen Krieg ruiniert worden ist.

Der Kaiser starb kurz nachdem er – gerade zu Be-ginn der sonst so festlich von ihm begangenen (mitun-ter aber gar nicht gehaltenen) »heiligen Fasten« – dieKriegsvorbereitungen gegen seinen Sohn Ludwig ge-troffen, dessen letzten Aufstand er dann auch nieder-geschlagen und dem er noch erklärt hatte, daß er »ein-

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4.230 Deschner Bd. 5, 97Des Kaisers Tod

gedenk bleiben möge, wie er seines Vaters graueHaare mit Herzeleid in die Grube gebracht und Gottesund unser aller Vater Gebote und Drohungen verach-tet hat«.

37 Jahre war Ludwig König von Aquitanien, 27Jahre Kaiser gewesen. Seine Nächsten, seine Frau Ju-dith, sein Sohn Karl, weilten weit von ihm in Aquita-nien. Doch mehrere Prälaten, darunter auch sein ein-stiger Kerkermeister Otgar von Mainz und viele Prie-ster, umstanden sein Sterbelager, auf dem er sich, so-lang er es vermochte, selbst über Stirn und Brust dasKreuzzeichen machte. Auch hatte er vorsorglich einen(vermeintlichen) Splitter vom Kreuz Christi sich aufdie Brust legen lassen. Und »vierzig Tage«, behauptetder Astronom, der selbst aber nicht zugegen gewesen,»war der Leib des Herrn seine einzige Speise: und erlobte deswegen die Gerechtigkeit des Herrn, indem ersagte: ›Du bist gerecht, o Herr, daß du mich, da ich esin der Fastenzeit unterlassen habe, jetzt nötigst dieseFastenpflicht zu erfüllen.‹«

Noch kurz bevor der Herrscher hinging rief er »wieim Zorn mit aller Kraft zweimal: Hutz, hutz! dasheißt: Hinaus! Es ergibt sich daraus, daß er einenbösen Geist sah, dessen Gesellschaft er weder imLeben noch im Tode dulden wollte. Dann richtete erseine Augen gen Himmel, und je finsterer er dorthingeblickt hatte, desto heiterer schaute er hierhin, so

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4.231 Deschner Bd. 5, 98Des Kaisers Tod

daß er geradezu zu lächeln schien. So erreichte er dasEnde des irdischen Lebens und ging, wie wir glauben,glücklich zur Ruhe ein, denn wahr ist gesagt vomwahren Lehrer: ›Es kann nicht übel sterben, der gutgelebt hat‹« (Anonymi vita Hludowici).

Ludwigs des Frommen Leiche wurde nach Metzüberführt, dort in der alten Grabstätte der Karolingervon seinem bischöflichen Halbbruder Drogo nebenseiner Mutter Hildegard – doch in Abwesenheit allerSöhne – »ehrenvoll« beigesetzt und zur Zeit der fran-zösischen Revolution aus dem Sarg geworfen.76

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4.232 Deschner Bd. 5, 98Fränkisches und Kosmisches

Fränkisches und Kosmisches

Der blutige, das ganze Frankenreich jahraus, jahreinin Mitleidenschaft ziehende Familienzwist wurde na-türlich (oder richtiger übernatürlich) durch wunder-bare Zeichen des Himmels und der Erde begleitet,schlimme Signale meist mit furchtbaren Folgen, vonden Jahrbüchern, besonders den Xantener, aufmerk-sam registriert.

Zum Beispiel Erdstöße »in tiefer Nacht«, Mond-und Sonnenfinsternisse, gewaltige Unwetter. Als Kai-ser Ludwig in Lothars Gewalt gerät, übersteigt derWasserstand der Flüsse jedes Maß, und die Windstö-ße machen sie unbefahrbar. »Bei seiner Freisprechungaber zeigten sich die Elemente so verschworen, daßbald die Wut der Winde sich legte und des HimmelsAntlitz in der frühern, seit längerer Zeit nicht gesehe-nen Heiterkeit erschien.«

Immer wieder Kometen: »ein furchtbarer Komet imSternbild des Skorpion«; »bald darauf der Tod Pip-pins«. Oder: »ein Komet im Sternbild der Jungfrau«.Er »durchschritt in fünfundzwanzig Tagen, was wun-derbar zu berichten, die Zeichen des Löwen, desKrebses und der Zwillinge und legte endlich am Kopfdes Stieres unter den Füßen des Fuhrmanns den feuri-gen Leib mit dem langen Schweif nieder« – drei Jahre

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4.233 Deschner Bd. 5, 99Fränkisches und Kosmisches

danach: der Tod des Kaisers.Die »Kirche der heiligen Gottesmutter Maria«,

schon erwähnt (S. 70), wird größtenteils abgedeckt,doch die kleine Kirche »zu Ehren des heiligen Märty-rers Georg« steht unzerstört inmitten einer Feuers-brunst – »ein staunenswertes Wunder«. Und just alsfast ganz Gallien ein starkes Erdbeben traf, »wurdeder berühmte Angilbert zu Centulum feierlich erho-ben, und man fand ihn, neunundzwanzig Jahre nachseinem Tode, ohne daß er einbalsamiert worden wäre,in völlig unversehrtem Zustande«. Auch staunens-wert, fürwahr. Aber schließlich war Angilbert stetsgut beisammen (oder »drauf«) und hatte als Hofkapel-lan und Abt von Saint-Riquier der fünfzehn- und derzwanzigjährigen Karls-Tochter Berta in wilder Ehezwei Söhne gemacht (IV 499); einer davon der Ge-schichtsschreiber Nithard, der uns eben das grandioseMirakel berichtet (in seinen – im Auftrag Karls desKahlen verfaßten – »Historien«; zwar sehr parteiisch,doch wichtigste Quelle über die Brüderkämpfe).77

Fast mehr, überspitzt gesagt, eine Natur- alsStaats- oder Landesgeschichte produziert partienweiseder Kleriker Gerward, Pfalzbibliothekar Ludwig desFrommen, in den Annales Xantenses.

Nach Mondfinsternissen 831, 832: Empörung Lud-wigs gegen den Vater. 834 stürmen im Norden »dieGewässer weit über das Land« – und »die Heiden in

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4.234 Deschner Bd. 5, 99Fränkisches und Kosmisches

das hochberühmte Wyk bei Durstede«. Mondfinster-nis 835: erneut »Heiden in ... Friesland ... Und sieplünderten abermals Durstede«. Februar 836: »beiBeginn der Nacht wunderbare Lichter«, und wiederfallen »die Heiden über die Christen her«. 837 gewal-tige Wirbelwinde, ein Komet »mit einem großenSchweif im Osten ...: und die Heiden verwüstetenWalcheren und führten viele Weiber von dort gefan-gen fort samt unermeßlichem Vermögen verschiede-ner Art«.

Im nächsten Jahr »Donner«, »Sonnenhitze«, »Erd-beben«, »Feuer in der Form eines Drachen in derLuft«: »eine ketzerische Irrlehre« beginnt. Im Jahrdarauf wildester Wirbelwind, meerüberflutete Ufer,Häuser, Höfe, Menschen sinken haufenweise weg undganze Flotten draußen. Man meint, der Teufel samtallen höllischen Heerscharen müsse erscheinen. Aber:»In diesem Jahr kamen die Leiber der Heiligen Feli-cissimus und Agapitus und der heiligen Felicitas nachVreden.« Ist's nicht wunderbar? Dagegen kündenLichtphänomene und eine Sonnenfinsternis anno 840offenbar des Kaisers Tod an, wahrhaftig bengalischeHimmelsbeleuchtungen 841 das Wüten der Christen»mit großem Blutbad gegeneinander«, auch »viel Un-verantwortliches« der Stellinga in Sachsen. Und soweiter und so fort.78

Den vom Klerus geschürten Familienstreit hattenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.235 Deschner Bd. 5, 100Fränkisches und Kosmisches

vor allem Episkopat und Hochadel genutzt. Sie beka-men, zumal in Ludwigs späterer Regierungszeit, eingrößeres politisches »Eigengewicht«. Doch auch dieäußeren Reichsfeinde profitierten davon, besondersdie Normannen.

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4.236 Deschner Bd. 5, 100Die Männer des Nordwinds

Die Männer des Nordwinds

Die Normannen, auch Wikinger, Nordleute genannt,im Mittelalter als »Männer des Nordwinds« gedeutet,waren Skandinavier. Sie suchten vom endenden 8. bisins 11. Jahrhundert, zunächst noch als Heiden, ausAbenteurer- und Beutelust, aus Mißmut mit den hei-mischen Verhältnissen, andere Länder heim, in denensie da und dort, in Friesland, an der Loiremündungund sonstigen Stützpunkten, schließlich auch seßhaftwurden.

Ihre Taktik, sehr beweglich, als teuflisch ver-schrien, war voller Listen, besonders beliebt derBlitzangriff. Plötzlich standen ihre Segel am Hori-zont – und noch bevor eine Küstenwache einschreitenkonnte, hatten sie ihre Beute schon weggeschleppt.Auf christlicher Seite stoben übrigens die weltlichenund geistlichen Anführer »oft als erste« davon(Riché). Hinkmar von Reims, der berühmte Erzbi-schof, hatte zwar den Rückzug von Priestern, »dieweder Frau noch Kinder zu unterhalten haben«, ver-pönt, floh aber selbst 882 vor den Invasoren Halsüber Kopf.

Nicht alle Prälaten waren indes Hasenfüße. Als dieEindringlinge 885 bei der Belagerung von Paris (S.281 ff.) jeden massakrierten, der sich nicht auf der Ile

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4.237 Deschner Bd. 5, 101Die Männer des Nordwinds

de Paris in Sicherheit gebracht, während die Frankenihrerseits »den Feind mit kochendem Öl, Wachs undPech« bedienten, erwies sich auch der Abt von Saint-Germain nicht aus Pappe. Gelang es ihm doch, »miteinem einzigen Pfeilschuß sieben Menschen zu durch-bohren« – freilich wohl mehr ein katholischerWunschtraum –, »und scherzend befahl er, sie in dieKüche zu tragen«.

Die Plünderungen der Normannen begannen 793mit dem Überfall auf das (von iro-schottischen Mön-chen im 7. Jahrhundert gegründete) Kloster der InselLindisfarne (später als Holy Island bekannt) vor dernordenglischen Küste von Northumberland, eine an-scheinend besonders reiche Abtei. Sie bestand indesfort, erwarb immer weiteren Landbesitz auf dem Fest-land, wurde aber 850 erneut verlassen. NorwegischeWikinger, wie üblich wochenlang auf hoher See, hat-ten seinerzeit Proviant benötigt, das Klostervieh ge-schlachtet und an Bord ihrer Drachenschiffe gebracht,auch alle Schätze geraubt und Mönche niedergeschla-gen.

Die Nordleute suchten Irland heim, über das 820die Katastrophe kam. »Das Meer spie Fluten vonFremden über Erin aus, und es gab keinen Hafen, kei-nen Landeplatz, keine Befestigung, keine Burg, keineWehr ohne Flotten von Wikingern und Seeräubern«,melden die Ulsterannalen. Die Nordleute überfielen

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4.238 Deschner Bd. 5, 102Die Männer des Nordwinds

England und dann, immer mehr, auch von Englandaus, das Frankenreich, besonders Westfranken mitseinen verlockend langen Küsten, doch seit 799 auchdas friesische Gebiet. Sie schnappten sich die Wertsa-chen, schleppten Geiseln zur Erpressung von Löse-geld fort, plünderten aber nicht nur die Küstenorte.Sie fuhren mit ihren wendigen Seglern die Flüsse hin-auf und brandschatzten selbst Städte wie York, Can-terbury, Chartres, Nantes, Paris, Tours, Bordeaux,Hamburg, wo sie den Bischofssitz einäscherten.Gerne stürzten sie sich auf Klöster, auf Jumiègesetwa, Saint-Wandrille. An der Atlantikküste mußtendie Mönche das seit 820 heimgesuchte Noirmoutier836 preisgeben.

Es ist kaum von ungefähr, daß die Normannenat-tacken gerade während der heftigsten karolingischenFamilienfehden, als die Schlagkraft des Reiches nachaußen geschwächt war, also Mitte der 830er Jahre,sich erschreckend zu häufen begannen; daß die nordi-schen Piraten, damals die furchtbarsten Feinde, vorallem Dänen, Jahr für Jahr wiederkamen. Ein durchdas ganze Jahrhundert andauernder Normannensturmbrach seitdem über die christliche Welt herein.

834 und 835 überfielen dänische Wikinger denreichsten Handelsplatz im Norden, »das hochberühm-te Wyk bei Durstede und verwüsteten es mit unge-heuerer Grausamkeit«. Von »den Heiden«, Menschen,

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4.239 Deschner Bd. 5, 102Die Männer des Nordwinds

die noch mit Inbrunst an ihren alten Göttern, denAsen, hingen, wird dabei »eine nicht geringe Mengeerschlagen« (Annales Xantenses). Gleichwohl, Dore-stad (Dorestate, Duristate), der bedeutende, wüst ge-wordene Handelsplatz in den Niederlanden, südlichvon Utrecht (nahe der Rheinmündung und dem heuti-gen Wijk-bij-Duurstede), auch ein wichtiges kirch-lich-missionarisches Zentrum und der zeitweilige oderdauernde Sitz des Bischofs von Utrecht, wurde zwi-schen 834 und 837 viermal ausgeraubt und zum Teileingeäschert.

836 werden Antwerpen verbrannt und die Hafen-stadt Witla an der Mündung der Maas. 837 attackier-ten die Normannen unvermutet die Insel Walcheren,»töteten viele und plünderten eine noch größere An-zahl der Bewohner völlig aus; nachdem sie dort einigeZeit gehaust und nach Belieben von den EinwohnernTribut erhoben hatten, zogen sie auf ihrem Raubzugweiter nach Dorestad und trieben hier in gleicherWeise Tribute ein« (Annales Bertiniani). 838 verhin-derte ein Seesturm einen neuen Angriff, doch schon839 verheerten sie Friesland abermals. Auch suchtensie die Loiregegenden bis hinauf nach Nantes heim –eine »Gottesgeißel«, über die die Mönchsschreiber –vielleicht auch übertreibend – ein Vierteljahrtausendklagten: »Piraten, Mörder, Räuber, Schänder, Plünde-rer, Barbaren, Wüteriche, Teufel – eben Heiden ...«79

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4.240 Deschner Bd. 5, 103Die Männer des Nordwinds

Ach, wieviel besser waren doch die Christen aufihren Kriegszügen!

Warum aber wüteten auch die Wikinger so? Wie-lant Hopfner schreibt: »Sie hatten ihre ersten Erfah-rungen mit dem Christentum gemacht. Ihr ZeitgenosseKarl der ›Große‹ hatte die ›Sachsengesetze‹ zurZwangsbekehrung der Sachsen erlassen. Die häufig-sten Redewendungen darinnen lauten: ›Wird mit demTode bestraft ..., soll getötet werden ..., ist bei Todes-strafe verboten ..., verfällt dem Eigentum der Kir-che ..., soll hingerichtet werden.‹« Tatsächlich be-drohten Karls Blutgesetze, ein Seitenarm sozusagender Frohen Botschaft, alles was man bei den Sachsenausrotten wollte, mit einem stereotypen »morte moria-tur«, betrafen von seinen vierzehn den Tod verhän-genden Bestimmungen der Capitulatio zehn alleinVergehen gegen das Christentum (IV 478 ff.).

Selbstverständlich wußten die Normannen, daß dieKarolinger »die Kirche über jedes Maß hinaus berei-chert hatten«, wobei »in erster Linie« diese Schätzeaus den beraubten »heidnischen Verehrungsstätten«stammten. »Die christlichen Chronisten verraten ja,daß Klöster und Kirchen ›herrlich erbaut‹ oder ›wun-derbar eingerichtet‹ waren. Woher sollte denn derReichtum kommen, wenn nicht vom Eigentum undder Fronarbeit der germanischen Bevölkerung?«

Diese Menschen aber wurden von ihren christli-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.241 Deschner Bd. 5, 103Die Männer des Nordwinds

chen Führern ja schon im Rahmen des Üblichen ge-schröpft. Nun jedoch hatten sie auch an die Norman-nen enorme Zahlungen zu erbringen; 845 zum Bei-spiel 7000 Pfund, 8615000 Pfund, im nächsten Jahr6000 Pfund, 8664000 Pfund. Dabei forderten dieHerrschenden, um sich »Reserven« zu schaffen,manchmal mehr als die Normannen verlangten. Über-haupt darf man vermuten, daß auch von diesen Gel-dern nicht wenig in christliche Taschen floß.

Und folgendes ist hier bemerkenswert.Nicht nur riefen Heerführer und Fürsten Norman-

nen gegen lästige Rivalen selbst ins Land. Nicht nurhetzten sie natürlich auch Normannen gegen Norman-nen. Nein, als diese Landplage allmählich immerschlimmer wurde und, besonders auf westfränkischerSeite, zuwenig dagegen geschah, da organisierte dasVolk den Widerstand, ergriff es wider die stets tiefervorpreschenden Piraten selbst die Waffen. Und dieentwand ihm nicht der Landesfeind, sondern die eige-ne Aristokratie! Sie nämlich befürchtete, ihre Bauern,die fränkischen »Verschwörer«, könnten sich auchgegen sie erheben »als nicht minder arge Bedränger«(Mühlbacher), könnten Gelegenheit finden, »sich vonihren Herrn zu befreien« (Riché).

Der Klerus allerdings verstand auch hier, das wildeWasser noch auf seine Mühlen zu lenken. So verkün-deten die 845 in Meaux versammelten Prälaten: »Die

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4.242 Deschner Bd. 5, 104Die Männer des Nordwinds

Angreifer sind zwar grausam, aber dies ist nur ge-recht, denn die Christen waren ungehorsam gegen dieAnweisungen Gottes und der Kirche.«80

Auch im Süden wuchs die Not durch auswärtigeFeinde. Stürmten dort doch die Araber heran – »sara-zenische Seeräuberflotten« (Saracenorum pyraticae).Nur die Christen raubten nicht! Und töteten nicht! Dieungläubigen Sarazenenhunde aber griffen die Balea-ren, Korsika, Sardinien an. Sie begannen seit 827 sichauf Sizilien festzusetzen. Sie überfielen 838 Marseilleund »führten alle Nonnen, deren sich eine nicht gerin-ge Zahl daselbst befand, so wie alle Geistlichen undLaien männlichen Geschlechts gefangen mit sich fort,verwüsteten die Stadt und nahmen auch die Schätzeder christlichen Kirchen insgesamt mit« (AnnalesBertiniani). Die Slawen aber bedrohten die Ostgrenze.Und die Not fraß die eigenen Leute auf. »Zu dieserZeit wurde das Reich der Franken in sich selber garsehr verödet und das Elend der Menschen wuchs viel-fach mit jedem Tag« (Annales Xantenses).81

Und wuchs weiter nach Ludwigs Tod.

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4.243 Deschner Bd. 5, 1052. Kapitel

2. Kapitel

Die Söhne und Enkel

Über Ludwig II. den Deutschen: »Er war einsehr christlicher Fürst, von Glauben katho-lisch ... der eifrigste Vollstrecker dessen, wasdie Religion, der Frieden, die Gerechtigkeit er-forderte. Von Geist war er sehr verschlagen (cal-lidissimus) ... in den Schlachten war er überaussiegreich und eifriger in der Zurüstung der Waf-fen als der Gastmähler, da die Werkzeuge desKrieges sein größter Schatz waren.«

Reginonis chronica1

Zu Karl II. dem Kahlen: »Karl machte seinenZug nach Aquitanien in der Fastenzeit und bliebdort bis nach dem Osterfest; sein Heer aber tatnichts als plündern, brennen und Menschen ge-fangen wegführen, und selbst die Kirchen undAltäre Gottes blieben von ihrer Gier und Frech-heit nicht verschont.«

Annales Bertiniani2

Zu Karl III. dem Dicken (Ludwigs II. jüngstemSohn): »Und als man schon aufbrechen mußte,erkrankte er und sah sich daher gezwungen, denjüngsten seiner Söhne Karl über dieses Heer zusetzen, den Ausgang der Sache dem Herrn emp-

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4.244 Deschner Bd. 5, 1052. Kapitel

fehlend ... brannte er auf Gottes Hilfe vertrauendalle Häuser jener Gegend nieder; was in denWäldern versteckt oder auf den Feldern vergra-ben war, fand er mit den Seinigen und raubte es,und verjagte oder tötete alle, die mit ihm zusam-menstießen. Ebenso verwüstete Karlmann mitFeuer und Schwert das Reich des Zwentibald.«

Annales Fuldenses3

Über Karlmann (Ludwigs II. ältesten Sohn): »Eswar aber dieser sehr vortreffliche König in denWissenschaften wohlunterrichtet, der christli-chen Religion ergeben, gerecht, friedliebendund mit aller Ehrbarkeit der Sitten geziert ...sehr viele Kriege führte er zusammen mit seinemVater und noch mehr ohne ihn in den Reichender Slaven und stets trug er den Triumph desSieges davon; die Grenzen seines Reiches mehr-te und erweiterte er mit dem Schwert.«

Reginonis chronica4

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4.245 Deschner Bd. 5, 107Man war christlich geworden - und vornehm

Man war christlich geworden – und vornehm

Kaum war Ludwig der Fromme 840 verschieden, be-anspruchte sein ältester Sohn das Recht auf Gesamt-herrschaft und drohte Gegnern mit dem Tod. Und nunbrechen zwischen Lothar I. (gest. 855), Ludwig II.dem Deutschen (gest. 876) und Karl II. dem Kahlen(gest. 877) blutige Kriege aus. Alle drei sind Brüder,sind Christen, Katholiken. Alle sind voller Mißtrauen.Alle voller Neid. Alle leisten Falscheide. Alle operie-ren »mit Schenkungen, Versprechungen, Drohungen«(Tellenbach). »Jeder lauert nur auf ein Zeichen vonSchwäche bei den andern, um über seiner Brüder odernach deren Tod seiner Neffen Erbteil herzufallen«(Fried). Dazwischen rüsten sie, schwören einander»Frieden«, »Freundschaft«, bekunden »Sehnsucht undLiebe« – rund hundert Königstreffen gibt es bis Endedes Jahrhunderts.

Vieles erinnert an die Merowinger-Ära, die Gemet-zel nach Chlodwigs Tod, die Fehden seiner Söhne,Enkel (IV 3., 5., 8. Kap.). Auch die extreme Verro-hung ähnelt jener grauenhaften Zeit, wobei im christ-lichen Byzanz die Dinge sich sehr analog entwickeln.Pierre Riché findet unter den Karolingern einen kom-pletten Katalog aller Arten physischer Gewaltanwen-dung, findet jeden Fall detailliert geschildert und

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4.246 Deschner Bd. 5, 108Man war christlich geworden - und vornehm

zwecks Abbuße strafrechtlich genau taxiert, u.a. für»abgeschnittene Ohren mit oder ohne Taubheit alsFolge, abgerissene Lider, herausgerissene Augen,ganz oder teilweise abgeschnittene Nasen, ausgerisse-ne Zungen, eingeschlagene Zähne, ausgeraufte Bärte,zerquetschte Finger, abgehackte Hände und Füße, ab-geschnittene Hoden.«5

Man war christlich geworden.Gelehrte Konformisten wollen das alles aus dem

Geist der Zeit heraus verstehen. Ganz recht. Der Geistder Zeit aber war christlich. Oder war er noch nichtchristlich genug? Das sagen doch immer die Apologe-ten. Also wann war er christlich, katholisch genug?Etwa im 20. Jahrhundert, als die katholischen Kroa-ten genau das gleiche machten, massenhaft?! Und, soder Würzburger Jurist und Historiker Ferenc Majoros,»mit unbeschreiblicher Bestialität ...«

Man war christlich geworden. Und die »Ordnungs-hüter« vergalten solche Untaten – nach dem altbe-währten Bibelprinzip: Schaden um Schaden, Auge umAuge, Zahn um Zahn (3. Mos. 24,20; 5. Mos.19,21) – nicht minder brutal. Das Strafregister reichtvon der Verstümmelung, der Blendung etwa, Kastra-tion, bis zum lebendig Verbrennen oder Ertränken.Und protestierten auch vereinzelte Kleriker, im allge-meinen, schreibt Riché, verhängten »selbst Geistlichegegen ihresgleichen schreckliche Strafen« – nicht

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4.247 Deschner Bd. 5, 109Man war christlich geworden - und vornehm

gegen Kirchenfürsten selbstverständlich.Auch zwischen den diversen Adelsgruppen ruht der

Positionskampf keinen Augenblick. Wie bei den Me-rowingern ist auch jetzt Verrat, wechseln die politi-schen Konstellationen, an der Tagesordnung; leistetman Treueschwüre, bricht sie, schwört erneut. Alleskreist um Besitz-, um Herrschaftsakkumulation, umMacht- und Ruhmsucht. All diese potentes, priores,primores, maiores, optimates, nobiles, viri optimi undwie die sogenannten Vornehmen (d.s.: die zuerst, die»vor« den andern nehmen, ihnen viel wegnehmen) da-mals heißen, wollen stets mehr, immer noch reicher,noch »vornehmer« werden, wollen immer noch grö-ßere Lehen, wobei ihnen jedes Unrecht recht ist, wennsie auch der nackten Gewalt, der Fehde, dem Krieggern die Tücke, jederlei Hinterfotzigkeit vorziehen.Und das alles unter christlichen, unter katholischenFürsten, leiblichen Brüdern!

Die Könige sind von unersättlicher Gier, gewiß.Doch sie denken dabei nicht an sich allein. Das Volk,die »Masse« zwar spielt noch lange keine Rolle – dievöllig abhängigen Arbeitssklaven, die servi, noch sei-nerzeit »Sklaven im antiken Sinn« (Werner), ganzbeiseite. Dieser Stand scheint damals sogar noch zu-genommen zu haben, vor allem auch durch ungezählteFlüchtlinge, die sich als Lohnarbeiter verdingten, vonihren Grundherren aber zu Leibeigenen gemacht oder

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4.248 Deschner Bd. 5, 109Man war christlich geworden - und vornehm

einfach einem Magnaten geschenkt worden sind. Unddiese ärmste und weitaus größte Schicht, in der es sei-nerzeit verschiedene Grade der Freiheitsbeschrän-kung, der Unfreiheit, gibt, die jedoch von den aller-meisten Rechten der »Freien«, des Adels ausgeschlos-sen bleibt, diese Schicht, die ja immerhin alles, restlosalles trägt, kommt in den Quellen so gut wie nichtvor. Es ist eine seltene Ausnahme, dringt aus einemText des englischen Abtes Ælfric von Eynsham umdie Jahrtausendwende einmal der Jammer eines Bau-ern: »Ach! Ach! Eine große Plage ist es, denn ich binnicht frei.«

Zwar klagt selbst Karl I. darüber, »daß viele, diebekanntermaßen Freie sind, von den Großen gewalt-sam unterdrückt werden«; kennt auch Ludwig derFromme »eine unzählige Menge von Unterdrückten,denen das väterliche Erbe entzogen oder die Freiheitgeraubt war«. Doch beide Male handelt es sich umFreie, die ihre Freiheit verloren hatten, nicht um Un-freie, die, wie die meisten, schon immer unfrei waren.Ist darum im Frühmittelalter vom »Volk« die Rede,hat man sich in aller Regel keine anonymen Haufenmehr oder weniger Unfreier, Unadliger vorzustellen.Nein, die existierten, die gab es sozusagen gar nichtfür die Herrschenden. »Gewöhnlich«, betont Karl J.Leyser, »bestand populus, das Volk, das Rechtsstrei-tigkeiten führte, Bischöfe wählte, Könige erhob oder

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4.249 Deschner Bd. 5, 110Man war christlich geworden - und vornehm

von ihnen abfiel, aus Adligen und ihrer Gefolgschaft,kleinen Hierarchien, in denen wiederum die Vorneh-meren und die von besserer Herkunft den ersten Rangeinnahmen.«

An die untersten Klassen zu denken, hatten die Kö-nige kaum Zeit. Dafür dachten sie an ihre Helfer undHelfershelfer um so mehr, besonders an den hohenAdel, der nicht der Ehre, der des Lohnes wegen zuihnen stand, der mit Königsgütern, Königslehen abge-funden werden wollte, zumal er selber wieder seineGefolgschaft zu versorgen hatte. So herrschte aufallen Seiten ein fortgesetztes Konkurrieren und Riva-lisieren, das auf nichts mehr Rücksicht nahm als aufdas eigene Interesse, den eigenen Landhunger. Grundund Boden aber waren seit den riesigen Raubzügendes »großen« Karl knapp geworden.6

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4.250 Deschner Bd. 5, 110Stets wechselnde Fronten oder Treueide, ...

Stets wechselnde Fronten oder Treueide,wohlfeil »wie Brombeeren«

Lothar erbte als einziger die Kaiserwürde, freilich mitder Auflage, das Erbrecht der Brüder zu sichern.Doch forderte Lothar, der aus Italien heranrückte, woer seinen Sohn Ludwig II. zurückließ, das ganzeReich, »sein« Reich, für sich. Der hohe Klerus gingauch großenteils zu dem »Nachfolger des Vaters imFrankenreich« über: die Erzbischöfe Hetti von Trier,Amalwin von Bisanz, Otgar von Mainz, ein TodfeindLudwigs des Deutschen, die Bischöfe von Metz,Toul, Lüttich, Lausanne, Worms, Paderborn, Chur,der Abt von Fulda und spätere Erzbischof von MainzRhabanus Maurus u.a. Auch wurde der vertriebene,inzwischen jahrelang in Haft gehaltene ParteigängerLothars, Erzbischof Ebo von Reims, wieder in allerForm restituiert, mußte aber vor Karl bald erneut zuLothar flüchten, der ihm die Klöster Stavelot undBobbio gab, bis er auch bei Lothar in Ungnade fiel,die Abteien verlor, doch dafür durch Ludwig denDeutschen Bischof von Hildesheim wurde.7

Indes gingen nicht nur die Kombattanten frühererKämpfe zu Lothar über, sondern selbst Prälaten ausder nächsten Umgebung des alten Kaisers, allen voranKarlssohn Drogo, Bischof von Metz, Ludwig desKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.251 Deschner Bd. 5, 111Stets wechselnde Fronten oder Treueide, ...

Frommen Erzkapellan, der Lothar Krone, Schwertund Szepter des verstorbenen Vaters überbrachte.

Da die Großen, »von allen Seiten von Hoffnungoder Furcht getrieben«, nun zu Lothar strömten, Lud-wig und Karl aber viele Vasallen verließen, über-spannte Lothar den Bogen, indem er erwog, »durchwelche Mittel er ungehindert das gesamte Reich ansich reißen könnte«, wobei er beschloß, sich zuerstauf Ludwig »zu stürzen« und »dessen Macht zu ver-nichten« (Nithard). Als ihm dieser freilich die Zähnezeigte, vereinbarte er mit ihm ein Stillhalteabkommenund beabsichtigte jetzt, sich auf Karl zu werfen undihn mit einem gewaltigen Heer »bis zur Vernichtungzu verfolgen«, wie Graf Nithard, der »illegitime«Karlsenkel, der für Karls des Kahlen Sache mit Federund Schwert streitende und 845 fallende Historikerder Bruderkriege schreibt, einer der wenigen Laien-schriftsteller des Frühmittelalters.8

Dank der unentwegten Machenschaften seiner nunallerdings entmachteten Mutter besaß Karl der Kahlebeim Tod Ludwigs des Frommen die Anwartschaftauf die Hälfte des Reiches. Lothar aber rückte zuerstzur Seine, dann gegen die Loire vor und trieb Karl imHerbst 840 in die Enge. Denn Karl hatte nicht nurdiesen Bruder zum Feind, auch Pippin von Aquitani-en und die noch selbstbewußteren Bretonen standengegen ihn in Waffen. Zudem ging man dort, wo Lo-

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4.252 Deschner Bd. 5, 112Stets wechselnde Fronten oder Treueide, ...

thar vorrückte, gern zu ihm über; nichts als der übli-che Opportunismus von Klerus und Adel. So ließ sicheine Tochter Karls »des Großen«, die Äbtissin Rot-hild von Faremoutier, klösterlichen Besitz von Lotharbestätigen. So eilten u.a. »Abt Hilduin von St. Denisund Graf Gerard von Paris, von Karl abfallend, eid-brüchig zu ihm«. Und wie sie, zogen es auch anderevor, »lieber nach Sklavenart ihre Treue zu brechenund ihrer Eide sich zu entschlagen, als für einige Zeitihr Hab und Gut zu verlassen« (Nithard).

Karl aber wollte »das ihm von Gott übertrageneReich« nicht preisgeben, zumal es ja »Gott und seinVater ihm mit seiner, Lothars, eigener Zustimmung,übertragen hatte«. Mehrmals eilten deshalb Gesandtehin und her, darunter auch Nithard, den Lothar frei-lich, weil er sich ihm versagte, gleich seiner Güterund Rechte beraubte. War der neue Kaiser ja über-haupt ein Mann, der nur suchte, so Karls Parteigän-ger, »durch welche Künste er ohne Schlacht Karl be-trügen und überwinden könnte«; während Nithards ei-gener Dienstherr natürlich »aus reiner GerechtigkeitFrieden« forderte. Jedenfalls standen beide vomKampf vorläufig ab.

Kaum war es jedoch zu der einstweiligen Einigungmit Karl gekommen, bereitete Lothar jetzt wieder denKrieg gegen Ludwig vor »mit ganzer Seele darauf be-dacht, Ludwig durch List oder Gewalt zu unterwerfen,

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4.253 Deschner Bd. 5, 112Stets wechselnde Fronten oder Treueide, ...

oder was er noch mehr wünschte, ganz zu vernich-ten«. Ludwig aber, von vielen seines Anhangs verlas-sen und verraten, mußte nach Bayern zurück, woraufes zu einem Bündnis zwischen ihm und Karl kam.Dieser hatte mittlerweile die Zeit zu kleinen Gemet-zeln und großen Gebeten genutzt (in St-Denis, zumBeispiel, in St-Germain), zuletzt in Aachen, wo ihmam Vorabend des »heiligen Osterfestes« 841 ausAquitanien Gesandte wunderbarerweise »eine Kroneund allen königlichen Schmuck sowie gottesdienstli-che Geräte« überbrachten und, ein weiteres Wunder,»soviel Pfund Gold und solche ungeheuere Mengevon Edelsteinen unversehrt«, obwohl doch »da über-all Beraubung drohte«(!), ohne Zweifel »eine beson-dere Gnade«, »ein besonderer Fingerzeig Gottes«(Nithard).

Wer von beiden, Karl oder Ludwig, wen zu Hilferief, weiß man nicht, da sich die Quellen widerspre-chen. Doch waren beide endlich »vereint wie in brü-derlicher Liebe so durch ihre Heerlager« (AnnalesBertiniani) – eine gloriose christliche Verschmelzung.Auch hatte jeder der drei in diesem steten Hinundhermit wechselnden Fronten, Huldigungen, Schwüren dieschwankenden Großen durch Gewalt, Geschenke,durch Versprechungen und Drohungen weichzuma-chen, in Pflicht zu nehmen, aufzuwiegeln gesucht,wobei unter diesen hochadeligen Katholiken Treueide

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4.254 Deschner Bd. 5, 113Stets wechselnde Fronten oder Treueide, ...

bereits wohlfeil waren »wie Brombeeren« (Mühlba-cher).

Dann aber schlug Ludwig der Deutsche am 13.Mai 841 auf dem Ries die schwäbischen ParteigängerLothars schwer. Der größere Teil der Besiegten kamauf der Flucht um (– nein, wie das alles so »papieren«klingt! So floskelhaft geläufig! Man muß das Schrei-en, Stöhnen, Flennen hören, das furchtbare Verstum-men, muß das Krepieren sehen, das letzte tödlicheEntsetzen ...) Und schon am 25. Juni 841 die nochviel blutigere und auch schon deshalb wohl als Got-tesgericht aufgefaßte Schlacht von Fontenoy (Fonta-netum) bei Auxerre (vorwiegend, wie seit langem frei-lich bei den Franken, eine Reiterschlacht). Katholikenstachen Katholiken, Franken Franken ab, VerwandteVerwandte; wobei in Lothars Gefolge mit »ungeheu-ren Schätzen« und drei Gesandten von Papst GregorIV. der Ravennater Erzbischof Georg sich befand, derKarl den Kahlen in sein Bistum schleppen, ihm dieZwangstonsur verpassen wollte (auf der Flucht abergefangen genommen und angeblich übel traktiert wor-den ist).9

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4.255 Deschner Bd. 5, 113Die Schlacht von Fontenoy

Die Schlacht von Fontenoy oder »Wohin GottesFügung die Sache lenken würde ...«

Vor dem Gemetzel hatte Gesandtschaft um Gesandt-schaft die jeweils andere Seite aufgesucht, hatte manden Herrn, die Kirche, die Christenheit beschworen,auch, wie längst üblich, »Gutachten« des Klerus ein-geholt, »um willig da zur Hand zu sein, wohin GottesFügung die Sache lenken würde«.

Wir besitzen einen ausführlichen Bericht über dasvon allen Parteien gut bezeugte christ-katholischeBruder-Treffen (eine der sehr seltenen offenen Feld-schlachten der frühmittelalterlichen Geschichte) durchNithard, im zweiten Buch seiner Historiae. Er hatselbst auf Karls des Kahlen Seite mitgeschlachtet, ja,»mit Gottes Beistand nicht geringe Hilfe geleistet ...«

Gleich nach Vereinigung ihrer Streitmacht hattenLudwig und Karl einander »alle die Leiden«, »diesetrostlosen Zustände« durch Lothar geklagt und diesemdann durch Boten eindringlich vorgestellt, »daß er desallmächtigen Gottes eingedenk seinen Brüdern undder gesamten Kirche Gottes Frieden gewähre ..., an-dernfalls könnten sie ohne Zweifel aus Gottes HandBeistand erhoffen«; was Lothar, von Aachen nachAquitanien eilend, allerdings als »wertlos« abtat.Unter mancherlei Botschaften, frommen wie forschen,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.256 Deschner Bd. 5, 114Die Schlacht von Fontenoy

bewegte man sich aufeinander zu, allenthalben strapa-ziert durch Weglänge, Pferdemangel und Kämpfe.Doch wollte man »lieber jedes Elend«, sogar »denTod« ertragen, als seinen »ruhmvollen Namen« ver-lieren.

So ging's gleichwohl mit »Hochsinn« und »in Eil-märschen fröhlich vorwärts«, bis man bei Auxerre aufeinander stieß. Wieder wechselten Gesandte die Fron-ten, und die Verbündeten bestanden darauf, wenn maneinander schon absteche, so ja recht christlich. Ergo:»zuerst unter Fasten und Beten Gott anrufen, dannaber ... ohne alle Täuschung und Hinterlist zum offe-nen Kampf zusammentreffen ...« Eine saubere Sache.

Beide Heere änderten noch einmal die Position undsandten sich bei Fontenoy en Puisaye neue Gruß- undBeschwichtigungsworte. Ludwig und Karl erinnertenLothar an »ihre Stellung als Brüder«, an »die KircheGottes und das ganze christliche Volk«. Und auchLothar ersuchte um »Waffenruhe«, wobei er mehrereseiner Großen eidlich versichern ließ, er wolle da-durch bloß – das übliche christliche Geschwätz –»das allgemeine Beste, das Wohl der Brüder sowiedes gesamten Volkes, wie es die Gerechtigkeit unterBrüdern und Christi Volk fordere«. Tatsächlich er-wartete er nur noch Pippins II. Heerhaufen aus Aqui-tanien. Am 24. Juni treffen sie ein, am 25. geht es»zum Gerichte des allmächtigen Gottes«.

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4.257 Deschner Bd. 5, 115Die Schlacht von Fontenoy

Ein »Gottesgericht« versprach von vornherein eini-ges. So sollen auf Lothars, des Besiegten Seite, gewißsehr übertrieben, 40000 Mann gefallen sein. Doch ko-stete auch die verlustreiche Überraschungsattacke sei-ner Gegner am frühen Morgen mit Tausenden vonReitern enorme Opfer. Und dies in einem Waffen-gang, der ohne unmittelbare Wirkung blieb. Aller-dings: die Reichseinheit war unwiederbringlich verlo-ren; ebenso für lange jede Hegemonie im Abendland.Denn das Kaisertum dominiert nun nicht mehr dieKönige; Kaiser und König sind gänzlich gleichrangig.

Es ist sozusagen die Geburtsstunde des »National-staates«. Und bekanntlich führten die Nationalstaateneher häufiger Krieg, zumindest in meist viel größerenDimensionen – bis heute. Bereits Fontenoy, ihr gran-dioser Geburtstag, brachte allen furchtbare Verluste,zumal auch der fränkischen Führungsschicht. Die»Jahrbücher von Fulda« sprechen von »einem Blut-bad auf beiden Seiten, wie sich niemals unsere Zeitbisher solcher Verluste beim fränkischen Volk erin-nert«. Und Jahrzehnte später sieht Regino von Prümin dieser Metzelei die Ursache für die Schwäche desspätkarolingischen Imperiums, sieht er der Franken»glorreiches Heldentum« nicht mehr recht fähig zurVerteidigung, »geschweige zu einer Erweiterung desReiches«.

Das war das Schlimmste: nicht andere zerfleischen,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.258 Deschner Bd. 5, 115Die Schlacht von Fontenoy

Slawen, Heiden, Sarazenen! So stört einen Zeitgenos-sen die »für alle Christen bejammernswerte Bürger-schlacht« (omnibus christianis lamentabile bellum),weil das Schwert der Franken, »einst allen anderenNationen furchtbar, in seinen eigenen Wunden« ge-wütet. Das war's. Und sollte doch, echt christlich,evangelisch, in den Wunden anderer wüten! Tatsäch-lich aber massakriert man Nichtchristen wie Christen,besonders freilich diese, fort und fort – bis heute. Be-reits seinerzeit indes bekennt ein Mitkämpfer im HeerLothars, der in vorderster Schlachtreihe kämpfendeAngilbert: »Niemals war ein böseres Morden, nieselbst auf dem Feld des Mars, / Nie ward je der Chri-sten Satzung durch ein Blutbad so verletzt.« In Wirk-lichkeit jedoch war das bereits jahrhundertelang so,im Wesentlichen, und blieb es.

Auch die Heuchelei.Denn am Ende der Abschlachtung blühten sogleich

die erbaulichsten christkatholischen Gefühle hervor.»Überall wurden die Flüchtenden niedergehauen, bisLudwig und Karl, von heißer Frömmigkeit getrieben,dem Blutvergießen Einhalt geboten« (Annales Berti-niani). Und nun feierten die Sieger den Tag des Herrn,die hl. Messe, und »die Könige selbst hatten Erbar-men mit dem Bruder«, von dem sie freilich keine »un-gerechten Absichten« erhofften! Vielmehr Verbun-denheit »in wahrer Gerechtigkeit«, »in wahrer Treue«.

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4.259 Deschner Bd. 5, 115Die Schlacht von Fontenoy

Und selbstverständlich stellten die Bischöfe noch aufdem Schlachtfeld einmütig fest: »die Verbündetenhätten allein für Recht und Billigkeit gekämpft unddieses sei durch Gottes Gericht klar bewiesen; dahermüsse man jeden in diesem Zusammenhang, den Be-rater wie den Vollstrecker, für Gottes schuldlosesWerkzeug halten.« Womit sie sich selbst, wie immerdurch die Zeiten, schönste Schuldlosigkeit attestier-ten, göttliche Schuldlosigkeit, sozusagen – sonst aberjeden in der Beichte »nach dem Maß seiner Schuld«richten wollten (Nithard).10

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4.260 Deschner Bd. 5, 116Kaiser Lothar verbündet sich mit Heiden

Kaiser Lothar verbündet sich mit Heiden undraubt Kirchen aus – Ludwig der Deutsche köpft

Die Geistlichkeit auf Lothars Seite sah dagegen indem Blutvergießen überhaupt kein »Gottesgericht«.Man bemäntelte seine Niederlage durch allerlei un-wahre Gerüchte: Karl sei in der Schlacht gefallen,Ludwig verwundet und flüchtig. Lothar jedenfalls,zwar besiegt, doch weder völlig geschlagen noch zumAufgeben bereit, soll jetzt dänische Normannen, diegerade erst Rouen und die Seinegegend gebrand-schatzt, zu Hilfe gerufen und »ihnen einen Teil derChristen unterstellt«, ja ihnen zugestanden haben,»die übrigen christlichen Völker zu berauben« (Nit-hard).

Tatsächlich belehnte er den Wikingerkönig HaraldKlak mit der Insel Walcheren und mit weiteren friesi-schen Gebieten, entzog sie anscheinend aber späterden Dänen wieder – und verlieh sie ihnen erneut.Zudem nutzte er Klassendifferenzen, die Feudalisie-rung Sachsens (vgl. IV 455 f.), und entfesselte denStellinga-Aufstand, eine Erhebung der dortigen Unter-und Mittelschicht, der Halbfreien und Freien desStammes, der fränkischer Fremdherrschaft am läng-sten, härtesten widerstrebt hatte. Nach Hans K. Schul-ze, »mit einiger Phantasie« gesehen, »die erste revolu-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.261 Deschner Bd. 5, 117Kaiser Lothar verbündet sich mit Heiden

tionäre Volksbewegung auf deutschem Boden«.Der Kaiser verhieß den Empörern wider die Aristo-

kratie sogar die Rückkehr zum Heidentum. Sollten siedoch, folgten sie ihm, ihr Recht wiederbekommen,»wie sie es zur Zeit, als sie noch Götzendiener waren,hatten« (Nithard).

Ludwig der Deutsche aber befürchtete nicht nureine Ausrottung des christlichen Glaubens, sondernauch eine Kooperation von Normannen und sächsi-schen Rebellen. Also ließ er – der gegen Lothar vor-nehme sächsische Anhänger ebenso in den Kampfschickte wie dieser gegen ihn – »die übermütig aufge-blasenen Knechte« (Annales Xantenses) blutig zu-sammenschlagen, ließ er die Stellinga »mit Strengedämpfen«, wie die Jahrbücher von Fulda formulieren,oder, wie eine andere Quelle so schön sagt, »auf einefür ihn ehrenvolle Weise, aber nicht ohne gerechtesBlutvergießen, in einem furchtbaren Blutbad« ver-nichten: ließ er 14 seiner Gegner am Galgen aufhän-gen und 140 Rädelsführer köpfen, »eine ungeheuereMenge verstümmeln und keinen am Leben, der sichnoch irgendwie gegen ihn auflehnte«.11

Während Ludwig der Deutsche derart seinen Herr-schaftsbereich ehrenvoll und gerecht nach Norden er-weiterte, rüstete Lothar, sammelte in Diedenhofen einstattliches Heer gegen Karl und rückte rasch auf Parisvor, so daß Karl nun Ludwig beschwor, ihm sobald

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4.262 Deschner Bd. 5, 117Kaiser Lothar verbündet sich mit Heiden

wie möglich militärisch zu helfen. Da jetzt jedoch Lo-thar durch seinen Zweifrontenkrieg und diverse Um-stände in die Klemme geriet, übermittelte er demStiefbruder, mit ihm zu paktieren, wenn »Karl dasBündnis, welches er mit seinem Bruder Ludwig ein-gegangen war und eidlich bekräftigt hatte, aufgebe,wohingegen er von dem Bündnis, welches er mit sei-nem Neffen Pippin abgeschlossen und gleichfalls eid-lich bekräftigt hatte, sich lossagen wolle« (Nithard).

Karl aber wollte nicht, und so vereinigte sich Lo-thar in Sens mit Pippin von Aquitanien, den er dochgerade erst noch dessen Todfeind hatte opfern wollen.Und zog weiter nach Le Mans, »überall«, nach denwestfränkischen Jahrbüchern von St. Bertin, »mitPlünderung, Feuer, Schändung, Kirchenraub und Ei-deszwang wütend, so daß er selbst die heiligenRäume nicht verschonte; denn er nahm unbedenklichalles mit, was er von Schätzen finden konnte, mochtensie auch, um sie zu retten, in den Kirchen oder inihren Schatzkammern niedergelegt sein, indem erselbst die Priester und Geistlichen der anderen Rang-stufen zu eidlichen Aussagen nötigte; auch die demDienste Gottes ergebenen heiligen Nonnen zwang erihm Eide zu leisten«.

Dagegen begab sich Karl von Paris nach Châlons,»um hier das Fest der Geburt des Herrn zu begehen«.So fromm war man auf dieser Seite.12

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4.263 Deschner Bd. 5, 118Die Straßburger Eide (842) sowie Gottes und ...

Die Straßburger Eide (842) sowie Gottes undder Pfaffen Wille

Da und dort bröckelte Lothars Anhang ab. Er wurdegewaltsam unterworfen, gab auf oder floh, wie Erzbi-schof Otgar von Mainz, der mit seiner Soldateska u.a.die Vereinigung von Ludwig und Karl bei Koblenzhatte verhindern sollen. Und bald ging auch Karls»des Großen« Sohn Drogo, der Bischof von Metz, dersich Lothar angeschlossen und dessen Hofkapelle ge-leitet, zum Feind über.

Die verbündeten Könige trafen sich in Straßburg(einst Argentoratum genannt) und leisteten dort dieberühmten, von Nithard wörtlich tradierten Eide. Sieschworen einander »Aus Liebe zu Gott und zu deschristlichen Volkes und unser beider Heil« am 14. Fe-bruar 842 in feierlicher Form einen Beistandspakt,Ludwig in romanischer, Karl in deutscher (fränki-scher) Sprache – das älteste altfranzösische Sprach-denkmal und eines der ältesten Zeugnisse des Alt-hochdeutschen (die offizielle Sprache, die Sprache fürStaat, Kirche, Literatur war im ganzen christlichenAbendland das Lateinische; die deutsche Sprache,»Thiudisca«, galt als »barbarisch«).

Altfranzösisch hört sich das so an: »Pro Deo amuret pro Christian poblo et nostro commun salua-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.264 Deschner Bd. 5, 119Die Straßburger Eide (842) sowie Gottes und ...

ment ...« Und deutsch oder althochdeutsch (die Quel-len nennen das aus verschiedenen Dialekten bestehen-de Germanische lingua theotisca, daher das Wort»deutsch«): »In Godes minna ind in thes Christianesfolches ind unser bedhero gealtnissi ...« Zuvor hattenbeide Könige zu den versammelten Kriegern viel vonbrüderlicher Liebe geredet, christlicher Gesinnung,»Erbarmen mit dem christlichen Volke«, überhauptvom gemeinsamen Besten, natürlich auch von GottesBarmherzigkeit, dem Gericht des Allmächtigen etc.Und dazwischen, schön in Salbungsvolles gehüllt,wurde vor den beiderseitigen Heergenossen der böseBruder bezichtigt, »unsere Völker mit Brand, Raubund Mord zugrunde« zu richten.13

Immer mehr Große verließen Lothar. Ludwig undKarl zogen von Straßburg getrennt nach Worms, tra-fen sich hier knappe zehn Tage später und marschier-ten, nachdem sie alle beide »den Gau Wormsfeld ge-plündert« (Annales Xantenses), nach Mainz, wo sieLudwigs ältester Sohn Karlmann noch mit bayeri-schen und alemannischen Haufen verstärkte. Daraufwandten sie sich wieder getrennt rheinabwärts undvereinigten ihre Streitmacht in Koblenz. Dort hörtensie in der Kirche des hl. Kastor eine hl. Messe undsetzten dann rasch über die Mosel, indes ErzbischofOtgar von Mainz floh, Lothar über Aachen – wo erden ganzen kaiserlichen Schatz zusammenraffte, auch

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4.265 Deschner Bd. 5, 119Die Straßburger Eide (842) sowie Gottes und ...

»den von St. Marien« mitgehen ließ (Annales Berti-niani) – und Châlons nach Troyes, wo er am 2. April842 das heilige Osterfest feierte, ehe er nach Lyonweiterzog.

Das Land Lothars brandschatzend, rückten Ludwigund Karl nach Aachen vor. Und dort ließen sie sichvon dem zahlreich versammelten Klerus gleichsam»wie durch Gottes Wink« bescheinigen, wie selbst-süchtig, meineidig, korrupt ihr katholisches Bruder-herz Lothar war. Wie er – nicht sie zusammen! –»seinen Vater vom Reich vertrieben, wie oft er durchseine Herrschsucht das christliche Volk eidbrüchiggemacht, wie oft dieser selbe die dem Vater und denBrüdern geleisteten Eide gebrochen, wie oft er nachdes Vaters Tod seine Brüder zu enterben und zu ver-derben gesucht habe, wie viel Mord, Ehebruch, Brandund Schandtaten jeder Art die gesamte Kirche durchseine ruchlose Habgier erduldet habe, auch behaupte-ten sie, er besitze weder die Fähigkeit den Staat zu re-gieren, noch könne man eine Spur von Wohlwollen inseiner Regierung entdecken. Aus diesen Gründen, er-klärten sie, habe er nicht unverdient, sondern nachdem gerechten Urteil des allmächtigen Gottes, zuerstvom Schlachtfeld und dann aus seinem Reich weichenmüssen. Und sie waren alle einmütig der Ansicht undstimmten darin überein, daß Gottes Strafe ihn wegenseiner Sünden ausgestoßen und daß sich sein Reich in

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4.266 Deschner Bd. 5, 120Die Straßburger Eide (842) sowie Gottes und ...

rechtmäßiger Weise seinen Brüdern als den Besserenzur Herrschaft ausgeliefert habe« (Nithard).

Doch wären sie keine Pfaffen gewesen, hätten siedamit den Königen gleich eine »Regierungsvoll-macht« gegeben. Hätten sie ihnen alles zur Herrschaftausgeliefert, ohne sie erst öffentlich zu fragen, »ob siedas Reich nach Art des verjagten Bruders oder nachdem Willen Gottes regieren wollten.«14

Gottes Wille aber ist ihr Wille! Immer und überall.Nichts sonst. (Oder hörte man je etwas anderes vonGott als von Päpsten und Bischöfen?!)

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4.267 Deschner Bd. 5, 120Von einer merkwürdigen Meinung alter und ...

Von einer merkwürdigen Meinung alter undneuer Historiker

Lothar geriet noch mehr in Bedrängnis. Man fiel mas-senweise von ihm ab, brach alte Treueide, schwurneuen Herren neue und verschaffte sich so neue Vor-teile gegenüber den stets unsichereren alten – derewig gleiche Zug der Geschichte. Im übrigen wurdedurch den dauernden Machtwechsel, die ständigen Po-sitionskämpfe der hohe Adel immer stärker, gerietendie Könige unter seinen Druck und gewannen und be-hielten bloß durch ihn ihre Macht.

In unserer wichtigsten Quelle über diese ständigendynastischen Zwiste, in den vier Büchern »Historien«des Nithard, bedauert dieser die innere Zerrissenheit,den Zerfall des Einheitsstaates, und erblickt das ei-gentliche Ideal in der Regierung seines »großen«Ahnen. So beklagt er am Ende des Werks die »wahn-witzige Vernachlässigung des öffentlichen Wohls«,»das selbstsüchtige Streben nach dem eigenen Vor-teil«, hadert er, weil »von beiden Seiten Raub undÜbel sich überall verbreiten«, und erinnert wehmütigan die Zeit »des großen Karl, glücklichen Anden-kens«. Herrschte doch da »überall Friede und Ein-tracht ... nun aber ist überall Uneinigkeit und Streit zusehen, weil jeder, wie er will, einen besonderen WegKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.268 Deschner Bd. 5, 121Von einer merkwürdigen Meinung alter und ...

geht. Und damals war allerorts Überfluß und Freude,jetzt aber ist nur Mangel und Trauer ...«15

Diese Sätze, der noch heute herrschenden Histori-keransicht konform, die Karls I. Staat als Einheits-staat, aufstrebende Weltmacht, christliches Universal-reich, als eine Art Weiterentwicklung der römischenKaiseridee bejubelt, diese Sätze sind deshalb so be-zeichnend, weil sie – »überall Friede« behaupten.Tatsächlich jedoch hatte Karls 46jähriges Regimentfast unentwegt Krieg, nahezu fünfzig Feldzüge ge-bracht, hatte er allein die Sachsen, die »Erzheiden«,dreiunddreißig Jahre mörderisch bekämpft! Was indesam Rand des immer weiter expandierenden Groß-Raub-Reiches geschah, betraf ja nicht den »Frieden«im Innern. Im Gegenteil. Je mehr »Ruhe und Ord-nung« da, desto besser funktionierte das Töten, Ver-sklaven, Annektieren dort, außerhalb der Grenzen.Doch »überall Überfluß und Fröhlichkeit« gab's nichteinmal hier, im Inland. Das genoß bloß die lächerlichkleine Schicht der Besitzenden, Adel und Klerus, dieim fremden, im blutig geraubten Reichtum schwamm,während im schamlos geschröpften eigenen Volkchronische Unterernährung herrschte, Elend und Hun-gersnöte grassierten, die 784 in Gallien und Germani-en ein Drittel der Menschen dahinrafften (IV 490).

Unter Karls Enkel trat lediglich anstelle des aus-wärtigen Kriegs der Krieg im Innern, der sogenannte

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4.269 Deschner Bd. 5, 121Von einer merkwürdigen Meinung alter und ...

Bürgerkrieg – freilich ein Pleonasmus, denn jederKrieg ist Bürgerkrieg!

Natürlich war Nithards Sicht nicht exzeptionell.Der Zeitgenosse Florus von Lyon, der dichtende

Diakon, ein emsiger Kirchendiener, sieht das nichtanders. Auch er bedauert das dreifach gespaltene Im-perium, die Herrschaft von Königlein statt eines Kö-nigs. Auch er glorifiziert »das Reich im Glanz der er-habenen Krone, / Herr war einer und eins auch dasVolk, das dem Herren gehorchte ... / Friedlichkeitwaltete drin und Tapferkeit schreckte die Feinde.«Und nachdem Florus noch den eignen, den »geheilig-ten Stand«, ganz christlich demütig gehörig herausge-strichen, preist er beredt das Verknechten im Osten,das Werfen der »Zügel des Heils um Besiegte«. »Hierbog heidnisches Volk sich dem Joche der Kirche, in-dessen / Dort der ketz'rische Wahn, mit Füßen getre-ten, dahinsank.«16

Ja, das gefiel Christen immer: die Heiden im Joch,ihr Glaube mit Füßen getreten!

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4.270 Deschner Bd. 5, 122Die Verträge von Verdun (843) und Meersen ...

Die Verträge von Verdun (843) und Meersen(870)

Doch war man allgemein kriegsmüde. Das heißt: dieNachteile des Krieges wurden für die Mächtigen grö-ßer als die Vorteile; was nicht zuletzt auch für denhohen Klerus galt, dessen gewaltiger Besitz mit Vor-liebe gebrandschatzt worden ist. Nach langen,schwierigen, von Mißtrauen gezeichneten Verhand-lungen – gemischte Kommissionen, 120 Beauftragtehatten zuvor die Grenzen bereist und ermittelt –, nachVorgesprächen im Juni 842 auf einer Saône-Insel beiMâcon, im Oktober in Koblenz, im November in Die-denhofen, kam es im nächsten Jahr zu einer neuenTeilung.

Das Reich Ludwigs des Frommen wurde im Ver-trag von Verdun, dessen Text unbekannt ist, im Au-gust 843 nach dem dynastischen Erbrecht, dem altenGrundsatz brüderlicher Gleichberechtigung, nachAusscheiden allerdings von Bayern, Aquitanien undItalien, im Beisein der Magnaten, in West-, Ost- undMittelreich gegliedert, in drei gleich große Länder –»ob die Könige wollten oder nicht wollten«.

Ludwig der Deutsche erhielt sein Stammland unddas gesamte Ostreich, die Francia orientalis, manch-mal auch noch mit ihrem früheren Namen Austria,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.271 Deschner Bd. 5, 123Die Verträge von Verdun (843) und Meersen ...

Austrasien (deutsch »Ostarrichi« im »Heliand«) ge-nannt (IV 117). Er bekam also zu Bayern die Gebieteöstlich von Rhein und Aare, die der Sachsen, Thürin-ger, Ostfranken, Alemannen (ohne Elsässer) sowieSpeyer, Worms und Mainz links des Rheins; womitsich, über das ostfränkische Reich, die »deutsche Ge-schichte« sozusagen verselbständigt, von den beidenanderen Teilreichen abzweigt.

Karl der Kahle erbte das westliche Frankenreich,die Francia occidentalis, die von nördlich der Loirebis zu Maas und Schelde reichte, dazu Aquitanienund die spanische Mark, was die Voraussetzung schuffür das Entstehen des französischen Volkes, wennauch seinerzeit Sprache, Volkstums-, Stammesgren-zen keinesfalls den Ausschlag gaben, die Grenzzie-hung vielmehr reichlich willkürlich geschah, ohneRücksicht sogar auf zusammengehörige Volksgrup-pen oder Bistumsverbände. Auch hatte Karl, eher un-kriegerisch, persönlich jedenfalls feig, viele der ihmzuerkannten Länder mehr oder weniger gegen sich:Aquitanien, die Bretagne, Septimanien, die spanischeMark.

Das geschichtlich wirkungslos bleibende, geogra-phisch und bevölkerungspolitisch unorganische, zwi-schen die beiden anderen regna gezwängte Mittel-stück, das Regnum der Francia Media, wurde sowohlvon Romanen (Burgundern, Provençalen) wie Germa-

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4.272 Deschner Bd. 5, 123Die Verträge von Verdun (843) und Meersen ...

nen (Alemannen, Rheinfranken, Friesen) bewohnt. Eswar ein langgestreckter Länderstreifen, der immerhinvon Italien bis Friesland reichte, also das Mittelmeer-gebiet von Benevent über die wichtigen Westalpen-pässe, über die Provence, Burgund nebst der mittlerenFrancia, das spätere Lotharingien, den Maas-, Mosel-,Niederrheinraum mit dem Nord-Ostseebereich ver-band. Dieses Gebiet hatte Lothar I. gewählt, der mitden Kaiserstädten Rom und Aachen zugleich den Kai-sertitel behielt. Doch partizipierten auch die beidenanderen Königreiche an den fränkischen Kernland-schaften: Ludwig der Deutsche bekam das fränkischbesiedelte Rhein-Main-Gebiet, Karl der Kahle dasfränkische Neustrien zwischen Seine und Schelde.

Pippin II. aber, der Sohn Pippins I., des inzwischenverstorbenen Sohnes Ludwig des Frommen, der denThron von Aquitanien beanspruchte und lang Karldem Kahlen widerstand, der seinerseits das Land»durch zahlreiche Einfälle heimsuchte« (Annales Ful-denses), wurde 864 gefangengenommen und in einKloster gesteckt (S. 138 f.).

Lotharingien, das Mittelreich, währte nicht lang(855–900). Es wurde nach dem Tod Lothars I. (855)unter seine drei Söhne, Ludwig II., Lothar II. undKarl geteilt. Dieser starb früh, und nach dem Ablebenauch von Lothar II. (869) rissen seine Onkel, Karl derKahle und Ludwig der Deutsche, das Mittelreich im

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4.273 Deschner Bd. 5, 124Die Verträge von Verdun (843) und Meersen ...

Vertrag von Meersen (870), unter Übergehung derAnsprüche Ludwigs II., an sich. Als aber der ostfrän-kische Karolinger Arnulf von Kärnten 895 Lotharin-gien wiederherstellte und dort seinen Sohn Zwenti-bold als König einsetzte, fand dieser anno 900 imKampf mit der örtlichen Aristokratie den Tod und daseigenständige lotharingische Königtum sein Ende (S.318 f.).

So halbwegs ausgewogen Ludwigs des FrommenReich den jeweiligen Anteilen gemäß gedrittelt wor-den war, qualitativ, sozial- und kulturhistorisch, auchorganisatorisch gesehen, waren die Unterschiede be-trächtlich.

Der Westen und Italien repräsentierten alte, nochvon der Antike imprägnierte Kulturlandschaften. Manwar anspruchsvoller, vergleichsweise. Wenigstens daund dort gab es dichter gestreute Stadtregionen. Esgab eine wie auch immer geartete Literalität, gab Bü-cher, Schulen. Wir begegnen hier auch ökonomi-schem Engagement, Handel- und Gewerbetreibendensowie mehr und mächtigeren Aristokratenclans. Dem-gegenüber wirken weite Gebiete des Ostreichs »unter-entwickelt«, »waldüberzogen, menschenleer, ›kultur-los‹ und ohne geistige Zentren« (Fried). Freilich leb-ten auch hier einige Vertreter der »karolingischen Re-naissance«: Hrabanus Maurus, erst in der Neuzeitzum »praeceptor Germaniae« aufgestiegen; Walafrid

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4.274 Deschner Bd. 5, 125Die Verträge von Verdun (843) und Meersen ...

Strabo, als Gesandter Ludwigs 849 in der Loire er-trunken; Notker Balbulus, der Mönch von Sankt Gal-len.

Vielleicht war der Vertrag von Verdun noch nicht,wie namhafte ältere Historiker (Waitz, Droysen, Gie-sebrecht) glaubten, eine Art »Geburtsstunde« derdeutschen und französischen Nationalität, zweier Völ-ker, in deren Interesse man ihn gewiß nicht schloß.Doch eine deutsche, eine französische Geschichtebahnt sich an, Nationen beginnen aus älteren Völker-schaften, aus den Bewohnern bestimmter Länder her-vorzuwachsen, das pränationale Stammesbewußtseinwird schließlich – besonders, bezeichnenderweise,durch das »gemeinschaftsbildende«, alle Waffen-pflichtigen verschiedener Stämme und Regionen eini-gende Heer – zum Nationalbewußtsein. Wie denn dasAufkommen auch anderer nationaler Königreiche, inEngland etwa, Spanien, Skandinavien, Polen, Böh-men, Ungarn, politisch das Frühmittelalter prägt.Freilich, im ganzen 9. Jahrhundert denkt man nochnicht in völkischen Kategorien, fühlt sich noch keinVolk als »nationale Einheit«, noch kein Mensch als»Deutscher«, »Franzose«, vielleicht noch nicht einmalim 10. Jahrhundert, wenn es auch die unmittelbareÜbergangsphase ist.

Diese Aufteilung des karolingischen Reiches, derwährend des 9. Jahrhunderts weitere Teilungen, doch

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4.275 Deschner Bd. 5, 125Die Verträge von Verdun (843) und Meersen ...

auch neue Vereinigungen folgten, war ein durch dieVerhältnisse erzwungener Kompromiß. Sie beendetzunächst zwar das gegenseitige Übereinanderherfal-len, führt aber auch dazu, daß das Kaisertum seineVormachtstellung gegenüber dem Papsttum allmäh-lich verliert, daß die Dreiteilung in Deutschland,Frankreich, Italien sich vorbereitet, und daß die frü-here Einheit – die Episode unter Karl dem Dicken (S.278 ff.) beiseite – nie mehr zurückkehrt.17

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4.276 Deschner Bd. 5, 125Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

Ludwig II. der Deutsche (843–876) wird zwar in zeit-genössischen (westfränkischen) Quellen wiederholt»rex Germanorum« und »rex Germaniae«, sein Herr-schaftsgebiet – von der eigenen Kanzlei als »orienta-lis Francia« bezeichnet – bei den Autoren schon sei-nerzeit nicht selten »Germania« genannt, sein Beina-me »der Deutsche« jedoch erst seit dem 19. Jahrhun-dert üblich.

Als dritter Sohn Ludwigs I. des Frommen um 805geboren, hatte der zweite Ludwig seine Jugend amHof verbracht und 817 in der Ordinatio imperii unterder Oberhoheit des Kaisers als Teilkönigtum Bayernerhalten; dazu, wie der Vater seinerzeit bestimmte,»die Karantanen, Böhmen, Avaren und Slaven, die imOsten Bayerns wohnen ...« Da der etwa Zwölfjährigezu jung ist, selbst zu regieren, tut er dies tatsächlicherst knapp zehn Jahre danach. Doch spätestens seit830 urkundet er als »Ludwig von Gottes GnadenKönig der Bayern«. Hauptsächliche Ziele seiner Poli-tik: die Ostexpansion und die Ausdehnung im Karo-lingerreich.

Während des Winters bevorzugt er Regensburg alsResidenz, wo er gern Hoftage und Reichsversamm-lungen abhält, während des Sommers Frankfurt, wo er

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4.277 Deschner Bd. 5, 126Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

auch das Salvator-Stift einrichtet. Außer dem Kern-land, der eigentlichen Machtbasis und ihm durch sei-nen »Heerführer«, den Grafen Ernst, gesichert – biszu dessen Sturz 861 »unter des Königs Freunden dererste« (Annales Fuldenses) –, beherrscht der Monarchauch Schwaben, Rhein- und Mainfranken, Thüringenund Sachsen, also die meisten germanischen Reichs-völker.

Ludwig II. der Deutsche war keiner der »bedeuten-den« Regenten, doch der bedeutendste unter seinenBrüdern.

Schon durch seine lange Regierungszeit wirkt ergleichsam stabilisierend auf das ostfränkische Reich,indem er, in den blutigen Spuren seines »großen«Ahnen Karls I. wandelnd, fast unentwegt Krieg gegendie Slawen in Böhmen und Mähren sowie im Nord-osten führt. Dabei kooperiert er eng mit dem Episko-pat, wie freilich auch die andren Karolingerfürsten,die alle den hohen Klerus an der Erfüllung ihrer Inter-essen, dem Verwirklichen ihrer Ziele beteiligen, wo-durch sie ihn verstärkt abhängig machen, aber auchselber abhängig werden, immer mehr verkirchlichen,mehr als je etwa die Merowinger.

Ludwig der Deutsche galt geradezu als Lenker undVerteidiger der Kirche. Er kümmerte sich um die Mis-sion in Mähren, Böhmen, im Norden, von Bremenund Hamburg bis Schweden, wo man das Christeni-

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4.278 Deschner Bd. 5, 127Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

dol allerdings nur beim Versagen der älteren Götterangerufen, sozusagen bloß als Aushilfsgott, als even-tuellen Nothelfer anerkannt hat. Ludwig berief Syn-oden ein, nahm daran teil, und erst seine Bestätigungmachte ihre Beschlüsse rechtskräftig; übrigens dieeinzige Gesetzgebung des ostfränkischen Reiches, ausdem zu seiner Zeit sonst nur von einem staatlichenGesetz berichtet wird.

Bis zuletzt übt der Bayer den entscheidenden Ein-fluß auf die Besetzung der Bischofsstühle aus, die erbevorzugt selbstverständlich seinen Günstlingen gibt.So macht er 842. den (reich mit römischen Märtyrer-knochen gesegneten) Abt Gozbald von Niederaltaichzum Bischof von Würzburg; zu Gozbalds Nachfolgerden Bayern Arn, der insgesamt vier Fürsten dient und(mit Reliquien auf der Heroenbrust) mindestens invier Feldzügen als Heerführer kämpft (bis er 892 –alles für Christus – gegen die Slawen fällt). 845 er-nennt Ludwig den vertriebenen Ebo von Reims (S.91) zum Oberhirten von Hildesheim, 847 den gelehr-ten Fuldaer Abt Hrabanus Maurus zum Erzbischofvon Mainz.

Die Prälaten dominierten auch in seinem »consili-um«: etwa Abt Ratleik von Seligenstadt, der Abt vonHerrieden, Liutbert, auf Betreiben des Königs seit863 Erzbischof in Mainz, der Konstanzer Bischof Sa-lomo I., der Hildesheimer Bischof Altfrid, der als Re-

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4.279 Deschner Bd. 5, 127Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

gentenberater sich weit mehr mit Politik als mit seinerDiözese befaßte, in manchen Quellen aber als Heili-ger figuriert und an seinem Grab beziehungsweise inder Hildesheimer Chronik viele wunderbare Heilun-gen vollbringt.

Den König umgaben also ständig hohe Kleriker.Und ganz beiseite, daß die Karolinger ausschließlichGeistliche als Notare beschäftigten, daß sie über-haupt, im Unterschied zur Merowingerära, die gesam-te schriftliche Verwaltung am Hof in Priesterhändelegten: auch Ludwigs Kanzleivorstände (Kanzler)oder Erzkapellane – die Zusammenfügung beiderÄmter erfolgte unter ihm – also Leute, die in seinemRat die Spitzenstellungen einnahmen, waren selbst-verständlich Prälaten: Abt Gozbald von Niederalta-ich, Abt Grimald von Weißenburg und Sankt Gallen,ein Verwandter der Trierer Erzbischöfe Hetti undThietgaud, Ludwigs wichtigster Konsulent. Endlichals neuer Leiter der Kanzlei wie Kapelle Erzkapellanund Erzbischof Liutbert von Mainz, der noch unterzwei Söhnen Ludwigs das Amt verwaltet, das dieMainzer Erzbischöfe seit dem 10. Jahrhundert, seitKaiser Ottos I. Sohn Wilhelm (ab 965), dauernd be-halten.

Die Hofkapelle aber, jahrhundertelang ein Herr-schaftsinstrument europäischer Fürsten, in der Karo-lingerzeit »ein typisches Produkt des Gottesgnaden-

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4.280 Deschner Bd. 5, 128Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

tums« (Fleckenstein), bildet nicht nur damals in Ost-franken »die dichteste Kontaktstelle zwischen karolin-gischer Politik und bayerischem Episkopat« (Glaser).Auch unter Ludwigs Söhnen blieb so der entscheiden-de Einfluß der Kirche auf die Politik gewahrt. Die Bi-schöfe agierten weiter in der Kanzlei und beteiligtensich an der Regierung.18

Ludwig der Deutsche war auch persönlich fromm.Er las geistliche Schriften. Bei öffentlichen Bittgän-gen folgte er barfuß dem Kreuz. In seiner Pfalz Frank-furt ließ er 852 eine Kapelle bauen, an der zwölfGeistliche dienten. Er gründete das Frauenkloster St.Felix und Regula in Zürich. Und alle seine Töchterwurden Nonnen: Irmingard Äbtissin des schwäbi-schen Klosters Buchau, Hildegard Äbtissin des Frau-enklosters Schwarzach bei Würzburg, Bertha Äbtis-sin von St. Felix und Regula in Zürich.

Im Oktober 847 tagten im Mainzer AlbanklosterBischöfe, Äbte und andere Geistliche Ostfrankens.Zum Wohl des Königs, seiner Familie sowie für dieSicherheit des Reichs ließ die Synode in allen Diöze-sen, so teilte sie dem Herrscher mit, 3500 Messen und1700 Psalter lesen – und bat ihn dann, nach demBrauch seiner Ahnen die Diener der Kirche und ihrenBesitz zu schützen und nicht jenen sein Ohr zu leihen,die ihm raten, sich weniger um das Kirchengut als umsein Eigengut zu kümmern.

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4.281 Deschner Bd. 5, 128Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

Nicht beiläufig: zwei Kanones befaßten sich da-mals mit den Armen, drei mit dem Glauben und sechsmit dem Kirchengut und den Zehnten.

Und dieselbe Mainzer Synode war es, die gegeneine Frau Thiota aus der Konstanzer Gegend – einederart suspekte Predigerin (pseudoprophetissa), daßihr selbst, so die Fuldaer Annalen, »Männer des heili-gen Standes ... wie einer vom Himmel bestimmtenMeisterin« folgten – die öffentliche Auspeitschungverhängte, worauf sie in geistige Umnachtung verfal-len sein soll.

Und dieselbe Mainzer Synode hat auch – nacheiner Reihe von Handschriften – gegenüber der Main-zer Synode von 813 die jurisdiktionellen Befugnissedes Episkopats kaltblütig erweitert. Hießen nämlich813 die Bischöfe noch die Helfer der Grafen undRichter bei der Rechtswahrung, so machte die Main-zer Synode von 847 daraus, daß »die Grafen undRichter ihren Bischöfen bei der Rechtswahrung bei-stehen sollten, wie es das göttliche Recht verordnethat ...«!19

Die Klerisei beteiligte sich somit intensiv an derPolitik Ludwigs des Deutschen. Es bestand vollendeteEinheit von Thron und Altar – »immer stehen die Bi-schöfe hinter ihrem König und der König hinter sei-nem Episkopat«. Der hohe Klerus führt politischeVerhandlungen, schließt Verträge, sehr viel häufiger

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4.282 Deschner Bd. 5, 129Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

als die Grafen. Prälaten wirken als Königsboten, alsGesandte an auswärtige Mächte. Und noch im Kriegziehn sie mit ganzen Scharen von Hintersassen zumKönig oder gar in seinem Auftrag »selbst an der Spit-ze eines Heeres allein oder zusammen mit Grafen zuFelde« (Schur). Anno 845 mußte die Synode vonMeaux abgebrochen (und im nächsten Jahr in Parisfortgesetzt) werden, weil man die Bischöfe inzwi-schen beim Kampf gegen den Bretonenfürsten Nomi-noë benötigte, der dann im November in Ballon, nahebei Le Mans, Karl den Kahlen schwer schlug.

Nichts klarer, als daß sich die ständig wachsendeMacht des Klerus und sein immer größeres Selbstbe-wußtsein zumal seit den Tagen Ludwigs des From-men mit entsprechenden Ansprüchen verbindet. »Mitgroßem Nachdruck wird Unterordnung und Gehorsamauch der Fürsten den Bischöfen gegenüber gefordert,das Übergreifen von Laien auf das geistliche Gebietabgelehnt« (Voigt).

Ludwig II., seit 827 mit der jüngeren Schwester derKaiserin Judith, der zweiten Frau seines Vaters, derWelfin Hemma, verheiratet, hatte anscheinend keiner-lei Aufsehen erregende Frauenaffären. Jedenfalls wer-den seine geschlechtlichen Verhältnisse niemals bean-standet. Desto intensiver aber widmete er sich, ein imchristlichen Abendland gewöhnlich über jeden Tadelerhabenes Geschäft, dem Krieg – von der Forschung

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4.283 Deschner Bd. 5, 130Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

meist seriös umschrieben, etwa: »seine aktive undzielstrebige Politik im Osten« (Reindel). Die ausge-dehnte Nord- und die noch längere Ostgrenze seinesReiches, die über eineinhalbtausend Kilometer vonder westlichen Ostsee bis zum Adriatischen Meer sicherstreckten, bis zu den Marken Istrien und Friaul, pro-vozierten fast dazu. Und dies um so mehr, als es, ver-glichen mit Westfranken oder Italien, einerseits mitder wirtschaftlichen Entwicklung seines Landes nichtso weit her, andererseits mit dessen politisch-militäri-scher Stabilität sowie der Autorität seines Königs inKreisen des Adels und der Kirche deutlich besser be-stellt war. Nicht unwesentlich trug dazu die geschick-te Heiratspolitik Ludwigs bei, der seine Söhne, denältesten Karlmann, Ludwig den Jüngeren sowie denJüngsten, Karl III., mit Frauen des fränkischen Hoch-adels vermählte; Karlmann mit einer Tochter des Gra-fen Ernst.

Die Ostgrenzen des Reiches, schreibt JohannesFried, seien »zwar nie völlig befriedet, aber weithinungefährdet« gewesen, weil es keine kraftvollen poli-tischen Zentren der Slawen gab. Erst mit der Bildungdes »Mährischen Großreiches« habe sich dies allmäh-lich geändert, und nicht zuletzt deshalb, weil »dieMission gerade von Bayern aus vorangetrieben wird«.Auch nach Wilhelm Störmer hat Ludwig in den östli-chen Grenzzonen anscheinend »sehr entschieden

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4.284 Deschner Bd. 5, 130Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

durchgegriffen«, wobei ein »wichtiges Aufbauele-ment« für ihn »die Kirchen (Bistümer und Abteien)«waren, »die Grundherrschaften vor allem in der Do-nauzone, dem Aufmarschgebiet der Heere, erhielten.Auch die Slavenmissionierung durch bayerische Kir-chen scheint Ludwig sehr geschickt delegiert zuhaben.«

Die Slawen aber verteidigten natürlich ihren Glau-ben. Sie vergalten »Angriffe«, schreibt Gerd Tellen-bach, »von denen sie selbst heimgesucht wordenwaren«. Und die Christen kannten angeblich keinhehreres Ziel, als ihre Frohe Botschaft zu verbreitenmit Feuer und Schwert. »Völlig hemmungslos konn-ten sich die Franken austoben, wenn sie sich mit Hei-den schlugen« (Riché). Womit der erste ostfränkischeKönig allerdings nur an der »Praxis der Vorgänger«festhielt, wie das in der beschönigenden Art zumaldeutscher Historiographie heißt, um »durch wieder-holte einschüchternde Vorstöße dem Status quo Re-spekt zu verschaffen« (Schieffer). – Die deutsche For-schung liebt diesbezüglich über Jahrhunderte hin Ter-mini wie »Ostbewegung«, »Landesausbau«, »besitz-mäßiges ›Festwachsen‹«. Und selbst wenn sie freiwegvon »Angliederung« oder »Einverleibung« spricht,klingt es wie ein fast harmlos-natürliches Hineinglei-ten in den Reichskörper, es ist schlicht »Verschmel-zung«.

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4.285 Deschner Bd. 5, 131Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

Ludwig der Deutsche operierte vor allem im böh-misch-mährischen Raum, führte aber auch gegen dieweiter im Norden sitzenden Obodriten und SorbenKrieg: gegen die Obodriten 844, deren Volk, formu-lieren so edel wie christlich die Fuldaer Jahrbücher,»ihm von Gott unterworfen« worden war, wobeiKönig Gostemysl fiel; während die »Annales Berti-niani« lakonisch melden: »König Ludwig verheertefast das ganze Gebiet der Slaven und unterwarf es sei-ner Herrschaft.« 851 zog er gegen die Sorben, wobeier sie mehr durch Vernichtung ihrer Felder und Ern-ten, durch Hunger, als militärisch bezwang. 856 un-terjochte er die Daleminzier zwischen Elbe undMulde. Und noch in seiner Spätzeit, nach 867, schickter seinen Sohn Ludwig mit Sachsen und Thüringernwieder gegen die Obodriten.

Es war, so Engelbert Mühlbacher vielsagend, »eineschwierige, aber auch für die Zukunft bedeutungsvolleAufgabe, die Aufrechthaltung und Erweiterung derOberhoheit über die Slaven jenseits der Elbe, derSaale und des Böhmerwaldes, die nach und nach, jemehr der deutsche Machteinfluß sich festigte und aus-dehnte, auch dem Vordringen deutschen Elementesund der Kultur freie Bahn brach, in den südöstlichenAlpenländern die Weiterführung der Kolonisation,Aufgaben, die zugleich der Tatenlust neue Wege er-öffneten und sie aus dem Kreis innerer Unruhen bann-

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4.286 Deschner Bd. 5, 131Ludwig von Gottes Gnaden König der Bayern

ten«.Klar, worum's ging: um Festigung, Erweiterung,

Ausdehnung, um das »Vordringen deutschen Elemen-tes und der Kultur«. Deutlich gesagt: um weiterenmörderischen Raub. Szientifisch (mit Rudolf Schief-fer): »Mehr politische (und missionarische) Bewe-gung«. Klingt nobel, neutral. Tut keinem weh – aufdem Papier. Und nicht zuletzt dämpfte, paralysierteman derart die »Tatenlust« im innerstaatlichen Be-reich – im Grunde die Kriminalstrategie der Groß-mächte doch oft noch heute. (Anachronistisch wie-der?)

Und zu all den Ost-Attacken, die wir später nochgenauer betrachten (S. 159 ff.), kam Ludwigs Angriffauf das Westfränkische Reich, auf das Erbe seinesStiefbruders Karl, das nicht nur andauernde Einfälleäußerer Feinde schwächten, sondern auch erhebliche»Wirren« im Innern, Kämpfe zumal in der Bretagne,in Aquitanien.20

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4.287 Deschner Bd. 5, 132Karl der Kahle und der Westen

Karl der Kahle und der Westen

Das Westfrankenreich wird jetzt durch Kriege, durchbürgerkriegsähnliche Zustände und Adelsoppositio-nen besonders erschüttert. Aus dem Süden, aus Spani-en und Afrika, brechen die Sarazenen, aus Skandina-vien fallen die Normannen ein. Ihre Züge übers Meerund an den Flußläufen herauf kosten immer mehrMenschenopfer, Geld, Tributzahlungen, Kirchen-schätze. Doch blüht das Raub- und Bandenwesen,gegen das Karl das Kapitular von Servais erläßt, auchim Land selbst, wobei klerikale Würdenträger, stein-reiche Aristokraten aus Beutegier oft gemeinsameSache mit den Banditen machen oder diese auchgegen Entgelt für Mordtaten anwerben – fällt es dochzu allen Zeiten schwer, sich die Unterwelt schlimmervorzustellen als die Etagen darüber. Auch der Königist kein so schlechtes Beispiel dafür. Karl der Kahle,am 13. Juni 823 in Frankfurt am Main aus Ludwigsdes Frommen zweiter Ehe geboren, heiratete alsNeunzehnjähriger 842 Irmintrud, die Tochter des eini-ge Jahre zuvor gegen Lothar gefallenen Grafen Odovon Orléans; offenbar eine rein politische Partie, weiler so, schreibt Nithard, »den größten Teil des Volkeszu gewinnen hoffte«. »In demselben Jahre«, schließendie »Annales Xantenses« ihre kargen Mitteilungen,

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4.288 Deschner Bd. 5, 133Karl der Kahle und der Westen

»ging in der Stadt Tours die Kaiserin Judith aus derWelt, die Mutter Karls, nachdem ihr Sohn ihr allesVermögen geraubt hatte«.21

Irmintrud gebar Karl, nach einer Tochter Judith,vier Söhne: Ludwig, Karl, Karlmann und Lothar. Diezwei jüngsten zwang der Vater, von Erzbischof Hink-mar dafür gelobt, in den geistlichen Stand. Der ge-lähmte Lothar starb noch im Knabenalter als Abt vonS. Germain d'Auxerre. So blieb ihm das SchicksalPrinz Karlmanns erspart.

Familienschwierigkeiten löste Karl II. nach Artvieler Potentaten (nicht nur seiner Zeit). Zwar alsTochter Judith nach zwei Ehen an englischen Königs-höfen 861 mit dem flandrischen Grafen Balduin I.durchgebrannt und (nach einer päpstlichen Interven-tion) 863 dessen Frau geworden war, da konnte Karlnur resignieren. Als aber seine Söhne, der von Geburtan lahme Lothar und der durch eine Verletzung gei-stesgestörte Karl das Kind, 865 und 866 kurz hinter-einander starben, versöhnte sich der König zunächstganz christlich mit seiner Gattin Irmintrud und ließsie zur Königin salben. Doch ihren Bruder Wilhelm,der sich unmittelbar darauf gegen ihn verschwor, ließKarl köpfen – Irmintrud ging ins Kloster.

Karl, gelegentlich durch den Bischof Frechulf vonLisieux mit dem Werk des Militärschriftstellers Vege-tius über die Kriegskunst beschenkt (womit der Christ

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4.289 Deschner Bd. 5, 133Karl der Kahle und der Westen

bereits um 400 dem Verfall des römischen Militärwe-sens entgegenwirken wollte!), Karl war persönlichalles andere als mutig, liebte es schon gar nicht, selbstzu kämpfen, neigte aber zur Grausamkeit.

Das veranschaulicht auch sein Vorgehen gegenKarlmann. Er hatte den Prinzen, der viele Sympathiengenoß, aus politischen Rücksichten in den geistlichenStand gesteckt, genauer, ihn, wie den gelähmten Lo-thar, noch sehr jung zum Mönch scheren lassen, wor-auf er immerhin nacheinander Abt von Saint-Médard,Saint-Germain-d'Auxerre, Saint-Amand, Saint-Ri-quier, Saint-Pierre de Lobbes und Saint-Aroul gewor-den ist.

Im Auftrag des Königs zog Abt Karlmann 868 ander Spitze eines Heeres gegen die Normannen, empör-te sich aber 870/872 gegen den Vater, wurde in Senliseingekerkert und 873, aufgrund einer Klageschrift desRegenten, durch eine dort versammelte Synode jedergeistlichen »Würde« beraubt. Es soll ihm nur will-kommen gewesen sein, zumal es ihm wieder Thron-aussichten eröffnete – zugleich dem Vater jedoch dieMöglichkeit, den Sohn noch strenger zu bestrafen.Als darum dessen Parteigänger seine Befreiung undErhebung zum König vorbereiteten, stellte ihn VaterKarl abermals vor Gericht und ließ ihm die Augenausstechen, »damit die wahnwitzige Hoffnung derFriedensstörer auf ihn vereitelt werde und die Kirche

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4.290 Deschner Bd. 5, 134Karl der Kahle und der Westen

Gottes und die Christenheit im Reich außer der Be-feindung durch die Heiden nicht auch durch einen ver-ruchten Aufstand in Verwirrung gebracht werdenkönne«. Noch im selben Jahr vermochte der Blindeaus Corbie zu seinem ostfränkischen Onkel Ludwigdem Deutschen zu fliehen, der ihm das Kloster Ech-ternach gab, als dessen Laienabt er einige Jahre späterstarb.22

Karl II. der Kahle konnte sich lange bloß schwerbehaupten. Nicht nur geriet er durch die Agitationender Mutter für seine Ausstattung in beträchtliche Kri-sen. Auch Mißverhältnisse im eigenen, geographisch,ethnisch und geschichtlich sehr unterschiedlichenReich setzten ihm zu; Spannungen im Süden, mit denspanisch-septimanischen Goten, den Basken, undSchwierigkeiten mit dem fränkischen Norden. Auchgewann er anfangs viele Magnaten nicht, da sie sichlieber Lothar anschlossen. Erst nach dessen Niederla-ge bei Fontenoy konnte er langsam seine Position ver-bessern.23

In die gefährlichsten Konflikte aber stürzten Karldie selbstbewußten Bretonen sowie die Ansprücheseines Neffen Pippins II. auf Aquitanien.

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4.291 Deschner Bd. 5, 135Mord und Totschlag in der Bretagne

Mord und Totschlag in der Bretagne

Die Bretagne wurde von den Franken spätestens seitPippin III. dem Jüngeren (wohl schon 753) und sei-nem Sohn Karl »dem Großen« durch Einfälle 786,799 und 811 heimgesucht; ebenso wieder durch KarlsSohn Ludwig den Frommen 818, 824 und 830. Auchdessen Sohn Ludwig der Deutsche war bei dem Bre-tonenfeldzug 824 dabei. Ab bove majori discit arareminor – ausnahmsweise deutsch höflicher: Wie dieAlten sungen ...

Gelegentlichen Unterwerfungen der Bretonen folg-ten stets neue Erhebungen und Abfälle. Doch als Lud-wig 831 auf dem Hoftag von Ingelheim den Bretonen-fürsten Nominoë (831–851) als »missus imperatoris«in der Bretagne einsetzte, wahrte dieser die Loyalität.Erst seit dort unter Karl dem Kahlen verschiedene ka-rolingische Magnaten zu expandieren versuchten, kames mit diesen und dann auch dem König zu militäri-schen Konfrontationen, wobei Nominoë sein Landindes völlig verselbständigte und sich von dem Me-tropoliten in Dol, den er selbst eingesetzt, wahr-scheinlich 850 zum König salben ließ – der erste vonden Franken faktisch nie unterworfene König der Bre-tagne. Zwar erkannte er die Oberherrschaft des weitentfernten Kaisers, Lothars I., an, doch Karls des

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4.292 Deschner Bd. 5, 135Mord und Totschlag in der Bretagne

Kahlen Ansprüche nicht.Aber Nominoë starb schon im nächsten Jahr plötz-

lich auf einem seiner Kriegszüge. Den einzigen Sohnund Nachfolger Erispoë (851–857) glaubte Karl raschausschalten zu können. Doch Erispoë, der die Fran-ken bereits 843 bei Messac geschlagen, vernichtetejetzt deren Heer – auch »unzählige Pferde gingen zuGrunde« – noch vor der Überquerung des Grenzflus-ses in der dreitägigen Schlacht von Jengland-Beslé(im Anjou) vom 22. bis 24. August 851. Karl selbstverließ dabei, schon am zweiten Schlachttag Halsüber Kopf fliehend, seine Truppe, so daß auch diesedanach »an nichts anderes mehr als an Flucht« dach-te – und die Bretonen »hauen jeden, auf den sie stie-ßen, entweder mit dem Schwerte nieder oder nehmenihn lebend gefangen ...« (Regino von Prüm).

Erispoë versöhnte sich jedoch durch den Friedenvon Angers mit Karl, kommendierte sich diesem alsfidelis regis, wurde von ihm aber auch selber alsKönig anerkannt und konnte die Territorialausdeh-nung seines Landes durch Überlassung der gesamtenbretonischen Mark um Nantes und Rennes verdop-peln, 856 auch seine Tochter mit Karls ältestem, da-mals zehnjährigem Sohn Ludwig (II. dem Stammler)verloben. Die Bretagne war damit vorerst für dieFranken verloren.

Erispoë suchte auch die kirchliche Krise zu bereini-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.293 Deschner Bd. 5, 136Mord und Totschlag in der Bretagne

gen, die seit langem schwelte, seit seinem Vater. Derhatte die frankenfreundlichen Bischöfe von Dol,Vannes, Quimper und Léon mit dem Beistand des hl.Conwoion (der deshalb bis nach Rom reiste) abge-setzt und die Bretagne durch Ernennung ihm hörigerBischöfe auch kirchlich selbständig gemacht. Doch857 wurde Erispoë von seinem Vetter Salomon er-mordet, der nun das Land an sich riß, den jungenLudwig vertrieb und als König »von Gottes Gnaden«,so titulierte er sich, die höchste Unabhängigkeit derBretonen erreichte. Notgedrungen haben ihn die Fran-ken 863 anerkannt, 874 aber umgebracht. Auch seineNachfolger, die beide regierten und einander bekrieg-ten, starben in kurzer Zeit.24

Und als kaum minder turbulent erwies sich deraquitanische Kampfplatz.

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4.294 Deschner Bd. 5, 136Karl der Kahle liquidiert seine Neffen

Karl der Kahle liquidiert seine Neffen

In Aquitanien hatte Karl II. gegen seinen Neffen Pip-pin II. zunächst keinen Erfolg. Zwar gehörte Karl seitder Teilung von Verdun (S. 122 ff.) das Land, dochdas Land wollte, zumindest mit seiner Bevölkerungs-mehrheit, nicht ihm gehören. So suchte er es »durchzahlreiche Einfälle« heim, erlitt aber oft »große Ver-luste« (Annales Fuldenses), wie im Juni 844 bei An-goulême gegen Pippin und Wilhelm, den kaum er-wachsenen Sohn des Markgrafen Bernhard. Seinerzeitfielen für Karl u.a. sein Onkel und erster ErzkanzlerHugo, ein »natürlicher« Sohn Karls »des Großen«,Abt von St. Quentin und St. Bertin; und ein Enkel deshl. Karl, Abt Richbodo von St. Riquier. Unter denGefangenen: Karls Erzkapellan, der Bischof Ebroinvon Poitiers, Bischof Ragenar von Amiens, AbtLupus von Ferrières sowie viele Grafen. Karl hattedie Hoheit über fast ganz Aquitanien verloren.25

Nur eine Heldentat glückte dem König damals. Erließ den Grafen Bernhard, »der arglos war und nichtsBöses von ihm vermutete« (Annales Fuldenses), frei-lich, so ein anderer Annalist, immer ein »öffentlicherRäuber«, auch der Geliebte von Karls Mutter gewe-sen sei, heimtückisch in sein Lager locken und gleichtöten.

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4.295 Deschner Bd. 5, 137Karl der Kahle liquidiert seine Neffen

Erst nach einem bescheidenen Erfolg gegen dieAquitanien bedrängenden Normannen ging der Adel,der Pippin mangelnde Verteidigung vorwarf, zumgrößeren Teil zu Karl über. Und nun konnte sich die-ser 848 in Orléans von der geistlichen und weltlichenAristokratie zum aquitanischen König wählen und –nicht durch den Papst – durch den Erzbischof Wenilovon Sens salben und krönen lassen; ein von Erzbi-schof Hinkmar übernommenes traditionsbildendesKonzept, da Hinkmar die sakrale Herrscherautoritätauf Karl übertrug und die Reimser Kathedrale zurKrönungsstätte der Frankenkönige machte.26

Karl festigte also im Verein mit der Kirche seineAmtsgewalt durch die Idee des rex christianus, über-haupt durch die stete Sakralisierung dieser Gewaltmittels zeremonieller Weiheakte wie eben Krönungund Salbung. So, um einmal kurz vorauszublicken:bei der Ernennung Karls des Kindes, seines ältestenSohnes, zum aquitanischen Unterkönig 855; bei derErhebung seiner Tochter Judith zur englischen Köni-gin anläßlich ihrer Hochzeit 856; bei der eigenen Gat-tin Irmintrud 866. Ließ er sich ja auch selbst nach sei-ner Krönung 848 in Orléans zum König von Aquita-nien, noch 869 in Metz zum König von Lothringenund 875 in Rom zum Kaiser krönen. Und 859 demon-strierte er bei einem Thronsturzversuch seine Abhän-gigkeit vom Klerus durch die Erklärung, von nieman-

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4.296 Deschner Bd. 5, 137Karl der Kahle liquidiert seine Neffen

dem abgesetzt werden zu können als von dem»Spruch und Urteil der Bischöfe, durch deren Mitwir-kung ich zum König geweiht wurde; denn sie sind derThron Gottes, auf dem Er sitzt und von dem Er herabdas Urteil spricht. Ihren väterlichen Vorhaltungen undStrafen unterwerfe ich mich allzeit ...« Ein Beweismehr des stets steigenden Einflusses der Priester aufdie Politik.

Selbstverständlich zog auch Karl Nutzen daraus.Denn wie die übrigen Karolinger, förderte er, der ge-legentlich, wie in Saint-Denis, sogar die Abtswürdebeanspruchte, den »Thron Gottes« nicht nur, sonderner kooperierte auch eng mit ihm. Kein anderer als Pip-pins I. einstiger Kanzler, Bischof Ebroin von Poitiers,führte als Erzkapellan Karls Hofgeistlichkeit an. UndHugo, den illegitimen Karlssohn (von der KonkubineRegina), den Abt von St-Quentin und St-Bertin undletzten Kanzler Ludwigs des Frommen, machte Karlzu seinem ersten, bevor der Abt für ihn bei Angou-lême gefallen ist.

Vor allem aber erhob Karl den adligen MönchHinkmar aus dem Kloster Saint-Denis 845 zumNachfolger des Ebo von Reims. Freilich, ErzbischofHinkmar, der wohl einflußreichste fränkische Prälatder Zeit (der auch, sehr subjektiv, ganz im Hinblickauf seine bischöflichen Ziele, von 861 bis 882 dieAnnales Bertiniani schrieb, wobei der versierte Fäl-

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4.297 Deschner Bd. 5, 138Karl der Kahle liquidiert seine Neffen

scher natürlich nicht zögerte, auch den Text seinesVorgängers zu fälschen), unterstützte zwar Karls miß-lungenen Annexionsversuch gegen das Mittelreich,widersetzte sich aber scharf seiner Kaiserpolitik undseinen Italienzügen.

Schon ein Jahr nach der Krönung des Königs inOrléans (848) fiel ihm Pippins jüngerer Bruder Karlin die Hand. Der Monarch war nicht nur sein Onkel,sondern auch sein Taufpate (patrem ex fonte sacro),dem damals etwa Zwölfjährigen somit verwandt-schaftlich wie kirchlich besonders verbunden. Gleich-wohl erpreßte er von dem jungen Prinzen, dem even-tuellen Prätendenten, auf der Reichsversammlung inChartres von der Kanzel herab die Aussage, er wolle,so die Jahrbücher von St. Bertin, »aus Liebe zumDienste Gottes ohne jedwede Nötigung Kleriker wer-den«; worauf ihn die Prälaten sofort schoren und insKloster Corbie steckten. Und als er Karls Bruder Pip-pin II., den König, im Herbst 852 in seine Gewaltbekam, ließ er auch ihn »mit Zustimmung der Bischö-fe und Großen« (Regino von Prüm) – übrigens inderselben Kirche von Soissons, in der man auch Lud-wig den Frommen zu Kreuz gezwungen (S. 80 ff.) –scheren und im Kloster zum hl. Medardus inhaftie-ren.27

Ein erster Fluchtversuch Pippins mit Hilfe zweierPriester, Mönche des Hauses, mißlang; er mußte Karl

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4.298 Deschner Bd. 5, 139Karl der Kahle liquidiert seine Neffen

auf einer Synode 853 in Soissons den Treueid leisten,mußte ein förmliches Mönchsgelübde ablegen, nocheinmal in eine Kutte kriechen und wieder in Kloster-haft. Es war das Jahr, in dem fast alle Aquitanier vonKarl abfielen, und im nächsten, von ihnen gerufen,Ludwig der Deutsche seinen Sohn Ludwig III. denJüngeren schickte, der bis in den Raum von Limogesvorstieß. Karl zog gleichfalls nach Aquitanien, sogar»in der Fastenzeit« und über das »Osterfest«, wie dieAnnales Bertiniani rügen; »sein Heer aber tat nichtsals plündern, brennen und Menschen gefangen weg-führen, und selbst die Kirchen und Altäre Gottes blie-ben von ihrer Gier und Frechheit nicht verschont«.

Nun hätte Prinz Ludwig, vom Vater für kurze Zeitzum König der Aquitanier erhoben, mit seinen Thü-ringern, Alemannen, Bayern sich wohl gegen den un-geliebten Karl behaupten können. Doch scheiterte dieostfränkische Invasion in dem Moment, als Ex-KönigPippin, den Karl vermutlich hatte entweichen lassen,auf der Bildfläche erschien. Denn zu Pippin stand dasVolk, zumindest dessen Majorität, und machte ihnabermals zum König. Er gewann einige LandstricheAquitaniens zurück, wurde indes, nach LudwigsAbzug, im nächsten Jahr (855) erneut von Karl ange-griffen, der seinen noch minderjährigen Sohn Karl dasKind Mitte Oktober in Limoges auch zum aquitani-schen Unterkönig erheben und durch die Bischöfe sal-

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4.299 Deschner Bd. 5, 139Karl der Kahle liquidiert seine Neffen

ben ließ. Die Aquitanier bekannten sich jedoch imJahr darauf wieder zu Pippin, der nun bei den Breto-nen und Normannen Hilfe suchte, doch 864 noch ein-mal in Karls Gewalt geriet. Und jetzt ließ der den»Verräter am Vaterland und am Christentum« zu»strengster Haft« ins Kloster Senlis, in das Reichsge-fängnis des Westens werfen, wo er wahrscheinlichbald umgekommen ist.28

Unterdessen hatte Ludwig der Deutsche ein Ange-bot des westfränkischen Adels, Karls Reich zu regie-ren, nicht nur 854 akzeptiert, sondern auch noch858/859. Und zumindest beim zweitenmal konntesich der bereits nach Burgund geflohene König bloßdank der entschiedenen Haltung der westfränkischenBischöfe um Hinkmar von Reims behaupten.

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4.300 Deschner Bd. 5, 140Ludwig der Deutsche attackiert das ...

Ludwig der Deutsche attackiert daswestfränkische Reich

Seit Aquitanien den rechtmäßigen Erben, den Königs-söhnen Pippin und Karl, entzogen worden war, standes dort besonders übel, gärte es an allen Ecken undEnden. Das Land wurde von Unruhen geschüttelt, undKarl der Kahle, einst von den Aquitaniern doch ge-wünscht, wurde immer unbeliebter, geradezu als Ty-rann, als feig und grausam zugleich empfunden. Alser 853 den Grafen Gozbert von Maine köpfen ließ,einen ihm bisher treu ergebenen Mann, machte er sichbei dessen einflußreicher Sippe und weithin beimAdel verhaßt, der zumindest teilweise mit Ludwigdem Deutschen sympathisierte. So gingen, wie dieostfränkischen Reichsannalen gerade seinerzeit mel-den, Gesandte der Aquitanier »König Ludwig häufigmit Bitten an, entweder selbst die Herrschaft über siezu übernehmen oder seinen Sohn zu schicken, um sievon König Karls Tyrannei (a Karli regis tyrannide) zubefreien, damit sie nicht etwa bei Reichsfremden undGlaubensfeinden unter Gefahr für die Christenheit dieHilfe suchen müßten, die sie bei rechtgläubigen undrechtmäßigen Herren nicht finden könnten«.29

Im Februar 854 vereinbarte Karl der Kahle mit Lo-thar in Lüttich ein wieder mal feierlich beschworenesKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.301 Deschner Bd. 5, 140Ludwig der Deutsche attackiert das ...

Sonderbündnis, das sich gegen Ludwig richtete, des-sen gleichnamiger Sohn, Ludwig der Jüngere, inzwi-schen in Aquitanien eingefallen war, bei Pippins Auf-tauchen aber fluchtartig das Land verlassen hatte.Doch schloß auch Ludwig der Deutsche jetzt ein Son-derbündnis mit Lothar, der gleichwohl, auf DrängenKarls, auch das Sonderbündnis mit diesem erneuerte.Und als Lothar, der als Witwer noch zwei Kebsen ausseinem Gesinde beglückte, tödlich erkrankte, koalier-ten, verlockt von der großen Beute und wie Aasgeierlauernd, nun die Brüder Ludwig und Karl.30

Kaiser Lothar I. war eine Woche vor seinem Tod indas Kloster Prüm eingetreten, als Mönch. Und bevorer dort am 29. September 855 »den sterblichen Men-schen auszog« und »das ewige Leben« begann, teilteer das Mittelreich unter seine Söhne (S. 198): den Äl-testen, Ludwig II., der Italien und die Kaiserkronebekam; Lothar II., der über die dann »Lotharingia«benannten Gebiete von der Rhone bis zur Nordsee-küste gebot; und den Jüngsten, Karl von der Pro-vence – insgesamt ein gewaltiger Besitz, den schließ-lich Karl der Kahle, Zug um Zug, kassierte.31

Wie nach Teilungen die Regel, brachen bald Riva-litäten aus; ja zeitweise schien es, als sollte Karl vonder Provence, ein Knabe noch, zum Geistlichen ge-schoren, sein Land aufgeteilt werden. Der entschlos-sene Widerstand der burgundischen Magnaten, die ein

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4.302 Deschner Bd. 5, 141Ludwig der Deutsche attackiert das ...

autonomes Land erstrebten, verhinderte dies.Indes formierten sich bald wieder feindliche Kon-

stellationen unter den älteren Brüdern.Lothar II. schloß am 1. März 856 in St. Quentin

ein förmliches Bündnis mit seinem Onkel Karl demKahlen, der sich wachsenden Schwierigkeiten gegen-über sah: brandschatzenden Normannen, siegreichenBretonen, aufrührerischen Aquitaniern, mit denen essogar die eigenen Großen hielten, fast alle Grafen sei-nes Landes, die im übrigen kaum minder plündertenund raubten als die normannischen Räuber, die856/857 u.a. wiederholt Paris in Brand steckten undganze Gegenden an der Loire mit Feuer und Schwertverheerten. Und nach dem Pakt Karls des Kahlen mitdem Neffen Lothar II. suchte und fand Ludwig derDeutsche einen Bundesgenossen in seinem NeffenKaiser Ludwig von Italien.

So standen die Karolinger wieder fest geschlosseneinander gegenüber. Und im Sommer 858, als Karlendlich einmal die Normannen auf der Seineinsel Ois-sel schon wochenlang eingeschlossen, als im OstenLudwig der Deutsche gerade drei Heere zum Bekämp-fen der Slawen vorgesehen hatte, der Mährer, derAbodriten, Lionen, Sorben, da baten ihn westfränki-sche Große, ein Graf Otto und der Abt Adalhard vonSt. Bertin, um eine bewaffnete Intervention im Reichseines Bruders, dessen Krone sie ihm offerierten. Sie

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4.303 Deschner Bd. 5, 142Ludwig der Deutsche attackiert das ...

verlangten die Beseitigung von Karls »Tyrannei«, daer »durch sein böswilliges Wüten zu Grunde richte«,was ihnen die von außen anstürmenden Heiden ebenübrig ließen; »im ganzen Volk sei niemand, der sei-nen Versprechungen oder Eidschwüren noch Glaubenschenke« (Annales Fuldenses).

Tatsächlich gehörte ein Großteil des westfränki-schen Adels zu dieser mächtigen Fronde; auch Robertder Tapfere, der Ahnherr der Kapetinger, Laienabt desKlosters Marmoutier bei Tours sowie von Saint Mar-tin in Tours. Karl hatte ihn 852 zum Grafen vonAnjou und der Touraine ernannt, nun wechselte er zuLudwig dem Deutschen über. Und dieser versprach,»gestützt auf die Reinheit seines Gewissens« (die sei-nesgleichen wohl oder übel immer hat), »mit GottesBeistand zu helfen«. Auf der anderen Seite warntezwar Hinkmar von Reims den König, daß er durchden Bruderkrieg »seiner Verdammung zuschreite«,und verhinderte den Abfall der Bischöfe. Doch Lud-wig drang »zur Befreiung des Volkes« im Sommerüber das Elsaß tief ins westfränkische Reich ein, woihm der Adel, treulos wie gewöhnlich, nur so zulief,darunter der dann reich belohnte Erzbischof Wenilovon Sens; ein Jahrzehnt früher hatte er seinen west-fränkischen Herrn in Orléans nach dessen Königs-wahl gesalbt und gekrönt!

Karl brach die Belagerung der Normannen ab, undKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.304 Deschner Bd. 5, 142Ludwig der Deutsche attackiert das ...

am 12. November lagen die Heere beider Brüder beiBrienne an der Aube einander gegenüber. Erst wollteKarl mit Ludwigs »Rat und Beistand und GottesHilfe, was Übles geschehen sei, bessern«. Dann for-derte er, gleichfalls vergeblich, von seinen Bischöfenden Kirchenbann über Ludwig. Zuletzt verließ er»heimlich mit wenigen« (cum paucis latenter) seinebereits zur Schlacht aufgestellte Truppe und floh nachBurgund, worauf sein Kriegsvolk zu Ludwig überlief.Und auch Lothar ließ jetzt, unter Bruch seiner Bünd-nispflicht, Karl im Stich und schloß sich dem kampf-losen Sieger an.

Ludwig, dem ein Großteil des westfränkischen Rei-ches so mühelos zufiel, verteilte an jene, die ihn geru-fen, großzügig honores und Land, ganze Grafschaf-ten, Klöster, königliche Güter und Allodien (einerechtliche Benennung für »Vollgüter«, den durchauseigenen Besitz), und begab sich über Reims nach St.Quentin, wo er, allzeit fromm, im Kloster des hl.Märtyrers Quintinus das Fest der Geburt des Herrnbeging.32

Der westfränkische Episkopat widersetzte sich al-lerdings dem Eindringling. Die Prälaten der Kirchen-provinzen Reims und Rouen – federführend Erzbi-schof Hinkmar selbst – redeten Ludwig ins Gewissenund beschuldigten ihn, größeres Elend verursacht zuhaben als die Heiden. Sie bedauerten die Not im Ge-

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4.305 Deschner Bd. 5, 143Ludwig der Deutsche attackiert das ...

folge des Krieges von Christen gegen Christen, wäh-rend es doch des Königs erste Pflicht gewesen sei, dasSchwert wider die verdammten Heiden zu schwingen!Und darüber hinaus die kirchlichen Rechte und Vor-rechte zu schützen!

Und da Ludwig, zu siegessicher, sein Heer vor-schnell nach Hause entlassen, auch die Meldung voneinem Sorbenaufstand erhalten hatte, da zudem imWesten die »Befreiung« schon bald mißfiel, dieSöhne des Welfengrafen Konrad zu Karl übergingen,ihn gegen den jetzt fast schutzlosen Bruder hetzten,floh dieser, »nachdem das ganze Reich zugrunde ge-richtet und in nichts gebessert war« (Annales Xanten-ses), Hals über Kopf nach Worms, während KarlsSieg in scheinbar schwieriger Situation seinen Auf-stieg geradezu begründete. Worauf Lothar abermalsdie Partei wechselte und bald nach Ludwigs Fluchtwieder zu dem gerade erst verratenen Karl überlief,indem er in Warq bei Mezières erneut einen Eid aufdas alte Bündnis leistete. Bis schließlich selbst Lud-wig und Karl im Juni 860 in der Burg Koblenz, wosich auch Lothar einfand, einander Frieden durcheinen feierlichen Eid garantierten, sogar, wie 842, inbeiden Sprachen – »nach dem Willen Gottes und zuder heiligen Kirche Bestand, Ehre und Verteidi-gung ...«, doch selbstverständlich auch »zum Wohleund Frieden des uns anvertrauten christlichen Vol-

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4.306 Deschner Bd. 5, 143Ludwig der Deutsche attackiert das ...

kes«, und nicht zuletzt »zur Erhaltung von Gesetz,Gerechtigkeit und Ordnung ...«33

Man lebte eben in gläubigen, zutiefst christlichenZeiten – wo etwa gerade erst »an sehr vielen Ortenblutroter Schnee gefallen war«; wo eben auch Liutbertvon Münster, »der selige Bischof«, das Kloster Frek-kenhorst mit »vielen Gliedmaßen« lauter heiligerMärtyrer und Bekenner füllte, ja, mit »einem Teil vonder Krippe des Herrn und von seinem Grab ...« Nichtgenug des Wunderbaren: man hatte »zugleich auchvon dem Staub seiner Füße, als er zum Himmel auf-stieg ...« Unmittelbar darauf lesen wir, daß die(christlichen) Könige bei Koblenz »alles im Umkreisverwüsteten«. Und gleich danach, König Lothar (II.)habe »seine rechtmäßige Gemahlin« verlassen, um es»öffentlich mit dem Kebsweib« zu treiben. UndKönig Ludwig habe »den gottlosen Hughard zumGrafen« gemacht. Es waren eben gläubige, zutiefstchristliche Zeiten. Der Chronist schließt seinen Jah-resbericht: »Es wäre nur verdrießlich, die Zwietrachtunserer Könige und das Unheil, das die Heiden überunsere Reiche brachten, zu erzählen.«34

Nun, erzählen wir einiges davon.

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4.307 Deschner Bd. 5, 144Die Slawen sickern ein ...

Die Slawen sickern ein ...

Die Slawen, die einige römische Gelehrte der frühenKaiserzeit (Plinius der Ältere, Tacitus, Ptolemaios)Venedi, die Deutschen dann Wenden nannten, be-zeichneten sich selbst nie so, sondern, wie seit dem10. Jahrhundert belegt, als Slowenen (Slověnin, Mz.Slověne). Der zuerst im frühen 6. Jahrhundert bezeug-te Slawenname Sklabēnōī harrt trotz vieler Mühenetymologisch noch der Erklärung. Dagegen steht diedavon abgeleitete, um Jahrhunderte jüngere Gleichset-zung von Sclavini, Sclavi (arab. s.aqāliba) mit slawi-schen Kriegsgefangenen, mit Sklaven, im Zusammen-hang mit dem in den (katholischen und islamischen)Mittelmeerländern, besonders in Spanien, herrschen-den Sklavenhandel. Und hier gibt es (im Unterschied,wie man meint, zum »innereuropäischen Frühmittelal-ter«) eine Kontinuität jener alten Sklaverei, die vonder Antike bis in die koloniale Sklaverei der Neuzeitreicht – und vielleicht gibt es diese Kontinuität jaüber die angedeutete Begrenzung hinaus.

Ist die slawische Ethnogenese bisher auch nur inUmrissen geklärt, behauptet die neueste Forschungdoch einigermaßen übereinstimmend, daß die ur-sprüngliche Heimat der Slawen »irgendwo nördlichder Karpaten« lag (Váňa): im Gebiet des mittleren

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4.308 Deschner Bd. 5, 145Die Slawen sickern ein ...

Dniepr, im Gebiet von Oder und Weichsel, zwischenOder, Weichsel und dem mittleren Dniepr, vielleichtin der westlichen Ukraine, in der Nähe der großenPripjetsümpfe. Später spalteten sich diese Slawen indrei Hauptströme. Die Ostslawen (Russen, Ukrainer,Weißruthenen) siedelten um den Dniepr; die Westsla-wen (Tschechen, Slowaken, Polen, Elb- und Ostsee-slawen) um Weichsel und Oder; die Südslawen (Ser-ben, Kroaten, Slowenen, Bulgaren) auf dem Balkan;ein Riesenraum, der sich zwischen Schwarzem Meer,Ostsee, Adria und Ägäis erstreckt.35

Im 5. und 6. Jahrhundert wurden Slawen von denKut(r)iguren, dann von den Awaren beherrscht. Diesehatten das westsibirische Flachland am Irtysch er-obert, 557 die oströmischen Grenzen erreicht, 561auch schon die Elbe. Nach der Abwanderung der Lan-gobarden unter König Alboin aus Pannonien undihrem Einfall 568 in Italien (IV 107 ff.) besetzten dieAwaren den mittleren Donauraum, nun das Zentrumihres ausgedehnten Reiches, dem Bulgaren und zahl-reiche Slawenstämme als Hilfsvölker dienten.

Seit der Mitte des 6. Jahrhunderts waren die westli-chen Slawen über die Weichsel in die – von den Ger-manen zur Völkerwanderungszeit zwar nicht überall,doch weithin entleerten – nordost- und mitteldeut-schen Räume langsam eingesickert und seit dem aus-gehenden 6. Jahrhundert bis Elbe, Saale, Naab und

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4.309 Deschner Bd. 5, 145Die Slawen sickern ein ...

Obermain vorgedrungen. Das heutige Oberfrankenwar größtenteils Slawenland. »Sie stahlen sich einwie Diebe«, schreibt der Theologe Albert Hauck;»man weiß nicht, wie und wann sie kamen ...«Schließlich siedelten sie in Ostholstein, im Hannöver-schen »Wendland« oder in Thüringen ebenso wie imböhmischen Kessel, in Kärnten, Osttirol, Steiermark,Krain, wo nach und nach die Völker der Polen, Wen-den, Tschechen, Slowaken, Mährern entstanden.36

Wie neue Grabungsfunde beweisen, geschah dasEindringen der Slawen von Südpolen über Böhmenund Mähren bis zum Balkan auf friedlichem Weg.Teilweise saßen dort noch germanische Bauern, teil-weise lag da, wie zwischen mittlerer Elbe und mittle-rer Oder Mitte des 6. Jahrhunderts, wüstes Gebiet.Eine byzantinische Quelle berichtet um 600, die Sla-wen hätten es ihren Gefangenen gewöhnlich überlas-sen, sich loszukaufen oder »frei und als Freunde« beiihnen zu bleiben. Kriegsuntüchtig, wie manchmal an-genommen, waren die Slawen nicht. Vielmehr verbes-serten sie allmählich ihre Ausrüstung, Kampfart undBefestigungen; zumal die Grenzslawen standen darinden westeuropäischen Völkern nicht nach.

Im 8. und 9. Jahrhundert wird der gesamte ostelbi-sche Raum von Slawen bewohnt. Sie finden sich aberauch von Ostholstein und Hamburg bis Nordostbay-ern in menschenreichen Landstrichen. Der Ackerbau

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4.310 Deschner Bd. 5, 146Die Slawen sickern ein ...

florierte, die Vieh- und Waldbienenzucht, das Hand-werk, der Handel, so daß ihnen »ein unübersehbarerAnteil an der Formierung der europäischen Zivilisati-on zukommt« (Fried). Sogar der Prozeß der »Volk-werdung« beginnt bei ihnen, wie bei den Germanen,früher als bei den Romanen, den Italienern, den Fran-zosen.

Im Norden siedelten die elbslawischen Stämme, dieObodriten von der Ostsee bis zur unteren Elbe, weiteröstlich die Liutizen (Wilzen), zwischen Elbe undSaale die Sorben und die Daleminzier. Die Tsche-chen, erst in späteren Jahrhunderten so genannt,wohnten in den böhmischen Gebirgen, die Mährerzum Teil im Tal der March, die Slowenen (Karanta-nen) und Südslawen an der Donau und ihren Neben-flüssen.

Im Ostalpenraum umfaßte das Siedlungsgebiet derAlpenslawen im 8. Jahrhundert etwa das heutigeKärnten, Krain, die Steiermark, Niederösterreich mitder Donau als Nordgrenze; ihr westlichstes Wohnge-biet war das heutige Osttirol, wo sie bis ins Pustertalkamen und fast bis zu den Quellen der Drau. Natür-lich saßen da und dort auch bayerische Bauern, gab essomit Mischsiedelzonen und, nach Kämpfen gegenEnde des 6. Jahrhunderts, ein friedliches Nebeneinan-der.

Am weitesten waren die Slawen im 7. JahrhundertKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.311 Deschner Bd. 5, 146Die Slawen sickern ein ...

in den Westen vorgedrungen, etwa bis zur LinieElbe – Saale – Böhmerwald. Und bis zum 8. Jahrhun-dert bestand ein relativ friedliches Verhältnis zwi-schen Elbslawen und Franken. Zumindest sind diezwischen Elbe/Saale und Oder, also auf später deut-schem Territorium (neuerdings auch »Germania Sla-vica« genannt) siedelnden Elbslawen – Sorben, Liuti-zen (oder Wilzen, slaw. Weletabi) und Obodriten –jahrhundertelang politisch und ökonomisch unabhän-gig.37

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4.312 Deschner Bd. 5, 147... und vom »Recht der Kulturvölker wider die ...

... und vom »Recht der Kulturvölker wider dieBarbarei«

Doch schon im 8. Jahrhundert beginnt, was über einJahrtausend später Droysen den Kampf mit jener»Wut und Grausamkeit« nennt, jenem »Haß gegen dieDeutschen, der slavisch ist bis auf den heutigen Tag«;beginnt, was für den sächsischen Generalssohn Treit-schke, für den deutschen Herrenstandpunkt, das»Recht der Kulturvölker wider die Barbarei« bedeu-tet; für Franz Lüdke 1936 »die in der Vergangenheitgewaltige Leistung unseres Volkes«. Kurz, es beginntdie bis ins 19. Jahrhundert dauernde deutsche »Ostko-lonisation«. Es ist dies ein steter Raumgewinn, dervor allem in drei mächtigen Schüben erfolgt: in derKarolingerzeit, als sich die Slawen bereits durch zahl-reiche Burgen jenseits der fränkischen Grenze zuschützen suchen, besonders unter Karl »dem Gro-ßen«, der 789 den ersten Kriegszug gegen die Wilzenund Havel-Spree-Stämme eröffnet sowie die westlichder Elbe sitzenden Sachsen und Thüringer unterwirft.Doch gibt es auch im folgenden Jahrhundert, zumalunter Ludwig dem Deutschen, an der Elbe-Saale-Linie mit Abodriten, Wenden, Sorben größere Kriege,u.a. 844, 846, 858, 862, 874.

Im Mittelteil der Slawengrenze stoßen, gleichfallsKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.313 Deschner Bd. 5, 147... und vom »Recht der Kulturvölker wider die ...

unter Karl I., fränkische Heere 805/806 nach Böhmenvor (IV 493 f.), das, schon seinerzeit dem fränkischenReich tributpflichtig, zu den »vorgelagerten Tributär-staaten« gehört. Und auch hier ist es wieder Ludwigder Deutsche, der überwiegend im südöstlichen »Vor-feld« Bayerns eine fortgesetzte militärische und kirch-liche Expansion betreibt, wobei er am 13. Januar 845in Regensburg 14 böhmische duces samt Gefolgschaft(cum hominibus suis) taufen lassen konnte, weil sie»nach der christlichen Religion verlangten«, schwer-lich aber nach fränkischer Oberherrschaft. Böhmen,seitdem zum Bistum Regensburg gerechnet, hatte sichzeitweise Großmähren angeschlossen, war jedochwieder dem »Deutschen Reich« unterworfen wor-den.38

Es kommt in dieser christlichen Welt kaum vor,daß man einmal irgendwo irgendwann nicht schlach-tet, und wird deshalb auch eigens vermerkt, wie 847in den »Annales Fuldenses«: »Dieses Jahr war freivon Kriegen.« Auch wenn die Christen einander nichtgegenseitig abstechen, staunen die Chronisten. Soheißt es in den »Xantener Jahrbüchern« 850: »Indemselben Jahr herrschte zwischen den beiden Brü-dern, Kaiser Lothar und König Ludwig, ein solcherFriede, daß sie sich im Eisling« – ein Teil des Arden-nengaus – »zusammen sehr viele Tage lang in gerin-ger Begleitung der Jagd widmeten, so daß sich viele

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4.314 Deschner Bd. 5, 148... und vom »Recht der Kulturvölker wider die ...

darüber wunderten« (ut multi hoc facto mirarentur);und in Frieden gingen sie auseinander.39

Ja, Friede, er erstaunt, ist rar, höchst ungewöhn-lich; nicht nur zwischen Christen und Heiden, geradeauch unter Christen. Und heute? Durch zweitausendJahre herrscht Krieg unter Christen. Herrschten nir-gends mehr Kriege auf der Welt! Und nirgends grö-ßere!

In den späteren vierziger Jahren war es zu wieder-holten Revolten der Böhmen gekommen, die »in ge-wohnter Weise« die Treue brachen. 848 und 849schickte Ludwig der Deutsche Heere gegen die Tsche-chen, wobei 849 auch mehrere Äbte mitzogen undman schwer geschlagen wurde. Die Franken mußtenGeiseln stellen, um überhaupt heimkehren zu können.

Die Historiker nennen vor allem Ludwigs Kriegeim Osten und Norden gern Befriedungsversuche,Grenzsicherungen, Festigungen, Konsolidierungen,Stabilisierungen, Integrierungen, Christianisierungen.Sie sprechen von einem nicht »rein« defensiven Mar-kengürtel, einem ungemein flexiblen Grenzsiche-rungssystem, einer sehr bewegten Außengrenze derchristlichen Welt von der Ostsee bis zur Adria, vonder Behauptung und dem Ausbau des durch die strate-gische Weitsicht Karls I. Errungenen etc.

Doch so schön wie sich die Sache anhört, war sienicht. Die unentwegten Heerfahrten über die Grenzen

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4.315 Deschner Bd. 5, 148... und vom »Recht der Kulturvölker wider die ...

hinweg sprechen da eine ebenso deutliche Sprachewie nicht wenige fränkische Grenzkastelle, die, zumalan strategischen Schlüsselpunkten, stets auch Ausfall-tore sind; im Norden gegen die Dänen etwa die FesteEsesfeld bei Itzehoe, im Osten an der Elbe Burg Höh-beck auf dem Hochufer gegenüber von Lenzen, oderMagdeburg, oder auch Halle an der Saale.40

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4.316 Deschner Bd. 5, 149Slawisches Wurmzeug und fränkisches ...

Slawisches Wurmzeug und fränkischesGottesvolk

Die Slawen waren Heiden und selbst in christlichenLändern wie Thüringen, Hessen, den ostfränkischenGauen länger »Ungläubige« geblieben als die sonsti-gen Bewohner. Ihre Kultur stand nachgewiesenerma-ßen höher als zeitweise und gelegentlich noch heuteangenommen. Wir haben – und nicht nur hierbei – zubedenken, daß die fränkisch-deutschen Berichte überdie Slawen lange Zeit hindurch, vom 7. bis zum 11.Jahrhundert, fast ausnahmslos von christlichen Prie-stern stammen, die zudem oft selbst nicht Augenzeu-gen waren, sondern häufig aus zweiter oder dritterHand schöpften. Und befand man sich, wie meist, mitden Slawen im Krieg, beschimpfte man sie. War manaber mit ihnen verbündet, wurden sie plötzlich gelobt,wobei man zuweilen noch betonte, daß sie dies »inbewunderswerter Weise verdienten«.

Differieren auch karolingische und ottonische Hi-storiographie in ihrer Beurteilung, herrscht doch seitlangem ein gewisser Volkshaß vor, falls nicht garErbfeindschaft besteht, nicht zuletzt aus religiösenGründen, aus dem Gegensatz von Heiden und Chri-sten, und das schon seit der Merowingerzeit. Späterverdammt man die Slawen gern pauschal. Je christli-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.317 Deschner Bd. 5, 150Slawisches Wurmzeug und fränkisches ...

cher die Welt wird, desto böser werden die andern.Sind ja überhaupt alle »Bösen«, das heißt von Gottabgewandten Menschen, alle »Ungläubigen« also,nach mittelalterlicher, von Augustin (I 503 u. 514 ff.)und von Papst Gregor »dem Großen« (IV 171 ff.) be-einflußter Ansicht, gentiles, infideles, pagani, kurz»Teufelsgenossen, die man mit allen Mitteln zu ver-nichten hat, wenn sie sich nicht zur Gottessache be-kehren« (Lubenow).

Slawen schienen den Christen nur als »Sklaven«tauglich – ein ja von »slavus« abgeleitetes Wort –oder reine Mordobjekte zu sein, Leute, die von from-men Katholiken etwa als »Wurmzeug« verhöhnt und»wie das Gras auf der Wiese gemäht« worden sind,Untermenschen eben, Tiere. »Was wollt ihr mir mitdiesen Kröten?«, läßt Mönch Notker von St. Galleneinen christlichen Recken bramarbasieren. »Siebenoder acht und sogar neun von ihnen pflegte ich aufmeine Lanze aufgespießt und irgend etwas brummendmit mir herumzuschleppen.« Die Slawen waren auchgrundfalsch, heimtückisch. »Die Wenden«, so nichtnur die »Jahrbücher von St. Bertin«, »wurden in ihrergewöhnlichen Treulosigkeit gegen Ludwig wortbrü-chig.« Hatte sie doch schon der hl. Bonifatius, der»Apostel der Deutschen«, »das abscheulichste undschlechteste Geschlecht der Menschen« (foedissimumet deterrimum genus hominum) geschimpft und sie so

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sehr verachtet, daß er in all seinen vom Missionie-rungswahn geprägten Briefen nie davon spricht, auchden Slawen zu predigen.41

Dagegen fühlten sich die Franken – die als Chri-sten doch hätten »von Herzen demütig« sein sollen,wie es Mt. 11,29 und analog an ungezählten Bibel-stellen heißt – als »erhabenes Volk«, als etwas ganzBesonderes. Schon der Prolog der bereits auf Chlod-wig I. zurückgehenden »Lex Salica« (das älteste west-germanische Volksrecht) zeigt dies drastisch: »Derberühmte Stamm der Franken, der von Gott selbst ge-schaffen wurde, mutig im Krieg und ausdauernd imFrieden, [...] von edler Gestalt und makellosem Glanzund außergewöhnlicher Schönheit, wagemutig,schnell und draufgängerisch, zum katholischen Glau-ben bekehrt und gegen jede Häresie gefeit [...]. Eslebe Christus, der die Franken liebt.«

Und nach Otfrid von Weißenburg (gest. nach 870),dem ersten namentlich bekannten deutschsprachigenDichter, einem puer oblatus und Theologen, gelegent-lich vielleicht an Ludwigs des Deutschen Hofkapelletätig, sind die Franken ein gottesfürchtiges Volk, istGott überall mit ihnen; alles, was sie denken und tun,denken und tun sie mit Gott, nichts unternehmen sieohne seinen Rat, und sie wollen sein Wort nicht nurlernen, singen, sondern auch erfüllen. Otfrids Zielaber war es, wie er einem Mainzer Metropoliten be-

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kennt, die mündliche heidnische Dichtung seiner Zeitzu verdrängen.42

Nach kirchlicher Anschauung mußte jeder christli-che Fürst die Heiden bekämpfen, im Lande und anden Grenzen. Ja, nach der herrschenden augustini-schen Lehre von der Ausbreitung des Reiches Gottesauf Erden hatte man den slawischen Osten überhauptzu gewinnen, zu »bekehren«. Nicht zufällig war Au-gustins magnum opus »Vom Gottesstaat« eine Lieb-lingslektüre Karls »des Großen« (vgl. I 503 ff.). UndKarl, die Karolinger, die fränkische Aristokratie nebstder übrigen grundbesitzenden Schicht, sie alle warendesto mehr an »Ausgriffen«, Raub, an Tributen imOsten interessiert, als die landwirtschaftliche Produk-tivität kärglich und die Aussicht auf Zuwachs anGrund und Boden im Landesinnern unbeträchtlich ge-wesen ist. Auch bildeten die Gebiete der Slawen stetsein Reservoir für Hilfstruppen und Sklaven.

Zwar sah der christliche Adel die Slawenmissionnicht immer mit ungemischter Freude, und natürlichaus einem höchst egoistischen Grund. Entfiel doch,zumal für die unmittelbar angrenzende, etwa für diebenachbarte sächsische Edelklasse mit der Annahmedes Christentums durch die Heiden ein Vorwand, siezu überfallen, zu unterjochen und zu berauben.»Wenn die Christianisierung der Slawen den kriegeri-schen sächsischen Feudaladligen auch nicht das völli-

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4.320 Deschner Bd. 5, 151Slawisches Wurmzeug und fränkisches ...

ge Versiegen einer wichtigen Einnahmequelle brach-te ..., so wurde den Sachsen die Ausplünderung ihrerNachbarn zumindest erschwert« (Donnert). Undselbstverständlich war deren Schröpfen den Christenallemal wichtiger als das Evangelium; ging es den ka-tholischen Fürsten zuerst um Macht, Habsucht, umMehrung ihres Grundbesitzes und ihrer Feudalrente –»wie denn«, sagt Abt Regino, »die Herzen der Königegierig und stets unersättlich sind«. Erzbischof Wil-helm von Mainz nannte Otto »des Großen«, seinesVaters Behauptung, es gehe um Ausbreitung desChristentums, eine Beschönigung. Und ganz unver-blümt heißt es dann in Helmholds Slawenchronik imHinblick auf Heinrich den Löwen: »Niemals war vomChristentum die Rede, sondern nur vom Gelde ...«

Doch geht es nicht bloß darum, »daß das Christen-tum jenseits von Elbe und Saale zuerst im Zusammen-hang mit kriegerischen Auseinandersetzungen Fuß ge-faßt hat« (Fleckenstein). Nein, die christliche Kirche,und zwar natürlich die deutsche Kirche, war auch eine»treibende Kraft« für diese ganze hochaggressive Ost-expansion, eine Kraft, der gleichfalls der Glaube vorallem ein Mittel zum Zweck war, eine Kraft, schreibtKosminski, die »auf den Zehnten, auf Güter und Leib-eigene Jagd machte und in der ›Bekehrung der Hei-den‹ eine höchst einträgliche Beschäftigung erblickte.Dabei half ihr auf energischste Weise das Papsttum,

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das einer der Hauptorganisatoren der Feldzüge nachdem Osten Europas war, da es hoffte, seine Einfluß-sphäre ausdehnen und seine Einkünfte erhöhen zukönnen.«

Aber gerade das ließ sich eben hervorragend mitHilfe der christlichen Missionspropaganda, mit dau-erndem Pallaver über »das Höhere« tarnen, den»Herrn« – zumal die Herren, die Bischöfe, die Äbte,ja nicht minder an diesen bereits als Kreuzzüge er-scheinenden Raub- und Eroberungsaktionen beteiligtwaren, von den Karolingern, wenn nicht schon Mero-wingern an über die Heerfahrten der sächsischen, sali-schen Kaiser bis in die Zeit der eigentlichen Kreuzzü-ge hinein.43

Es gab zwei Formen, die Slawen zu gewinnen.Einmal die selbständige kirchliche Mission, etwa

die von Bischof Ansgar, der in Dänemark und Schwe-den Knaben kaufte, um christliche Geistliche ausihnen zu machen; die Mission des Bischofs Adalbertvon Prag bei den Prussen im ausgehenden 10. oderdie des Günther von Magdeburg bei den Liutizen imfrühen 11. Jahrhundert.

Da diese individuellen Bekehrungsversuche so gutwie erfolglos waren, zog es die Kirche vor, die FroheBotschaft mittels der staatlichen Heere zu verbreiten,mit Feuer und Schwert oder auch durch Bestechung.Die Annahme des Christentums jedenfalls war für die

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4.322 Deschner Bd. 5, 152Slawisches Wurmzeug und fränkisches ...

Slawen »gleichbedeutend mit Sklaverei« (Herrmann)und um so eher vorauszusetzen, um so leichter mög-lich, je wirksamer die Waffen die Macht des Christen-gottes und die Ohnmacht der alten Götter erwiesen.44

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4.323 Deschner Bd. 5, 153In 400 Jahren 170 Kriege gegen die Slawen

In 400 Jahren 170 Kriege gegen die Slawen

Schon Pippin II. (gest. 714) hatte seine EroberungenWestfrieslands und Thüringens im engen Bündnis mitder römisch-katholischen Kirche unternommen, ihrLand in den annektierten Gebieten übertragen und so,wie heute Papst Wojtyla sagen würde, die »Evangeli-sierung« ermöglicht (IV 295 ff.).

In Karls grauenhaften Sachsenkriegen war es nichtanders. Rauben und Christianisieren gehörte einfachzu seiner Politik. Immer ging es mit christlichen Fah-nen nach Sachsen hinein, immer folgten der Pfaffeund sein »Segen« dem Militär und dessen Stoßlinien,immer wuchs aus dem Blut- das Taufbad hervor, ausdem Massenmord die Mission (IV 457 ff.). Und auchdie Auslöschung des Awarenreiches an der Ostflankedes fränkischen Imperiums, dieses gleichfalls rein an-nektionistische Großverbrechen Karls, wurde als hei-liger Krieg und mit Hilfe von Feldbischöfen betrie-ben. Überall wirkten auch hier Krieger und Klerikerzusammen, wurden die weiten, durch das Schwert ge-wonnenen Räume im Südosten dann besonders durchdas Patriarchat von Aquileja und das Erzbistum Salz-burg »bekehrt« (IV 485 ff.).

Nach der Vernichtung des awarischen Reichesfolgten ungezählte weitere Züge wider die dort woh-

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4.324 Deschner Bd. 5, 153In 400 Jahren 170 Kriege gegen die Slawen

nenden slawischen Völker, einige noch in der erstenHälfte, immer mehr aber seit der Mitte des 9. Jahr-hunderts. Die Felder wurden verwüstet, die Herdenvernichtet, viele Menschen getötet. Fast das ganzeLeben des älteren Sohnes von Ludwig dem Deut-schen, des 880 gestorbenen Karlmann, des Herrn überBayern, Kärnten, Pannonien, Böhmen und Mähren,war von Kriegen ausgefüllt. Und alle waren mit Mis-sion verbunden. Immer kam mit dem Schwert dasKreuz. Während man von Bayern, bevorzugt von Re-gensburg, der Zentralpfalz aus, Stück um Stück imSüdosten an sich riß, betrieben die bayerischen Präla-ten bei den unterjochten Slawen die Christianisierung.Der hohe Klerus begleitete aber auch die Truppen, jaführte diese manchmal an; so Bischof Otgar von Eich-stätt, der 857 an der Spitze eines Aufgebots in Böh-men Eroberungen machte; so 871/872 Bischof Arnvon Würzburg, der auch 892 dort einfiel und mit demgrößten Teil seines Haufens erschlagen wurde; so 872Bischof Liutbert von Mainz und Abt Sigehard vonFulda.45

Anfang des Jahres 874 weigerten sich die Sorbenund Susler an der thüringischen Grenze, den ihnenaufgezwungenen üblichen Zins zu zahlen. Daraufüberschritten Erzbischof Liutbert von Mainz und Ra-tolf, der Markgraf der Sorbenmark, mit einem Heerim Januar die Saale und schlugen durch Brand und

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4.325 Deschner Bd. 5, 154In 400 Jahren 170 Kriege gegen die Slawen

Plünderung die Erhebung der dortigen kleinen Grenz-völker nieder. Es war der letzte Slawenzug währendder Regierung Ludwigs des Deutschen. Doch schon877 wiederholte sich unter seinem gleichnamigenSohn eine ganz ähnliche Attacke gegen die Susler undihre Nachbarn; der König ließ sich »einige Geiselnund nicht wenige Geschenke geben und brachte sie indie alte Dienstbarkeit zurück«.46

Natürlich unterstützte die Kirche alle Söhne Lud-wigs des Deutschen dauernd, wie ja auch diesenselbst. Die geschundene, als bloße Arbeitssklavenmißbrauchte Masse speiste man mit Sündenvorwürfenab, mit plumpem Reliquienschwindel, sogenanntenBittprozessionen, je schlechter es ging, desto mehr;gerade etwa in den Jahren 873 und 874, als besondersgroßes Elend hereinbrach, wie freilich oft: Schnee-schmelze, Überschwemmungen, Hungersnot, Seu-chen, Heuschreckenschwärme, so daß man »kaum denHimmel wie durch ein Sieb sehen« konnte und ansehr vielen Orten »die Hirten der Kirche und dieganze Geistlichkeit ihnen mit den Reliquiarien undKreuzen entgegenzogen, unter Anrufung von GottesErbarmen«. Ja, »mit verschiedenen Plagen schlug derHerr beständig sein Volk und suchte heim mit derRute ihre Ungerechtigkeiten und mit Schlägen ihreMissetaten« (Annales Xantenses).

Der Herr über den Wolken schlug zu – nicht derKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.326 Deschner Bd. 5, 155In 400 Jahren 170 Kriege gegen die Slawen

Herr auf dem Pferd! Der liebe Himmelvater schlugbeständig zu. Und traf beständig. Auch die »FuldaerJahrbücher« sahen »das germanische Volk infolgeseiner Sünden nicht wenig getroffen«. »Sünden« und»Missetaten« waren da stets schuld – nicht die Natu-ralwirtschaft des Adels, sein blutsaugerisches Dauer-Ausbeuten. Es schien schicksalhaft, wie die Naturge-walten, die doch auch vor allem wieder jene ereilten,von denen der Volkskundler Jeggle schreibt: »Der ei-gene Körper kannte keinen Genuß, nur Arbeit, dieFrau und die Kinder waren ebenfalls bloße Arbeits-mittel. Sozialisation war nichts als Eingewöhnung indiesen Arbeitsprozeß ... Die Arbeit definierte den Ta-gesablauf, die Jahresphasen, die Lebensabschnitte ...Arbeiten und Leben fiel zusammen«. Fast ein Drittelder Bevölkerung des ost- und westfränkischen Rei-ches kam damals um. Noch im folgenden Sommer rißein Regenhochwasser allein in Eschborn (westlichvon Frankfurt) 88 Menschen in den Tod. Selbst »dieDorfkirche wurde samt ihrem Altar vernichtet, so daßsie denen, welche sie eben noch sahen, keine Spurihrer Erbauung ließ« – und alles natürlich »als Folgeunserer Sünden« (Annales Fuldenses).47

Wie unter den Karolingern kooperierten Staat undKirche bei den Vorstößen der Ottonen, der Saliergegen die Elbslawen, der polnischen Herzöge gegendie Pommern, bei den Missionsunternehmen des Erz-

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4.327 Deschner Bd. 5, 155In 400 Jahren 170 Kriege gegen die Slawen

bistums Bremen-Hamburg. Immer ist da das »Ideelleund Religiöse ... sehr verschlungen ... mit weltlichenMotiven« (Bünding-Naujoks); ist die Ausweitung deschristlichen Reiches jenseits der deutschen Ost- undNordgrenzen »stets ein gemeinsames Werk der Kircheund des Staates, der Predigt und der Nötigung gewe-sen; die Arbeit des lehrenden und taufenden Priestersfolgte der kriegerischen Eroberung oder geschah nacherfolgter Zulassung« (Bauer).

Man hat errechnet, daß die katholischen Frankenund Sachsen in einem Zeitraum von nicht ganz 400Jahren, vom Zug nämlich Karls »des Großen« zu denLiutizen 789 bis zu Friedrich Barbarossas und Hein-richs des Löwen Überfall auf Polen 1157, gegen dieSlawen 170 Kriege führten! 20 davon endeten miteinem Fiasko für die kaiserlichen Truppen, kaum einDrittel soll für sie erfolgreich gewesen sein.

In den ersten frühmittelalterlichen Jahrhundertenkannten die Slawen kaum ein gesamtslawisches, alldie vielen Stämme, Kleinstämme, die »civitates« ver-bindendes Gemeinschaftsbewußtsein. Doch ändertesich ihre politische und soziale Struktur beträchtlich,wuchs die Macht der Stammesfürsten wie der Stam-mesaristokratie, kam es allmählich zur Konsolidie-rung von Stammesstaaten.48

Auch gab es im 7. und 8. Jahrhundert schon slawi-sche Fürstentümer. Einem solchen Verband stand

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4.328 Deschner Bd. 5, 156In 400 Jahren 170 Kriege gegen die Slawen

etwa der »Herzog« (dux) Dervanus der Sorben vor,der sich nach 632 dem fränkischen Kaufmann Samo,dem Begründer des ersten Slawenreiches (620–658)überhaupt, anschloß, nachdem dieser in der dreitägi-gen Schlacht bei Wogastisburg (an der Eger) den Me-rowingerkönig Dagobert I. katastrophal geschlagenhatte (IV 236). Und um 740 bildete sich in den Ostal-pen bei den Karantaner Slawen ein Herzogtum, des-sen christenfreundlicher dux Boruth den Bayernher-zog Odilo gegen die Awaren zu Hilfe rief, kurz bevordiesen selber Pippin III., sein Schwager, durch eineheimtückische nächtliche Attacke auf das schlafendeBayernheer besiegte (IV 328 f.).

Im 9. Jahrhundert aber entstand auf slawischerSeite das Großmährische Reich, und im 10. entwik-kelten sich zwei weitere größere Slawen-Staaten: erstBöhmen, unter dem tschechischen Fürstenhaus derPremsliden, dann Polen unter den Piasten.

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4.329 Deschner Bd. 5, 156Großmähren

Großmähren

Eine besondere Bedeutung bekamen für die Ostfran-ken die »Mährer«. Im frühen 9. Jahrhundert aus ver-schiedenen Kleinstämmen hervorgegangen, werdensie von einer fränkischen Quelle erstmals 822 ge-nannt. Der Reichsannalist notiert damals, der Kaiserhabe auf dem Tag in Frankfurt von allen Ostslaven –er nennt Abodriten, Sorben, Wiltzen, Böhmen, Awa-ren, Prädenecenter (eine östliche Abodritengruppe imGau Branitschewo) und eben auch die Mährer (Mar-vanorum) – »Gesandtschaften mit Geschenken« (cummuneribus) empfangen. Und diese »Geschenke«waren natürlich keine Liebesgaben, sondern all denVölkerschaften aufgezwungene, von ihnen als drük-kend und schändlich empfundene Lasten.49

Seinerzeit hatten sich aus einigen slawischenKleinstämmen zwei miteinander rivalisierende Für-stentümer gebildet, eines im Tal der March, von Moj-mír I. (830–846) geführt, das andere in Nitra, dersüdwestlichen Slowakei, mit dem Fürsten Pribina ander Spitze. Dieser ließ, wiewohl noch Heide, 827/828durch den Salzburger Erzbischof Adalram die ersteKirche auf seinem Gebiet zu Neutra weihen, wurdeaber 833 von Mojmír, dem ersten in den Quellen er-wähnten Herrscher des Großmährischen Reiches, ver-

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4.330 Deschner Bd. 5, 157Großmähren

trieben. Der Ahnherr der Mojmiriden-Dynastie annek-tierte Pribinas Territorium und gebot, zunächst nochohne offene Auseinandersetzungen mit Ostfranken,fortan über beide Fürstentümer, während Pribina 834in das bayerische Ostland floh und auf Befehl Lud-wigs des Deutschen Christ wurde. Später fungierte erals fränkischer Vasall in Unterpannonien, im Raumum den Plattensee, wo sich bald mit Salzburger Hilfezahlreiche Kirchen erhoben, Salzburger Missionareauftauchten, bayerische Bauern, vor allem aber baye-rische Stiftskirchen und Klöster zu Grundbesitzkamen: Altaich, St. Emmeram, Freising, kurz, dieSalzburger Mission wurde im Fürstentum Pribinas»besonders erfolgreich« (Prinz) – Pribina freilichwurde um 860 von den Mährern erschlagen.

Der Name »Mähren« (Moravia) kommt von derMarch (Morava), einem linken, bereits von Tacitusals »Marus« (mar, mor, »Sumpf«) erwähnten Neben-fluß der Donau. Der Name Großmähren geht auf Con-stantin porphyrogenitus, De administrando imperio,zurück und bürgerte sich in der neueren Forschungziemlich ein; manche ziehen aber die Bezeichnung»Altmähren« vor. Jedenfalls war dieser Staat, der denKern des Samos-Reiches gebildet, auch Kontakte zuden Awaren hatte, ein im 9. Jahrhundert zwischenBöhmerwald und der Gran entstandenes Großreich,der älteste Stammesstaat der Westslawen und damals

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4.331 Deschner Bd. 5, 157Großmähren

einer der größten, mächtigsten Staaten Europas, zu-gleich ein Mittelpunkt des zentraleuropäischen Han-dels; er umfaßte Böhmen, Mähren, die Slowakei, dieLausitz sowie die Gebiete der Obodriten.50

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4.332 Deschner Bd. 5, 158Die Ludwig-Sippe

Die Ludwig-Sippe: Milde Arbeit unterm Kreuzund »des Schwertes blutiges Schaffen«

Nur lose vom Frankenreich abhängig, war Großmäh-ren zunächst weder frankenfreundlich noch christlich,stand jedoch immer wieder unter dem militärischenZugriff des ostfränkischen Reiches und dem missiona-rischen der ostfränkischen Kirche (Passaus nach Mäh-ren, Regensburgs nach Böhmen). Gelegentlich aberexpandierte es auch auf Kosten seiner Gegner, wobeizu den heftigen kriegerischen Konflikten noch der kir-chenpolitische Gegensatz kam zwischen dem römi-schen Bischof und dem Patriarchen von Konstantino-pel, ja, kurzfristig sogar zwischen Papst und ostfrän-kischem Episkopat.51

Das Christentum war spätestens um die Wendezum 9. Jahrhundert in Mähren eingedrungen, wo eseinige Jahrzehnte darauf auch Steinkirchen gab. Gra-bungen in Mikulčice, der Metropole des Großmähri-schen Reiches, haben im Innern einer gewaltigen, ausdieser Zeit stammenden Festungsanlage von 6 Hektarallein fünf Kirchen freigelegt. Und auf dem Geländeder rund 100 Hektar umfassenden Vorburg erhobensich wenigstens fünf Kirchen innerhalb der befestig-ten Areale von Adelshöfen.

Selbstverständlich erwehrten sich die Slawen mitKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.333 Deschner Bd. 5, 159Die Ludwig-Sippe

Gewalt der ihnen drohenden Religion und der feuda-len Unterdrückung, wobei ihr Widerstand eher wuchs,die Kriege immer härter, grausamer wurden. Das tat-sächliche Ziel war: Machterweiterung und Ausbeu-tung, die »Kolonisationsarbeit«. Man wollte die Sla-wen abhängig machen und in Zinspflicht nehmen. Die»Christianisierung« diente mehr oder weniger alsVorwand, als Bemäntelung. »Die milde Arbeit unterdem Banner des Kreuzes sollte des Schwertes blutigesSchaffen veredeln. Die bayerische Kirche war zu die-sem hohen Ziele besonders befähigt ...« (Aufhauser).

Die entscheidende kirchliche Eskalation ging dabeivon Regensburg aus, von dessen Königspfalz und Bi-schofssitz (wo man böhmische Prinzen und Herren alsGeiseln hielt) und vom Regensburger Domkloster.

Bereits vor 833 operiert der fränkische Grenzkom-mandant (Präfekt) Radbod bis zum Plattensee. 852konstatiert die Synode von Mainz noch »ein rohesChristentum beim Mährervolk« – doch wo war dasChristentum, politisch gesehen, seit Konstantin »demGroßen« nicht roh? In der zweiten Hälfte des 9. Jahr-hunderts wird die neue Religion schon zu einem»ideologischen Eckpfeiler« (Nový) des großmähri-schen Staates; was ein anonymer Hagiograph dezentso umschreibt: »Auch das mährische Reich begannimmer mehr seine Gebiete zu erweitern und seineFeinde zu besiegen ...« Im beginnenden 10. Jahrhun-

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4.334 Deschner Bd. 5, 159Die Ludwig-Sippe

dert gehört ganz Böhmen zur Diözese Regensburg;973 wird Prag Bischofssitz und dem ErzbistumMainz unterstellt. Bis ins Hochmittelalter hinein aberwollen viele Slawen von christlichen Priestern nichtswissen. Und noch im 14. Jahrhundert wenden sichPrager Synoden gegen die mannigfaltigsten heidni-schen Bräuche.

Unter Mojmír umschloß das Großmährische ReichMähren und die Slowakei; doch hat es anscheinenddie Oberhoheit des mächtigen Nachbarn anerkannt,wenngleich in den vierziger Jahren die pagane Parteistets von neuem gegen das Christentum ihr Haupterhob, besonders auch gegen den engen Anschluß anBayern, wozu man Mähren zeitweise zwang. Über-haupt wurde Ludwig seit 843, seit der Vertrag vonVerdun (S. 122 ff.) seine Herrschaft stärkte, im Ostenwieder deutlich aktiver.

Beim Tod Mojmírs rebellierten die Mährer, dieLudwig – der schon 844/846 zumal die Wenden an-gegriffen, »alle Könige jener Länder durch Gewaltoder in Güte« (Annales Bertiniani) unterjocht undeinen Fürsten getötet hatte – immer wieder bekämpf-te. Dabei mochte es ihn ermutigen, daß damals ausdem von Mähren bedrängten Böhmen 14 duces in Re-gensburg erschienen und sich taufen ließen. Jedenfallsmarschierte er im August 846 ein, setzte Mojmír abund übertrug zur Festigung seiner Oberhoheit Mäh-

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4.335 Deschner Bd. 5, 160Die Ludwig-Sippe

rens Führung Rastislav (846–870), Mojmírs Neffen.Und der, vermutlich Christ geworden, mußte nundeutsche und italienische Missionare aufnehmen.

So schuf Ludwig »Ordnung«, melden die AnnalesFuldenses, und »regelte die Verhältnisse, wie es ihmbeliebte ... Von da kehrte er durch Böhmen heim mitgroßer Schwierigkeit und bedeutendem Verlust seinesHeeres.« Das liest sich kurz, klischee-, fast formel-haft – wer sieht da Menschen leibhaftig am Weg kre-pieren ...?

Es folgen weitere Züge Ludwigs nach Böhmen,wobei sich erstmals sein zweiter Sohn, Ludwig derJüngere, hervortut. Ab bove majori discit ... Und bis850 dauern die Einfälle fort: 848 etwa, als man, dader König krank lag, »nicht wenige Grafen und Äbte«samt ihren »zahlreichen« Truppen losschickte und»mit den Feinden, die sich um Frieden bemühten,Krieg anfing«, indes »schmählich besiegt« worden ist,wie die eigenen Chronisten einräumen. Viele Frankenfielen – die »Fuldaer Jahrbücher« sprechen von einem»beständigem Blutbad«. Und die übrigen »zogen sehrgedemütigt in ihr Vaterland heim. Die Heidenschaftaber schädigte vom Norden her nach Gewohnheit dieChristenheit und sie wuchs mehr und mehr an Stärke,aber das ausführlicher zu erzählen, würde Überdrußerregen« (Annales Xantenses).52

Die Christenheit freilich drangsalierte, wie so häu-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.336 Deschner Bd. 5, 160Die Ludwig-Sippe

fig, gerade eine schwere Hungersnot. Der einstigeFuldaer Abt, der Mainzer Metropolit Hrabanus Mau-rus, soll seinerzeit mehr als 300 Arme gespeist haben,behaupten jedenfalls die Fuldaer Annalen und erzäh-len u.a.: »Es kam auch eine fast verhungerte Frau miteinem kleinen Kind zu ihm und wollte von ihm wie-der belebt werden, doch ehe sie die Türschwelle über-schritt, stürzte sie vor allzu großer Schwäche zusam-men und hauchte den Geist aus. Und als der Knabedie Brust der toten Mutter, als wenn sie noch lebte,aus dem Kleid zog und zu saugen versuchte, brachteer viele, die es mit ansahen, dahin zu seufzen und zuweinen.«

Dies berichtet der Annalist zum Jahr des Herrn850. Im nächsten schreibt er, daß König Ludwig wie-der einmal die Sorben »schwer bedrängte und nachVernichtung der Feldfrüchte und Wegnahme allerHoffnung auf Ernte mehr durch Hunger als durch dasSchwert bändigte«.53

Anno 852, als schon eine neue Hungersnot begann,insistiert eine große, vom König nach Mainz berufe-ne, unter Hraban tagende Synode u.a. natürlich aufKirchengut und Zehnten (gestattet jedoch das Konku-binat Unverheirateter, da es dem Monogamiegebotnicht widerspreche!). Die Mährer aber sind nach demKonzil notdürftig zum Christentum bekehrt.

Fürst Rastislav allerdings wollte auf Dauer durch-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.337 Deschner Bd. 5, 161Die Ludwig-Sippe

aus kein unterwürfiger Vasall, wollte nicht stets Be-fehlsempfänger des Frankenkönigs sein. Vielmehrsuchte er dessen Oberhoheit wieder abzuschütteln. Ja,er, den Ludwig der Deutsche als Herzog eingesetzt,entpuppte sich als Hauptgegner des Bayerischen Rei-ches. Und so äußern die »Annales Bertiniani« zumSchluß ihres Jahresberichts 855 etwas lakonisch:»Ludwig, der König der Germanen, wurde durch häu-figen Abfall der Slawen belästigt.«54

Und die andere Seite?Schon im Frühjahr dieses Jahres drang man wieder

dort ein. Etwa zur Zeit, als Mainz zwanzig Erdstößeerschütterten und viele Häuser verbrannten, als selbstdie Kirche des hl. Märtyrers Kilian vom Blitz oder, sodie Fuldaer Jahrbücher, vom »himmlischen Feuer«getroffen, in Flammen aufging (ausgerechnet »wäh-rend der Klerus die Vesperlieder sang«) und bald dar-auf ein schreckliches Unwetter sogar die Kirchenmau-ern »von Grund aus« zerstörte, noch im Frühjahr 855rückt eine starke Streitmacht Ludwigs gegen Rasti-slav vor, wobei mehrere Bischöfe an der Spitze einesbayerischen Aufgebots fechten, allerdings vergeblich.Und im Sommer kommt Ludwig selber nach Mähren,freilich auch er »mit wenig Erfolg«, »ohne Sieg«.»Doch suchte sein Heer einen großen Teil der Provinzmit Raub und Brand heim und rieb eine nicht geringeAnzahl Feinde, als diese in des Königs Lager eindrin-

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4.338 Deschner Bd. 5, 162Die Ludwig-Sippe

gen wollten, vollständig auf.« Rastislav hatte sich ineine starke Verschanzung zurückgezogen, die Ludwignicht anzugreifen wagte, angeblich um seine Truppenzu schonen (die bekannte Feldherrn-Sensitivität!).Und als er sieglos abmarschiert, plündert Rastislavseinerseits die bayerischen Grenzgebiete.

Anno 856 aber kämpft der König bereits wieder imOsten, wobei er einen großen Teil seines Kriegsvolksverliert. Man hatte im August »mit gesammelter Hee-resmacht« erst die Daleminzier blutig niedergezwun-gen, von da aus »das Land der Böhmen« durchstreiftund eben hierbei mehrere bayerische Grafen samtzahlreichen Truppen eingebüßt. Doch schon im fol-genden Jahr operiert man abermals auf böhmischemGebiet. Es ist das Jahr, in dem ein Blitz »wie ein feu-riger Drache« jetzt die Kölner Peterskirche zerreißt,dazu zwei Kleriker und einen Laien (jeden präzisneben einem Altar: des hl. Petrus, des hl. Dionysius,der hl. Maria) und sechs weitere Beter »halbtot« nie-derstreckt, die jedoch »kaum genasen« (Annales Ful-denses) – schon 857 überfällt Bischof Otgar vonEichstätt mit anderen Großen Böhmen erneut. Und858 kommt Ludwigs ältester Sohn Karlmann, wäh-rend gleichzeitig ein zweites Heer die Sorben angreiftsowie ein drittes unter Ludwigs gleichnamigem jünge-rem Sohn die Obodriten, gegen die er mit diesem auch862 zieht, ohne etwas auszurichten, außer daß er ein-

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mal mehr »einige seiner Großen verlor« (AnnalesBertiniani).55

Im August 864 überschritt »der Deutsche« dannwieder mal die Donau »mit starker Mannschaft«, be-lagerte Rastislav in Dowina und erzwang von ihmund seinen Edlen Eide sowie »Geiseln nach Art undZahl wie der König es befahl« (Annales Fuldenses).Anno domini 869 aber, nachdem die Slawen sich vonder Donau bis zur mittleren Elbe gegen ihre Bedrük-ker erhoben und bayerisches sowie thüringisches Ge-biet verwüstet hatten, da rückten die Franken gleichwieder mit drei Heeren unter den Söhnen des plötz-lich erkrankten Ludwig nach Osten: der Gleichnamigemit Thüringern und Sachsen gegen die Sorben, Karl-mann mit den Bayern gegen Svatopluk (Zwentibald),den Neffen des Rastislav, und der jüngste Sohn Karlmit Franken und Alemannen gegen Rastislav selbst.

Der kranke König empfahl »den Ausgang derSache dem Herrn«, und so konnte es denn an nichtsfehlen. Karl attackierte mit der ihm anvertrautenTruppe den verschanzten Mährerfürsten, und dort,melden die »Fuldaer Jahrbücher«, »brannte er aufGottes Hilfe vertrauend alle Häuser jener Gegend nie-der; was in den Wäldern versteckt oder auf den Fel-dern vergraben war, fand er mit den Seinigen undraubte es, und verjagte oder tötete alle, die mit ihmzusammenstießen. Ebenso verwüstete Karlmann mit

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Feuer und Schwert das Reich des Zwentibald, desNeffen des Rastiz; und nach Verwüstung des ganzenLandes kamen die Brüder Karl und Karlmann zusam-men mit gegenseitigen Glückwünschen über den vomHimmel verliehenen Sieg.«

Auch der Jüngste aber, Ludwig, hatte inzwischenin zwei Schlachten die Sorben geschlagen, ihre ge-kauften böhmischen Hilfsvölker teils niedergemacht,teils verjagt, und so kehrte alles mit reicher Beute zu-rück. Ein glückliches Jahr für die Ostfranken, für-wahr, zumal eben seinerzeit auch Gundacar, ein offen-bar besonders treuloser Vasall des (ja auch treulosen)Karlmann, wie gemeldet, gefallen war. So hieß dennnach der erhebenden Botschaft König Ludwig »allegemeinsam den Herrn loben für den Untergang desvernichteten Feindes, unter dem Geläut aller Kirchen-glocken in Regensburg ...«56

Immerhin konnte Rastislav längere Zeit ostfränki-sche Angriffe erfolgreich abwehren, da er bereits übermächtige, quellenmäßig und archäologisch nachge-wiesene Burgzentren verfügte. Diese Stabilisierungentzog Großmähren indes nicht nur dem fränkischenReich, sondern auch der fränkischen Reichskirche,deren Bischöfe und Äbte doch häufig selbst an derSpitze ihrer Soldateska im Osten fochten: 857 Bi-schof Otgar von Eichstätt, 871 Bischof Arn vonWürzburg, 872 Bischof Arn von Würzburg, Bischof

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Liutbert von Mainz und Abt Sigehard von Fulda, 892wieder Arn von Würzburg.

Freilich war dem Mährer klar, daß militärischesGlück allein ihn auf die Dauer vor dem starken Nach-barn nicht retten konnte, da sein Land ja eben auch inden Fängen der fränkisch-bayerischen Kirche hing. Ererkannte, daß ihm das Abschütteln westlicher Ober-hoheit nicht ohne die kirchliche Befreiung gelang. Sonutzte er geschickt das geopolitische Kräftespiel imDonauraum und auf dem Balkan, wo neben Ostfran-ken und dem sehr hegemoniebewußten Byzanz jaauch der gleichfalls aggressive bulgarische Khanatagierte.

Während aber Ludwig der Deutsche bei seinen At-tacken auf Rastislav sogar mit Bulgaren sich verband,deren Khan auch fränkische Missionare erbat (S.221), stritt Rastislav abwechselnd im Bund mitTschechen, Sorben, fränkischen Grafen, ja, 858 mitLudwigs Sohn Karlmann.

Macht erstrebt offenbar meist mehr Macht, politi-sche, wirtschaftliche, religiöse, vielleicht jede Macht.So wurden seinerzeit auch die ostfränkischen Grenz-grafen immer wieder zum Aufruhr verleitet, unterihnen der wohl mächtigste der Ostmark, Präfekt GrafRadbod, durch zwei Jahrzehnte dort die eigentlich be-herrschende Figur. Er stand gleich neben dem GrafenErnst, der sich jedoch auch erhob, wie noch so man-

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cher Grenzgraf seinerzeit. Und wahrscheinlich im Zu-sammenhang mit seiner Empörung 854 gab KönigLudwig 856 die Ostmark, die »marca orientalis«, jetzterstmals so genannt, seinem Sohn Karlmann.57

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4.343 Deschner Bd. 5, 164...und wieder katholische Söhne gegen den ...

...und wieder katholische Söhne gegen denkatholischen Vater ...

Obwohl diese Söhne eines gut katholischen Vatersselbstverständlich alle gut katholisch erzogen und allevon hohen katholischen Geistlichen umgeben warenund vermutlich auch alle das Vierte Gebot kannten:Du sollst Vater und Mutter ehren, standen alle, undnicht nur einmal, gegen den Vater auf. DynastischeKämpfe im Frankenreich hatten freilich eine großeTradition. Und gerade Ludwig der Deutsche dürfte daimmer wieder an die eigene rebellische Jugend erin-nert worden sein ...

Zunächst erhob sich anno 861 der Älteste, der etwadreißigjährige Karlmann (um 830–880), Herrscherüber Bayern und Kärnten – wie Regino von Prüm, deretwas jüngere Zeitgenosse, ihm bescheinigt, nicht nur»sehr vortrefflich« und »der christlichen Religion er-geben«, sondern auch »friedliebend«; was immer AbtRegino darunter verstanden haben mag. Denn nurzwei Zeilen später rühmt er ihn mit der ganzen Un-schuld seiner Religion und seines geistlichen Standesauch: »sehr viele Kriege führte er zusammen mit sei-nem Vater und noch mehr ohne ihn in den Reichender Slaven und stets trug er den Triumph des Siegesdavon; die Grenzen seines Reiches mehrte und erwei-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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terte er mit dem Schwert ...« Doch wird es sich, wiemeist in solchen Fällen, schlicht so verhalten: geradeweil Karlmann friedliebend war, mußte er so vieleKriege führen, mußte er mit dem Schwert des ReichesGrenzen mehren und erweitern und, wiewohl »mild«zu den Seinen, »den Feinden furchtbar« (terribilis)sein.

Wie auch immer, Karlmann, »in der Ordnung derReichsangelegenheiten ungemein tüchtig« (Regino),hatte, gierig offenbar von Anfang an nach Macht,nicht nur wiederholt die fränkischen Grafen im Ost-land bekämpft, sondern auch seinen Aufstand wohlvorbereitet, hatte, friedliebend, wie er nun einmal war,858 mit Rastislav von Mähren, dem Landesfeind,Frieden geschlossen, um Krieg gegen den eigenenVater zu führen. Und mit Hilfe des Mährers bemäch-tigte er sich »eines großen Teils des väterlichen Rei-ches bis zum Inn« (Annales Bertiniani).

Dabei unterstützte ihn sein Schwiegervater, dermächtige Graf Ernst, »der erste unter den Adligen«,»der erste unter den Freunden des Königs«, nebst sei-nem gesamten Anhang, etlichen weiteren Grafen unddem Abt Waldo. Auch Graf Ernst hatte früher in Böh-men gekämpft, hatte dorthin 849 einen ostfränkisch-bayerischen Heerbann geführt, und 855 wird er wie-der als »ductor« der gegen die Böhmen ziehendenKrieger genannt. Jetzt aber verlor Graf Ernst wohl

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wegen seiner »Untreue« seine Lehen. Ebenso entsetz-te Ludwig die gräflichen Brüder Uto und Berengarsowie ihren Bruder Abt Waldo, die zu Karl dem Kah-len gingen. Und dem Slawenfürsten Pribina kosteteKarlmanns Bund mit Rastislav das Leben. Der Prinzopferte ihn dem Mährer; Nachfolger in Pribinas Für-stentum am Plattensee wurde sein Sohn Kozel.

Karlmann selbst aber, der mit Rastislavs Beistanddem Vater einen großen Teil seines Reiches genom-men hatte, bekam nach seiner Unterwerfung diesenReichsteil wieder, mußte jedoch dem Senior 862. inRegensburg einen Sicherheitseid leisten. Er schwurihm, »gegen dessen rechtmäßige Gewalt fernerhinnichts in böswilliger Absicht zu unternehmen«, küm-merte sich indes – der offiziöse Bericht bleibt etwasunklar – wenig darum, sodaß Ludwig 863 mit einemHeer gegen ihn zog, »um seinen Sohn zu bezwingen«(Annales Fuldenses). Dabei wurde dieser von seinenbesten Truppen unter Graf Gunakar verraten. Der öff-nete nämlich dem König durch die Preisgabe derSchwarzafurt am Semmering die Zugänge nach Ka-rantanien (Kärnten), und so bekam der Verräter desVerräters diese Markgrafschaft.

Karlmann gelobte wieder eidlich Unterwerfung,blieb mehr als ein Jahr in Regensburg in »freierHaft«, aus der er jedoch 864 erneut entfloh, worauf erabermals abtrünnig wurde, bis er sich endgültig mit

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dem Vater versöhnte. Er lieferte ihm anfangs der870er Jahre sogar den »König der Mähren« aus, undLudwig der Deutsche ließ den später sehr christlichblenden und in einem Kloster verschwinden (S.228)58

Verrat war in diesen hochgeborenen katholischenKreisen so macht- wie karrierefördernd und darumselbstverständlich. Man sieht das auch gleich wiederan Karlmanns höchstem politischem Würdenträger,seinem Erzkaplan und Erzkanzler, dem ErzbischofThietmar von Salzburg (874–907). »Auf Thietmarstützte Karlmann seine politischen Pläne« (Schur).Beim Komplott aber der bayerischen Großen, ein-schließlich der Bischöfe, vor allem gegen KarlmannsSohn Arnulf, ging Erzbischof Thietmar 879, noch zuLebzeiten des schwerkranken Karlmann, zu LudwigIII. über.

Diesem zweiten Sohn Ludwigs des Deutschen,Prinz Ludwig (III. dem Jüngeren, um 835–882), un-terstanden Ostfranken, Sachsen und Thüringen. Nacheinem frühen Abfall hatte er sich schon 862 »mit denschwersten Eiden« (districtissimis sacramentis) ver-pflichtet, »seinem Vater künftig treu zu bleiben« (An-nales Bertiniani), wofür er mit einer Grafschaft undder Abtei des hl. Crispin belohnt worden ist. Dann je-doch zettelte der jüngere Ludwig gleich drei Auf-stände wider den Vater an: 866, 871 und 873.

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Aber schließlich war Ludwigs III. Ratgeber, derLeiter seiner Hofkapelle und Hofkanzlei, kein andererals Liutbert, »der Stadt Mainz edler Erzbischof«(863–889). Die »Fuldaer Jahrbücher« nennen diesenEdlen zwar einen »Friedliebenden«, vielleicht weil er874 die Sorben und Siusler jenseits der Saale mittenim Winter bereits »durch Plünderung und Brand«,ohne Kampf ... in die alte Knechtschaft zurückbrach-te. Doch konnte der Mainzer Metropolit auch ganzschön das Schwert schwingen, etwa 883 »nicht weni-ge« Normannen, 885 »sehr viele« niederstrecken –freilich auch wieder »Holz vom Heiligen Kreuze« tra-gen.

Das alles schließt sich ja nicht aus. Im Gegenteil.Und so leitete der Stadt Mainz edler Oberhirte, in denFuldaer Annalen auch als »geduldig, demütig undgütig« gefeiert, einerseits Hofkapelle und Hofkanzleides dreimal gegen den Vater revoltierenden Ludwig.Andererseits ließ er 866 selber eine Erhebung inMainz, bei der etliche seiner Leute umkamen, grau-sam rächen. »Einige nämlich wurden an den Galgengehängt, anderen die Spitzen der Hände und Füße ab-geschnitten, auch das Augenlicht genommen, einige,die ihre ganze Habe im Stich ließen, um dem Tode zuentrinnen, wurden verbannt« (Annales Fuldenses).

Der Fürst und sein Bischof waren rohe Naturen,aber gewiß nicht über den Rahmen des christlich Üb-

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4.348 Deschner Bd. 5, 167...und wieder katholische Söhne gegen den ...

lichen hinaus. Und selbstverständlich war auch dieKirche unter Ludwig dem Jüngeren (III.), »diesemehrgeizigen und gewaltsamen Herrscher, ... an denRegierungsgeschäften beteiligt und blieb eine treueHelferin in der Politik des Königs in Krieg und Frie-den« (Schur).

Anno 865 hatte Ludwig der Deutsche sich mit sei-nem Ältesten, Karlmann, gerade ausgesöhnt. Undschon im nächsten Jahr rebellierte Ludwig der Jün-gere, »indem er zugleich den Wenden Restiz aufreiz-te, bis nach Baiern hin plündernd vorzudringen, damiter selbst, während der Vater oder seine Getreuen injenen Gegenden beschäftigt seien, ungehindert seinBeginnen durchführen könnte« (Annales Bertiniani).Dabei bezog Prinz Ludwig auch die von seinem Vaterabgesetzten, teilweise zu Karl dem Kahlen überge-gangenen Grafen in seine Pläne ein und bedrängte vorallem Rastislav, »ohne Weigerung diese Verschwö-rung zu fördern« (Annales Fuldenses).59

Und die zweite wie dritte Rebellion Ludwigs III.erfolgte im Verein mit Ludwigs des Deutschen drit-tem Sohn, Prinz Karl (III.).

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4.349 Deschner Bd. 5, 168Prinz Karl (Kaiser Karl III. der Dicke) im ...

Prinz Karl (Kaiser Karl III. der Dicke) imKampf mit bösen Geistern

871 besetzten die beiden Brüder zusammen mit einer»nicht geringen Menge« den Speyerer Gau, bereinig-ten im nächsten Jahr den Bruch mit dem Vater undwollten im folgenden, 873, sich seiner anläßlich einerReichsversammlung in Frankfurt bemächtigen. Dabeihatten sie gerade erst auf dem Reichstag zu Forch-heim, inmitten der Fastenzeit »eidlich im Angesichtdes ganzen Heeres« geschworen, dem König »Treuezu halten alle Zeit ihres Lebens«. Und nun zogen sienach Frankfurt »voll unbilliger Gedanken, der gleich-namige (Ludwig) und Karl, um eine Gewaltherrschaftaufzurichten, ihre Eidschwüre hintanzusetzen, denVater des Reiches zu berauben und ins Gefängnis zuschicken« (Annales Xantenses).

Prinz Karl, der Jüngste, war aber anscheinend dernervlichen Belastung nicht gewachsen. Er erlitt einenepileptischen Anfall – oder in der Sprache der Zeit: esgeschah öffentlich »ein großes Wunder: der böseGeist fuhr vor aller Augen in Karl und quälte ihnschrecklich, unter mißtönenden Lauten« (eumque hor-ribiliter discrepantibus vocibus agitavit). (In Paren-these: mit bösen Geistern und ihrer Abwehr war manim Christentum – Gott sei Dank! – von Anfang anKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.350 Deschner Bd. 5, 169Prinz Karl (Kaiser Karl III. der Dicke) im ...

und durch die ganze Antike bestens vertraut: III 389ff.! Und noch unlängst hatte man von Mainz aus einensolchen »bösen Geist« in einem Ort bei Bingen, demHof Caputmontium, »Berghaupten«, mit Priestern,Reliquien, Kreuzen, mit Bittgebeten und Weihwasserwahrhaftig drei Jahre lang bekämpft und erst schach-matt gesetzt, als dieser dort »fast alle Gebäude mitFeuer vernichtet hatte«: Annales Fuldenses.)

Was nun Prinz Karl betrifft, der ja immerhin alsKaiser Karl III. der Dicke für kurze Zeit noch einmaldas ganze Reich Karls »des Großen« beherrschensollte, so konnten ihn auf dem Frankfurter Reichstagsechs der stärksten Männer kaum zähmen, und erdrohte, »die ihn Haltenden mit offenem (!) Munde(aperto ore) zu beißen«.

Worauf alsbald ein zweites Wunder geschah (dennein Wunder kommt selten allein): noch am selben Tagtrieben begnadete Gottesmänner den »malignus spiri-tus« wieder aus – mit besonderem Erfolg der frommeErzbischof Rimbert von Hamburg-Bremen (nicht zu-fällig der Lieblingsschüler seines Vorgängers, des hl.Ansgar, des päpstlichen Legaten unter Dänen, Schwe-den, Slawen). Darauf aber brachten König, Bischöfeund sonstig Edles den Besessenen noch zu den Grüf-ten mirakulöser Heiliger, ihn für immer allen Teufels-klauen zu entreißen; um so nötiger, als »derselbe Karlmit lauter Stimme vor vielen Hörern« bekannte – ein

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4.351 Deschner Bd. 5, 169Prinz Karl (Kaiser Karl III. der Dicke) im ...

drittes Wunder –, »er sei ebenso oft der feindlichenGewalt ausgeliefert worden, wie oft er gegen denKönig eine Verschwörung eingegangen sei« (AnnalesFuldenses). Und endlich noch ein Mirakel: der ältereBruder warf sich dem Vater, statt diesen ins Gefäng-nis zu werfen, zu Füßen.60

Katholisches Familienleben auf höchster Ebene.Wie auch immer, Lektion gut gelernt: bleibt keine an-dere Wahl, kriecht man zu Kreuz.

Über all den Familienzwisten des Herrscherhausesaber hatte das Morden gegen die Mährer fortgedauert,bis Zwentibald auf dem Reichstag in Forchheim (874)um Einhalt ersuchte. Er werde dem König treu blei-ben alle Tage seines Lebens und auch Jahr für Jahrden festgesetzten Zins zahlen, »gönne man ihm nurein ruhiges und friedliches Leben« (quiete agere et pa-cifice vivere).61

Ein ruhiges und friedliches Leben ... Vielleicht, werweiß, hätten es sich ja manchmal sogar die HeiligenVäter im fernen Rom gewünscht. Doch sie gönnten essich selber und einander nicht und niemandem.

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4.352 Deschner Bd. 5, 1713. Kapitel

3. Kapitel

Das Papsttum in der Mitte des 9.Jahrhunderts

»Kämpft mannhaft gegen diese Feinde des heili-gen Glaubens, gegen diese Gegner aller Religio-nen!«Papst Leo IV. (847–855) vor einer Schlacht gegen

die Araber1

»Denn der Allmächtige weiß, wenn einer voneuch umkommen sollte, daß er für die Wahrheitdes Glaubens, die Erlösung seiner Seele und fürdie Verteidigung des christlichen Landes gefal-len ist. Darum wird er den erwähnten Lohn« –die ewige Seligkeit – »erhalten«.

Papst Leo IV. in einem Aufruf »an das fränkischeHeer«2

Das Fälschungswerk der Pseudoisidorien (um850) hat »die Stellung und das Ansehen desHeiligen Stuhles in ungeahnter Weise gehoben«(Manfred Hellmann); es war »das willkommen-ste Geschenk, das das Papsttum je erhalten hat«(Walter Ullmann), die »erfolgreichste Fälschungder ganzen Kirchengeschichte« (der katholischePapsthistoriker Hans Kühner), »die größte Ge-

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4.353 Deschner Bd. 5, 1713. Kapitel

setzesfälschung der Geschichte«(Jesuit Grotz)3

»Den Königen und Tyrannen gebot er und er be-herrschte sie durch sein Ansehen, als ob er derHerr des Erdkreises wäre.«

Abt Regino von Prüm über Papst Nikolaus I.(858–867)4

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4.354 Deschner Bd. 5, 1733. Kapitel

In Rom waren »durch das verkehrte Benehmen meh-rerer Päpste«, so melden 824 die offiziellen Reichsan-nalen, die römischen Zustände »in große Verwirrunggeraten«. Nach dem Hingang Karls I. hatte der hl.Papst Leo III. 815, ein Jahr bevor er selbst starb,Hunderte von Menschen gnadenlos zum Tod verur-teilt (S. 57 f.). Sein Nachfolger Stephan IV. tauchteim nächsten Jahr mit einer gefälschten »Konstantins-krone« in Reims auf (S. 59 f.). Beim Tod seinesNachfolgers Paschalis I., eines verhaßten, harten Pap-stes, war es 824 zu solchen Tumulten gekommen, daßdie geplante Beisetzung in St. Peter ausfallen, die Lei-che zunächst unbestattet bleiben mußte (auch dieserPapst wurde gleichwohl heilig, sein Fest 1963 aberabgeschafft). Der Wahl seines Nachfolgers Eugen II.(824–827) folgten monatelange Unruhen, hatten Adelund Klerus doch zwei konkurrierende Kandidaten auf-gestellt. Danach verliefen wenigstens die Wahlen derbeiden nächsten Heiligen Väter glatt: Valentin (Au-gust-September 827) und Gregor IV. (827–844).5

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4.355 Deschner Bd. 5, 174Sergius II. oder »... so gut wir können«

Sergius II. oder »... so gut wir können«

An den Tod Papst Gregors reihten sich erneut gewalt-tätige Aktionen. Noch ehe nämlich der Adel seinenMann erheben konnte, hatte das Volk den päpstlichenPalast eingenommen und den Diakon Johannes aufden begehrten Stuhl gesetzt; ein Glück, das er freilichnur kurz genoß, anscheinend nur einen Tag. Dannfegte ihn der Adel aus dem Lateran, zerschlug die Op-position und machte einen alten, gichtgeplagten Erz-priester zum Pontifex maximus. Sergius II.(844–847), der den Rivalen in ein Kloster sperrenließ (mehr weiß man über dessen Schicksal nicht),war ein Vertreter der Oberschicht und angeblich be-reits der fünfte Papst aus dem Haus Colonna, das derHeilige Geist zu bevorzugen schien. Die kaiserlicheGenehmigung, laut Constitutio Romana von 824 er-forderlich (S. 64 ff.), schenkte man sich in der Eile.

So schickte der verärgerte Lothar I. seinen SohnLudwig, kurz zuvor in Pavia als Vizekönig von Itali-en inthronisiert, und Erzbischof Drogo von Metz, den»natürlichen« Sohn Karls »des Großen« und Halb-bruder Ludwigs des Frommen, mit einem fränkischenHeer gegen Rom. Es wütete im Kirchenstaat so gna-denlos, als führte es Krieg, und eine Strafexpeditionsollte es auch sein. Aber der alte Papst wußte den jun-

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4.356 Deschner Bd. 5, 175Sergius II. oder »... so gut wir können«

gen König zu zähmen, zu demütigen fast, wobei ihmein Zufall vielleicht zustatten kam: der Horror übereinen Ritter im königlichen Gefolge, der auf den Stu-fen vor St. Peter in Krämpfe fiel. Nach einer wochen-langen synodalen Untersuchung wurde Sergius' Wahlimmerhin bestätigt. Allerdings mußte er anerkennen,daß der designierte Papst erst nach Anordnung desKaisers und im Beisein seiner Gesandten konsekriertwerden dürfe; er mußte Lothar einen Treueid leistensowie den jungen Ludwig zum »König der Langobar-den« krönen und salben.

Doch wollte sich Sergius nicht alles bieten lassen:wenn es um die Reichseinheit, die Geschlossenheitdes Abendlandes ging, wenn einer der drei regieren-den Brüder die »im Glauben an die Dreifaltigkeit ge-einte Einheit« zerbreche oder einer von ihnen »lieberdem Urheber der Zwietracht« folge, dann, drohte derPapst, »werden wir uns bemühen, diesen verdienter-maßen mit Gottes Hilfe und gemäß kirchenrechtlichenGrundsätzen zu züchtigen, so gut wir können.«

Nur drei Jahre regierte Sergius II. Die Simonie warso augenfällig wie der Nepotismus. Papst-Bruder Be-nedikt wurde Bischof von Albano: ein skrupelloser,macht- und geldgieriger Mensch, der Sergius, zwarkrank, doch ausgesprochen willensstark, energisch,vermutlich die Zügel aus der Hand genommen, derdurch Bestechung die Stellung eines Kaisergesandten

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4.357 Deschner Bd. 5, 175Sergius II. oder »... so gut wir können«

in Rom ergaunert, Bischofsstühle gegen Höchstpreisezugeschlagen hat, ebenso andre Kirchenämter; wohlalles auch – »so gut wir können ...«

Wahrscheinlich sollen solche Nachrichten aus rö-mischen Kleruskreisen den Papst selbst entlasten. Je-denfalls: als im August 846 etwa fünfundsiebzig Sa-razenenschiffe an der Tibermündung aufkreuzten, alsangeblich 11000 Mann mit 500 Pferden über Romrechts des Tibers herfielen, die außerhalb der Aurelia-nischen Mauer gelegene Peterskirche wie die Paulsba-silika restlos ausraubten und alles, was nicht geflohenwar, in Gefangenschaft schleppten, »auch die Kloster-insassen, Männer und Weiber« (Annales Xantenses),da sahen dies die Zeitgenossen als Vergeltung derVorsehung für die in Rom grassierende Korruptionan. Freilich nahm man die Gottesstrafe keinesfalls un-tätig hin. Vielmehr widersetzte man sich ihr, warfman den Eindringlingen fränkische Truppen entgegen,Milizen aus Spoleto, der Campagna, Flotten aus Nea-pel, aus Amalfi. Und als ein Teil der Räuber auf stür-mischer Heimfahrt samt Beutegut unterging, erkannteman auch darin unschwer die strafende Hand desHerrn.6

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4.358 Deschner Bd. 5, 176Der Vatikan wird zum Kastell - ein hl. Papst als ...

Der Vatikan wird zum Kastell – ein hl. Papst alsFestungsbaumeister

Nach dem Überfall erregte die Gläubigen die Nieder-lage, das Unglück durch Sarazenen, durch Heiden.Warum wurde der »heilige Petrus« nicht besser ver-teidigt? Ein Kapitular weist die Schuld den Sündender Christenheit zu und nennt als Heilmittel: das Ein-schreiten gegen eigene Übelstände, gegen fleischlicheVergehen und Entwendung des Kirchengutes! Außer-dem ließ Lothar I. im ganzen Reich Spenden nebsteiner Sondersteuer eintreiben für die Wiederherstel-lung der Peterskirche und ihren Schutz, wozu auchder Kaiser und seine Brüder »nicht wenige PfundeSilber« beisteuerten.

Inzwischen war Sergius II. gestorben. Noch an sei-nem Todestag wurde sein Nachfolger gewählt, einschon früh im Benediktinerkloster St. Martin erzoge-ner Römer und »musterhafter Ordensmann« (Lexikonfür Theologie und Kirche). Es war Leo IV.(847–855), den man nach einem »interpontificium«von sechs Wochen zum Papst weihte, und zwar wie-der ohne die seit 824 nötige kaiserliche Zustimmung.Angeblich erlaubte die durch die arabischen Piratenausgelöste Krise keinen Aufschub; doch holte manden Treueid nach.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.359 Deschner Bd. 5, 176Der Vatikan wird zum Kastell - ein hl. Papst als ...

Ruhm, sozusagen bis heute fortdauernden, errangdieser Heilige Vater als Festungsbaumeister. Er ver-wandelte nämlich, in der Tat noch für Jahrhundertebedeutsam, Roms Vorstadt auf dem rechten Tiberufer,das ganze vatikanische Viertel, in ein Kastell; einPlan schon Leos III., doch erst der vierte Leo führteihn aus. In jahrelanger, wie es heißt stets von ihmselbst zu Fuß oder Pferd überwachter Arbeit verstärk-te er die alten Stadtmauern, schuf neue Fortifikatio-nen, und wurde so zum Schöpfer der civitas Leonina,der er bescheiden seinen Namen gab: Leostadt; zwi-schen den Jahren 848 und 852 mit einer fast vierzigFuß hohen und entsprechend dicken Mauer sowie mit44 Türmen bewehrt. Noch andere Orte ließ der Papstbefestigen; stark das Centumcellae der Römer, dasheutige Civitavecchia, und ebenfalls nach sich Leopo-lis nennen. (Wie er denn auch, solcher Selbstbeschei-dung gemäß, in seinen Bullen zuerst seinen Namenregelmäßig denen der Empfänger vorangestellt undden Fürsten auch nicht mehr den üblichen Titel domi-nus gegeben hat.)

Leos Aufrüstung verschlang Material und zahlrei-che Arbeitssklaven, die Städte und Klöster des Kir-chenstaates, Domänen und Milizen abkommandierenmußten. Nicht zuletzt aber kostete das papale Boll-werk gewaltige Summen, Gelder, die zumal, was derPapstbiograph völlig unterschlägt, aus dem fränki-

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4.360 Deschner Bd. 5, 177Der Vatikan wird zum Kastell - ein hl. Papst als ...

schen Reich auf Befehl des sehr kulanten Lothar er-preßt worden sind – mit dem Effekt, daß all dies demAnsehen des Papstes zugute kam und seiner Positiongegenüber dem Kaiser! Bei der Einweihung der Leo-stadt am 27. Juni 852 wurde während einer Prozessi-on (von sieben Kardinalbischöfen) viel Weihwasserauf den Festungsgürtel des Heiligen gesprengt – undin den folgenden Jahrhunderten noch viel mehr Blut.Das hängt ohnehin eng zusammen.

Das geplünderte St. Peter selber aber stattete manverschwenderisch neu aus. Auf den Hauptaltar kamenedelsteinbesetzte Platten aus Gold; jede einzelne wog216 Pfund; ein von Perlen und Smaragden übersätesgoldenes Kreuz wog 1000, ein silbernes Ciboriumüber dem Altar 1606 Pfund. Da man auch St. Paulund viele Gotteshäuser sogar der Provinzen kostbarherausgeputzt, kann man erwägen, wie unermeßlichreich die Kirche war, für die man bereits damals aller-wärts sammelte – ihrer Armut wegen, wie nochheute ...7

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.361 Deschner Bd. 5, 177Erstmals garantiert ein Papst für das Krepieren ...

Erstmals garantiert ein Papst für das Krepierenim Krieg das Himmelreich

Begreiflich, daß die »Satanssöhne« schon 849, vonSardinien aus, wieder vor der Tibermündung erschie-nen, längst ehe St. Leos Festung stand. Schließlichhatten sie gesehen, was in diesen Christentempeln,was allein in St. Peter steckte. »Die Vorstellung reichtnicht hin, den Reichtum der dort aufgehäuften Schätzezu fassen« (Gregorovius).

In aller Eile konnte der Heilige Vater die Armadenvon Neapel, Amalfi und Gaeta mobilisieren – dieerste Liga südlicher Seestädte im Mittelalter –, wozunoch die Kriegsschiffe Seiner Heiligkeit, des Stellver-treters Christi stießen. Und sogar er selber kam. Nichtum zu fechten: er las die hl. Messe, segnete dieSchlachtflotte, reichte den Kriegern am Kampftag diehl. Kommunion und betete dann auf den Knien:»Gott, der du den auf den Fluten wandelnden Petrusaus dem Versinken erhobst, der du Paulus, als er zumdrittenmal Schiffbruch litt, aus dem tiefen Meer gezo-gen, erhöre uns gnädig und verleihe um der Verdien-ste beider willen den Armen dieser Gläubigen Kraft,welche wider die Feinde deiner Kirche streiten, aufdaß der gewonnene Sieg deinem heiligen Namen beiallen Völkern zum Ruhm gereiche.«Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.362 Deschner Bd. 5, 178Erstmals garantiert ein Papst für das Krepieren ...

Eifrig trieb der Hohepriester seine Streiter an:»Kämpft mannhaft gegen diese Feinde des heiligenGlaubens, gegen diese Gegner aller Religionen!« FürFrohe Botschafter, die Prediger der Feindesliebe,schon seit Jahrhunderten ein unerläßliches Geschäft.Auf die Frage der Bulgaren wegen des Krieges in derFastenzeit, meinte denn auch Leo, Krieg gehe zwarstets auf diabolische List zurück, und man sollte sichseiner, ohne Notwendigkeit, enthalten. »Doch wennman ihn nicht vermeiden kann und wenn es sich umdie Verteidigung des Vaterlandes und der väterlichenGesetze handelt, kann man sich ohne Zweifel auchwährend der Fastenzeit zum Krieg bereiten.«

Vor der Seeschlacht bei Ostia aber hatte Leo IV.seinen Schlächtern für den Todesfall schon den»himmlischen Lohn« verheißen – die früheste Antizi-pation des Kreuzzugsablasses, ein Versprechen, mitdem sich noch viele Heilige Väter durch die Zeitenlogen. Hier geschah's zum erstenmal, daß ein Papstgenerös den Himmel all jenen garantierte, die starbenfür »den wahren Glauben, die Rettung des Vaterlan-des und für die Verteidigung der Christenheit«.

So wurde die Sache denn ein voller Erfolg. Weni-ger durch die katholischen Seestädte Neapel, Amalfi,Gaeta samt den päpstlichen Galeeren, als durch einUnwetter, das die größeren Schiffe der Christen über-standen, die leichteren des Feindes in den Abgrund

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4.363 Deschner Bd. 5, 179Erstmals garantiert ein Papst für das Krepieren ...

riß. Die frommen Gläubigen aber machten die an derKüste waffenlos umherirrenden Schiffbrüchigen nie-der, hingen sie in Ostia an Galgen, »damit ihre Zahlnicht zu groß erscheine«, oder schleppten sie in Ket-ten nach Rom, wo sie als Kriegssklaven zum Aufbauder vatikanischen Festung dienten und man das Ganzeals ein Wunder des Apostelfürsten feierte.8

Überhaupt hatte man für die eigenen Abhängigennun geradezu ein Patentrezept. Und so sicherte dennPapst Leo auch 852 bei einem Feldzug Ludwigs II.gegen die Sarazenen in Süditalien in einem Aufruf»an das fränkische Heer« wieder kurzerhand jedem,der dabei fallen werde, den Eingang ins Himmelreichzu. »Denn der Allmächtige weiß, wenn einer von euchumkommen sollte, daß er für die Wahrheit des Glau-bens, die Erlösung seiner Seele und für die Verteidi-gung des christlichen Landes gefallen ist. Darum wirder den erwähnten Lohn erhalten.«

Auch der Heilige Vater erhielt seinen Lohn: erwurde heilig – und sein Festtag (17. Juli) inzwischenwieder abgeschafft. Na, der Mohr hat seine Schuldig-keit getan. Und Undank ist der Welt Lohn. Dabeihatte Leo gleich zu Beginn seines Pontifikats eingrandioses Wunder gewirkt, nämlich Rom von einemso frech wie gefährlich just neben der Kirche der hl.Lucia unterirdisch hausenden Scheusal, von einemBasilisken befreit (einer gar grauenvollen Mixtur aus

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4.364 Deschner Bd. 5, 179Erstmals garantiert ein Papst für das Krepieren ...

Drache und Hahn, einem Fabeltier mit tödlichemBlick, dem sprichwörtlichen Basiliskenblick!). Einandres Mal löschte er bloß durch Gebet und Kreuz-zeichen eine verheerende Feuersbrunst ...

Der Leo IV. der Geschichte (wozu doch auch dieseRiesenüberschwemmung des Erdballs mit Legendenund Lügen gehört, die vielleicht mehr als alles sonstGeschichte machte, dieser Wahn, so Friedrich Schillervom Christentum insgesamt, »der die ganze Welt be-stach«), Leo IV. war ein selbstbewußter, resoluterPapst, der über alle Kirchen der Welt gebieten, überalle die oberste Entscheidung haben wollte. Doch trater nicht nur herrisch gegen »Mitbrüder«, einflußreichePrälaten auf, den Patriarchen Ignatius von Konstanti-nopel, die Erzbischöfe Hinkmar von Reims, Johannesvon Ravenna, den Kardinalpriester Anastasius, derbald Gegenpapst wurde. Nein, er legte sich auch mitden Fürsten an, zumal mit dem jungen Kaiser, Lo-thars I. Ältestem, dem »Schützer der römischen Kir-che«.

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4.365 Deschner Bd. 5, 180Kaiser Ludwig II. (850-875) scheitert an der ...

Kaiser Ludwig II. (850–875) scheitert an derNachfolgerfrage

Ludwig II., um 825 geboren, amtierte seit 840 als Un-terkönig seines Vaters in Italien, wo ihn Papst Sergi-us II. am 15. Juni 844 zum König der Langobardengekrönt, Leo IV. 850 in Rom zum Mitkaiser gesalbthatte. Er regierte dort selbständig und vermochte dasLand, in dem Räuberbanden Rompilger, Kaufleuteauf offener Straße überfielen, ja, ganze Dörfer aus-plünderten, umso eher zu stabilisieren, als er nachdem Tod des Vaters auf die nordalpinen Länder desMittelreiches zugunsten seiner Brüder, Lothars II. undKarls von der Provence, verzichtete.

So konnte Ludwig II. seine Herrschaft auch überRom und den Kirchenstaat festigen, und begreiflicher-weise waren die Beziehungen zu Leo IV. oft ge-spannt, was noch dessen sehr spärlich tradierte Korre-spondenz bezeugt. Einmal will Leo, aus Sicherheits-gründen, Gesandte des Kaisers nicht sehen, einmalwird ein päpstlicher Legat ermordet, einmal läßt erdeshalb selber drei kaiserliche Bevollmächtigte zumTod verurteilen – wurden j a unter seinem VorgängerPaschalis I. zwei hohe fränkisch orientierte Beamteim Lateran geradezu »wie Majestätsverbrecher« hin-gerichtet.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.366 Deschner Bd. 5, 181Kaiser Ludwig II. (850-875) scheitert an der ...

Es gab natürlich antifränkische Stimmungen undUmtriebe in Rom, vielleicht gar hochverräterischeKontakte mit Byzanz. Jedenfalls bestand keinerleiVertrauen zwischen Papst und Kaiser. Seit 855, demTodesjahr Leos IV, war Ludwig II. Alleinherrscher.Und seit 860 – um hier sein Leben, kurz vorausschau-end, zusammenzufassen – konnte der Kaiser sein Re-giment auch in den lange selbständigen langobardi-schen Fürstentümern Benevent und Salerno zumindestzeitweise zur Geltung bringen; schließlich, nachmehrjähriger Belagerung, 871 sogar Bari einnehmen,den Sitz des arabischen Emirs (S. 217).

Freilich war Ludwig II., der vierte karolingischeKaiser, nur ein italischer Teilherrscher, der nicht ein-mal Unteritalien ganz zu gewinnen vermochte. Adel-chis, der Fürst von Benevent (gest. 878), der es imKampf um seine Unabhängigkeit erst mit den Fran-ken, dann mit den Byzantinern, dann mit den Saraze-nen hielt, bevor er einer Verschwörung der eignenSippschaft zum Opfer fiel, leitete durch Ludwigs vor-übergehende Gefangennahme den Niedergang impe-rialer Macht in Italien ein. Letztlich allerdings wurdedieser Kaiser in Süditalien weniger das Opfer der in-stabilen politischen als gewisser dynastischer Verhält-nisse (S. 217 f.).9

In Leos IV. Amtszeit fällt auch ein Skandal von inseiner Art beinah beispiellosen Ausmaßen wie Fol-

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4.367 Deschner Bd. 5, 181Kaiser Ludwig II. (850-875) scheitert an der ...

gen. Kam es doch zu einer geistlichen Fälschung, diein dem von Schwindeleien strotzendem christlichenMittelalter und darüber hinaus so gut wie alles an Lugund Trug und Skrupellosigkeit in den Schatten stellt,ausgenommen allenfalls die »Konstantinische Schen-kung« (IV 391 ff.).

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4.368 Deschner Bd. 5, 181Die Pseudoisidorischen Dekretalen

Die Pseudoisidorischen Dekretalen – »diefolgenreichsten Fälschungen, die jemals gewagt

wurden ...«

Mit allem Recht freilich nannte man die pseudoisido-rischen Fälschungen »zwar die bedeutendste Fäl-schung der Karolingerzeit, aber keineswegs eine Aus-nahme« (Dawson); denn der katholische Klerusfälschte schon längst auf Teufel komm raus (III 1.Kap.! IV 393 ff.). Für den protestantischen JuristenEmil Seckel (gest. 1924), den vielleicht besten Ken-ner der pseudoisidorischen Dekretalen, sind diese die»kühnste und großartigste Fälschung kirchlicherRechtsquellen, die jemals unternommen worden«; fürJohannes Haller »die dreistesten, die folgenreichstenFälschungen, die jemals gewagt wurden«, ja, derüberragende Papsthistoriker (gest. am 24. 12. 1947)brandmarkt sie als »den größten Betrug der Weltge-schichte«.

Noch im 9. Jahrhundert hat Hinkmar von Reimsdie Fälschung geahnt, vielleicht erkannt, doch, voneinzelnen Stücken abgesehen, nicht aufgedeckt.Schließlich fälschte der ehrwürdige Reimser Erzbi-schof – der als einer der wichtigsten Berater der west-fränkischen Könige, besonders Karls des Kahlen,nicht nur politisch eine bedeutende Rolle spielte, son-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.369 Deschner Bd. 5, 182Die Pseudoisidorischen Dekretalen

dern dem wir auch ein reges literarisches Schaffenverdanken, darunter »vor allem materialreiche Rechts-gutachten« (Schieffer) –, schließlich fälschte der Kir-chenfürst mit hoher Virtuosität selber fast am laufen-den Band. Und dies sogar mit scheinbarer Berechti-gung, wollte er doch nicht das Opfer anderer kirchli-cher Fälschungen, nicht zuletzt der Pseudo-Isidoriensein.

Und gefälscht wurde rundum. Auch Hinkmars Vor-gänger, Erzbischof Ebo (gest. 851), fälschte. AuchHinkmars Neffe, der an seinem Hof erzogene und vondem Onkel zunächst geförderte Hinkmar der Jüngere,Bischof von Laon. Er hat sogar als erster pseudoisi-dorische Fälschungen in größerem Umfang vertretenund stand wahrscheinlich mit der Fälscherwerkstatt inVerbindung. So beschwor er einen scharfen Streit mitseinem Onkel und Karl dem Kahlen herauf und wurde871 abgesetzt, sieben Jahre später jedoch teilweise re-habilitiert.

Trotz frühzeitiger Bezweiflung der Echtheit des ko-lossalen katholischen Betrugs (bereits im 9. Jahrhun-dert; im 14. durch den als »Ketzer« verurteiltenStaatstheoretiker Marsilius von Padua), galt derSchwindel im ganzen Mittelalter als echt, gelang derfrüheste grundlegende Nachweis der Fälschung erst1559 den Magdeburger Centuriatoren in deren erster,von den evangelischen Fürsten finanzierten protestan-

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4.370 Deschner Bd. 5, 183Die Pseudoisidorischen Dekretalen

tischen Kirchengeschichte (1559–1574). Endgültigentlarvte die Unechtheit der reformierte Theologe(und spätere Professor für Geschichte in Amsterdam)David Blondel 1628. Wie kein anderer vor dem 19.Jahrhundert unterschied er mit bewundernswertemScharfsinn das Echte vom Falschen, obwohl sich auchseinerzeit noch fromme Verteidiger der Fälschungfanden.

Überhaupt taten auch nach deren Aufdeckung im16. Jahrhundert die Katholiken häufig noch langealles, um sie zu verharmlosen, schönzufärben, fast zufeiern. Sie sprachen von »Legende«, »Dichtung« oder,wie Kardinal Bona (gest. 1674), gewohnt »den hö-hern Zweck der Wissenschaft im Auge zu behalten«(Mast), von »frommem Betrug«. Eine »Fraus pia«war es auch noch für den berühmten katholischenTheologen Johann Adam Möhler (gest. 1838). Erpries Pseudoisidor geradezu als »sehr frommen, inniggläubigen, tugendhaften, um das Wohl der Kircheaufrichtig besorgten Mann«. Und auch für MöhlersKollegen Roßhirt ist Pseudoisidor im Jahre 1849 garnicht im eigentlichen Sinn Fälscher, sondern »einLiebhaber des Kirchenrechts«, dessen ungeheure Täu-schungen überhaupt keinen anderen Zweck hatten»als einen gelehrten, wissenschaftlich historischen,nämlich die größtmöglichste Vollständigkeit einerSammlung von Kirchenrechtsquellen«.

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4.371 Deschner Bd. 5, 183Die Pseudoisidorischen Dekretalen

Katholik Luden weiß zwar, daß diese Sammlung»voll ist von Lug und Trug«, doch gelte das bloß imHinblick auf frühere Zeiten. Für das 9. Jahrhundert, indem sie entstand, enthalte sie selbst in ihren Fäl-schungen »meistens eine Wahrheit«. Sie habe keinneues Kirchenrecht gegründet, sondern nur ausgespro-chen, »was schon in den Seelen der Menschen ge-gründet war«, habe ihnen »eine Richtung gegeben ...und den Weg zum Ziel abgekürzt. Es ist aber die voll-endete päpstliche Herrschaft, wohin sie will ...« Unddie vollendete päpstliche Herrschaft ist natürlichimmer etwas Gutes, ganz gleich, wie sie zustande-kommt. Und wofür. Wilhelm Neuss meint denn auchnoch 1946 von den gelehrten Gaunern, daß »derenAbsichten offenbar gut waren«. Wieder andere Katho-liken unterschieden, in der für sie bezeichnenden Art,zwischen dem »edlen« und dem »gemeinen« Fälscher;wobei edel stets der ist, der für die Kirche, gemeinder, der außerhalb von ihr oder gar gegen sie fälscht.Neuerdings freilich bezeichnet sogar Jesuit Grotz diepseudoisidorischen Dekretalen als »die größte Geset-zesfälschung der Geschichte«. Denn inzwischensprach es sich wirklich herum ...10

Die Pseudo-Isidorien entstanden um 850 (nicht vor847 und nicht nach 852) im Westfränkischen Reich,vielleicht in Sens oder Tours, wahrscheinlich im Erz-bistum Reims. Man wollte die Macht der Bischöfe,

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4.372 Deschner Bd. 5, 184a) Umfang und Art

des Papstes gegenüber dem Staat stärken, und da mankeine oder doch keine ausreichenden Rechtsgrundla-gen hatte, schuf man sie einfach, fälschte sie. Ihrenriesigen Schwindel aber gaben die geistlichen Halun-ken (wohl ein Pleonasmus) als das Werk des 636 inSevilla verstorbenen Kirchenlehrers Isidor von Sevillaaus. Er war einer der bekanntesten frühmittelalterli-chen Autoren, ja seit Augustinus der angesehensteHeilige des Abendlandes. Zudem wußte man von ihm,daß er ein umfangreiches Rechtsbuch hinterlassen,und so haben diese Rechtsfälschungen während desganzen Mittelalters als echtes Erzeugnis Isidors ge-golten und kraft seiner Autorität entsprechend ge-wirkt.

a) Umfang und Art

Der Umfang dieses Kriminalakts ist so außerordent-lich, daß die bis heute erhaltenen Manuskripte undFragmente, auf normales Buchoktav übertragen, meh-rere tausend Seiten Text umfassen würden. Wahr-scheinlich handelt es sich auch nicht um die Arbeiteines einzelnen, sondern einer ganzen theologischenFälscherzentrale, einer Gruppe wohlinformierter west-fränkischer Kleriker, »Reformer« ganz offensichtlich,denen das bisherige Staatskirchenrecht im fränkischenReich nicht paßte, die aber bis heute, trotz aller Nach-forschungen, unbekannt geblieben sind. Zweifellos

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4.373 Deschner Bd. 5, 184a) Umfang und Art

belesen und rechtlich wie archivalisch geschult, habensie ein ungeheures Material mehr oder weniger ge-schickt zusammengeflickt, Echtes und Gefälschtesmiteinander verbindend.

Der pseudoisidorische Komplex besteht aus viergroßen Gruppen:

1) Die Hispana Gallica Augustodunensis, die ver-fälschte Bearbeitung einer Sammlung spanischer Ka-nones des 7. Jahrhunderts.

2) Die Capitula Angilramni, eine Kollektion vonechten und unechten konziliaren, päpstlichen und kai-serlichen Gesetzen, die angeblich Papst Hadrian I.(772–795) dem Bischof Angilram von Metz am 14.September 786 übergeben hatte, einem Seelenhirten,der 791 auf einem Feldzug Karls I. gegen die Awarenstarb. Der Zweck dieser Kapitel Angilrams entsprachdem Bestreben der fränkischen Prälaten, Anklagengegen sie möglichst zu erschweren und sie nur einemgeistlichen Gericht zu unterstellen, da eine Krähe be-kanntlich keiner anderen die Augen aushackt. Die ca-pitula Angilramni, die somit schlicht darauf hinaus-laufen, daß Päpste und Bischöfe nicht anklagbarseien, daß sie sich, wie Katholik Hans Kühnerschreibt, »alle Taten erlauben können«, erweiterndamit noch die großen Symmachianischen Fälschun-gen aus dem 6. Jahrhundert (II 341 ff.).

3) Der Benediktus Levita, eine enorme AnhäufungKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.374 Deschner Bd. 5, 185a) Umfang und Art

königlicher und kaiserlicher Dekrete von Pippin biszu Ludwig dem Frommen, eine Kapitularienzusam-menstellung in drei Büchern von insgesamt 1721 Ka-piteln, wovon gut dreiviertel gefälscht oder verunech-tet sind! Kirchliche Vorschriften wurden hier, um siedurch Staatsautorität zu decken, zu fränkischenReichsgesetzen der jüngsten Vergangenheit umfrisiertund von einem angeblichen Mainzer Diakon Benedic-tus Levita 847 im angeblichen Auftrag seines Erzbi-schofs Otgar als Fortsetzung der offiziell anerkanntenKapitulariensammlung des 833 gestorbenen AbtesAnsegis von Fontenelle (St. Wandrille) ausgegeben.

4) Die Pseudoisidorischen Dekretalen (DecretalesPseudo-Isidorianae), die umfangreichste und wichtig-ste Kollektion unter allen vier Gruppen, weil sie zugrößtem Einfluß und Erfolg gelangte: eine Anthologievon Papstbriefen und Konzilsakten vom ausgehenden1. bis ins 8. Jahrhundert, von etwa 90 bis 731. Unterdem durchtrieben erzeugten Anschein altertümlicherEchtheit will sie als vollständiges kirchenrechtlichesGesetzbuch der Catholica gelten. Dabei wurden dieDekretalen der Päpste der ersten Jahrhunderte vomangeblichen Klemens bis auf den hl. Miltiades(311–314) in lückenloser Folge durchweg gefälscht,die Dekretalen vom hl. Silvester I. (314–335) bis zumhl. Gregor II. (715–731) zum Teil gefälscht. DurchEinschübe verunechtet hat man eine lange Reihe von

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4.375 Deschner Bd. 5, 186a) Umfang und Art

Konzilsbeschlüssen, vom hochberühmten Nicänum(325) bis zur dreizehnten Synode von Toledo (683).Besonders bemerkenswert, daß die Kleriker in ihregewaltige Fälschung eine noch größere aufnahmen:die »Konstantinische Schenkung«, aller Wahrschein-lichkeit nach das Produkt (der Kanzlei) Papst Ste-phans II., ein Jahrhundert früher verbrochen (ausführ-lich: IV 405 ff.).

Das ganze weltgeschichtliche Schurkenstück be-steht aus rund zehntausend Zitaten, Exzerpten, nichtimmer geschickt Wahres und Falsches mosaikartigvermischt, doch auch das Falsche nicht völlig frei er-funden, sondern aus echten Texten von Päpsten, Syn-oden, Kirchenschriftstellern zusammengebastelt, mitvielen Auslassungen, Zufügungen, Änderungen. Im-merhin stecken darunter mehr als hundert gefälschteund verfälschte Papstbriefe, meist aus den ersten dreiJahrhunderten, in denen man römische Dekretalen garnicht gekannt hatte. Kaisererlasse aus dem 5. Jahr-hundert, etwa des Theodosius II., erscheinen alsPapstverordnungen des 1. Jahrhunderts, Passagen derSynode von Paris (829) wörtlich in einem Text desfast zwei Jahrhunderte früher gestorbenen spanischenKirchenlehrers.

»Es dürfte in der ganzen Geschichte kaum einzweites Beispiel aufzufinden sein von einer so voll-ständig gelungenen und dabei doch so plump angeleg-

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4.376 Deschner Bd. 5, 186a) Umfang und Art

ten Fiction.« So urteilte einst Kirchenhistoriker Ignazvon Döllinger (der nach seiner Exkommunikation1871 ohne formellen Beitritt die Altkatholische Kir-che unterstützte). Papsthistoriker Seppelt spricht da-gegen von einer mit »großer Umsicht« vorbereitetenund unterbauten, »in ihrer Art großartigen Fäl-schung«. Papsthistoriker Kühner nennt sie geradezudie »erfolgreichste Fälschung der ganzen Kirchenge-schichte«.11

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4.377 Deschner Bd. 5, 187b) Zweck

b) Zweck

Als Zweck ihres Betrugs, der alles mögliche beinhal-tet, liturgische, dogmatische, moralische, erbaulicheErgüsse, nannten die Betrüger selbst die systemati-sche Sammlung der weit verstreuten Kirchenrechts-quellen; natürlich glatt gelogen. Vielmehr war es ihreAbsicht, da das alte Recht für den Klerus unbrauch-bar war, neues Recht zu schaffen, durchzusetzen unddabei vor allem die Macht der Bischöfe sowohl ge-genüber dem Staat als auch gegenüber dem großenEinfluß der Metropoliten enorm zu stärken.

So soll die Anklagemöglichkeit der Bischöfe starkeingeschränkt, ihre Verurteilung und Absetzung au-ßerordentlich erschwert, praktisch unmöglich gemachtwerden. Sie, die panegyrisch als »Augen des Herrn«,»oberste Priester«, »Heilige«, »Götter« u.a. gefeiertwerden, darf kein Laie, auch kein niederer Geistlicher,kein Untergebener, die man dafür mit Ehrlosigkeitund Exkommunikation bedroht, anklagen, schon garnicht bei weltlichen Gerichten. Geschieht es doch,sind 72 Belastungszeugen nötig, was die Verurteilungeines Bischofs faktisch nahezu ausschloß. Auch sollteüber ihn nur eine vom Papst genehmigte kirchlicheSynode richten dürfen. Die Kompetenz weltlicher Ju-stiz wird dabei gänzlich ausgeschaltet. Denn dem Bi-

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4.378 Deschner Bd. 5, 187b) Zweck

schof ist nicht nur das Volk, sind auch die Fürsten un-tergeordnet. Ihm haben sie, wie man mit großemNachdruck fordert, zu gehorchen, da er über allenFürsten stehe und nur von Gott und dem Papst odervon dessen Ermächtigtem zu richten sei, was häufigwiederholt wird.

Was den Bischöfen nützt, nützt natürlich beson-ders dem Bischof von Rom. Und tatsächlich profitierter durch die monströse klerikale Mogelpackung ammeisten. Denn ihm allein gehört die Fülle der Macht.Er ist nicht nur Priester, sondern auch König. Undsteht schon die bischöfliche Würde über der königli-chen, so noch viel mehr die päpstliche. Der Papst ist,wie man es Felix II. in den Mund legt, »gleichsam dasHaupt der ganzen Welt«. Deshalb verleihen ihm dieFälscher sogar das Recht, Staatsgesetze aufzuheben.

Ordneten sie aber dem Papst noch die Gewalt derKönige tief unter, erkannten sie ihm erst recht »dieDiktatur« in der Kirche zu. Schärften sie doch jeder-mann ein, daß der Papst der alleinige Gesetzgeberund Richter der Kirche sei, daß ohne seine Erlaubnisweder ein Metropolit noch eine Synode etwas Gülti-ges beschließen, daß ohne seine Genehmigung garkeine Synode zusammentreten könne etc. Ja, nach dengeistlichen Ganoven besaßen bereits die Päpste derfrühesten Zeit Rechtsbefugnisse, die nicht einmal ihreviel späteren Nachfolger hatten.

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4.379 Deschner Bd. 5, 188b) Zweck

Schon der hl. Leo IV. verwendete die Fälschung,die ihm Reimser Kleriker ganz oder auszugsweisepräsentierten. Viel häufiger zog sie der gleichfalls hl.Nikolaus I. als Rechtskodex heran. Er benutzte sieseit dem Jahr 864, weil er ihre enormen Vorteile fürden Römischen Stuhl schnell erfaßte. Ergo erklärte erdie Echtheit eines Werkes, das Erzbischof Hinkmarvon Reims sogleich nach seinem Erscheinen als Fäl-schung erkannte, was Hinkmar jedoch keinesfalls hin-derte, sich dieser wiederholt selbst zu bedienen, so-bald es ihm zustatten kam.12

Dem Papsttum am meisten nützten auf die Dauerdie pseudo-isidorischen Dekretalen. Von sämtlichenPseudo-Isidorien hatten sie die stärkste historischeWirkung und waren in allen mittelalterlichen Kir-chenrechtssammlungen das wohl am weitesten ver-breitete Opus. Immer wieder zog man es heran, umRoms Macht zu stützen und zu mehren. Nicht zuletztinsistierten natürlich die Päpste selber darauf. Niko-laus I., Hadrian II., Gregor V., Leo IX., Gregor VII.u.a. haben es zu politischen Zwecken ausgebeutet.Der berüchtigte »Dictatus papae« Gregors fußt zumgrößten Teil auf diesem ungeheuerlichen Schwindel.Im Investiturstreit wurde er voll rezipiert; er spielte inden Kämpfen zwischen Kaisern und Päpsten des 11.und 12. Jahrhunderts eine außerordentliche Rolle.Das Fälschungswerk, schreibt Manfred Hellmann, hat

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4.380 Deschner Bd. 5, 188b) Zweck

»die Stellung und das Ansehen des Heiligen Stuhlesin ungeahnter Weise gehoben«. Es war »das willkom-menste Geschenk«, sagt Walter Ullmann, »das dasPapsttum je erhalten hat«. Zumal es verstand, darausam meisten zu profitieren und die von den Betrügernvielleicht noch mehr begünstigten Bischöfe um diesenVorteil zu bringen.

Der Einfluß der Pseudoisidorischen Dekretalen aufKirche und Kirchenrecht, spätestens seit dem frühenHochmittelalter enorm, ist bis ins 19. Jahrhundertgroß, in dem aus dem Blendwerk etwa das Unfehlbar-keitsdogma Pius' IX. gewaltigen Nutzen zog, weshalbauch der Papst noch nach 1870, Jahrhunderte nachder definitiven Aufdeckung der grandiosen Gaunerei,Autoren, die weiter daran festhielten, ausdrücklich ge-lobt hat! (Verdientermaßen erfolgte zu Pius' IX. Hei-ligsprechung 1985 der erste Schritt mit der offiziellenAnerkennung seiner »heroischen Tugend« – einst er-klärten ihn katholische Bischöfe, katholische Kirchen-historiker und Diplomaten für dumm und verrückt:vgl. meine Politik der Päpste im 20. Jahrhundert I 23f.).

Der sagenhafte Streich der Pseudo-Isidorien aberwirkt beinah bis heute fort, bis zum Codex Iuris Ca-nonici von 1917, der beispielsweise dem Papst das al-leinige Einberufungsrecht zu einem ökumenischenKonzil vorbehält. Als 1962 Johannes XXIII. ein sol-

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4.381 Deschner Bd. 5, 189b) Zweck

ches berief, konnte er sich auf nicht weniger als sechsBelegstellen im CIC stützen – drei aus den Pseudoisi-dorischen Dekretalen, drei von ihnen abgeleitet.13

Da es aber für die Prediger des Jenseits nichtsWichtigeres als Geld und Gut im Diesseits gibt, gehtes in den großen Fälschungen nicht zuletzt auch umden Zehnten, um Dienstleistungen an Sonn- und Fei-ertagen, den Schutz des Kirchengutes, die Unverletz-barkeit und Unveräußerbarkeit von geistlichem Be-sitz. Was immer der Klerus einmal bekam, Felder,Bücher, Häuser, Kleider, Flüsse etc., alles beweglicheund unbewegliche Gut, wird zu Kirchengut und jedesAntasten desselben mit Exkommunikation, Verlustaller Würden und schwersten Strafen vor dem weltli-chen Gericht gesühnt.14

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4.382 Deschner Bd. 5, 189Anastasius Bibliothecarius oder Ein ...

Anastasius Bibliothecarius oder Ein Gegenpapstdebütiert

Schon Leo IV., während dessen Amtszeit die Pseu-doisidorischen Fälschungen entstanden, hatte sie be-nutzt. Als er am 17. Juli 855 starb, wollte man anseine Stelle den Kardinalpriester Hadrian setzen. Dadieser, ein seltener Fall in der Papstgeschichte, aberablehnte – vielleicht weil er sich später bessere Chan-cen errechnete (womit er, trifft dies zu, auch recht be-halten hätte) –, wählte die Mehrheit jetzt Benedikt III.(855–858), einen gebürtigen Römer.

Zwar war Kardinal Benedikt bereits in feierlicherProzession nach dem Lateran geführt, auch das Wahl-dekret, von Klerus und Adel unterzeichnet, dem Kai-ser mit der Bitte um Bestätigung geschickt worden.Doch gerade eine kaisertreue Gruppe hatte den hoch-adeligen, hochbefähigten und sogar hochgebildetenKardinal Anastasius (Bibliothecarius) als Papst erko-ren: nicht nur, so Wattenbach, »ein gelehrter Mannund schlauer Fuchs«, sondern auch Sohn des reichenBischofs Arsenius von Orte, den übrigens Anastasiusselbst (in einem Brief an Erzbischof Ado) fälschlichOnkel nennt (wie noch Katholiken des 20. Jahrhun-derts, Seppelt etwa; andere ignorieren das Faktum).

Kardinal Anastasius aber war in Gegensatz zumKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.383 Deschner Bd. 5, 190Anastasius Bibliothecarius oder Ein ...

letzten Papst getreten und offenbar aus Furcht vorRache fünf Jahre seiner römischen Kirche ferngeblie-ben. Als ebenso einfluß- wie kenntnisreicher hochge-scheiter Rivale wurde er von Leo IV. fast währendseines ganzen Pontifikats erbittert bekämpft und aufmehreren Synoden, Ende 850 sowie im Mai, Juni undDezember 853, exkommuniziert, gebannt und abge-setzt – eine in St. Peter durch Bild mit Kommentarverewigte Verdammung.

Anastasius hatte im Herrschaftsgebiet von KaiserLudwig II. Schutz gefunden und dieser mehrfach ab-gelehnt, den Flüchtling auszuliefern, worum der Papstsich unablässig mühte. Und als jetzt römische Ge-sandte Benedikts Wahldekret pflichtgemäß dem Kai-ser zu überbringen suchten, wurden sie unterwegs, inGubbio (Umbrien), durch einen der führenden Köpfeder Kaiserlichen, Bischof Arsenius von Orte, demVater des Anastasius, abgefangen und für diesen um-gestimmt, so daß sie sich am Hof für ihn verwandten.

Nachdem Benedikts Wahl für ungültig erklärt, deroffiziell aus der Kirche ausgestoßene Anastasius aber,wohl etwas außerhalb der Legalität, in Orte zumPapst gemacht worden war, kehrte er in Begleitungvon kaiserlichen Gesandten nach Rom zurück, wo zu-nächst viele zu ihm übergingen und er neue GesandteBenedikts III. in Ketten legen ließ. Darauf begann ersein Regiment in St. Peter mit der Beseitigung seiner

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4.384 Deschner Bd. 5, 191Anastasius Bibliothecarius oder Ein ...

an der Wand verewigten Schmach sowie dem Zer-trümmern und Verbrennen von Heiligenbildern,wobei er mit der Axt (schließlich war er ein ausge-zeichneter Kenner der Kirchengeschichte) sogar dieFiguren Christi und Marias zusammenschlug. Dannließ er die Türen des Laterans aufbrechen, setzte sichauf den Päpstlichen Stuhl und befahl die Vertreibungseines in der Basilika auf einem anderen Stuhl thro-nenden Gegners.

Diese Aufgabe löste der Bischof Romanus von Ba-gnorea. Mit einer von Waffen starrenden Schar dranger in die Kirche ein, stieß Benedikt vom Sessel undriß ihm, unter Mißhandlungen, die Papstgewänderherunter. Doch konnte sie der Malträtierte dank derVolksgunst und einer Umorientierung der Kaiserli-chen – nach dreitägigem allgemeinen Fasten – wiederanlegen, während nun Papst Anastasius um seine In-signien gebracht, mit Schimpf aus dem Palast getrie-ben, vermöge der kaiserlichen Missi aber bloß inHausarrest überführt worden ist. Ja, Benedikt ließzwar das Verfluchungs-Dokument in St. Peter wieder-herstellen, doch den Expapst, wenn auch nur als Laie,wieder in die Kirche aufnehmen, und allmählich stieger erneut erstaunlich auf.

Bereits Benedikts Nachfolger, Nikolaus I., machteAnastasius zum Abt. Er gab ihm gleichsam als kleineKompensation für alle erlittene Unbill durch Mutter

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4.385 Deschner Bd. 5, 191Anastasius Bibliothecarius oder Ein ...

Kirche die Leitung und Einkünfte des Klosters derHeiligen Jungfrau in Trastevere, zog ihn aber auchschon als »eine Art Geheimsekretär«, als Konsulent,besonders in byzantinischen Belangen, heran, wobeiAnastasius die Gelegenheit nutzte, ihn belastendesMaterial im päpstlichen Archiv zu vernichten.15

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4.386 Deschner Bd. 5, 192Nikolaus I. - ein päpstliches Pfauenrad

Nikolaus I. – ein päpstliches Pfauenrad, »...alsob er der Herr des Erdkreises wäre«

Nikolaus I. (853–867) war der Sohn eines Klerikersund wuchs sozusagen im Lateran heran. Er gewannunter drei Päpsten, Sergius II., Leo IV. und BenediktIII., dessen erster Berater er bereits war, immer größe-ren Einfluß. Und als Benedikt starb, der Kardinalprie-ster Hadrian zu kandidieren sich weigerte, trat Niko-laus an die Stelle des verstorbenen Papstes, und zwar,wie die Annales Bertiniani, die bedeutendste Fortset-zung der 829 abbrechenden Reichsannalen, melden,»mehr infolge der Anwesenheit und durch die Gunstdes Königs Ludwig und seiner Großen als durch dieWahl der Geistlichkeit«.16

Kaiser Ludwig II. nämlich war kurz vor BenediktsTod aus Rom abgerückt, dann jedoch sofort zurück-gekehrt und hatte dem Diakon Nikolaus zur Befriedi-gung seines Ehrgeizes verholfen. Und Nikolaus re-vanchierte sich sogleich auf seine Weise bei demabermals aus Rom abgereisten Ludwig durch einenAbschiedsbesuch. Umringt von Klerus und Adel ließer bei der Ankunft sein Pferd ein Stück weit vom Kai-ser am Zügel führen, sich darauf in dessen Zelt bewir-ten, reich beschenken und beim Aufbruch erneut denerniedrigenden Stratordienst leisten.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.387 Deschner Bd. 5, 192Nikolaus I. - ein päpstliches Pfauenrad

So stolz begann dieses Pontifikat.Angeblich hatte ja schon Pippin III. im Januar 754

in seiner Pfalz Ponthion gegenüber Stephan II. nachdessen winterlicher Alpenüberquerung das demüti-gende Ritual zelebriert. Doch die fränkische Quelle(die Annales Mettenses Priores) weiß davon nichts.Vielmehr zeigt sie den Papst samt Gefolge in Sackund Asche flehentlich vor Pippin am Boden ..., wasauch andere Berichte nahelegen (IV 380).

Mittlerweile freilich hatten sich die Machtverhält-nisse verändert, waren Fürstentümer und Königreicheversunken und die römischen Prälaten, nicht ohne ihrZutun, weiter nach oben gelangt. Jede Menge Gewalt,Fehden, Kriege hatten dazu beigetragen, Versklavung,Betrug. Sogenannte Rechte wurden gewonnen, Privi-legien, Immunitäten, die herrlichen Gegenden des Kir-chenstaates ergaunert, von Ravenna bis Terracina,Land- und Seestreitkräfte wurden rekrutiert, die größ-ten Fälschungen der Geschichte verbrochen, die be-rüchtigte Konstantinische Schenkung, die kaum min-der berüchtigten Pseudo-Isidorien, deren sich geradePapst Nikolaus bereits bedient, und die jene vermeint-lichen riesigen Länderdonationen noch ausdrücklichinvolvieren.17

Nikolaus I. (858–867), den zumal Katholiken gernauch »den Großen« nennen, was immer einiges ver-spricht, zählt Leopold von Ranke nicht von ungefähr

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4.388 Deschner Bd. 5, 193Nikolaus I. - ein päpstliches Pfauenrad

den Männern zu, die man »als lebendig gewordenesSystem« betrachten könne. Und dies verspricht fastnoch mehr.

Knüpft Nikolaus doch an weitere »Große«, an diepapalen Ambitionen von Leo I., Gelasius I. und Gre-gor I. an.

An Leo, der mit der obligatorischen Bescheidenheitvon seinesgleichen den Papst nahe zu Christus undGott hin rückt, dem »ewigen Hohenpriester«, ihm»ähnlich und dem Vater gleich« (II 243 ff.)! An Gela-sius I., der sich, wiewohl »der Geringste aller Men-schen«, öffentlich immer wieder als dem »Apostel Pe-trus«, dem »Vikar Christi« huldigen läßt; der die auc-toritas des Papstes über die potestas des Kaisers stelltund fordert, auch der Kaiser habe die Befehle despäpstlichen Stuhles, des »engelhaften Stuhles«, aus-zuführen und vor ihm »fromm den Nacken« zu beu-gen (II 324 ff.)! An Gregor I., der wieder demutsvolldarauf verweist, daß die Heilige Schrift »die Priesterbald Götter, bald Engel« nenne, dem aber sogar seinNachfolger, Papst Sabinianus, »Sucht nach eigenemRuhm« vorwirft (IV 163, 189).

Nun waren die Ansprüche, die Anmaßungen seiner»großen« Vorgänger lauter Wunschträume, nicht imgeringsten, besonders in Band II gezeigt, durch dieGeschichte gedeckt. Nikolaus aber griff die gierig er-sehnte imperiale Machtfülle keinesfalls nur gelegent-

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4.389 Deschner Bd. 5, 193Nikolaus I. - ein päpstliches Pfauenrad

lich auf – dabei bereits, ohne sie zu nennen, der Pseu-do-Isidorien sich bedienend, sondern er faßte das frü-her Zerstreute gewichtig zusammen und steigerte esnoch eindringlich diktionell, wenn auch kaum kraft ei-genen Kopfes, sondern seines brillanten, seit 861/862wieder an Einfluß gewinnenden engsten MitstreitersAnastasius (Bibliothecarius), der offenbar viele derallerhöchsten Schreiben formulierte.

Papst Nikolaus entwickelte nun voll den erst beiLeo IV. in Ansätzen aufscheinenden päpstlichen Ju-risdiktionsprimat. Er verlangte umfassende Macht.Wenn vom Herrn dem Papst »alles übergeben wor-den, so fehlt nichts, was er ihm nicht gegeben hätte«.(Wenn ist eben nicht nur, wie Hebbel meint, das deut-scheste aller Worte.) Und niemand könne, da vonGott gegeben, des »apostolischen Stuhles« Vorrechtemindern. Nikolaus erkannte den Päpsten jetzt den»Fürstenrang göttlicher Macht« zu, nannte sie demü-tig wieder »die Fürsten über die ganze Erde« und dieganze Erde schlicht »die Kirche«, ja, titulierte seines-gleichen zum erstenmal »Stellvertreter Gottes«. DerPapst kann von niemandem gerichtet werden, auchnicht vom Kaiser, er aber kann alle richten, selbstver-ständlich auch die Konzilien, die Staaten, die Herr-scher. Denn komme diesen auch eine gewisse Eigen-ständigkeit zu, haben sie sich doch, außen- wie innen-politisch, von kirchlichen Prinzipien bestimmen zu

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4.390 Deschner Bd. 5, 194Nikolaus I. - ein päpstliches Pfauenrad

lassen, haben sie jedwedes Unheil von der Kirche fernzu halten und deren Befehle und Sühnemaßnahmen zuvollstrecken, bei Androhung irdischer und ewigerStrafen, des Kirchenbannes und der Hölle.

Nicht genug. Ist die weltliche Gewalt der Kirchenicht gehorsam, ist es der Gläubigen verdammtePflicht und Schuldigkeit, der weltlichen Gewalt selbstungehorsam zu sein. Denn nun gilt niemals – bisheute! – das paulinische Gebot: Seid Untertan derObrigkeit! Nein, jetzt gilt ihr alter Trick: Ihr solltGott mehr gehorchen als den Menschen – und Gott,stets einzuschärfen, sind – in praxi – sie! Alles mußnach ihrer Pfeife tanzen. Mit der weltlichen Obrigkeitdarf man es nur halten, solange die es mit der Kirchehält, wenigstens nicht gegen sie, denn dann wird diesschweres Unrecht, das nie auf päpstlicher Seite stehenkann, weil da ja Gott steht! Beschwören sie also dasRecht, meinen sie im Grunde dasselbe, wie wenn sieGott beschwören – sich! »Sehet zu«, schreibt PapstNikolaus ins Frankenreich, »ob sie nach Recht herr-schen, sonst sind sie mehr als Tyrannen wie als Köni-ge anzusehen, denen wir mehr widerstehen und entge-gentreten müssen als ihnen unterworfen sein.«

War Nikolaus I., den manche – nach rund hundertVorgängern – den ersten Papst nennen, ein Theokrat,ein Vorläufer papaler Weltherrschaft? Unter den In-terpreten ist dies kontrovers. Doch eine Art Brücke zu

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4.391 Deschner Bd. 5, 195Nikolaus I. - ein päpstliches Pfauenrad

Gregor VII., zu Innozenz III. bildet er, mögen auchviele der einschlägigen Zitate keineswegs originell,die Briefe überdies zumeist von Anastasius geprägtworden sein, nicht formal nur, auch gedanklich; indesgleichfalls nicht unumstritten.18

Feststeht das herrische Gebaren dieses Papstes,sein betont monarchisch-autoritärer Stil. »Den Köni-gen und Tyrannen gebot er«, schreibt Abt Regino,»und er beherrschte sie durch sein Ansehen, als ob erder Herr des Erdkreises (dominus orbis terrarum)wäre.« Tatsächlich profitierte der prätentiöse Pontifexvon der fortwährenden Aushöhlung kaiserlicherMacht, der Schwäche der Karolinger, die ihm mehrals alles das Papsttum weiter zu stärken, zu festigenerlaubte, ihm ermöglichte, wie man auf katholischerSeite schwärmt, es »auf die stolze Höhe einer Welt-stellung emporzuführen, die alle anderen Gewaltenweit hinter sich ließ«, während für die MagdeburgerCenturiatoren damit die Herrschaft des Antichristüber die Kirche beginnt.

Nikolaus, verherrlicht und gefürchtet, beanspruchtekraft der Autorität der Apostelfürsten Petrus und Pau-lus (vgl. bes. II Kap. 2.) die höchste Gewalt und dieUnumstößlichkeit seiner Urteile. Nichts geht überseine Würde, nichts über seine Rechte hinaus, ja,nichts erreicht sie auch nur. Überall versucht er dieSuprematie seines Amtes durchzusetzen. Alles auch

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4.392 Deschner Bd. 5, 195Nikolaus I. - ein päpstliches Pfauenrad

bloß annähernd Einschlägige ambitionierter Vorgän-ger sammelt er dafür in häufiger Wiederholung, wasfrüher nur sporadisch anklang, faßt er zum Chor zu-sammen, wenig originell zwar, doch imposant. Selbstdas mit Imprimatur erschienene Handbuch der Kir-chengeschichte aber muß zugeben, »eine zentrale Kir-chenregierung, wie Nikolaus sie anstrebte, kannte dastraditionelle Kirchenrecht nicht – sie wurde als Sy-stem erst von Pseudo-Isidor entwickelt«. Eine phanta-stische Fälschung also präfabriziert die Zukunft.

Indes, Nikolaus behauptet, propagiert nicht nur, erhandelt auch entsprechend, drängt auf Verwirkli-chung. Und seine Grundsätze, Forderungen, Verwei-gerungen, seine Proteste gegen jede Einmischung derKaiser, der Könige in die Kirche, seine Ablehnungalles Landes- und Staatskirchentums bedeuteten, soKatholik Seppelt, »unermüdlichen, erbittertenKampf«.19

Zunächst griff Nikolaus gegen die Metropolitendurch. Denn, behauptet er: »Der Papst hat das Recht,die Angelegenheiten aller Kirchen zu regeln, alle Syn-oden dürfen nur auf seine Anordnung hin einberufenwerden, die Metropoliten unterstehen seiner Autorität;wo das Kirchenrecht schweigt, kann er neues Rechtsetzen.«

Die Metropoliten freilich wollten davon wenig wis-sen. Schon gar nicht der Erzbischof Johannes von Ra-

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4.393 Deschner Bd. 5, 196Nikolaus I. - ein päpstliches Pfauenrad

venna (850–861), einer Stadt, die als Residenz derKaiser, der Gotenkönige, der Exarchen seit Jahrhun-derten eine Rivalin Roms und nächst diesem Italiensmächtigste Metropole gewesen ist. Seine Kirchenfür-sten hatten von Kaiser Konstans II. im Jahr 666 einAutokephalieprivileg erhalten, doch wieder verloren;sie hatten dann mit karolingischer Hilfe vergeblicheinen eigenen Kirchenstaat erhofft, kurz, der Streit umEinfluß, Territorialbesitz, um Unabhängigkeit vonRom riß nicht mehr ab. Er verschärfte sich vielmehr,als der kampfeslustige Erzbischof Johannes den ra-vennatischen Stuhl bestieg, zumal sein Bruder, derdux Georg, das weltliche Haupt im dortigen Bereich,kräftig mit ihm kooperierte. Oberhirte Johannes er-strebte Selbständigkeit, die Landesherrschaft, bean-spruchte päpstliche Güter, entzog sie, erpreßte Abga-ben, entließ nach Rom tendierende Kleriker, suchteden Verkehr seiner Diözesanbischöfe mit dem Papstebenso zu verhindern wie die Geschäfte von dessenBeamten, die er beschimpfte. Schließlich wurde ihmjede Menge von Bedrückungen, Übergriffen angela-stet, natürlich auch »Ketzerei«, so daß Nikolaus, derden Widerstand des Bischofs »wie ein Spinngewebeverachtete«, den vom Kaiser Gedeckten dreimal vor-lud, dann Suspension samt Kirchenbann über ihn ver-hängte. Doch erst als auch der Kaiser den nunmehrExkommunizierten mied, konnte sich Nikolaus durch-

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4.394 Deschner Bd. 5, 197Nikolaus I. - ein päpstliches Pfauenrad

setzen, Johannes zur Unterwerfung, zu vielen Aufla-gen und nicht zuletzt zur Rückerstattung der »demheiligen Petrus entrissenen Besitzungen« zwingen –ein Scheinfriede, der nicht von langer Dauer war.20

Und selbstverständlich stellten sich auch ander-wärts die Mitbrüder wider den hl. Nikolaus, beson-ders scharf Hinkmar von Reims (845–882), der mäch-tigste Metropolit nicht nur im Frankenreich. Vergeb-lich hatte er davon geträumt, Vikar des Papstes zuwerden, ja, mit königlicher Hilfe die westfränkischeKirche von Rom zu lösen, natürlich unter ReimserPrimat.

Erzbischof Hinkmar lebte im offenen Konflikt mitseinem aufmüpfigen Suffragan, dem Bischof Rothadvon Soissons. Gestützt auf die PseudoisidorischenFälschungen, wollte dieser gewisse Rechte oder ver-meintliche, die ihm Hinkmar absprach, behalten.Altes und neues Recht, richtiger altes und neues Un-recht standen gegeneinander. Da aber Rothad, der –ganz konform wieder mit den Pseudo-Isidorien – alleÜbergriffe auch der weltlichen Macht auf den kirchli-chen Bereich, auf Kirchengut, Benefizien und derglei-chen verwarf, auch den König gegen sich hatte, setzteHinkmar den widersätzlichen Bischof »nach den ka-nonischen Gesetzen« im Herbst 862 ab und warf ihnin Klosterhaft. Es geschah »am Märtyrergrab der hl.Crispin und Crispinian bei Soissons«, berichtet der

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4.395 Deschner Bd. 5, 197Nikolaus I. - ein päpstliches Pfauenrad

Annalist von St. Bertin – es ist für diesen ZeitraumErzbischof Hinkmar selbst (S. 137), und so wundernwir uns denn nicht, daß sein Bruder in Christo, Bi-schof Rothad, bei ihm »als neuer Pharao« figuriert»und als ein zum Tier verwandelter Mensch« (vgl. I155 ff, 159 ff.). Papst Nikolaus aber erreichte nacheinem Wechsel forscher Schreiben zwischen Rom undReims Hinkmars Unterwerfung und Rothads Wieder-einsetzung 865. Das Interessanteste dabei, um wiedermit dem imprimierten Handbuch der Kirchenge-schichte zu sprechen: »Das Verfahren lief ganz nachden Regeln der falschen Dekretalen ...«

Tatsächlich hatte der Papst gegenüber Hinkmarnicht nur selbst auf diese angespielt, sondern sie auchals seit langem gültig bezeichnet und mit ihnen dieProzeßführung wie sein Urteil begründet. Man nimmtsogar an, daß Bischof Rothad der Überbringer derFälschung nach Rom, vielleicht gar einer der Fälschergewesen sei – wobei offen bleibt, ob der Papst dieDekretalen als Fälschung erkannt hatte.

Wie auch immer – gleich allen Verkündern katholi-scher Demut behagte es Nikolaus, wenn man vor ihmzu Kreuze kroch; wenn etwa ein schuldbewußter Prä-lat in der devoten Art dieser Spezies nach der GnadeSeiner Heiligkeit gierte: »Dem allmächtigen Gott undSankt Peter und der unvergleichlichen Milde EurerHoheit empfehle ich meine Wenigkeit, der Ihr Gottes

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4.396 Deschner Bd. 5, 197Nikolaus I. - ein päpstliches Pfauenrad

Vertretung führt und auf dem ehrwürdigen Stuhl deshöchsten Fürsten als wahrer Apostel sitzt ... EuremBefehl will ich in allen Stücken gehorchen wie Gott,an dessen Statt und in dessen Namen Ihr alles verrich-tet.«21

Widerlich.War es aber schon nicht nach jedes Prälaten Ge-

schmack, sich derart in Rom anzudienern, so sträubtesich erst recht mancher Fürst gegen unwillige Hohe-priester. Dies illustriert der Streit, der größtenteils indas Pontifikat Nikolaus' I. fällt, ein Streit, hinter des-sen vordergründigen moraltheologischen Implikatio-nen wieder nichts als nackte Machtpolitik das Haupterhebt.

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4.397 Deschner Bd. 5, 198Lothars II. Ehestreit: Kaiser Lothar I. teilt sein ...

Lothars II. Ehestreit: Kaiser Lothar I. teilt seinReich

Ludwigs des Frommen ältester Sohn, Kaiser LotharI., war am 29. September 855 im karolingischenHauskloster Prüm (bei Trier) mit Tonsur und untermönchischen Übungen gestorben (S. 140) – nachdemer sich noch in seinen letzten Lebensjahren mit zweileibeigenen Mägden in wilder Ehe verbunden, dochnur sechs Tage in die Asketenkluft gesteckt hatte. Umseine Seele sollen denn auch die Geister des Lichtsund der Finsternis heftig gerungen, die guten Engelaber durch Fürbitte der Prümer Mönche, von Lotharreich mit Schätzen, mit Land beschenkt (wofür derHimmel sich erkenntlich zeigt), die Oberhand behal-ten haben.

Kurz vor seinem Tod hatte der Kaiser sein Reichunter seine drei Söhne geteilt, was die schon ange-schlagene imperiale Macht weiter schwächte. DemÄltesten, Ludwig II. (855–875), seit 840 bereits inVertretung Lothars Unterkönig in Italien, war diesLand und die Kaiserkrone zugefallen. Doch blieb dasKaisertum praktisch auf Italien beschränkt und wurde,entgegen der bisherigen Anschauung, von der Krö-nung durch den Papst hergeleitet!

Lothars I. zweiter Sohn, Lothar II., der mittlereKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.398 Deschner Bd. 5, 199Lothars II. Ehestreit: Kaiser Lothar I. teilt sein ...

(855–869), bekam das karolingische Stammland, diefränkischen Kerngebiete um Aachen und Metz mitNordburgund, das regnum Hlotharii, das, später nachihm benannt, bis heute seinen Namen trägt, sowie dasnördlich anschließende rheinische Gebiet bis Fries-land. Lotharingien, für den Rest des Jahrhunderts hef-tig umstritten, zunächst von Lothars Brüdern Ludwigdem Deutschen und Karl dem Kahlen, dann von denanderen Potentaten aus Ost- und Westfranken, ge-wann schließlich 925 König Heinrich I. als festen Be-standteil des ostfränkisch-deutschen Reiches – nichtohne einen ersten Feldzug freilich.

Der jüngste Kaisersohn Karl von der Provence, einEpileptiker, von dem man weder Nachkommen nochein langes Leben erwartete, erhielt die Provence, dassüdliche Burgund und den Dukat Lyon. Bruder Lo-thar wollte Karl alsbald ins Kloster stecken, aber dieprovencalischen Großen verhinderten es. Doch starbKarl schon mit etwa 23 Jahren im Januar 863 beiLyon, und die beiden älteren Brüder teilten sein Erbe;ihre Beziehungen verschlechterten sich ständig, eskam zu gegenseitigen, erfolglos bleibenden Einfällen.

Lothars II. skandalöser Ehehandel, der ein Jahr-zehnt lang die fränkische Geschichte prägte, ist so-wohl kirchen- wie profanpolitisch von besonderer Be-deutung. Er führte einerseits zur letzten Instanz desPapsttums in Ehesachen, er verhalf andererseits dem

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4.399 Deschner Bd. 5, 199Lothars II. Ehestreit: Kaiser Lothar I. teilt sein ...

ostfränkischen Reich/Deutschland zur GewinnungLothringens.22

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4.400 Deschner Bd. 5, 199Abt Hucbert - »Huren, Hunde und Jagdfalken« ...

Abt Hucbert – »Huren, Hunde und Jagdfalken«und 6600 Märtyrer

Nach dem Zeugnis des Bischofs Adventius von Metzwar bereits der unmündige Lothar von seinem Vatermit Waldrada förmlich verlobt worden. Er war mit ihrverbunden in germanischer Friedel-Ehe (althoch-deutsch: friedila, »Geliebte«, »Gattin«), die man be-sonders bei Standesunterschied schloß, bei Einheiratdes Mannes oder Entführung der Frau. Gleich nachseines Vaters Tod jedoch hatte Lothar II. aus rein po-litischen Gründen Theutberga geheiratet, die Tochterdes burgundischen Grafen Boso, deren einer Bruder,Graf Hucbert, als Abt von St. Maurice den Alpen-übergang von Italien in das Rhonetal beherrschte, unddie Kontrolle wichtiger Alpenpässe verschaffte Lothareine Position für eventuelle Vorstöße nach Burgund.Die Ehe blieb indes kinderlos, und um die Fortdauerseines Reiches zu sichern, verstieß er nach Jahresfrist857 Theutberga, um seine frühere Geliebte Waldradazu heiraten. Wie Theutberga entstammte sie fränki-schem Hochadel, und nach mehreren Quellen soll sieeine Schwester des Erzbischofs Gunthar von Köln ge-wesen sein. Schon vor Lothars Thronbesteigung (855)hatte sie ihm einen Sohn, Hugo, sowie zwei Töchter,Bertha und Gisla geschenkt, die später auch als eben-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.401 Deschner Bd. 5, 200Abt Hucbert - »Huren, Hunde und Jagdfalken« ...

bürtig galten.23

Nun waren seit Ludwig dem Frommen, offenbarunter dem Einfluß seiner geistlichen Berater, erstmalsbestimmte christliche Moralvorstellungen durchge-drungen. Lothar freilich beseelte eine hitzige lebens-lange Leidenschaft, die sich die frommen Christenjener Zeit nur als Produkt finsterer Hexerei denkenkonnten. Regino von Prüm hielt den König »vomTeufel entflammt«, und selbst der hochgelehrte Erzbi-schof Hinkmar erörterte unter Aufbietung seines gan-zen Wissens die Frage, »ob es wahr sein könne, wieviele sagen, daß es Frauen gebe, die durch Zauber-kunst unauslöschlichen Haß zwischen Gatten undGattin wecken und ebenso unsagbare Liebe zwischenMann und Weib entzünden können, so daß der Mannnicht mehr mit seiner Gattin einen ehelichen Verkehrzu pflegen vermöge und nur nach anderen Weibernlechze«. Es versteht sich von selbst, daß der Erzbi-schof diese Frage bejahte, ja durch eine schauerlicheGeschichte samt einer ganzen Liste von Zauberernund Zauberkünsten belegte, zumal er wußte, daß es,wie für jedes Laster besondere Teufel, so auch spezi-elle Unzuchtsteufel gebe.

Bis zu seinem Tod, durch zwölf Jahre, ringt Lotharum seine Ehescheidung, wobei ihn die beiden Erzbi-schöfe von Köln und Trier unterstützten sowie diemeisten lotharingischen Oberhirten. Natürlich machte

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4.402 Deschner Bd. 5, 201Abt Hucbert - »Huren, Hunde und Jagdfalken« ...

er gelegentlich fromme Schenkungen, wie an das Pe-terskloster zu Lyon, Schenkungen für alles mögliche,zum Seelenheil seines jüngsten Bruders, der dort be-graben liegt, zum Heil seines Sohnes Hugo, seiner ge-liebten Gattin Waldrada, zur Sühne seiner Vergehen –es gibt viele Gründe, Klöster und Kirchen reich zumachen.

Um die Scheidung zu erreichen, bezichtigte jetztLothar – unter Ausstreuung mannigfacher Details –Theutberga der Blutschande mit ihrem eigenen BruderHucbert, dem Abt, auch einer künstlich herbeigeführ-ten Fehlgeburt. Nun beging der Abt zwar ringsumRaub und Mord mit »einer Bande von Verbrechern«,trieb es auch bekanntermaßen weidlich mit Weibernund gab für »Huren, Hunde und Jagdfalken« die Ein-künfte einer Abtei aus, die hochberühmt war wegender Gebeine der thebaischen Legion: 6600 Mann er-litten da unter Diokletian das Martyrium – erstmalsallerdings fast eineinhalb Jahrhunderte später behaup-tet. (Und eine Ziffer, die allein die mutmaßliche allerchristlichen Märtyrer in den ersten drei Jahrhunder-ten um ein Mehrfaches übersteigt!) Doch die spezielleBeschuldigung des Prälaten Schürzenjäger war wohlerlogen. Vergeblich auch unternahm Lothar zweiFeldzüge gegen den in seinen Alpenburgen sicher sit-zenden Abt.

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4.403 Deschner Bd. 5, 201Erzbischof Gunthar von Köln verrät ein ...

Erzbischof Gunthar von Köln verrät einerlogenes Beichtgeheimnis

Als selbst ein »Gottesurteil«, eine »Wasserprobe«,bei der Theutbergas Vertreter Hand und Arm »unver-brüht« aus dem siedenden Wasser zog, zu ihren Gun-sten ausging, fand man noch das »Gottesurteil« nichtausreichend (das manche schon damals für faulenZauber hielten, mittels dessen man andere austricksenkonnte – indes die Kirche, trotz des Widerspruchsnicht weniger Theologen, die Praxis dieses iudiciumDei durchaus geduldet, noch in den Hexenprozessenpraktiziert, wahrscheinlich sogar neue Formen, beson-ders die »Kreuzprobe«, erst entwickelt hat). So tischteder königliche Erzkaplan, Erzbischof Gunthar vonKöln (850–870) – der das dortige reiche Kirchengut,einschließlich der heiligen Gefäße »von Gold und Sil-ber und vieler Art« (Annales Xantenses) zugunstenseiner zahlreichen feudalen Verwandtschaft verschleu-derte, seiner Brüder, Neffen, Schwestern, Nichten –,tischte der Prälat die Lüge auf, Theutberga habe ihmihre Sünde in der Beichte bekannt.

Darauf verurteilte sie eine von Schmerz und Schau-der erfüllte, außer von Gunthar von den ErzbischöfenTeutgaud von Trier und Wenilo von Rouen angeführ-te Landessynode in Aachen im Februar 860, vor derKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.404 Deschner Bd. 5, 202Erzbischof Gunthar von Köln verrät ein ...

sie ein erzwungenes, schriftlich aufgezeichnetes,mündlich noch einmal bestätigtes, bald aber widerru-fenes Geständnis ablegte: »Ich, Theutberga, ins Ver-derben geführt durch weiblichen Vorwitz und Schwä-che, gefoltert von Gewissensbissen, lege zur Rettungmeiner Seele und aus Treue gegen meinen Herrn einwahres Geständnis ab vor Gott und seinen h. Engeln,diesen ehrwürdigen Bischöfen und edlen Laien, undbekenne, daß mein Bruder, der Kleriker Hucbert,mich in früher Jugend verführt und mit meinem Kör-per widernatürliche Unzucht getrieben hat. Das be-zeuge ich auf mein Gewissen hin, nicht durch eineböswillige Einflüsterung dazu bewogen, noch durchgewalttätigen Zwang dazu getrieben, sondern der ein-fachen Wahrheit gemäß, so wahr mir der Herr helfe,der gekommen ist, die Sünder zu retten und denen,welche die Sünden aufrichtig und wahrheitsgemäß be-kennen, wahre Verzeihung versprochen hat. Ich er-dichte nichts, ich bekenne die Wahrheit mit meinemMunde, ich bekräftige sie durch dieses eigenhändigeSchriftstück, weil es für mich unkluges und betroge-nes Weib ein geringeres Unglück ist, vor den Men-schen offen meine Schuld zu bekennen, als vor demRichterstuhl Gottes erröten zu müssen und der ewigenVerdammnis anheimzufallen.«

Nach Regino von Prüm hatte der König die Zu-stimmung des Kölner Kirchenfürsten, damals sein

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4.405 Deschner Bd. 5, 203Erzbischof Gunthar von Köln verrät ein ...

Erzkapellan, »auf jegliche Weise« zu gewinnen ver-sucht, hatte er dem großen Verwandtenwohltätersogar versprochen, seine Nichte zu ehelichen. Siewurde denn auch, berichtet der Abt, 864 an den Hofgeholt und, »wie man erzählt, einmal von ihm genot-züchtigt (constupratur), dann unter dem Gelächter unddem Hohne aller ihrem Oheim zurückgeschickt«.Aber Seelsorge ist noch nie leicht gewesen ...

Immer mehr entwickelte sich eine Schmierenkomö-die. Die ehrwürdigen Konzilsväter waren über Theut-bergas Bekenntnis zutiefst schockiert. Sie wolltenvom König wissen, ob »dieses Weib« von ihm er-preßt worden sei, was er mit Schwüren und Seufzernverneinte. Und ebenfalls versicherte Theutberga, siehabe alles ganz freiwillig bekannt und wolle nie dage-gen klagen. Darauf verbot man ihr zwar die Führungder Ehe mit Lothar, annullierte diese selbst aber nicht.Doch verschwand die Königin sofort in Klosterhaft,um ihr Vergehen nach dem Wunsch der Synodalenzeitlebens zu büßen, zu beweinen. Noch im selbenJahr indes floh sie in das Westreich, wo auch ihr Bru-derherz Hucbert, der verheiratete Priester und dann ineinem Gefecht fallende Abt, aus seiner Abtei verjagt,unter Karls des Kahlen Schutz und Schirm weilte, derseinerseits bereits zu hoffen begann, das Erbe desNeffen, Lothars Land, zumindest teilweise zu gewin-nen – freilich nur, falls dessen Ehe mit der kinderlo-

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4.406 Deschner Bd. 5, 203Erzbischof Gunthar von Köln verrät ein ...

sen Gattin fortbestand, wofür Karl selbstverständlicheintrat. Und ebenso sein einflußreichster Prälat, Hink-mar von Reims, Ende 860 in seiner so umfänglichenwie spitzfindigen Schrift »Über die EhescheidungKönig Lothars«.

Lothar, von tiefstem Gram erfüllt, hätte Theutber-gas Schande am liebsten verschwiegen, doch sei allesschon zu weit verbreitet gewesen. Ja, er hätte Theut-berga »aus freien Stücken bei sich behalten«, wäre sie»für das Ehebett geeignet und nicht durch den ver-derblichen Makel der Blutschande besudelt« (Regino-nis chronica). So erwies sich eine weitere Landessyn-ode in Aachen Ende April 862 (mit den Bischöfenvon Metz, Verdun, Toul, Tongern, Utrecht und Straß-burg sowie den Wortführern, den Metropoliten wiedervon Köln und Trier) dem König erneut nützlich. Sieerklärte die Ehe mit Theutberga für nichtig und er-laubte eine andere rechtmäßige Heirat. Noch anWeihnachten vermählte sich Lothar, »durch Zauber-künste, wie es heißt, verhext« (Annales Bertiniani),offiziell und feierlich mit der Konkubine seiner Ju-gend, und ein Bischof aus dem Reich Ludwigs II.,Hagen von Bergamo, krönte Waldrada zur Köni-gin.24

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4.407 Deschner Bd. 5, 204Nikolaus I. im Kampf mit dem ostfränkischen ...

Nikolaus I. im Kampf mit dem ostfränkischenEpiskopat und dem Kaiser

Der Papst hatte bisher, trotz des offenkundigen Un-rechts, das Theutberga widerfahren, jahrelang ge-schwiegen, ja deren wiederholte Hilferufe ignoriert –er war von Lothars Bruder Kaiser Ludwig II. (S. 179ff.), dem Herrscher über den größten Teil Italiens,auch über Rom und den Kirchenstaat, faktisch abhän-gig. Erst als Lothar 863/864 mit Ludwig um das Erbeihres Bruders Karl von der Provence in Streit geriet,ging Nikolaus (schärfer) gegen Lothar vor. Er kom-mandierte nun den gesamten ost- und westfränkischenEpiskopat zu einer Reichssynode nach Metz, die auchim Juni 863 zusammentrat, doch nur Bischöfe Lo-thars versammelte. Dazu kamen zwei den Vorsitz füh-rende römische Legaten, die der Papst seine »vertrau-ten Ratgeber« nannte, die Bischöfe Johann von Fi-cocle (heute Cervia bei Ravenna) und Radoald vonPorto, letzterer schon, was eben ruchbar wurde, durchdie Byzantiner bestochen. Lothar nutzte gleich dieGelegenheit und bestach beide. Die Legaten legtendarauf die Schreiben ihres Herrn teils gar nicht, teilsverfälscht vor »und taten nichts von dem, was ihnengemäß dem heiligen Befehl aufgetragen war« (Anna-les Bertiniani). So wurde die Ehe Lothars in seinerKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.408 Deschner Bd. 5, 204Nikolaus I. im Kampf mit dem ostfränkischen ...

Gegenwart durch die Bischöfe einstimmig für nichtigerklärt und die selbst nicht anwesende Theutberga er-neut verurteilt, was freilich gegen das Kirchenrechtverstieß, da über Abwesende nicht gerichtet werdendurfte.

Doch beschloß man – vom Papst gar nicht ver-langt –, noch seine Bestätigung einzuholen. Mit denLegaten reisten die beiden Metropoliten, Gunthar vonKöln, der als besonderer Kenner der Bibel und Kano-nes die Schriftsätze für die königliche Scheidung ge-liefert hatte, sowie der reichlich einfältige, abergleichfalls sehr edelbürtige Teutgaud, zu »jenemStuhl des seligen Petrus«, wie Abt Regino kühn be-hauptet, »der weder je täuschte noch sich durch irgendeine Ketzerei je täuschen ließ ...«25

In Rom hatte inzwischen der Episkopat aus demWestreich interveniert, neue Vorwürfe gegen Lotharerhoben, ja, die Lauheit des Papstes getadelt, der erstjetzt von der Krönung Waldradas erfuhr. Und da erdurch Karl den Kahlen die eigene Macht zu stärkenglaubte, machte er sich nun dessen Politik zu eigen.Er trat erstmals streng gegen Lothar auf, nannte seineEhe verbrecherisch und eröffnete gegen die eignen Le-gaten ein Disziplinarverfahren, wobei er einen bishe-rigen Vertrauten, Bischof Radoald, der neuen Politikopferte.

Die beiden Kirchenhäupter von Köln und Trier, dieKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.409 Deschner Bd. 5, 205Nikolaus I. im Kampf mit dem ostfränkischen ...

Nikolaus im Herbst 863 zunächst freundlich empfan-gen, ließ er dann drei Wochen warten und erklärte siedurch eine römische Synode, ohne Zuziehung einerSynode von Bischöfen derselben Provinz, was jedemHerkommen widersprach, für abgesetzt und exkom-muniziert: gänzlich ungehört, ohne förmliches Ge-richtsverfahren, ohne Anklage, Verteidigung, ohneVernehmung und Zeugen – ein eklatanter Bruch derRechtsordnung, doch von brausendem Beifall beglei-tet. Die Legaten von Metz traf die gleiche Strafe.

Den König verurteilte Nikolaus noch nicht. DieMetzer Synode aber charakterisierte er als eine »Räu-bersynode« und »Hurenwirtschaft«, das Protokollderselben, das »profanum libellum«, wurde zerissenund verbrannt. Eine rechtliche Begründung für seinUrteil unterließ der Papst freilich. Doch sein Wider-stand machte Lothars Reich noch zu dessen Lebzeitenzum Streitobjekt zwischen den Angrenzern im Ostenund Westen.26

Als der Papst im Sommer 864 Gunthar exkommu-nizierte, nahm diesem Lothar, der ihm doch einigesverdankte, auch sein Erzbistum sowie die damit ver-bundene Würde eines lotharingischen Erzkaplans undgab den Kölner Stuhl nach eigenem Ermessen einemWelfen, dem Abt Hugo. Der aber brach nun »wie einräuberischer Wolf in die Herde Gottes ein«. Zwar ver-trieb man ihn schnell wieder, doch erst »nachdem sehr

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4.410 Deschner Bd. 5, 206Nikolaus I. im Kampf mit dem ostfränkischen ...

viele von ihm in diesem Bistum getötet wordenwaren« (Annales Xantenses).

Als einziger Kirchenfürst opponierte Hinkmar, seit845, dank der Gunst des westfränkischen Königs,Erzbischof von Reims. Wie üblich entstammte er feu-dalen Kreisen und war im Kloster St. Dénis erzogenworden. Er galt als einer der großen Gelehrten seinerZeit, und während er seine erzbischöflichen Rechtegegenüber dem Papst eifrig verteidigte, erstrebte ernicht minder eifrig die eigenen Privilegien gegenüberseinen Bischöfen zu mehren, darunter Rechtstitel, »andie seine Vorgänger nicht einmal gedacht hatten«(Grotz S.J.).

Als Metropolit der lotharingischen Bistümer gehör-te Hinkmar zwar ebenfalls zu den Bischöfen Lothars,sein eigener Sprengel aber lag im angrenzenden ReichKarls des Kahlen, dessen leitender Staatsmann undeinflußreichster Berater er war. Doch schon ummachtvoller als Metropolit schalten und walten zukönnen, erstrebte Hinkmar die Angliederung Lotha-ringiens an den Westen. Deshalb hatte gerade er anLothars Ehestreit ein eminent politisches Interesseund machte daraus die »cause célèbre«. Und erst rechtwar selbstverständlich König Karl II., schnell seinenVorteil witternd, voller »Mitgefühl« für Theutbergas»Unglück« und strikt gegen Lothars, seines Neffen,Scheidung, weil dessen kinderlose Ehe ihm eine große

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4.411 Deschner Bd. 5, 206Nikolaus I. im Kampf mit dem ostfränkischen ...

Erbschaft garantierte.So nahm er nicht nur die aus ihrer Klosterhaft ent-

kommene Theutberga bei sich auf und gab ihrem ver-triebenen Bruder Hucbert, dem Schürzenjäger, die be-rühmteste Abtei des Landes, St. Martin in Tours, son-dern er versagte schließlich auch Lothar die kirchlicheGemeinschaft, ja, bezweifelte sein Königtum. UndErzbischof Hinkmar machte sich natürlich ganz zumSprachrohr seines Herrn, suchte seinen Vorteil immermehr im Vorteil seines Königs, brandmarkte LotharsVorgehen, teils entrüstet, teils voller Hohn, und woll-te die Entscheidung durch eine Reichssynode fäl-len.27

Die beiden gemaßregelten Erzbischöfe aber eiltenwütend nach Benevent, wo Kaiser Ludwig II. gerademit einem Heer lag. Sein zunächst gutes Verhältniszum Papst war längst abgekühlt. So brach er »fas-sungslos vor Zorn« gleich nach Rom auf und stieß miteiner Bittprozession zusammen, von Nikolaus pro-phylaktisch, neben anderen Prozessionen und der Ver-fügung allgemeinen Fastens, zur Bekehrung des kai-serlichen Sinnes angeordnet. Der Papst ging dem Für-sten nicht, wie üblich, entgegen. Und dessen Haude-gen schlugen auf die Bittgänger ein, mißhandelten dieGeistlichen, rissen Kirchenfahnen in den Kot, zer-schmetterten Kreuze, darunter sogar das Kreuz der hl.Helena mit angeblichen Stücken vom Kreuz Jesu.

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4.412 Deschner Bd. 5, 207Nikolaus I. im Kampf mit dem ostfränkischen ...

Man plünderte, erbrach Kirchen, demolierte Häuser,beging Greuel gegen Männer und Frauen; Verletztegab es, Tote. Und als sich der edle Karolinger nachwenigen Tagen von Rom absetzte, ließen seine Trup-pen nicht nur ausgeraubte, zerstörte Wohnstätten zu-rück, sondern auch geschändete Kirchen, vergewaltig-te Nonnen und andere Frauen ... Und die katholischeMajestät »begab sich nach Ravenna und feierte da-selbst das Osterfest ...« (Annales Bertiniani).

Der Papst, dem dies alles wahrscheinlich sehr will-kommen war, hatte sich heimlich nach St. Peter ge-flüchtet und dort zwei, drei Tage strikt gefastet. Erwartete, ein wenig den Märtyrer spielend, gelassen ab.Dann gab der heißspornige Kaiser, umgestimmt durcheinen Todesfall, eine eigene Erkrankung und Gewis-sensbisse auch schon nach.

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4.413 Deschner Bd. 5, 207»Höre, Herr Papst Nikolaus ...«

»Höre, Herr Papst Nikolaus ...« – GekrönteAasgeier und päpstlicher Frontwechsel

Die beiden Erzbischöfe von Köln und Trier aber ver-fluchten jetzt ihrerseits Nikolaus I., »der sich Papstnennt, als Apostel zu den Aposteln zählt und sichzum Kaiser der ganzen Welt machen möchte«. Siewarfen ihm »Aufgeblasenheit« vor, »Verschlagen-heit«, »tyrannisches Wüten«, »Wahnwitz«, auch »beiverschlossenen Türen eine Art Räubersynode«, dieeinen »verfluchten Urteilsspruch« hervorgebrachthabe, »ein verfluchtes, nichtiges Machwerk«. Und daNikolaus die Annahme ihres eigenen verweigerte, de-ponierten sie nun durch Gunthars Bruder, den vomPapst abgesetzten Bischof Hilduin von Cambray, undeinen Schwarm Bewaffneter auf dem Grab St. Petersdiese erstaunlich dreiste Anklageschrift, »teuflischeund bisher unerhörte Kapitel« (Hinkmar), beginnendmit: »Höre, Herr Papst Nikolaus ...«, wobei sie einender Grabwächter erschlugen und mit gezücktenSchwertern sich den Rückzug bahnten.28

Später freilich wurden die zwei Aufmüpfigen sehrviel kleinlauter und starben, sich wieder und wiedervergeblich um ihre Restitution bemühend, als Ver-bannte in Italien, Thietgaud 868, Gunthar 871.

Papst Nikolaus aber, dem die beiden Bischöfe jaKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.414 Deschner Bd. 5, 208»Höre, Herr Papst Nikolaus ...«

gar nicht so falsch angekreidet, er spiele sich als Kai-ser der ganzen Welt auf, stachelte – unbeeindrucktdurch Römer 13 – die fränkischen Prälaten zum Un-gehorsam gegen ihren König auf. Er proklamierte,worauf das katholische Mittelalter noch gern zurück-kam, das Widerstandsrecht gegen unbequeme Herr-scher, gegen Lasterhafte und Tyrannen. Er exkommu-nizierte 866 Waldrada »in göttlichem Eifer«, so dieFuldaer Jahrbücher, »samt allen ihren Mitschuldigen,Teilnehmern und Gönnern«, drohte Lothar gleichfallsmit dem Bann und lehnte das Scheidungsersuchen deraufs äußerste eingeschüchterten Theutberga ebensowie ihren ersehnten Klostereintritt ab – es sei denn,der König verpflichte sich gleichfalls zum Zölibat!»Weil du deinen leiblichen Trieben nachgabst und derWollust die Zügel schießen ließest«, schrieb ihm derPapst einmal, »bist du in einen See von Armseligkeitgeraten und liegst in einem Unflat von Kot.« Diesspiegelt beiläufig ziemlich genau jene von der Kirchedurch die Jahrhunderte gepredigte Sexualmoral, dieRoberto Zapperi auf die kurze Formel brachte:»Alles, was mit der Sexualität zusammenhängt, istschmutzig«.

Da die Dinge für Lothar sich stets schlechter ge-stalteten, griffen seine Onkel jetzt nach der längst be-lauerten Beute. Zwar war der allein berechtigte ErbeLothars Bruder, Kaiser Ludwig – von Lothar noch

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4.415 Deschner Bd. 5, 209»Höre, Herr Papst Nikolaus ...«

kurz vor seinem Tod in Benevent besucht. Doch Karlder Kahle und Ludwig der Deutsche schlossen im Mai867 an der Grabstätte Ludwigs des Frommen, demKloster St. Arnulf von Metz, einen ungewöhnlichschamlosen »Teilungsvertrag« über Lothars Land. ImBeisein mehrerer Erzbischöfe und Bischöfe aus demWest- wie Ostreich erkannten sie sich – übrigens aufdem Territorium des Opfers – den zu erwartenden Zu-wachs »in wahrer Brüderlichkeit« zu gleichen Teilenzu; und natürlich versprachen sie auch der römischenKirche Schutz und Schirm. Lothar aber, dessen Reichseinen beiden Onkeln zuzufallen drohte, erneuertedarauf sogleich mit Ludwig dem Deutschen in Frank-furt ein älteres Sonderbündnis, das sich für Ludwigauszuzahlen schien, denn er suchte sofort beim Papstzu vermitteln, fand Beistand auch bei den eigenen Bi-schöfen, die ihn sogar als Kriegsheld feierten, weil ergerade die Normannen vertrieben hatte.

Doch Papst Nikolaus blieb hart. Noch von seinemKrankenbett, zwei Wochen vor seinem Tod, schickteer unerbittliche Schreiben in den Norden und starb am13. November 867 »nach vielen Mühen für Chri-stus ...«29

Seine Haltung, die der Kirchenlehre entsprach, trugNikolaus seither hohen Ruhm ein. Beiseite freilich,daß zum Beispiel kein Papst und kein Bischof prote-stierten, als Karl »der Große« seine Ehe löste und

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4.416 Deschner Bd. 5, 209»Höre, Herr Papst Nikolaus ...«

eine neue schloß, so gaben für Nikolaus' Vorgehen of-fensichtlich brisante politische Gründe den Aus-schlag. Denn da er von Karl dem Kahlen mehr für dieeigene Macht erhoffte, wechselte er die Fronten, ginger von Kaiser Ludwig II. zu Karl über, wurde er, mitder Sprache späterer Zeiten gesagt, aus einem kaiser-lichen ein französischer Papst. Er machte dem West-franken Aussichten auf die Kaiserwürde, er begün-stigte bewußt dessen Pläne auf die Erbschaft des Nef-fen, ja »er zeigte Karl die Möglichkeit, unter Umstän-den schon bei Lothars Lebzeiten die Hand auf seinReich zu legen« (Haller). Zwar hatte Karl der Kahle,bestochen von Lothar durch Abtretung der reichenAbtei St. Vaast, vorübergehend die Seite getauscht,kehrte aber rasch wieder auf die des Papstes zu-rück.30

Zu bedenken ist auch folgendes.Die Ehe hatte seinerzeit noch längst nicht den künf-

tigen kirchlichen Stellenwert. Der katholische Moral-theologe Bernhard Häring sieht zwar im III. Band sei-ner Moraltheologie »Das Gesetz Christi« auf nureinem Blatt gleich wiederholt die Ehe schon »im Pa-radies gestiftet«, bleibt uns aber beim Hinweis auf»die Erhebung der Ehe zum Sakrament« durch Chri-stus auch einen biblischen Quellenbeleg schuldig.Tatsächlich nämlich hatte man die Monogamie ausdem Heidentum übernommen – wie ja alles, was man

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4.417 Deschner Bd. 5, 210»Höre, Herr Papst Nikolaus ...«

nicht von den Juden stahl! – und sich um die Trauungjahrhundertelang nicht gekümmert. Selbst Nikolaus I.verlangte keine entsprechende kirchliche Zeremonie.Erst im Hochmittelalter erfolgt die Konsenserklärungder Eheleute vor dem Priester. Und erst im 16. Jahr-hundert wird die Ehe ein reguläres Sakrament!

So wird es kaum überraschen, daß im Frankenreichdie Bischöfe mit Eheproblemen juristisch nichts zutun hatten und auch lange gar nicht sonderlich damitzu tun haben wollten. Als Ludwig der Fromme derBischofssynode von Attigny (822) die Schlichtungeines Streites zwischen zwei Ehegatten zuwies, zuzu-weisen suchte, übertrugen dies die Bischöfe denLaien, die gemäß weltlichem Gesetz entscheiden soll-ten! Nach Wilfried Hartmann war es im Frankenreichanscheinend noch um 860 selbstverständlich, »daßEhestreitigkeiten vor ein weltliches Gericht gehören«.Erst im späteren 9. Jahrhundert urteilten die Prälatenin Fragen der Ehescheidung allein, hatten sie auchdieses Recht errungen.31

Während Nikolaus I. noch in den letzten Zügenlag, wurde durch einen seiner Verwandten, den magi-ster militum Sergius, der Kirchenschatz geplündert.Und Herzog Lambert von Spoleto und Fürst vonCapua nutzte den Trauerfall, um Ende 867 in RomPaläste, Kirchen, Klöster auszurauben und Adelstöch-ter zu entführen. Die Übergriffe, die Gewalttaten

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4.418 Deschner Bd. 5, 210»Höre, Herr Papst Nikolaus ...«

waren derart, daß viele aus der Stadt flohen.

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4.419 Deschner Bd. 5, 211Vom Familienidyll unter Papst Hadrian

Vom Familienidyll unter Papst Hadrian bis zumuneigennützigen Tod Kaiser Ludwigs II. »für die

Sache Christi«

Nach dem Abtritt des Papstes hatte ein ungewöhnlichheftiger Wahlkampf, bestritten besonders von der kai-serlichen Partei und den mit ihr rivalisierenden »Ni-kolaiten«, dem Anhang des letzten Pontifex, mit Ver-haftungen und Ausschreitungen aller Art begonnen;anscheinend auch wieder mit Ambitionen des früherenGegenpapstes Anastasius. Im allgemeinen Drunterund Drüber entfernte und vernichtete er nicht nur ihnbelastende Akten aus dem päpstlichen Archiv, son-dern ließ auch einen persönlichen Feind, der in einerKirche Zuflucht gesucht, blenden.

Schließlich kam ein verheirateter 75jähriger Prie-ster auf den begehrten Thron. Hadrian II. (867–872),schon 855 und 858 als Papstkandidat genannt, warein Sprößling des Bischofs Talarus von Minturno-Gaeta, von dessen Ruf er wohl zu profitieren schien.Überdies sagte man dem einäugigen Heiligen Vater,der auch hinkte, wunderbare Gebetserhörungen nach.Vor seiner Weihe hatte er ein Fräulein Stefania geehe-licht, mit ihr eine Tochter unbekannten Namens, viel-leicht auch Söhne, gezeugt und dann ein trautes Fami-lienleben im Papstpalast geführt.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.420 Deschner Bd. 5, 211Vom Familienidyll unter Papst Hadrian

Jäh beendet wurde dies am 10. März 868, als einerder Söhne des Bischofs Arsenius, Eleutherius, der diebereits anderweitig verlobte Papsttochter zur Frauverlangte, diese samt Mutter Stefania, der Gattin desHeiligen Vaters, mitten in der Fastenzeit entführteund vergewaltigte. Nicht genug, als auf Hadrians Hil-feruf Kaiser Ludwig einschritt, ermordete der ent-täuschte Bischofssohn in seiner Wut beide Frauenund wurde seinerseits abgestochen. Bischof Arsenius,offenbar nicht unbeteiligt, flüchtete aus Rom undstarb bald darauf. Den angeblichen Anstifter des Ver-brechens, Gegenpapst Anastasius, den Bruder desMörders, hatte Hadrian noch am 8. März 868 ineinem Brief an Hinkmar von Reims, zwei Tage vorden oben berichteten Morden, seinen allerliebstenAnastasius genannt, in seine Priesterwürde wiederein-gesetzt und zum Bibliothekar der Kirche gemacht.Nun setzte er ihn ohne Verhör, Zeugen, Verteidigungabermals als Kleriker ab und exkommunizierte ihn.

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4.421 Deschner Bd. 5, 212Ab- und Wiederaufstieg des Anastasius

Ab- und Wiederaufstieg des Anastasius: TodLothars II. – ein »Gottesgericht«

Die Verurteilung des Kardinalpriesters Anastasius er-folgte auf der römischen Synode vom 12. Oktober868 aufgrund schwerster Bezichtigungen: VersuchteEntzweiung von Kaiser und römischer Kirche, Aus-raubung des Papstpalastes nach dem Tod von Niko-laus I., Entwendung gegen ihn ergangener Synodalde-krete unter Leo IV. und Benedikt III., Beteiligung ander Entführung und Ermordung von Hadrians II. Frauund Tochter. Noch andere Vorwürfe schleuderte derPapst auf der Synode dem Anastasius ins Gesicht underklärte: »Zuletzt aber hat er – wie viele von euch mitmir zusammen von einem gewissen Priester Ado, dermit ihm sogar verwandt ist, selbst gehört haben undwie mir auch auf andere Weise aufgedeckt wurde – inkrasser Undankbarkeit gegen die Wohltaten, die wirihm erwiesen haben, einen Mann zu Eleutherius ge-schickt und ihn aufgefordert, die Morde auszuführen(exhortans homicidia perpetrari). Ach, sie sind ge-schehen, ihr wißt es.« Indes, schon Ende des Jahres869 war Anastasius wieder Berater des Papstes, warer zumindest wieder Bibliothekar der römischen Kir-che, was auf den Heiligen Vater ja ein merkwürdigesLicht wirft.32

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4.422 Deschner Bd. 5, 212Ab- und Wiederaufstieg des Anastasius

Zur Stütze seiner papalen Macht gegenüber Bi-schöfen hatte sich der tieffromme, aber nicht sonder-lich charakterfeste Hadrian gleich zu Beginn seinesPontifikats auf zahlreiche Kirchenvätersprüche beru-fen, genau auf 21 Sätze, die sämtlich den pseudoisi-dorischen Fälschungen (S. 181 ff.) entstammten.

Freilich war er nicht aus dem Schrot und Korn sei-nes Vorgängers. Er schwankte, lavierte, löste etwa,zwar unter Vorbehalten, doch aufgrund bloßer Zusi-cherung, Waldrada vom Bann und reichte Lothar, derdeshalb viele Geschenke gab, Gold und Silber, am 1.Juli 869 in Monte Cassino die Kommunion. Hatte derKönig ja beteuert (und sein Gefolge es bestätigt), kei-nerlei Kontakte mehr mit Waldrada zu haben. Auch»seine Helfershelfer (fautores) nahmen mit ihm zu-sammen aus den Händen des Papstes das Abend-mahl«; darunter sogar der abgesetzte Kölner Erzbi-schof Gunthar, »der Urheber und Betreiber dieses öf-fentlichen Ehebruchs«; er allerdings nach Abgabeeiner Sondererklärung »vor Gott und seinen Heili-gen ...« (Annales Bertiniani).

Noch auf der Heimreise, auf der sein Gefolge einerSeuche zum Opfer fiel, wurde auch Lothar in Luccavon einem Fieber befallen und starb am 8. August869 in Piacenza – ein »Gottesgericht«, wie man allge-mein glaubte, wegen des in Monte Cassino geleistetenMeineids. Man begrub den König in dem kleinen

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4.423 Deschner Bd. 5, 212Ab- und Wiederaufstieg des Anastasius

Kloster St. Antonin außerhalb der Stadt. Theutbergaaber, die bald sein Grab besucht haben soll, zumin-dest dort die Mönche generös begüterte, damit sie fürdes Gatten Seelenruhe beteten (denn alles hat hier sei-nen Preis!), endete ihr Leben als Äbtissin des von Lo-thar reich ausgestatteten Klosters der hl. Glodesindein Metz. Und ihre Nebenbuhlerin Waldrada wurdeNonne in Remiremont an der Mosel.33

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4.424 Deschner Bd. 5, 213Heil und Sieg für Karl den Kahlen - und ...

Heil und Sieg für Karl den Kahlen – und»Siegheil« der Bischöfe

Kaum hatte Karl der Kahle, zeitlebens einer der hab-gierigsten, treulosesten, feigsten und erfolgreichstenFürsten seiner Zeit, vom überraschenden Ende seinesNeffen Lothar II. gehört, brach er, entgegen früherenVereinbarungen, nach Lotharingien auf.

Die Lage war günstig: Lothar tot, sein Sohn Hugoillegitim, überdies noch ein Kind; Ludwig der Deut-sche lag schwer krank in Regensburg. Und seineSöhne, wie sich das für gute Christen ziemt, standenalle im Feld gegen die Slawen: Prinz Ludwig (III.)bekriegte mit Sachsen und Thüringern die Sorben,Prinz Karlmann mit den Bayern die Mährer, PrinzKarl (III.) vertrat mit fränkischen und alemannischenTruppen den kranken König, der »Gott den Ausgangder Sache« empfahl. Kaiser Ludwig aber, LotharsBruder und nächstberechtigter Erbe, war nicht nurweit weg, sondern auch kaum abkömmlich. Seit überdrei Jahren stritt er gegen die Sarazenen in Unteritali-en, wo er endlich Bari, ihr Bollwerk in Apulien, aufder Landseite eingeschlossen und mit Hilfe einer gera-de erschienenen byzantinischen Flotte von 400 Schif-fen auch von der Seeseite her abgeriegelt hatte.

Karl der Kahle dagegen, der seit Jahren alle Ange-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.425 Deschner Bd. 5, 214Heil und Sieg für Karl den Kahlen - und ...

legenheiten Lotharingiens, zumal Lothars II. Ehepro-zeß, aufmerksam verfolgte, stand gleichsam unmittel-bar vor der Tür und konnte sich bei dem nun begin-nenden Raubzug auf die Komplizenschaft mehrererEpiskopi fest verlassen, auf Hatto von Verdun, Ad-ventius von Metz, Franco von Lüttich, Arnulf vonToul u.a. Auch begleitete ihn Erzbischof Hinkmar mitzwei seiner Suffraganen, was den Schluß erlaubt, daßer den Usurpationsplan »von Anfang an unterstützt«,den Überfall »maßgeblich« geleitet hat (Reinhardt).

In Attigny forderten einige lotharingische Bischöfeund Große Karl zwar auf, die Grenze nicht zu über-schreiten. Eine andre Gesandtschaft aber lud ihn ein,möglichst rasch nach Metz zu kommen, wo AdventiusBischof war, der nun ebenso beflissen für Karl agiertewie bisher für Lothar. Bedenkenlos rückte der Ag-gressor vor. In Verdun huldigten ihm der Ortsbischofnebst dem von Toul, in Metz weitere Prälaten. Undam 9. September 869 feierte dort Adventius in derStephanskirche den Herrn Karl als von Gott erkore-nen Nachfolger und rechtmäßigen Erben. Adventiuswurde nicht müde, das Zauberwort Gott zu wiederho-len, den Retter in der Not, um allen klar zu machen,daß es hier um nichts als um Gottes Willen ging, denanwesenden Herrn Karl, den rechtmäßigen Erben, denGott selbst zu ihrem Heil erwählt, nun zu ihremKönig und Fürsten zu machen. Und wie das Metzer

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4.426 Deschner Bd. 5, 214Heil und Sieg für Karl den Kahlen - und ...

Oberhaupt, so viele andere Seelenhirten.Eine »Komödie der Rechtfertigung« nennt es En-

gelbert Mühlbacher. »Die Bischöfe, welche noch vorJahresfrist so feierlich ihren Patriotismus gegen diewestfränkischen Aneignungsgelüste bekundet hatten,zauderten jetzt keinen Augenblick, dem Rechtsbruchgegenüber dem Neffen, dem Vertragsbruch gegenüberdem Bruder die kirchliche Weihe zu leihen. Unwahr-heit und Heuchelei, die sich nicht scheute, selbst denNamen Gottes in ihr Getriebe hineinzuzerren, umhüll-ten den eigennützigen Zweck. Woher nahmen sie,noch dazu eine Minderheit, das Recht, über ein Reich,dessen Besitz an die Erbfolge gebunden war, zu ver-fügen, in einem Reich, das nur ein Erbkönigtumkannte, einen fremden König zu bestellen? Taten sieanders als die westfränkischen Großen, da sie dendeutschen König in ihr Land riefen? War Karl nichtebenso Usurpator als bei seinem Angriff auf dasWestreich der deutsche König, den Hinkmar vonReims und zum Teil dieselben Bischöfe nicht scharfgenug verurteilen, nicht tief genug demütigen zu kön-nen glaubten?«

Karl insistierte seinerseits auf seiner göttlichen Er-wähltheit, betonte auch den allgemeinen Konsens derGeistlichen und Großen, versprach, Ehre und Würdeder Kirche zu wahren, auch alles mögliche sonst zuschätzen und zu schützen – das bei derlei Gelegenhei-

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4.427 Deschner Bd. 5, 215Heil und Sieg für Karl den Kahlen - und ...

ten stets Abzuleiernde. Daß auch Erzbischof Hinkmarbeteuerte, König Karl sei unter Gottes Führung nachMetz gekommen, versteht sich von selbst. Woraufman »Großer Gott, wir loben Dich« anstimmte undder königliche Räuber zu seinem Heil (und Sieg)jeden Bischof ein Gebetlein sagen und sich salben,krönen ließ, um gleich danach in den Ardennen beim»edlen« Weidwerk auszuspannen, für neue Taten fitzu werden.

Zum Beispiel – da gerade am 6. Oktober in St.Denis seine Frau Irmintrud, die Mutter von acht Kin-dern, verschieden war – für die Begegnung mit seinerjugendlichen Konkubine Richildis, einer VerwandtenLothars II. Ihr Bruder, Graf Boso, hatte sie schleu-nigst zu liefern und bekam für diesen Liebesdienst dieAbtei St. Maurice nebst weiteren Lehen. Der katholi-sche Fürst aber feierte, noch keine Woche Witwer,kaum drei Tage nach seiner Benachrichtigung vomTod der Gattin, am 12. Oktober seine »Vereinigung«mit Richildis – während gleichzeitig die Normannen,die schon an der Loire siedelten, Le Mans und Toursnach allen Regeln der Kriegskunst brandschatzten.34

Die Bischöfe hatten Karls Usurpation ungezählte-male auf das Wirken Gottes bezogen, hatten denLandraub geradezu als Gottes Werk erklärt. PapstHadrian II. dagegen mühte sich, die Thronfolge Lud-wig II. zu verschaffen, seinem »geliebten geistlichen

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4.428 Deschner Bd. 5, 216Heil und Sieg für Karl den Kahlen - und ...

Sohn«, von Abt Regino nicht nur »fromm« genannt,sondern auch »ein Beschützer der Kirchen« und »volldemütiger Unterwürfigkeit gegen die Diener Gottes«,was da stets mehr zieht als alles. Zudem dieser Kai-ser, zu seinem Schaden selbstverständlich, die immermehr anstürmenden Sarazenen bekriegte, besiegte unddamit ja auch durchaus nicht aufhören sollte, um etwaim Norden sein Erbe zu sichern. Ergo bedrohte derHeilige Vater alle, besonders aber die Bischöfe, diesich gegen seinen Schützling stellten und an dessenErbrechten vergriffen, mit dem Kirchenbann; wie Un-gläubige und Tyrannen wollte er sie behandeln. Dochniemand scherte sich um das Gezeter des Römers, undder Kaiser selbst war weit und, wie gesagt, beschäf-tigt.

Erst recht kümmerten natürlich Karl den Kahlendie päpstlichen Wünsche nicht. Vielmehr verband ersich mit dem Normannenführer Rorich, der, inzwi-schen zwar Christ, gleichwohl »die Geißel der Chri-stenheit« blieb – wie ja auch sonst Christen einandersolche Geißeln seit Jahrhunderten waren, fort und fortblieben und bleiben. Als freilich der überraschend ge-nesene Ludwig der Deutsche dem Usurpator mitKrieg drohte, ihm auch gleich entgegenrückte, lenkteKarl ein.

Nach längeren Vorverhandlungen kamen beide Kö-nige bei Meersen zusammen (am Maasufer in den

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4.429 Deschner Bd. 5, 216Heil und Sieg für Karl den Kahlen - und ...

Niederlanden, wo sich um die Mitte des Jahrhundertsschon mehrfach fränkische Fürsten verabredet hatten)und teilten am 8. August 870, genau ein Jahr nachLothars II. Tod, kurzerhand dessen Reich nördlich derAlpen gleichmäßig unter sich auf; wobei Maas, Moselund Saone ungefähr die Grenze bildeten – bis zehnJahre später freilich durch die Verträge von Verdun(879) und Ribemont (880) der ganze westliche TeilLotharingiens wieder Ostfranken zufiel.35

Weitere Proteste des Papstes hinkten nur hinterdem Vollzogenen her. Doch weder Karl der Kahle,der »zum drittenmal Gemahnte«, noch der wohl ammeisten abgekanzelte Erzbischof Hinkmar, den derRömer, vermutlich zu Recht, geradezu den Initiatordes Bösen, des Raubes schimpfte, noch die übrigenPrälaten scherten sich sehr darum. Vielmehr hörte derHeilige Vater bald darauf von Karl, daß die Franken-könige in ihren Ländern herrschten und nicht die Bi-schöfe, weshalb er denn auch gelassen annektierte,was ihm der Teilungsvertrag von Meersen einge-bracht.

Wie Hadrian aber schon gegenüber Lothar undWaldrada nachgeben mußte, so auch in anderen Kon-flikten, in zivilen und kirchlichen Streitfällen im Ka-rolingerreich, zumal in einem Zerwürfnis des BischofsHinkmar von Laon und seines mächtigen OnkelsHinkmar von Reims sowie Karls des Kahlen. Man

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verwahrte sich gegen Einmischungen, zu denen ernicht befugt sei. Ganz massiv verbat sich Karl römi-sche Befehle, die in seine Rechte eingriffen. Der Papstmußte sogar persönliche Briefe verleugnen, die seinSekretär geschrieben hatte. Sie seien ihm, erklärte er,während seiner Erkrankung entrissen, ja, sie seien er-dichtet worden. Auch eine Synode von 30 fränkischenBischöfen ergriff Partei für den König.

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4.431 Deschner Bd. 5, 217Kaiser Ludwig II. stirbt erschöpft für Christus, ...

Kaiser Ludwig II. stirbt erschöpft für Christus,und die Kirche beerbt ihn

Nun schien seinerzeit wenigstens im Süden Italienssich ein Lichtblick zu bieten. Gelang es doch endlichLudwig II. nach mehrjähriger Belagerung 871 Bari,das Sarazenenzentrum auf der Halbinsel, den Sitzeines arabischen Emirs, mit byzantinischer Hilfe zuerobern. Freilich konnte der Kaiser auch im selbenJahr durch den Herzog Adelchis von Benevent ineinem Handstreich gefangen genommen werden, wo-nach er seine beherrschende Stellung verlor, aller-dings weniger wegen solcher als infolge mißlicher dy-nastischer Umstände. Seine Frau Angilberga, dereinst fränkischen Sippe der Suponiden entstammend,war zwar ungewöhnlich aktiv an seiner Regierung be-teiligt, selbst (besonders seit seiner Erkrankung undJagdverletzung 864) an militärischen Aktionen, hatteihm aber nur zwei Töchter geboren. Ihr Versuch, nachEintritt des Erbfalls Italien samt Kaiserkrone den ost-fränkischen Karolingern zuzuspielen, mißlang durchden Widerstand des oberitalischen Adels, der sichmehrheitlich für Karl den Kahlen entschied. Und derPapst stellte jetzt in einer jähen politischen WendungKarl sogar die Kaiserkrone in Aussicht.36

Kaiser Ludwig II. (855–875), Lothars I. ältesterKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.432 Deschner Bd. 5, 218Kaiser Ludwig II. stirbt erschöpft für Christus, ...

Sohn, hatte fast sein ganzes Leben in Italien ver-bracht. Im Süden des Landes rivalisierten byzantini-sche und langobardische Machtinteressen, dazu gabes zahlreiche lokale Zwistigkeiten – alles selbstver-ständlich Wasser auf die Mühlen der Sarazenen,gegen die Ludwig 866 sämtliche freie Männer Italiensaufgerufen. Oft gelobt und immerfort angefeuert vonden Päpsten, führte er häufig Krieg, unterwarf dieHerzöge von Salerno, Benevent, Capua, kämpftelange in Apulien und konnte so sein Kaisertum natür-lich nur in Reichsitalien, nicht aber nördlich derAlpen zur Geltung bringen, wo im »Mittelreich« seineBrüder Lothar II. und Karl von der Provence herrsch-ten, so daß ihn Erzbischof Hinkmar von Reims ge-ringschätzig »imperator Italiae« nannte. Und schließ-lich mußte er auch noch den Süden sich selbst über-lassen, vor allem wegen der Feindseligkeit seinerchristlichen Fürsten, zumal auch des oströmischenKaisers.

Ludwig II., der sich »ganz uneigennützig für dieSache Christi erschöpfte« (Riché), ging in der Fremdeunter, und als er am 12. August 875 bei Brescia ge-storben war, erbte seinen gesamten Eigenbesitz in Ita-lien – die Kirche. Kein Wunder, daß sich BischofAnton von Brescia und Erzbischof Ansbert von Mai-land sogleich um seine Leiche rauften. Bischof Antonhatte sie bereits in der Kirche der Jungfrau seiner

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4.433 Deschner Bd. 5, 218Kaiser Ludwig II. stirbt erschöpft für Christus, ...

Stadt beigesetzt, als sie der Mailänder Metropolit inBegleitung der Oberhirten von Bergamo und Cre-mona und der gesamten Klerisei unter Hymnen nachMailand holte.

Da der Kaiser keinen männlichen Nachkommenhinterließ, sollten die ostfränkischen Karolinger be-günstigt und einer seiner Vettern König von Italienwerden; der Herrscher soll noch Karlmann, den älte-sten Sohn des Monarchen, als seinen Nachfolger be-zeichnet haben; auch seine Witwe Angilberga und ihrAnhang wirkten in. diesem Sinn. Aber Ludwig derDeutsche war alt, sein Reich ging der Teilung unterdrei Söhne entgegen, die italienischen Großen warenuneins, und Papst Johann VIII. hatte die KaiserkroneKarl dem Kahlen zugedacht, dem sie zuletzt ja schonJohanns Vorgänger Hadrian II. heimlich versprochen.Dabei hatte dieser – seine letzte überlieferte Amts-handlung – Ludwig II. Mitte Mai 872 in St. Peter einzweites Mal zum Kaiser gekrönt. Im selben Jahr aber,in seinem Todesjahr, schrieb der Papst an Karl: »Wirversichern euch aufrichtig und treu – doch sei dieseine geheime Rede und ein nur den Vertrautesten mit-zuteilender Brief –, daß ..., falls euere Hoheit bei un-seren Lebzeiten den Kaiser überlebt, und wenn je-mand uns auch viele Scheffel Gold anbieten sollte:Wir werden niemand anderen zum römischen Königund Kaiser wünschen und fordern und freiwillig an-

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4.434 Deschner Bd. 5, 219Kaiser Ludwig II. stirbt erschöpft für Christus, ...

nehmen als dich ... Falls du unseren Kaiser überlebst,so ... wünschen wir alle dich nicht nur als unserenAnführer und König, Patricius und Kaiser, sondernals Schutzherrn der gegenwärtigen Kirche ...«

Nur an den Vorteil der römischen Kirche dachtenatürlich auch Johann VIII., der 872 Papst wurde undnun dem westfränkischen König den Kaiserthronanbot, was er später so erläutert: »Karl zeichnet sichaus durch seine Tugend, seine Kämpfe für den Glau-ben und das Recht, sein Bemühen, die Geistlichkeitzu ehren und zu unterweisen. Gott hat ihn daher aus-erwählt zur Ehre und Erhöhung der römischen Kir-che.«

Zum Vorteil Italiens war dies nicht, sollte es auchnicht sein. Vielmehr folgten lauter rasch wechselndeinstabile Regierungen: Karl der Kahle, Karlmann,Karl III., Berengar I., Wido. Und kaum jemand ver-hinderte im Regnum Italiae so zielstrebigselbstsüchtigwie die Päpste von Jahrhundert zu Jahrhundert jedeeigenstaatliche Entfaltung.37

Unter Hadrian II. hatte Rom mancherlei peinlicheKompromisse und Einbußen hinnehmen müssen. Denwohl größten Verlust aber erlitt es im Zusammenhangmit einem Missionsstreit, der sich aus einem Kompe-tenzkonflikt zu einem Kampf zwischen Ost und Westauf der Balkanhalbinsel und darüber hinaus entwik-kelte.

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4.435 Deschner Bd. 5, 220Rom verliert Bulgarien

Rom verliert Bulgarien

Bei der Ausbreitung des Christentums arbeiteten dieKirchen des Ostens und Westens einander nicht zu,sondern entgegen; sie konkurrierten scharf. Jede Seitewollte möglichst viel an sich reißen. Die Franken vonBöhmen und Mähren, von Kroaten und Serben, dieGriechen im Land der Waräger (altruss. varjag = Wi-kinger) von Kijew – skandinavische Herren, die sichdort mit ihrem Gefolge im späten 8. oder frühen 9.Jahrhundert festsetzten (S. 464). Doch machten grie-chische Prediger auch im Mährischen Reich Frontgegen die Franken. Und als Khan Boris von Bulgari-en 862. dem ostfränkischen König wider dessen auf-ständischen Sprößling Karlmann beistand, worauf dieFranken die Christianisierung Bulgariens ins Augefaßten, bekriegte Michael III. von Byzanz die Bulga-ren und zwang sie durch seine Priester zur Taufe. DieBulgaren, deren Nation im Lauf des Frühmittelaltersaus der Verschmelzung von Thrakern, Slawen undProtobulgaren entstand, waren Asiaten vom Mittel-und Oberlauf der Wolga, wo sie ein (dann mohamme-danisch gewordenes) Khaganat gegründet hatten; esbehauptete sich mit seiner Hauptstadt Bulgar bis insSpätmittelalter, bis es der Mongolensturm überrollte.

Im Gefolge der Hunnen kamen bulgarische Volks-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.436 Deschner Bd. 5, 220Rom verliert Bulgarien

gruppen an die Donau, auf den Balkan, wurden dortallmählich seßhaft und ein gefährlicher Nachbar vonByzanz. Als Wall gegen sie errichtete Kaiser Anasta-sios I. (491–518), ein entschiedener Monophysit (II324 ff., 346 ff.), 65 Kilometer vor Konstantinopeleine Mauer vom Marmarameer bis zum SchwarzenMeer. Zur Zeit Justinians (II 7. Kap.) brandeten siemit anderen Slawenstämmen in immer neuen Wellenheran, 557 fielen sie in Thrakien ein, um 589 erreich-ten sie den Peloponnes. 592 begann Kaiser Maurikioseinen Krieg wider sie, der sich auch nach seiner Er-mordung noch lange hinzog. Und im späten 7. Jahr-hundert hatten sie die byzantinischen Herrscher be-reits zu einer jährlichen Tributzahlung, 716 zur Aner-kennung ihrer Unabhängigkeit genötigt. Ihr erstesKönigreich, 681 mit der Hauptstadt Pliska gegründet,bestand bis 1018.

Allerdings überschätzten sich die Bulgaren, als siekurz nach der Mitte des 8. Jahrhunderts im Süden undSüdwesten auf byzantinisches Gebiet vorstießen. Kai-ser Konstantin V. Kopronymos führte darauf in zwan-zig Jahren gegen ihren Khan Tervel zehn Feldzüge zuWasser und zu Land, ohne ihn freilich vernichten zukönnen. Wiewohl sehr geschwächt und trotz häufigerThronstürze mit teilweiser Tötung oder Verbannungihrer Fürsten erholten sich die Bulgaren wieder undmachten unter dem Khan Krum (803–814), einem

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4.437 Deschner Bd. 5, 221Rom verliert Bulgarien

ihrer bedeutendsten Herrscher, neue Eroberungen, u.a.809 Serdika (Sofia). Zwar beantwortete Kaiser Nike-phoros I. Krums antibyzantinische Außenpolitik 811mit einem Einmarsch, wobei er mit seiner großenArmee sogar die bulgarische Hauptstadt Pliska nahmund zerstörte, wurde jedoch seinerseits von Krum am26. Juli auf dem Rückweg, wohl am Verigava-Paß(heute Vurbiški prochod), aus dem Hinterhalt überfal-len und verlor Schlacht wie Leben.

Seit diesem Jahr tranken die bulgarischen Zaren,die sich schon früh »Fürsten von Gott« nannten, ausdem Schädel des byzantinischen Kaisers, der in Goldgefaßten Hirnschale des Nikephoros. Krum selbst rui-nierte fast ganz Thrakien, kam bis vor die MauernKonstantinopels, starb aber plötzlich mitten in denVorbereitungen der Belagerung im April 814.

Einen seiner Nachfolger, Khan Boris I. (852–889,gest. 907), trieb die Annäherung zwischen dem By-zantinischen und dem Großmährischen Reich unterRatislav zu einem Bündnis mit Ludwig dem Deut-schen, einer Öffnung auch gegenüber der ostfrän-kisch-bayerischen Kirche. Zunächst freilich verhinder-te Byzanz dies, indem es 864 durch einen großenFeldzug, eine überraschende Heeres- und Flottende-monstration, Khan Boris I. zwang, sein Bündnis mitden Franken preiszugeben und die Bulgaren im Früh-herbst 865 durch byzantinische Priester taufen zu las-

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4.438 Deschner Bd. 5, 221Rom verliert Bulgarien

sen. Und als bulgarische Große sich widersetzten,schlug Boris den Aufstand seiner heidnischen Adligennieder, wobei er deren Frauen und Kinder hinrichten,ganze Geschlechter grausam ausrotten ließ – Grundgenug, ihn nach seinem Tod als Heiligen zu verehren.Gleichwohl: durch sechshundert Jahre haben daschristliche Bulgarien und das christliche Byzanz ein-ander bekämpft.38

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4.439 Deschner Bd. 5, 222Sex, Seelsorge und kleine Bestechungen

Sex, Seelsorge, kleine Bestechungen undAbstechungen am Hof von Byzanz

Als Khan Boris 865 zu Kreuz kroch, als er den offizi-ellen Übertritt zum byzantinischen Bekenntnis voll-zog, erhielt er den Namen seines kaiserlichen Paten:Michael.

Michael III. von Byzanz (842–867), nicht ganz sozügellos, wie lange von der Geschichtsschreibung ge-schildert, schätzte immerhin Pferde, Weiber sehr,auch den schönen, von Frauen begehrten verheiratetenPferdeknecht Basileios, den er zum kaiserlichen Stall-meister und Oberkammerherrn machte, auch zumEhemann der eigenen Geliebten, mit der er's gleich-wohl selber weitertrieb, während Basileios, der ihnspäter umbrachte, sich an des Kaisers Schwesterschadlos hielt, und in Wirklichkeit Onkel Bardas re-gierte, bis ihn Basileios gleichfalls ermordet hat. Einchristlicher Kaiserhof schon jahrhundertelang.

Bardas, seit 862 zum Cäsar aufgestiegen, vielseitigbegabt, gebildet, Gründer gar einer privaten Hoch-schule in Konstantinopel, war freilich auch in dennicht unblutigen Staatsstreich von 856 verstricktsowie in die Verdrängung der Kaiserwitwe Theodora.Auch hatte er seine erste Gattin verstoßen und lebteoffenkundig in »Blutschande« mit der Witwe seinesKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.440 Deschner Bd. 5, 222Sex, Seelsorge und kleine Bestechungen

Sohnes, was dem Patriarchen Ignatios so mißfiel, daßBardas 858 ebenso energisch dessen Abdankung undVerbannung betrieb wie die Ernennung des Photiosnoch im selben Jahr. So gehen Sex und Seelsorgehäufig schönstens ineinander über – wie mutatis mu-tandis bekanntlich noch heute.

Patriarch Photios (858–867 und 877–886), einVerwandter des Kaiserhauses, hatte es, nach dem er-zwungenen Verzicht seines Vorgängers Ignatios(Sohn des gestürzten Kaisers Michael I.), entgegendem Kirchenrecht, in fünf Tagen vom Nichtklerikerbis zum Patriarchen gebracht – ein Laientheologezwar, jedoch der bedeutendste Gelehrte seiner Zeit.Natürlich protestierte er gegen westliche Missionareim Bulgarenreich, gegen die Ehelosigkeit der westli-chen Priester, gegen westliche »Ketzerei«, die Einfü-gung des »Filioque« (das Emanieren des HeiligenGeistes aus Vater »und Sohn«, für die griechischeKirche Hauptursache des Schismas von 1054) in dasGlaubenssymbol u.a.

Der Papst vermochte sich aus dem im Orient toben-den Kampf zwischen Photianern und Ignatianern, diewechselseitig die Legitimität des alten wie des neuenPatriarchen anfochten, natürlich nicht herauszuhalten.Nikolaus I. verweigerte dem gefährlichen RivalenPhotios die Anerkennung, und Photios erklärte dasPatriarchat des Ignatios durch eine Synode für illegi-

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4.441 Deschner Bd. 5, 223Sex, Seelsorge und kleine Bestechungen

tim. Zwei päpstliche Legaten, im Osten bestochen,billigten die Absetzung des Ignatios sowie die Einset-zung des Photios. Der Papst bannte sie, erkannteIgnatios als rechtmäßig an und sprach auf der Late-ransynode 863 feierlich die Deposition und Exkom-munikation des Photios aus, was eine gereizte Korre-spondenz zwischen diesem, Nikolaus, und dem Ost-kaiser auslöste. 867 verurteilte Photios den Papst underklärte ihn seinerseits, was er nie im geringsten be-dauert hat, für abgesetzt und alle für ausgeschlossen,die weiter zu ihm stehen würden. Und exkommuni-zierte man ihn schließlich auch im Osten auf demKonzil von Konstantinopel 869/870, man setzte ihnauch wieder ein, ja selbst Rom erkannte ihn an. DerPapst bestand nur darauf, daß sich Photios für alleseine Taten entschuldige, und ließ dann auch dieseForderung fallen – wohl weil man byzantinische Hilfegegen die Araber erhoffte (S. 261). Doch der ganzeStreit führte schließlich zum Schisma und zur endgül-tigen Trennung Roms vom griechischen Reich.39

Und er verschärfte die Auseinandersetzung über dieChristianisierung der Slawen.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.442 Deschner Bd. 5, 224Päpstlicher Rat für Bulgarien

Päpstlicher Rat für Bulgarien: nicht mit demPferdeschwanz, sondern mit dem Kreuz in die

Schlacht!

Mit dem Patriarchen Photios zusammen förderteCäsar Bardas die byzantinische Missionisierung derSlawen, um den sowohl politischen wie kirchlichenDruck aus dem Westen, besonders auf Bulgarien, bes-ser bestehen zu können. Andererseits aber suchte derBulgarenfürst Boris I. seinerzeit dem übermächtigenEinfluß der byzantinischen Politik und Kirche zu ent-gehen. Dabei nutzte er die politische Unsicherheit imOsten nach der Ermordung des Bardas 866 durch denspäteren Kaiser Basileios I. (S. 261) zu einer Kon-taktnahme mit Rom in Erwartung einer weniger ab-hängigen Kirchenorganisation. Nikolaus I., dessenBeziehungen zu Byzanz sich ohnehin ständig ver-schlechtert hatten, sandte denn auch im Herbst 866die beiden Bischöfe Paulus von Populonia und For-mosus von Portus, den späteren Papst, die unausge-setzt Bulgarenscharen tauften, die griechischen Prie-ster außer Landes jagten und den Khan drängten, bloßrömische Geistliche und römische Liturgie anzuneh-men.

Da Bulgarien großenteils unter byzantinische Kir-chenhoheit fiel und gerade erst auch durch ByzantinerKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.443 Deschner Bd. 5, 224Päpstlicher Rat für Bulgarien

christianisiert worden war, verurteilte eine von Pho-tios im Spätsommer 867 einberufene Synode die latei-nische Mission in Bulgarien und setzte Papst Niko-laus I. ab, den diese (Frohe) Botschaft dann allerdingsnicht mehr erreichte. Doch wachten seine Bekehrer ei-fersüchtig über ihre Errungenschaften. Auch Ludwigsdes Deutschen etwas später kommende Heilsbringerunter dem am Südosten besonders interessierten Pas-sauer Bischof Ermenrich (866–872) mußten verärgertwieder umkehren, da die römische Mission von PapstNikolaus sie nicht sonderlich schätzte, hatte diesedoch »das ganze Land schon mit Predigten und Tau-fen erfüllt« (Annales Fuldenses).

Der Papst persönlich belehrte die Bulgaren, unterdem Titel »Responsa«, in 106 Punkten über fast allewichtigen Dinge des menschlichen Lebens. Zum Bei-spiel, daß der Patriarch von Rom, also er selbst, vielbedeutender sei als der von Konstantinopel, daß siesich vor griechischen Riten, die er nicht nur angriff,sondern lächerlich machte, vorsehen und Rom unter-werfen sollten. Er sagte ihnen auch, wie sie sich klei-den, wie sie heiraten, wann sie essen, wann ehelichenBeischlaf vollziehen dürften etc. Und riet geradezu re-volutionär, doch nicht mehr mit einem Pferdeschweifals Fahne in die Schlacht zu ziehn, sondern mit demKreuz! So wurde der Bulgarenkhan schließlich über-zeugt, er bekannte sich als Diener des hl. Petrus und

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4.444 Deschner Bd. 5, 225Päpstlicher Rat für Bulgarien

erklärte seine Unterwerfung – »die abendländisch-rö-mische Obödienz hatte nahezu die Tore von Konstan-tinopel erreicht!« (Handbuch der Europäischen Ge-schichte).

Freilich, auch Roms Triumph währte nicht lang.Denn da Fürst Boris keinen autokephalen bulgari-schen Patriarchen bekam, da weder Nikolaus I. denerbetenen Bischof Formosus noch Nikolaus-Nachfol-ger Hadrian II. den angeforderten Diakon Marinusschickte, da Boris zudem hören mußte, der römischePapst und der Patriarch von Konstantinopel hätteneinander gegenseitig exkommuniziert und abgesetzt,wandte sich die von Byzanz stets eifrig umworbenebulgarische Kirche gleich nach dem Konzil von Kon-stantinopel 869/870 wieder dem dortigen Patriarchatzu, womit ihr Missionsgebiet erneut an die griechi-sche Kirche fiel. Und nun wurden, allen päpstlichenProtesten zum Trotz, die lateinischen Priester vertrie-ben. Und mochte auch Johann VIII. bald noch so sehrden Bulgarenzaren mahnen, warnen und mit PetriHimmelsschlüsseln locken, drohen, mochte er sichwie auch immer mühen, Bulgarien doch noch unterdas römische Heil und gegen die »sub fide falsi« zuzwingen, es blieb fortan bei Konstantinopel undkonnte so auch seine Eigenständigkeit wahren. 928wurde die bulgarische Kirche von der byzantinischenals autokephal anerkannt.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.445 Deschner Bd. 5, 225Päpstlicher Rat für Bulgarien

Photios aber, alles im Christentum seiner Zeitüberragend, stürzte 886 ein zweitesmal und zog sichhinter Klostermauern zurück, zumindest als Theologeund Gelehrter bis heute berühmt. Und auch KhanBoris, der grausame Schlächter seines heidnischenAdels, der Mörder von Frauen und Kindern, wurde(889) Mönch – und heilig, sogar Nationalheiliger derBulgaren (Fest 2. Mai).40

Verdient, verdient.

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4.446 Deschner Bd. 5, 226Rom gewinnt Böhmen und Mähren - Die ...

Rom gewinnt Böhmen und Mähren – Die»Slawenapostel« kommen

In Mähren hatte Ratislaw klar erkannt, ein Anschlußan die Kirchenprovinz Salzburg würde seine Unab-hängigkeit noch stärker gefährden. So erstrebte er aufder Höhe seiner Macht die kirchliche Loslösung vonBayern, suchte er durch Einladung italienischer Mis-sionare Rückhalt in Rom, dachte er an eine nur demPapst verbundene slawische Landeskirche. Nachdemihn Nikolaus aber mit Rücksicht auf die Reichskircheund Ludwig den Deutschen abgewiesen, wünschte ereine Anlehnung an Byzanz, für ihn politisch wenigergefährlich als die nahen frä nkischen Nachbarn. Erdrängte also die bayerische Mission zurück und bat862 Byzanz um Entsendung von griechischen Geistli-chen. Und bald schickte Cäsar Bardas, nur wenigeJahre vor seiner Ermordung wie der auch Kaiser Mi-chaels durch dessen Nachfolger Basileios, die beidenBrüder Konstantin und Methodios mit ihren Missio-naren. So gewann das Großmährische Reich nicht nurseine faktische Unabhängigkeit von den unterwer-fungssüchtigen Ostfranken, sondern auch ein slawi-sches Christentum, gewann in Anlehnung an die grie-chisch-byzantinische Kirche vorerst eine Nationalkir-che Mährens.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.447 Deschner Bd. 5, 226Rom gewinnt Böhmen und Mähren - Die ...

Konstantin (meist mit seinem späteren Namen Ky-rill genannt) und Methodios, das als »Slawenapostel«bekannt gewordene Brüderpaar, entstammte einerhohen Beamtenfamilie in Thessalonike (Saloniki) undwurde im Umkreis des Patriarchen Photios in Kon-stantinopel ausgebildet. Der um 815 geborene ältereMethodios war zunächst kaiserlicher Stratege, dannAbt, der jüngere Konstantin, ein Diakon, vielleichtPriester, hatte den Lehrstuhl des Photios übernommenund ging 860 zuletzt als kaiserlicher Gesandter zu denChasaren in der heutigen Ukraine. Beide hatten schonin der Slawenmission Erfahrungen gemacht, und alsRatislav zwei Jahre später Michael III. um Lehrer er-suchte, die u.a. byzantinische Gesetzbücher ins Slawi-sche übertragen sollten, brachen die beiden Brüder ander Spitze einer Missionsdelegation auf.

Die »Slawenapostel« konnten zu den Mähren inderen Muttersprache sprechen und predigen, sie ver-mochten die christliche Liturgie, die römische Messe(»St.-Peters-Liturgie«), in der slawischen Sprache undin der kirchlichen Tradition des Orients zu praktizie-ren, und sie übertrugen auch die Bibel in die Volks-sprache. Mit alldem schufen sie ein als »Altkirchen-slawisch« bezeichnetes Kirchen- und Liturgie-Idiom.Doch all dies führte auch zu einem schweren Streitmit dem in Ratislavs Bereich längs der Donau bereitstätigen lateinisch-fränkischem Klerus. Und dies um so

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4.448 Deschner Bd. 5, 227Rom gewinnt Böhmen und Mähren - Die ...

mehr, als sie die bayerische Mission rasch über-trumpften.

Selbstverständlich folgten der Vorwurf der »Ketze-rei« und eine Vorladung nach Rom. So machten sichKonstantin und Method nach etwa dreijährigem Wir-ken 866/867 auf den Weg. Sie gingen über Pannonienzu dem Sohn des inzwischen verstorbenen Slawenfür-sten Pribina (S. 156 f.), Kocel (in fränkischen Quel-len: Chozilo, Chezilo), der bis zu seinem Tod um 875in der Hauptfeste Mosapurg (Zalavár) am Plattenseeherrschte und nun die slawische Liturgie zu fördernbegann. Und von dort zogen sie 868 über Venedigweiter zum Papst, um ihr Unternehmen allerhöchstabsegnen zu lassen.

Tatsächlich billigte in Rom (wo Konstantin, derden Namen Kyrill angenommen, 869 starb) HadrianII. ihre Missionspraxis. Er genehmigte die slawischeLiturgie, befahl allerdings Epistel und Evangelien la-teinisch zu lesen. Als Hadrian aber 870 auf Bitte Ko-cels, der sich aus der ostfränkischen Abhängigkeit be-freien und eine unabhängige Kirche wollte, Metho-dios zum Päpstlichen Legaten und Erzbischof vonPannonien und Mähren ernannte, ihm auch die seitdem Awarensturm von 582 eingegangene MetropolieSirmium (heute Mitrovica bei Belgrad) unterstellte,kam es zum heftigen Widerstand der Bischöfe vonSalzburg und Passau. Denn Hadrians Verfügung be-

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4.449 Deschner Bd. 5, 227Rom gewinnt Böhmen und Mähren - Die ...

traf ihre Diözesen, und zwar keinesfalls nur ihr geist-liches Regiment, sondern natürlich ebenfalls den Fort-gang der fränkischen »Kolonisation«. So verschärftesich der schon etwa fünfzehnjährige Kirchenstreit,wobei es jedem um etwas anderes ging: »Method umdie slawische Kirchensprache, den Bayern um die Un-versehrtheit ihres Missionssprengels, dem Papsttumum unmittelbare Herrschaft über die mährische Kir-che, den Mährern selbst aber um ihre Unabhängig-keit« (Zöllner). Im Grunde ging es jedem um dassel-be: um Macht.41

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4.450 Deschner Bd. 5, 228Herzog Ratislaw wird geblendet

Herzog Ratislaw wird geblendet, ErzbischofMethod vom Passauer Bischof mit der

Reitpeitsche traktiert

Mit dem Kirchenstreit unlösbar verbunden war derpolitische Konflikt. Ludwig der Deutsche fiel ebenseinerzeit wieder einmal im Osten ein. Mit drei Hee-reskontingenten rückte er vor (S. 162). Dabei attak-kierte Prinz Karlmann von Kärnten aus das Fürsten-tum Neutra in der Slowakei, wo Ratislavs NeffeSwatopluk regierte (870–894). Er hatte dort, wo derSalzburger Erzbischof Adalram 828 den ersten Chri-stentempel geweiht, als Teilfürst begonnen und offen-bar die römische Kirche begünstigt. So wurde er dennaus all den da drohenden dynastischen Tücken wun-derbar durch »Gottes Gnade«, »das gerechte GerichtGottes« gerettet. Karlmann zog ihn auf seine Seite,und Swatopluk lieferte ihm den Onkel aus. Karlmannließ Ratislav in Regensburg in ein Gefängnis sperrenund drang jetzt »ohne irgend einen Widerstand in des-sen Reich ein, brachte alle Städte und Burgen zur Un-terwerfung, ordnete und verwaltete das Reich durchseine Leute und zog, bereichert mit dem königlichenSchatz, heim«.

Ratislav aber wurde im Spätherbst »schwer gefes-selt« König Ludwig vorgeführt, – gnadenweise – ge-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.451 Deschner Bd. 5, 229Herzog Ratislaw wird geblendet

blendet und blind erneut in einen Klosterkerker ge-worfen. (Schließlich hatte es das ganze Jahr über Vor-zeichen gegeben, »Wunderzeichen«: nächtelang einewie in Blut getauchte Luft über Mainz, ein zweimali-ges Erdbeben dort, auch wütete eine Rinderpest »aufsschrecklichste an einigen Orten Franciens«. Ja, wäh-rend einer Synode in Köln wurden in der Kirche deshl. Petrus »Stimmen böser Geister gehört, die mitein-ander sprachen und sehr darüber klagten, daß sie ausden so lange innegehabten Sitzen ausgetrieben werdensollten«: Annales Fuldenses). – Man erinnert sichwohl an den »bösen Geist« von Caputmontium (S.168).

Als Methodios aber seinen Schützer Ratislav ver-lor, ließen die bayerischen Bischöfe auch Methodiosverhaften und jahrelang in Bayern – wo ist unbe-kannt – einkerkern, doch sicher stand dahinter »dergesamte bayerische Episkopat in enger Fühlungsnah-me mit der weltlichen Macht« (Maß). Mähren wurdenun durch deutsche Markgrafen verwaltet.

Zuvor freilich, 870, hatte man den gerade erstdurch den Papst approbierten Erzbischof auf eine Re-gensburger Synode geschleppt, einen Mann, der ver-mutlich ein ernsteres Christentum vertrat als der da-mals in Mähren missionierende fränkische Klerus,und es kam zu einem Zusammenstoß mit den bayeri-schen Prälaten, denen alles Slawische verhaßt war.

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4.452 Deschner Bd. 5, 229Herzog Ratislaw wird geblendet

»Du lehrst auf unserem Gebiet«, hielt man dem Ver-hafteten vor, während dieser seinerseits die Oberhir-ten von Salzburg und Passau bezichtigte, aus Ehrgeizund Habgier die »alten Grenzen« überschritten zuhaben.

Bischof Ermenrich von Passau hatte Methodiosvielleicht gefangengenommen. Und Ermenrich, eingebildeter Literat aus schwäbischem Adel, in FuldaSchüler Hrabans und Rudolfs, in Reichenau WalafridStrabos, zeitweise auch am Hof Ludwigs des Deut-schen in Regensburg weilend, er stürzte sich – nachPapst Johann VIII. – mit einer Reitpeitsche auf denBruder in Christo, setzte ihn längere Zeit unter freiemHimmel dem Winter, dem Regen aus und kerkerte ihnvermutlich auch ein. Von Ende 870 bis 873 jedenfallssaß Erzbischof Methodios in Klosterhaft, entwederbei Freising, in Regensburg oder in Ellwangen, woErmenrich einst Mönch gewesen.42

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4.453 Deschner Bd. 5, 230Einfälle im Osten oder »Keiner entrann von ...

Einfälle im Osten oder »Keiner entrann von dortaußer Bischof Embricho ...«

Auch Großfürst Swatopluk, der eigentliche Beherr-scher des Großmährischen Reiches, der gesamten Su-detenländer, einschließlich Böhmens, Schlesienssowie Mittelungarns, hatte in fränkischen Gefängnis-sen gesteckt, sich aber allmählich als immer nützli-cher erwiesen, bereits auch benachbarte Slawenstäm-me unterworfen und »bekehrt«, wie die östlichenTschechen. Der Fürstensitz Neutra war in der zweitenHälfte des 9. Jahrhunderts schon Bischofssitz, deröstlichste der lateinischen Kirche.

871 aber wurde Swatopluk der Treulosigkeit ange-klagt und erneut von den Franken in Gewahrsam ge-nommen, von Karlmann, dessen Enkel er aus derTaufe gehoben. Doch da wohl unschuldig, mußte manihn, sogar »mit königlichen Geschenken«, wieder ent-lassen. Freilich rächte sich der Fürst jetzt. Er nahmRatislavs antifränkische Politik auf, erhob sich undfügte dem bayerischen Heer noch 871 eine furchtbareNiederlage zu. Die Grenzgrafen gegen Mähren, Wil-helm und Engelschalk, kamen mit vielen anderen um.»Alle Freude der Bayern über so viele vorangegan-gene Siege wurde in Trauer und Wehklage verwan-delt.« Was man nicht niederhaute, endete in Gefan-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.454 Deschner Bd. 5, 230Einfälle im Osten oder »Keiner entrann von ...

genschaft. Swatopluk, der sich immerhin für die wich-tigsten politischen Geschäfte christlicher Priester be-diente, des Johann von Venedig, des Schwaben Wich-ing, bleibt so gleichwohl für die Franken das »Hirnvoll Trug und Hinterlist«, »unmenschlich und blutgie-rig wie ein Wolf« (Annales Fuldenses).

872 greift man zwar Mährer wie Böhmen mit einerganzen Reihe von Gewalthaufen an, doch wieder mitwenig »Glück«. Thüringer und Sachsen werden »mitsehr großem Verlust« in die Flucht gejagt, »fliehendeGrafen von den Weiblein jener Gegend geprügelt undmit Knüppeln von den Pferden herab zu Boden ge-schlagen«. Dafür macht freilich, »im Vertrauen aufGottes Beistand« (der zur selben Zeit doch den Domzu Worms mit »himmlischem Feuer verzehrt«), dasKriegsvolk unter dem Mainzer Erzbischof gleich fünffeindlichen Herzögen Beine »samt einer großenMenge Empörer«, tötet, läßt in der Moldau ertrinken,verwüstet einen »nicht kleinen Teil« des Landes undkehrt dann »unversehrt heim. Bei diesem Zug hatteder Erzbischof Liutbert die oberste Leitung«.

Ein weiterer fränkischer Haufen, geführt von Bi-schof Arn von Würzburg – dem Erbauer eines dorti-gen Doms sowie »verantwortlicher Heerführer in vierüberlieferten Feldzügen« (Lindner) – und Abt Sige-hard von Fulda, eilte dem »mit Mord und Brand«wider Swatopluk operierenden Karlmann zu Hilfe.

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4.455 Deschner Bd. 5, 231Einfälle im Osten oder »Keiner entrann von ...

Aber die Bayern unterlagen. Sie mußten »mit Verlustdes größten Teiles der Ihrigen unter größten Schwie-rigkeiten umkehren«. Und ein weiterer Bayerntrupp,zum Schutz der Schiffe am Donauufer zurückgelas-sen, wurde durch eine Schar Swatopluks gänzlich auf-gerieben – »keiner entrann von dort außer BischofEmbricho von Regensburg ...«

Nach ungewöhnlich opferreichen Einfällen konnteSwatopluk seine Herrschaft festigen, und 874 brachteihm der Frieden von Forchheim eine relative Unab-hängigkeit, auch kirchenpolitisch, allerdings gegenjährliche Tributzahlungen.43

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4.456 Deschner Bd. 5, 231Endgültiges Verbot der slawischen Liturgie

Endgültiges Verbot der slawischen Liturgie undAufstieg der »Slawenapostel« zu

Landespatronen und »Modeheiligen«

Erst 873 hatte Papst Johann VIII. die Freilassung desMethodius erwirkt. Nach seiner Rückkehr in den pan-nonischen Sprengel sollte er zwar auf die slawischeLiturgie, die »barbarische« Sprache, verzichten unddie Messe nur lateinisch oder griechisch zelebrieren,»wie die über den ganzen Erdkreis verbreitete KircheGottes singt«, doch fügte Methodios sich nicht, undder Papst widerrief 880 das Verbot.

Swatopluk selbst, der Herr Groß-Mährens, standzwar politisch hinter Method, neigte persönlich abermehr westlicher »Kultur«, vor allem dem Papsttumzu. So ließ er seinen Günstling, den im Kloster Rei-chenau erzogenen schwäbischen Mönch Wiching inRom zum Bischof von Neutra wählen, Swatopluksfrüherem Sitz. Darauf wurde Wiching der Suffragandes Methodios. Er intrigierte jedoch unausgesetztgegen dessen Missionsprogramm – obwohl es JohannVIII. im Juni 880 durch die Bulle »Industriae tuae«genehmigt und überraschenderweise gegen Wichingentschieden hatte, nachdem der nach Rom zitierte Me-thod die Bezichtigung der »Ketzerei« restlos widerle-gen konnte.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.457 Deschner Bd. 5, 232Endgültiges Verbot der slawischen Liturgie

Papst Stefan V. (885–891) aber, der unter demEinfluß des fränkischen Klerus stand, untersagte end-gültig den slawischen Messekanon und ließ ihn durchden römischen Ritus ablösen, »die letzte bedeutsamekirchliche Entscheidung eines karolingerzeitlichenPapstes« (Handbuch der Europäischen Geschichte).Denn dadurch wurde ein Teil der West- und Südsla-wen für immer in den lateinischen Westen einbezo-gen. Stefan V. verwarf »die falsche Lehre gänzlich«und empfahl dem »König der Slawen« wärmstens Bi-schof Wiching als rechtgläubig. Doch erst nach Me-thods Tod um 885/886 war Wiching gegen den vonMethod gewünschten Nachfolger erfolgreich.

Methods Versuch, in Anlehnung an Byzanz eineslawische Nationalkirche zu schaffen, war vollendszusammengebrochen. Der bayerische Episkopat hatteauf der ganzen Linie gesiegt. Ein großer kirchlicherUmschwung erfolgte. Die lateinische Liturgie tratwieder anstelle der slawischen, die fränkische Kir-chenprovinz anstelle der mährischen, Slowenen undKroaten kamen wieder unter die römisch-katholischeKnute, die byzantinische Mission war in Mähren füralle Zeit beendet. Wie in Bulgarien der Osten, hatte inMähren der Westen sich durchgesetzt. Fortan lief dieScheidelinie zwischen griechischem und römischemChristentum, zwischen dem größeren slawischen Süd-osteuropa und dem kleineren Westteil der Slawen,

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4.458 Deschner Bd. 5, 233Endgültiges Verbot der slawischen Liturgie

mitten durch die Südslawen, mitten durch den Balkan,standen Byzanz und Rom hier einander feindlich ge-genüber mit all den katastrophalen Folgen noch im20. Jahrhundert, besonders im Zweiten Weltkriegsowie im Balkankrieg der neunziger Jahre.

Der »slawische« Klerus, der Anhang des Metho-dios, wurde 886, vor allem unter dem Einfluß des Bi-schofs Wiching, längere Zeit eingekerkert, zum Teilangekettet, dann aus Mähren vertrieben, von wo erzumeist nach Bulgarien, aber auch auf serbisches undkroatisches Gebiet floh. Zugleich wurde in Mährendie slawische Liturgie ausgerottet, ein kostbarerHandschriftenschatz altslawischer Schule barbarischzerstört. Entgegen der Verfügung seines Vorgängerserließ Stefan V. ein absolutes Verbot des Slawischenim Gottesdienst und ernannte den Ostfranken Wich-ing zum Erzbischof von Neutra. Keinerlei altkirchen-slawische Tradition blieb erhalten, in Mähren sowenig wie in Böhmen.

Erst im 14. Jahrhundert stiegen Konstantin-Kyrillund Methodios zu den Landespatronen von Mährenauf, ja, sie wurden jetzt schlagartig zu typischen »Mo-deheiligen«. Dabei steht eindeutig fest, daß es vor1347 in Böhmen und Mähren überhaupt keine kulti-sche Verehrung der beiden Missionare gab. Auch Re-liquien –»begreiflicherweise sehr dubioser Art«(Graus) – wurden erst jetzt »entdeckt«.44

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4.459 Deschner Bd. 5, 2354. Kapitel

4. Kapitel

Johann VIII. (872–882): Ein Papst, wie erim Buch steht

»Derjenige, der von uns zur Kaiserwürde erho-ben werden soll, muß auch von uns zuerst undhauptsächlich von uns berufen und erwählt wer-den.«

Papst Johann VIII.1

»...die Welt hatte begriffen, daß es bei dem, waser gleich seinen Vorgängern erstrebte und for-derte, um weltliche Rechte und irdische Herr-schaft, nicht um Glauben und Kirche ging«.

Johannes Haller2

»In Rom war nämlich der Bischof des apostoli-schen Stuhles verschieden, Johannes mitNamen; dieser hatte schon früher von seinemVerwandten Gift erhalten, jetzt aber wurde ervon demselben und zugleich anderen Genossenseiner Freveltat ..., da sie sowohl seinen Schatzwie die Leitung des Bistums an sich zu reißendürsteten, so lange mit einem Hammer geschla-gen, bis dieser im Gehirn stecken blieb.«

Annales Fuldenses3

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4.460 Deschner Bd. 5, 2354. Kapitel

»Keine Frage: in Italien herrschte die völligeAnarchie ... Von den neun Päpsten, die in denkommenden zwölf Jahren in rascher Folge denStuhl Petri bestiegen, ist kaum einer eines nor-malen Todes gestorben.«

Karl Kupisch4

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4.461 Deschner Bd. 5, 237Frische Initiative oder Der erste Papst-Admiral

Von Hadrians Nachfolger, dem bereits hochbetagtengebürtigen Römer Johann VIII., einem der bekannte-sten Päpste zwischen Nikolaus I. und Gregor VII.,meinte selbst der relativ kritische Katholik Kühner:»Sein ganzes Streben galt dem Frieden und der Ge-rechtigkeit«. Tatsächlich aber war Johann VIII. einäußerst zweideutiger, ein buchstäblich nach allen Sei-ten konspirative Fäden spannender, nichts als derMacht nachjagender, ja, von traurigem Kriegsruhmumglänzter Papst. Keiner vor ihm hat so viele Bann-sprüche gefällt, keiner vor ihm so gewissenlos, soversiert sich jedem Wechsel des Zeitlaufs angepaßt,wenn auch genug seiner Vorgänger schon ähnlich un-geniert kirchliche Macht rein politischer Ziele wegenauszuspielen pflegten.

Frische Initiative oder Der erste Papst-Admiral

Inspiriert von Gregor I., von Nikolaus I., seinen Vor-bildern, forcierte er die päpstliche Führungsrolle. WieLeo IV. St. Peter, das vatikanische Viertel, die »Leo-stadt«, in eine Festung verwandelt hatte, so ummauer-te Johann VIII. die Paulsbasilika samt der ganzendortigen Vorstadt, die er »Johannipolis« nannte. Undwie bereits Vorgänger Hadrian – nachdem er Ludwig

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4.462 Deschner Bd. 5, 238Frische Initiative oder Der erste Papst-Admiral

II. von einem (durch den beneventanischen HerzogAdelchis 871 abgepreßten) Eid großzügig gelöst –den Kaiser aufgeputscht hatte »zur Erneuerung desKampfes« (Regino von Prüm), so begleitete auchPapst Johann mit markigen Bibelsprüchen LudwigsSarazenenkrieg und sprach, ähnlich wieder wie LeoIV. (S. 177 ff.), alle von ihren Sünden los, die »in ka-tholischer Frömmigkeit gegen Heiden und Ungläubi-ge fallen«, und verhieß ihnen ebenfalls den Friedendes »ewigen Lebens«.

Auch hielt dieser Stellvertreter Christi sich Solda-ten, erbat vom König von Galicien maurische Kaval-lerie und begründete vermutlich das Amt des Vorstan-des der Schiffswerften, sicher aber, in einer »frischenInitiative« (Katholik Seppelt), die erste päpstlicheMarine: truppenbesetzte, mit zwei Kastellen bewehr-te, nebst Maschinen zum Schleudern, Brennen, Enternbestückte und von Galeerensklaven geruderte Boote.Ja, er leitete selber militärische Unternehmen, machteals erster Papst-Admiral persönlich Jagd auf Saraze-nen, wobei er viele dieser – so nannte er sie wahrhaftheilig-väterlich – »wilden Tiere« umbringen undihnen beim Kap der Circe 18 Schiffe wegnehmenkonnte – ein »Heldenstück« (Katholik Daniel-Rops).Nicht zuletzt suchte er Christen – über die er, tatensie sich mit Sarazenen zusammen, den Kirchenbannverhängte – durch beträchtliche Bestechung von jeder

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.463 Deschner Bd. 5, 238Frische Initiative oder Der erste Papst-Admiral

Kollaboration abzuhalten.5

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4.464 Deschner Bd. 5, 239Johanns Geschäfte mit Karl dem Kahlen, dem ...

Johanns Geschäfte mit Karl dem Kahlen, dem»Retter der Welt«

Nach Kaiser Ludwigs II. Tod beanspruchten Ludwigder Deutsche und Karl der Kahle, die beiden Onkeldes Verstorbenen, die Kaiserkrone. Johann VIII.schickte also seine Legaten zu Karl, der italienischeKlerus entschied sich darauf gleichfalls für ihn, und»der Tyrann Galliens« drang alsbald über den GroßenSt. Bernhard in Italien ein, wo er »mit gekrümmterHand alle Schätze zusammenraffte, die er findenkonnte« (Annales Fuldenses). Dagegen wurden die(im Auftrag ihres Vaters) über die Alpen rückendenOstfranken Karl III. und Karlmann nur von demMarkgrafen Berengar von Friaul, dem späteren Königund Kaiser, unterstützt (seine Mutter Gisela war eineTochter Ludwigs des Frommen).

Ludwig der Deutsche aber benutzte die Abwesen-heit des Bruders, um – wie schon anno 858 (S. 141f.) – in Westfranken einzufallen; ein reiner Rachezug.Das königliche Heer, melden die Annales Fuldenses,»raubte und verwüstete alles, was es fand«. Zwar ver-banden sich die westlichen Magnaten unter Eid zurAbwehr der Invasoren, ruinierten jedoch ihrerseitsKarls Reich, »indes sie es selbst wie Feinde ausplün-derten«. Ja, so mancher Graf und Bischof lief zu Lud-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.465 Deschner Bd. 5, 239Johanns Geschäfte mit Karl dem Kahlen, dem ...

wig über, indes der brandschatzende Ostfranke »dasGeburtsfest des Herrn in Attigny« beging, und nachdem Überfall in der Pfalz Frankfurt »die Fastenzeitund das Osterfest« (Annales Bertiniani).

Karl der Kahle freilich, doch schon von Nikolaus I.durch »göttliche Eingebung« in Aussicht genommenund designiert, verfügte unstreitig über die stärksteMacht, so daß er Papst Johann wohl gegen römischenAdel wie gegen Araber beistehen konnte, mit denenFürsten und Städte immer wieder beutegierig sich ver-banden – und nach Beute hungerte auch Johann sehr.Zugleich aber war Westfranken derart von räuberi-schen Dänen bedroht, daß der Papst in Italien selbstwohl genügend freie Hand für eigene politische Plänezu haben glaubte.

Karl jedenfalls, der sein Reich, trotz der grassieren-den Not, unersättlich schröpfte, die dortige Kircheaber generös beschenkte, schien seine Schätze auchim Süden verschleudern, schien das Imperium förm-lich erkaufen zu wollen. So konnte er Karlmann, des-sen Schwert er, wie gewiß jedes, fürchtete – »denn erist so furchtsam wie ein Hase«, durch »Gold und Sil-ber und kostbare Edelsteine in unendlicher Menge«zum Abzug bewegen. Ebenfalls bestach er »den gan-zen Senat des römischen Volkes mit Gold wie Jugur-tha und gewann ihn für sich« (Annales Fuldenses).

Und selbst Papst Johann, ohnedies kein Freund derKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.466 Deschner Bd. 5, 240Johanns Geschäfte mit Karl dem Kahlen, dem ...

ostfränkischen Karolinger, mögen Karls gewaltigeGeldsummen nicht wenig beeindruckt haben.

Denn natürlich hatte dieser auch und gerade »demheiligen Petrus viele und kostbare Geschenke ge-macht«. Und so erklärte dessen »Nachfolger«, daßKarl den Vater, sogar den Großvater übertreffe; be-hauptete, Gott habe seine Kaiserwahl schon »vor Er-schaffung der Welt« vorausbestimmt; feierte ihn in lä-cherlicher Speichelleckerei als das heilbringende Ge-stirn, welches der Menschheit aufgegangen, als denLangersehnten, den »Retter der Welt«, den MannGottes, dem Engel den Weg gewiesen durch unweg-same Gegenden, Sümpfe, durch unbekannte Furten,reißende Ströme etc. Und krönte Karl den Kahlen anWeihnachten 875 in der Peterskirche pompös zumKaiser – genau 75 Jahre nach der Krönung seinesGroßvaters Karl, während er alle, Bischöfe wie Laien,mit Ausschluß, Absetzung, Verfluchung bedrohte, dieLudwig den Deutschen unterstützen würden.

Kaum genug ist dabei der Wandel zu bedenken, diegänzliche Verkehrung der Geschichte: beanspruchtennämlich einst die Kaiser kraft Erbrechts die Krone, sobeanspruchte nun das Papsttum, allein das Papsttum,diese Krone nach Gutdünken zu verleihen!

Zugleich machte Rom ein weiteres großes Ge-schäft. Nicht nur gab Karl die 824 durch Lothar I.festgelegten Rechte des Kaisers im Kirchenstaat preis

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4.467 Deschner Bd. 5, 241Johanns Geschäfte mit Karl dem Kahlen, dem ...

(S. 66); nicht nur verzichtete er auf die Einkünfte ausden drei kaiserlichen Klöstern S. Salvatore, S. Mariain Farfa und S. Andrea auf dem Soracte; nicht nur er-neuerte er alle Schenkungen seiner Vorfahren vonPippin bis Ludwig II. an die römische Kirche. Son-dern der Papst bekam auch beträchtliche Gebietser-weiterungen im Beneventischen und bei Neapel, dieLandschaften Samnium und Kalabrien, die toskani-schen Grenzbefestigungen Chiusi und Arezzo sowievor allem die Oberhoheit über die Herzogtümer Spo-leto und Benevent. Dies trug ihm freilich alsbald dieFeindschaft zweier benachbarter Fürsten ein, des Her-zogs Adalbert von Toskana und besonders des Her-zogs Lambert von Spoleto, die anfangs 878 in Romeindrangen und dort vier Wochen lang übel hausten,wie denn noch die späteren Päpste dauernd unter derRache des Spoletiners zu leiden hatten. Dazu be-drängten die Araber den Kirchenstaat mehr denn je.

So folgten einerseits unentwegt hohepriesterlicheHilferufe, Notschreie über Landverheerungen undRechtverletzungen, deren Heiligkeit sich allerdingsselbst schuldig machte, folgten Klagen über Saraze-neneinfälle und Raubzüge durch Christen (den Her-zog von Spoleto!). Andererseits wurde dem »fußfäl-lig« angeflehten Kaiser von Papst Johann, der »kei-nen Schlaf für die Augen, keine Speise für den Mund«mehr fand, im Falle seiner Unterstützung wieder ein-

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4.468 Deschner Bd. 5, 241Johanns Geschäfte mit Karl dem Kahlen, dem ...

mal großzügig »die Hallen des Himmelreichs« inAussicht gestellt »und die Weiden des ewigen Lebensunter den Engeln«.6

Johann VIII. arbeitete an der Zerstörung des Kai-sertums und des italienischen Königtums, um den eig-nen Stuhl erhöhen, Bischöfe und Fürsten in gleicherWeise beherrschen, Italien politisch führen zu kön-nen. »Derjenige, der von uns zur Kaiserwürde erho-ben werden soll, muß auch von uns zuerst und haupt-sächlich von uns berufen und erwählt werden«, erklär-te er erstaunlich kühn und lockte mit dieser Krone,manchmal gleichzeitig, fast alle nur möglichen Kandi-daten, Boso von Vienne, den König der Provence, dieSöhne Ludwigs des Deutschen, Karlmann und Lud-wig III., vor allem aber den Westfranken Ludwig (II.)den Stammler, den Sohn Karls des Kahlen. Undjedem versprach er jede Erhöhung, Ehre und Heil imDiesseits und Jenseits, alle Königreiche. Und jedembeteuerte er, der einzige Kandidat zu sein, und be-hauptete, bei keinem sonst Hilfe und Beistand gesuchtzu haben! Und als sich schließlich zeigte, daß er vonden Franken nicht viel erwarten konnte, wandte ersich noch an Byzanz.

Nachdem Karl Ende 875 in Rom zum Kaiser ge-krönt worden war, fiel ihm auf der Rückkehr auchnoch die italienische Königskrone zu. Den Seinengibt's der Herr im Schlaf. Eine Versammlung von

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4.469 Deschner Bd. 5, 241Johanns Geschäfte mit Karl dem Kahlen, dem ...

Magnaten in Pavia trug ihm die weitere Würde an,vor allem eine Gruppe zahlreicher Bischöfe, an ihrerSpitze Erzbischof Anspert von Mailand, der ihm alserster Treue schwor, wohlverklausuliert, wie manfand. Einstimmig machten die Großen im FebruarKarl zu ihrem Beschützer, Herrn und König, hatte ihndoch, hieß es, die göttliche Gnade durch Vermittlungder Apostelfürsten und des Papstes zum Kaiser erho-ben.

Es kam zu gegenseitigen Eidschwüren und auchhier wieder zu Zugeständnissen des Kaisers an denKlerus. Karl empfahl, Papst Johann zu stärken, dierömische Kirche zu ehren, ihren Landbesitz zu schüt-zen, und nicht zuletzt übertrug er den Prälaten dieständige missatische Gewalt.7

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4.470 Deschner Bd. 5, 242Ludwig der Deutsche stirbt: Abt Reginos Nachruf

Ludwig der Deutsche stirbt: Abt ReginosNachruf

Ludwig der Deutsche dachte indes nicht daran, KarlItalien allein zu überlassen. Und als päpstliche Lega-ten die zwischen den Brüdern ausgebrochenen »Miß-helligkeiten« untersuchen und »nach kanonischemRecht und weltlichem Gesetz« entscheiden wollten,empfing sie Ludwig erst gar nicht. Statt dessenschickte er eigene Gesandte, den Kölner ErzbischofWillibert mit zwei Grafen, zu Kaiser Karl. Sie trafendiesen in der Pfalz Ponthion, zusammen mit den vonLudwig abgewiesenen Bischöfen Johann von Arezzound Johann von Toskanella samt einer stark besuch-ten, fast drei Wochen tagenden Synode von Geistli-chen und vielen weltlichen Großen, der sie erst am 4.Juli im Beisein Karls die Forderung ihres Königs prä-sentieren konnten, »einen Teil vom Reich des KaisersLudwig, des Sohnes ihres Bruders Lothar« zu bekom-men, »wie es ihm nach Erbrecht (ex hereditate) zu-stehe und eidlich zugesichert worden sei«.

Darauf antworteten die römischen Legaten mit derVerlesung zweier Briefe ihres Herrn an die ostfränki-schen Bischöfe und Grafen von 13. Februar, worinder Papst »den Bayernkönig« ungewöhnlich be-schimpfte, mit Kain verglich, ihm Neid gegen denKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.471 Deschner Bd. 5, 243Ludwig der Deutsche stirbt: Abt Reginos Nachruf

Bruder unterstellte, Friedensbruch, Treuelosigkeit,pausenlose Hetzerei. In zwei Erlassen vom selbenTag an die westfränkischen Bischöfe und Großen riefer die zu Ludwig Übergelaufenen unter Androhungdes Bannes zur Wiedergutmachung auf, während erdie anderen lobte für ihre Treue »härter als Dia-mant«.8

Im selben Jahr starb der seit längerem kränkelndeLudwig der Deutsche am 28. August über siebzigjäh-rig in der Pfalz zu Frankfurt, übrigens inmitten derVorbereitungen zu einem Krieg gegen seinen BruderKarl. Schon am nächsten Tag wurde Ludwig imnahen Kloster Lorsch beigesetzt, wo sein Sarkophagnoch im frühen 17. Jahrhundert in der Kirchengruftstand, seitdem aber spurlos verschwunden ist.

In einem Nachruf auf den König schreibt Reginovon Prüm: »Er war ein sehr christlicher Fürst, vonGlauben katholisch, nicht nur in den weltlichen, son-dern auch in den kirchlichen Wissenschaften hinläng-lich unterrichtet; der eifrigste Vollstrecker dessen,was die Religion, den Frieden, die Gerechtigkeit er-forderte. Von Geist war er sehr verschlagen (ingeniocallidissimus) und vorsichtig im Rate; bei der Verlei-hung oder Entziehung öffentlicher Ämter ließ er sichvon einem maßvollen Urteil leiten; in den Schlachtenwar er überaus siegreich und eifriger in der Zurüstungder Waffen als der Gastmähler, da die Werkzeuge des

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4.472 Deschner Bd. 5, 243Ludwig der Deutsche stirbt: Abt Reginos Nachruf

Krieges sein größter Schatz waren ...«Der berühmte Abt, dem Reinhold Rau »ein ziemli-

ches Verständnis« attestiert »für die Eigengesetzlich-keit der Machtbildung«, schuf hier in nuce einen fastverblüffend vielsagenden katholischen Fürstenspiegel:ein sehr christlicher Fürst und sehr verschlagen, vonGlauben katholisch, überaus siegreich, ein Freund derWaffen, die Werkzeuge des Krieges sein größterSchatz, doch auch emsig für den Frieden tätig, kurz:»der eifrigste Vollstrecker dessen, was die Religion ...erforderte ...«

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4.473 Deschner Bd. 5, 244Karls des Kahlen Beileid und erste Schlacht der ...

Karls des Kahlen Beileid und erste Schlacht der»Erbfeinde« um den Rhein

Karl der Kahle aber – ein ebenfalls bewegenderchristlicher Zug – wurde bei der Nachricht vom Todeseines Bruders »von übergroßer Fröhlichkeit erfüllt«(Reginonis chronica) und hatte kaum einen anderenGedanken, als seinen Neffen möglichst viel von ihremväterlichen Erbe zu nehmen. Drohte er doch schonzuvor seinen katholischen Verwandten »viel Unglaub-liches« an; zum Beispiel einen Angriff mit solcherÜbermacht, »daß wenn dann der Rhein von ihrenPferden ausgetrunken sei, er selber das ausgetrockneteBett dieses Flusses durchschreiten und Ludwigs gan-zes Reich verwüsten werde« (Annales Fuldenses).9

Zumindest den Ansatz dazu machte der Großspre-cher. Suchte er ja sogleich sein Territorium im Ostenzu erweitern. Die Hälfte des lotharingischen Reiches,die er dem Bruder hatte überlassen müssen, wollte erwiederhaben, vermutlich sogar bis zur Rheingrenzevordringen, also auch Ostfrankens linksrheinische Ge-biete um Mainz, Worms, Speyer besitzen.

Er verhieß den Führern Lotharingiens, die er zumAnschluß auffordern ließ, reiche Lehen, drohte Reni-tenten mit »Ausrottung« und fiel, ungeachtet allerEide, die er seinem Bruder geschworen, ungeachtetKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.474 Deschner Bd. 5, 244Karls des Kahlen Beileid und erste Schlacht der ...

auch der Normannen, die mit hundert großen SchiffenMitte September die Seinegegenden bedrängten, indas Reich des gerade Gestorbenen ein. Mit einem an-sehnlichen Heer rückte er über Ostlotharingien undAachen, das er mit der Illusion, das Reich seinesGroßvaters, Karls I., zu erneuern, gern zu seinemHauptsitz gemacht hätte, nach Köln vor, so das Landplündernd und verheerend wie die skandinavischenPiraten; dabei immer begleitet von den beiden päpstli-chen Legaten, Johann von Arezzo und Johann vonToskanella – »geistliche Helfershelfer des Raubzugs«(Mühlbacher).

Da die Attacke des Westfranken völlig überra-schend geschah, da der älteste Sohn Ludwigs desDeutschen, Karlmann, gerade im Osten die Mährerbekämpfte, der jüngste, Karl, in Alemannien stand,eilte Ludwig (III.), dessen Gebiet auch zuerst gefähr-det war, mit rasch zusammengerafften, zahlenmäßigweit unterlegenen Truppen aus Sachsen, Thüringenund Franken dem unersättlichen Onkel entgegen anden Rhein, nach Deutz, während Karl auf der anderenSeite des Stroms in Köln hielt. Ludwig schickte ihmGesandte, beschwor die Verwandtschaft, Eide, Ver-träge, auch das kostbare Christenblut auf beiden Sei-ten, und suchte, verspottet vom Gegner, seine Truppedurch Fasten, Gebete, Bittgänge und die übliche Er-kundung an höchster Stelle (je zehn Mann unterzogen

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4.475 Deschner Bd. 5, 245Karls des Kahlen Beileid und erste Schlacht der ...

sich dem Gottesurteil mit kaltem, mit heißem Wasser,mit glühendem Eisen) moralisch zu kräftigen – undnatürlich »gingen alle unversehrt aus dem Gottesge-richt hervor« (Annales Bertiniani).

Karl hatte Ludwig durch Verhandlungen hinhaltenund den Waffenstillstand nutzen wollen, um den Geg-ner im Morgengrauen hinterrücks zu überfallen. Erz-bischof Willibert aber verriet den Plan, und als daswestfränkische Heer, 50000 Mann (»wie man er-zählt«), nach einem erschöpfenden Nachtmarsch beiströmendem Regen am Morgen des 8. Oktober beiAndernach ankam, wurde es von den kampfbereitenTruppen Ludwigs attackiert. »Dieser legte sich sofortden Harnisch an«, so die Fuldaer Jahrbücher, undsetzte »all sein Vertrauen auf den Herrn ...« Der gutealte christliche Brauch wieder: wer Gott vertraut, bravum sich haut, dem wird es stets gelingen ...

Und in der Tat: »Wie das Feuer über das Stoppel-feld fährt und in einem Augenblick alles verzehrt, sozermalmen sie die Macht der Gegner mit dem Schwertund strecken sie zu Boden« (Regino von Prüm). Derganze Troß und sämtliche Schätze der Kaufleute fal-len in die Hände der Sieger. Die aber nicht fliehenkonnten, »wurden von den Landleuten dergestalt aus-geplündert, daß sie sich in Heu und Stroh wickelten,um nur die Schamteile zu verhüllen ...« (Annales Ber-tiniani). Unter den Gefangenen: des Kaisers Kanzler,

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4.476 Deschner Bd. 5, 246Karls des Kahlen Beileid und erste Schlacht der ...

Abt Gauzlin, und der Bischof Ottulf von Troyes. DieBeute ist ungeheuer, Waffen, Rüstungen, Pferde, dasGold und Silber der Großen sowie Karls mitge-schleppter Schatz. Er selbst, der, vorsichtig wie stets,den Kampf gemieden, flieht zum Abend des nächstenTages nach Lüttich, angeblich »fast nackt« (penenudus), wie der Mönch aus Fulda behauptet. Die Kai-serin, gleichfalls flüchtend, hat eine nächtliche Früh-geburt »beim Hahnenschrei auf offener Straße« (An-nales Bertiniani). Das Kind, ein Sohn Karl, stirbtbald darauf, doch konnte seine Seele für den Himmelgerettet werden – und König Karl sich bald »erho-len«: die Schlacht bei Andernach, die erste Schlachtzwischen »Deutschen« und »Franzosen« um denRhein.10

Nach diesem Debüt sozusagen der künftigen »Erb-feinde« zog der siegreiche Ostfranke zwar noch nachAachen, war aber zu schwach, um den geschlagenenKaiser (den sogar Erzbischof Hinkmar in den west-fränkischen Reichsannalen jetzt einen »Räuber«nennt – wie hätte er ihn wohl im Falle seines Siegesgenannt!) auf dem eigenen Boden verfolgen zu kön-nen.

Im November teilten die drei ostfränkischen Brüderdas Reich gemäß den Verfügungen ihres Vaters undschworen einander Treue. Sie teilten allein kraft desErbrechts und ohne, wie im Westreich üblich, eine

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4.477 Deschner Bd. 5, 246Karls des Kahlen Beileid und erste Schlacht der ...

Krönung an sich vornehmen zu lassen. Karlmann, derälteste Sohn Ludwigs des Deutschen, wurde »Königin Bayern« mit Pannonien und Karantanien, trat je-doch die Verwaltung des letzteren seinem Sohn Ar-nulf ab. Ludwig III. der Jüngere, der »König im östli-chen Francien«, bekam Ostfranken, Thüringen, Sach-sen und Friesland samt den tributpflichtigen Grenz-stämmen. Karl III. der Dicke, der Jüngste, erhielt zu-nächst Alemannien und Churrätien und herrschte nachdem frühen Tod seiner Brüder (880 und 882) auchüber deren inzwischen erheblich erweitertes Erbe,wobei ihm bereits 881 die Erneuerung des Kaisertumsgelang.11

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4.478 Deschner Bd. 5, 247Johann umwirbt Karl

Johann umwirbt Karl, dessen »Vorzüge diemenschliche Zunge nicht auszusprechen

vermag ...«

Karl der Kahle aber hatte nicht nur gegenüber Ost-franken beträchtlich zurückstecken müssen. Auch beiden Normannen an der Seine und Loire erreichte ernichts. Vielmehr kaufte er sich frei durch Gelder, dieer natürlich von den Besitzenden, doch selbst wiederSchröpfer großen Stils, erpreßte. So ließ er eine je-weils genau bezifferte Steuer von jeder herrschaftli-chen Hube (ein Wirtschaftsbetrieb im Rahmen früh-mittelalterlicher Grundherrschaft) in jenen GebietenFranciens eintreiben, die er vor Lothars Tod besessen,sowie in Burgund von jeder freien, jeder unfreienHube. Derart ergatterte der König immerhin fünftau-send Pfund Silber, wobei er zur Aufbringung des Tri-buts selbstverständlich auch Kirchenschätze nahm.Wie Karl – laut Papst Johann durch seine »Tugend«ausgezeichnet, »seine Kämpfe für den Glauben ... seinBemühen, die Geistlichkeit zu ehren« (vgl. S. 239f.) – ja auch die nach seinem gescheiterten Raubzugzu ihm geflohenen lotharingischen Kombattanten mitAbteien und Landgütern der Kirche entschädigte.

Natürlich verspürte der Herrscher keine Lust, denPapst vor den immer aggressiveren Sarazenen zuKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.479 Deschner Bd. 5, 247Johann umwirbt Karl

schützen. Johann freilich wollte Karl nicht vergebenszum Kaiser gekrönt haben. Zwar hatte dieser inzwi-schen den Kirchenstaat erweitert und auf einige Privi-legien verzichtet. Doch Rom, stets unersättlich, wolltemehr, zumal der neue Fürst auch wiederholt mehr ver-sprochen hatte, vor allem eben Hilfe gegen die Ara-ber, was so gar nicht Karls Geschmack war.

So drängte man nach altbewährter Methode (vgl.bes. IV 381 ff.! 386 ff.!), beschwor die »Heuschrek-kenschwärme« der muselmanischen Teufel, die allesausraubten, brandschatzten, in die Gefangenschaftschleppten, beschwor Greuel, die noch gar nicht ge-schehen, Gefahren, die sich angeblich aber schon ab-zeichneten, eine her an jagende gewaltige Flotte mitRom attackierenden Truppen verbänden. Man malteschwarz in schwarz, mahnte Bischöfe und Magnaten,besonders jedoch den Kaiser selbst. Päpstliche Lega-ten erschienen, ein Hilferuf nach dem anderen er-scholl. Die Sarazenen raubten, hieß es, zerstörten dieKirchen, aber die Herzöge Lambert und Wido, vonKarl zum Schutz des Kirchenstaates bestimmt, rühr-ten dafür keinen Finger, und auch Graf Boso, als Vi-zekönig in Italien eingesetzt, bleibe taub. Brief aufBrief folgte, »kniefällig« bat man, die »Christenheit«zu retten, zuerst natürlich das Papsttum, das den kah-len Karl umschmeichelte. »Vortrefflichster aller Cäsa-ren«, lobte der immer wieder und mehr anreizende Jo-

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4.480 Deschner Bd. 5, 248Johann umwirbt Karl

hann, der auch wußte, daß Karls »Weisheit vom Mut-terleibe an wuchs«, daß dessen »Vorzüge die mensch-liche Zunge nicht auszusprechen vermag ...«

Dabei hatte Karl um diese Zeit etwas getan, wasihn am päpstlichen Hof eigentlich nicht beliebt ma-chen konnte: er hatte seinen Sohn, den ThronfolgerLudwig (II. den Stammler) genötigt, seine EhefrauAnsgard zu verstoßen, um eine ihm, dem kaiserlichenVater, genehme Dame zu heiraten. Erwägt man je-doch, wie erbittert Vorgänger Nikolaus I. schließlichJahr um Jahr gegen Lothars II. Ehehandel stritt, wiesehr er auf der Unauflöslichkeit dieser Ehe bestanden,so erstaunt es, daß Papst Johann jetzt gegen dieZweitehe des westfränkischen Thronerben überhauptkeine Einwände, geschweige kirchenrechtliche Sank-tionen den westfränkischen Fürsten gegenüberhatte.12

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4.481 Deschner Bd. 5, 248Tod nach 37jähriger Herrschaft »an Durchfall ...

Tod nach 37jähriger Herrschaft »an Durchfall ingroßem Jammer ...«

Da in Italien kaum eine Hand für den Papst sich rühr-te, weder der zum Schutz des Kirchenstaates ver-pflichtete mächtige Herzog von Spoleto noch gar derseit 876 zum missus für das Land bestellte Boso vonVienne, blieb dem Kaiser, wollte er seine Glaubwür-digkeit, sein Ansehen und Italien selbst behalten,nichts anderes übrig, als in den Süden zu ziehen, wieprekär zu Hause die Lage auch war, besonders durchdie Normannen. Alles Schröpfbare hatte er zu ihrerBesänftigung schröpfen lassen.

Auch nach Italien führte Karl, als er im August 877in Begleitung seiner Gattin aufbrach, einen »sehr gro-ßen Schatz an Gold und Silber sowie von Pferden undanderen Kostbarkeiten« mit (Annales Bertiniani),aber nur ein verhältnismäßig geringes Gefolge. DasHeer seiner Großen, die noch weniger Lust auf dasitalienische Abenteuer hatten als er selbst, sollte spä-ter folgen. Und nicht ohne das Versprechen ließ er siezurück, weder die Kirchengüter noch seinen Familien-besitz anzutasten! (Es kam dennoch zu einer Rebelli-on führender Aristokraten, darunter anscheinend seineigener Sohn Ludwig der Stammler.)

Der Papst indes feierte Karl überschwenglich, da erKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.482 Deschner Bd. 5, 249Tod nach 37jähriger Herrschaft »an Durchfall ...

ihn zu einem Krieg brauchte. Er pries ihn ganz offizi-ell vor einer heiligen Synode in Ravenna, vor immer-hin fünfzig Bischöfen, zumeist aus Ober- und Mittel-italien. Und seine – uns erhaltene – Ansprache an dieKonzilsväter sollte offenbar eine Art Geschenk desGastgebers an den erwarteten Kaiser sein, den »vonGott berufenen« und von ihm, Johann, erwählten undgekrönten, dem erlauchten großen Großvater ebenbür-tigen Fürsten. Auch die versammelten Prälaten sahenKarl durch eine »Eingebung des heiligen Geistes« er-koren, bestätigten noch einmal seine ja schon 875 er-folgte Kaiserkrönung und bedrohten auf Johanns An-weisung alle, die diese »zweifelsohne von Gott ver-fügte Einsetzung« bekämpften, als »Diener des Teu-fels« mit dem Kirchenbann.

In den letzten Kanones der ravennatischen Synodewird wieder besonders die Unantastbarkeit der Kir-chengüter betont, wird es verboten, Güter des Römi-schen Stuhls als Lehen oder anderweitig auszuge-ben – »außer wenn die Empfänger Verwandte derPäpste sind«! Zuwiderhandelnde soll das Anathemtreffen.13

Schutz ihres Vermögens erwarteten die Synodalenauch von dem nun schon bald über den St. Bernhardanrückenden Kaiser, dem die Gesandten eines Papstesentgegeneilten, der ihn so oft und dringlich gerufen.Denn wäre auch alles Holz in den Wäldern in Zungen

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4.483 Deschner Bd. 5, 249Tod nach 37jähriger Herrschaft »an Durchfall ...

verwandelt, würde es nicht genügen, um das Leid auf-zuzählen, das ihm die Sarazenen bereiten. Schlimmeraber als die Heiden seien die schlechten Christen.Doch niemand höre seinen Angstschrei, niemandhelfe, rette, es sei denn der Kaiser. Johann reiste ihmauch selbst bis Pavia entgegen und, da er sein Verlan-gen, Karl zu begegnen, kaum zähmen konnte, auchnach Vercelli noch, wo er ihn »mit größten Ehrenbe-zeugungen« (honore maximo) empfing.

Allein als beide dann in Pavia waren, der altenKrönungsstadt, wo die Kaiserin auch Königin vonItalien werden sollte, rückte schon Karls Neffe, Lud-wigs des Deutschen ältester Sohn, der Bayer Karl-mann, mit starken Verbänden über den Brenner heran.Man überquerte deshalb den Po nach Süden, wo inTortona der Papst, einfach genug und in aller Eile, Ri-childis zur Kaiserin weihte, um sich dann schnell undsozusagen auf Schleichwegen nach Rom zu begeben,faktisch nichts in den Händen als ein Präsent für denhl. Petrus, einen schweren, mit erlesenen Edelsteinenverzierten Gekreuzigten aus purem Gold, »wie nochnie einer von einem König geschenkt worden war«(Annales Vedastini).

Die Kaiserin kehrte mittlerweile über den MontCenis mit Karls Schätzen zurück, während er selbstzuletzt gleichfalls floh, da die erwartete Verstärkungdurch die Großen seines Reichs, die ihm wiederholt

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4.484 Deschner Bd. 5, 250Tod nach 37jähriger Herrschaft »an Durchfall ...

Treue geschworen, ausblieb, ja, sie sich nun, wie auchdie meisten Bischöfe, gegen ihn verschworen. Sowagte Karl den Kampf mit Karlmann nicht; »dennsein Leben lang«, schreibt der ostfränkische Annalist,»pflegte er, wo er dem Feind die Stirne bieten sollte,offen den Rücken zu kehren oder heimlich seinen Sol-daten davonzulaufen« (Annales Fuldenses).

Noch unterwegs fieberte er, erkrankte, wie kirchli-che Chronisten unterstellen, an einem Medikamentseines jüdischen Leibarztes Sedechias gegen Fieber –»ein Pulver«, weiß der Verfasser der Jahrbücher vonSt. Bertin, »ein tödliches Gift«; »ein Betrüger«, der,so Abt Regino, die Leute »mit magischen Gaukeleienund Verzauberungen behexte« (magicis prestigiis in-cantationibusque ... deludebat). Todkrank gelangteKarl in einer Sänfte über den Mont Cenis und ver-schied an dessen Fuß in »einer elenden Hütte« (Anna-les Bertiniani) des Weilers Brides der Maurienne (Sa-voyen) am 6. Oktober 877 im Alter von 54 Jahrennach 37jähriger Regierung »an Durchfall in großemJammer« (Annales Fuldenses). Einbalsamiert »mitWein und allen möglichen Wohlgerüchen« wurde erweiterbefördert, wegen des Geruchs aber bald in einFaß gelegt, das innen und außen verpicht und über-dies in Leder eingenäht war. Trotzdem wurde der Ge-stank immer unerträglicher, weshalb man Karls desKahlen Reste nicht, wie von ihm gewünscht, nach St.

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4.485 Deschner Bd. 5, 250Tod nach 37jähriger Herrschaft »an Durchfall ...

Denis überführte, sondern ihn zunächst so, wie er indem Faß lag, im Kloster Nantua bei Lyon der Erdeüberließ.14

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4.486 Deschner Bd. 5, 251Johann preist Karlmann und krönt Ludwig den ...

Johann preist Karlmann und krönt Ludwig denStammler

Nun sah sich der Papst, dessen ganze Pläne, den Kir-chenstaat zur beherrschenden Macht Italiens zu erhe-ben, mit dem Tod des Kaisers zuammenbrachen,schutzlos seinen Feinden gegenüber. Nach KarlsFlucht und Tod fiel das Königreich Italien mühelos anseinen Neffen Karlmann. Und dieselben Bischöfe, diegerade erst in Ravenna Karl den Kahlen als den»christlichsten und mildesten« Kaiser gefeiert, ja,deren Banndrohung gerade auch Karlmann gegoltenhatte, dieselben Bischöfe huldigten nun ihm. Ebensoder Papst, Inbegriff eines Opportunisten. Flott spracher vom »unerforschlichen Ratschluß Gottes« undpries jetzt Karlmann als den einzigen Beschirmer derKirche und ihren treuesten Verteidiger ...

Doch der Bayer war selbst geschlagen, wenn nichtschon vom Tod gezeichnet, jedenfalls schwer er-krankt, und im November zum Rückzug nach(Alt-)Ötting, seiner Pfalz, genötigt. Auch er trat dieHeimkehr in einer Sänfte an. Und sein Heer schleppteeine schlimme, viele Opfer fordernde Seuche insFrankenreich, wo bereits Epidemien gewütet, das»italienische Fieber« und eine Augenkrankheit, »sodaß sehr viele am Husten die Seele aushauchten«Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.487 Deschner Bd. 5, 251Johann preist Karlmann und krönt Ludwig den ...

(Annales Fuldenses).15

In Italien aber meldeten sich jetzt die MarkgrafenLambert von Spoleto und dessen Schwager Adalbertvon Tuszien, zwei eng verbundene Sippen, mit ihrenAnsprüchen. Weder die Wut des Papstes half, nochseine Umschmeichelung Lamberts. Im Frühjahr 878stand dieser, bald Johanns »einziger Beistand« und»getreuester Verteidiger«, bald der »Sohn des Verder-bens«, wieder einmal plötzlich mit seinem Schwagerin Rom, um Karlmanns Anerkennung durchzusetzen.Dreißig Tage hielten sie den Papst, der gegen die Kir-chenräuber den Bannstrahl schleuderte, gefangen.Dann eilte Johann, der in Westfranken eine allgemei-ne Synode ausgeschrieben hatte, mit drei aus Neapelbezogenen Schnellseglern über Genua nach Arles.Und am 7. September krönte er in Troyes Karls desKahlen Sohn, Ludwig II. den Stammler (877–879),zum König, obwohl der wegen seiner Krankheits-schübe kaum regierungsfähig war, obwohl ihn über-dies Erzbischof Hinkmar, der geübte Coronator, erstam 8. Dezember des letzten Jahres schon in Com-piègne gekrönt, und obwohl er soeben, im selbenJahr, seine Frau Ansgard, die ihm zwei Söhne, Lud-wig III. und Karlmann, geschenkt, verstoßen und inzweiter Ehe, während seine erste Frau noch lebte!, dieTochter des Grafen Adalhard, Adelheid, geheiratethatte, die 879 als Postumus Karl III. den »Einfälti-

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4.488 Deschner Bd. 5, 252Johann preist Karlmann und krönt Ludwig den ...

gen« zur Welt brachte. Immerhin krönte sie der Papstnicht, unterstützte aber Ludwig den Stammler durchdie »Befestigungskrönung« (Schneidmüller) sowiemit Bannsprüchen gegen alle Feinde. Und schließlichverlangte er in seiner Schlußrede von Troyes – demersten Konzil in Anwesenheit des Papstes im Fran-kenreich nördlich der Alpen – von den Bischöfen, mitWaffengewalt seine Rückkehr nach Rom zu erzwin-gen.

Johann hatte die Synode am 11. August 878 eröff-net und dazu auch die drei ostfränkischen Königenebst ihren Bischöfen erwartet, wollte er seinen Kai-serkandidaten doch vor einem großen Forum küren.Es kam aber niemand aus Ostfranken, ja, die Königebeantworteten die päpstlichen Schreiben gar nicht,Karlmann schwieg sogar nach einem zweiten Papst-brief, und aus Italien waren nur drei Bischöfe da; Jo-hann hatte sie gleich selber mitgebracht.

Im übrigen ging es auf der Synode – zu der auchder 871 abgesetzte, später geblendete Bischof Hink-mar von Laon erschien und (sehr zum Ärger Hink-mars von Reims) wenigstens teilweise »rehabilitiert«worden ist – u.v.a. wieder einmal massiv um dieRückgabe von Kirchengütern durch die Laien, denenman andernfalls die Exkommunikation und die Ver-weigerung eines christlichen Begräbnisses androhte;ging es um Reduzierung der Steuern, die angeblich

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4.489 Deschner Bd. 5, 252Johann preist Karlmann und krönt Ludwig den ...

seit Jahrzehnten auf die Kirchengüter drückten (seiendoch, schrieb der greise Hinkmar dem neuen König,»die einstmals reichen Kirchen völlig mittellos ge-worden«).

Ludwig II. der Stammler, »durch das ErbarmenGottes und die Wahl des Volkes (!) zum König be-stellt«, versprach zwar die Kirchenverordnungen unddie Gesetze unangetastet zu lassen. Doch war er krankund schon im nächsten Jahr, nach einer plötzlichenVerschlechterung seines Zustands, man sprach vonGift, am Karfreitag tot, nicht ganz 33 Jahre alt.16

Noch zu Lebzeiten des Königs aber hatte Papst Jo-hann VIII. einen Mann umworben, der ihn bereitsnach Troyes begleitet, der ihn dann auch nach Italienzurückgeführt hat und dem er ganz offenbar nichtsGeringeres als die Kaiserkrone aufs Haupt zu setzengedachte – Graf Boso von Vienne (gest. 887).

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4.490 Deschner Bd. 5, 253Pfaffenkönig Boso tritt ins Rampenlicht

Pfaffenkönig Boso tritt ins Rampenlicht

Boso war der Sohn des lotharingischen Grafen Biwin,des Laienabtes von Gorze, und ein Neffe von LotharsII. Gattin Theutberga sowie ihres Bruders, des AbtesHucbert von Saint-Maurice. Nach der VermählungKarls des Kahlen mit Bosos Schwester Richilde – erhatte sie ihm damals zugeführt (S. 215) – begann seinAufstieg im Dienst des Königs, der ihn mit zahlrei-chen Herrschaften und Ämtern bedachte, in Aquitani-en, Burgund und Italien. Noch 869 bekam Boso dieAbtei Saint-Maurice, 870 die Grafschaft Vienne, zweiJahre später wurde er Kämmerer und magister ostia-riorum für Karls Sohn Ludwig, den Unterkönig vonAquitanien, das er nun verwaltete. 875/876, bei Karlserstem Italienzug, bekam er wohl die Provence undwurde im Februar 876 auf der Reichs Versammlungin Pavia zum missus für Italien bestellt und mit demTitel eines Herzogs der Lombardei gleichsam Vizekö-nig.

An Frömmigkeit scheint es Boso so wenig gefehltzu haben wie an Grausamkeit. Zumindest verfügte erüber eine Reihe von Klöstern, in denen auf seinen Be-fehl für ihn gebetet wurde. Dem gestürzten und meh-rere Jahre in Haft gehaltenen Bischof Hinkmar vonLaon ließ Boso im Kerker die Augen ausreißen, seine

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4.491 Deschner Bd. 5, 254Pfaffenkönig Boso tritt ins Rampenlicht

erste Frau hat er nach einer »glaubwürdige(n) Quelle«vergiftet und dann Ermengard, ehemals Verlobte desbyzantinischen Thronfolgers, die einzige Erbin KaiserLudwigs II., geraubt, um sie zu heiraten, brachte sieihm doch einen beträchtlichen Besitz in Oberitalienein.

Papst Johann VIII. aber billigte nicht nur die Unre-gelmäßigkeit dieser Ehe, sondern versicherte schrift-lich, Boso und Ermengard wie seine eigenen Kinderzu betrachten. Schien ihm doch ein Emporkömmlingwie Boso gerade geeignet, es in Italien mit Karlmannaufnehmen und diesem das italienische Reich entrei-ßen zu können. So ernannte er denn 878 Boso, den»glorreichen Fürsten«, per adoptionis gratiam zu sei-nem Sohn (ein Akt, der traditionsbildend wirkte),womit dieser als filius adoptivus unter den besonde-ren geistlichen Schutz des Papstes gestellt wurde, erseinerseits aber auch besondere Schutzaufgaben fürden Papst übernahm, der jedem, der gegen seinen»Sohn« (predictum filium nostrum) sich zu wendenwagte, den Bann androhte.

Der Heilige Vater lockte Boso, der ihn im AuftragLudwigs II. nach Rom zu geleiten hatte, mit der Kö-nigskrone der Provence, ja mit der Kaiserwürde –nichts weniger als eine geplante Revolte wider dieKarolinger, da Boso deren Dynastie gar nicht ange-hörte. Doch nicht genug: »Der Papst inszenierte ein

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4.492 Deschner Bd. 5, 254Pfaffenkönig Boso tritt ins Rampenlicht

geradezu heimtückisches Spiel. Er warb bei Ludwigdem Stammler, der selbst Ansprüche auf Italien an-meldete, um Truppen zur Unterstützung Bosos; derKarolinger sollte den Niedergang seines Geschlechtsselbst noch fördern« (Fried).17

Boso, der sich 877 gegen Karl den Kahlen, dem erseine ganze Karriere, zahlreiche hohe Ämter undgroße Ländereien verdankte, sogar offen verschworenund ebenso dessen Sohn und Nachfolger Ludwig denStammler unter schweren Druck gesetzt hatte, gabschließlich auch dessen Söhne Ludwig III. und Karl-mann preis. Dafür ließ er sich, nachdem er schon vor-her als »Boso Dei gratia« firmierte, am 15. Oktober879 in der (heute gänzlich verschwundenen) PfalzMantaille, südlich von Vienne (bei Anneyron, Dép.Drôme), zum König in Burgund und in der Provencewählen – zu einer Art »Pfaffenkönig«, denn er wurde,in enger Anlehnung übrigens an die Bischofswahl,nur vom Klerus proklamiert, von 27 Erzbischöfenund Bischöfen, und dann gesalbt, alles natürlich kraftgöttlicher Eingebung.

Ein Vorgang von weittragenden Folgen. Denn diePrälaten aus dem Rhoneraum mißachteten dabeiBosos mangelnde Legitimität, mißachteten die ost-fränkische Karolingerdynastie und deren »Geblütsan-spruch« überhaupt. Wurde damit doch erstmals seit130 Jahren das alleinige Anrecht der Karolinger auf

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4.493 Deschner Bd. 5, 255Pfaffenkönig Boso tritt ins Rampenlicht

eine Krone durchbrochen. Boso hatte die jugendlichenSöhne des Stammlers ignoriert, sie »für nichts«, als»unechte Kinder« angesehen, sei ihre Mutter ja aufKarls Befehl (S. 247, 251) »abgelehnt und verstoßenworden« (Regino von Prüm). Und Bosos ehrgeizigeGattin Ermengard wollte gar nicht mehr länger leben,könnte sie, Tochter eines Kaisers und Braut einesKaisers – man hatte sie 866 mit Basileios I. (S. 261)verlobt – nicht ihren Mann zum König machen.

So warf Boso mit Geschenken um sich und gelobte,in allem nach dem Wunsch des Klerus zu verfahren.Ganz beiseite, daß viele Bischöfe nicht nur »durchVersprechungen von Abteien und Landbesitz«, son-dern auch »durch Drohungen« (Annales Bertiniani)gefügig gemacht worden waren. Bedenkenlos hatdann Boso auch Klostergüter und Reimser Kirchenbe-sitz geraubt, sich sogar an dem päpstlichen KrongutVendeuvre vergriffen, um die einflußreichsten Präla-ten und Vasallen befriedigen zu können, Leute, dieeinmal mehr electio per inspirationem vorgaukelten,indem sie behaupteten, Bosos Wahl habe ihnen, kraftihres brünstigen Gebetes, Gott eingegeben. Denn denElectus als von Gott Prädestinierten hinzustellen, war»schon beinahe phrasenhaft geworden« (Eichmann) –und erstunken und erlogen war es allemal. »Nicht nurin Gallien«, rühmten die Bischöfe Boso, »sondernauch in Italien leuchtete er allen voran, so daß der rö-

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4.494 Deschner Bd. 5, 255Pfaffenkönig Boso tritt ins Rampenlicht

mische Papst Johann, ihn gleich einem Sohne ach-tend, seine lautere Gesinnung mit vielem Lobpries ...« Und der Mörder seiner ersten Frau, der Räu-ber seiner zweiten bekannte seinen alleinseligmachen-den katholischen Glauben, unterwarf sich dankbar derAufsicht der Kirchenfürsten und versprach, ihre Privi-legien zu schützen.

In Lyon, der größten Stadt des neuen Reiches,krönte Erzbischof Aurelian den Boso zum König –keiner dank seiner Geburt, seines Erbrechts, sonderndank des Klerus, der sich dabei offenbar an Papst Jo-hann orientierte. Denn wie der sich herausnahm, einenKaiser als Schirmherrn zu wählen, so beanspruchtenauch sie nun das Recht, einen Beschützer nach Gut-dünken zu küren, natürlich zu ihrem größtmöglichenVorteil. Die Frankenkönige einigten sich zwar gegenden Usurpator und eroberten im Sommer 880 die Fe-stung Mâcon an der Sâone, vermochten indes Viennenicht zu nehmen, da Karl überraschend die Belage-rung abbrach, um nach Italien zu ziehen. Und Bosobehauptete sich gegen den Widerstand der west- wieostfränkischen Karolinger bis zu seinem Lebensendeam 11. Januar 887.18

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.495 Deschner Bd. 5, 256Den Kaiser will »zuerst und allermeist« Papst ...

Den Kaiser will »zuerst und allermeist« PapstJohann berufen

Auf dem Recht zur Kaiserwahl und -krönung aber be-stand der Papst. »Denn derjenige«, schrieb Johanneinmal dem Erzbischof Ansbert von Mailand, »wel-cher von uns für das Kaisertum zu weihen ist, mußzuerst und allermeist von uns berufen und erwähltsein.«

Jahrhundertelang jedoch hatte der römische Bischofin dieser Frage überhaupt kein Mitsprache-, ge-schweige ein Entscheidungsrecht. Jahrhundertelangwar er, wie alle anderen Patriarchen und Bischöfe, derUntergebene des Kaisers, war dieser sein Oberherr.Und kein Geringerer als Leo I. (440–461), »derGroße« (als einziger Papst, neben Gregor I. und dito»Großen«, mit dem raren und höchsten Titel der Ca-tholica, dem eines Kirchenlehrers bedacht), sprachdem Kaiser sogar das Recht zu, Dogmen betreffendeKonzilsbeschlüsse zu kassieren. Nicht genug, er kon-zedierte ihm – und keinesfalls nur einmal! – Unfehl-barkeit, Irrtumslosigkeit im Glauben, während esseine, des Papstes »Pflicht« sei, »zu offenbaren, wasdu weißt, und zu verkünden, was du glaubst ...« (II254 f.).

Difficile est satiram non scribere.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.496 Deschner Bd. 5, 256Den Kaiser will »zuerst und allermeist« Papst ...

Noch Karl I. hatte sein Kaisertum durch eigenesMachtbewußtsein an seinen Sohn Ludwig den From-men weitergegeben, Papst Leo III. (795–816) KarlsOberherrschaft über den Kirchenstaat von Anfang ananerkannt. Er hatte ihm noch in Kircheninterna so gutwie immer gehorcht und als sein Untertan auch seineMünzen nach den Regierungsjahren des Kaisers da-tiert, ja diesem, nach dessen Kaiserkrönung, durcheinen Kniefall gehuldigt (IV 446 ff.). Und nach desVaters Beispiel gab auch Ludwig der Fromme dieKaiserkrone an Lothar I., seinen Erstgeborenen, wiedieser wieder seinen Ältesten zum Kaiser selbst be-stimmt. Die kirchliche Segnung durch den Papst kamnachträglich dazu, doch folgte daraus noch keinpäpstliches Verfügungsrecht, das aber Johann VIII.aus der Krönung Karls des Kahlen ableitet, allerdingsauch an Nicht-Karolinger, womit sich die Kandidatenfraglos gern abfanden.

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4.497 Deschner Bd. 5, 257Letzter Appell an Boso »...jetzt ist der Tag des ...

Letzter Appell an Boso »...jetzt ist der Tag desHeils« oder Johanns »vierfaches Spiel«

Natürlich gab es genug Widersacher gegen die papa-len Ambitionen, vor allem unter den italienischenFürsten und Kirchenfürsten. Und Erzbischof Ansbertvon Mailand, der sie anführte, war schon zu der imDezember 878 nach Pavia einberufenen Synode nichterschienen. Johann hatte seinerzeit, von Boso unddessen Gattin geführt, den Mont Cenis überquert undin Turin drängend und schmeichelnd die italienischenGroßen nach Pavia bestellt, um dort über »die Lageder heiligen Kirche Gottes und die Ruhe des Landes«zu beraten. Doch keiner kam. Selbst als der Papst denTermin verschob und abermals und dringender Für-sten und Kirchenfürsten nach Pavia beschied, ja, vomwestfränkischen König »zur Bekämpfung seiner Fein-de« Truppen erbat, blieb alles aus und der HeiligeVater samt seinem Paladin allein in der Stadt.

So setzte jeder von ihnen für sich die Reise fort,Boso zurück in die Provence, der Papst zurück nachRom. Und als er Ansbert samt allen seinen Suffraga-nen nun zu einer Synode im Mai 879 befahl, um u.a.auch die Einsetzung eines neuen Königs von Italienzu besprechen, die seines Adoptivsohnes Boso selbst-verständlich, kam Ansbert wieder nicht; er entschul-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.498 Deschner Bd. 5, 258Letzter Appell an Boso »...jetzt ist der Tag des ...

digte sich nicht einmal und wurde exkommuniziert.Und als der Metropolit, der seelenruhig weiter dieMesse las und seines Amtes waltete, auch auf einerSynode im Oktober in Rom nicht eintraf, wurde er ab-gesetzt. Freilich – im nächsten Jahr gab er klein beiund schwur dem Papst einen Treueeid.

An Boso aber wandte sich Johann auch aus Italiennoch ein letztesmal, indem er mit biblischem Zungen-schlag lockte: »Den geheimen Plan, den wir unterGottes Hilfe zu Troyes mit Euch verabredet, bewah-ren wir sonder Zweifel fest und unwandelbar in unse-rer apostolischen Brust wie einen verborgenen Schatzund wünschen, so lange wir leben, ihn, so viel an unsliegt, mit allen Kräften rüstig zu vollenden. Darumsollt Ihr, wenn es Eurer Hoheit beliebt, ihn jetzt in'sWerk richten; denn, wie der Apostel ermahnt: Sehet,jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag desHeils, an dem Ihr mit dem Herrn Eure Wünsche wirk-sam erfüllen könnet.«

Doch vermutlich hatte Papst Johann bereits deslängeren erkannt, daß Boso ihm nicht mehr dienenkonnte oder wollte. Also gab er den geliebten Adop-tivsohn, dessen »teure Freundschaft« er doch »umkeines Menschen willen« missen wollte, offenbar umGottes willen preis. Nun appellierte er – zweifellosnoch immer zur angenehmen Zeit, am Tag des Heils –an die ungeliebten Frankenkönige, den Schwabenkö-

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4.499 Deschner Bd. 5, 258Letzter Appell an Boso »...jetzt ist der Tag des ...

nig Karl und an Karlmann, deren beider Reiche anItalien grenzten. »Während er sich stellte, als hielte eran Boso fest«, schreibt Johannes Haller, »und beteu-erte, bei keinem andern Hilfe gesucht zu haben,knüpfte er schon mit Karl von Schwaben an und ver-sprach ihm jede Erhöhung, verhandelte aber noch eif-riger mit Karlmann, sendete dem schon seit Monatenvom Schlagfluß Gelähmten und der Sprache Beraub-ten noch im Sommer 879 durch zwei Bischöfe einenHilferuf mit der Versicherung, sonst niemandes Bei-stand gewünscht zu haben, stellte ihm Ehre und Heilin diesem und jenem Leben in Aussicht, ja drohte ihmmit dem Richterstuhl Christi. Sogar den ältesten derdeutschen Brüder, Ludwig III. von Rheinfranken undSachsen, also den entferntesten der Karolinger, hat ermit der römischen Kaiserkrone zu locken gesucht, dieihm höheren Ruhm als allen seinen Vorfahren bringenund alle Königreiche zu Füßen legen werde. Dabeiverlangte er nach wie vor, daß man sich im König-reich Italien nach ihm richte ...« Und auch Ludwig III.den Jüngeren, Kaiser Karls III. Bruder, hat Johann,bald nachdem ihn Boso enttäuschte, adoptiert. »Es istdeutlich, daß der Papst nicht ein doppeltes, sondernein dreifaches oder vierfaches Spiel spielt« (Hart-mann).19

Boso jedenfalls wollte für die fragwürdige Kaiser-krone und den lockenden Papst nicht alles, was er

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4.500 Deschner Bd. 5, 258Letzter Appell an Boso »...jetzt ist der Tag des ...

schon gewonnen, aufs Spiel setzen. Ohne sich dieapostolische Gunst zu verscherzen, kümmerte er sichnun um Erweiterung und Festigung seiner Macht zuHause, in der Provence. Die Lage war auch dort pre-kär genug.

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4.501 Deschner Bd. 5, 259Fränkische Verwandtenkontakte

Fränkische Verwandtenkontakte

Ludwig der Stammler hatte aus seiner ersten Ehe (mitAnsgard) zwei Söhne, Ludwig und Karlmann, hinter-lassen und den älteren, Ludwig III. (879–882), zuletztnoch zu seinem alleinigen Nachfolger bestimmt. Auchder mächtige Hugo Abbas, ein Vetter Karls des Kah-len und Laienabt von St.-Germain d'Auxerre, tratdafür ein. Doch Boso betrachtete den Stammlersohn,wie dessen Bruder Karlmann, als illegitim (degeneres)und überging ebenso den gerade nachgeborenen Karl(III. den Einfältigen).

Sogar Ludwigs eigener Kanzler, Abt Gauzlin, ver-riet ihn. Dabei war der Abt schon Kanzler und einerder engsten Vertrauten Karls des Kahlen gewesen,dem er auch einige der reichsten Abteien verdankte:Jumièges, St. Amand, St.-Germain-des-Prés, 878noch St.-Denis. 884 wurde er Bischof von Paris. AbtGauzlin war, neben Abt Hugo, zeitweise der führendeMann des Westfrankenreiches. Er vertrat das Hausder einflußreichen Rorgoniden, während Hugo Abbasden Familienclan der westfränkischen Welfen reprä-sentierte. So forderte Gauzlin, zusammen mit demAdel zwischen Seine und Maas, gleich nach dem Toddes Königs, aus Furcht vor dem mächtigen RivalenHugo, den Ostfranken Ludwig den Jüngeren zum Ein-

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4.502 Deschner Bd. 5, 260Fränkische Verwandtenkontakte

marsch ins Westreich auf und bot ihm die Krone desLandes an.

Ludwig ließ sich das nicht zweimal sagen. Er stießüber Metz nach Verdun vor, wobei seine Greuel undVerwüstungen während des Vormarsches, seine»Schlechtigkeiten jeder Art«, angeblich »noch dieÜbeltaten der Heiden übertrafen« (Annales Bertinia-ni); auch Verdun wurde geplündert. War aber zu-nächst Abt Gauzlin den Königstreuen zuvorgekom-men, so traten diese nun, allen voran Laienabt Hugo,um nicht alles zu verlieren, Ludwig West-Lotharin-gien ab. Zweimal hatte Karl der Kahle durch einenRechtsbruch das ganze Lotharingien einzuheimsen,dem Westreich anzugliedern versucht, und nun gehör-te es ganz zu Ostfranken, freilich ebenfalls durcheinen Rechtsbruch.

Dafür aber gab Ludwig der Jüngere sofort Gauzlinund Genossen preis, kehrte zufrieden zurück – undwurde von seiner raffgierigen, ehrgeizgeplagten FrauLiutgard sogleich zu einem neuen Krieg überredet,um das ganze Westreich zu gewinnen. Er nahm jetztdie Opposition im Norden, Gauzlin nebst Anhang, dieihn erneut rief, wieder in Dienst, worauf sie auchgleich, sozusagen als Vorauskommando, raubend undplündernd durchs Land zog, Ludwigs Kommen signa-lisierend.

Allerdings war dieser noch mit Bayern befaßt, des-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.503 Deschner Bd. 5, 260Fränkische Verwandtenkontakte

sen König, sein Bruder Karlmann, immer jämmerli-cher dahinsiechte. Ludwig eilte von Forchheim, wo ergerade den »Geburtstag des Herrn« gefeiert, nachBayern, entthronte den bereits Sprachunfähigen rück-sichtslos, riß sein Land an sich und feierte danach dieAuferstehung des Herrn in Frankfurt. Dazwischen, am22. März 880, ist Karlmann gestorben; Ludwig warweiter nach Westfranken vorgedrungen, gab sich abermit der Abtretung des westlichen Lotharingien zufrie-den.

Bereits im Spätsommer 879 hatte nämlich AbtHugo durch den Erzbischof Ansegis von Sens diewestfränkischen Prinzen Ludwig III. und Karlmannzu Königen krönen und salben lassen. Und im Südenwar ja eben noch ein Dritter, Boso, der Herzog derProvence, im Oktober König geworden, der ersteKönig nichtkarolingischer Abstammung im einstigenGesamtreich. Als im Osten dann, zwei Jahre nachdem Tod seines Bruders Karlmann, auch Ludwig III.der Jüngere am 20. Januar 882 in Frankfurt am Mainkinderlos starb (da sein einziger kleiner gleichnamigerSohn durch einen Sturz aus dem Fenster des Palastessich das Genick gebrochen hatte), fiel ganz Ostfran-ken dem jüngsten Bruder zu, dem SchwabenkönigKarl.20

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4.504 Deschner Bd. 5, 261Gegen Überlassung von Kriegsschiffen

Gegen Überlassung von Kriegsschiffen u.a. willJohann den zweimal abgesetzten und verfluchten

Patriarchen Photios anerkennen

Da Papst Johann vorerst auch die ostfränkischen Ka-rolinger nicht gewinnen konnte, zögerte er nicht, inseinen letzten Lebensjahren wieder mit Konstantino-pel zu kontaktieren, zumal es schien, als könnte Itali-en wieder byzantinisch werden. Bari, durch KaiserLudwig II. anno 871 eingenommen, war bereits 876wieder zu Byzanz gekommen, und dessen Generale inUnteritalien behielten oft die Oberhand; die griechi-sche Herrschaft festigte sich.

So hatte der Papst, noch vor seinem Aufbruch insFrankenreich, im April 878 einen Hilferuf auch anKaiser Basileios I. (867–886) geschickt, einen weitrasanteren Karrieristen noch als Boso. Hatte der ein-stige Pferdeknecht doch alle Rivalen skrupellos besei-tigt, auch seinen Gönner Michael III., der ihn 866zum Mitkaiser krönte und den er – selbst ausgerech-net rechtsgeschichtlich von größter Bedeutung durchseine neue Rechtskodifikation – im Jahr darauf näch-tens ermorden ließ (S. 221 f.).

Papst Johann wiederholte seine Kontaktnahme879. Und er scheute sich nicht, für militärische Hilfe,für die avisierte Überlassung von Kriegsschiffen desKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.505 Deschner Bd. 5, 262Gegen Überlassung von Kriegsschiffen

oströmischen Herrschers und die Räumung des bulga-rischen Missionsgebietes durch die griechischeReichskirche, den Patriarchen Photios, trotz aller frü-heren Bannflüche, als rechtmäßigen Patriarchen wie-der anzuerkennen, ihn als Amtsbruder zu begrüßenund hoch zu loben. Dabei hatten ihn gleich zwei sei-ner Vorgänger unwiderruflich abgesetzt und feierlichverflucht! Hatte auch das bekannte VIII. Ökumeni-sche Konzil in der Hagia Sophia 869/870 unter Lei-tung der päpstlichen Legaten bzw. des ehrenwertenBasileios I. persönlich die Absetzung des Photios be-stätigt und die von ihm erteilten Weihen annulliert.

Nun, im Winter 879/880 erklärten Johanns Ge-sandte durch ihre Unterschrift auf einem Konzil, demletzten der gesamten Kirche, jetzt allerdings unter derRegie des inzwischen rehabilitierten Photios, alles zuverfluchen, was sich seiner Anerkennung widersetzenwürde! »Um Streitigkeiten zu vermeiden«, belehrt unsTheologe Bernhard Ridder (einst Generalpräses desinternationalen Kolpingswerkes), »willigte der Papstunter gewissen Bedingungen ein«. Doch nur um Streitzu vermeiden, hat wohl noch kein Papst irgendwo ein-gewilligt, jedenfalls nicht in Vorgänge von solcherRelevanz. Tatsächlich war es einfach ein neuerlichesAnpassen an die Verhältnisse, das überdies das Miß-trauen des Frankenkönigs Karl weckte, auch nichtzum Erfolg führte. Weder in Unteritalien, wo die

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4.506 Deschner Bd. 5, 262Gegen Überlassung von Kriegsschiffen

Griechen zwar mit der Eroberung von Tarent 880 diefür sie wichtige Ostküste wieder beherrschten, aberdie Westküste weiter den Arabern überließen; nochim Bulgarenreich, das auch künftig der griechischenKirche unterstand (S. 219 ff.).21

Daniel-Rops freilich, der katholische Kirchenhisto-riker, sieht nicht den Heiligen Vater in einen einzigenSumpf von Korruption, Kabalen, Verschlagenheithineingezogen, sondern lediglich seine Akteure, allesum ihn herum. »Rings um ihn wimmelte es von politi-schen Intrigen.« Er selbst thront, ein so alter wieplumper, durch alle Zeiten strapazierter Apologeten-Trick, wie die leibhaftige Unschuld inmitten. (»DerFührer weiß das nicht.«)22

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4.507 Deschner Bd. 5, 263Von Karlmann zu Karl III. dem Dicken

Von Karlmann zu Karl III. dem Dicken

In Wirklichkeit war dieser Papst der verkörperte Op-portunismus. Ließ er sich doch fast mit allen ein, jemächtiger, desto lieber. Lockte, schreckte, beschworer noch jeden, der ihm gerade passend schien, schick-te Schreiben, Legaten, flehte um Rettung, Hilfe,schmeichelte, verhieß Freundschaft, ewiges Seelen-heil, sicherte jedem die Krone zu, die »alle Königrei-che unterwerfe«. Und als er von Karlmann, dem Sie-chen, der Sprache Beraubten, dem unheilbar Krankennichts mehr erhoffen konnte, nötigten diesem seineLegaten eine Verzichterklärung zugunsten Karls ab,seines Bruders, nicht nur jünger, auch williger, gefü-giger, brauchbarer für den Heiligen Vater. Und alsman in Ostfranken sich einig geworden, Karl III. vonSchwaben (dem Dicken) Italien zu überlassen, beteu-erte ihm der Papst: »In Bezug auf Boso sollt ihr euchversichert halten, daß er weder ein freundschaftlichesEntgegenkommen noch Beistand von unserer Seitebei uns haben und finden wird, weil wir euch alsFreund und Helfer gesucht haben und mit ganzemHerzen euch als unseren teuersten Sohn halten undhegen wollen.«

Er erklärte nun Boso, seinen Adoptivsohn, inzwi-schen König der Provence und mit all seinen dortigen

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4.508 Deschner Bd. 5, 263Von Karlmann zu Karl III. dem Dicken

Bedrängnissen, Schwierigkeiten für ihn unnütz, zumTyrannen. Dagegen krönte er Karl III. den Dicken imJanuar 880 auf einer Reichsversammlung in Ravennain Anwesenheit der Magnaten und Bischöfe des Lan-des zu dessen König. Alle weltlichen und geistlichenGroßen, außer dem Papst, leisteten ihm einen Treu-eid. Doch zur gewaltigen Enttäuschung des Römershatte Karl gar keine Lust auf die Kaiserkrone, garkeine Lust, sich dann »mit den Heiden und falschenChristen« herumzuschlagen. Vielmehr kehrte er imMai wieder über die Alpen zurück und hinterließ zumSchutz des Papstes nur die ihm wenig gewogenenHerzöge von Tuszien und Spoleto.

In wahrer Verzweiflung bat Johann jetzt, der Königmöge doch für den Staat des hl. Petrus sorgen, einenbevollmächtigten missus (Legaten) nach Rom schik-ken. Er bettelte, klagte, und wieder nicht nur einmal.Doch als das Kommen des Herrschers selbst bevor-stand, machte er ihm plötzlich in seinem letzten Briefvom 25. Januar 880 Bedingungen, drohte, warf ihmÜbereilung vor, verbot ihm, die Grenzen des Kirchen-staates zu überschreiten, bevor er zum Wohl seinerSeele Garantien gegeben, bevor er seine, des Papstes,durch einen Legaten überstellten Wünsche sanktio-niert habe, in jedem Wort und Paragraphen.

Karl scherte sich allerdings nicht darum, reiste sehrgemächlich, monatelang in Oberitalien verweilend,

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4.509 Deschner Bd. 5, 264Von Karlmann zu Karl III. dem Dicken

nach Rom und wurde am 12. Februar 881 in St.Peter – mit einer Krone aus der Schatzkammer des hl.Petrus – zum römischen Kaiser gekrönt, als erster ausder ostfränkischen Linie der Karolinger. Sie siegteüber die papale Politik, freilich erst nachdem derPapst schon in Ravenna Karls folgenschweres Ver-sprechen erlangt hatte, »die Verträge und Privilegiender heiligen römischen Kirche zu bewahren«; ein Ver-sprechen, das der König von Italien, der rex Romano-rum, wie er später hieß, durch das ganze Mittelaltervor dem Empfang der Kaiserkrone leisten mußte.23

Karl aber, ein Machthaber, dessen Wirken in wenigmehr als im Abwarten, im Nichtstun bestand, das ihmja auch Erfolg über Erfolg brachte, lenkte, nun im Be-sitz der Kaiserwürde, seine Schritte noch gemächli-cher zurück, wobei er ein ganzes Jahr in Pavia undMailand verbrachte, auch einen Ausflug an den Bo-densee unternahm, während ihn Johanns Bettelei un-ablässig verfolgte. Bloß Jammer und Trauer ohneEnde sah der Römer rings um sich. Die Übel wüchsenvon Tag zu Tag, schrieb er, es wäre besser zu sterben,als sie länger zu ertragen. Krieg wider Christen undSarazenen wünschte er und bat Karl, ohne Aufschubein Heer zu senden, endlich Ordnung zu schaffen –vergeblich. So klagte Johann (der Kaiserin und Erz-kanzler Liutward) weiter sein Leid. Der Schlaf flieheseine Lider, die Speise seine Lippen. Mitten in der

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4.510 Deschner Bd. 5, 264Von Karlmann zu Karl III. dem Dicken

Finsternis hoffte er auf Licht, wagte aber Rom nichtmehr zu verlassen und fürchtete, gefangen und erdros-selt zu werden.24

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4.511 Deschner Bd. 5, 265Papst Johann jagt Sarazenen - die Katholiken ...

Papst Johann jagt Sarazenen – die Katholikenkollaborieren mit ihnen

All die Anpassungsaktionen des Papstes dienten nichtzuletzt dem Ziel, seine Hausmacht, den Kirchenstaat,zu vergrößern, ihm insbesondere Teile des Südens zuunterwerfen. Dort jedoch häuften sich seit Beginn derislamischen Besetzung des byzantinischen Sizilien827 allmählich die maritimen Attacken der »Piraten«,mehr oder weniger spektakuläre Überfälle, derenTragweite man am fränkischen Kaiserhof offenbarnicht erkannte. Zumal seit dem Zusammenbruch vonKaiser Ludwigs Macht stießen die Araber von Sizili-en und Tarent aus meist an der Westküste vor. DieSabina, Latium, Tuszien wurden geplündert, diepäpstlichen Landgüter, die Klöster verheert, Rom undseine Schätze selbst bedroht. Johann VIII., durch sei-nen »fanatischen Eifer«, »vor allem aber durch seinenheiligen Kriegseifer eine der bedeutendsten Figurender dunklen Geschichte des späteren 9. Jahrhunderts«(Eickhoff), segelte schließlich als erster Papst mit ei-gener Flotte gegen die Mohammedaner, nahm ihnenam Kap der Circe 18 Galeeren weg und garantiertejedem seiner Gefallenen die ewige Seligkeit (S. 237f.). Alle Welt forderte er zur Sarazenenjagd auf: dieItaliener, Karl den Kahlen, Boso von Vienne, den dal-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.512 Deschner Bd. 5, 265Papst Johann jagt Sarazenen - die Katholiken ...

matischen Fürsten Domagoj, einen »charismatischen«Kroaten und Piraten, dessen Schiffe »häufig Seeraubin der Adria« betrieben (Ferjančić), was ihm Venezia-ner und Byzantiner auf den Hals hetzte.

Der päpstliche Kampf, der ja keinesfalls nur denSarazenen, nur dem Landesschutz galt, sondern insge-heim eben der Unterjochung Süditaliens, war freilichnicht sehr aussichtsreich. Um so weniger, als katholi-sche Fürsten und Kirchenfürsten mit den FeindenChristi kooperierten, um sich gegen östliche wie west-liche Kaiser und gegen den Heiligen Vater zu schüt-zen, natürlich auch vieler Handelsvorteile wegen (inder apologetischen Diktion des Daniel-Rops: »jaselbst politische Bischöfe versuchten, ihre kleinenSchifflein selbständig zu steuern«). Die Christenschlossen Bündnisse, Verträge mit den »Ungläubi-gen«, sie warben Söldner bei ihnen, duldeten sie innächster Nachbarschaft, versorgten, schützten sie,manche fochten anscheinend sogar auf sarazenischenKriegszügen gegen Christen. Neapel, Gaeta, Amalfi,Salerno hielten es mit den Arabern. Und der Papst,der eine unteritalische Liga um sich zu sammeln such-te, schleuderte Bibelsprüche und Bannstrahlen gegendie Ungetreuen, die er gelegentlich noch für ein Bünd-nis bezahlte.25

Zum Beispiel die Amalfitaner.Amalfi, die Küstenstadt am Golf von Salerno, zwi-

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4.513 Deschner Bd. 5, 266Papst Johann jagt Sarazenen - die Katholiken ...

schen Gebirg und Meer sowie den benachbarten Ge-bieten von Sorrent, Neapel, Salerno gezwängt, konntesich nur durch eine starke Flotte und wechselnde Zu-sammenschlüsse eine gewisse Eigenständigkeit schaf-fen. 846 und 849 bekämpfte es an der Seite Neapelsdie Sarazenen, später stand es mit Kaiser Ludwig II.gegen Neapel. Dann paktierte es schon aus Handels-interesse mit den Arabern. Da Johann VIII. sie vondiesen abzubringen, sich selbst ihre Flotte zu sichernsuchte (jährlicher Küstenschutz zwischen Traetto undCivitavecchia, die beide der Kirche gehörten), hattendie Amalfitaner von ihm 10000 Goldstücke (Silber-schillinge, mancusi) kassiert, doch keinem Sarazenenein Haar gekrümmt und auch dem Papst keinen Denarzurückgezahlt. Vielmehr behaupteten sie bald, ihnenstünden vertraglich 12000 zu und kollaborierten, ob-wohl ihnen Johann ja 879 die 10000 gegeben, weitermit den Feinden des Herrn. Auch als der Papst ihneneinerseits 1000 Goldstücke zusätzlich für das laufen-de Jahr und völlige Zollbefreiung für ihre sämtlichenHandelsschiffe im Hafen von Rom versprach, ande-rerseits dem Bischof wie dem Präfekten von AmalfiEnde 879 Exkommunikation und Bann androhtenebst Handelsboykott »in allen Ländern, in denen sieHandel zu treiben pflegten«, konnte weder Drohungnoch versprochene Subsidien-Aufstockung die Amal-fitaner zum Krieg für Seine Heiligkeit bewegen.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.514 Deschner Bd. 5, 267Papst Johann jagt Sarazenen - die Katholiken ...

Schwierigkeiten auch mit Capua.Die Stadt in Kampanien, 456 von den Wandalen,

841 von den Sarazenen zerstört, dazwischen byzanti-nisch, lange langobardisch, war 856 unter dem Bi-schof Landulf etwas abseits an einer Schleife des Vol-turno neu errichtet worden. Zugleich begründete Lan-dulf eine Dynastie, die seit 900 den Fürstentitel führ-te. Schon der Prälat gebot auch über die weltliche Ge-walt seines Gebietes und kooperierte anhaltend mitden Widersachern Christi, während der Heilige VaterJagd auf sie machte. Eide, die Landulf dem Kaiser,dem Papst, dem Fürsten von Salerno geleistet, küm-merten ihn so wenig wie die kirchlichen Dogmen.Bloß Macht und Genuß fesselten den Seelenhirten,der einen Hof wie ein Sultan führte, weit mehr vonEunuchen als von Klerikern umgeben. Und indes ersich mit den Sarazenen verband, stritt er mit dem Klo-ster Monte Cassino, öffentlich erklärend, so oft ereinen Mönch erblicke, sei es von schlimmer Vorbe-deutung für ihn.26

Mehr Glück hatte Johann in Salerno.Er besuchte es 876, brachte Herzog Guaiferius von

seinem Bündnis mit den Arabern ab, und bewaffneteihn gegen Neapel. Der wackere Katholik ließ nunnicht nur, nach dem Vorbild seiner Verwandten inBenevent, alle ihm dienstbaren Moslems erschlagen,sondern auch, auf Befehl des Papstes, 25 gefangene

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.515 Deschner Bd. 5, 267Papst Johann jagt Sarazenen - die Katholiken ...

neapolitanische Adelige köpfen.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.516 Deschner Bd. 5, 267Tötung gefangener Moslemführer

Tötung gefangener Moslemführer: päpstlicheBedingung für Wiederaufnahme in die Kirche

In Neapel befehdeten sich jahrelang der Stadtherr Ser-gius II. und sein Bruder Athanasius, den Papst Johannzum Stadtbischof gemacht hatte. Der Herzog, der umkeinen Preis von den Sarazenen lassen wollte, vertriebAthanasius und suchte ihn schließlich mit sarazeni-scher Hilfe endgültig zu beseitigen, was freilich miß-lang.

Der Papst nämlich benutzte im März 877 die Syn-ode von Gaeta, um einen Aufstand in Neapel anzustif-ten, und finanzierte sogar mit seinem Gold die Revo-lution. Bischof Athanasius riß dem eignen BruderSergius die Augen aus und schickte den so Zugerich-teten dem laut jubelnden Heiligen Vater, der den»neuen Holofernes« eingekerkert verhungern läßt.Folgen bares Gold, Bibelsprüche und viel Lob ausRom für die »gottgefällige Tat«, den bischöflichenBrudermörder, den »Mann Gottes«, wie der Papst ihnnennt, der Gott mehr liebt als sein eigen Fleisch undBlut, der das Christenvolk in Gerechtigkeit und Hei-ligkeit wie ein guter Hirte regiere! (Nebenbei: als beieiner kroatischen Revolution ein führender Bundesge-nosse der Griechen fiel und der Täter und Nachfolgersich auf Roms Seite schlug, pries Johann VIII. gleich-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.517 Deschner Bd. 5, 268Tötung gefangener Moslemführer

falls den Fürstenmörder und verhieß ihm Sieg überalle sichtbaren wie unsichtbaren Feinde.)

Bischof Athanasius von Neapel aber, nun auchHerzog dort, wurde der gelehrige Schüler seines römi-schen Herrn. Alsbald wechselte er die Front. Er spiel-te jetzt die Rolle des liquidierten Bruders und schloßsich noch enger als dieser den Moslems an. KeinGold und Bannfluch des Papstes, der mit beiden umsich warf wie noch kaum einer, hielt ihn vom Bündnismit den »Ungläubigen« ab. Er nahm sie als Besat-zung in den Hafen von Neapel auf, ließ sie vor denStadtmauern, ließ sie am Vesuv siedeln, worauf sieGaeta, Salerno samt den langobardischen Herzogtü-mern bis Spoleto und Benevent brandschatzten.

Erst als sie Neapel selbst bedrängten, Waffen, Pfer-de, Weiber requirierten und der Papst den Bischofdurch Geld bestach, vertrieb dieser seine Bundesge-nossen, wurde mit der Stadt vom Bann gelöst – undholte sogleich, darauf abermals gebannt, neue Saraze-nen aus Sizilien, um dann noch einmal die Seite zuwechseln, jetzt wieder zum Papst zu stehen und ge-meinsam mit Aufgeboten von Rom, Capua, Salernoüber seine jahrelangen Helfershelfer herzufallen. Jo-hann aber hatte ihm die Auslieferung oder Tötung dergefangenen Moslemführer zur Bedingung für seineWiederaufnahme in die Kirche gemacht. Er fordertevon dem Bischof, ihm namentlich benannte vornehme

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4.518 Deschner Bd. 5, 269Tötung gefangener Moslemführer

Sarazenen zu überstellen und die anderen über dieKlinge zu jagen. Doch dann wurde Papst Johannselbst tief gedemütigt, mußte er jährlich Tributzahlun-gen an die Sarazenen vornehmen und für 25000 Sil-berlinge den einstweiligen Frieden erkaufen.

Die ungläubigen Teufel aber ließen sich bei Paes-tum nieder. Wieder andere setzten sich, vom HerzogDocibilis I. von Gaeta aus Furcht vor dem Papst geru-fen, an der Mündung des Garigliano fest, von einemmächtigen Kastell aus jahrzehntelang Kampanien,Tuszien, die Sabina bis in die Gegend Roms verhee-rend. Und wie schon Amalfi, doch viel kostspieligernoch, bestach Johann jetzt das durch seine Lage wieFlotte wichtige Gaeta, indem er ihm zur Erweiterungseines knappen Terrains 882 das küstennahe Hinter-land mit Fondi und Traetto (heute Minturno) gab.

Selbst die größten Klöster Süditaliens, wie S. Vin-cenzo am Volturno und Monte Cassino, legten die Sa-razenen 881 und 883 in Schutt und Asche; dagegennicht, wie oft behauptet, das kaiserliche Farfa im Sa-binischen, neben dem lombardischen Nonantula da-mals Italiens schönstes Kloster und reich wie ein Für-stentum. Sieben Jahre lang verteidigte es Abt Petrus,brachte seine Schätze in Sicherheit und verließ dieAbtei. Während die Araber das Monasterium wegenseiner Schönheit schonten, brannten es christlicheRäuber der Gegend ab, worauf es dreißig Jahre ver-

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4.519 Deschner Bd. 5, 269Tötung gefangener Moslemführer

wüstet lag. »So war die Furcht katholischer Fürstenvor den irdischen Entwürfen eines Papstes eine derwesentlichsten Ursachen, welche die Sarazenen inUnteritalien sich befestigen ließ« (Gregorovius). Oderwie Johannes Haller resümiert: »Die Politik des Pap-stes in Unteritalien war von vollständigem Mißerfolggekrönt«; »die Welt hatte begriffen, daß es bei dem,was er gleich seinen Vorgängern erstrebte und forder-te, um weltliche Rechte und irdische Herrschaft, nichtum Glauben und Kirche ging, und für diesen Kampfals ewigen Lehnssold das Paradies zu verheißen, hätteer nicht denken dürfen.«27

Wie Johann VIII. nach außen seine Machtkämpfeführte, so auch nach innen, und zwar ebenso gegeneinflußreiche Kleriker wie Adelsgeschlechter.

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4.520 Deschner Bd. 5, 270Johanneische Spießgesellen und erster Papstmord

Johanneische Spießgesellen und ersterPapstmord

Besonders beargwöhnt, wohl auch gefürchtet, hat Jo-hann den Bischof Formosus von Porta (864–876).Dieser war bereits unter früheren Päpsten hervorgetre-ten. Unter Nikolaus I. als Bulgarenmissionar und Be-gründer der bulgarischen Kirche, wobei allerdingsseine Erhebung zu ihrem Erzbischof gescheitert ist;unter Hadrian II. als Legat in Konstantinopel sowie inanderen Missionen. Johann aber exkommunizierte denBischof am 19. April 876 wegen angeblicher Konspi-rationen gegen Kaiser und Papst, ein sogar mehrfacherneuertes Urteil. Er entsetzte ihn auch seines Bistumsund jedes geistlichen Grades. Vielleicht war Formo-sus ein Konkurrent bei Johanns Erhebung, war erselbst scharf auf die päpstliche Würde – und erbekam sie ja noch (S. 326).

Als Formosus sich seiner Verurteilung durchFlucht ins westfränkische Reich entzog, verließenauch andere Persönlichkeiten Rom; Leute, die, betrautmit den wichtigsten Ämtern des Hofes, jahrelang inJohanns nächster Umgebung geweilt und da durchUnterschlagungen, Frauenaffären, Raub und Mord so-zusagen Figur gemacht.

Der Schatzmeister des Papstes, vielleicht auch HerrKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.521 Deschner Bd. 5, 270Johanneische Spießgesellen und erster Papstmord

der gesamten Verwaltung, ein gewisser Georgius vomAventin, hatte wegen Weibergeschichten den eigenenBruder umgebracht, sich durch die Hochzeit mit einerNichte Papst Benedikts III. finanziell saniert, darauf,fast öffentlich, seine Frau ermordet, um nun, durchBestechung des Richters ungestraft, Konstantina zuheiraten, die ihn freilich selber sitzen ließ, überhauptebenso locker mit Männern umging wie mit Geld.Schließlich war sie die Tochter des päpstlichen Zere-monienmeisters Gregor, der sich seinerseits schonunter Hadrian II. angeblich durch Betrug und Räube-reien enorm bereichert hatte und als Apokrisiar denPapst vertrat. Auch der Milizführer Sergius gehörtezu diesem illustren Kreis. Aus pekuniären Gründenehelichte er eine Nichte Nikolaus' I., verstieß sie je-doch wieder, um mit seiner fränkischen KonkubineWalwisindula zusammenzuleben.28

All diese sowie weitere ehrenwerte christkatholi-sche Herren wurden nun unter Johann VIII. des Ein-verständnisses mit den Arabern bezichtigt, mit ande-ren Papstfeinden, dem Herzog von Spoleto und Ca-merino, mit Adalbert von Tuszien. Und als das Ge-rücht von ihrer bevorstehenden Liquidierung oderVerstümmelung umging, flohen sie in einer Früh-jahrsnacht des Jahres 876 mittels eines Nachschlüs-sels durch die Porta S. Pancrazio aus der EwigenStadt. Dabei hatten Georg und Gregor erst noch den

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4.522 Deschner Bd. 5, 271Johanneische Spießgesellen und erster Papstmord

Lateran nebst sonstigen Gotteshäusern beraubt undden Kirchenschatz mitgehen lassen. Johann exkom-munizierte sie und den angeblich nach der Papstwür-de begierigen Formosus, der übrigens gleichfalls mitHilfe von Geldern aus Kirchen und Klöstern seinesBistums seine Flucht bestritten haben soll.

Auf der Synode von Troyes (S. 251 f.) anno 878wandten sich dann die Bischöfe in Anwesenheit desPapstes (»unsere Tränen mit den Euren vereinigend«)wiederum gegen all diese »boshaften Menschen undTeufelsdiener« und erklärten in einem pompösenWortschwall noch einmal deren »Vernichtung mitdem Schwerte des heiligen Geistes«, brachten nocheinmal »mit Herz und Mund, mit unserem einhelligenWillen und mit der Autorität des heiligen Geistes« dieVerdammung jener »zur Vollstreckung«, indem sie»alle, welche Ihr, wie gesagt, exkommuniziert habt,für exkommuniziert, die Ihr aus der Kirche verstoßenhabt, für verstoßen, die Ihr verflucht habt, für ver-flucht« erklärten. Und nachdem sie ihrem »heiligstenund ehrwürdigsten Herrn und Vater der Väter Johan-nes« derart beigesprungen waren, erheischten sie un-mittelbar darauf seine Hilfe »gegen die Räuber unse-rer Kirchen«, »wider die nichtswürdigen Räuber undVerwüster der kirchlichen Besitzungen und Güter,sowie gegen die Verächter des heiligen bischöflichenAmtes ...«

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4.523 Deschner Bd. 5, 271Johanneische Spießgesellen und erster Papstmord

Vier Jahre später war allerdings der Römer selbstan der Reihe. In einer Palastrevolte am 16. Dezember882 hat ihn ein frommer Verwandter, der selber Papstund reich werden wollte, vergiftet und dann, weil dasGift nicht schnell genug wirkte, wie die Annales Ful-denses kurz doch eindringlich schildern, ihn »so langemit einem Hammer geschlagen, bis dieser im Gehirnstecken blieb« (malleolo, dum usque in cerebro con-stabat, percussus est, expiravit) – der erste Papst-mord. Und ein Beispiel, das Schule machte (S.477).29

Während so die Christen übereinander herfielen,nicht nur im engeren Umkreis der Päpste, nicht nur inItalien, während ihre Großen sich gegenseitig erpreß-ten, während sie raubten, töteten, brandeten im Südendie Sarazenen, im Norden weiter die Normannen an.Ja, die Normannennot war wieder schlimmer gewor-den. Sogar Frankenkönig Karlmann fragt im Jahr884: »Soll man sich wundern, daß die Heiden undfremden Völker Herr über uns werden und unserenzeitlichen Besitz wegnehmen, wo doch jeder von unsmit Gewalt seinem Nächsten das Lebensnotwendigeentreißt? Wie sollen wir mit Zuversicht gegen unsereund der Kirche Feinde kämpfen, da wir doch in unse-rem eigenen Haus das den Armen geraubte Gut aufbe-wahren [Jes. 33,1] und da wir doch ins Feld ziehen,den Bauch vollgeschlagen mit Geraubtem?«30

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4.524 Deschner Bd. 5, 2735. Kapitel

5. Kapitel

Normannennot und Kaiser Karl III. derDicke

»Karl aber, der den Kaisertitel führte, zog miteinem großen Heere gegen die Normannen undgelangte bis vor ihre Befestigung; da aber sankihm das Herz und durch Vermittelung mehrerererreichte er durch Vertrag, daß sich Gotfrid mitden Seinigen taufen ließ und Friesland, sowiedie anderen Güter, welche Rorich besessenhatte, wieder zu Lehen nahm.«

Annales Bertiniani1

»Als der Kaiser ihrer listigen Kunstgriffe unddes Zusammenspiels ihrer Umtriebe inne wurde,verhandelt er mit Heinrich, einem sehr klugenManne, in der geheimen Absicht, durch eineList den Feind, den er in das äußerste Ende desReiches eingelassen hatte, aus dem Wege zuräumen; ... beschloß er es mehr mit einemKunstgriff als mit Gewalt zu versuchen. Die Ge-sandten fertigte er demnach mit unklarem Be-scheid ab und ließ sie zu Godefrid zurückkehrenunter der Versicherung, er würde durch seineBoten auf alle Gegenstände ihrer Sendung eineAntwort erteilen, wie sie sowohl ihm als Gode-frid geziemte, nur damit er weiterhin in der

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4.525 Deschner Bd. 5, 2735. Kapitel

Treue verharre. Hierauf schickte er Heinrich zujenem Mann und mit ihm, um den Betrug, derim Werke war, zu verbergen, Willibert, den ehr-würdigen Bischof von Köln ... Und in der TatGodefrid stirbt, nachdem ihm zuerst Everhardden Hieb versetzt, dann Heinrichs Begleiter ihndurchbohrt hatten, und alle Normannen, welchesich auf der Betuwe vorfanden, werden nieder-gemetzelt. Nur wenige Tage später wird Hugoauf den Rat des nämlichen Heinrich durch Ver-sprechungen nach Gondreville gelockt und hin-terlistig gefangen genommen, auf Befehl desKaisers werden ihm von demselben Heinrich dieAugen ausgestochen ... Hiernach wird er nachAlamannien in das Kloster des heiligen Gallusgeschickt ... schließlich wurde er zur Zeit desKönigs Zwentibolch im Kloster Prüm von mei-ner Hand geschoren.«

Abt Regino von Prüm2

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4.526 Deschner Bd. 5, 275Töten »mit Gottes Hilfe« und Besiegtwerden ...

Töten »mit Gottes Hilfe« und Besiegtwerdenohne sie

Fast zwei Jahrzehnte lang waren durch Tributzahlun-gen Karls des Kahlen die Attacken der Invasoren ein-geschränkt worden. Seit 878/879 aber mehrten sichdie Überfälle wieder. Zwar hatte gerade seinerzeit derenglische König Alfred »der Große«, der die Kirchedurch Schenkungen, Klostergründungen und jährlichnach Rom geschickte Gelder, den späteren »Peters-pfennig«, förderte, die ständigen Wikingerangriffe zu-mindest vorerst zum Stehen gebracht durch eine Hee-resreform, Stützpunkte, Fluchtburgen, große Schiffe.Doch brandete gerade unter dem Druck der Angel-sachsen eine neue Normannenwelle, das »GroßeHeer«, von Britannien übers Meer und verwüstete»mit Feuer und Schwert, ohne Widerstand zu finden,die Stadt der Moriner, Thérouanne. Und als sie sahen,wie gut ihnen der Anfang geglückt war, verheerten sieumherziehend das ganze Land der Menapier mitFeuer und Schwert. Darauf drangen sie in die Scheldeein und richteten ganz Brabant durch Feuer undSchwert zugrunde.« Auch das reiche Kloster St. Omerwurde niedergebrannt. Zwar vertrieb sie der Ostfran-kenkönig Ludwig III. der Jüngere, der Sieger von An-dernach (S. 244 f.); ja, er tötete viele »mit GottesKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.527 Deschner Bd. 5, 276Töten »mit Gottes Hilfe« und Besiegtwerden ...

Hilfe« (Annales Bertiniani), »durch Gottes Hand dengrößten Teil« (Reginonis chronica), »mehr als 5000«(Annales Fuldenses). Aber auch Hugo, ein außereheli-cher Sohn des Königs, kam dabei um – sonst »hätteer über sie einen herrlichen Sieg davongetragen« (An-nales Vedastini).

Doch viel zu selten wurden sie verjagt »und getö-tet«, wie es in den Fuldaer Jahrbüchern so schönchristlich heißt, »indem Gott ihnen vergalt, was sieverdient hatten«. Vielmehr vernichteten Normannenam 2. Februar 880 bei Hamburg das Aufgebot unterdem Sachsenherzog Bruno völlig. Dabei fiel dieser,der Bruder der Königin, selbst, fielen der BischofTheoderich von Minden, der Bischof Markward vonHildesheim sowie elf Grafen und 18 königliche Tra-banten samt all ihren Leuten.3

Normannenhaufen, die Ende des Jahres 880 brand-schatzend rheinaufwärts bis in die Gegend von Xan-ten drangen, äscherten zuletzt auch die prachtvolle,von Karl »dem Großen« errichtete Pfalz in Nimwegenein. Am 28. Dezember verbrannten die Nordleute dasKloster St. Vaast in Arras, verbrannten die Stadt undalle Höfe in der Gegend, töteten, vertrieben, durchzo-gen das Land bis zur Somme, schleppten Menschen,Vieh und Pferde fort, zerstörten Cambrai, verheertenalle Klöster am Hißcar, alle Klöster und Orte amMeer, suchten Amiens heim, Corbie, erschienen wie-

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4.528 Deschner Bd. 5, 277Töten »mit Gottes Hilfe« und Besiegtwerden ...

der in Arras »und töteten alle, die sie fanden; undnachdem sie das ganze Land im Umkreis mit Feuerund Schwert verwüstet hatten, kehrten sie unversehrtnach ihrem Lager zurück« (Annales Vedastini).4

Am 3. August 881 besiegte allerdings der jungeWestfranke Ludwig III. (der ältere Sohn des Stamm-lers aus dessen erster Ehe mit Ansgard) bei Saucourt-en-Vimeu (nahe Abbeville) an der Sommemündungdie Räuber – und ein althochdeutsches Preislied, das»Ludwigslied«, machte ihn »unsterblich«. In rhein-fränkischer Mundart verfaßt, ist es die erste freie deut-sche Reimdichtung, das älteste erhaltene historischeLied unserer Literatur überhaupt.

Freilich verwischt der unbekannte, vermutlichgeistliche Federheld die Geschichte, »überhöht« eralles christlich. Dort fechten »heidine man«, da»godes holdon«, die Franken, des Herren auserwählteStreiter. Mit »Kyrieleison« preschen sie ins Treffen,Ludwig selbst als Beauftragter des Allerhöchsten,voll von »godes kraft« und edler Feindesliebe selbst-verständlich und Barmherzigkeit. »Suman thu-ruhskluog her, Suman thruhstah her.« (Einige schluger mitten entzwei, einige durchstach er.) Ja, wer Gottvertraut, brav um sich haut ... Angeblich soll er»9000 Reiter getötet haben« (Annales Fuldenses).»Uuolar abur Hluduîg, Kuning unsêr sâlîg!« (Heildir, Ludwig, unserm gesegneten König!) Heil!5

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4.529 Deschner Bd. 5, 277Töten »mit Gottes Hilfe« und Besiegtwerden ...

Doch dafür traten jetzt »die Heidenleute« unterihren Fürsten Gottfried und Siegfried an. Samt Flotteund mit einem durch Kavallerie verstärkten Landheerdrangen sie weit ins Ostfrankenreich vor, verwüstetennicht nur Maastricht, Tongern, Lüttich, äschertenauch Köln und Bonn »mit Kirchen und Gebäuden«ein (Annales Fuldenses) sowie die Festungen Zülpich,Jülich, Neuss. In Aachen machten sie die Marienkir-che, die Grabstätte Karls »des Großen«, zu einemPferdestall und zündeten die prachtvolle Pfalz an. Siesteckten aber auch die Klöster Inden (Cornelimün-ster), Stablo, Malmedy, Prüm in Brand. Die sich erhe-bende Landbevölkerung mähten sie »wie dummesVieh« nieder (Regino von Prüm), die Flüchtlingströ-me ergossen sich bis Mainz.

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4.530 Deschner Bd. 5, 278Fürstensterben in Ost- und Westfranken

Fürstensterben in Ost- und Westfranken

Vom nahen Frankfurt schickte der todkranke KönigLudwig III., der Sieger von Andernach, ein Heergegen die Eindringlinge. Doch als er am 20. Januar882 »für die Kirche und das Reich« starb, wie esheißt, »nach einem Leben ohne Gewinn für sich«(Annales Bertiniani), kehrten seine Truppen, bereitsvor dem befestigten Standlager in Elsloo stehend,wieder um, verfolgt von den Normannen, die LudwigsTod bejubelten, sengend und brennend bis Koblenzvorstießen und dann sich moselaufwärts wandten. Am5. April, »am Tage des heiligsten Abendmahles desHerrn«, überfielen sie Trier, das sie plünderten und»gänzlich verbrannten, nachdem sie die Einwohnerteils verjagt teils getötet hatten« (Annales Fuldenses).Als sie gegen Metz zogen, fiel Ortsbischof Wala »inder Schlacht« (Regino von Prüm).

Im Westen war seinerzeit Ludwig III., der Siegervon Saucourt, bereits unterwegs, um weitere Feindes-scharen im Loiregebiet zu stoppen, starb jedoch am 5.August 882, erst etwa zwanzig Jahre alt (weil er, ver-raten die Annales Vedastini, angeblich »im Scherz«,iocando, zu Pferd hinter einem Mädchen her, zu heftiggegen den Türsturz ihres Vaterhauses prallte). Zwarsetzte sein Bruder Karlmann den Kampf fort, mit

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4.531 Deschner Bd. 5, 278Fürstensterben in Ost- und Westfranken

wechselndem Erfolg und einer enormen Zahlung von12000 Pfund Silber, erlag indes, erst 18jährig, im De-zember 884 einem Jagdunfall im Wald von Bézu (beiAndelys) – nicht durch einen Eber, wie man zunächsthörte, sondern, versichern die Annalisten, »unfreiwil-lig«, durch einen Weidgenossen, einen seiner Dienst-mannen, »der ihm helfen wollte«. Beide Könige wur-den in St. Denis bestattet. Zwar hatte Ludwig II. derStammler, von seiner zweiten Frau Adelheid nocheinen Sohn. Da dieser aber, der nachmalige Karl III.der Einfältige, noch ein fünfjähriges Kind war, erhoff-ten sich die Großen des Landes nun Hilfe von KarlIII. dem Dicken und luden ihn nach Westfrankenein.6

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4.532 Deschner Bd. 5, 279Karl der Dicke, dem alles zufällt und alles ...

Karl der Dicke, dem alles zufällt und allesmißlingt

Der jüngste Sohn Ludwigs des Deutschen, Karl III.(839–888), der den Beinamen »der Dicke« (Crassus)erst im 12. Jahrhundert von Historikern bekam, diedamit wohl seine spärliche Energie ausdrücken woll-ten, war der Erbe des kleinsten Reichsteiles – Ale-mannien und Elsaß – und zunächst ungewöhnlich er-folgreich. Doch hatte er einfach Glück. Ohne Ehrgeiz,Tatendrang, ohne Machtgier fiel ihm alles zu wie vonselbst: 880 Italien, 881 die Kaiserkrone, dann das ge-samte Ostfranken.

Seit 876 zunächst nur über das kleine schwäbischeTeilreich gesetzt, regierte er nach dem Tod seinerBrüder, des kranken Bayernkönigs Karlmann, der 879in seiner letzten Urkunde zugunsten Karls verzichtethatte, und König Ludwigs III. des Jüngeren, der am20. Januar 882 in Frankfurt am Main ohne Erbenstarb, auch über deren regna. Und nach dem Tod derbeiden westfränkischen Könige, Ludwigs III., desSiegers von Saucourt, am 5. August 882, und seinesBruders Karlmann im Dezember 884 – jener Herrüber den Norden, dieser über den Süden des Westrei-ches –, wurde Karl III. auch dort als Kaiser aner-kannt. 885 unterwarfen sich ihm in der Pfalz zu Pon-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.533 Deschner Bd. 5, 279Karl der Dicke, dem alles zufällt und alles ...

thion alle weltlichen und geistlichen Großen, womitdas Frankenreich in seinem ganzen Umfang wieder er-standen war.7

Karl der Dicke bekriegte nun allerdings nicht, wievom Papst erwartet, die Sarazenen, sondern die Nor-mannen, wozu man ihn nördlich der Alpen auch stän-dig aufgefordert hatte. Und natürlich kämpfte er aufseine Weise; ließ er sich, aus Italien zurück, erst inBayern, dann in Worms huldigen, ehe er im Juli 882mit einem gewaltigen Heer, darunter sogar langobar-dische Truppen, das Normannenlager in Asselt (Els-loo) am Unterlauf der Maas einschloß. Doch selbstals ihm ein glücklicher Zufall zu Hilfe kam, als einentsetzliches Gewitter eine Bresche in die ummauerteVerschanzung brach, blies er nicht zum Sturm, son-dern begann nach 12 Tagen mit. den Normannen zuverhandeln und erkaufte durch große Zugeständnisseihren Abzug.

Für einen Lehenseid und das Versprechen ihresFührers Gottfried, Christ zu werden, trat ihm Karl dieProvinz Friesland ab. Gottfried, wohl mit dem däni-schen Königsgeschlecht verwandt und auch in denQuellen oft König genannt, wurde vom Kaiser per-sönlich »aus dem heiligen Quell gehoben« und durfteGisla heiraten, Lothars II. und der Waldrada illegi-time Tochter. Der Versuch freilich, den Fürsten in dieKarolingerdynastie zu integrieren, scheiterte blutig (S.

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4.534 Deschner Bd. 5, 280Karl der Dicke, dem alles zufällt und alles ...

283 f.). Und König Siegfried samt den übrigen Nor-mannen, berichtet Abt Regino wieder, bekam »eineunermeßliche Menge Gold und Silber« – »mehreretausend Pfund Silber und Gold«, meldeten die »Anna-les Bertiniani« und bekennen, daß sie der frommeKaiser »aus dem Schatz des hl. Stephanus zu Metzund von anderen Heiligen mitgenommen hatte, undließ zu, daß sie wie seither blieben, um seinen undseines Vetters Reichsteil zu verwüsten«.

Ganz offen wurde damals der Erzkanzler des Kai-sers, Bischof Liutward von Vercelli, bezichtigt, vomFeind bestochen worden zu sein und zusammen miteinem Grafen Wikbert den Vergleich vermittelt zuhaben. (887 verlor derselbe Kirchenfürst, wegen Ehe-bruchs mit der Kaiserin verklagt, seine Hofämter,worauf er zu Karls Gegner Arnulf von Kärnten über-wechselte; 899 erschlugen ihn die Ungarn: S. 287 f.)8

Das Normannenelend war mit all dem freilich nichtbeendet, zum wenigsten im Westreich.

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4.535 Deschner Bd. 5, 280Wenn Christen ertragen müssen, was sie sonst ...

Wenn Christen ertragen müssen, was sie sonstanderen antun ...

Wer die »Annales Vedastini« liest, die erst Mitte des18. Jahrhunderts entdeckten Jahrbücher eines Mönchsaus dem Kloster St. Vaast bei Arras, wird stets vonneuem, monoton, gewiß, grammatikalisch erbärmlich,mit dieser Misere konfrontiert. Immer ist da von»Verwüstung und Mordbrennerei« der heidnischenRäuber die Rede, von ihrem »Durst nach Menschen-blut«. Immer töten sie da Tag und Nacht »das Chri-stenvolk«, stecken sie »Klöster und Kirchen Gottes inBrand«, setzen sie »in gewohnter Art ihre Raubzügefort ...«9

Alles Leid und Elend, das die Christen sonst in an-dere Länder trugen, Jahrhundert um Jahrhundert, er-fuhren sie nun einmal selbst. Und natürlich nehmenihre Klagen kein Ende. Überall Plünderung, Verhee-rung, Versklavung, Ausrottung. Überall eingeäscherteKlöster, Kirchen, Geiselmorde, flüchtende und massa-krierte Menschen. So »im Jahre des Herrn 882«:»...und die Normannen ... zerstörten Klöster und Kir-chen bis auf den Grund, brachten die Diener des gött-lichen Wortes durchs Schwert oder durch Hunger umoder verkauften sie übers Meer und töteten die Ein-wohner des Landes, ohne auf Widerstand zu stoßen«.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.536 Deschner Bd. 5, 281Wenn Christen ertragen müssen, was sie sonst ...

So »im Jahre des Herrn 884«: »Die Normannen aberhörten nicht auf ... zu töten, die Kirchen zu zerstören,die Mauern niederzureißen und die Dörfer zu verbren-nen. Auf allen Straßen lagen die Leichen von Geistli-chen, von adligen und anderen Laien, von Weibern,Jugendlichen und Säuglingen.« Oder 885: »Daraufbegannen die Normannen wieder zu wüten, dürstendnach Brand und Mord ...«10

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.537 Deschner Bd. 5, 281De bellis Parisiacis

De bellis Parisiacis oder »Nichts waskaiserlicher Majestät würdig gewesen wäre«

Im November 885 erschien das »Große Heer« der In-vasoren vor Paris. Angeblich mit ungezählten kleinenund 700 größeren Schiffen sowie einer Streitmachtvon 40000 Mann waren sie die Seine aufwärts gezo-gen – möglicherweise ein Racheakt für die heimtücki-sche Ermordung ihres Königs Gottfried im Mai des-selben Jahres, wobei auch Hugo geblendet worden ist(S. 283 f.).

Zusammen mit dem Grafen Odo von Paris, demnachmaligen König, führte zunächst Bischof Gauzlin(aus dem vornehmen Geschlecht der Rorgoniden,einst einer der engsten Vertrauten Karls des Kahlenund Erzkanzler, seit 884 Oberhirte von Paris) dasKommando über die eingeschlossene Stadt, deren be-rühmte Belagerung ein Augenzeuge, der MönchAbbo, in seinem Epos »De bellis Parisiacis« besang.Als Bischof Gauzlin erkrankte und starb, leitete einweiterer geistlicher Haudegen, der Abt Ebolus von St.Germain-des-Prés, die Verteidigung, die immerschwieriger wurde, zumal das einzige zum Entsatz ge-schickte ostfränkische Heer unter dem berüchtigtenGrafen Heinrich (S. 282 ff.) unverrichteter Dinge wie-der abzog. Dabei brandschatzten die NormannenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.538 Deschner Bd. 5, 282De bellis Parisiacis

längst das umliegende Land nach allen Regeln der»Kriegskunst« und schreckten auch bei ihren Stürmenauf die Stadt vor keiner Grausamkeit zurück. Sogarihre Gefangenen sollen sie geschlachtet und mit derenLeichen die Wallgräben ausgefüllt haben. Jedenfallswurden »auf beiden Seiten viele getötet, noch mehrdurch Wunden kampfunfähig gemacht«, setzten dieNormannen »Tag für Tag die Bestürmung fort«, be-drängten sie Paris »ohne Unterlaß mit dem verschie-densten Rüstzeug von Waffen, Maschinen und Mau-erbrechern. Aber indem sie alle mit großer Inbrunstzu Gott schrieen, wurden sie immer gerettet; und un-gefähr acht Monate dauerte der Kampf in verschiede-ner Weise, ehe der Kaiser ihnen zu Hilfe kam« (An-nales Vedastini).11

Doch keine Hilfe half so recht, weder die von di-versen gräflichen noch kirchlichen Truppen – Walovon Metz, »der gegen die heilige Vorschrift und seinebischöfliche Würde zu den Waffen griff und in denKrieg zog«, fiel »im Jahre des Herrn 882« auf derFlucht vor den Normannen. Immer wieder liest man,daß es gar keine Hilfe gab, keinen Widerstand (ne-mine sibi resistente), oder daß, schritt man schon mi-litärisch ein, doch »nichts Glückliches oder Ersprieß-liches« herauskam (nil prospere vel utile) daß »nichtsDenkwürdiges« (nihil dignum memoriae) vollbrachtwurde; falls es nicht gleich hieß: »Und sie richteten

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4.539 Deschner Bd. 5, 283De bellis Parisiacis

dort nichts Ersprießliches aus, sondern kehrten mitgroßer Schande in ihre Heimat zurück«. »Denn statteinen glücklichen Schlag auszuführen, retteten siesich kaum in schimpflicher Flucht, wobei die meistenvon ihnen gefangen genommen und getötet wurden«(Annales Vedastini).12

Auch der Kaiser enttäuschte allgemein.Erst im Oktober traf er endlich ein und lagerte auf

den Höhen des Montmartre. Das Heer war ungeheuer,doch der Befehlshaber Graf Heinrich, selbst ein ver-sierter heimtückischer Mörder und Schinder (S. 283f.), stürzte mit seinem Pferd in eine Fallgrube derNormannen und wurde, von den Seinen im Stich ge-lassen, darin erschlagen. Karl konnte sich zu nichtsentschließen. Wochenlang blieb er untätig und »voll-führte an diesem Orte nichts, was kaiserlicher Maje-stät würdig gewesen wäre«. Als es gar hieß, ein Ent-satzheer unter dem Normannenkönig Siegfried eilebereits auf der Seine heran, kaufte er Paris los undgab den Normannen die Gebiete jenseits der Seine»zur Plünderung« frei, »weil die Einwohner derselbenihm nicht gehorchen wollten« (Regino von Prüm).

Auch Burgund überließ Karl dem Landesfeind zurBrandschatzung, blieb aber vorerst noch im Westen.Doch König Siegfried drang bereits in die Oise einund zog hinter Karl her, wobei er »alles mit Feuer undSchwert verwüstete. Als dies der Kaiser erfuhr – und

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4.540 Deschner Bd. 5, 283De bellis Parisiacis

das Feuer brachte ihm sichere Kunde, – kehrte erschleunig in sein Land zurück.« Darauf setzte Sieg-fried erst recht sein Zerstörungswerk fort. Und auchim folgenden Jahr, 887, machten die Normannen»nach ihrer gewohnten Art ihre Streifzüge bis zurSaone und zur Loire ... und machten durch Brennenund Morden das Land zur Wüste« (Annales Vedasti-ni). König Siegfried aber wandte sich im Herbst nachFriesland, wo man ihn getötet hat.13

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.541 Deschner Bd. 5, 283Die göttliche Vorsehung operiert meuchlings

Die göttliche Vorsehung operiert meuchlings:Ende der Normannenherrschaft in Friesland

Zuweilen nämlich gab es Triumphe.Zum Beispiel gegenüber Gottfried. Er war durch

seinen Vergleich 882 mit Karl Christ, Ehemann vonKönig Lothars II. (mit Waldrada gezeugter) TochterGisla, sowie Herr über das Gebiet etwa des heutigenHolland geworden. Als man ihn beschuldigte, mit sei-nem Schwager Hugo, König Lothars II. illegitimemSohn, Gislas Bruder, sich wider das Reich verschwo-ren zu haben, da »war Gott dagegen«, »verlieh ihmder Herr den verdienten Lohn« (Annales Fuldenses).

Nicht offen operierte die göttliche Vorsehung.Der Kaiser – Gottfrieds Taufpate – ließ ihn durch

einen von dessen Anklägern, den ostfränkischen Gra-fen Heinrich, den Bruder Poppos (S. 354), ermorden.Heinrich, »ein sehr kluger Mann«, der die Sache of-fenbar ausgeheckt, und Willibert, »der ehrwürdige Bi-schof von Köln« (Regino von Prüm), treffen den arg-losen Gottfried »im Jahr der göttlichen Menschwer-dung 885« auf der Insel Betuwe (zwischen Nieder-rhein und Waal). Am zweiten Tag der »Verhandlun-gen« ruft Bischof Willibert Gottfrieds GemahlinGisla von der Insel, um anderwärts »ihren Eifer fürden Frieden rege zu machen«, indes Heinrichs Beglei-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.542 Deschner Bd. 5, 284Die göttliche Vorsehung operiert meuchlings

ter, just während der anderwärtigen pazifistischen Bi-schofsbemühungen, den König heimlich abstechen.Nicht genug: auch »alle seine Begleiter«, »alle Nor-mannen, welche sich auf der Betuwe vorfanden, wer-den niedergemetzelt.«

Und nur wenige Tage darauf lockt man auch Hugo,»der sich unklug in des Kaisers Reich benahm« (An-nales Fuldenses), auf den Rat desselben Heinrichnach Gondreville, an den kaiserlichen Hof, läßt ihmdurch denselben edlen Grafen die Augen ausstechenund nimmt auch seinen sämtlichen Anhängern dieLehen. Später wird Hugo im Kloster Prüm, wo schonsein Großvater Kaiser Lothar I. als Mönch geendet(S. 140), durch Abt Regino, der all dies berichtet, ei-genhändig geschoren und stirbt nach wenigen Jahren,während seine Schwester Gisla, Gottfrieds Witwe, ihrLeben im Nonnenkloster Nivelles bei Namur be-schließt.14

Ein frommes Geschlecht.Das Normannenregiment in Friesland ging seiner-

zeit zu Ende. Bei Norden wurden sie im Kampf mitden Friesen überwunden »und sehr viele von ihnengetötet«. Und im Todesjahr Gottfrieds berichten wie-der die Fuldaer Jahrbücher: »Endlich wüteten dieChristen gegen sie mit solchem Blutbad, daß wenigevon einer so großen Menge übrig blieben. Dann er-stürmten diesselben Friesen ihre Schiffe und fanden

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4.543 Deschner Bd. 5, 285Die göttliche Vorsehung operiert meuchlings

soviel Schätze an Gold und Silber nebst mannigfa-chem Gerät, daß alle vom Niedrigsten bis zum Größ-ten reich wurden.« Der alte Traum der Menschen,auch der Christen: Schätze aus Silber und Gold! Alsginge nicht eher ein Kamel durch ein Nadelöhr ...Doch wie auch immer: »Die Normannenherrschaft inFriesland endete, ohne faßbare Spuren zu hinterlas-sen« (Blok).15

Nun waren die »Männer des Nordwinds« im Früh-mittelalter aber in viele Länder gekommen, auch nachIsland und Grönland, nach Spanien, Marokko, Ruß-land, Byzanz, und weithin hat sie die Kirche be-kämpft, unblutig und blutig, durch Annalisten, Auto-ren, Bischöfe und Päpste. Als die Normannen jedoch,im 11., im 12. Jahrhundert, die besten Reiterheere Eu-ropas stellten, die mutigsten Ritter, die modernstenFestungsbauer (sie entwickelten seit Mitte des 11.Jahrhunderts die Burg mit Wall und Graben), als siein Sizilien auch eine starke Kriegsflotte, in Georg vonAntiochia einen der fähigsten Admirale des Mittelal-ters hatten und militärisch die Führung übernahmen,ging das Papsttum zu ihnen über und sie spieltennicht nur in den Kreuzzügen eine große Rolle. Als»ein kriegsgewohntes Volk«, wie William von Mal-mesbury meinte, das »kaum ohne Krieg leben« könne,waren sie den Stellvertretern Christi gerade recht.16

Unter Karl III. dem Dicken aber verargte man demKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.544 Deschner Bd. 5, 285Die göttliche Vorsehung operiert meuchlings

Herrscher seinen geringen Kampfgeist nicht nur ihnengegenüber. Zunehmende Unsicherheit im Innern, all-tägliche Wegelagerei, notorischer Raub, jahrlangeSippenfehden, auch und gerade jetzt im ostfränki-schen Reich, all dies stärkte nicht das kaiserliche Pre-stige.

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4.545 Deschner Bd. 5, 286Innenpolitisches - bis zum Abschneiden der ...

Innenpolitisches – bis zum Abschneiden derGeschlechtsteile, »dass auch keine Spur davon

blieb ...«

So brach 882 eine blutige Fehde zwischen Sachsenund Thüringern aus, zwischen Poppo, dem Grafen derSorbenmark, und dem fränkischen Grafen Egino,wobei wir den Kriegsgrund nicht erfahren, sondernnur, daß »Poppo mit den Thüringern unter schwerenVerlusten unterlag«. Auch im nächsten Jahr meldetdieselbe Quelle bloß lakonisch »einen grausamenKrieg«, den Poppo wieder verlor, »wie schon vorhergewöhnlich«. Er entfloh »kaum mit wenigen Män-nern, während alle übrigen fielen«. Andererseits warer gegen die Slawen anno 880, gegen Daleminzier,Böhmen, Sorben »und die übrigen Nachbarn rings-um«, sehr erfolgreich – »im Vertrauen auf GottesHilfe schlug er sie so, daß von dieser großen Mengekeiner übrig blieb« (Annales Fuldenses). Er selbstverlor 892 sein Leben.17

In der Ostmark wütete seinerzeit Graf Aribo ineinem zweieinhalbjährigen Gemetzel gegen die Nach-kommen seiner Amtsvorgänger, die Söhne der 871 imKampf wider die Mährer gefallenen Markgrafen Wil-helm und Engilschalk, wobei sich der »marchio«sogar mit dem Mährerherzog Swatopluk verband,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.546 Deschner Bd. 5, 286Innenpolitisches - bis zum Abschneiden der ...

dem Vasall des Reiches, der ihn mehrfach militärischunterstützte. Und nach Aribos Vertreibung 882 durchdie Markgrafensöhne überfiel Swatopluk wiederholtdie Ostmark und tötete »unmenschlich und blutgierigwie ein Wolf«. Pannonien wurde 884 bis an die Raabgeplündert, der größte Teil des Landes »verwüstet,zerstört und vernichtet mit Feuer und Schwert«. Ja,der Mährer brach im selben Jahr hier noch ein zwei-tesmal ein, »um, wenn vorher etwas übrig gebliebenwar, es jetzt wie im Wolfsrachen vollends zu ver-schlingen«. Auch sämtliche Besitzungen der Mark-grafensöhne wurden niedergebrannt. Die zwei ältestenvon ihnen, Megingoz und Poppo, ertranken auf derFlucht in der Raab. Werinhar aber, einen der SöhneEngilschalks, und seinen Verwandten, den GrafenWezzilo, verstümmelte man, schnitt ihnen die rechteHand, die Zunge ab sowie »die Scham- oder Ge-schlechtsteile, daß auch keine Spur davon blieb. Aucheinige von ihren Leuten kamen ohne Rechte undLinke zurück«. »Knechte und Mägde mit ihren Kin-dern sind umgebracht ... Dies alles geschieht ohneZweifel durch das Erbarmen oder den Zorn Gottes«(Annales Fuldenses). Und geschah ohne jedes Sühne-verlangen des Kaisers. Ihm genügte die Huldigungdes Mährers und sein Schwur, »solange Karl lebe,niemals das Reich mit einem feindlichen Heer zuüberziehen«.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.547 Deschner Bd. 5, 287Innenpolitisches - bis zum Abschneiden der ...

Inzwischen war der Stern des Monarchen immertiefer gesunken, sein übergroßes Glück zu Beginn sei-ner Laufbahn mehr und mehr ins Gegenteil verkehrt.Zwar hatte sich nach dem Tod König Bosos von Vi-enne am 11. Januar 887 auch die Provence als letztesnoch außerhalb des Reiches stehendes Land im Früh-jahr 887 in Kirchen der Lehenshoheit des Kaiserswieder förmlich unterstellt, wofür er Bosos unmündi-gen Sohn Ludwig (von der Tochter König Ludwigsvon Italien) adoptierte. Doch fiel dies wenig ins Ge-wicht angesichts seines Verhaltens gegenüber denNormannen, seinem ihm allgemein verübelten Rück-zug von Paris, seiner Preisgabe von Burgund sowieanderweitig geduldeter fortdauernder Verheerungendurch die Freibeuter, nicht zuletzt auch gegenüberskandalöser Vorgänge in seiner nächsten Umgebung,vor allem dem Fall seines Erzkanzlers Liutward (gest.899).18

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4.548 Deschner Bd. 5, 287Bischof Liutward von Vercelli - gefeiert und ...

Bischof Liutward von Vercelli – gefeiert undgefeuert

Dieser Mann, ein Schwabe aus, so unterstellen feind-liche Quellen, ganz niedrigem Geschlecht, war Mönchauf der Reichenau (einem Kloster, das im Lauf des10. Jahrhunderts nur noch Adlige aufnahm) und KarlsKanzler schon in dessen schwäbischer Königszeit.Der Aufsteiger nützte die Karriere seines hohen Gön-ners, wurde 879/880 Bischof von Vercelli, wurdeKarls Erzkanzler und Erzkaplan, sein einflußreichsterBerater und zuletzt »mehr als der Kaiser von allen ge-ehrt und gefürchtet« (Annales Fuldenses). Der kleri-kale Emporkömmling verfügte schließlich über einenkaum vorstellbaren Reichtum und sorgte rührend fürseine Verwandten: ein Bruder Chadolt wurde 882 Bi-schof von Novara, ein Neffe mit dem gleichen NamenLiutward etwas später Bischof von Como.

Infolge seiner fortschreitenden Erbkrankheit über-ließ der Kaiser das Regieren immer mehr Liutward.Er hielt schließlich die meisten Fäden in der Hand,führte sämtliche wichtigen Delegationen an, regelteinsbesondere seit je alle Verhandlungen mit demPapst, kurz, der Bischof stand als »der allmächtigeMinister neben dem schwachen Herrscher«, war »ge-radezu der Leiter der Politik Karls III.« (Schur), »dieKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.549 Deschner Bd. 5, 288Bischof Liutward von Vercelli - gefeiert und ...

Schlüsselfigur ... seiner Herrschaft« (Fleckenstein).Allmählich aber zog Bischof Liutward immer mehr

den Zorn weiter Kreise auf sich. Nicht nur weil erjeden von des Kaisers Seite zu verdrängen suchte,nicht nur durch sein Nachgeben gegenüber den Nor-mannen in Elsloo, wo er von ihnen bestochen wordensein soll, auch durch seine Habgier, seinen Nepotis-mus, überhaupt seine infame Sippenpolitik, wobei erMädchen der vornehmsten Familien aus Schwabenwie aus Italien rauben ließ, um sie Verwandten alsFrauen zuzuführen. Er befahl sogar einen Einbruch indas Nonnenkloster S. Salvatore in Brescia, um füreinen Neffen eine Tochter des Markgrafen Unruochvon Friaul herauszuholen, mütterlicherseits eine En-kelin Ludwigs des Frommen – eine glänzende Partie.»Aber die Nonnen dieses Ortes wandten sich demGebet zu und baten den Herrn, die dem heiligen Ortzugefügte Schmach zu rächen; ihre Bitte wurde soforterhört. Denn der, welcher mit dem Mädchen die Ehein üblicher Weise vollziehen wollte, starb in dersel-ben Nacht und das Mädchen blieb unberührt (intacta).Dies wurde einer Nonne aus dem obengenannten Klo-ster ... geoffenbart« (Annales Fuldenses).19

Dem Onkel der Geraubten, dem Markgrafen Beren-gar von Friaul, schien der jähe Tod des Bischofsnef-fen in der Brautnacht noch zu wenig. Er eilte nachVercelli, »und dort angekommen, raubte er so viel

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4.550 Deschner Bd. 5, 288Bischof Liutward von Vercelli - gefeiert und ...

von des Bischofs Sachen wie er wünschte«. Nichtgenug, man beschuldigte Liutward noch der »Ketze-rei«, nämlich »unsern Erlöser zu verkleinern, indemer behauptete, daß jener Eins sei durch die Einheit derSubstanz, nicht der Person« (Annales Fuldenses).Man bezichtigte ihn auch des Ehebruchs, gar mit derKaiserin persönlich – alles ganz öffentlich vorge-bracht im Sommer 887 auf dem Reichstag in Kirchen(bei Lörrach).

Karl der Dicke aber war nicht nur von Natur be-quem, ehrgeizlos, er war auch krank, körperlich, viel-leicht geistig. Er hatte sich im Frühjahr in der PfalzBodmann, dem von ihm bevorzugten Bodenseeraum,wie der Annalist mitteilt, »vor Schmerz einen Kopf-einschnitt« (incisionem) machen lassen – eine falscheÜbersetzung, meint man inzwischen, keine Trepanati-on, weniger dramatisch.

Gleichwohl, der Kaiser war fast regierungsunfähig(freilich das Schicksal vieler Regierenden). Und indieser fatalen Situation gab er auch noch seinen erstenMann der allgemeinen Wut und Enttäuschung preis.Ohne jede Unterredung mit Liutward entzog er ihmviele Lehen »und trieb ihn als allen verhaßten Ketzermit Schande aus dem Palast. Doch jener begab sichnach Baiern zu Arnulf und sann mit diesem darauf,wie er dem Kaiser die Herrschaft raube ...«20

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4.551 Deschner Bd. 5, 28925 Jahre Josephsehe - Feuerprobe bestanden

25 Jahre Josephsehe – Feuerprobe bestanden

Wie seinen ersten Mann (oder ihren zweiten?) wolltedas hohe Paar aber auch den Ehebruch nicht auf sichsitzen lassen. Karl brachte darum schon nach wenigenTagen seine Gattin Richardis »wegen derselben Sachevor die Reichsversammlung, und«, schreibt entzücktAbt Regino, »es klingt wunderbar, sie bekennt öffent-lich, daß er sich niemals in fleischlicher Umarmungmit ihr vermischt habe, obgleich sie mehr als zehnJahre durch eine gesetzmäßig geschlossene Ehe sichin seiner Gemeinschaft befunden«.

Mehr als zehn Jahre? 25 Jahre. Denn bereits 862hatte der dicke Karl die Tochter des elsässischen undbreisgauischen Grafen Erchanger geheiratet. Ein Vier-teljahrhundert Josefsehe. Nein, viel schöner, reinernoch: »Sie behauptet sogar, daß sie nicht bloß vonseiner, sondern überhaupt von aller männlichen Bei-wohnung (omni virili commixtione) frei geblieben sei,sie rühmt die Unversehrtheit ihres Magdtums und er-bietet sich zuversichtlich, sie wolle dies, wenn esihrem Gatten beliebe, durch das Urteil des allmächti-gen Gottes erweisen, entweder durch einen Einzel-kampf oder durch die Probe der glühenden Pflugscha-ren; sie war nämlich eine gottergebene Frau.« Des-halb zog sich Kaiserin Richardis auch nach der Schei-

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4.552 Deschner Bd. 5, 29025 Jahre Josephsehe - Feuerprobe bestanden

dung in das Kloster Andlau im Elsaß zurück, das sieauf ihren Besitzungen erbaut hatte, um auch nichtmehr zum Schein irgendwelchen Männern, sondern,sagt Abt Regino, »um Gott zu dienen«.21

Der Kaiser verzichtete generös auf einen Nachweisihres unversehrten Magdtums durch gerichtlichenZweikampf wie durch glühende Pflugscharen.

Die kirchliche Propaganda aber nahm sich deswunderbaren Keuschheitsfalles an, ließ, phantastischausgeschmückt, die verleumdete Kaiserin die Feuers-glut glorios bestehen – noch das »MartyrologiumGermaniens« (mit Imprimatur vom 6. Mai 1939) hältan solch »bestandener Feuerprobe« fest. Auch präsen-tiert man jahrhundertelang (im Kloster Etival) einWachshemd, das, auf den nackten Leib der Geprüftenan allen vier Enden entzündet, weder den jungfräuli-chen Körper der Majestät versehrte noch selbst ver-sehrt worden ist. Und während der Verleumder dieschmutzige Lüge am Galgen büßt, verteilt die armeRichardis (die so ganz arm nicht war; schon Ende der70er Jahre hatte sie eine Reihe von Frauenklösternübertragen bekommen) »alles, was sie noch hatte, andie Armen und Klöster«.

Und auch sie geht ins Kloster, nur noch ihrem See-lenheil lebend, der Demut, dem Gebet; weshalb dennauch Gott ihr Grab durch Wunder verherrlicht undschließlich 1049 der hl. Papst Leo IX. ihren hl. Leib

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4.553 Deschner Bd. 5, 29025 Jahre Josephsehe - Feuerprobe bestanden

erhebt, was »einer Heiligsprechung gleich« kam,schreibt der Kapuzinerordenspriester P. WilhelmAuer von Reisbach »Mit Approbation des Hochwür-digsten Bischöflichen Ordinariates Augsburg und mitErlaubnis der Obern« bereits im 154. bis 160. Tau-send seiner »Heiligen-Legende«. Und mutet unsgleich darauf das »Kirchengebet« zu: »O Gott, der dudeine hl. Jungfrau Richardis von den Verleumdungender Menschen befreit und mit der ewigen Herrlichkeitgekrönt hast: wir bitten dich, verleihe uns, daß wirnach ihrem Beispiele und durch ihre Fürbitte so denNächsten in Wort und Tat lieben, damit wir die Be-lohnungen der ewigen Liebe erlangen. Amen.«

Gut gesagt, beiläufig: nach ihrem Beispiele so denNächsten in Wort und Tat lieben ... An den armenKarl den Dicken darf man dabei nicht denken. Undnach 25jähriger Josefsehe mit einer Heiligen – wobleibt die Parität! – wird er nicht mal selig! Freilich,so Kapuzinerordenspriester Wilhelm Auer von Reis-bach: »Er war im Geiste immer schwächer ... gewor-den und verstieß nun die edle Frau, wiewohl sie sichzu allen Proben ihrer Unschuld und Reinheit bereit er-klärte.«22

Mit einem wie Karl dem Dicken, der bei jederSchandtat gleich die Nerven verliert, wissen Pfaffeneben wenig anzufangen. Und Historiker nicht vielmehr. Beide verhimmeln Herren ganz andren Schla-

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4.554 Deschner Bd. 5, 29125 Jahre Josephsehe - Feuerprobe bestanden

ges, Männer mit Schlag vor allem, ja, mit Durch-schlagskraft, Typen etwa vom VerbrecherformatKarls I. »des Großen«, Staatsbanditen, Völkerfresser,Menschheitsgeißeln, große Führer, die Hunderttau-sende von Quadratkilometern zusammenrauben unddabei über Leichen gehn wie über Dreck, Kannibalenvon Säkularstatur, welthistorische Terroristen. Karo-lingische Universalpolitik nennt man das, währendKarl III. der Dicke doch immer »wieder versagt«(Handbuch der Europäischen Geschichte), und Histo-riker in aller Regel nichts so verabscheuen wieSchwäche, Erfolglosigkeit, nichts so lieben wie Stär-ke, Erfolg, egal um welchen Preis. Im Gegenteil: jehöher der Preis, desto höher ihr Preisen.23

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.555 Deschner Bd. 5, 291Arnulfs »Staatsstreich« und Karls schnelles ...

Arnulfs »Staatsstreich« und Karls schnellesLebensende

Liutward von Vercelli wurde im Juni 887 durch sei-nen Gegenspieler, den Erzbischof Liutbert von Mainz(863–889), abgelöst, einen wackeren Normannen-schlächter, der mal »nicht wenige«, mal »sehr viele«niederstreckt (Annales Fuldenses) – den dieselbe ka-tholische Quelle aber auch gar »geduldig, demütigund gütig« nennt, was christlich gesehen ja auchschönstens harmoniert. Liutward, einst schon Erzkap-lan Ludwigs des Deutschen und Ludwigs des Jünge-ren, ging nach seinem Sturz als Erzkanzler zu HerzogArnulf von Kärnten über. Und Erzbischof Liutbertvon Mainz, der noch 887 zum wichtigsten Berater desKaisers wurde, tat alsbald dasselbe. Sein Parteiwech-sel auf der Reichsversammlung in Tribur, die ArnulfsKönigtum gleichsam begründete, entschied Karls Ab-setzung mit, aber der Erzbischof mußte eben »seineangeschlagene Position ... verbessern« (W. Hart-mann). Und hätte er sich nicht auch beim neuen Herrnwieder ganz nach vorn gespielt, wäre er nicht schonim Februar 889 gestorben?

Arnulfs Empörung, sein »Staatsstreich« begann,als er die Bayern zum Abfall brachte und schon baldmit ihnen und seinen karantanischen Truppen nachKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.556 Deschner Bd. 5, 292Arnulfs »Staatsstreich« und Karls schnelles ...

Frankfurt zog, wo ihn die Ostfranken, vor allem auchdie Konradiner, im November 887 zum König erho-ben. Karl wich vor dem Anrückenden nach Triburaus. Doch sein Versuch, auf dem Reichstag gegen Ar-nulf eine Streitmacht zu rekrutieren, scheiterte kläg-lich. Eine einflußreiche Adelsverschwörung griff umsich und zwang ihn zur Abdankung. Selbst seine Ale-mannen ließen ihn sämtlich im Stich. Der Hof löstesich auf, auch seine Diener liefen davon. Man geht»um die Wette« zu Arnulf über, schreibt Abt Regino,»so daß nach drei Tagen kaum jemand übrig blieb,der ihm auch nur die Pflichten der Menschenliebe er-wiesen hätte«.

Praktisches Christentum (in doppelter Wortbedeu-tung).

Wie üblich sprangen die Bischöfe gleich in Scha-ren ab. Ja, sie huldigten dem Usurpator »ausnahmslosund bereitwillig« (Dümmler). Schon zwei Monatenach Karls Absetzung fand sich dessen Notar undKanzler Bischof Waldo von Freising beim neuenHerrscher ein. Auch die nur ein halbes Jahr darauf ta-gende große Versammlung in Mainz verlor, laut Syn-odalakten, kein mißbilligendes Wort über den Kaiser-sturz. Im Gegenteil. Die Synode – die wieder einmallang und breit für den (ja immensen) Kirchenbesitznebst Zehntleistung an den Klerus eintritt (c. 6, 11,12, 13, 17, 22) und gegen die Unzucht von Klerikern

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.557 Deschner Bd. 5, 293Arnulfs »Staatsstreich« und Karls schnelles ...

(hätten die doch sogar mit ihren eigenen SchwesternKinder gezeugt: c. 10) – diese Synode befiehlt schonin ihrem 1. Kanon das Beten aller für den neuenKönig Arnulf und seine Gattin.

Es half natürlich auch gar nichts, daß Karl dem re-bellierenden Neffen jenes vermeintliche Stück »Holzvom heiligen Kreuze Christi«, auf dem ihm Arnulfeinst Treue geschworen, schickte, »damit er seinerEidschwüre eingedenk nicht so grausam und barba-risch gegen ihn handle«. Denn soll auch der recht ab-gebrühte Fürst Tränen bei diesem Anblick vergossenhaben, er schaltete natürlich »nach Belieben über dasReich« (Annales Fuldenses). Immerhin stellte derMainzer Erzbischof Liutbert dem Kaiser, der »zumBettler geworden«, noch das Existenzminimum zurVerfügung, bis ihm der neue Herr – von dem Gestürz-ten erbettelt – ein paar Höfe in Alemannien überließ»aus Gnade ... zum Nießbrauch bis an sein Lebensen-de ...«.24

Aber das Lebensende kam überraschend schnell fürKaiser Karl III., der schon am 13. Januar 888, vonallen verlassen, bei Neudingen an der oberen Donaugestorben, nach den Annales Vedastini sogar »vonden Seinigen erwürgt worden« ist, ja nicht so unmög-lich; »jedenfalls endete er bald sein gegenwärtigesLeben, um, wie wir glauben, das himmlische zu besit-zen«. Die Fuldaer Jahrbücher jedoch behaupten:

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.558 Deschner Bd. 5, 293Arnulfs »Staatsstreich« und Karls schnelles ...

»...denn nur wenige Tage weilte er voll Frömmigkeitan den vom Könige ihm zugestandenen Orten, undnach Christi Geburtstag beschloß er am 13. Januarglücklich sein Leben; und wunderbarerweise haben,während man ihn ehrenvoll in der Kirche der Reichen-au begrub, viele Zuschauer den Himmel offen gese-hen ...« – die immerwährenden christlichen Lügen.Der Sieger ließ sich indes vom ostfränkischen undslawischen Adel in Regensburg hofieren »und feiertedaselbst würdevoll den Geburtstag des Herrn undOstern«.

Nach dem Ende des letzten Herrschers über das ka-rolingische Gesamtreich entstehen, nun für immer,lauter Teilreiche, Königtümer. Der einzige Karolingerunter den neuen Herrschern war Arnulf von Kärnten,allerdings ein illegitimer Sproß der Dynastie unddarum mit zumindest zweifelhaftem Recht auf denThron. Die Westfranken erhoben den Grafen Odo vonParis, den legendären Verteidiger der Stadt. In Bur-gund begründete 888 der Welfe Rudolf ein neues Kö-nigtum. In Italien stritten zwei Angehörige fränki-schen Hochadels, Berengar von Friaul und Wido vonSpoleto, um die Macht.

Der karolingische Staat als Ganzes hatte seineRolle ausgespielt. Der Kaisertitel wurde zum Zankap-fel italienischer Kleinfürsten. Als letzter Schattenkai-ser der Dynastie starb Ludwig III. der Blinde, ein

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.559 Deschner Bd. 5, 293Arnulfs »Staatsstreich« und Karls schnelles ...

Sohn Bosos (S. 253 ff.), um 928, nachdem er 901 inItalien Kaiser, 905 dort geblendet und damit praktischregierungsunfähig geworden war. Das Papsttum aberhatte unter den Karolingern des 9. Jahrhunderts einenbeträchtlichen Machtzuwachs gewonnen, das Funda-ment seines weiteren Aufstiegs im 11. Jahrhundert.25

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.560 Deschner Bd. 5, 2956. Kapitel

6. Kapitel

Arnulf von Kärnten, ostfränkischer Königund Kaiser (887–899)

»Wie sein Vater Karlmann ist auch Arnulfdurch die politische und militärische ›Schule‹als Befehlshaber in den südöstlichen Markengegangen ... Als der kranke Kaiser Karl III. poli-tisch immer schwächer wurde, griff Arnulf raschzu, verband sich 887 mit dem abgesetzten Erz-kanzler Liutward zum Sturze Karls ... Arnulfkonnte sich seit der Synode von Frankfurt 888stark auf die Bischofskirchen stützen.«

Wilhelm Störmer1

»In mir habt ihr den entschlossensten Gegneraller, welche der Kirche Christi feind und eurempriesterlichen Amte widerspenstig sind.«

Arnulf von Kärnten2

»Aus Franken zog der König sieggekrönt nachAlamannien und feierte auf dem Königshof Ulmin würdiger Weise den Geburtstag des Herrn.Von da zog er nach Osten ... und kam im Julinach Mähren. Vier Wochen hindurch verweilteer daselbst mit einer solchen Übermacht – auchUngarn hatten sich daselbst seinem Zuge ange-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.561 Deschner Bd. 5, 2956. Kapitel

schlossen – das ganze Land niederbrennend ...Vor Fasten besuchte der König im ganzen Landder Westfranken« (Lotharingien) »Klöster undBischofssitze, um zu beten.«

Annales Fuldenses3

»Anarchie, Rechtlosigkeit und Rechtsunsicher-heit sind das Merkmal der Zeit, erwachsen aufdem Boden des feudalen Aufbaus der Gesell-schaft ...«

L.M. Hartmann4

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.562 Deschner Bd. 5, 297»Heil Arnolf, dem großen König«

1. Arnulf von Kärnten: Ostfranken und derOsten

Arnulf »von Kärnten« (um 850–899) war der ältesteaußereheliche Sproß des Bayernkönigs und Königsvon Italien, Karlmann, des ältesten Sohnes von Lud-wig dem Deutschen und seiner Mutter Liutwind, of-fenbar einer Luitpoldingerin. Neben seiner rechtmäßi-gen Gattin Ota beglückte Arnulf mehrere Kebsweiber,hatte auch an außerehelichen Kindern keinerlei Man-gel, was den Klerus aber nicht störte. Vielmehr wurdeder durchaus kirchenfromme Fürst von der Gemein-schaft der Heiligen ebenso begünstigt, wie er sie be-günstigte, auch wenn er auf eine Salbung verzichtethat.

»Heil Arnolf, dem großen König«

Von Anfang an bestand ein enges Verhältnis zwi-schen den Bischöfen und dem neuen Herrn, der sichselbst einmal den »entschlossensten Gegner« allerKirchenfeinde, in einer Urkunde »Sohn und Verteidi-ger der katholischen Kirche« nennt, der er auch nachseiner Erhebung gleich durch Schenkungen und Gna-denerweise seine Gewogenheit signalisierte. »Auffal-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.563 Deschner Bd. 5, 298»Heil Arnolf, dem großen König«

lend großzügig« stattet er die Bischöfe mit Königsgü-tern, mit Forsten, Münz-, Markt- und Zollrechten ineiner »zuvor unbekannten Häufigkeit« aus (Fried).Fünf Synoden berief er in seiner nur gut 12jährigenRegierungszeit ein. Die Autorität der Prälaten warihm erwünscht gegen die aufsteigenden partikularenGewalten. Überdies konnte sie sein illegitimes König-tum sanktionieren.

Der Kirche andererseits nützte die Macht des Herr-schers in der Auseinandersetzung mit den Herzögenund dem hohen Erbadel. Deshalb förderte auch sie ihnsofort, ließ sie von Anfang an für ihn beten und ver-wandte sich unverzüglich unter Androhung kirchli-cher Strafen für seinen Schutz. Aber selbstverständ-lich machte sie ihm auch die Pflichten eines christli-chen Regenten klar. Und indem sie diesen stützte,stützte sie sich selbst. So setzte eine Entwicklung ein,die der Kirche – mit all den daraus resultierenden fa-talen Folgen – mehr Mitsprache einräumte als jezuvor, die sie »zum mächtigsten Faktor im Staatswe-sen machte« (Mühlbacher).5

Während Grafen in der Umgebung des Königs jah-relang gar nicht mehr nachweisbar sind, gibt eineReihe von ihm vielfach bevorzugter Bischöfe poli-tisch fortwährend den Ausschlag. Erst ErzbischofThietmar von Salzburg, Arnulfs Erzkaplan, Leiter derHofkapelle und Kanzlei; später immer mehr der

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Kanzler und Diakon Aspert, von Arnulf 891 zum Bi-schof von Regensburg gemacht, und dessen Kanzler-Nachfolger (seit 893), Bischof Wiching von Neutra(S. 231 f.). Ein maßgeblicher Politiker in Herrscher-nähe war der ebenso intelligente wie verschlageneHatto I. von Mainz, dessen Tod (913) mancher einemrächenden Blitzstrahl zuschrieb. Hatto entstammteeinem schwäbischen Geschlecht, Parteigängern Karls,stand aber nach des Kaisers Sturz gleich auf der SeiteArnulfs, von diesem dafür mit den Abteien Reichen-au, Ellwangen, Lorsch und Weißenburg, 891 mit demErzbistum Mainz belohnt. Der Prälat begleitete denKönig zweimal nach Italien und griff in alle bedeuten-den öffentlichen Fragen ein. Beachtliches politischesGewicht hatten auch die Bischöfe Salomon III. vonKonstanz (seit 884 Notar, seit 885 Kanzler Karls III.,888 schon Kapellan Arnulfs!), ferner Waldo von Frei-sing, Erchanbald von Eichstätt, Engilmar von Passau,der hochadelige Adalbero von Augsburg, den Arnulfzum Erzieher seines Sohnes machte.6

Im Mai 895, auf der Reichsversammlung zu Tri-bur, der Königspfalz bei Mainz, auf einer der größtenund glänzendsten Synoden des Jahrhunderts, feierteder ungewöhnlich zahlreich tagende ostfränkischeEpiskopat Arnulf überschwenglich als den König,»dessen Herz«, so die Synodalakten, »der heiligeGeist mit Feuer entflammte und mit dem Eifer der

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göttlichen Liebe entzündete, damit die ganze Welt er-kenne, daß er nicht von einem Menschen und durcheinen Menschen, sondern durch Gott selbst erwähltworden ist«.. Alte Sprüche der Prälaten. Denn wen siewählen, sie stützen, der ist immer von Gott – nämlichvon ihnen!

Auf der Synode, laut Regino von Prüm »gegen sehrviele Weltliche abgehalten, die die Autorität der Bi-schöfe zu mindern strebten«, dachten diese desto eifri-ger, ihre Autorität zu erhöhen. So erörterten sie einge-hend Rechtsstreite von Geistlichen und Laien, Miß-handlung von Klerikern, deren Verwundung oder Tö-tung, was anscheinend häufiger als früher vorkam –man ließ sogar einen geblendeten Priester auftreten.Ein Kanon enthält den Befehl des Königs, Kirchen-bannverächter zu verhaften, wobei das UmbringenWidersetzlicher kein Wehrgeld kostete! Weiter wirdvöllige Unterwerfung unter das Papsttum gefordert,»wenn auch ein kaum erträgliches Joch vom heiligenStuhl auferlegt werde«! Mehrere Kapitel gelten demda immer Wichtigsten, Geld, Besitz, Zehnten (c. 13und 14), auch den Kirchenräubern (c. 31). Nach Ka-pitel 7 ist geraubtes Kirchengut gleich dreifach zu er-setzen, und dies mit Berufung auf die pseudoisidori-schen Fälschungen (die man auch zu weiteren Cano-nes, wie 8 und 9, heranzieht – befiehlt aber anderer-seits, Vorzeiger gefälschter Papstbriefe in Gewahrsam

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zu nehmen).7

Selbstverständlich billigte der König die Beschlüs-se. Ja, auf die rhetorische Frage, wie sehr er »die Kir-che Christi zu verteidigen und ihr Amt zu erweiternund erhöhen geruhe«, ermutigte er erst einmal die»Hirten«, auch als »hellste Leuchten der Welt« apo-strophiert, selber kräftig zuzupacken – »es sei zurechter Zeit oder Unzeit, strafet, dräuet, ermahnet mitaller Geduld und Lehre, auf daß ihr in wachsamerSorge und durch unablässige Mahnung die SchafeChristi in die Hürde des ewigen Lebens treibenmöget«. Dann aber betonte er seine ganze Solidarität.»In mir habt ihr den entschlossensten Gegner aller,welche der Kirche Christi feind und eurem priesterli-chen Amte widerspenstig sind.«

Kein Wunder, daß sich die ehrwürdigen Konzilsvä-ter von ihren Plätzen erheben und samt der umstehen-den Klerisei drei- oder viermal in den Ruf ausbrechen:»Christus, erhöre uns, Heil Arnolf, dem großenKönig«. (Erinnert's nicht an Heil-Geschrei, das unsnoch selbst im Ohre dröhnt ...?) Dazu Glockenläuten,das Tedeum, alles Gott zum Preis, »der seiner h. Kir-che einen so frommen und milden Tröster und einenso wackeren Helfer zur Ehre seines Namens zu schen-ken geruht hat«.8

Besonders innig verehrte der Herrscher seinenSchutzpatron, unter ihm gar zum Patron des Reiches,

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zu einem Reichsheiligen aufgestiegen.

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4.568 Deschner Bd. 5, 301Der hl. Emmeram

Der hl. Emmeram oder: »Gott loben ohne Zung,/ Macht ja Verwunderung«

Emmeram, ein reichlich mysteriöser Bischof undMärtyrer (schwer zu sagen, was er weniger war, fallser beides gewesen sein sollte) aus dem späteren 7.Jahrhundert, wurde in den Tagen des BayernfürstenTheodo der Verführung der schwangeren Herzogs-tochter Uta beschuldigt und dann von deren BruderLantpert auf dem Weg nach Rom in Helfendorf (heuteKleinhelfendorf, Oberbayern) erschlagen. Die Legen-dentafeln der dortigen Marterkapelle haben den »Vor-gang« in Bild und Vers verewigt:

»O Grausamkeit der Pein und Qual,So Emeram erlitten,Sein Glider wurden all und allvon Leib hinweck geschnitten,Die Händ und Füs, auch d'Finger z'gleich,wurd alles abgehauet,Erwirbt dadurch das Himmelreich,So er stätts angeschauet.«9

Wann dies war, wenn es denn war, ist völlig ungewißund umstritten, wie fast alles an dieser Figur, ihreHerkunft, ihr Bischofsamt, besonders auch die Grün-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.569 Deschner Bd. 5, 301Der hl. Emmeram

de, die zu der Ermordung führten; vielleicht, dochauch dies ganz unsicher, 685. Fiel der »Märtyrer« alsRepräsentant fränkischer Macht in dem nach Selb-ständigkeit strebenden Bayern? Errang er die Palmedes Martyriums als Verführer der schwangeren Her-zogstochter? Oder hat er freiwillig die Schuld derVerführung auf sich genommen, wie dies die frommeVersion seines ersten Hagiographen, des BischofsArbeo von Freising, in seiner »Vita Haimhrammi«unterstellt, aber »wohl nur nach der ausschmückendenromantischen Volkssage«, so selbst das katholische»Kirchen-Lexikon« von Wetzer/Welte, das überdieshinzufügt, »die mit seiner eigenen Erzählung im Wi-derspruche steht«.

Bischof Arbeo verfaßte sein Opus erst 772 und of-fenbar aus recht egoistischen Gründen, nämlich, so1931 das katholische »Lexikon für Theologie undKirche« (das in seiner neuesten Ausgabe von 1995überhaupt nicht mehr vom »Märtyrer« spricht), »vor-nehmlich im Interesse der Stätten der Emmeram-Ver-ehrung in seiner Diözese«. Und Bischof Arbeo, ausdem Adelshaus der Huosi, das den Freisinger Bi-schofsstuhl mehrmals besetzen konnte, war ein sehrgeschäftstüchtiger Prälat, der Besitz und Recht seinesBistums auszudehnen vermochte. Doch verbreiten fastalle populären katholischen Darstellungen einen ehermehr als weniger grauenhaften Kitsch, wie er Arbeos

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4.570 Deschner Bd. 5, 302Der hl. Emmeram

oberhirtlichen Ausschwitzungen auch angemessen ist.Da stirbt dann, nachdem Utas Bruder dem abgereisten»Heiligen« nachgejagt ist, dieser wie ein großerchristlicher Blutzeuge. Hat Herzogssohn Lantpertdoch »fünf flaischhacker« engagiert, »dy des hayligesmannes leichnam sand Haymram von ader zu ader,von glied zu glied zwerlegen«. Und während man ihngrauenhaft verstümmelt, ihm die Augen ausreißt,Nasen und Ohren abschneidet, Hände, Füße und das(natürlich nur vermeintlich) unkeusche Glied, dankt erGott »mit großer Andacht« für die herrliche Tortur.10

Emmerams Verehrung als Heiliger setzt freilicherst Jahrzehnte nach seinem Tod ein, dann allerdingsbegleitet von den schönsten Mirakeln, Krankenheilun-gen, Teufelsaustreibungen, nicht zuletzt Strafwundern(denn die Regensburger Bischöfe vergriffen sichimmer wieder an seinem stets wachsenden Besitz.Auch Leibeigene schenkt man dem Heiligen später!)

Der gloriose Kult, noch im 17. Säkulum neu be-lebt, dehnte sich im Frühmittelalter nicht nur überBayern aus. Unter den ostfränkischen Karolingernaber erreichte Emmeram seine größte Bedeutung alsStammesheiliger, und unter Arnulf wird er persönli-cher Schutzherr des Kaisers, wird Schlachtenhelfergegen die Mährer. Ihm allein glaubt der Herrscherbeim Feldzug 893 wider Swatopluk (S. 308) seineRettung aus Lebensgefahr zu verdanken, weshalb er

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4.571 Deschner Bd. 5, 302Der hl. Emmeram

die bayerischen Klöster reich begabte, besonders St.Emmeram, das den gesamten Schmuck seiner Pfalzbekam, und 899 seine Leiche – aber im Lexikon fürTheologie und Kirche 1995 gar keinen eigenen Platzmehr: der ganze Artikel über das Kloster »St. Emme-ram«, 1931 noch doppelt so lang wie der über denHeiligen selbst, entfällt jetzt.

Wie auch immer: die Emmeramer Mönche ehrtendas Andenken ihres Wohltäters, indem sie alljährlichan seinem Todestag ein feierliches Amt begingen unddas Jahr über in seinem Namen Erfindungen und Fäl-schungen von Urkunden wie die, daß er ihnen die ge-samte Neustadt vermacht haben sollte. Vor all diesenGaunereien trat sogar »der eigentliche KlosterpatronEmmeram für lange Zeit immer mehr in den Hinter-grund« (Babl). Gleichwohl – auf den Kleinhelfendor-fer Legendentafeln (und wahrlich nicht nur dort) lebter weiter:

»Gott loben ohne Zung,Macht ja Verwunderung.Es kunte die gottlose RottAuch diss nicht länger leydenDas er nun immer lobet Gott,Thuet ihm die Zung abschneiden.Doch lobet er Gott noch immer fort,Last unß diss Wunder loben,

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4.572 Deschner Bd. 5, 302Der hl. Emmeram

Alß wär die Zung am alten Ohrt,Fragt nichts nach Wüttrichs Toben.«11

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4.573 Deschner Bd. 5, 303»...ein Schlachtgeschrei bis zum Himmel«

»...ein Schlachtgeschrei bis zum Himmel«

Arnulf, geprägt durch die Waffengänge in den südöst-lichen Marken, war nach der Enthebung einigerGrenzgrafen von seinem Vater, dem BayernkönigKarlmann, kurz nach 876 mit der Verwaltung desalten slowenischen Herzogtums Karantanien betrautworden, seiner eigentlichen Machtbasis im Osten;daher ja auch sein Beiname »von Kärnten«. Dochwährend er in Unterpannonien auszugreifen vermoch-te, scheiterte er (mit seinem gelähmten Vater) imnördlichen Donauraum zunächst an der inner-bayerischen Opposition. Seine Gegner, erst Graf Erm-bert vom Isengau, dann Markgraf Aribo, gewannendie Unterstützung von Arnulfs mächtigen Verwand-ten, Ludwig dem Jüngeren und Karl III. dem Dicken,den Brüdern seines Vaters, die sich in Bayern durch-setzen konnten.

Immerhin hatte Arnulf politisch taktieren, hatte erabwarten und, natürlich, kämpfen gelernt. Er war alsHaudegen erprobt, u.a. 882 bei Elsloo als Befehlsha-ber des bayerischen Heerbanns gegen die Normannen,wo man freilich nichts hatte ausrichten können (S.277), während er sie Mitte Oktober 891 bei Löwen ander Dyle (heute Belgien) schlug. Übrigens ein erklär-ter Racheakt. War doch kurz zuvor im Juni an der

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4.574 Deschner Bd. 5, 304»...ein Schlachtgeschrei bis zum Himmel«

Geule ein »Heer der Christen, o Schmerz, als Folgeseiner Sünden« besiegt worden und unter vielen Vor-nehmen auch einer der Heerführer, der von Arnulf ein-gesetzte Erzbischof Sunderold von Mainz, gefallen(Regino von Prüm).12

Nun aber, an der Dyle, verlieh »Gott vom Himmelherab ihnen Kraft«. Umso offensichtlicher, als diegleichfalls aufgebotenen Alemannen zuvor unter Aus-reden umgekehrt und »vom König nach Hause zu-rückgeschlichen sind«. Wie markig aber putschte er»die edlen Herren der Franken« auf: »Ihr Männer, daIhr den Herrn verehrt und allezeit, wenn Ihr unterGottes Gnade die Heimat verteidigtet, unbesieglichgewesen seid, fasset Mut, wenn Ihr daran denkt, anden ja doch ganz heidnisch rasenden Feinden das ver-gossene fromme Blut Eurer Eltern zu rächen ... Jetzt,Krieger, auf, nun Ihr die Verbrecher selbst vor Augenhabt, folgt mir ... nicht unsere Schmach, sondern diedes Allmächtigen zu rächen greifen wir unsere Feindein Gottes Namen an« (Annales Fuldenses).

Von den frommen Franken wurde nun »einSchlachtgeschrei bis zum Himmel erhoben« und dortauch prompt erhört, was ja nicht immer so ist. Aberda jetzt »die Christen mordend andrangen«, schmis-sen sie die Heiden »haufenweise« in den Fluß, »zuHunderten und Tausenden ..., so daß ihre Leichen dasWasser stauten ...« Zwei Könige, Siegfried und Gott-

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4.575 Deschner Bd. 5, 304»...ein Schlachtgeschrei bis zum Himmel«

fried, wurden getötet, 16 königliche Feldzeichen imTriumph nach Bayern geschickt, Prozessionen befoh-len. Arnulf selbst »hielt mit dem ganzen Heer Umzug,Gott Lob singend, der solchen Sieg den Seinengab ...«

Denn, ja, wahrhaftig, nur »uno homine« hatte diechristliche Seite verloren (was muß das für ein Teufelgewesen sein!), die andere aber »tanta milia homi-num«! Katholische Geschichtsschreibung. Dabeistanden dort zwar »Verbrecher«, doch zugleich, sohebt der Annalist zur Erhöhung der eignen Leistungstolz hervor, focht »das Volk der Dänen, das tapfersteunter den Normannen«, das »niemals früher« in einerVerschanzung besiegt worden sei. Jahrhundertelangfeierte man in Löwen diesen wunderbaren Sieg, seitdem die Normannen immerhin das ostfränkischeReich verschonten (ein letzter Raubzug bis Bonn undPrüm im nächsten Jahr beiseite).

Es war überhaupt ein wunderreiches Jahr.Denn eben anno 891, als Bischof Embricho von

Regensburg alt und »glücklich« starb, da brannteauch Regensburg ab: »durch göttliche Rache auf wun-derbare Weise plötzlich in Flammen stehend, ver-brannte am 10. August mit allen Bauten, auch Kir-chen, ausgenommen das Haus des hl. Emmeram desMärtyrers und die Kirche des hl. Cassian, die obwohlmitten in der Stadt liegend, gegen das Feuer von Got-

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4.576 Deschner Bd. 5, 305»...ein Schlachtgeschrei bis zum Himmel«

tes wegen geschützt wurden«. Da göttliche Rache, die(fast) die ganze Stadt, auch Kirchen, verschlang; dortaber zwei Kirchengebäude »von Gottes wegen« geret-tet (Annales Fuldenses).13

O dies wunderbare Walten des Herrn!

»Die Wege sind oft krumm und doch gerad',darauf du läßt die Kinder zu dir gehn;da pflegt's oft wunderseltsam auszusehn,doch triumphiert zuletzt dein hoher Rat.«

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4.577 Deschner Bd. 5, 305Der (deutsche) Drang nach Osten

Der (deutsche) Drang nach Osten

König Arnulf ließ in Regensburg eine neue Pfalzbauen. Die Stadt war schon die Zentralpfalz Ludwigsdes Deutschen gewesen, ein Mittelpunkt der Ostmis-sion, ein Zentrum des Karawanenhandels mit Böh-men, Mähren, Ungarn – alles wesentlich Christlich-Abendländische ballte sich hier, die Macht von Staat,Kirche und Geld. Regensburg wurde die Stadt, mitder sich Arnulf (der häufig, wie schon sein Vater undGroßvater, auch die Pfalzen Ötting und Ranshofenaufsuchte) wohl am meisten verbunden fühlte, wo einDrittel seiner Urkunden ausgestellt, von ihm minde-stens vier Reichsversammlungen abgehalten wordenund überhaupt zahlreiche Aufenthalte bezeugt sind.Für die Forschung spiegelt diese Wahl seines Kern-landes nicht nur seine eigene Vergangenheit, »sondernauch die Betonung der Tradition Ludwigs des Deut-schen und die Priorität der Südost-Politik, aber auchdas feine Gespür Arnulfs für politische Realitäten«(Störmer).

Anders gesagt; der (deutsche) Drang nach demOsten wird bei König Arnulf bereits deutlich.

Gleich nach seinem »Staatsstreich« retirierte er zurFestigung seiner Stellung auf seine wichtigste Macht-basis, jetzt immerhin stark genug, den Aufstandsver-

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4.578 Deschner Bd. 5, 306Der (deutsche) Drang nach Osten

such des jüngeren Vetters Bernhard in Schwaben mü-helos zu unterdrücken. Bernhard (ca. 876–891/ 892),unehelich wie Arnulf, war der Sohn Kaiser Karls III.,der 885 Bernhard als Thronfolger nicht durchsetzenkonnte (wie Karl zwei Jahre später auch die AdoptionLudwigs, Sohn Bosos von Vienne und mütterlicher-seits ein Karolinger, mißlang). Doch Bernhard, derwohl das ursprüngliche Reich seines Vaters wieder zuerrichten suchte, wollte auch nach Arnulfs Erhebungzum ostfränkischen König nicht auf seine Thronrechteverzichten. Er erhob sich 889 im Bunde mit Adligenaus Rätien und Alemannien, auch mit Abt Bernhardvon St. Gallen (den Arnulf dann abgesetzt hat), wurdeaber ein Jahr darauf beim Niederschlagen des Put-sches durch den Markgrafen Rudolf von Rätien getö-tet.

Arnulf selbst zog bereits im Spätsommer 889 alsFührer eines starken Heeres gegen die Abodriten,nachdem er noch kurz zuvor mit seinen Großen undvielen Bischöfen, darunter Sunderold von Mainz undWillibert von Köln, in Frankfurt getagt hatte. Aller-dings konnte er diesmal im Norden nichts ausrichtenund feierte wieder »in Regensburg in würdiger Weiseden Geburtstag des Herrn«.

Und mit Kirchgängen, mit Kriegszügen, mit dau-erndem Beten und Töten geht es weiter. Insbesonderegriff Arnulf in den letzten Jahren des 9. Jahrhunderts

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4.579 Deschner Bd. 5, 306Der (deutsche) Drang nach Osten

fast fortgesetzt in Mähren ein. Zwar hatte er mit ihm985, da es allmählich zu stark geworden, Frieden ge-schlossen, hatte Swatopluk gar zum Taufpaten seinesSohnes Zwentibold gemacht. Doch das alles hieltnicht lang, und bald kehrte man zur gewohnten Ver-kehrsart zurück.14

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4.580 Deschner Bd. 5, 307Verheerende Kriege mit Mähren

Verheerende Kriege mit Mähren

»Im Jahr der göttlichen Menschwerdung 890«, meldetAbt Regino, habe sich der Herzog der Mährer »vondem Dünkel des Hochmuts aufgeblasen«, gegen denKönig erhoben. So suchte dieser natürlich das Reichder Mährer mit Soldaten heim »und machte alles, waser außerhalb der Städte vorfand, dem Erdbodengleich. Zuletzt da auch alle fruchttragenden Bäumemit der Wurzel ausgerodet wurden, bat Zwentibolchum Frieden und erlangte diesen spät genug, indem erseinen Sohn als Geisel gab!« Doch fand Arnulf, derim Osten offenbar die Taktik der »verbrannten Erde«praktizierte, auch noch Zeit, wie wir aus andererQuelle erfahren, auf die Reichenau zu gehn, »um zubeten« und dann wieder mal in Regensburg »den Ge-burtstag Christi« zu feiern.

Und nachdem er 892, diesmal auf dem KönigshofUlm, abermals »in würdiger Weise den Geburtstagdes Herrn« begangen, zieht er erneut »nach Osten«, inbester Absicht, »in der Hoffnung, dort mit HerzogZwentibald zusammenzutreffen«. Doch Swatopluk,»dieser Kopf voll Trug und List«, war einfach nichtfriedfertig. Er weigerte sich schlicht, »zum König zukommen«, so daß der König zu ihm kommen mußte,was umso leichter ging, als er inzwischen Ostfranken

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4.581 Deschner Bd. 5, 307Verheerende Kriege mit Mähren

fest im Griff hatte. Und vielleicht trauerte er ja auchfrüher gemachten Konzessionen nach. »Jedenfalls warer es, der den Krieg eröffnete« (Reindel). Er war es,der wieder »die Oberhoheit des deutschen Königsüber das Großmährische Reich« erstrebte (Stadtmül-ler). Es hatte unter Swatopluk – kaum zu Unrecht ge-legentlich der erste große Panslawist, vom Papst»König der Slawen« genannt – seine größte Macht-entfaltung gewonnen. Im Süden dehnte es sich zu bei-den Seiten der Donau bis zur Drau und Save aus, imOsten bis zum bulgarischen Reich, im Norden überdas von ihm unterworfene Böhmen beinahe bis gegendie Saale hin. Und sein Einfluß soll »bis zu den Elb-slawen und an die Weichsel« (Löwe) gereicht haben.

Gerade diese Machtfülle freilich provozierte denOstfranken. Mit drei Kriegshaufen, mit Franken, Bay-ern, Alemannen, fiel er im Juli 893 abermals in Mäh-ren ein und ließ sogar die Ungarn für sich kämpfen,diese unchristlichen Teufel, die damit ein katholischerKönig ins katholische Abendland gerufen, dem siebald die Hölle heiß machen sollten, wie man Arnulfauch vorwarf (und noch vorwirft). »Vier Wochen hin-durch verweilte er daselbst mit einer solchen Über-macht ... das ganze Land niederbrennend«. Und be-suchte wieder im Winter überall in Lothringen »Klö-ster und Bischofssitze, um zu beten« (Annales Ful-denses).15

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4.582 Deschner Bd. 5, 308Verheerende Kriege mit Mähren

In jenem Jahr war auch Arn, »der ehrwürdige Bi-schof von Würzburg« (855–892), einmal mehr zumSchlachten der Slawen ausgezogen, diesmal jedochumgekommen. Zweifellos war Bischof Arn, den diechristlichen Nachfahren der Heiden, die ihn erschlu-gen, als Heiligen verehrten, ein Mann mit »Osterfah-rung«. Die Forschung rühmt ihn als Heerführer in»mindestens vier Feldzügen« und, im selben Atem-zug, so eng hängt das auch zusammen, als »Wahrerder Missionsaufgaben seines Bistums« (Wendehorst),beteuernd, sein »Diözesenanliegen« habe »vor allemder Verchristlichung und dem Ausbau der kirchlichenOrganisation« gegolten (Störmer).

Leider wissen wir nicht viel von Bischof ArnsFeldherrntalenten. Doch konnte der Kriegslüsterne,»Vertreter einer ausgeprägten vita activa« (Störmer),den Böhmen, wie die Fuldaer Jahrbücher festhalten,871 auf einen Streich immerhin »644 Pferde gezäumtund gesattelt und eine gleiche Anzahl Schilde« raubenund entsprechend »fröhlich« zu weiteren »Mission-saufgaben« und weiterer »Verchristlichung« der Weltzurückkehren.

Bereits 893 erfolgte ein neuer Feldzug gegen Mäh-ren. Es war das Jahr, das den Söhnen zweier Mark-grafen, der Brüder Engilschalk I. und Wilhelm, einschlimmes Ende brachte.

Der gleichnamige Sprößling Engilschalks, Engil-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.583 Deschner Bd. 5, 309Verheerende Kriege mit Mähren

schalk II., hatte einst eine uneheliche Tochter Arnulfsgeraubt, war nach Mähren geflohen, doch bald, inGnaden aufgenommen, wieder Markgraf im Osten ge-worden. Er zog sich deshalb aber die Feindschaft derbayerischen Großen zu und wurde von ihnen, als er893 arglos die Regensburger Pfalz betrat, angeblichohne Wissen des Königs, verurteilt und geblendet.Als darauf sein Vetter Wilhelm, um sein Leben fürch-tend, sich Swatopluk zuwandte, wurde er als Hoch-verräter geköpft. Und als jetzt Wilhelms Bruder, GrafRudbert, zu Swatopluk floh, ließ der ihn »mit sehrvielen anderen«, mit allen seinen Begleitern, meuch-lings ermorden. Der gesamte Besitz der Beseitigtenbeiderseits der Donau wurde konfisziert und zum Teilan den Abt Snelpero des Klosters Kremsmünster ver-gabt, einen der Hauptnutznießer der Tragödie. Arnulfmarschierte nun erneut in Herzog Swatopluks Reich,diesmal verbündet mit den Bulgaren, und »plünderteden größten Teil ...«, gelangte jedoch in einen Hinter-halt und nur »mit großer Schwierigkeit« nach Bayernzurück. – Und im Emmeramskloster erzählte manspäter, daß er dem hl. Emmeram, seinem Patron, seineRettung zuschrieb (S. 302).16

Die fränkischen Kriegszüge 892 und 893 warenmißlungen, obwohl Arnulf Großmähren, mit Hilfe derUngarn und der Bulgaren, jedesmal von zwei Seitenangegriffen hatte (ein altes »Staatskunst«-Verfahren

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4.584 Deschner Bd. 5, 309Verheerende Kriege mit Mähren

bis heute: zwei Partner fallen über einen Dritten herund zerfleischen sich dann gegenseitig). SwatopluksMacht blieb ungebrochen.

Im nächsten Jahr aber kamen die Ungarn wieder.Diesmal jedoch ungerufen. Und sie führten auch nichtfür, sondern gegen Arnulf Krieg. »Die Männer undalten Weiber töteten sie insgesamt, nur die jungenschleppten sie wie Vieh mit sich, ihrer Lust zu frönen,und verwüsteten ganz Pannonien bis zur Vernich-tung« (Annales Fuldenses). Nicht von ungefähr ruftBischof Liutprand von Cremona erregt: »O blindeHerrschsucht des Königs Arnulf! o unseliger,schmerzlicher Tag! Um ein einziges Menschenkind zudemütigen, wird ganz Europa in Not und Jammer ge-stürzt. O blinder Ehrgeiz! wie viele Frauen machst duzu Witwen, wie viele Väter beraubst du ihrer Kinder,wie vielen Jungfrauen raubst du die Ehre, wie vielenPriestern Gottes samt ihren Gemeinden die Freiheit;wie viele Kirchen veröden durch dich, wie viele be-wohnte Gebiete legst du, verblendeder Ehrgeiz,wüst!«17

Nach dem Ungarnsturm schien es den Bayern frei-lich an der Zeit, mit den Mährern Frieden zu schlie-ßen. Doch lange dauerte er nicht. Zwar kaum wegeninnerstaatlicher Miseren, großer Hungersnöte, die ge-rade seinerzeit weite Teile Ostfrankens heimsuchten.Zweimal, 895 und 897, meldet sie der Annalist fast

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4.585 Deschner Bd. 5, 310Verheerende Kriege mit Mähren

gleichlautend »im ganzen Land Baiern, so daß manan sehr vielen Orten vor Hunger starb«. Aber auch893 hatte man gehungert, 889 sogar eine übermäßigschwere Hungersnot erlitten, natürlich nicht die Edel-schicht. Bei ihr fiel statt dessen ins Gewicht, daßmittlerweile Herzog Swatopluk I., dieser »Urquelljeder Treulosigkeit«, dieser nach Menschenblut dür-stende Vampir, 894 gar »unselig sein Leben« beendethatte – und natürlich nicht ohne zuletzt noch die Sei-nen zu beschwören, »nicht Liebhaber des Friedens zuwerden« (Annales Fuldenses), sondern Feinde derbösen Nachbarn zu bleiben.

Und das wollten ja auch die Nachbarn.König Arnulf, nicht zu Unrecht sich immer stärker

fühlend, wußte jedenfalls, was zu tun war. Erst hielter im Sommer 897 auf der Pfalz Tribur eine Reichs-versammlung ab, dann »suchte er das Kloster Fuldaauf, um zu beten«. Danach empfing er auf dem Kö-nigshof Salz an der Saale Boten der Sorben, hernachböhmische Herzöge in Regensburg, die Hilfe gegenihre Feinde, die Mährer, forderten, »von denen sie da-mals häufig, wie sie selber bezeugten, auf das härtestebedrängt wurden. Diese Herzöge nahm der König undKaiser freundlich auf, sprach ihnen reichlich Wortedes Trostes zu und ließ sie froh und durch Geschenkegeehrt in ihr Vaterland abziehen; und die ganzeHerbstzeit jenes Jahres verweilte er in den benachbar-

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4.586 Deschner Bd. 5, 310Verheerende Kriege mit Mähren

ten Orten nördlich von Donau und Regen, auch in derAbsicht, mit seinen Getreuen bereit zu sein, wenn fürdas oben genannte Volk seine Hilfe nötig wurde«(Annales Fuldenses).18

Dies war begreiflicherweise bald der Fall. DennSwatopluks Söhne Mojmír II. und Swatopluk II. hat-ten zwar nach ihres Vaters Tod mit den OstfrankenFrieden geschlossen, konnten aber bald darauf keinenmehr unter sich selber halten, was wohl auch an ihremFrieden mit den Ostfranken lag, deren Stunde nun ge-kommen schien. Brach doch zwischen beiden Söhnenjetzt solcher Haß aus, »so daß wenn einer hätte denandern mit seinen Kräften erreichen und fassen kön-nen, diesem die Verurteilung zu Tode sicher war«(Annales Fuldenses).

Arnulf, der für den jüngeren Bruder Swatopluk II.Partei ergriff, nützte diese sicherlich von Gott ge-schickte Situation, um mit Feuer und Schwert das Ge-biet Mojmírs zu verwüsten und viele Slawen zu er-schlagen; ein gutes christkatholisches Werk, das fürihn die Markgrafen Liutpold und Aribo leisteten,wobei sie freilich auch die »mit Feuer und Schwertdemütigten ..., plünderten und mordeten«, die sieschützen und befreien sollten. Doch hatte Aribo sel-ber die Brüder gegeneinander gehetzt und den mähri-schen Bürgerkrieg nur ausgelöst, um Beute zu ma-chen. Gewiß wurde Aribo kurz entfernt, bald aber

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4.587 Deschner Bd. 5, 311Verheerende Kriege mit Mähren

gänzlich begnadigt und wieder in sein altes Amt ein-gesetzt.19

Mit Mojmírs Alleinherrschaft begann auch dieWiederherstellung der kirchlichen »Ordnung«. UnterÜbersendung reicher Geschenke an Papst Johann IX.erbat der Fürst für seine verwaiste Kirche neue Bi-schöfe und erhielt sie prompt. Doch intensivierte dieErrichtung einer nationalen Kirche in Mähren nochdie Feindschaft mit Bayern. Denn der Krieg wurdemit derselben Erbitterung jetzt gleichsam auch religi-ös geführt.

Bereits während des Winters 898 »drangen dieFürsten der Baiern mit ihren Leuten tapfer und gewal-tig« in Mähren ein, durchzogen es »mit starker Mann-schaft«, verheerten, raubten, klauten, kurz, »sammel-ten Beute und kehrten mit dieser heim«. Und schonim Sommer 899 überfielen die Bayern Mähren erneut,ja unternahmen nun dorthin gleich zwei Kriegszüge,»plünderten und verwüsteten, was sie konnten«,wobei sie beim zweitenmal den gefangengehaltenenjungen Swatopluk samt Genossen aus dem Gefängnisbefreiten und »aus Mitleid« mit sich fort führten,nicht ohne vorher die Stadt in Brand gesteckt zuhaben. Und noch im Jahr 900 durchwüteten unddurchsengten sie gemeinsam mit den Böhmen dreiWochen lang das Mährische Reich, nichts als Zerstö-rung erreichend – »und kehrten zuletzt glücklich und

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4.588 Deschner Bd. 5, 311Verheerende Kriege mit Mähren

wohlbehalten nach Hause zurück« (Annales Fulden-ses). Dann aber bekam man selbst genug mit den Un-garn zu tun.20

Und auch im Westen gab es Turbulenzen.

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4.589 Deschner Bd. 5, 312Die politische »Schlüsselfigur« der Zeit

Die politische »Schlüsselfigur« der Zeit,Erzbischof Fulco von Reims, dreht sich wie ein

Wetterhahn

Nach der Absetzung Karls III. und der AnerkennungArnulfs von Kärnten hatte der karolingische Groß-staat sich endgültig aufgelöst und die führendeSchicht in den diversen Reichsteilen die Könige derNachfolgeländer aus ihren eigenen Reihen bestimmt.Es erinnert, bei allen Unterschieden, etwas an die letz-ten Zuckungen der Merowingerdynastie (IV 279 ff.).

Im Westreich, aus dem Arnulf Thronangebote ab-gelehnt hatte, was die Entwicklung eines »deutschen«Reiches nach dem Akt von 843 (S. 122 ff.) weitervorantrieb, bekämpften sich zwei Parteien. Die stär-kere Gruppe krönte den Robertiner Graf Odo vonParis, den Sohn Roberts des Tapferen, einen Nichtka-rolinger, da Karl, der nachgeborene Sohn Ludwigsdes Stammlers, als Herrscher noch nicht in Fragekam. Den Krönungsakt vollzog am 29. Februar 888in der Pfalz Compiègne der gänzlich in Politik aufge-hende junge Erzbischof Walther von Sens, dem Parisals Suffraganbistum unterstand. König Odo(888–898), der sich gelegentlich inmitten einesKriegszugs an einem Heiligengrab niederwerfen,»aufs eifrigste« beten und dazu »viele Tränen« (An-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.590 Deschner Bd. 5, 312Die politische »Schlüsselfigur« der Zeit

nales Vedastini) vergießen konnte, war dank derGunst Kaiser Karls des Dicken Herr über sämtliche(besonders »kriegstüchtige«) Grafschaften an derLoire, verfügte auch über einige der berühmtestenAbteien (St-Martin in Tours, St-Germain-des-Prés,St-Denis, St-Amand) und hatte einen beträchtlichenTeil des Episkopats hinter sich. Er gelobte urkund-lich, den Besitz der Kirche nach Kräften zu mehren,zu erweitern, versprach auch die Verteidigung derchristlichen Glaubensgrundsätze, und erst danach lei-stete man ihm den Treueid.

Die andere Partei, die sich in Odos eigenem Reichgegen ihn aufwarf, führte der Erzbischof Fulco vonReims (883–900) wohl schon deshalb an, weil derErzbischof Walter von Sens, ein Nebenbuhler seineseignen Stuhles, Odo zum König gesalbt hatte.

Fulco, durch die Gunst von Hugo Abbas (S. 259 f.)seit 883 Nachfolger Hinkmars in Reims, war eine po-litische »Schlüsselfigur« (Hlawitschka), ein Seelen-hirte, der Reims befestigte, die Abtei St-Bertin, derauch die beiden ersten bischöflichen Burgen, inOmont und Epernay, errichten ließ, vor allem aberwar Fulco ein geistlicher Opportunist erbaulichstenSchlages. Zunächst hatte er den durch den Papst ad-optierten Herzog Wido von Spoleto favorisiert, diesenherbeigerufen und ihn, kurz vor Odos Wahl, in Lan-gres durch den dortigen Bischof Geilo zum König

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4.591 Deschner Bd. 5, 313Die politische »Schlüsselfigur« der Zeit

krönen lassen. Geilo, vordem Anhänger des Thron-räubers Boso, verdankte Boso beträchtliche Besitzzu-teilungen und erwartete nun wahrscheinlich weitereVorteile von Wido. Und Fulco war mit Wido ver-wandt und hätte gern einen seiner Sippe mit der west-fränkischen Königskrone gesehen.

Angesichts der tatsächlichen Machtverhältnisse re-signierte Wido freilich und kehrte nach Italien zurück.Erzbischof Fulco aber unterwarf sich nach dem Fehl-schlag mit Wido König Odo und legte auf ihn imFrühjahr 888 einen Treueid ab. Um sich indes vorIsolierung zu bewahren, seine Macht zu stützen, such-te Fulco noch im Juni Arnulf von Kärnten währenddes Reichstags in Frankfurt auf und bot jetzt ihm dieKrone Westfrankens an. Begleitet wurde der Erzbi-schof bei diesem edlen Unterfangen von den Bischö-fen Dodilo von Cambrai, Honorat von Beauvais, He-tilo von Noyon, dem aus seinem Bistum verjagtenErzbischof Johannes von Rouen sowie dem Abt Ru-dolf von St. Omer und St. Vaast; letzteres jenes Klo-ster bei Arras, in dem seinerzeit ein Mönch die Jahr-bücher von St. Vaast, die Annales Vedastini, nieder-schrieb.21

Aber Arnulf hatte durch das Debakel Karls desDicken wohl erkannt, daß das großfränkische regnumvon einem einzelnen kaum noch zu regieren war. Soverzichtete er nicht nur auf das Westreich, sondern

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4.592 Deschner Bd. 5, 314Die politische »Schlüsselfigur« der Zeit

auch auf Italien und die Provence. Er entließ Erzbi-schof Fulco »ohne Rat und Trost« und traf sich mitOdo (nach dessen Triumph über die Normannen am24. Juni in den Argonnen) im August 888 in Worms.Dort schloß er mit ihm ein Freundschaftsbündnis,schickte ihm eine Krone, mit der Odo am 13. Novem-ber 888 in Notre-Dame zu Reims, in Anwesenheitostfränkischer Gesandter, sich ein zweites Mal krönenließ – eine »Befestigungskrönung« –, und zwar durchden Reimser Erzbischof Fulco!

Doch spätestens 892 kehrte Fulco auch dem vonihm gekrönten Odo wieder den Rücken und ver-schwor sich gegen ihn, u.a. mit den Bischöfen derReimser Kirchenprovinz, die zu seinem Anhang zähl-ten, wie Riculf von Soissons, Hetilo von Noyon undHerilandus von Thérouanne; von außerhalb der Pro-vinz stieß Bischof Teutbald von Langres dazu, derFulco sein Bischofsamt verdankte. Und am 28. Januar893 weihte kein anderer als Erzbischof Fulco inReims nun Karl III. den Einfältigen (893–923), denSohn Ludwigs des Stammlers, einen gerade dreizehn-jährigen Jungen, zum König (sein Beiname stammtaus späterer Zeit). Zwar war er ein Karolinger, derletzte Nachkömmling ihrer westfränkischen Linie,somit ein durchaus rechtmäßiger Reichserbe. DochFulco hatte Odo vier Jahre lang, von 888 bis 892, alsrechtmäßigen König anerkannt, ihm auch Treue ge-

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4.593 Deschner Bd. 5, 314Die politische »Schlüsselfigur« der Zeit

schworen – und jetzt lesen wir: »Und alle verschwo-ren sich gegen König Odo« (Annales Vedastini).22

Freilich machte nicht Karls »Legalität« den Präla-ten zu seinem Fürsprecher, sondern »die offenkundigeFeindschaft und der Haß gegen Odo«. Unermüdlichagitierte er wider diesen und für seinen Schützling.Angeregt von Fulco, ergriff auch Papst Formosus fürKarl Partei, billigte Odo aber weiterhin den Königsti-tel zu. Und nach Ostern 893 zog das Reimser Kir-chenhaupt unter Mitnahme des jungen Königs gar mitTruppen gegen Odo. Dieser jedoch lehrte sie laufen,drang in die Francia ein, verwüstete, raubte, entvöl-kerte, belagerte Reims, das Karl im September 893mit einem starken Heer befreite. »Und so kommenwechselweise auf beiden Seiten viele ums Leben; manverübt gewaltig viel Böses, unzählige Räubereien undbeständige Plünderungen« (Regino von Prüm). – Ge-rade auch Kirchen und Klöster waren seit langem undweithin immer wieder geplündert, geraubt, zerstörtworden, und natürlich von gläubigen Christen.

Dann schließt man einen Waffenstillstand, woraufErzbischof Fulco Hilfe für Karl den Einfältigen sucht,zunächst, indem er gegen Wido Stellung nimmt, beiArnulf, dann bei dessen erbittertem Gegner Wido, dener auch wissen läßt, daß Arnulf gegen ihn einen Feld-zug vorbereite. Nach Ablauf des Waffenstillstandsführte Odo im Frühjahr 894 erneut sein Kriegsvolk

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4.594 Deschner Bd. 5, 315Die politische »Schlüsselfigur« der Zeit

vor Reims, worauf König Karl zu Arnulf floh, dersich nun für Karl und gegen Odo entschied, was aberdie Machtverhältnisse im westfränkischen Reich nichtänderte.

Als Karl aus Ostfranken zurückkam, erwartete ihnOdo schon kampfbereit an der Aisne, und Karl sahsich jäh von zahlreichen Grafen und Bischöfen verlas-sen. Ja, als Odo gar auf dem Wormser Reichstag 895die Anerkennung Arnulfs fand, der sich jetzt Karl ver-sagte, knüpfte Karl, wohl auf Vorschlag Fulcos, sei-nes leitenden Staatsmanns, nun mit Arnulfs Sohn,dem eben zum König von Lotharingien erhobenenZwentibold an. Doch kaum war dieser zur Unterstüt-zung Karls im Westreich eingefallen, verleitete er ei-nige von dessen Magnaten zum Abfall, und nunwandten sich Karl und Erzbischof Fulco, mißtrauischgeworden, heimlich Odo zu und verständigten sichmit diesem, ohne freilich auch ihm trauen zu können.Deshalb suchte Erzbischof Fulco, über Papst Formo-sus, ein Bündnis mit Kaiser Lambert, dem Sohn desEnde 894 verstorbenen Wido, was aber fehlschlug, daArnulf sich selbst Mitte Februar in Rom die Kaiser-krone holte.

So ging es drunter und drüber im Westreich. Manmordete, schloß Frieden, verheerte, mordete weiter.Auch Kirchenfürsten waren nicht mehr sakrosankt.Schon 850 hatte man den Bischof David von Lau-

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4.595 Deschner Bd. 5, 316Die politische »Schlüsselfigur« der Zeit

sanne getötet. Bischof Theutbold von Langres wurde894 von den Gefolgsleuten Karls, dem Herzog Ri-chard von Burgund samt Anhang, geblendet, der Erz-bischof von Sens eingekerkert. Erzbischof Fulcokonnte 895 bei einem ungewollten Zusammentreffenmit Gegnern vorerst gerade noch entkommen, seinBegleiter aber, Graf Adelung, blieb auf der Strecke.

Nachdem Odo im Frühsommer 896 Reims eroberthatte, wechselte Ortsbischof Fulco, bisher entschiede-ner Parteigänger Karls, natürlich zum Sieger über undstand jetzt, mindestens äußerlich, auf dessen Seite;»notgedrungen«, wie ihn die »Annales Vedastini«entschuldigen, »und tat demselben in allem Genüge,was er ihm befahl«. Karl floh, einigte sich jedoch imnächsten Sommer mit Odo, der inzwischen schwer er-krankt war, Karl noch ein Landgebiet sowie die Nach-folge im Königsamt vertraglich zugesichert hatte, undAnfang Januar 898 starb.

Darauf gelangte Karl der Einfältige zu Reims »wie-der auf den väterlichen Thron«; er wurde alleinigerHerr im Westfrankenreich, die Grundlage für die ka-rolingische Restitution im Westen war geschaffen.Odo hatte zwar keinen Erben hinterlassen, aber zumÄrger des Adels stets allzu offensichtlich für die Meh-rung seiner Hausmacht, die Förderung der eigenenSippe gesorgt und zumal seinem Bruder Robert –ohne diesem klugerweise die Krone zu vermachen –

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4.596 Deschner Bd. 5, 316Die politische »Schlüsselfigur« der Zeit

ein bedeutendes Machtpotential vermittelt: die Basisfür eine robertinische Sonderposition, die 922/923Robert I. und 987 Hugo Capet zur Gewinnung desThrones nutzten.

Erzbischof Fulco, unterdessen noch zum Erzkanz-ler erhoben, war jedoch am 16. Juni 900 von einemDienstmann Balduins II., Graf von Flandern (infolgeeines Besitzstreites um die reiche Abtei St-Vaast zuArras, die vordem Balduin gehörte) »ungesäumt« er-schlagen worden (Annales Vedastini). – (WenigeJahre später wurde der Straßburger Bischof Otbertvon seinen Diözesanen vertrieben und ermordet, auchErzbischof Arnustus von Narbonne umgebracht,nachdem man ihm zuvor die Augen ausgestochensowie Zunge und Genitalien ausgerissen hatte.)23

Eine eigene Rolle spielte zwischen West und Ostauch das »Land dazwischen«.

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4.597 Deschner Bd. 5, 317König Zwentibolds (heiliges) Ende

König Zwentibolds (heiliges) Ende oder So wardas Leben nun mal in den gehobenen

christlichen Kreisen

Lotharingien, nach dem Tod Lothars II. im Vertragvon Meersen 870 zwischen West- und Ostfranken ge-teilt, war ein Jahrzehnt darauf durch den Vertrag vonRibémont ganz zum Ostfränkischen Reich gekom-men, in dem es eine Sonderstellung erhielt. Blieb esdoch auch später als Teilreich ein recht eigenständigesLand mit separater Kanzlei unter wechselnden Her-ren; blieb es als historische Landschaft etwas von»Germania« und von »Gallia« oder, anders gesagt,das »Land dazwischen«, das für die Ostfranken inGallien lag, doch auch für die Westfranken fast einfremdes Gebiet und Volk war – die »Lotharienses«.Selbst als es seit dem 10. Jahrhundert zum regnumteutonicum, zum sogenannten Heiligen RömischenReich gehörte, gehörte es, behauptet jedenfalls KarlFerdinand Werner, »nicht zu Deutschland«.

Infolge der Geburt seines Halbbruders Ludwig IV.des Kindes 893, des einzigen Sohnes von Arnulf ausgültiger Ehe (mit der Konradinerin Ota), verlor derFriedelsohn Zwentibold die ihm zugesicherte Aus-sicht auf eine Thronnachfolge. Gegen den anfängli-chen Widerstand zunächst der ostfränkischen, dannKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.598 Deschner Bd. 5, 317König Zwentibolds (heiliges) Ende

der lotharingischen Großen gelang es aber König Ar-nulf auf dem Wormser Reichstag 895 den außereheli-chen Zwentibold, so benannt nach seinem Taufpaten,dem Mährerherzog Swatopluk (Zwentibald), zumKönig von Lotharingien bestellen und nach westfrän-kischem Vorbild salben zu lassen. Es sollte das letzteganz eigenständige lotharingische Königreich undüberhaupt ein folgenschwerer Vorgang sein, am we-nigsten zum Vorteil der deutschen Seite.24

König Zwentibold (895–900) beherrschte unter derLehnshoheit seines Vaters ein autonomes Teilreich.Er führte, selbst heftig und ungezügelt, ein unruhiges,zerfahrenes Regiment in einem Land, das von denFriesen im Norden bis nach Burgund und dem ElsaßRäuber, Strauchritter, blutige Fehden erschüttertenund das er eher noch mehr zerrüttete, je eigenmächti-ger er darüber gebieten konnte. Er erließ selbständigUrkunden und Gesetze, verfügte über das Reichsgut,war auch außenpolitisch unabhängig und beteiligtesich nicht an den Reichsheerfahrten. Er regierte aberwie üblich mit bischöflichem Beistand. Seine Hofka-pelle leitete Erzbischof Hermann I. von Köln, seineKanzlei Erzbischof Ratbod von Trier, der zeitweiseeinen sehr großen Einfluß auf ihn hatte. Im Jahr 900jedoch fielen die Bischöfe von Zwentibold ab undschlossen sich dem neuen König Ludwig IV. und demOstfrankenreich an.25

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4.599 Deschner Bd. 5, 318König Zwentibolds (heiliges) Ende

König Arnulf hatte die Sache fürsorglich eingefä-delt, auch in Lotharingien selbst, wo der dortigeGroße, Graf Megingaud vom Mayenfeldgau, einNeffe König Odos (von einer späteren Quelle sogar»dux« genannt), durchaus rechtzeitig über die Klingesprang: Graf Alberich hat ihn »im Jahr der göttlichenMenschwerdung 892« am 28. August zu Rethel imKloster des hl. Xystus heimtückisch gekillt – undKönig Arnulf dann Megingauds Lehen und Ämterseinem Sprößling Zwentibold verliehen; ein ersterSchritt sozusagen zu dessen Eingemeindung. DerMörder des Grafen Megingaud, nebenbei, Graf Albe-rich, wurde vier Jahre später, »um das Fest des hl.Andreas«, von dem Grafen Stephan liquidiert. Undder Mörder Graf Stephan seinerseits wieder fünf Jahredanach, bei besonders romantischem Ambiente, »alser in nächtlicher Stunde auf dem Abort sitzend seinenLeib entleerte, von irgend jemand durch das Fensterdes Gemaches mit einem vergifteten Pfeile ...« (sagit-tae toxicatae).26

So war das Leben nun mal in den gehobenenchristlichen Kreisen – so oder ähnlich kam man hin-ein, so oder ähnlich hielt man sich darin oder nicht;doch all dies und derlei tausendfach mehr blieb Klein-arbeit neben den »großen historischen« Taten.

Zunächst zwar standen die kirchlichen Repräsen-tanten wie die des Hochadels, die Grafen Reginar,

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4.600 Deschner Bd. 5, 318König Zwentibolds (heiliges) Ende

Odakar, Wigerich, Richwin loyal zum neuen König.Doch bald geriet Zwentibold in Konflikt mit den inLotharingien besonders zahlreichen großen Feudalfa-milien (kein Honiglecken, wie gerade am Rande undmehr punktuell gezeigt). Und dem lokalen Adel fielschließlich auch er zum Opfer.

Zuerst verfeindete er sich mit dem in den Ardennenbegüterten Matfridinger-Clan, den Grafen von Metz,den Brüdern Gerhard und Matfrid II. Ihnen und eini-gen anderen »Edlen«, wie dem Grafen Stephan, ent-zog Zwentibold »im Jahr der göttlichen Menschwer-dung 897« Lehen und Würden und verteilte ihre Län-dereien oder ihren monastischen Besitz unter seineLeute. – »Wollte man einen Getreuen oder Verwand-ten beschenken, so waren die Abteien gerade recht«(Parisse); wobei der König einige Klöster, in Trier, inMetz, natürlich auch sich selbst zukommen ließ.27

Schließlich überwarf sich Zwentibold 898 auch mitseinem bisherigen Ratgeber und Günstling, demmächtigsten seiner Großen, dem zwischen Maas undSchelde weithin mit Land gesegneten Grafen ReginarI. (Langhals), einem Enkel Kaiser Lothars I., Laien-abt des Klosters Echternach im Bistum Trier und derSt. Servatiusabtei zu Maastricht. Der maasländischeFeudalmagnat rief Karl den Einfältigen, den westfrän-kischen König, zu Hilfe, und der, vorsichtig wie seinGroßvater, aber auch gierig wie dieser, drang bis Aa-

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4.601 Deschner Bd. 5, 319König Zwentibolds (heiliges) Ende

chen und Nymwegen vor. Der gänzlich überraschteZwentibold floh; doch mit dem Beistand des streitba-ren Bischofs Franko von Lüttich und dessen Truppensowie weiteren Zuläufern brachte er Karl im Herbst898 ohne Kampf, nach Verhandlungen, zurück in seinReich. Und der Friedenschluß von St. Goar im näch-sten Jahr unter Arnulfs Vermittlung sicherte Zwenti-bold zwar vorläufig Lotharingien, doch wurden da-mals wohl insgeheim auch schon die Weichen für sei-nen Sturz nach des Kaisers Tod gestellt.

Einstweilen jedenfalls war die Macht des rebellie-renden Reginar noch immer ungebrochen. Zusammenmit anderen Bedrängten, wie dem Grafen Odakar,hatte er sich in dem stark befestigten Durofostum oderDurfos an der Maas eingenistet, mit Hab und Gut undWeib und Kind. Zwentibold vermochte es in zweiFeldzügen auch »mit aller Kraft« (Regino von Prüm)nicht zu erobern. Und da nun die Bischöfe – dieZwentibold bisher begünstigt, zuletzt aber etwas ge-schröpft, um »kirchliches Vermögen« gebrachthatte – die Partei der Empörer durchaus nicht, wieZwentibold gefordert, bannten, sondern zu ihr über-wechselten, wäre sein Schicksal und das des König-reiches Lotharingien besiegelt gewesen, auch wenn ernicht seinem eigenen Erzkanzler, dem Erzbischof Rat-bod von Trier, vielleicht während der letzten Belage-rung von Durfos, »gegen die priesterliche Würde mit

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4.602 Deschner Bd. 5, 320König Zwentibolds (heiliges) Ende

einem Stock auf den Kopf« geschlagen hätte (AnnalesFuldenses).

Die Rebellen um Graf Reginar sowie der hohe Kle-rus forderten schließlich Ludwig das Kind auf, in Lo-tharingien die Macht zu ergreifen. Nach ihrer Huldi-gung in Diedenhofen zog Ludwig jedoch wieder ab,ohne Zwentibold ausgeschaltet zu haben. Dieser sam-melte neue Anhänger, verlor aber am 13. August 900bei einem »Treffen« an der mittlern oder unterenMaas Reich und Leben. Seine Erleger waren jeneGrafen Stephan, Matfrid und Gerard, die er drei Jahrefrüher um ihre Lehen gebracht. Und Gerard nahmsich, nur wenige Monate nach der Tötung des Königs,zur besonderen Belohnung noch dessen Gattin Otazur Frau.

Während Zwentibolds Gegner Graf Reginar nunseine Macht erweitern, nämlich zu den Abteien Ech-ternach und St. Servatius zu Maastricht noch die Klö-ster Stavelot und Malmedy erwerben konnte, kam dermit Klerushilfe beseitigte Zwentibold immerhin inden Geruch der Heiligkeit. Zumindest im Kloster Sü-steren, wo seine beiden Töchter (von Ota), Cäciliaund Benedikta, nacheinander als Äbtissinnen waltetenund er die letzte Ruhe fand, begann man ihn als Heili-gen zu verehren, zumal ein Zahn von ihm sich häufigals wundertätig bei Zahnschmerzen erwies. Und nochdie beiden Töchter, deren Reliquien dann gleichfalls

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4.603 Deschner Bd. 5, 320König Zwentibolds (heiliges) Ende

Wunder wirkten, galten hier als heilig.28

Nicht besser als im katholischen Frankenreich sahes im katholischen Italien aus, schon gar nicht ampäpstlichen Hof, über den nun immer wirrere und ver-wirrendere Zeiten hereinbrechen, Adelstumulte, Prie-sterverbrechen, Affären, über die wir oft selbst im Un-klaren, Dunklen gelassen werden.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.604 Deschner Bd. 5, 321Luxus und Verbrechen

2. Arnulf von Kärnten: Papsttum und Italien

Luxus und Verbrechen

Man versteht schnell die ebenso intrigen- wie blutrei-chen Kämpfe dort, stellt man sich einmal Wohllebenund Reichtum dieser – ja schon in der Antike (vgl.bes. III 5. Kap.) – im Überfluß schwelgenden Präla-ten vor, einen unverschämten Luxus, wie ihn geradefür das späte 9. Jahrhundert Gregorovius beschreibt,und keinesfalls nur für Rom, sondern auch für die Bi-schöfe Italiens »in Stadt und Land«: »Sie wohnten inprachtvollen Gemächern, die von Gold, Purpur undSamt strahlten; sie speisten gleich Fürsten auf golde-nem Geschirr; sie schlürften ihren Wein aus köstli-chen Bechern oder Trinkhörnern. Ihre Basiliken starr-ten von Ruß, aber ihre dickbäuchigen Obbae oderWeingefäße glänzten von Malerei. Wie beim Gast-mahl des Trimalchio ergötzte ihre Sinne der Anblickschöner Tänzerinnen und die ›Symphonie‹ von Musi-kanten. Sie schlummerten in den Armen ihrer Bei-schläferinnen auf seidenen Kissen in künstlich mitGold ausgelegten Bettgestellen, während ihre Vasal-len, Kolonen und Sklaven ihren Hofstaat versorgten.Sie würfelten, jagten und schossen mit den Bogen. Sieverließen ihren Altar, an dem sie, mit Sporen an denKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.605 Deschner Bd. 5, 322Luxus und Verbrechen

Füßen und ein Dolchmesser an der Seite, Messe gele-sen, und ihre Kanzel, um auf goldgezäumte Pferde mitsächsischen Sätteln zu steigen und ihre Falken fliegenzu lassen. Wenn sie reisten, umgab sie der Schwarmihrer Hofschranzen, und sie fuhren in kostbarenWagen mit Rossen, deren sich kein König würde ge-schämt haben.«29

Bleibt dies aber nicht durch ein Jahrtausend so oderdoch sehr ähnlich?

Johann VIII. war noch nicht bestattet, da wurdeMarinus I. (882–884) schon sein Nachfolger. Mari-nus (gelegentlich falsch Martin II. genannt) war Sohneines Priesters, bereits als Zwölfjähriger im römi-schen Kirchendienst und später meist päpstlicherLegat (vor allem in Byzanz gegen Photios); er wurdeSchatzmeister, dann als erster Bischof eines anderenBistums (von Caére, heute Cerveteri) Papst. Dabeimißachtete er freilich das kaiserliche Bestätigungs-recht ebenso wie die kirchlichen Kanones (besondersden 15. Kanon des Nicaenums), die den Übergang derBischöfe von einer Diözese in die andere verbieten.

Marinus gehörte zur Partei der von seinem Vorgän-ger exkommunizierten und verbannten Formosus vonPorto, Gregor und Georg (S. 269 ff.), die nun, begna-digt, sogleich wieder das Ruder ergriffen. Formosuswurde erneut in seinen Sprengel eingesetzt, der einsti-ge Zeremonienmeister Gregor zum Oberhofmeister

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4.606 Deschner Bd. 5, 322Luxus und Verbrechen

befördert und wahrscheinlich, nicht unbestritten, Pa-triarch Photios abermals verdammt.

Von Hadrian III. (884–885) ist wenig bekannt.Und als er nach einem kurzen Pontifikat im Sommer885 Rom verließ, um Kaiser Karl III. den Dicken inWorms zu treffen, kam er nur bis S. Cesario sul Pana-ro bei Modena; hier starb er plötzlich, vielleicht einesgewaltsamen Todes. Der Verdacht besteht zumindest,und bezeichnenderweise hat man seine Leiche nichtnach Rom überführt, sondern im Kloster Nonantulabeigesetzt. Doch wurde dieser Heilige Vater, der dieRömer bei Dürre und Hungersnot mit harten Strafendrangsalierte, 1891 wirklich »heilig«, offiziell: Fest 8.Juli.

Konnte aber unter Hadrian III. die Gruppe der vonPapst Johann Verbannten sich noch behaupten, sorgteder aus seinem engeren Kreis kommende Stefan V.(885–891) für ihre Beseitigung. Oberhofmeister Gre-gor, »sehr reich«, wurde von einem kurialen Amtsbru-der in der Vorhalle des Peterdomes erschlagen »undder Fußboden der Kirche, durch die er geschlepptwurde, ganz mit seinem Blute besudelt«; sein Schwie-gersohn Georg vom Aventin, der päpstliche Kämme-rer, wurde geblendet, Gregors Witwe nackt aus Romgepeitscht. Nach dieser Glanzleistung beglück-wünschte Erzbischof Fulco von Reims, wendig wiekaum einer (S. 311 ff.), den neuen Papst zur erfolgrei-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.607 Deschner Bd. 5, 323Luxus und Verbrechen

chen Niederwerfung der Feinde des Heiligen Stuh-les.30

Waren solche Feinde freilich nicht auszuschalten,versuchte man einfach, sich ihnen anzupassen, anzu-freunden, wie das Verhalten Stephans gegenüberWido von Spoleto zeigt. Es begann ein gänzlicherUmschwung in der päpstlichen Politik.

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4.608 Deschner Bd. 5, 323Wido und Berengar

Wido und Berengar – Bürgerkrieg in Italien undpäpstliche Schaukelpolitik

Dem längst in Italien heimisch gewordenen, seit 842als Herzöge von Spoleto begegnenden, mit den Karo-lingern aber nicht verwandten fränkischen Hochadels-geschlecht der Widonen-Lambertiner entstammend,war Wido II. von Spoleto und Camerino seinem VaterLambert gefolgt. Außenpolitisch nach Westfrankenorientiert, familiär auch mit Toskana sowie Salernoverbunden und so der eigentliche Beherrscher Mittel-italiens, suchte er in den Spuren des Vorgängers seinTerritorium vor allem im Süden und nicht zuletzt aufKosten des Kirchenstaates zu vergrößern, ja, in Itali-en eine eigene Dynastie zu begründen.

Schon Johann VIII., der Wido als schlimmstenFeind der Kirche haßte, hatte immer wieder KaiserKarl III. zu Hilfe gerufen, ihn umschmeichelt und ge-beten, »dem langwierigen Übel ein Ende zu machen«.Nachfolger Marinus I. traf den Herrscher 883 in derreichen oberitalischen Benediktinerabtei Nonantula(bei Modena), bereits seit ihren Anfängen auch einbedeutendes politisches Zentrum. Wido wurde nunhochverräterischer Umtriebe mit dem griechischenBasileus bezichtigt und seines Herzogtums entsetzt.Gefangengenommen, entfloh er, warb in UnteritalienKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.609 Deschner Bd. 5, 324Wido und Berengar

Mauren an, mit denen er sich fest verband, worauf derKaiser gegen ihn einen seiner führenden Parteigängerund Blutsverwandten schickte, den seit etwa 875 inFriaul gebietenden Markgrafen Berengar, einen Un-ruochinger, somit ebenfalls aus längst in Italien an-sässigem fränkischem Hochadel. Der Kaiserenkel wardurch seine Mutter Gisela, eine Tochter Ludwigs desFrommen, mit den Karolingern nah verwandt und un-terstützte deren ostfränkischen Zweig und dessen An-sprüche auf die italienische Königswürde. Den aus-brechenden Krieg beendete indes bald eine Seuche inBerengars Heer, die sich über ganz Italien verbreitete,die bis an den Hof und zum König vordrang.

Wido aber konnte sich behaupten, wurde Ende 884von Karl begnadigt und wohl oder übel wieder in seinHerzogtum eingesetzt. Schließlich erlangte er solcheMacht, daß Papst Stephan V., nachdem er den grie-chischen wie fränkischen Kaiser um ihr Einschreitenersucht hatte, sich dann doch an den im MomentStärksten hielt, den Erzfeind der Kirche, Wido II. vonSpoleto. Er adoptierte ihn sogar – wie einst JohannVIII. den Boso, gewann ihn auch zu einem Feldzuggegen die Sarazenen, wobei Wido 885 deren Festungam Garigliano erstürmte und plünderte, ein anderesMal den Araberführer Arran mit 300 Gefährten beiArpaja niederstach.

Berengar allerdings wurde im Januar 888 in Pavia,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.610 Deschner Bd. 5, 324Wido und Berengar

besonders mit Hilfe oberitalischer Bischöfe, zumKönig gekrönt, herrschte faktisch freilich nur überOberitalien (888–924). Wido weilte seinerzeit außerLandes, um sich die westfränkische Krone zu holen(S. 312 f.), kehrte jedoch nach seinem Mißerfolgebenso rasch wie er gekommen über die Alpen zu-rück.

In Italien begann damit der Bürgerkrieg zwischenden zwei katholischen Fürsten.

Wido hatte nach der Enttäuschung in Westfrankensofort gegen Berengar gerüstet, diesen freilich imHerbst 888 bei einem äußerst blutigen Zusammenstoßnahe Brescia nicht zu besiegen vermocht. Beide Sei-ten hatten große Verluste, schlossen einen kurzenWaffenstillstand, eine nur der weiteren Aufrüstung,Verstärkung, der Verbündetensuche dienende Atem-pause bis zum nächsten Treffen zu Beginn des Jahres889 an der Trebia, wo einst Hannibal die Römerschlug. Es kam zu einem mörderischen Gemetzel,einer den ganzen Tag währenden Schlacht, in der auchhohe Geistliche das Schwert führten und Tausende ihrLeben verloren. Berengar mußte weichen; er konntesich jetzt nur noch im östlichen Oberitalien (mit demZentrum Verona) behaupten. Wido aber wurde MitteFebruar 889 in der Pfalz zu Pavia vor allem von denoberitalischen Bischöfen zum senior et rex prokla-miert – es waren »zum großen Teile dieselben, die

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4.611 Deschner Bd. 5, 325Wido und Berengar

vorher auf der Seite Berengars gestanden« (Dümm-ler). Dafür mußte Wido freilich wieder den Schutz derKirche, die Vorrechte und Ehren der Prälaten garan-tieren, ja, er förderte manche derart, daß er ihnen be-reits allen öffentlichen Besitz ihrer Städte schenkteund auch Befestigungen zu errichten erlaubte.

Papst Stephan V. hatte zunächst Wido begünstigt.Doch bald war ihm die neue Macht des Spoletiners,dessen Erblande in nächster Nachbarschaft lagen,nicht geheuer. Zwar wagte er nicht, ihm offen zu wi-derstehen. Doch an Hilferufe war er, gleich ungezähl-ten seiner Vorgänger, gewöhnt. So hatte Stephanschon den byzantinischen Herrscher um regelmäßigeEntsendung von Kriegsschiffen gebeten, und dies ob-wohl er den Patriarchen Photios wie Stephanos dieAnerkennung versagte. Ebenso hatte der Papst dasEingreifen Kaiser Karls III. in Italien gefordert, wodieser immerhin sechsmal erschienen ist. Doch da derMonarch inzwischen gestürzt und gestorben unddurch seinen Neffen, König Arnulf von Kärnten, ab-gelöst worden war, ersuchte er nun diesen anfangs890 dringend, »Rom und Sankt Peter zu besuchenund das italische Reich, befreit von schlechten Chri-sten und dräuenden Heiden, in Besitz zu nehmen«.Weil aber Arnulf, durch innere und äußere Gegner ge-bunden, ablehnte, der erflehte Beistand ausblieb, un-terwarf sich Stephan den »schlechten Christen« und

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4.612 Deschner Bd. 5, 325Wido und Berengar

krönte den zwar Verhaßten, doch damals Mächtigstenin Mittelitalien wohl oder übel am 21. Februar 891(nebst Gattin Ageltrude) in St. Peter zum Kaiser – dererste Kaiser aus nichtkarolingischem Haus, aber frei-lich nur ein italischer Partikularpotentat, der indesauch bald seinen etwa fünfzehnjährigen SprößlingLambert zum König erheben ließ.31

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 577: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

4.613 Deschner Bd. 5, 326Papst Formosus krönt die »Tyrannen« Italiens

Papst Formosus krönt die »Tyrannen« Italiensund ruft Arnulf auf, sie zu bekriegen

Nachfolger Stefans V. wurde Formosus (891–896),der Gründer der bulgarischen Kirche. In eine (angeb-liche) Verschwörung wider Kaiser und Johann VIII.verstrickt und von diesem 876 exkommuniziert, warFormosus im westfränkischen Reich, sein Anhang imHerzogtum Spoleto untergetaucht. Dann hatte er 878dem Konzil von Troyes, nachdem er sich schuldig be-kannt, eidlich versichert, seine Degradierung zumLaien anzuerkennen und nie wieder nach einem geist-lichen Amt zu trachten, auch nie wieder Rom zu be-treten. Er leistete diesen Eid auf die vier Evangelien,auf das Kreuz Christi, die Sandalen des Herrn, dieReliquien der Apostel, endlich bekräftigte er ihn nochunterschriftlich – und wurde am 6. Oktober 891Papst! Er hatte, ebenso fähig wie ambitiös, sicher kei-nen größeren Ehrgeiz, erklärte sich aber, wie nochfast jeder seiner Vorgänger seit langem, für unwürdig;gewaltsam mußte er von seinen Wählern in Porto vomAltar der Bischofskirche, den er umklammert hielt,gerissen werden. Gewiß hatte ihn Marinus I. vom Eidwieder entbunden und erneut als Bischof in Porto ein-gesetzt. Gehörte ja auch Marinus, wie Formosusselbst, zu jener Partei, die durch Johanns VIII. Ermor-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.614 Deschner Bd. 5, 327Papst Formosus krönt die »Tyrannen« Italiens

dung zur Herrschaft gelangt war.Gleich zu Beginn seines Pontifikats klagte Formo-

sus über »Ketzereien« und Spaltungen in der Kirche.Sein Hauptgegner wurde der Diakon Sergius, der be-rüchtigte spätere Papst, ein Parteigänger der Spoleti-ner oder der nationalen Faktion, während Formosus,dessen ganzer Anhang doch einst unter Johann VIII.in Spoleto Zuflucht gefunden, zu Arnulf und dessenSchützling Berengar stand. Gleichwohl hat Formosusunter dem Druck der Verhältnisse Wido von Spoleto,den Tyrannen Italiens, so die ostfränkischen Chroni-sten, anerkannt, ja, wie widerwillig immer, dessenKaiserkrönung am 30. April 892 in Ravenna wieder-holt und gleichzeitig auch Widos Sohn Lambert zumMitkaiser gekrönt. Wie üblich wurden in einem Pac-tum die päpstlichen Besitztümer und Privilegien be-stätigt. Als aber Wido den Berengar einmal mehr ge-schlagen und nach altem Brauch Patrimonien des Kir-chenstaates eingezogen hatte, als überhaupt seineMacht stets zu wachsen schien, schickte Formosus imSommer 893 König Arnulf Legaten mit dem wiedereinmal dringenden Ersuchen, das Königreich Italienund das Erbgut des hl. Petrus »schlechten Christen«,also dem »Tyrannen« Wido, zu entreißen, »ut Itali-cum regnum et res sancti Petri ad suas manus a malischristianis eruendum adventaret« (Annales Fulden-ses).32

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.615 Deschner Bd. 5, 327Die Einnahme Bergamos oder Eine ...

Die Einnahme Bergamos oder EineMorgenmesse gibt allemal Kraft

Arnulf setzte zunächst seinen Sohn Zwentibold inMarsch. Zusammen mit Berengar lag er drei Wochenvor Pavias Mauern Wido reichlich tatenlos gegenüberund kehrte darauf, angeblich von ihm bestochen, zu-rück. Nun folgte Arnulf selbst. Mit starker Heeres-macht überquerte er im Januar 894, mitten im stren-gen Winter (noch im März erfroren in manchen Ge-genden Bayerns Reben, Schafe, Bienen), die tiefver-schneiten Alpen, vermutlich den Brenner. In Veronawurde er wieder durch Berengars Truppen verstärktund ließ dann, »um die Reinigung der heiligen Maria«(2. Februar), nach der Feier der hl. Messe, »beimMorgenrot« das hochgelegene Bergamo in schwerenKämpfen stürmen und »nach Gottes Führung« (Anna-les Fuldenses) erobern – ein von den zeitgenössischenChronisten wie von den späteren mittelalterlichen Hi-storikern vielbeachtetes Ereignis, nicht zuletzt wegender dabei demonstrierten Liebe zum Feind. Denn Ar-nulfs durch die hl. Messe gestärkte Streiter, nachweis-lich darunter Erzbischof Hatto von Mainz, BischofWaldo von Freising und der Bischof von Neutra,Kanzler Wiching, verrichteten auch nach der Einnah-me noch allerlei notorisch Christliches, worüber Bi-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.616 Deschner Bd. 5, 328Die Einnahme Bergamos oder Eine ...

schof Liutprand von Cremona schreibt: »Priester Got-tes wurden gebunden fortgeschleppt, geweihte Jung-frauen genotzüchtigt, Ehefrauen geschändet. Nichteinmal die Kirchen konnten den Flüchtenden eineFreistätte bieten; denn in diesen gab es Schlemmerei-en, unanständige Aufzüge, unzüchtige Gesänge undTrinkgelage. O Greuel! es wurden dort sogar Weiberöffentlich der Unzucht preisgegeben.« Das alles imBeisein der hochwürdigsten Herren aus Mainz, Frei-sing und Neutra. Aber eine Morgenmesse gibt allemalKraft.

Widos Grafen Ambrosius ließ Arnulf vor denToren in voller Rüstung an einen Baum hängen, eben-so einen bewaffneten Kleriker Godfrid. Dagegenübergab er den Bischof Adelbert von Bergamo demMainzer Seelenhirten, der ihm natürlich kein Haarkrümmte. Und auch Arnulf versöhnte sich sehr raschmit dem geistlichen Ortsoberen und bestätigte ihmschon am 1. Januar 895 alle Besitzungen seiner Kir-che; noch die Landgüter des ante portas stranguliertenGrafen Ambrosius von Bergamo gingen in den Besitzdes Bischofs von Bergamo über.33

Arnulf aber kam nur bis zur Lombardei.Zwar hatte er in Mailand bereits eine Urkunde nach

»dem ersten Jahr der deutschen Herrschaft in Italien«datiert. Doch mehrere Magnaten des Landes, derenGier nach großen Lehen der König unbefriedigt ließ,

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4.617 Deschner Bd. 5, 329Die Einnahme Bergamos oder Eine ...

stellten sich, trotz eines ihm gerade geleisteten Treu-eids, gegen ihn. Vor allem aber war sein Heer durchden Anmarsch im strengen Winter, durch Lebensmit-telmangel und Krankheiten geschwächt, und so kehrteer im März 894 in Piacenza um. Südlich des Posherrschte Kaiser Wido, »der Tyrann des italischenReiches« (Annales Fuldenses), der freilich, gerade imBegriff wieder gegen Bergamo zu ziehen, noch imHerbst desselben Jahres am Fluß Taro bei Parma jäheinem Blutsturz erlag, worauf ihm sein Sohn Lam-bert, seit 891 schon Mitkönig, in der Herrschaft folg-te.

Papst Formosus hatte Lambert an Ostern 892 inRavenna zum Mitkaiser gesalbt und viel später nochbeteuert, daß er sich von seinem »teuersten Sohn«, fürden er väterliche Gefühle hege, durch nichts trennenlasse. Tatsächlich wollte er sich um fast jeden Preisaus dem Griff der Widonen befreien. So schickte erauch alsbald, was die spoletinische Partei bis zurWeißglut entfachte, König Arnulf eine Gesandtschaft,die diesen erneut mündlich sowie durch mitgebrachteSchreiben bedrängte, dem Heiligen Vater Hilfe zu lei-sten, hatte doch schon sein Vorgänger Stephan nichtssehnlicher als die Entmachtung der Spoletiner ge-wünscht.34

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.618 Deschner Bd. 5, 329Arnulf belagert Rom

Arnulf belagert Rom, köpft dort und wird ersterfränkisch-deutscher Gegenkaiser

Nach Beratung mit den Bischöfen entschloß sich Ar-nulf zu einem neuen Romzug.

Im Dezember 895 unterwarf er die Lombardei.Dann traf er, nach einem äußerst mühevollen, untergewaltigen Stürmen, Regengüssen und schlimmemPferdesterben erfolgten Marsch – nun zunächst mitOchsen, »nach Art der Pferde gesattelt« – durch Tus-zien, im Februar 896 vor Rom ein. Dort aber hattendie Spoletiner, hatte Widos couragierte Witwe, dieKaiserin Ageltrude (Tochter des Herzogs Adelchisvon Benevent, der einst Ludwig II. in einem Hand-streich gefangengesetzt: S. 217), überraschend dieTore schließen und die Stadt in Verteidigungszustandbringen lassen.

So kam es zur ersten Belagerung Roms durch einenfränkisch-deutschen König. Und wieder war der Herrdabei. Alle feierten, berichten die ostfränkischenChronisten, die hl. Messe, beichteten ihre Sünden, fa-steten, schwuren Arnulf »unter Tränen Treue« und er-stürmten »auf Gottes Wink«, das heißt wohl »mitBeistimmung des obersten Priesters«, im ersten An-lauf und mit Hilfe, wie Arnulf glaubte, des hl. Pankra-tius (dem er dann zwei Kapellen, in Roding undKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.619 Deschner Bd. 5, 330Arnulf belagert Rom

Ranshofen, erbaute) die heilige Stadt, aus der Agel-trude in aller Stille verschwand. Ja, sie eroberten Rom»durch Gottes Vorsehung, ohne daß auf Seiten desKönigs aus einem so großen Heer einer fiel«. Dafürrollten allerdings auf der anderen Seite noch beimEinzug die Köpfe. Jedenfalls meldet Bischof Liut-prand, Arnulf ließ, »um die dem Papst gescheheneUnbill zu rächen, eine Menge vornehmer Römer, dieihm entgegeneilten, enthaupten«.

Gleichwohl: Kreuze, Fahnen, Jubelgesänge. In fest-licher Prozession ging's nach St. Peter, und dort krön-te Papst Formosus unter Verleugnung Lamberts, dener selbst zum Kaiser gekrönt, Arnulf, den »Bastard«,zum Kaiser, zum ersten fränkisch-deutschen Gegen-kaiser.

Arnulf blieb nur zwei Wochen in Rom. Dann bracher Anfang März zur Eroberung Spoletos auf – nachmancherlei Gunsterweisen und seinerseits versehenmit vielen Reliquien, den kostbarsten Schätzen desPapstes, der auch andere damit eingedeckt hatte. (Deneinflußreichen Hatto von Mainz zum Beispiel mitdem angeblichen Haupt und einem Glied des hl.Georg, denen Hatto auf der Reichenau eine eigeneKirche errichtete. Besaß man doch dort auch eine vomKonstanzer Bischof öffentlich anerkannte Reliquiedes Evangelisten Markus! Und dies, obwohl sie durchBischof Ratold von Verona 830 unter dem Namen

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4.620 Deschner Bd. 5, 330Arnulf belagert Rom

»Valens« ins Kloster gelangt war. Beiläufig noch:Georg, einer der christlichen »Soldatengötter«, tratallem Anschein nach an die Stelle eines arabischenGottes, des kriegerischen Theandrites; zudem war der»hl. Georg« wahrscheinlich ein »Ketzer«, nämlichArianer, der erst in der Legende zum Katholikenwurde.)

Doch trotz des ganzen Reliquiensegens befiel Ar-nulf noch vor Erreichung seines Zieles eine schwereLähmung. Wie sein Vater Karlmann (S. 251, 260) er-litt er einen Schlaganfall, die Erbkrankheit der Fami-lie, und der so siegreich begonnene Feldzug wurdefluchtähnlich abgebrochen.35

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4.621 Deschner Bd. 5, 331Kaiser Arnulf und Papst Formosus sterben

Kaiser Arnulf und Papst Formosus sterben

Während die spoletinische Partei rasch wieder überRom zu herrschen begann, kehrte der König verstörtnach Regensburg zurück, wo er in fortschreitendemSiechtum noch vier Jahre lebte. Und bis zuletzt, nochim Jahr vor seinem Tod, wurde er, der doch selbst somanchen »Bastard« in die Welt gesetzt, offenbar vonEifersucht gequält, verbreitete sich das Gerücht, »voneinem seit vielen Zeiten unerhörten Verbrechen derKönigin Uta«, hieß es, sie gebe »ihren Körper in buh-lerischer und unedler Verbindung preis«. Erst 72 Ei-deshelfer konnten den ungeheuerlichen Verdacht vorGericht als unbegründet erweisen.

Es war übrigens nicht der einzige Argwohn, derden todkranken, und, kaum Mitte fünfzig, am 8. De-zember 899 sterbenden Herrscher beschlich: – seineÄrzte sollten ihn gelähmt haben. Einer von ihnen flohund verbarg sich in Italien; ein anderer, ein gewisserGraman, wurde deswegen zu Ötting geköpft. Und»ein Weib, Namens Rudpurc, die als Anstifterin die-ses Verbrechens durch sichere Untersuchung über-führt wurde, starb in Aibling am Galgen« (AnnalesFuldenses), anscheinend auf dem Königshof Aiblingbei Rosenheim, wo Arnulf gelegentlich »den Geburts-tag des Herrn« gefeiert hatte, bevor er nun »an der

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4.622 Deschner Bd. 5, 332Kaiser Arnulf und Papst Formosus sterben

schmählichsten Krankheit« starb, weiß Liutprand vonCremona. »Von kleinen Würmern nämlich, Läusen,wie man sie nennt, wurde er aufs äußerste gequält, biser seinen Geist aufgab. Man behauptet aber, diesesUngeziefer habe bei ihm so überhandgenommen, daßkein ärztliches Mittel Abhilfe schaffen konnte.«36

Nach Arnulfs Rückzug beherrschte Lambert mitHilfe seiner energischen Mutter, der Kaiserin Ageltru-de, wieder große Teile Italiens, das er im Herbst 896mit Berengar vertraglich geteilt. Es war jenes Jahr, indem Lambert auch den reichen Grafen Meginfred vonMailand hinrichten, einen Sohn und Schwiegersohndesselben blenden ließ. Und sicher hätte es jetzt auchPapst Formosus, nach seinem Verrat der Spoletiner,schwer gehabt, wäre er nicht schon wenige Wochennach Arnulfs Abzug aus Rom, am 4. April 896 einerKrankheit erlegen oder Gift.

Sein Nachfolger, Bonifatius VI. (April 896), Sohneines Bischofs namens Hadrian, war ein Mann, somunkelte man, mit dunkler Vergangenheit und alsKleriker bereits zweimal von Johann VIII. abgesetztworden. Ein Pöbelaufruhr soll ihn tumultuarisch aufden Heiligen Stuhl gebracht haben, allerdings nur 15Tage, dann starb er, »wie man hört«, an Podagra (be-kanntlich Gicht des Fußes, »bes. der großen Zehe«:Duden). Und Bonifatius' Nachfolger hielt sich immer-hin ein gutes Jahr, eigentlich ein schlechtes, jedenfalls

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4.623 Deschner Bd. 5, 332Kaiser Arnulf und Papst Formosus sterben

ein äußerst kurioses, zierte der geschworene Feind desFormosus sein Pontifikat doch bald durch einen sin-gulären Akt, mit dem er wohl für lang in die Ge-schichte eingegangen ist, die zwar alle Akte umfaßt,vorzugsweise aber kriminelle.37

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4.624 Deschner Bd. 5, 332Die Leichensynode - ein makabres ...

Die Leichensynode – ein makabresSchmierenstück papalen Ranges

Stefan VI. (896–897), wiederum ein Priestersohn, er-kannte zunächst Kaiser Arnulf an, ging indes, als Kai-ser Lambert von Spoleto erneut Rom in die Handbekam, zu diesem über, den im Mai 898 auch diegroße Synode von Ravenna nochmals ausdrücklichbestätigt hat. Inzwischen aber vollzog Stephan alsKreatur des Spoletinerhauses dessen Rache an For-mosus. Obwohl einst selbst von Formosus zum Bi-schof geweiht, obwohl selbst unkanonisch auf den rö-mischen Stuhl gewechselt, machte er nun dem totenPapst in aller Form den Prozeß.

Der seit neun Monaten Bestattete wurde jetzt, be-reits stark angefault, von den Anhängern der Widonenaus dem Grab gerissen, in Pontifikalgewänder ge-steckt und wohl im Januar 897 vor der »Leichensyn-ode« in St. Peter auf den sogenannten ApostolischenStuhl gesetzt. Darauf hielt man drei Tage in allerForm über die herausgeputzte Mumie Gericht, diedrei Kläger, die Bischöfe Petrus von Albano, Silve-ster von Porto und Paschalis (mit unbekanntem Bi-stumssitz) sowie einen Diakon als Pflichtverteidigeran die Seite bekam, der mit zittriger Stimme und na-türlich unbefriedigend für sie geantwortet hat.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.625 Deschner Bd. 5, 333Die Leichensynode - ein makabres ...

Man fand einige Vorwände; warf dem halb Verwe-sten Eidbruch vor, wovon ihn allerdings Marinus I.schon losgesprochen. Man bezichtigte ihn des ehrgei-zigen Strebens nach dem Papstamt, wessen man unge-zählte Päpste (und andere Prälaten) selbstverständlichebenfalls hätte bezichtigen können. Und man kreideteihm den Übergang von Porto nach Rom, von einemBistum in ein andres an, damals, nach alter Tradition,zwar generell verboten, gelegentlich jedoch erlaubt.Hatte ja sein fürchterlicher Richter, Papst StephanVI., eine solche Translation in persona vorgenommen,nämlich seinen Bischofssitz Agnani mit dem römi-schen vertauscht. (Waren aber alle Weihen des For-mosus ungültig, so auch die Konsekration Stephanszum Bischof von Agnani, da sie Formosus vollzogen,womit dann freilich keine Translation mehr vorlag,Stephan VI. also zu Recht auf dem Papstthron saß!)

Vielleicht ist ja nicht einmal der Vorgang an sich,der Einfall eines von kaum glaublichem Haß verzehr-ten Heiligen Vaters das Erstaunlichste an einer Sache,die wie das Szenario aus einer Nervenklinik, ein Alp-traum anmutet, als die Tatsache, daß diesem geistli-chen Gruselkabinett eine ganze Bischofsversammlungdrei Tage beiwohnt – sei es nun ehrfürchtig odernicht. Wie es in diesem Rahmen auch ganz gleichgül-tig ist, ob Formosus ein Ganove war oder nicht! Mankann der Menschheit wirklich alles bieten – zumal der

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4.626 Deschner Bd. 5, 334Die Leichensynode - ein makabres ...

gläubigen ...Am Ende des makabren Schmierenstücks – von

den Quellen bald das »erschütternde Schauspiel«, die»Schauersynode« (horrenda synodus) genannt – er-klärte man Formosus für abgesetzt, die von ihm erteil-ten Weihen für ungültig, unterschrieb ein entspre-chendes Dekret, verfluchte ihn und befahl, alle vonihm Geweihten nochmals zu weihen. Man riß der Lei-che sozusagen protokollgerecht die papalen Gewänderbis auf ein Hemd herunter, hüllte sie in Laienklamot-ten, schlug ihr ein paar Finger der rechten Hand, dieSchwur- bzw. Segensfinger ab und schleifte sie bar-barisch brüllend aus der Kirche und durch die Stra-ßen. Schließlich warf man sie unter dem Protestge-schrei der Zusammengeströmten erst in eine Grube,worin man namenlose Fremde verscharrte, dann,nachdem man sie nochmals ausgegraben, nackt in denTiber – gerade in einer Zeit, in der die alte Basilikades Lateran zusammenbrach, worauf die Römer jahre-lang den kostbaren Schutthaufen nach Schätzendurchwühlten.

Auch Papst Stephan überlebte die Prozedur nichtlang. Noch im selben Jahr, im Juli 897, wurde er beieiner Volkserhebung, hinter der wohl die ostfränki-sche Partei Roms und der Anhang des Formosus stan-den (nicht zuletzt auch etliche Wunder, die dessenelende Leiche bewirkt haben soll), abgesetzt, seiner

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4.627 Deschner Bd. 5, 334Die Leichensynode - ein makabres ...

Insignien beraubt, in einen Klosterkerker geworfen,erwürgt – und später durch ein prächtiges Epitaph ge-ehrt.38

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.628 Deschner Bd. 5, 334Formosianer und Antiformosianer

Formosianer und Antiformosianer

Fortan bekämpften sich Formosianer und Antiformo-sianer in Rom, auch literarisch, in Attacken und Apo-logien, jahrzehntelang.

Noch im Todesjahr des ermordeten Papstes gingendie sehr kurzen Pontifikate seiner Nachfolger Roma-nus und Theodor II. zu Ende. Sie konnten in diesenturbulenten Tagen gerade noch Formosus rehabilitie-ren, ehe sie starben. Romanus, ein Bruder von PapstMarinus und Anhänger des Formosus, erklärte alleBeschlüsse des Leichenspektakels für nichtig. Dochamtierte er nur vier Monate, und über seine Amtszeitwissen wir fast nichts. Trifft eine revidierte Fassungdes Liber Pontificalis zu, wurde er »hinterher zumMönch gemacht«, das heißt in einem Kloster ver-wahrt.

Und Theodor II., der im Spätherbst 897 bloß zwan-zig Tage regierte, annulierte auf einer römischen Kir-chen Versammlung abermals alle Verfügungen desKadaverkonzils, erkannte die Weihen des Formosusan, ließ die Absetzungsurkunden Stephans VI. ver-brennen und bestattete aufs feierlichste die von Tiber-fischern (oder von Mönchen) aufgefundenen Reste desFormosus, vor denen sich, als sie im Sarg lagen,sogar einige Heiligenbilder in St. Peter »ehrfurchts-

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4.629 Deschner Bd. 5, 335Formosianer und Antiformosianer

voll verneigten. Dieses habe ich von den gottesfürch-tigsten Einwohnern der Stadt Rom oftmals gehört«,versichert der Bischof Liutprand, ohne mit der Wim-per zu zucken. Weder der genaue Tag von TheodorsII. Amtsantritt noch der seines Todes sind bekannt,noch der Grund für seinen frühen Tod.39

Nun machten die Gegner des Formosus den Bi-schof Sergius von Caëre (heute Cerveteri), einen Gra-fen von Tusculum, zum Papst. Doch noch vor seinerWeihe brachte ein Straßenkampf – mit Hilfe Lam-berts von Spoleto, den Formosus 892 zum Kaiser ge-krönt – den Kandidaten der Formosianer, Johann, aufden begehrten Thron, den Gegenpapst Sergius erst904 besteigen konnte. Während dieser samt seinenverjagten Gewalthorden in Tuszien unter dem Schutzdes dortigen Markgrafen Adalbert stand, bereit beijeder Gelegenheit über Rom herzufallen, exkommuni-zierte Johann IX. (898–900), ein von Formosus zumPriester geweihter Benediktinerabt aus Tivoli, dieSergianer inzwischen.

Johann IX. ließ auch nochmals durch ein Konzil inRavenna die Leichensynode verdammen. Einerseitswurden die von Formosus geweihten, durch StephanVI. aber gefeuerten Geistlichen wieder in ihre soge-nannten Würden eingesetzt, andererseits Stephans VI.Handlanger bei Formosus' Leichenschändung aus derKirche ausgeschlossen. Exkommuniziert und deposse-

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4.630 Deschner Bd. 5, 335Formosianer und Antiformosianer

diert wurde auch Presbyter Sergius, der im Dezember897 Gegenpapst zu Johann IX. war, 904 jedoch recht-mäßiger Papst geworden ist (S. 478 ff.).

Leider verfügte Kapitel 7 der Synode von Ravenna,die Akten der Leichensynode zu verbrennen. Aberdiese Kirche hat stets gern verbrannt, Menschen, Got-teshäuser, Schriften; vor allem systematisch und vonfrüh an Traktate der »Ketzer«, doch auch Texte derHeiden und Juden; sogar aktenmäßig dokumentierteeigene Schandtaten, die Akten des Konzils von Rimi-ni 359 etwa (I 393 ff.), des Konzils von Ephesus 449(II 220 ff.), des Konzils von Konstantinopel 867 (S.223). Und Verbrennen wurde in der Gemeinschaft derHeiligen selbstverständlich nie verboten. Dagegenverbot man, was für sich spricht, gleich durch Kapitel1 der ravennatischen Versammlung, für alle Zukunftdas Zitieren von Toten vor Gericht.40

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.631 Deschner Bd. 5, 336Kaiser Lambert und Kaiser Arnulf sterben

Kaiser Lambert und Kaiser Arnulf sterben, dieUngarn überfluten Norditalien

Johann IX. kollaborierte im übrigen mit dem jungenLambert von Spoleto, als dessen Schützling er auchPapst geworden war. Somit erklärte er Lamberts Kai-serkrönung als rechtskräftig »für ewige Zeit«, wäh-rend er die Arnulfs als »barbarische«, vom Papst»durch Betrug erpreßte« ganz verwarf. Und er arbeite-te ihm desto lieber in die Hand, als Lambert nicht nurunbestritten dem größten Teil Italiens gebot, sondernauch Arnulf ohnmächtig und todkrank in Deutschlanddahinsiechte. Denn vom 4. bis ins 20. Jahrhundert,vom hl. Konstantin I., »Signatur von siebzehn Jahr-hunderten Kirchengeschichte« (I 5. Kapitel), bis zuHitler (s. dazu Bd. II der »Politik der Päpste im 20.Jahrhundert«), schreitet die Heilsgeschichte gern imGleichschritt mit der Heil-und-Sieg-Geschichte.

Dasselbe Konzil, das die Akten der Leichensynodekassierte, erklärte so auch die Kaiserkrönung des»Barbaren« Arnulf für nichtig. Dagegen machte man,anscheinend ebenfalls in Ravenna, dem vermutlichselbst anwesenden Kaiser Lambert einige Zugeständ-nisse, wofür dieser allerdings Roms Privilegien,zumal seinen Territorialbesitz, garantieren mußte. Innicht weniger als einem halben Dutzend Kanones for-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.632 Deschner Bd. 5, 337Kaiser Lambert und Kaiser Arnulf sterben

dert der Papst die Rückgabe der seinem Stuhl ent-fremdeten Liegenschaften, seine Rechte, und versäum-te auch nicht, allen die Exkommunikation anzudro-hen, welche die Zehntleistung verweigern. Hab undGut sind den Hierarchen heilig, gewöhnlich das Aller-heiligste (indes »Zynikern« wie unsereinem natürlichnichts heilig ist).41

Kaiser Lambert aber, jung, begabt, schön, starb jähMitte Oktober auf der Eberjagd in der Gegend desoberen Po; angeblich durch einen Sturz vom Pferd.Doch Bischof Liutprand von Cremona verrät uns, wasauch andere alte Quellen bestätigen, daß der Unfallfingiert gewesen, der Kaiser in Wahrheit ermordetworden sei. Im Marengo, in einem Wald »von unge-wöhnlicher Größe und Schönheit, besonders für dieJagd geeignet«, habe ihn während eines kurzenSchlummers sein Begleiter Hugo umgebracht, derSohn des von Lambert getöteten Mailänder GrafenMaginfred, um seines Vaters Tod zu rächen, und diesspäter auch gestanden. »Er fürchtete nicht«, schreibtBischof Liutprand, »die ewige Verdammnis, sondernbrach unter Aufbieten aller Kraft mit Hilfe eines star-ken Astes dem Schläfer den Hals. Denn mit demSchwert ihn zu töten, scheute er sich, damit der offen-kundige Befund ihn nicht als den Schuldigen am Ver-brechen auswies.«

Da auch Kaiser Arnulf Ende des Jahres 899 in Re-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.633 Deschner Bd. 5, 337Kaiser Lambert und Kaiser Arnulf sterben

gensburg seinem Leiden erlegen war, versuchte jetztBerengar von Friaul, Lamberts alter Gegner, die itali-sche Krone an sich zu reißen. Doch erlitt er Ende Sep-tember 899 an der Brenta durch die Ungarn eine blu-tige Niederlage, wobei auch viele Prälaten fielen. UndBischof Liutward von Vercelli, Karls III. des Dickeneinstiger Erzkanzler (S. 287 f.), wurde seinerzeit aufder Flucht samt seinen Schätzen, diesen »unvergleich-lichen Schätzen, deren Überfluß über alles Maß hin-ausging« (Regino von Prüm), und die er natürlich vorden Ungarn retten wollte, von diesen erschlagen.

Es war der erste Einfall der Magyaren in »dem un-glücklichen Italien«, überliefert Liutprand, der die Of-fensive breit schildert, wiederholt das riesige, uner-meßliche Heer der Invasoren betont, dann aber über-raschend meint, Berengar habe ihnen ein dreimal sostarkes entgegengestellt. So faßten denn auch die flie-henden Ungarn den – freilich vergeblichen – Be-schluß, für ihre Heimkehr den Christen die Rückgabeihrer ganzen Beute nebst Entschädigung zu bieten.Und machten bald, hart bedrängt über die weiten Ge-filde um Verona zur Brenta jagend, gepeinigt durchdie große Ermattung ihrer Pferde, durch Angst, einneues Angebot: Auslieferung sämtlicher Habseligkei-ten, Gefangenen, Waffen, Pferde; allein das nackteLeben wollten sie behalten, Italien auch nie wiederbetreten, sogar ihre Söhne als Geiseln stellen – erhiel-

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4.634 Deschner Bd. 5, 338Kaiser Lambert und Kaiser Arnulf sterben

ten aber »auf der Stelle« eine weitere Abfuhr, einesehr christliche: »Wenn wir, zumal von Leuten, die inunserer Gewalt und bereits soviel wie tote Hundesind, das als Geschenk annehmen, was uns schonübergeben ist, und mit ihnen einen Vertrag eingehenwollten, so würde der wahnsinnige Orestes schwören,daß wir den Verstand verloren hätten.«

Tatsächlich hatten sie ihn verloren. War man janicht nur aufgeblasen, sondern auch uneinig, wünsch-ten manche offenbar noch lieber als den Untergangder Heiden den gewisser Christen, auf daß sie dannnach deren Tod »selbst allein gewissermaßen schran-kenloser herrschten«.

Die Ungarn indes legten den Christen auf drei Sei-ten einen Hinterhalt, setzten mit dem Mut der Ver-zweiflung geradewegs über den Fluß, jagten mittenhinein in Berengars überraschte Scharen – »und dieHeiden überließen sich ihrer Mordlust ...« Bis aufeinen kläglichen Rest kam das gesamte Christenheerum; die Poebene wurde von den Siegern überflutet.

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4.635 Deschner Bd. 5, 339Wie aus Ludwig III. Ludwig der Blinde wurde

Wie aus Ludwig III. durch den Bischof vonVerona Ludwig der Blinde wurde

Papstnachfolger Benedikt IV. (900–903) krönte imFebruar 901 den jungen Ludwig III. von der Provence(890–928) zum Kaiser. Der Sohn des Burgunderkö-nigs Boso und der Irmingard, der Enkel Kaiser Lud-wigs II. also, war von Anhängern des 898 verstorbe-nen Kaisers Lambert anno 900 gegen Berengar I. insLand gerufen, in Pavia zum rex Italiae erhoben unddann gleich von Benedikt IV. freundlich in Rom emp-fangen und gekrönt worden. Ein erheblicher Teil desAdels und der Bischöfe mißgönnte nämlich Berengardie Krone, zeigte sich offenbar auch enttäuscht durchseine Niederlage gegen die Ungarn, wie dann durchsein Paktieren mit ihnen.

Allerdings konnte Kaiser Ludwig III. Berengarnicht Trotz bieten, da diesen die oberitalischen Gro-ßen bald wieder begünstigten. Durch einen Eid, niemehr nach Italien zurückzukehren, erkaufte sich Lud-wig bereits 902 den Abzug über die Alpen, folgte je-doch drei Jahre später einer neuen Einladung und gingBerengar, der zunächst bis auf bayerisches Gebiethatte flüchten müssen, dann auch mit bayerischer mi-litärischer Hilfe durch einen Handstreich 905 auf Ve-rona ins Netz, allem Anschein nach nicht ohne ZutunKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.636 Deschner Bd. 5, 339Wie aus Ludwig III. Ludwig der Blinde wurde

des Ortsbischofs.Der siegreiche Ludwig hatte sein Heer bereits ent-

lassen und begab sich, berichtet Abt Regino, »inFolge einer Aufforderung des Bischofs Adalhard vonVerona mit sehr geringer Begleitung in die besagteStadt. Die Bürger aber taten dies in größter Eile demBerengar kund, der zu jener Zeit in Baiern als Vertrie-bener lebte. Dieser zog ohne Zaudern mit Truppen,die er von allen Seiten zusammenraffte, nach Verona,fing den unvorsichtigen Mann mit List und beraubteihn in der Gefangenschaft des Augenlichtes.«

Man hatte Berengar »zur Nachtzeit« die Stadttoregeöffnet, Ludwig III. geblendet, den fast noch einVierteljahrhundert blind Lebenden und nun auch »derBlinde« Genannten als praktisch regierungsunfähig indie Provence zurückgeschickt, einen Priester JohannesKurzhose als Mitschuldigen geköpft. 915 wurde Be-rengar selber Kaiser – damals jedoch nur noch ein Eh-rentitel in Italien, das Amt eine Farce.42

All die hier mehr angedeuteten Kämpfe um das »re-gnum Italicum« spiegeln den Zusammenbruch der ka-rolingischen Dynastie. All diese Feldzüge, Handstrei-che, Verschwörungen werden von Repräsentantengroßer fränkischer Familien, werden von bekennendenKatholiken unternommen, von Arnulf, Wido, Lam-bert, Berengar, Ludwig dem Blinden. Und dieserganze Niedergang des karolingischen Königtums

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4.637 Deschner Bd. 5, 340Wie aus Ludwig III. Ludwig der Blinde wurde

hatte eine stetige Steigerung der bischöflichen Machtzur Folge – wie schon zuvor der Aufstieg der karolin-gischen Könige, und wie schon davor der Aufstiegund das Fiasko der Merowingerkönige! (Vgl. dazuIV.)

Alle überlebte das perpetuelle Parasitentum derKirche. Wo andere zugrunde gingen, gedieh sie, wiestets, so auch in dieser Epoche: durch Verleihung vonImmunitäten, durch Übertragung der missatischenGewalt (unter Karl dem Kahlen), durch Anhäufungdes Besitzes. So war, zum Beispiel, schon unter Widoder Bischof von Modena zum tatsächlichen Herrn derStadt geworden. Ebenso schalteten die Oberhirten vonCremona, Parma, Piacenza, Mantua faktisch selbstän-dig; sie geboten über die Grafengewalt und das Steu-ereinkommen. Berengar, dessen Erzkanzler die Bi-schöfe Adalhard von Verona und Arding von Bresciawaren, machte den Kirchen aus Liebe zu den Heiligen(und seinem Seelenheil) mancherlei Konzessionen.Und unter Lambert nahmen die großen Schenkungenan den Klerus noch zu. Gerade die Bischöfsstädtewaren wirtschaftlich und verwaltungsmäßig dem Ein-fluß des Königtums fast entzogen, dessen Macht sichauch dadurch entsprechend verminderte. »Anarchie,Rechtlosigkeit und Rechtsunsicherheit sind das Merk-mal der Zeit, erwachsen auf dem Boden des feudalenAufbaus der Gesellschaft, begünstigt durch die

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4.638 Deschner Bd. 5, 340Wie aus Ludwig III. Ludwig der Blinde wurde

Schwäche und den beständigen Wechsel der Zentral-gewalt ...« (L.M. Hartmann).43

War aber die Zentralgewalt stark, profitierte dieewig opportunistische Ecclesia ebenfalls davon. Undwar die Zentralgewalt schwach, profitierte der ewigmachtgierige Klerus davon erst recht, wie die Ge-schichte auch unter dem Sohn und Nachfolger KaiserArnulfs lehrt.

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4.639 Deschner Bd. 5, 3417. Kapitel

7. Kapitel

König Ludwig IV. das Kind

(900–911)

»Eine eigenständige Regierung vermochte dasstets kränkelnde Kind aber nicht zu verwirkli-chen. Die Herrschaft ging auf Adel und Episko-pat über. Entscheidende Berater waren Erzbi-schof Hatto von Mainz und Bischof Salomo vonKonstanz.«

Alois Schmid1

»Von der Tätigkeit der Laienfürsten im Reichs-regiment melden die Annalisten nichts«.

Schur2

»In dieser überaus verdorbenen Zeit sind in derKirche viele Schandtaten begangen worden undwerden noch begangen ...«

Abt Regino von Prüm3

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4.640 Deschner Bd. 5, 3437. Kapitel

Nach dem Tod Kaiser Arnulfs wurde sein einzigerehelicher Sohn, der erst sechsjährige Ludwig, in derReihe der ostfränkisch-deutschen Könige: Ludwig IV.(893–911), am 4. Februar 900 in Forchheim offiziellzum König erhoben – die erste gesicherte Königskrö-nung ostfränkisch-deutscher Geschichte. Arnulf hattedie Großen des Reiches (ohne die seit 895 selbständi-gen Magnaten Lotharingiens) schon 897 eidlich aufLudwigs Nachfolge verpflichtet, dessen Regierung je-doch nur nominell sein konnte. Und im folgendenMonat huldigte ihm auch die lotharingische Aristo-kratie, freilich nur in der Hoffnung auf möglichstgroße Eigenmächtigkeit.

Die erhofften indes auch andere, zumal die zuneh-mende Aktivität eines selbstbewußteren Adels, seinewilden Fehden und Rivalitätskämpfe, dem Im-Trü-ben-Fischen eher förderlich war. Dabei wurden aller-dings im Ringen um die Führung zugunsten von eini-gen wenigen noch weiter aufsteigenden Adelsfamiliennamhafte andere ausgerottet, besonders in Frankenund Lotharingien.4

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4.641 Deschner Bd. 5, 344Ludwig IV. das Kind, die Marionette des Klerus

Ludwig IV. das Kind, die Marionette des Klerus

Hatte schon Ludwigs IV. Vater, der König und Kai-ser, eng mit der Kirche kooperiert (S. 297 ff.), hattenbeide ihre Macht im Kampf mit dem Hochadel gefe-stigt, so regierten für den unmündigen PriesterzöglingLudwig jetzt beinah ausschließlich Prälaten. Siewaren im Lauf des 9. Jahrhunderts immer mächtigergeworden und nahmen nun, durch kein starkes König-tum mehr eingeengt, das Steuer des Reiches begierigin die Hand.

Zwar bildete der kleine König, der schon bald inder Geschichtsschreibung den Beinamen »das Kind«(infans, puer, adolescens) bekam, rein äußerlich denMittelpunkt, gruppierte sich das staatliche Leben umihn, zelebrierte man in seinem Namen auch das tra-dierte Ritual der Reichsversammlungen: 901 in Re-gensburg, 903 in Forchheim, 906 in Tribur; wie Lud-wig bei Beurkundungen auch eigenhändig den Voll-ziehungsstrich in das Königsmonogramm setzte. Aberzum selbständigen Regieren gelangte der überdiesKränkelnde nie. Und gab es auch einige »königsnahe«Magnaten, wie die Konradiner, Verwandte der müt-terlichen Seite des jungen Königs, oder den bayeri-schen Markgrafen Liutpold, einen weitläufigeren vä-terlichen Verwandten, die Reichspolitik bestimmten

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4.642 Deschner Bd. 5, 345Ludwig IV. das Kind, die Marionette des Klerus

vor allem Vertreter des Klerus. Es war »eine rein bi-schöfliche Regierung« (Nitzsch). »Von der Tätigkeitder Laienfürsten im Reichsregiment melden die Anna-listen nichts« (Schur). Und auch unter den »Interveni-enten«, den »Fürsprechern«, das heißt jenen Hochge-stellten, auf deren Rat, Empfehlung, Einflüsterung daskönigliche Kind Rechte verleiht, Güter schenkt,Krongüter tauscht, standen an erster Stelle Geistliche.

Selbstverständlich verkehrten auch die weltlichenGroßen am Hof, nicht zuletzt gerade Graf Konrad derÄltere vom Lahngau (der Vater Konrads des Jünge-ren, des späteren Königs Konrad I.) und sein BruderGebhard. Wuchs ja überhaupt ein potenteres Adelsre-giment heran, häufiger konkurrierende Partikularge-walten, aus denen Herzöge und Herzogtümer hervor-gingen; doch eben jetzt eine Prälatenregentschaft dar-über. Die Bischöfe begleiteten den jungen Regenten –nicht mehr als ihre Marionette – auf Schritt und Tritt.Und anders als manch weltliche Magnaten waren sieauch auf allen seinen Zügen dabei. So blieb Ludwigdas Kind wohl bis zu seinem frühen Tod völlig un-selbständig, abhängig von den führenden Männern,hohen Klerikern mit nicht geringen Eigeninteressen.5

Einen maßgeblichen Regierungsanteil hatte freilichkaum mehr als ein halbes Dutzend von ihnen; allenvoran der schon von Arnulf eingesetzte ErzbischofHatto und Bischof Salomo III.

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4.643 Deschner Bd. 5, 345Ludwig IV. das Kind, die Marionette des Klerus

Hatto I. von Mainz (891–913), sehr aktiv, intelli-gent, verschlagen, damals eine Art »Papst fürDeutschland«, wie Wolfgang Menzel einst schrieb,war unentwegt politisch tätig, ohne dabei den Nutzenseiner Kirche und seiner selbst zu vergessen; dashängt ohnedies gewöhnlich eng, fast untrennbar zu-sammen. Schwäbischem Adel entstammend, stützteder um 850 Geborene zuerst mit seiner Sippe Karlden Dicken, nach dessen Sturz sofort Arnulf vonKärnten, was sich auch schnell auszahlen sollte: noch888 und 889 wird Hatto mit den äußerst begütertenAbteien Reichenau und Ellwangen begabt und erhältzwei Jahre danach das Erzbistum Mainz, eine Kir-chenprovinz, die sich als größte des ostfränkischenReiches von Sachsen bis Schwaben, von der Elbe biszu den Alpen erstreckte. So kam den Mainzer Bischö-fen (die auch, erstmals seit 870, dauernd seit 965, dasErzkanzleramt, die königliche Kanzlei leiteten) eineSpitzenstellung im Staat zu; sie galten als »Königs-macher«.

Bald nach Ludwigs Regierungsantritt versteht esHatto, noch das reiche Kloster Lorsch (Lauresham) zubekommen, obwohl Arnulf die Selbständigkeit desvon Karl I. zum Königskloster erhobenen, von Lud-wig dem Deutschen mit wertvollem Reichsbesitz be-schenkten Lorsch garantiert hatte; eines Klosters, dasvon der Nordsee bis zum Bodensee begütert war und

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4.644 Deschner Bd. 5, 346Ludwig IV. das Kind, die Marionette des Klerus

ab 766 rund 100 Schenkungen pro Jahr erhielt!Schließlich verdankt Hatto auch das Kloster Weißen-burg der Fürstengunst.

Der Mainzer Erzbischof bewegte sich mit Vorliebein Herrschernähe. Er wurde 893 einer der beidenTaufpaten des jungen Königs, begleitete Arnulf auchauf seinen Italienzügen 894 sowie 896 zur Kaiserkrö-nung, war maßgeblich beteiligt 899 bei dem hinter-hältigen Treffen mit Zwentibold in St. Goar (S. 319)und der Wahl Ludwigs im folgenden Jahr; nicht zuvergessen seinen Vorsitz auf der wichtigen Synode895 während der großen Reichsversammlung in derKönigspfalz Tribur bei Mainz (S. 298 ff.). Kurz, Erz-bischof Hatto, schon zu Arnulfs Zeiten »das Herz desKönigs« genannt, erscheint jetzt als der faktische Re-gent.6

Von kaum viel minderer Bedeutung für das Regie-rungsgeschäft unter Ludwig dem Kind wurde BischofSalomo III. von Konstanz (890–919), in den letztenJahren des Königs der eigentliche Leiter der Kanzlei,seit 909 auch mit dem Titel des Kanzlers. Salomo warein enger Freund des einflußreichen Hatto und bemer-kenswert skrupellos. In Schwaben schaltete er als dermächtigste Feudalherr des Landes zweimal brutal dieHerzogsprätendenten aus (S. 366 ff.).

Beide Bischöfe repräsentierten ihren Stand auch in-sofern würdig, hochwürdig, als sie die da sehr entwik-

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4.645 Deschner Bd. 5, 346Ludwig IV. das Kind, die Marionette des Klerus

kelte Kunst beherrschten, vor allem den eigenen mate-riellen Vorteil wahrzunehmen, und zwar ganz gleich,ob es Schenkungen aus Kriegsgut betraf oder wenigerblutig erworbene Vergabungen oder sonstige lukrati-ve Geschäfte, etwa gewinnbringenden Tausch vonKlostergut gegen Krongut. »St. Gallen ist damals sozu manchem schönen Stück Kronland gekommen.Auch ihre Bistümer mögen sie bedacht haben, dochaus Mainz und Konstanz ist keine einzige ältere Ur-kunde erhalten. Man hat unwillkürlich den Eindruck,daß die Herren diese Geschäfte unter sich selbst ab-machten, denn das Kind auf dem Thron verstand nichteinmal, um was es sich handelte. Und peinlich berührtes noch zu sehen, wie eifrig diese Hände auch nachdem Wittum der durch den Ehebruchprozeß allerdingsbloßgestellten Königin-Mutter Uta langten: so ließman den kleinen König aus dem Wittum seiner Mut-ter auf ›Fürsprache‹ von fünf Bischöfen und Liut-polds der Kirche von Seben den Hof Brixen, wohindas Bistum dann verlegt wurde, dann wieder mit ›Zu-stimmung‹ mehrerer Bischöfe und einiger Grafen und,wie gesagt wird, auf ›Fürsprache‹ Utas selbst der Kir-che von Regensburg den Hof Velden, der Kirche vonFreising den Hof Föhring schenken. Man müsse,heißt es in einer derartigen Schenkungsurkunde, denköniglichen Dienst durch Fürsorge für die Kirche er-möglichen« (Mühlbacher)7

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4.646 Deschner Bd. 5, 347Ludwig IV. das Kind, die Marionette des Klerus

Einfluß auf die Regierung des ostfränkischen Rei-ches übte aber auch der zunächst noch als Erzkapel-lan und Erzkanzler amtierende Erzbischof Thietmarvon Salzburg aus; ferner Erzbischof Pilgrim I. vonSalzburg (907–923), der durch Ludwig IV. im Jahr908 den Königshof Salzburghofen (im heutigen Frei-lassing) erhält samt reichem Zubehör, Zöllen und Be-deutung für die wichtige Saline Reichenhall, im fol-genden Jahr (zusammen mit dem Markgrafen Aribo)auch die Abtei Traunsee (Altmünster), bis er unterKonrad I. 912 dessen Erzkapellan wird. Weiter spiel-ten eine beachtliche Rolle Erzbischof Rutbod vonTrier, der Erzkanzler für Lotharingien, die BischöfeWaldo von Freising, Erchanbald von Eichstätt, Tutovon Regensburg, Rudolf von Würzburg, Thietelahvon Worms.

Von besonderer Bedeutung endlich war BischofAdalbero von Augsburg, der Erzieher des Königs undein weiterer Pate, hatte er das Kind doch gemeinsammit Hatto in »der heiligen Quelle der Taufe« gewa-schen (Annales Fuldenses) und ihm den Namen seinesGroßvaters gegeben. Gerieten die Taufpaten ja über-haupt häufig tief in die Politik, falls sie nicht schontief darin steckten und eben auch darum Taufpatenwurden. Bereits Adalberos Vorgänger, Bischof Wit-gar, war ganz in Reichsgeschäfte verstrickt und wirktevornehmlich in den Hofkreisen Ludwigs des Deut-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.647 Deschner Bd. 5, 347Ludwig IV. das Kind, die Marionette des Klerus

schen und Karls des Dicken. Und Adalbero selbsthatte schon als steter Ratgeber und Begleiter Arnulfsagiert, ehe er anscheinend sogar leitender Minister desjungen Königs wurde, der ihn seinen getreuesten Er-zieher, geliebten Lehrer, geistlichen Vater nannte. Sohat ihn das Volk denn auch bald als Seligen verehrt,wahre Wunder geschahen an seinem Grab – nur ausAdalberos Tätigkeit für sein Bistum ist nicht das ge-ringste bekannt.8

Zwei Ereignisse belasteten das ostfränkische Reichzur Zeit Ludwigs des Kindes besonders, eine langan-haltende, von außen kommende Katastrophe und einverhältnismäßig kürzeres innenpolitisches Desaster,der Ungarnsturm und die sogenannte BabenbergerFehde.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.648 Deschner Bd. 5, 348Der Ungarnsturm beginnt

Der Ungarnsturm beginnt

Nach dem Tod Arnulfs griffen die Ungarn an.»Sein Sterbetag war für sie fröhlicher als alle Fest-

tage, erwünschter als alle Schätze«, behauptet wohlkaum ganz zu Unrecht Bischof Liutprand. Ihr Vor-stoß geschah unerwartet. Mit ungeheurer Wucht undarger Not im Gefolge verheerten sie weite Teile West-, doch auch Südeuropas, besonders aber das ostfrän-kische Reich, wohin sie freilich einst Arnulf selbst alsBundesgenossen gerufen hatte.

Auch waren die Ungarnkriege zwar hauptsächlich,doch keinesfalls ausschließlich Verteidigungskriege,und nicht nur 907 (S. 350). Seit dem Sieg des Bay-ernherzogs Berthold – er war der jüngere Sohn des907 bei Preßburg gefallenen Markgrafen Liutpold –am 12. August 943 bei Wels, dem bis dahin größtendeutschen Erfolg gegen die Ungarn, ergriffen die Bay-ern die Offensive. Einen weiteren Vorteil errangen sie948. Bereits im nächsten Jahr schlugen sie sich mitden Magyaren offenbar in Ungarn selbst. Und auch950 ging der Bruder Ottos I., der bayrische HerzogHeinrich, einer der ungestümsten Draufgänger unterden ostfränkischen Fürsten, wieder offensiv in Ungarnvor. Er siegte zweimal jenseits der Theiß, erbeutetereiche Schätze, viele Gefangene und kehrte »wohlbe-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.649 Deschner Bd. 5, 349Der Ungarnsturm beginnt

halten in das Vaterland zurück« (Widukind).9

Die Ungarn oder Magyaren, wie sie sich selbstnannten, waren ein in Zelten oder Schilfrohrhütten le-bendes berittenes Nomadenvolk, teils finnisch-ugri-scher, teils turkstämmischer Abkunft; die lateinischenQuellen setzen diese schnellen, wendigen Reiter undtrefflichen Bogenschützen häufig mit Hunnen undAwaren gleich. Von den Pečenegen, einem besonderskriegerischem reiternomadischem Turkvolk, schwerbedrängt und im Bündnis mit den Bulgaren 895 ausihren Sitzen zwischen Wolga und Donau am Schwar-zen Meer vertrieben, überfielen, verwüsteten, beraub-ten sie von der Theißebene aus immer wieder Panno-nien, Böhmen und das Mährerreich, das König Arnulf892 noch Seite an Seite mit ihnen bekämpft hatte unddas sie bis 906 völlig vernichteten, buchstäblich ver-schwinden ließen. Ab 899 suchten sie auch Oberitali-en heim, brandschatzten sogar Südfrankreich, attak-kierten aber im beginnenden 10. Jahrhundert in oftjährlichen Raubzügen Bayern, Sachsen, Alemannien,Elsaß, Lotharingien. Und länger als ein halbes Jahr-hundert setzten sie ihre Einfälle fort – eine schlim-mere Plage als die Normannen, die sich inzwischenmehr auf Ostengland konzentrierten.

Anno domini 900 erschienen die Ungarn erstmalsauf einst bayerischem, heute österreichischem Boden.

Über die Enns brachen sie in den Thraungau ein,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.650 Deschner Bd. 5, 349Der Ungarnsturm beginnt

»auf 50 Meilen in die Länge und Breite mit Feuer undSchwert alles mordend und plündernd«. Allerdings er-ledigte im Spätherbst ein bayerisches Heer unter GrafLiutpold von Kärnten und dem Bischof Richar vonPassau eine kleine ungarische Nachhut bei Linz,rühmlich kämpfend, sagt der Annalist, noch rühmli-cher triumphierend. Denn angeblich fand man durchdie »Gnade Gottes« unter den Gefallenen und in derDonau Ertrunkenen zwar 1200 Heiden, aber »kaumeinen einzigen Christen« (Annales Fuldenses).

901 wurden die Ungarn nach einem Einfall in Ka-rantanien auf dem Rückweg an der Fischa, östlich vonWien, geschlagen, 902 in Mähren gemeinsam mit denMährern, deren Reich die Bayern noch zwei Jahrezuvor geplündert hatten, wie ja schon 890 und 899.Auch 903 kam es zu Kämpfen mit den Magyaren,diesmal mit unbekanntem Ausgang. Und 904 ludendie Bayern eine ungarische Gesandtschaft unter derenHeerführer Chussal zu sich ein, veranstalteten erst einGastmahl, dann ein Massaker mit ihnen, killten siekomplett, und offensichtlich wieder mit dem BeistandGottes.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.651 Deschner Bd. 5, 350»Deutsche christliche Aufbauarbeit im Osten« ...

»Deutsche christliche Aufbauarbeit im Osten«und der »garstigste Hund ...«

Doch dann scheint der Herr sie verlassen zu haben,kamen die Ungarn fast Jahr für Jahr wieder, erledigtendiese am 5. Juli 907 in einem ostfränkischen Offen-sivkrieg – von bayerischen Bischöfen, Äbten undAdeligen mit König Ludwig dem Kind am 17. Juni907 beschlossen – den bayrischen Heerbann bei Preß-burg total. Eine »gewaltige Schlacht«, melden lako-nisch die Annales Alamannici und fügen knapp hinzu:»und ihr abergläubischer Hochmut ist vernichtet wor-den«. Auf dem Mordfeld lagen nicht nur mehrere Gra-fen nebst viel sonstig Edlem, sondern auch drei Äbteund drei Bischöfe, der Erzbischof Thietmar von Salz-burg sowie die Bischöfe Udo von Freising und Zacha-rias von Seben-Brixen – »die Blüte des bayerischenAdels und Episkopats ... und die Aufbauarbeit (!)blieb unterbrochen« (Bosl); in einem Land, das manzwar gern als alten Besitz ansah, das aber erst Karl»der Große« in vielen jahrelangen Kriegen von denAwaren geraubt hatte, deren gesamter Adel dabei zu-grunde gegangen, ja, deren ganzes Volk damals ausder Geschichte verschwunden ist (IV 485 ff.) – »Auf-bauarbeit«!

Erzbischof Thietmar von Salzburg, dessen »Reli-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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quien« man 1602 wieder gefunden haben will, wasfür ein Glück, wurde in Salzburg zu den Heiligenbzw. Seligen gezählt; Bischof Zacharias von Sebenund Bischof Udo von Freising erkannte man immer-hin die »palma martyrii« zu, hatten sie doch ihr Leben»fuer den Glauben Christi auffgeopffert« (Meichel-beck). In der Ungarnschlacht in Thüringen vom 3.August 908 fiel auch Bischof Rudolf von Würzburg,offenbar der Initiator der blutigen Babenberger Fehde(S. 354 ff.). Dagegen ignoriert die Überlieferung dasinnerkirchliche Wirken dieses Oberhirten »fast völ-lig«. Auch sein Nachfolger, Bischof Thioto, anschei-nend gleichfalls eine Kreatur der Konradiner, gehtganz im »Reichsdienst« auf; über eine kirchliche Tä-tigkeit in der Diözese Würzburg, der er fast ein Vier-teljahrhundert vorsteht, hört man »praktisch nichts«(Störmer).10

909, 910, 913 liquidierten die Bayern zwar ungari-sche Streifscharen, doch verwüsteten die Invasorenvon den Alpen bis zur Nordsee weiter das Land, setz-ten sie ihre Züge nach Deutschland unentwegt fort –nicht weniger als zwanzig zwischen 900 und 955. Bi-schof Michael von Regensburg verlor im Ungarnkriegein Ohr, streckte aber gleichwohl noch einen Gegnernieder und erwarb viel Beifall dafür. Was half's! Die»deutsche christliche Aufbauarbeit im Osten« war»neuerdings zusammengebrochen« (Heuwieser).

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4.653 Deschner Bd. 5, 351»Deutsche christliche Aufbauarbeit im Osten« ...

Dabei ist zweierlei bezeichnend: erstens, daß dieUngarn, ebenso wie die Normannen, sich gut über dieinneren Zwiste des katholischen Abendlands zu infor-mieren und diese zu nutzen verstanden; zweitens, daßdie katholischen Fürsten auch gegenüber den Ungarn,wie gegenüber den Normannen oder Arabern, oftwenig Solidarität zeigten und meist lieber ihre Erb-händel ausfochten, als ihre Untertanen vor dem Feindzu schützen – was immerhin Herzog Arnulf »demBösen« (S. 364 f.) gelang, der die Ungarn durch einenVertrag auf Jahrzehnte von Bayern fast gänzlich ab-halten konnte. Vielmehr sind alle drei, Sarazenen,Normannen, Ungarn, »in zahllosen Fällen den Geg-nern im eigenen Land auf den Hals gehetzt worden.Man trug kein Bedenken, sich mit ihnen zu verbün-den. Emigranten gingen zwecks Wiedergewinnungder eigenen Stellung zu ihnen, um sie zum Eingreifenaufzumuntern.« Andererseits freilich hat die abend-ländische Christenheit »eine Fülle von ergreifendenGebeten gegen die Heidennot gerade im 9. und 10.Jahrhundert geformt« (Tellenbach).11

Ja, war das nicht wunderbar, wahrhaftig wie vonGott geschaffen, wenn die Heidennot zu einer Fülleergreifender Gebete führte? Wenn sie – Not lehrtbeten – zu Gott hinführte? Ja, konnte da die Not über-haupt groß genug sein? Je größer die Not, desto grö-ßer doch der Pfaffengewinn, mochten auch Kirchen

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4.654 Deschner Bd. 5, 352»Deutsche christliche Aufbauarbeit im Osten« ...

und Klöster vorerst in Feuer aufgehen, Rauch, manbaut sie wieder auf, meist imposanter, schöner (- undläßt, wie heute noch, die »Laien« alles zahlen).

So machten die frommen geistlichen Herren dieUngarneinfälle noch schrecklicher als sie schonwaren; machten sie die Ungarn schlechthin zu »Werk-zeugen des Teufels«, zu »Gog und Magog« und er-klärten, der Jüngste Tag stehe bevor.

Nach Bischof Liutprand haben diese Höllengeisterkeinen Gott und kein Gewissen. Sie ruinieren nichtnur Burgen und Kirchen, töten nicht bloß Menschen,sondern »um immer mehr Schrecken zu verbreiten,tranken sie das Blut der Erschlagenen«. Bischof Salo-mo III. von Konstanz (S. 366 ff.) schreckt mit seit derBibel und den Kirchenvätern (auch gegenüber Chri-sten) in allen Varianten hochbeliebten Tiervergleichen(I 3. Kap.): »jetzt dringt der garstigste Hund selbst indas Haus Christi ein«. Und Regino, Abt von Prüm(bis 899) und von Trier (bis 915), produziert gerade-zu »Greuelmärchen« (Weinrich) über die Barbaren,wobei er sich, offenbar der größeren Authentizitätwegen, der reichen ethnographischen Topoi des Alter-tums bedient, reihenweise schlechte Eigenschaften der(neuen) Hunnen herzählt, vor allem »blutdürstigeWildheit« (cruentam ferocitatem), »viehische Wut«(beluino furori); sie leben nicht »nach Art von Men-schen, sondern wie das Vieh« – »wie die wilden

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4.655 Deschner Bd. 5, 352»Deutsche christliche Aufbauarbeit im Osten« ...

Tiere«, sagt auch Widukind –, ja, sie »verschlingenals Heilmittel die in Stücke zerteilten Herzen ihrerGefangenen«.12

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4.656 Deschner Bd. 5, 353Von »unsteten Räubern und der europäischen ...

Von »unsteten Räubern und der europäischenVölkerfamilie«

Diese zumal deutsche Verachtung des Andersartigen,Fremdrassigen, Asiatischen zieht sich durch alle Jahr-hunderte. Und mag selbst ein verdienter Historikerwie Albert Hauck (1845–1918) noch so sehr daraufinsistieren, daß diese »Nomaden« in ihrer »Kulturlo-sigkeit« für »den seßhaften Germanen« »nur absto-ßend sein«, daß der Seßhafte »nichts Häßlicheressehen« konnte »als diese Wilden« und nichts Gräßli-cheres hören konnte als ihr »mißtönendes Gegrunze«,mag Hauck die Ungarn mit allem Recht immer wieder»Räuber« und »Räuberbanden« schimpfen, mag erdas einstige Jäger- und Hirtenvolk, ein Volk vonKriegern gleichsam wider Willen, eine »Nation« nen-nen, »die den Raub als nationalen Beruf trieb« –täuscht er sich nicht sehr mit der Behauptung: »es gabüberhaupt keinen Berührungspunkt zwischen diesenunsteten Räubern und der europäischen Völkerfami-lie«?

Kein Zweifel, so ähnlich sahen auch die »Groß-deutschen« unter Hitler die östlichen, slawischen,asiatischen »Untermenschen« (und wie sitzt das nochjetzt in jenen Teutonen, deren Zahl Legion ist!). Dochverrät sich Hauck nicht, fügt er im letzten Zitat seinenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.657 Deschner Bd. 5, 353Von »unsteten Räubern und der europäischen ...

»Räubern« das schlichte, unscheinbare »unstet« bei,als erinnerte zumindest sein Unbewußtes sich noch anandere, weniger unstete, an stete Räuber, an Räuber,die gleich, wo immer möglich, auf ihrem Raub hok-ken blieben, die nicht nur das bißchen Beutegut be-hielten, sondern das ganze erbeutete Land dazu!

Der protestantische Theologe schreibt: »Weil dasdeutsche Reich des zehnten Jahrhunderts eroberndwar, deshalb wurde die deutsche Kirche zur Missions-kirche Europas.« Eben. Deshalb konnte Europa amdeutschen Wesen genesen. Doch was heißt hier »er-obernd« anders als raubend?!

Hauck selbst wieder erinnert daran: »noch am Endedes neunten Jahrhunderts ist Slavenland eine ganz ge-wöhnliche Bezeichnung für Kärnten.« Aber schon im10. Jahrhundert wird es besser, geht es aufwärts, vor-wärts: – »nun hat deutscher Adel großen Grundbesitzim Lande erworben«; erworben, wie schön. »Auch diedeutschen Stifter nennen weit ausgedehnte Flächen ihreigen« – ihr eigen, klingt auch nicht schlecht. Auchdie Bistümer Freising und Seben bekommen jetzt imSüdosten »großen Grundbesitz«. Ebenso ist nun erstrecht der Salzburger Sprengel »weit nach Osten hinausgedehnt« – ausgedehnt, weit ausgedehnt, mächtigausgedehnt etc., Hauck nimmt sich nicht einmal dieMühe, sein Vokabular etwas zu variieren. Die Sacheselbst ist zu schön und treibt ihn, als könne er nicht

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4.658 Deschner Bd. 5, 354Von »unsteten Räubern und der europäischen ...

schnell genug den ganzen Erwerb, diese ausgedehnteAneignung literarisch nachvollziehen, sodaß er natür-lich gar keine Zeit findet darüber nachzudenken, ob esdenn wirklich »überhaupt keinen Berührungspunktzwischen diesen unsteten Räubern und der europäi-schen Völkerfamilie« gab, zwischen diesen wüstenUngeheuern, wie sie Bischof Pilgrim von Passau, derberüchtigte Fälscher (S. 441 ff.), nennt, und demdeutschen Volkstum, das in »seinem« Osten, nun mitHauck zu sprechen, »festen Fuß zu fassen« beginnt.Ja: »Es ist als ob man einen Eindruck davon gehabthätte, wie viel für Deutschland die Ausbreitung nachOsten bedeutete ...«13

Aber auch für die Slawen bedeutete sie viel – auchwenn es natürlich etwas ganz andres ist, wenn Chri-sten dort die »Untermenschen« massakrieren und ex-propriieren, als wenn »der garstigste Hund selbst indas Haus Christi« eindringt – das ja auch nicht immerso sehr friedlich war (und ist). Und voller Nächsten-liebe. Und Froher Botschaft. Entbrannte doch geradeseinerzeit, während des Pfaffenregiments, ein brutalerBürgerkrieg im Reich, die sogenannte Babenberger-Fehde (897–906), deren Anfänge allerdings noch indie letzten Regierungsjahre Arnulfs fallen.

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4.659 Deschner Bd. 5, 355Die Babenberger-Fehde (897-906)

Die Babenberger-Fehde (897–906)

Franken, das ursprünglich die meisten alten Adelsfa-milien aufwies, hatte dann auch die größten Fehdenund die schlimmsten Verluste. Am Ende des 9. und zuBeginn des 10. Jahrhunderts rangen nur noch die bei-den führenden fränkischen Geschlechter, um die Vor-herrschaft im Mainraum und zugleich um eine opti-male Ausgangsposition für die Jahre nach der nomi-nellen Regentschaft des Kinderkönigs: die Popponen-Babenberger – benannt nach dem Grafen Poppo imGrabfeld und ihrer Burg Babenberg (Bamberg) – unddie Konradiner.

Die Babenberger, Adalbert, Adalhard und Heinrich(II.), die über Grafschaften um Fulda, im Grabfeld, imoberen Maingebiet geboten, die sie schließlich alleverloren, waren die Söhne Heinrichs, des 886 vorParis gegen die Normannen gefallenen Separatkillersund Truppenführers (S. 282) Karls des Dicken, undwohl schon insofern, wie der Vater, Gegner Arnulfs,der ihre Entmachtung betrieb, wo immer er konnte.Dazu bediente er sich der aus dem Moselraum stam-menden, im Rhein-Main-Gebiet, im Niederlahngau, inHessen und der Wetterau begüterten Konradiner, derBrüder Konrad, Gebhard, Eberhard und Rudolf.

König Arnulf, dessen Hof die Babenberger mieden,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.660 Deschner Bd. 5, 355Die Babenberger-Fehde (897-906)

war mit der Konradinerin Uta verheiratet und fördertedas Vorrücken von deren Familie auf BabenbergerTerrain, begünstigte sie durch Schenkungen, ja ermachte 892, nach dem Schlachtentod des WürzburgerBischofs Arn, den Konradiner Rudolf zum Bischofam Main (892–908). Damit ist die blutige Auseinan-dersetzung programmiert – »ein gewaltiger Hader derZwietracht und ein Streit voll unversöhnlichen Has-ses«, schreibt Regino von Prüm »im Jahr der göttli-chen Menschwerdung 897«, indem er die »gegenseiti-gen Metzeleien« mit einer »ungeheueren Feuers-brunst« vergleicht, die sich von Tag zu Tag ins Uner-meßliche vergrößere. »Unzählige gehen auf beidenSeiten durch das Schwert zu Grunde, Verstümmelun-gen an Händen und Füßen werden verübt; die ihnenuntertänigen Landschaften werden durch Raub undBrand von Grund aus verwüstet.«14

Die Konradiner, die unter ihrem Verwandten,König Arnulf, mit Gütern und Grafschaften nachOsten ausgriffen, die unter ihm und seinem unmündi-gen Sohn zu Herzogswürden aufstiegen, wurden nunnicht nur in Franken, sondern auch in Lotharingen be-vorzugt, wo Gebhard, der Konradiner, als Amtsher-zog eingesetzt, in einer Urkunde geradezu als »Her-zog von Lothringen« erscheint. Die Babenberger da-gegen sahen sich immer mehr zurückgedrängt, ließen897 nahe Würzburg, vermutlich infolge Gebietsabtre-

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4.661 Deschner Bd. 5, 356Die Babenberger-Fehde (897-906)

tungen, den königlichen Diener Trageboto ermorden,so daß die Fehde zunächst, noch ohne direktes Zutundes Königs, mit dem Bischof von Würzburg begann,zu dem später, schon unter Ludwig dem Kind, seineBrüder Eberhard und Gebhard stießen.

Es kam zu einem Treffen. Der Babenberger Hein-rich II. fiel, der Konradiner Eberhard wurde schwerverwundet, und als er starb, ließ sein Bruder Gebhardden in Gefangenschaft geratenen Babenberger Adal-hard 902/903 kurzerhand köpfen. Darauf trat dasPfaffenregiment in Aktion. Ludwig das Kind ergriffdie Partei der siegreichen Konradiner und ließ denBesitz der getöteten Babenberger Heinrich und Adal-hard konfiszieren und zwar, zumindest teilweise, zu-gunsten des Bischofs von Würzburg. »Nachdem dieBabenberger im Kampfe unterlegen und ihre Güterconfiscirt waren, schenkte zu Tarassa (Theres) den 9.Juli 903 K. Ludwig das Kind dem Bischofe Rudolfvon Würzburg ›einige Güter unsers Eigenthums (jurisnostri), welche des Adalhart und Heinrich gewesenund wegen der Größe der Bosheit dieser ... für unserEigenthum erklärt worden sind‹.«15

Im Jahr 906 operierte der Sohn des Grafen Konrad,der spätere König Konrad I., mit einer beträchtlichenTruppe in Lotharingien. Nach bewährtem Brauch ver-heerte er »mit Raub und Feuer« die Besitzungen sei-ner gutkatholischen Gegner, der uns schon bekannten

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4.662 Deschner Bd. 5, 356Die Babenberger-Fehde (897-906)

Grafen von Metz, der Brüder Gerhard und Matfrid (S.318 f.). Und diese günstige Gelegenheit nützte natür-lich Adalbert, der letzte Babenberger, und rückte mitseinen Leuten in die Wetterau ein. Es kam zu mehre-ren Gefechten, wobei zuletzt Graf Konrad der Älterebei Fritzlar fiel, der Babenberger sich behauptete. Dasheißt: erst verfolgte der Sieger »mit seinen Gefährtendie Fliehenden und streckte eine zahllose Menge,hauptsächlich solche zu Fuß, mit dem Schwerte nie-der ...« – gelernt ist schließlich gelernt. Und nach Be-endigung dieser Aufgabe widmete sich Adalbert derganzen Gegend, das heißt: er durchstreifte sie mit sei-nen Spießgesellen und richtete »durch Mord undPlünderung alles zu Grunde. Als dies vollbracht war,kehrte er mit seinen Genossen, die mit Kriegsbeuteund unermeßlichem Raube beladen waren, in dieFeste Bamberg zurück« (Regino von Prüm).

Soweit, so gut, mochte der letzte Babenberger den-ken. Doch noch im Sommer desselben Jahres lud ihndie Reichsregierung, der faktisch der mit den Konra-dinern eng befreundete Erzbischof Hatto von Mainzvorstand, auf eine Reichsversammlung nach Tribur.Und als er dort nicht erschien, schlossen ihn Hattound der 13jährige König mit einem Reichsheer in sei-ner Burg Theres (bei Schweinfurt) ein; dreimal isthier Ludwig das Kind im Zusammenhang mit der Ba-benberger Fehde bezeugt.

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4.663 Deschner Bd. 5, 357Die Babenberger-Fehde (897-906)

Nach langem Widerstand lockte man den letztenPopponen-Babenberger durch »honigsüße Reden«,einen schmutzigen Trick Hattos aus der Burg. Erwurde heimtückisch in Haft genommen, »vom Bi-schof dem König Ludwig überantwortet« (Widukind),gebunden angesichts des ganzen Heeres vorgeführtund am 9. September, wie einst sein Bruder, ge-köpft – »das Urteil wurde auch auf Betreiben Konradsdes Jüngeren, des späteren Königs Konrad I., voll-streckt. Dieser hatte sich mit seinem Vorgehen denWeg zum Königtum erkämpft ...« (W. Hartmann).Doch war auch Markgraf Liutpold, der erste MannBayerns nach dem König, »entscheidend« an demKrieg gegen Adalbert sowie an »seiner verräterischenGefangennahme und Hinrichtung beteiligt« (Reindel).Sein Vermögen und seine Besitzungen wurden zumKrongut geschlagen und darauf vom König »unterlauter Männern von vornehmer Geburt verteilt« (Re-ginonis chronica). Das heißt an die Gegner des Ba-benbergers, wobei auch Erzbischof Hatto von Mainzsich bediente, der größte Schurke dieses ganzen Stük-kes; ein Hierarch, dessen Hinterlist selbst HerzogHeinrich von Sachsen, der spätere König, so fürchte-te, daß er seine Weigerung, zu einem Mainzer Hoftagzu gehen, mit einem drohenden Mordanschlag desdortigen Oberhirten begründet hat.

Burg Theres verwandelte man in eine Benediktiner-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.664 Deschner Bd. 5, 358Die Babenberger-Fehde (897-906)

abtei, Adalberts Schloß Babenberg nebst ganzer Graf-schaft kassierte König Ludwig; es ergab dann dasBistum Bamberg. Und noch im Hochmittelalter sangman vom Verrat des Erzbischofs Hatto, des beimVolk besonders Unbeliebten. Eine Ausnahme freilichist der Mann nicht gewesen. Abt Regino von Prümschreibt in seinem ausgerechnet Hatto, dem damali-gen Reichsregenten, gewidmeten Buch »De synodali-bus causis et disciplinis ecclesiasticis«: »In dieserüberaus verdorbenen Zeit sind in der Kirche vieleSchandtaten begangen worden und werden noch be-gangen, die in den alten Zeiten unerhört waren«(Praefatio).16

Als Ludwig IV. das Kind gerade erst achtzehnjäh-rig und erbenlos am 24. September 911 starb, erloschdie ostfränkische Linie Ludwigs des Deutschen undder Karolinger. Noch im Jahr zuvor hat der längstKränkelnde gegen die Ungarn auf dem Lechfeld per-sönlich mit einem Reichsheer eine schwere Niederla-ge erlitten, im übrigen aber Mit- und Nachwelt sowenig beschäftigt, daß keine zeitgenössische Quelleauch nur seinen Sterbeort oder seine Grabstätte nennt.

Kurz nach Ludwigs Tod wurde zwischen dem 7.und 10. November auf einem Fürstentag in Forchheimvon den Großen der Franken, Sachsen, Alemannenund Bayern die Krone des ostfränkischen Reiches zu-erst dem Sachsenherzog Otto dem Erlauchten angetra-

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4.665 Deschner Bd. 5, 358Die Babenberger-Fehde (897-906)

gen. Doch da er, der über Sachsen fast unabhängigherrschte und allzeit Höchstgewalt (summum imperi-um) ausübte, aus Altersgründen oder welchen Erwä-gungen immer, sich verweigerte (er starb auch schonein Jahr darauf), wählte der Adel, so jedenfalls Widu-kind von Corvey (was man indes oft bezweifelt), nachOttos Rat, einhellig den fränkischen Grafen Konradden Jüngeren zum König, das Haupt der Konradiner,seit der Babenberger-Ausrottung der Mächtigste desFrankenstammes.

Es war die erste »freie« Wahl, freilich nur der Gro-ßen, in der deutschen Geschichte und im Ostfranken-reich, ein definitiver Bruch mit der Tradition, nämlichdie endgültige Lösung von der Karolingerdynastie.Dafür hatte Erzbischof Hattos Bündnis mit den Kon-radinern, das den Untergang der Babenberger ebensobedeutete wie zuvor bereits den Zwentibolds, denWeg geebnet – dynastisch zwar ein epochales Ereig-nis, änderte sich faktisch für die Völker nichts.

Lotharingien allerdings, wo der neue Herr verhaßtwar, schloß sich, vor allem unter dem Einfluß der Re-ginare, dem Westfrankenreich an. Bei ihm verblieb esbis 925 und wählte noch im selben Jahr (911) Karlden Einfältigen zum König, den posthum geborenenSohn Ludwigs des Stammlers, der seit 893 als Nach-folger des Nichtkarolingers Odo bis 923 regierte. Soließ sich die Trennung Lotharingiens von Ostfranken

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4.666 Deschner Bd. 5, 358Die Babenberger-Fehde (897-906)

auch karolingisch-legitimistisch motivieren.17

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4.667 Deschner Bd. 5, 3598. Kapitel

8. Kapitel

König Konrad I.

(911–918)

»Gestützt auf seine Berater, vor allem die Erzbi-schöfe von Mainz und den Kanzler Bischof Sa-lomon III. von Konstanz, verfolgte Konrad an-fangs eine ... entschlossen an der karolingischenTradition festhaltende Politik, konnte in dreiKriegszügen (912/913) aber nicht verhindern,daß Lothringen zum Westreich abfiel.«

Hans-Werner Goetz1

»Beraten von den bisher einflußreichsten geistli-chen Würdenträgern der Zeit Ludwigs des Kin-des – Erzbischof Hatto von Mainz und BischofSalomo von Konstanz – suchte er in der hohenGeistlichkeit eine Stütze gegen die ... weltlichenSpitzenpolitiker.«

Eduard Hlawitschka2

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4.668 Deschner Bd. 5, 361Die Rückgewinnung Lotharingiens mißlingt

Die Rückgewinnung Lotharingiens mißlingt

Konrad I. (911–918), bevorzugt in Frankfurt, Weil-burg an der Lahn und Forchheim residierend, führteseit dem Tod seines Vaters Konrad des Älteren vomOberlahngau in der Babenberger Fehde (906) und sei-nes Onkels Gebhard die Konradiner an. Die Sippehatte durch den zehnjährigen Krieg gegen die Baben-berger und deren vollständige Ausmerzung ihre eige-ne Machtstellung in Mainfranken enorm ausgebaut,Konrad 906 den Babenberger Adalbert entscheidendmit vernichtet, im selben Jahr auch das lotharingischeBrüderpaar Gerhard und Matfried bezwungen, woraufer eine herzogliche Stellung in Ostfranken einnahm.

Zunächst ging es dem neuen König um die Rückge-winnung Lotharingiens. Denn nach dem Tod des letz-ten ostfränkischen Karolingers, Ludwigs des Kindes,war der westfränkische König Karl III. der Einfältige(893/898–923), ein Sohn Ludwig des Stammlers undEnkel Karls des Kahlen, im Jahr 911 Herr von Lotha-ringien geworden. Karl der Einfältige (Charles leSimple, simplex, hebetus, stultus; franz. sot ist eineerst spätere Benennung) hatte auf Lotharingien schon898 einen Anlauf genommen. Von einem Verbünde-ten, dem mächtigen Grafen Reginar gerufen, der sichZwentibolds Ungnade zugezogen, war Karl rasch bis

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4.669 Deschner Bd. 5, 362Die Rückgewinnung Lotharingiens mißlingt

nach Aachen und Nymwegen vorgestoßen. Doch danntrat Zwentibold im Verein mit einigen Magnaten da-zwischen, vor allem mit dem Bischof Franco von Lüt-tich, und unterstützt durch Herzog Otto von Sachsen,Zwentibolds Schwiegervater. 899 schloß man in St.Goar am Rhein Frieden (S. 319).

911 aber gelang Karl die Annexion. Der lotharingi-sche Adel erwartete davon größere Selbständigkeit,die Bischöfe erhofften neue Güter und Rechte. Tat-sächlich ist auch Karls III. des Einfältigen erste Ur-kunde vom 20. Dezember bereits für die Domherrenvon Kammerich ausgestellt: »nach Erlangung der rei-cheren Erbschaft«. Schon im Januar erfuhr BischofDrogo von Toul urkundlich seine Gunst, ebenfalls dasKloster der Mönche von St. Maximin bei Trier. DerTrierer Bischof Ratbod wurde Karls Erzkaplan undstand jetzt zum Westfrankenreich so fest wie Erzbi-schof Hermann I. von Köln, einst Erzkaplan dochKönig Zwentibolds (und Ehemann Gerbergas, viel-leicht einer Konradinerin) oder der Graf Reginar, deraußer seinen Grafschaften nun mindestens sechs Ab-teien besaß.3

Zwar verdrängte Konrad I. im Winter 911/912Karl den Einfältigen aus dem Elsaß, wo er lediglich,ebenso wie in Friesland, zeitweise anerkannt wurde.Doch gegen Lotharingien schlugen 912/913 dreiFeldzüge fehl. Der König hatte kaum Erfolg, wenn

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4.670 Deschner Bd. 5, 363Die Rückgewinnung Lotharingiens mißlingt

man davon absieht, daß Straßburg zweimal besetzt,daß es verwüstet und in Brand gesteckt worden ist.Und nach 913 verzichtete er auf jede Rückgewinnung.Karl der Einfältige aber, seit dem Tod Ludwigs desKindes der einzige karolingische König, nannte sichsofort nach Konrads Wahl nicht mehr mit dem bishergebräuchlichen bloßen Titel »rex«, ohne weitere Be-reichsbezeichnung, sondern, im bewußten Rückgriffauf die fränkisch-karolingische Tradition, wie die frü-hen Karolinger »rex Francorum«. Er residierte auchbevorzugt in Metz, Diedenhofen, Herstal, Aachen,scheiterte indes mit all seinen ambitiösen, doch nichtmehr zeitgemäßen Erwartungen und starb 929 in Ge-fangenschaft.4

Da Konrad I. seinen Aufstieg, zumal die Beseiti-gung der Babenberger, der maßgeblichen Mithilfe derReichsregenten und der Reichskirche verdankte, dasheißt den führenden ostfränkischen Prälaten, mußte ersich ihnen auch gefügig erweisen. Zwar verdankte erdie Krone ebenso den Herzögen, wäre er ohne ihreWahl bzw. Zustimmung gar nicht gekrönt worden.Doch benutzte er sein Königtum unklugerweise zurUnterwerfung der Stammesherzöge, aus deren Reihener selbst kam, und die zunächst meist durchaus guteBeziehungen zum Hof unterhielten. Dafür hatte eraber den hohen Klerus an seiner Seite, vor allem seine»bischöflichen Freunde« (Hlawitschka), den Erzbi-

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4.671 Deschner Bd. 5, 363Die Rückgewinnung Lotharingiens mißlingt

schof Hatto von Mainz, der freilich schon 913 starb,und seinen Kanzler Bischof Salomo III. von Kon-stanz.

Konrad I., militärisch zwar nicht unbefähigt, dochpolitisch instinktlos, ging bald gegen die Herzöge(duces) vor, besonders gegen deren erstarkende Ge-walt in Bayern und Schwaben. Und zum Kampfgegen die Regionalmächte kam noch der gegen dieDauerinvasionen der Ungarn, die fast Jahr für Jahrdas Reich überfielen, mit Vorliebe Bayern undSchwaben, aber auch Franken, Thüringen, Sachsen,das Elsaß, sogar Lotharingien. Und gegen die Ungarnversagte Konrad I. ganz, während die Großen da unddort, wie etwa Arnulf »der Böse« von Bayern undseine schwäbischen Onkel, das Brüderpaar Erchangerund Berthold sowie der Graf Udalrich sich durchihren Sieg 913 am Inn profilierten, nachdem Arnulf»der Böse« die Ungarn schon 909 an der Rott und910 bei Neuching geschlagen hatte. Der Konflikt mitden mehr Achtung und Ansehen gewinnenden Parti-kularmächten, den »Mittelgewalten«, wurde so nochverstärkt.

Rückhalt suchte und fand der König bei der Kirche.Der Laienabt von Kaiserswerth, der Graf im Worms-feld, im Hessen-, im Keldachgau, der sich auch durcheinen Bischof hatte salben lassen – diese Königssal-bung wird im Ostreich zum ersten Mal ausdrücklich

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4.672 Deschner Bd. 5, 363Die Rückgewinnung Lotharingiens mißlingt

bezeugt –, stützte sich im Süden besonders auf Bi-schof Salomo III. von Konstanz, im Norden auf Erz-bischof Hatto von Mainz, der ein Vierteljahrhundertdas Reich regierte. Und diese maßgeblichen Staats-männer unter Ludwig dem Kind gehörten auch zuKonrads bevorzugten Beratern.5

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4.673 Deschner Bd. 5, 364Wie aus »Arnulf von Gottes Gnaden«, »der ...

Wie aus »Arnulf von Gottes Gnaden«, »demGerechten«, Arnulf »der Böse« wurde

Weniger gut mit kirchlichen Kreisen harmonierte da-gegen »Arnulf von Gottes Gnaden Herzog der Bayernund auch der angrenzenden Gebiete«. Er übte in sei-nem Bereich die Kirchenhoheit aus, besetzte Bistümerund Reichsabteien, verlangte Anteil an ihren Einkünf-ten und sprang auch, wie einst Karl Martell, etwas ei-genmächtig mit ihrem Besitz um. So zog er, etwazwischen 907 und 914, ihre Güter ein, weshalb derKlerus ihm, der den zusätzlichen Namen »der Gerech-te« bekam, den Beinamen »der Böse« gab. Seitdemhängt dem »Zerstörer der Kirchen«, dem »Feind derKirche«, die böse Benennung an, auch wenn Arnulfdurch die umfangreiche Konfiskation kirchlicher Lie-genschaften nicht nur seine militärische Schlagkraftgestärkt, sondern auf Jahrzehnte auch den Frieden mitden Ungarn erkauft, freilich zugleich seiner VasallenBesitzgier befriedigt hat.6

Arnulf von Bayern hatte schon früh den Herzogsti-tel angenommen, betont eigenständig Politik gemacht,auch gegenüber dem König deutlich Distanz bewahrt.Um den Aufmüpfigen mehr an sich zu binden, heira-tete Konrad 913 die aus Schwaben stammende MutterArnulfs, Kunigunde, die Witwe Liutpolds von BayernKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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und Schwester der Grafenbrüder Erchanger und Bert-hold. Doch als Erchanger 914 Konrads Kanzler, Bi-schof Salomo, gefangennahm und Arnulf für seineschwäbischen Onkel Partei ergriff, vertrieb ihn derKönig mit Hilfe von bayerischen Bischöfen undÄbten: dem Erzbischof Pilgrim von Salzburg, seit912 Konrads Erzkaplan, den Bischöfen Tuto von Re-gensburg, Dracholf von Freising, Udalfried von Eich-stätt, Meginbert von Seben. Kurz, die bayerische Kir-che stand in diesem Krieg »durchweg auf der Seitedes Königs« (Handbuch der Europäischen Geschich-te).

Herzog Arnulf suchte und fand darauf Zufluchtbeim Landesfeind, bei den Ungarn. Und als er 916wieder kam, verjagte ihn der König abermals, beratenjetzt und begleitet sogar von dem sächsischen BischofAdalward von Verden, einem »Slawenmissionar«. Ander Spitze zahlreicher Truppen in Bayern eindringend,brandschatzte König Konrad – »ein stets milder undweiser Mann und Liebhaber der göttlichen Lehre«(Erzbischof Adalbert) – wie in Feindesland. Er schlugArnulf, eroberte dessen Hauptstadt Regensburg, dieteilweise in Flammen aufging und deren Bischof Tutooffenbar zu Arnulfs entschiedensten Gegnern gehörte.(Tuto wurde auch Seliger seiner Kirche.) Konrad setz-te in Bayern seinen Bruder und Mitkämpfer Eberhardals Statthalter ein. Und während die weltlichen Gro-

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4.675 Deschner Bd. 5, 365Wie aus »Arnulf von Gottes Gnaden«, »der ...

ßen mehr und mehr aus der Umgebung des Königsverschwanden, stand der bayerische Episkopat selbst-verständlich zum Sieger.

Zwar konnte Arnulf sein Herzogtum 917 zurücker-obern, Konrads Bruder Eberhard vertreiben. Ja, er ge-wann jetzt auch seine Bischöfe wieder, zumal er sehrselten sie, sondern die von ihnen beneideten reichenKlöster geschröpft und die Bischöfe an der Beute be-teiligt, also die Klöster – »mit den Prälaten zusam-men« (Prinz) – rigoros säkularisiert hatte. Bei seinemTod aber, am 14. Juli 937, rächte sich der Himmel,und dies, wie üblich, mit Hilfe der Hölle. Wurde dochArnulfs Leichnam, mitten aus einem RegensburgerGelage heraus, vom Teufel geholt und in ein nassesGrab, einen See bei Scheyern gestürzt. Dies weiß je-denfalls der Chronist des Klosters Tegernsee, dasschon im späten 8. Jahrhundert 15 Pfarrkirchen besaßund dessen Ländereien, bereits damals bis Tirol undNiederösterreich gestreut, Arnulf beschlagnahmthatte, offenbar auch zugunsten des Bistums Passau.7

Genoß aber Herzog Arnulf »der Böse« denschlechtesten Ruf bei den Mönchen, zog es KönigKonrad I. stark zu ihnen hin. Oft besuchte er Klöster,St. Gallen und Lorsch, Korvei und St. Emmeram,Fulda und Hersfeld, und meistens vermehrte er danndurch Vergabungen deren Besitz.

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4.676 Deschner Bd. 5, 366Mörderbischof Salomo triumphiert

Mörderbischof Salomo triumphiert

Aus dem Kloster kam auch jener Oberhirte, auf densich König Konrad im Süden seines Reiches vorallem stützte, Salomo III. von Konstanz, einer jenerungezählten Prälaten, die ihr Amt, ihre »Berufung«ihrer Familie verdanken. Der Nepotismus, eine Spiel-art feudaler Sippenpolitik, ist besonders »berühmtund berüchtigt« bei den Päpsten durch fast alle Jahr-hunderte, wobei er im 15., 16., 17. den »Höhepunkterreicht« (Schwaiger). Natürlich findet sich das Phä-nomen auch bei anderen Kirchenfürsten, Domkapi-teln, Großklöstern. »Immer wieder lesen wir, wie Bi-schöfe, Äbte und Äbtissinen ihre Verwandten im Amtnachfolgen lassen. Ja, sogar ganze Diözesen habensich über Generationen gleichsam im Besitz vonAdelssippen befunden« (Angenendt).

In Konstanz nun regierten zwischen 838 und 919drei Bischöfe derselben hochadligen alemannischenFamilie: Salomo I. stirbt 871; vier Jahre später wirdNeffe Salomo II. (875–889) Nachfolger; und auf ihnfolgt Neffe Salomo III. (890–919). Eine katholischeDissertation nennt die drei »die bedeutendsten Bi-schöfe des 9. Jahrhunderts.« Die Welt verdankt siedem Nepotismus, der im Christentum von Anbeginnfloriert, seit den Tagen des biblischen Jesus; hier gibt

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4.677 Deschner Bd. 5, 367Mörderbischof Salomo triumphiert

es tatsächlich einmal eine apostolische Tradition – bisins 20. Jahrhundert (vgl. III 499 ff.).8

Salomo III., um 860 geboren, wuchs in der Klo-sterschule von St. Gallen auf und war, zumindest sei-nerzeit, scharf auf Frauen. So mißbrauchte er dieGastfreundschaft eines Vornehmen, indem er dessenjungfräulicher Tochter ein Kind und die Verführtespäter zur Äbtissin in Zürich machte, worauf sie aufjede Weise »viel für seine und ihre Seele tat« (Casuss. Galli). Salomo wurde 884 Notar, 885 KanzlerKarls des Dicken. Nach dessen Sturz wechselt er zumSieger über, wird bereits 888 Kapellan Arnulfs, zweiJahre später Abt von St. Gallen und Bischof vonKonstanz. Seit 909 ist er Kanzler unter Ludwig IV.dem Kind, seit 911 unter Konrad I., der ihn stark be-günstigt und so manche Vergabung macht »auf Er-mahnung unseres getreuesten Bischofs Salomon«, unddies nicht zuletzt auf Kosten der alemannischen Gra-fenbrüder Erchanger und Berthold.

Als Markgraf Burchard von Rätien, der princepsAlamannorum, in Schwaben als erster offen nach derHerzogswürde strebte, hatte er sofort den »königsna-hen« Salomo entschieden gegen sich – »dank einerbunten Schar von Kriegern stark überlegen« (Casus s.Galli). Burchard I. wurde im Herbst 911 auf Betrei-ben des Bischofs hinterlistig ermordet und damit dererste Versuch, ein schwäbisches Herzogtum zu grün-

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4.678 Deschner Bd. 5, 367Mörderbischof Salomo triumphiert

den, vereitelt. Doch nicht zufrieden damit, wollte derBischof (im Bund mit anderen geistlichen Großen, be-sonders mit den Äbten von St. Gallen und Reichenau)die ganze Familie vernichten. Burchards Witwe kamso um alle ihre Güter. Burchards Söhne, Burchard II.,der spätere Herzog von Schwaben, und Udalrich,wurden exiliert, ihre Ländereien gleichfalls an dieGegner vergeben. Burchards I. Bruder Adalbert, Grafvon Thurgau, im Volk sehr beliebt, verlor, ebenfallsauf Anstiften des Salomo, sein Leben, vermutlich mitEinverständnis der übrigen ostfränkischen Oberhirten.Selbst noch der Schwiegermutter des jüngeren Bur-chard, Gisla, nahm man, während sie nach Rom pil-gerte, allen Besitz und verteilte ihn.

Bald darauf bekämpfte Bischof Salomo III. mitgleicher Härte den schwäbischen Pfalzgrafen Erchan-ger und dessen Bruder Berthold, die weiteren Präten-denten auf die Herzogswürde; verwandt mit demoberrheinischen Grafengeschlecht der Erchangare,dem Richgard, die Frau Kaiser Karls III., entstammte.

König Konrad hatte zunächst zu vermitteln, denKonflikt zu verhindern gesucht, hatte nach einemglänzenden Sieg Erchangers über die 913 Schwabenheimsuchenden Ungarn dessen Schwester Kunigundegeheiratet, die Witwe des 907 bei Preßburg gefallenenbayerischen Markgrafen Liutpold. Waren doch Er-changer und seine Verbündeten durch diese neue Un-

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4.679 Deschner Bd. 5, 368Mörderbischof Salomo triumphiert

garnschlacht die Herren Schwabens geworden, wes-halb Bischof Salomo immer wieder gegen sie dieFehde schürte.

Jahr um Jahr wurde so das Land verwüstet. Abervorerst blieben die Brüder, an deren Seite noch Bur-chard II., der Sohn des 911 ermordeten Markgrafenstritt, dessen Familie ewige Verbannung getroffen, er-folgreich. Erchanger nahm 914 Bischof Salomo ge-fangen, wurde zwar im Gegenzug vom König festge-setzt und des Landes verwiesen. Doch nach seinerRückkehr schlug er, zusammen mit Bruder Bertholdund dem jüngeren Burchard, 915 bei Wahlwies, un-weit Stockach, die Anhänger des Königs. Der suchtedarauf, indes Erchanger sich zum Herzog ausrufenließ, bei der Kirche Hilfe und fand auch die Unterstüt-zung Papst Johanns X.

Bischof Salomo triumphierte schließlich auf einervon Konrad am 20. September 916 mit dem fränki-schen, schwäbischen und bayerischen Episkopat ab-gehaltenen Synode zu Hohenaltheim (bei Nördlingenam Ries). Es war die erste allgemeine Kirchenver-sammlung in Deutschland in nachkarolingischer Zeit,wobei allerdings die sächsischen Prälaten – es wurdescharf gerügt – durch Abwesenheit glänzten.

Die Synodalen stellten sich entschieden auf dieSeite des Königs, des »Gesalbten des Herrn«, der of-fenbar teilnahm. Sie schärften aufs strengste Treue-

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4.680 Deschner Bd. 5, 369Mörderbischof Salomo triumphiert

pflicht gegen ihn ein und drohten seinen Widersa-chern, voran den namentlich genannten Arnulf undErchanger, mit Kirchenstrafen. Den Vorsitz führte derLegat Johanns X., Bischof Petrus von Orte, einer dernächsten päpstlichen Vertrauten, eigens abgesandt,wie es hieß, »daß er das in unseren Landen aufgegan-gene teuflische Unkraut ausrotte«. Tagte die Synodeja auch, so steht es in den Akten, um »die gottloseEmpörung einiger Verruchter zu beendigen und nie-derzuschlagen«.

Nach dem Begleitbrief des Papstes (der seinerzeitein fünfjähriges Kind zum Erzbischof von Reimsmachte) sollte man über kirchliche Mißstände bera-ten! So trat man, neben Selbstermahnungen, nicht zu-letzt wieder für die eigene Macht ein, kräftig gestütztauf die pseudoisidorischen Fälschungen, forderte dieZehnten, Schutz des Kirchengutes, das Privileg, daßGeistliche nie von weltlichen Richtern verurteilt wer-den dürften: wer einen Bischof oder Priester verklage,verklage die göttliche Weltordnung (»nahezu alle Be-stimmungen über die Sicherung der Bischöfe vorweltlichen Gewalten sind wörtliche Zitate aus der De-kretalensammlung des Fälschers«: Hellmann). Wäh-rend es den Prälaten jedoch freistand – nach dem be-rüchtigten Vorbild von Papst Leo III. anno 800 (IV448 f.), der freilich nur »dem Beispiel seiner Vorgän-ger« folgte –, sich von einer Anklage durch einen Rei-

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4.681 Deschner Bd. 5, 369Mörderbischof Salomo triumphiert

nigungseid zu befreien, suchte man die Strafen derKirche gegen andere noch zu schärfen kraft der geradeerschwindelten pseudoisidorischen Dekretalen, derenGeist die Synodalbeschlüsse »voll und ganz« atmen(Hellmann).

So wurden die beiden Grafenbrüder Erchanger undBerthold sowie ihr Neffe, die sich, allzu vertrauens-voll offenbar auf eine Beilegung des Verwandten-streits hoffend, der Synode überantwortet hatten, vonihr zu lebenslänglicher Klosterhaft verurteilt (währendder bayerische Herzog Arnulf nebst Bruder Berthold,Konrads Stiefsöhne, trotz Aufforderung, vorsichtiger-weise die Synode mieden). Noch härter aber war derKönig, dem sich die Synodalen übrigens gleichge-stellt. Nur drei Monate nach ihrer Zusammenkunft,am 21. Januar 917 – es erinnert fatal an das Ende desBabenbergers Adalbert –, ließ Konrad I. den Pfalz-grafen Erchanger und dessen Bruder Berthold, seineSchwäger, sowie ihren Neffen Liutfried als »Hochver-räter« köpfen; »doch hinter ihm steht Salomo, derSchuldige wohl auch dieser Tat« (Lüdtke).9

Es nutzte dem König nicht. Noch 917 erhob sich inSchwaben der Sohn des durch Bischof Salomo ermor-deten rätischen Markgrafen (S. 367), der HunfridingerBurchard II., der Rivale der Hingerichteten, und setztesich an deren Stelle. Er okkupierte ihren Besitz undgewann rasch die Anerkennung der schwäbischen

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4.682 Deschner Bd. 5, 370Mörderbischof Salomo triumphiert

Großen als Herzog (dux). Im gleichen Jahr kehrte Ar-nulf nach Bayern zurück, rebellierte gegen den Königund jagte dessen Bruder Eberhard aus seiner »Haupt-stadt«. Schließlich stoben 917 auch wieder die Un-garn heran und verheerten besonders schwer Schwa-ben, das Elsaß samt Lotharingien, ohne daß irgendeine vom König organisierte Abwehr erkennbar wäre.Doch zog dieser im Herbst 918 noch einmal gegenRegensburg und wieder ohne Erfolg.10

Von Konrads letzter Regierungszeit wissen wirwenig. Kinderlos verschied er am 23. Dezember 918an einem uns unbekannten Ort und fand in Fuldaseine letzte Ruhe. Er hatte weder die aufstrebendenHerzöge bändigen noch die eigene Macht festigenkönnen, ja er starb an einer Wunde, die er eben aufdem scheiternden Bayernfeldzug erhalten. Als Nach-folger aber schlug er, so heißt es, seinen einstigenGegner, den Sachsenherzog Heinrich vor. Um denFrieden wieder herzustellen, jedem Zwiespalt vorzu-beugen, die Reichseinheit zu wahren, beschwor ernoch auf dem Sterbebett seinen aus Bayern vertriebe-nen Bruder Eberhard, dem sächsischen Herzog Hein-rich, dem Mann mit der wahren königlichen Macht,dem echten Königs-Charisma, die Königsinsignien zuschicken und mit ihm Freundschaft zu schließen –falls die Meldung des Corveyer Mönchs zutrifft.

Denn ob diese edle, seitdem so viele alte und neueKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.683 Deschner Bd. 5, 370Mörderbischof Salomo triumphiert

Federn in Bewegung setzende, so ungezählte Leserrührende Geste historisch, ob die oft bestaunte Desi-gnation des Sachsen durch den Franken wirklich ge-schehen ist, müßte offen bleiben, auch wenn Widu-kinds Bericht nicht zweifellos topische Bestandteileund mancherlei suspekte Ausschmückungen enthielte.Der hochadlige Mönchs-Chronist war stolz auf seinenStamm, war durchdrungen von sächsischem Volksbe-wußtsein und auch sonst darauf aus, die Legitimitätder liudolfingischen Dynastie zu betonen, die hiervielleicht nachträglich eine politische Legende in dieWelt setzen ließ, sei es um der Sache eine höhereWeihe zu geben, sei es um eine Usurpation zu vertu-schen.11

Schließlich haben auch die Merowinger ihre Kro-nen geraubt. Und die Karolinger. Und viele anderedavor und danach. Denn gewöhnlich wird die Ge-schichte, die politische Geschichte, durch nichts mehrals durch brutales Nehmen geprägt, durch Gewalt: dieBasis des Staates, die von allen, wohl oder übel, ak-zeptierte Integrationsinstanz; Gewalt: spätestens so-bald die Interessen, sobald der Besitz, sobald das Po-tential und Prestige der Herrschenden impliziertsind – und sie sind es, offen oder verdeckt, immer;Gewalt: etwas zutiefst Barbarisches, Vernichtendes,auch wenn sie, je verheuchelter die Gesellschaft, destomehr, mit Vorliebe im Gewand von Recht und Ord-

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4.684 Deschner Bd. 5, 371Mörderbischof Salomo triumphiert

nung daherkommt, als »Rechtsstaat«. Denn jederStaat beruht auf Macht, jede Macht auf Gewalt, undGewalt, sagt Albert Einstein, zieht stets moralischMinderwertige an. Noch heute gilt so die primitiveGleichung: Macht gleich Recht. Noch heute gibt, ge-rade im zwischenstaatlichen Bereich, die Macht denMaßstab dafür, wer im Recht ist. »Einem erfolgrei-chen Putsch oder einer Revolution folgt über kurzoder lang die Anerkennung der neuen Regierungdurch andere Nationen. Wer einen Krieg gewinnt, be-stimmt über den neuen Verlauf von Grenzlinien undden Inhalt neuer Verfassungen – er ist es, der dieneuen Regeln festlegt« (Esther Goody).12 Selbstwenn Heinrichs I. Wahl somit ganz »legal« verlief,die Voraussetzung dafür, das Wegnehmen, das Akku-mulieren von Macht, von Gewalt durch ihn, seineVäter, Vorväter konnte nur durch fortgesetztes Rivali-sieren, Übervorteilen, Unterdrücken, Blutvergießenerfolgen.

Und genauso sollte es weitergehn.

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4.685 Deschner Bd. 5, 3739. Kapitel

9. Kapitel

Heinrich I., der erste deutsche König

»Lesen und Schreiben konnte er nicht, womit erkeine Ausnahme unter den frühmittelalterlichenKönigen war. Auch für die Bildung seinerSöhne tat er diesbezüglich nicht viel.«

Elfie-Marita Eibl1

»Erst im Winter 928/929 ... drang Heinrich indas Gebiet der Elbslawen ein und eroberte Bran-denburg. Von dort wandte sich der König nachSüden, wo er das Gebiet der Daleminzier verwü-stete ... Weitere Kriegszüge in den Jahren 932und 934 erweiterten den deutschen Machtbe-reich.«

Dietrich Claude2

»Erstaunlich sind Heinrichs Erfolge ... Der Er-folg ruht allein auf der Schärfe des Schwertes.«»Den erobernden Truppen folgte, noch vor demPriester, der Sklavenhändler auf dem Fuß.«

Johannes Fried3

»König Heinrich, der große Förderer des Frie-dens und eifrige Verfolger der Heiden, starb am2. Juli, nachdem er viele Siege tapfer und männ-

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4.686 Deschner Bd. 5, 3739. Kapitel

lich erfochten und die Grenzen seines Reichesüberall erweitert hatte.«

Adalberti continuatio Reginonis4

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4.687 Deschner Bd. 5, 375So sorgt man für die Seinen

So sorgt man für die Seinen

Nach dem Tod seines Vaters, des SachsenherzogsOtto des Erlauchten (912), war Heinrich von den Gro-ßen zum Herzog gewählt worden. Und mit seiner Kö-nigswahl ging die Herrschaft im ostfränkischen Staatvon den Franken auf die Sachsen über. Gleichzeitigmarkiert der Regierungsbeginn – so jedenfalls imRückblick auf eine schon im 12. Jahrhundert umstrit-tene Frage – den endgültigen Übergang vom ostfrän-kischen zum »deutschen« Reich, auch wenn einerseitsdessen Wurzeln zweifellos weiter zurückführen, ande-rerseits das ottonische Reich noch niemand im 10.Jahrhundert als »deutsches« Reich betrachtet hat.

Das mächtige, zumal in Ostsachsen, zwischenLeine und Harz, reich begüterte Adelshaus der – mitden Karolingern mehrfach verschwägerten – Liudol-finger-Ottonen, dem Heinrich I. entstammte, dies illu-stre Geschlecht (benannt einerseits nach seinem älte-sten, andererseits nach seinem berühmtesten Reprä-sentanten) zeigt einmal mehr, wie sehr sich Macht-sucht und »Frömmigkeit« in der Geschichte verbindenund wie sehr sie gedeihen können. Der Ahnherr, dererste uns sicher bekannte Vorfahre, der im Harzvor-land und im thüringischen Eichsfeld begüterte Sach-sengraf Liudolf (gest. 866), der Großvater Heinrichs

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4.688 Deschner Bd. 5, 376So sorgt man für die Seinen

I., profitierte beträchtlich an der SachsenschlachtungKarls I. durch Landzuweisungen. Er heiratete dieFränkin Oda, die Gott mit einem Alter von 107 Jah-ren segnete (gest. 913), pilgerte mit ihr 845/846 nachRom und erwarb vom Heiligen Vater Sergius II., derBischofsstühle und andere Kirchengüter gegenHöchstangebote vergab, die Reliquien verschiedenerweiterer heiliger Vorgänger im Amt. Schließlich schufer mit Gattin 852 in Brunshausen ein Kanonissenstift,das 881 nach Gandersheim verlegt wurde, eine der er-sten Klostergründungen sächsischen Adels. Wie soviele diente sie der Versorgung einiger Töchter – undzugleich bekundete das fromme Familienunternehmeneine christliche Gesinnung.

Die Söhne, der ältere Brun, Heinrichs I. Onkel,880 an der Spitze eines sächsischen Heeres gegen dieDänen gefallen, und Otto der Erlauchte, Heinrichs I.Vater, erwirkten nach der Heirat ihrer Tante, der Liu-dolftochter Liutgard, mit König Ludwig dem Jünge-ren (S. 259 f.) diverse Privilegien, darunter auch dieGarantie der Äbtissinnenwürde für die Töchter desliudolfingischen Hauses. Darauf trat hier eine Tochternach der anderen das Regiment an. Und bis zur Ein-führung der Reformation, bis 1589, blieb der Reichs-fürstinnenstand der Gandersheimer Äbtissinnen erhal-ten. Ja, noch bis ins frühe 19. Jahrhundert ist Gan-dersheim ein Damenstift des Hochadels. So sorgt man

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4.689 Deschner Bd. 5, 376So sorgt man für die Seinen

für die Seinen ...Daß solch fromme Schöpfung aber keine Ausnah-

me war, zeige parenthetisch das Frauenstift Essen(852–1803), das ebenfalls bis zu seiner Säkularisati-on bestand, fast ein Jahrtausend.

Um 852 durch den Hildesheimer Bischof Altfridgegründet, stammten die Santimonialen aus den vor-nehmsten Familien des Reichs. Zur Zeit Kaiser Hein-richs IV. (gest. 1106) besitzt das Frauenstift überhundert Herrenhöfe und mehr als dreitausend bäuerli-che Hufen! Bewirtschaftet wurden die Güter durch ab-hängige Bauern, (halbfreie) Hörige; zahlreicheSpann- und Handdienste, Mäh- und Gartendienstewaren üblich. Die Äbtissinnen des Stiftes, die Gut umGut und Hoheitsrecht um Hoheitsrecht errangen, wur-den schließlich in den Reichsfürstenstand erhoben.Nach der Auflösung der vita communis im 10. Jahr-hundert führte die Äbtissin des Essener Frauenstiftseinen eigenen Haushalt mit vier Hofämtern, mit zahl-reicher Dienerschaft, auch einem eigenen Koch, Un-terkoch, Bäcker, Brauer. Allabendlich fragte der Kü-chenmeister bei der Äbtissin an, was sie anderntagszu speisen wünsche und gab dann dem Oberkoch wiedem Rentmeister entsprechende Befehle. Droste (Kü-chenvorstand) und Schenk bedienten sie beim Mahl.

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4.690 Deschner Bd. 5, 377Profiteure der Sachsenabschlachtung

Profiteure der Sachsenabschlachtung

Liudolfs des Ahnherrn jüngerer Sohn Otto der Er-lauchte herrschte als Herzog bereits über ganz Sach-sen, besaß aber ausgedehnte Liegenschaften auch inThüringen, im Eichsfeld, einer Landschaft zwischenHarz und Thüringerwald, im Südthüringgau sowie inHessen, wo er als Laienabt des Klosters Hersfeld überdessen reichen Zehntbesitz auch links der Saale gebot.Da zwei von Ottos Söhnen, Thankmar und Liudolf,schon vor ihm starben, folgte ihm der Jüngste, Hein-rich (I.), nach. Doch begann damit eben nicht bloßdas sächsische Regiment im ostfränkischen Reich,sondern zugleich der Schritt vom ostfränkischen zumdeutschen.

Nur wenig mehr als ein Jahrhundert nach der über-aus blutigen, 33 Jahre dauernden Unterwerfung derSachsen, dieser begnadeten Predigt »mit eisernerZunge«, durch ihren Schlächter, den »Sachsenapo-stel«, den hl. Karl I. (IV 455 ff.), wurde ein Sachseder eigentliche erste deutsche König. Dabei sei frei-lich nachhaltig daran erinnert, daß sich gerade dersächsische Adel früh mit dem fränkischen versippte,daß seine Mehrheit zu den neuen Herren überlief undman die Kollaboration oft mit konfisziertem Land be-lohnt hat. So waren auch die Liudolfinger während

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4.691 Deschner Bd. 5, 378Profiteure der Sachsenabschlachtung

Karls Sachsengemetzel »als Parteigänger der Frankenhervorgetreten« (Struve) und zum Dank für den Ver-rat, der Sachsens Überführung auch in feudale Fronbeschleunigte, noch während der Sachsenkriege aufsequestriertem Grund im Leinegebiet mit Gütern be-dacht worden. Dort und anderwärts breiteten sie sichaus, u.a. durch die gewaltsame Wegnahme von Main-zer Besitz, was wieder zum Konflikt mit den Konradi-nern führte, zumal Otto der Erlauchte die Babenber-gerin Hadwig geheiratet hatte.5

Aus Heinrichs I. Zeit sind so wenig Quellen (insge-samt 41 Urkunden, davon 22 Originale) erhalten, daßman sagen konnte, über kaum einen andren mittelal-terlichen König »wissen wir so wenig« (Eibl). Unddie von ihm erzählenden Geschichtsschreiber, derMönch Widukind (gest. nach 973), die Bischöfe Liut-prand von Cremona (gest. 970/972), Adalbert vonMagdeburg (gest. 981), Thietmar von Merseburg(gest. 1018), gehören nicht nur, wie üblich, demgeistlichen Stand an, sie sind auch zum Teil demsächsischen Stamm, sind fast alle dem sächsischenFürstenhaus besonders verbunden. Und sie berichtensämtlich aus einer späteren Zeit.

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4.692 Deschner Bd. 5, 378Der ungesalbte König tritt an

Der ungesalbte König tritt an

Heinrich I., um 876 geboren, wurde Mitte Mai 919,im Alter von fast 45 Jahren, in Fritzlar (Nordhessen),einst Stützpunkt der Mission des Bonifatius, vonSachsen und Franken zum König gewählt. Auf fränki-schem Boden, doch nah dem Sachsenland, überant-worteten sie dem neuen Herrn »unter Tränen vorChristus und der ganzen Kirche als unverbrüchlichenZeugen, was ihnen anvertraut war« (Thietmar vonMerseburg). Die fränkischen Großen sollen, wie neu-erdings vermutet, ihn gar schon vorher zu ihremKönig erkoren und ihm gehuldigt haben. Schwabenund Bayern fehlten; erst recht die Lotharingier. DieSchwaben standen gerade gegen Rudolf II. von Hoch-burgund (912–937) im Kampf, der offenbar nachNordosten expandieren wollte. Die Bayern hatten sei-nerzeit König Konrad geschlagen, ja, in den Tod ge-schickt (S. 369 f.) und ihren Herzog Arnulf »denBösen«, vermutlich zusammen mit einigen Mainfran-ken, zum König gemacht – wann, ob vor oder nachKonrads Erwählung, ist offen und somit auch, werwessen »Gegenkönig« war.

Jedenfalls verging bis zu Heinrichs Erhebung fastein halbes Jahr nach Konrads Tod, was Probleme in-diziert. Schließlich hatte der neue Herrscher als Nicht-

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4.693 Deschner Bd. 5, 379Der ungesalbte König tritt an

karolinger, sogar Nichtfranke gleich ein doppeltes Le-gitimationsdefizit. Umso erstaunlicher, daß er, was al-lein Widukind berichtet, der »ungesalbte König«wurde, und zwar aus eigenem, ganz persönlichen Ent-schluß. War er vielleicht, trotz neuerer Ab-schwächungsversuche, zunächst doch etwas wenigerklerushörig als sein Vorgänger, der die Kirche zumKampf gegen die Herzöge und Prätendenten genutzt,was den Bischöfen wiederum mehr Einfluß verschaffthatte? Wie auch immer, Heinrich, angeblich solcherEhre unwert, ließ sich nicht salben, was ihm derMainzer Metropolit Heriger (913–927) angeboten,natürlich aus Prestigegründen, Machtkalkül. War jadie kirchliche Benediktion des Königs seit der Zeitdes besonders klerusergebenen Ludwig IV. auch inOstfranken üblich geworden.

Heinrich aber wollte nicht als Gegner der Herzögeerscheinen, als Fortsetzer von Konrads gescheiterterPolitik, kurz gesagt als Mann des Episkopats. Sostützte er sich, ohne im geringsten antiklerikal, auchnur antiepiskopal zu sein, zunächst bloß auf eineneinzigen, gleichsam von seinem Vorgänger übernom-menen Notarius (Simon), statt auf die traditionellegeistliche Kanzlei, mit deren Aufbau er zögerte. Undwährend Konrad mit dem Klerus eng kooperiert hatte,erstrebte Heinrich, mehr als primus inter pares, ganzallgemein die Zusammenarbeit mit den weltlichen

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4.694 Deschner Bd. 5, 380Der ungesalbte König tritt an

»maiores« des Reichs, natürlich zugunsten von dessenEinheit und Schlagkraft.

Diese Integrierung gelang ihm zuerst 919 mit demschwäbischen Herzog Burchard, der das jüngste undnoch am wenigsten gefestigte Herzogtum anführteund sich überdies gerade in einem ernsten Konfliktmit dem benachbarten Burgunderkönig Rudolf II. be-fand (der über die von ihm eroberte Pfalz Zürich inden Bodenseeraum vorzustoßen begann; mit großenKönigsgütern, der Pfalz Bodmann, der Abtei Rei-chenau, der Bischofsstadt Konstanz, das damaligeHerz Schwabens). Und mit dem Bayernfürsten Ar-nulf, der wohl mehr ein bloß bayerisches Königtumbeabsichtigte, arrangierte er sich 921 – nach einem er-sten mißglückten, einem zweiten unentschiedenenKriegszug.

Heinrich war bis vor Regensburg gezogen, vermiedjedoch eine Entscheidungsschlacht. Denn anders alssein Vorgänger Konrad I. suchte das »Genie ent-schlossenen Zauderns« in der Regel nicht den offenenSchlagabtausch. »Er droht, hochgerüstet, aber erschlägt nur ungern zu« (Fried). Das gilt freilich mehrfür seine Innen-, gewiß nicht für seine Ostpolitik. Ge-genüber den Herzögen seines Reiches indes verhan-delt er lieber, macht Kompromisse. So überläßt erbeiden süddeutschen Fürsten das auf ihrem Gebiet lie-gende Fiskalgut, er gestattet ihnen die Kirchenherr-

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4.695 Deschner Bd. 5, 380Der ungesalbte König tritt an

schaft, die Verfügung über die Bischofssitze undReichsklöster, erteilt vielleicht sogar einige außenpo-litische Befugnisse; natürlich all dies einzig und al-lein, weil ihm die Macht fehlte, völlig zu unterwerfen;aber er wurde anerkannt. Und als er mächtiger, seinePosition stabiler war, da griff er auch das Problem derKirchenherrschaft auf und verband sich immer engermit dem Klerus (S. 382 ff.).6

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4.696 Deschner Bd. 5, 380Lukrative Bräute und ein gefügiger Bischof

Lukrative Bräute und ein gefügiger Bischof

Die Regierung des ersten deutschen Königs zeigt ein-mal mehr den Angelpunkt der Politik. »Der Königaber wuchs und nahm zu an Macht von Jahr zu Jahr«,rühmt Widukind von Corvey. Macht – und je mächti-ger ein Mächtiger, desto tiefer beugen sich, jedenfallsin der Regel, worum es hier stets geht, die Ge-schichtsschreiber vor ihm.

Heinrich I. sorgte zunächst durch eine reiche Fraufür Stärkung seiner Position. Im Alter von etwa 25Jahren warb er um Hatheburg, die Erbtochter des söh-nelosen Grafen Erwin von Merseburg. Auf ihren auchpolitisch bedeutsamen Besitz – ein Ausfalltor nachOsten, mit weiten Ländereien in jenem Raum – warfreilich (in Gestalt Hattos I.) auch die Kirche scharf,unter deren Einfluß die verwitwete Hatheburg offen-bar den Schleier genommen. Und so eigensüchtig, wieder Klerus sie ins Kloster gebracht haben mochte, soeigensüchtig holte sie Heinrich, »ob ihrer Schönheitund der Brauchbarkeit ihres reichen Erbes«, auch wie-der heraus, heiratete sie und zeugte mir ihr seinenSohn Thankmar.

Aber, verrät Thietmar von Merseburg wieder, »dieLiebesleidenschaft des Königs zu seiner Gemahlinnahm ab«. Und da traf es sich gut, daß der »wackere«,

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4.697 Deschner Bd. 5, 381Lukrative Bräute und ein gefügiger Bischof

»kluge«, der »so rechtschaffene« Bischof Siegmundvon Halber Stadt (894–924), dieser »Gipfel vollkom-menen Strebens«, die Rechtmäßigkeit der Ehe an-focht. Unterstellte doch der »im Eifer für Christus er-glühende Mann«, der überdies »durch vielseitigeKenntnis geistlicher und weltlicher Wissenschaft da-mals alle Zeitgenossen überragte«, ein Heinrichs Eheausschließendes früheres Gelübde Hatheburgs. Ergoverbot er beiden prompt »die weitere eheliche Ge-meinschaft kraft der Banngewalt apostolischer Be-vollmächtigung«. Worauf der folgsame katholischeFürst ja gar nicht anders konnte, als die unkanonischeEhehälfte zu verstoßen.

Dabei traf es sich einmal mehr gut, daß Heinrichbereits »ob ihrer Schönheit und ihres Vermögens fürdie junge Mathilde« erglühte. Also sperrte er die ersteGattin bald wieder ins Kloster, selbstverständlichunter Zurückbehaltung ihres reichen Brautschatzes,großer in Ostsachsen gelegener Ländereien – einGrundstock des beträchtlichen ottonischen Königsgu-tes um Merseburg. Und wie Heinrich damit seineMacht nach Osten vergrößert hatte, weitete er sie nun,durch eine zweite Ehe, nach Westen aus. Er heirateteim Jahr 909 die Tochter des Grafen Thiederich, diejunge Mathilde, wegen »ihrer Schönheit und ihresVermögens« (Thietmar), zudem berühmt durch ihreAbstammung (wenn auch nicht in der männlichen

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4.698 Deschner Bd. 5, 382Lukrative Bräute und ein gefügiger Bischof

Linie) von dem sächsischen Heroen und WidersacherKarls im Sachsenkrieg, Widukind. Mathilde warseine Urenkelin und überdies, so ihr Biograph, »höch-sten Lobes wert«, natürlich auch wieder höchst begü-tert, eben durch das westfälische Erbe der Widukinde.Und selbstverständlich war auch sie wieder sehr derKirche ergeben, kurz: »in religiösen wie in weltlichenDingen wertvoll« (in divinis quam in humanis pro-fuit: Thietmar).

Erneut holte sie Heinrich, jetzt offenbar mit Hilfeseines Vaters, des Herzogs Otto, Laienabtes in Hers-feld, aus einem Nonnenkloster, diesmal aus Herford,wo sie, angeblich ohne für den geistlichen Stand be-stimmt zu sein, eine gleichnamige großmütterlicheÄbtissin erzog. »Sie trat hervor, die schneeigen Wan-gen von flammender Röte übergossen, als wärenweiße Lilien mit roten Rosen vereint« (Vita Mathil-dis). Schon einen Tag nach seiner Ankunft in dem hl.Haus soll Heinrich mit seiner Beute davongezwit-schert sein. Und ihre Morgengabe brachte ihm nuneinen Einflußgewinn in Ostfalen und Engern.7

Daß dieser Mann, dem die Sage dann durch dieZeiten als »Heinrich dem Vogler«, als »König amVogelherd«, eine gewisse unhöfische Haltung, einebeinah bäuerliche Bescheidenheit zusprach, auch alsKönig nicht zu kurz kam, versteht sich von selbst.Sogar Bischof Thietmar, der doch Heinrichs »Tüch-

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4.699 Deschner Bd. 5, 382Lukrative Bräute und ein gefügiger Bischof

tigkeit«, »große Leistungen« rühmt, »die ewiger Erin-nerungen würdigen Taten unseres Königs«, räumt ein:»Wenn er sich während seines Königtums, wie vielebehaupten, bereichert hat, möge es ihm der barmher-zige Gott verzeihen.«8

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4.700 Deschner Bd. 5, 383»Verbrüderungsbewegungen« und Pfaffennähe

»Verbrüderungsbewegungen« und Pfaffennähe

Daß Heinrich nach seiner Wahl die Salbung verwei-gerte, hat den Klerus anscheinend befremdet, zumaldas Einsetzen des Königs stets Rechte des Königsma-chers erzeugte. Also raunte dem hl. Ulrich – Heinrichgab ihm 923 das Bistum Augsburg – der ApostelfürstPetrus persönlich ins Ohr: »Melde dem König Hein-rich, daß jenes Schwert ohne Handgriff einen Königdarstellt, der ohne bischöflichen Segen (sine benedic-tione pontificali) sein Reich regiert, das Schwert mitdem Knauf aber einen König, der das Steuer des Rei-ches mit göttlichem Segen hält« (Vita Oudalrici).Woraus sich für Heinrich der Name »ensis sine capu-lo« (Schwert ohne Griff) entwickelte.

Diese Prälatenlehre durfte Heinrich nicht allzulange mißachten. Um so weniger, als die Bischöfe imLauf des 9. und 10. Jahrhunderts immer mehr Rechteerhalten hatten und erhielten, sogar solche, die ur-sprünglich dem König eigneten, bis selbst die Graf-schaften an sie kamen – all dies vermutlich weit wich-tiger für den Monarchen als der Rat des hl. Petrus unddessen Auftreten vor einer ganzen Synode!

Dabei war Heinrich keineswegs grundsätzlich anti-klerikal. Vielmehr wandte er sich nach wenigen Jah-ren, nach dem vergeblichen Versuch, die bischöfliche

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4.701 Deschner Bd. 5, 383»Verbrüderungsbewegungen« und Pfaffennähe

Macht in Deutschland zu beschneiden – Albert Hauckbehauptete einst geradezu: »am Hofe keines anderenKönigs waren die Bischöfe so einflußlos wie an demHeinrichs« –, immer mehr der Kirche zu. Die geistli-chen Chronisten rühmen ihn deshalb. Heinrich erbau-te Gotteshäuser in Sachsen, wo er offenbar mit denLandesbischöfen »in bestem Einvernehmen stand«(Eibl). Er trat samt Familie auch der Gebetsgemein-schaft wichtiger Klöster bei, in Fulda, St. Gallen, aufder Reichenau, im südlotharingischen VogesenklosterRemiremont. Überschwemmte doch seinerzeit – Zei-ten der Not! – eine ganze Verbrüderungsflut desAdels mit den Klöstern das Land, letztlich nichts an-deres als eine vertragliche Vereinbarung von laikalenund geistlichen Personen zwecks gegenseitigen Bei-standes, selbstverständlich auch in der Fehde. Be-zeichnenderweise kam es zu regelrechten »Verbrüde-rungsbewegungen« besonders bei der Mission undAusbreitung der Kirche in den christianisierten Län-dern.

Ganz ähnlich verhielt es sich mit den florierendenFreundschaftsbündnissen. Zumal Heinrichs Amicitia-Pakte mit den Herzögen, mit »gemachten Freunden«,wodurch er seine Herrschaft wesentlich zu sichernsuchte, entsprangen einem rein opportunistischenKalkül, waren offensichtlich Integrationsbestrebun-gen, »Bündnispolitik zu Herrschaftssicherung« (Beu-

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4.702 Deschner Bd. 5, 384»Verbrüderungsbewegungen« und Pfaffennähe

mann), im Grunde nur eine eigensüchtige Kumpaneider Fürsten und des Hochadels. Derartige Partner-schaften mit den Großen des Reichs – die dann Otto I.verweigerte – schloß Heinrich mit den HerzögenEberhard von Franken, Arnulf von Bayern, Giselbertvon Lotharingien, auch mit seinem Vorgänger Kon-rad, mit König Rudolf von Hochburgund und mehre-ren westfränkischen Königen. Schließlich war »Ratund Hilfe« auch eine Formel der »konstruierten«Freundschaft gegenüber der »geborenen«, der Bluts-verwandtschaft, mit der es im Christentum, wie schonoft gezeigt, nicht weit her war.

Im übrigen verband sich Heinrich I. immer engermit der Reichskirche, ja, er soll bald nichts ohne dieBefragung von Bischöfen unternommen haben, diebei ihm »fortwährend eine hervorragende Stellung«einnahmen (Waitz). Schon 921, als ihm Karl der Ein-fältige die Hand des hl. Dionysius gab (den man zwarim Mittelalter für eine Person hielt, der aber, wie wirheute wissen, aus der Mixtur von drei verschiedenenPersonen entstand), hatte er, auf Rat eines bayerischenPrälaten, einen längeren Feldzug gegen den Bayern-herzog Arnulf geführt, den die Kirche als den Bösen,als Tyrannen und Sohn der Verderbnis verschrie, des-sen große Säkularisationen aber zum Teil bereits Her-zog Berthold, Arnulfs Bruder, wieder rückgängigmachte. Schon 922 ernannte Heinrich den Erzbischof

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4.703 Deschner Bd. 5, 384»Verbrüderungsbewegungen« und Pfaffennähe

Heriger von Mainz, dessen Salbungsofferte er dochabgewiesen, offiziell zu seinem Erzkapellan undumgab sich immer mehr mit Oberhirten und Äbten,die in den Königsurkunden ebenfalls stark überwo-gen. Auch übergab er (929) seinen vierjährigen SohnBrun dem Bischof Balderich I. von Utrecht zur Erzie-hung und bestimmte ihn für die bischöfliche Lauf-bahn.

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4.704 Deschner Bd. 5, 385Die »Heilige Lanze«

Die »Heilige Lanze«

Schließlich erwarb Heinrich nach monatelangem Er-suchen, Fordern, Drohen von König Rudolf II. vonHochburgund 926 für Gold, Silber sowie, als weitereGegengabe, einen »nicht geringen Teil des Schwaben-landes«, Basel, die mit einem vermeintlichen Nagelvom Kreuz Christi ausgestattete, siegverheißendeHeilige Lanze, angeblich ein Symbol für den An-spruch auf Italien.

Das kostbare Stück nahm unter den »Reichsinsi-gnien« (deren Besitz die Rechtmäßigkeit der Herr-schaft auswies) »lange den vornehmsten Platz« ein(Althoff/Keller). Allerdings wurde diese HeiligeLanze mal als Konstantinlanze ausgegeben, mal alsLanze des Longinus, der in der Passionsgeschichtedie Seite des Gekreuzigten einstach, später, so erzähl-te man, (samt dem von ihm bekehrten Kerkermeister)selbst Märtyrer wird, und den man darum sinniger-weise beim »Blutsegen« anruft, beim Besprechen vonBlutungen und Wunden. Endlich gilt die HeiligeLanze seit dem 11. Jahrhundert auch als Lanze des hl.Mauritius, eines prominenten, von den Franken als»Kriegsheiligen« verehrten und zum »Reichsheiligen«gemachten Märtyrers, der – in der christlichen Hel-densage! – unter Diokletian in der Schweiz als Führer

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4.705 Deschner Bd. 5, 385Die »Heilige Lanze«

der Thebäischen Legion samt nicht weniger als 6600weiteren Märtyrern glorreich umgekommen war (S.460): – ein Schwindel reiht sich in dieser Kirchen-,Heiligen- und Märtyrergeschichte an den anderen, undoft ist einer größer als der andere.

Die heilige Rarität, in der sozusagen drei HeiligeLanzen in einer Heiligen Lanze steckten (wie in demeinen Dionysius drei komplette Heilige – ja, oder wiein der einen göttlichen Person drei göttliche Perso-nen ...), dies »unschätzbare Geschenk des Himmels«,neben dem es natürlich weitere, auch auf Kreuzzügen(1098, 1241) mitgeführte (doch weniger wirksame)Heilige Lanzen gab, zierte seitdem den Kronschatzder deutschen Könige und soll 1938 von Wien in die»Stadt der Reichsparteitage« Nürnberg gebracht wor-den sein. Heute ruht sie jedenfalls wieder in derSchatzkammer Wiens, brächte aber als Gegengabekaum noch einen »nicht geringen Teil des Schwaben-landes« oder auch nur die Stadt Basel ein. Damalsfreilich verbürgte das »Kleinod«, die »Trägerin einerhöchst kostbaren Reliquie ... als Herrschaftssymboldem sehr handfest gläubigen König herrscherlicheSiege« (Kämpf) – vor allem wohl seinen Triumph,wobei man sie dem Heer vorantrug, über die Ungarnim Jahre 933, wofür Heinrich den 15. März gewählthatte, den Tag des hl. Longinus ...9

Ob nun aber König Heinrich I. sich mehr, nachKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.706 Deschner Bd. 5, 385Die »Heilige Lanze«

Widukind, durch die »Gnade Gottes« geleitet sahoder durch das »geopolitische Gesetz der Elbe«(Lüdtke), er stürzte sich schließlich mit wahrer Wutund Wonne auf die Heiden, indem er eine Reihe ver-heerender Feldzüge gegen die Elbslawen unternahm,von Erzbischof Adalbert von Magdeburg deshalb als»Anhänger des Friedens« gefeiert.

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4.707 Deschner Bd. 5, 386Vom Höllenfrieden der Christen und von ihren ...

Vom Höllenfrieden der Christen und von ihren»Grundwerten«

Der Friede bekam (nicht nur damals!) ein ganz be-stimmtes Gesicht für gewisse Kreise, besonders fürdie kirchlichen – »eine pax, die nicht in der bloßenAbwesenheit von Krieg und Zerstörung bestand, son-dern das irdische Gegenstück zur civitas celestis bil-dete, in welcher iustitia, die ›rechte Ordnung‹, überallherrschte und nirgendwo entstellt oder gestört wurde«(Bullough). Es kann also sehr wohl in so verstandener»pax« durch Kampf und Grauen drunter und drübergehn, ja, es muß geradezu Krieg geben, wird »iusti-tia«, die »rechte Ordnung« verletzt, eben die christli-che.

Das ist, unschwer zu zeigen, noch heute so.Frieden um jeden Preis kennt die christliche Ge-

schichte nicht. »Freiheit«, »Ordnung«, die »christli-chen Grundwerte« müssen gewahrt, müssen verteidigtwerden – notfalls bis aufs Blut, bis zum totalen Ruinselbst des zu Verteidigenden. Gegen »gewissenloseVerbrecher« erlaubte Papst Pius XII. sogar denAtom-, ja den ABC-Krieg. Und dies, so damals seinInterpret Jesuit Gundlach, Professor (und zeitweiligRektor) der päpstlichen Gregoriana in Rom: bis zum»Untergang eines Volkes« – ging doch schon mehrKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.708 Deschner Bd. 5, 386Vom Höllenfrieden der Christen und von ihren ...

als ein Volk mit intensiver kirchlicher Beihilfe unter(II 415 ff., 424 ff., IV 485 ff.) – ja bis zum Untergangder ganzen Welt, da für das von ihnen dann erlaubteWeltende Gott »auch die Verantwortung über-nimmt«. – Glücklicherweise kennen wir um das Jahr2000 gar keine Kriege mehr, leben wir in einer ganzund gar friedlichen Zeit: es gibt nur noch »frieden-schaffende« und »friedenerhaltende« Maßnahmen ...

Doch schon seinerzeit, als man schlicht und freiheraus Krieg führte, nahezu Dauerkrieg, ging es ei-gentlich stets um den »Frieden«, wurde die pax immermehr, besonders unter Otto I., zu einem Standardbe-griff christlicher Politik, angebliches Ziel jeder (de-fensiven oder offensiven) Heidenabschlachtung.10

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4.709 Deschner Bd. 5, 387Historiker gestern ...

Historiker gestern ...

Im Nordosten aber hatte nicht einmal Karl »derGroße« sonderlich ausgreifende Absichten gehegt.Altmeister Hauck meint sogar, der Kaiser habe dortnur an die Behauptung der »natürlichen Grenzen« ge-dacht. »An der Elbe hatte der große Eroberer keineEroberungspläne ... Karl ließ sich nicht dazu verlei-ten, wendisches Gebiet dem fränkischen Staatsweseneinzuverleiben ... Der Beweis liegt vor allem darin,daß nicht das Geringste geschah, um die Wenden zumChristentum zu bekehren.«

Mag dies schon ein etwas kühner Schluß des Ver-fassers der gewiß noch immer gewichtigen »Kirchen-geschichte Deutschlands« sein, so ist noch bemer-kenswerter seine Meinung, auch die späteren Karolin-ger, Ludwig der Fromme, Ludwig der Deutsche, des-sen Söhne und deren Nachfolger hätten an dieser »De-fensive« Karls im Osten festgehalten, die ostfränki-schen Fürsten seien durch das ganze 9. Jahrhundertüber diese »defensive Politik«, über die fortgesetztekraftlose, nie weiterführende Folge von Abfall undUnterwerfung, Verweigerung des Tributs und Nöti-gung zum Tribut, nicht hinausgekommen (vgl. dazubes. S. 157 ff.).

Dagegen erscheint Albert Hauck im 10. Jahrhun-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.710 Deschner Bd. 5, 388Historiker gestern ...

dert das liudolfingische Engagement als wahres»Glück«. »Denn mochten auch die sächsischen Her-zoge zunächst nur um Sieg und Beute kämpfen, soführte doch ihre Überlegenheit im Felde von selbstdazu, daß an Stelle des Raubkriegs der Eroberungs-krieg trat. Es ist das Verdienst des Herzogs Otto,wendisches Gebiet zuerst wirklich der deutschenHerrschaft unterworfen, wendische Stämme zuerst andie Botmäßigkeit unter deutschen Fürsten gewöhnt zuhaben. Mit Kraft und Erfolg setzte Heinrich I. das vonihm begonnene Werk fort: an die Stelle der defensivenPolitik trat an der ganzen langgezogenen wendischenGrenze jetzt die Offensive.« »In diesem Gebiet habenHerzog Otto und König Heinrich die Grundlage derdeutschen Herrschaft und damit der deutschen Natio-nalität gelegt.«

»Seit der Besiegung der Dänen im Jahre 934 warvollends das deutsche Übergewicht über die Slavengesichert. Auf der ganzen Linie vom Erzgebirge biszur Eider wurde die deutsche Herrschaft über daswendische Land ausgedehnt ... An die Stelle einersehr losen Abhängigkeit trat die mehr oder wenigerbestimmt ausgesprochene Einverleibung. Man ermißtdie Bedeutung dieser Erfolge, wenn man sich verge-genwärtigt, daß das Gebiet, das auf diese Weise mitdem Reich verbunden wurde, an Umfang größer war,als das irgend eines deutschen Stammes. Die wendi-

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schen Eroberungen sind die weltgeschichtliche TatHeinrichs I. Durch sie hat er das deutsche Volk in dasGebiet geführt, in das sich nach fast einem Jahrtau-send der Schwerpunkt der deutschen Macht verlegensollte.«11

Na, wunderbar. Wir werden den Spuren dieser»deutschen Macht« folgen, von Band zu Band, demdeutschen Wesen, an dem der Osten genesen sollte ...

Von Opfern ist hier natürlich nicht die Rede, wedervon eignen noch gar von den Opfern der andern.Blut? Kein Tropfen, sozusagen. Schließlich ist dieseine saubre Sache, rundum glorios. Man siegt. Mansiegt, weil man stärker ist. Man erobert, bezwingt, be-zwingt wieder, unterwirft, unterwirft von neuem, manbehauptet sich, man bricht die Kraft eines Stammes,nötigt zur Anerkennung, vor allem auch immer wiederzur Anerkennung der Tributpflicht, man gewöhnt andie Botmäßigkeit, man dehnt die deutsche Herrschaftweiter aus. Ah, eine wirklich schöne Sache! Und Blutfließt da nicht. Und Unrecht herrscht da nicht. NichtFlucht auch, Vertreibung, Versklavung, nicht Not undTod. Nur – die »deutsche Macht«, die »deutscheHerrschaft«, »die weltgeschichtliche Tat«! Und natür-lich widmet ihr der Theologe und KirchenhistorikerHauck, der sein opus magnum in der WilhelminischenÄra schreibt, immerhin etliche Seiten – längst bevorHeinrich Himmler und Alfred Rosenberg »ihre Liebe

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4.712 Deschner Bd. 5, 388Historiker gestern ...

zu dem ›urgermanischen‹ Heinrich entdeckten, waseine Literatur entsprechenden Niveaus hervorrief ...«(Brühl).

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4.713 Deschner Bd. 5, 389...und Historiker heute

...und Historiker heute

Da aber die politische Großwetterlage nun andersaussieht, die historische Konstellation sich etwas ver-schoben hat, vermittelt man auch ein etwas anderesGeschichtsbild. Heinrichs »weltgeschichtliche Tat«,die natürlich gar nicht mehr als solche figuriert, wirdjetzt gern heruntergespielt, so knapp wie möglich be-handelt, fast eskamotiert und selbstverständlich ganzanders akzentuiert.

Der Mediävist Eduard Hlawitschka, beispielswei-se, widmet in einem »Studienbuch« Heinrich I. zwarknapp 11 Seiten, Heinrichs Ostoffensive aber nichteinmal eine halbe Seite (weniger noch als der »Erwer-bung der Heiligen Lanze«). Überdies geht es dabeinur um: »Präventive Grenzsicherung«, »Vorsorge«,die »Ausbildung einer Reitertruppe«, mit der mandann die »kleinen slawischen Nachbarstämme ... be-siegt und tributpflichtig« macht. Doch dies mehr bei-läufig, ja, eigentlich bloß, um das neue Reiteraufgebot»erprobt« gegen die Ungarn einsetzen zu können unddie »slawischen Nachbarn« vor einer Unterstützungjener zu warnen.

In einem Sammelband bietet derselbe Gelehrte unseinen zehnseitigen Beitrag über König Heinrich I.,über dessen »weltgeschichtliche Tat« aber sage und

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schreibe einen einzigen Satz, worin lediglich die Redeist »von Grenzkämpfen mit den slawischen Nachbarnan der Elbe und Saale – Hevellern, Daleminziern,Wilzen, Abodriten und Redariern, dazu auch Böh-men –, um die neuen Reitertruppen zu erproben undzugleich die slawischen Nachbarn vor einer Unterstüt-zung der Ungarn zu warnen«.

Das von Heinrich geraubte bzw. blutig eroberteGebiet, das Hauck mit unverkennbarer Bewunderunggrößer nennt »als das irgend eines deutschen Stam-mes«, wird bei dem hundert Jahre später schreibendenHlawitschka bloß zu einer Art Truppenübungsplatz,bequem benachbart, worauf man den doch höchstachtbaren Krieg gegen die Ungarn vorbereitet.12

Von den Kämpfen selbst sprechen die neueren Hi-storiker im allgemeinen so wenig wie Hauck. Nein,Blut? Gewöhnlich kaum – es wäre einfach inadäquat,weniger sach- als »fach«-fremd, unter jedem (Ordina-rien-)Niveau. Das »Handbuch der Europäischen Ge-schichte« (1992) nennt »Zu den Kämpfen allgemein«eine einzige Publikation – und die aus dem Jahr1938.13

Die Historiographie, zumal die »zünftige«, verfährteben auch nicht annähernd so »objektiv«, wie derenmeiste Vertreter noch immer vorgeben. »Die Bewer-tungen waren stets beeinflußt von den politischenProblemen der jeweiligen Gegenwart.« Dies Urteil

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4.715 Deschner Bd. 5, 390...und Historiker heute

Gerd Althoffs und Hagen Kellers in ihrer zweibändi-gen Studie »Heinrich I. und Otto der Große« (1994)ist zwar nur auf die den zwei ersten Ottonen geltendeGeschichtsschreibung gemünzt, charakterisiert dieseaber mehr oder weniger überhaupt. Die beiden Histo-riker würden das vielleicht bestreiten. Gleichviel,Heinrichs »weltgeschichtliche Tat« nötigt auch ihnenin ihrem ganzen Buch über diesen König bloß zweiSätze ab. Und auch hier erscheinen seine (immerhin)»mit großer Grausamkeit geführten Feldzüge gegendie Slawen« – unter Berufung auf Widukind – wiederbloß »als Vorbereitung für die Ungarnabwehr, vorallem als Bewährungsprobe für die neue Reiterei«.14

Dies ist ein Motiv – »möglicherweise«, wie es indem gerade genannten Handbuch heißt. Aber ein an-deres Motiv ist: Heinrich brauchte neues Königsland,neue Ausbreitungsmöglichkeiten und neue Stämme,die er schröpfen konnte – »der Königsschatz fülltesich wieder« (Fried). »Folgende Länder«, rühmtThietmar (aus dem »ruhmvollen Lebenslauf« seinesHelden »nur ganz wenig« erwähnend), »machte ersich tributpflichtig: Böhmen, Daleminzien, die Obo-driten, Wilzen, Heveller und Redarier«. Der Prälatschreibt zwar gleich darauf: »Die empörten sich frei-lich sofort wieder ...« Aber dann attackiert man sieeben auch gleich wieder, nimmt man, wie BischofThietmar gut christlich folgert, »hierfür Rache«. Doch

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4.716 Deschner Bd. 5, 391...und Historiker heute

läßt sich, vor allem mit vielen deutschen Historikern,natürlich auch eine »präventive und tributäre Grenz-sicherung« (Reindel) annehmen, kann man von»Grenzschutz« sprechen, von Heinrichs Bemühen,»einen militärisch gesicherten Schutzgürtel vor dasBinnenland zu legen« (Fleckenstein).

Indes: Albert Hauck behält recht. Heinrich I. warim Osten offensiv. Je bedeckter er sich im Westenhielt, je vorsichtiger, ja nachgiebiger er oft dort imallgemeinen taktierte, desto rücksichtsloser griff er imOsten an.

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4.717 Deschner Bd. 5, 391Heinrichs »Grenzsicherung« oder »...kam ...

Heinrichs »Grenzsicherung« oder »...kam keinerdavon«

Mit diesem König bekam dort, wo selbst in Friedens-zeiten der Sklavenhandel florierte, der Heidenkrieg –besonders mit Panzerreiterei, allmählich eine festste-hende Erscheinung – jenen Terrorcharakter gegen ei-nige westslawische und baltische Völker, den er Jahr-hunderte hindurch behielt. Wobei sich mit der gewalt-samen Bekämpfung der Böhmen, Elbslawen, Dänenimmer sofort die Mission verband. Nahm das deut-sche Volk stetig zu, wurden die Elbslawen (die Abo-driten, Wilzen, Redarier, Ukrer, Heveller, Sorben,Milzener, Daleminzier) mit ungewöhnlicher Härtefortwährend dezimiert, ihre Dörfer hundertweise zer-stört, ihre Menschen ermordet, vertrieben, deportiert.»Fremdherrschaft ist das größte Elend«, klagt BischofThietmar, denkt dabei aber, wie das einem christli-chen Oberhirten zusteht, natürlich nur an die Unter-drückung des eigenen Volkes. (»Thietmars Chronikverlangt, lieber Leser«, so er selbst im Prolog I, »nachetwas Geneigtheit ...«)

Heinrich I. war schon 906 im Auftrag seines Vatersgegen den nordwestslawischen Stamm der Dalemin-zier gezogen. Derart bewies er »seine Befähigungzum Krieger« und kehrte »nach schweren Verwüstun-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.718 Deschner Bd. 5, 392Heinrichs »Grenzsicherung« oder »...kam ...

gen und Brandschatzungen erfolgreich« (Thietmar)zurück, was übrigens den ersten Ungarneinfall inSachsen nach sich zog. Selbstverständlich hat Hein-rich, wie jeder Sachse, die Wenden gehaßt und ihnengegenüber keinerlei Unrecht gekannt: einer in Merse-burg aus lauter Banditen, aus Dieben und Räubern re-krutierten und angesiedelten Truppe, der »Mersebur-ger Legion« (die noch unter Otto »dem Großen« insFeld zog, bis sie durch Boleslav I. von Böhmen ver-nichtet worden ist), erlaubte er gegen Wenden jedesVerbrechen. Und unentwegt ergänzte er sein Gang-steraufgebot. Wann immer er nämlich sah, »daß einDieb oder Räuber ein tapferer Mann und tüchtig zumKriege sei, erließ er ihm die gebührende Strafe undversetzte ihn in die Vorstadt von Merseburg, gab ihmÄcker und Waffen und befahl ihm, die Mitbürger zuverschonen, gegen die Barbaren aber, soviel sie sichgetrauten, Raubzüge zu machen. Die aus solchen Leu-ten gesammelte Menge also stellte eine vollständigeHeerschar zum Kriegszuge.« Und Merseburg, direktan der Grenze zum Slawenland gelegen, war selbst-verständlich eine gute Ausfallbasis. Sieben Jahre sei-ner 17jährigen Regierungszeit benutzte der Königzum Kampf gegen die elbslawischen Völker, tief un-gerechte, bloß Unterwerfung und Ausbeutung be-zweckende Kriege – einer »jener großen Führer ...,wie das Schicksal sie unserem Volke nur einmal im

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Jahrtausend gibt« (Lüdtke).15

928, Heinrich stand bereits im 52. Lebensjahr –nach manchem Historiker nun ein vollausgereiftes»Genie« –, eröffnete er die deutsch-hevellischenKämpfe, »viele Kämpfe«, wie Widukind betont, diebis zum Beginn der vierziger Jahre dauern. Dabeinutzte der König einen mit den Ungarn geschlossenenFrieden und überfiel plötzlich im Winter, sehr unge-wöhnlich seinerzeit, die Heveller, einen Teilstammder Wilzen, jenseits der Elbe, an der mittleren Havel.(Von diesem Fluß, von seinem germanischen NamenHabula, ist der ursprüngliche Stammesname der He-veller, Habelli, abgeleitet; wie man denn auch an-nimmt, daß nach der slawischen Einwanderung im 6.Jahrhundert die germanische Restbevölkerung mit denSlawen sich vermischt und den Hevellerstamm gebil-det hat; eine Wurzel der späteren Mark Brandenburg.)

Bei Heinrichs Anschlag auf die Heveller hatte ihnsein 16jähriger Sohn Otto begleitet – eine gute Schulefür das Leben. Sonst konnte der Sprößling damalsweder Lesen noch Schreiben, wie der gekrönte Vaterzeitlebens, dessen immerhin mächtige Körpergestaltlaut Widukind der herrscherlichen Würde erst dierechte Zierde verlieh! Auch trinkfest war der Fürst.Und ein großer Jäger, dessen Ende sich allerdingsselbst auf der Jagd ankündigte (S. 409), auf der ermanchmal »auf einem Ritt vierzig oder noch mehr

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Stück Wild erlegte« (Widukind; vgl. S. 585 Anm.13!); wenn es nicht Jägerlatein ist. (Auch Latein ver-stand Otto nicht.) Doch das Menschenschlachten. Vir-tuos praktizierten es Vater wie Sohn. Und Nachfahrenwie Vorfahren. Die Christen insgesamt, zumal ihreEdelauslesen.

Nach vielen Gefechten nahm man bei strengemFrost den wassergeschützten Hauptstützpunkt der He-veller, die strategisch besonders günstig gelegeneBurg Brennabor (Brandenburg) – sie sollte späternoch zehnmal den Besitzer wechseln (und nach einerangeblich gut begründeten Mutmaßung bereits dasZiel Karls »des Großen« bei seinem Wilzenzug von789 gewesen sein). 948 wird in der Vorburg die älte-ste Bischofskirche etabliert. Und das mittlere Havel-gebiet um die Brandenburg bildete dann die durchOtto I. dem Markgrafen Gero (S. 450 ff.) unterstellteNordmark.

Gleich nach Eroberung der Brandenburg bezwangder König, unter Verwüstung ihres Landes, die süd-wärts im Raum um Meißen und Dresden wohnendenDaleminzier, die schon Karl »der Große«, die auchHeinrich selbst in jungen Tagen im Auftrag seinesVaters und noch einmal 922 bekämpft hatte und derenHauptburg Gana (nach Jahna benannt, einem linkenNebenfluß der Elbe bei Riesa) er erst nach zwanzigtä-giger Belagerung erstürmen konnte, worauf er sie dem

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Erdboden gleichmachte. Sämtliche Männer, vielleichtauch Frauen und Kinder, wurden erschlagen – nachWidukind alle Erwachsenen (puberes) niedergemacht,Knaben und Mädchen in die Sklaverei geschleppt.Zur Sicherung seiner Herrschaft errichtete der deut-sche König dort auf einer Anhöhe 40 m über der Elbedie Burg Meißen (Misni), eine Festung von beträcht-licher strategischer Bedeutung. Und von kirchlicher,da hieran das spätere Bistum anknüpft. Die politischeRolle der Daleminzier war damit beendet.

Noch im selben Jahr, am 4. September 929,schlachtete ein sächsisches Heer, vor allem durch dieÜberlegenheit seiner Panzerreiter, die aufständischenSlawen bei Lenzen rechts der unteren Elbe, einerSperrfeste in der Priegnitz. Quellen melden, sehrübertrieben, 120000, ja 200000 gefallene Wenden;zumeist waren es Fliehende und Gefangene, die manumbrachte, abstach oder in einen See trieb und er-tränkte. Jedenfalls: man »schlug sie so, daß nur weni-ge entkamen« (Bischof Thietmar). »Von dem Fußvolkkam keiner davon, von der Reiterei nur sehr wenige,und so endete die Schlacht mit dem Untergang allerGegner« (Mönch Widukind). Nach ihm fechten beiLenzen die Barbaren, wie die Slawen immer wiederheißen, schlicht gegen das »Volk Gottes«, dessen An-gesicht »Helle und Heiterkeit« umstrahlt – das guteGewissen, das der Klerus in allen Kriegen zu seinen

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Gunsten seiner Soldateska attestiert. Am nächstenTag fiel Lenzen –»durch Gottes Huld und Gnade einherrlicher Sieg«. Sämtliche Einwohner wurden ver-sklavt, Frauen und Kinder nackt weggetrieben. DieBesatzung der Burg, der an dem einzigen, strategischwichtigen Elbübergang zwischen Bardowieck undMagdeburg gelegenen Hauptburg der slawischen Li-nonen, wurde, trotz Zusicherung freien Abzugs, ge-köpft – »man kannte keine Schonung, nur Vernich-tung oder Knechtschaft« (Waitz).

Eine »Großtat der Kriegsgeschichte«, so ein Histo-riker der Nazizeit; geleistet durch den »Größten unterden Königen Europas« (regum maximus Europae),wie sich schon Mönch Widukind vernehmen ließ. Fei-erte doch auch Bischof Thietmar den Schlächter alseinen, »der die Seinen klug zu behandeln wußte, Fein-de aber schlau und mannhaft zu überwinden ver-stand«. Ja, es waren die gloriosen Jahre 928 und 929,in denen »die gewaltige, wahrhaft heroische Gestalt«,»die revolutionäre, schicksalgestaltende Größe Hein-richs I.«, »der Schöpfer des Reiches, der große deut-sche König und Mensch« »seine schöpferische Ostpo-litik begann« und jenen Boden gewann, »den nun derdeutsche Mensch gestalten, den das lebendige Blutunzähliger Geschlechter arthaft und heimatlich formendurfte« (Lüdtke). Aber auch Richard Wagner rühmteHeinrich I. im »Lohengrin«: »Ruhmreich und groß

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dein Name soll / von dieser Erde nie vergehn!«16

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»...weil der Soldat nach Verwesung stinkt« –Bischof Thietmar »auf der Höhe der Bildung

seiner Zeit«

Stolz meldet der Chronist auch den Schlachtentod»zwei meiner Urgroßväter namens Liuthar« bei Len-zen, des Liuthar von Stade und Liuthar von Walbeck;»treffliche Ritter von hoher Abkunft, Zierde und Trostdes Vaterlandes ...« Dieselben Phrasen – durch dieJahrtausende: vom alten Rom (hier präsent durch des-sen »Nationalepos«, Vergils Aeneis 10, 858 f.) biszur entsprechenden Weltkriegspropaganda (man vgl.»Die Politik der Päpste im 20. Jahrhundert« I 236ff.!, II 112 ff.) – semper idem. Das Entscheidende je-denfalls, das Geschichts-Notorische, -Normierende:die kolossale Verdummungs-, Unterjochungs-, dieKriminal- und Katastrophenhistorie, besonders auchdas völkerverblödende Glorifizieren und Sanktifizie-ren all der unsäglichen Schlacht- und Abstechungsor-gien, das wiederholt sich immer wieder – selten sodrastisch und gut gegeißelt wie in Brechts »Balladevom toten Soldaten«:

»Und weil der Soldat nach Verwesung stinkt,drum hinkt ein Pfaffe voran,der über ihn ein Weihrauchfaß schwingt,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.725 Deschner Bd. 5, 396»...weil der Soldat nach Verwesung stinkt«

daß er nicht stinken kann.«

Eben dies Weihrauchfaß schwingt auch BischofThietmar von Merseburg, indem er unmittelbar nachder Erinnerung an seine Urgroßväter, die »Zierde undTrost des Vaterlandes«, mehrere Beispiele, »Bewei-se« auftischt, damit ja »kein Christgläubiger mehr ander künftigen Auferstehung der Toten zweifle ...«Denn das christliche Dauermassaker viribus unitisvon Thron und Altar seit dem frühen 4. Jahrhundert (I247 ff.) wird traditionell innig mit dem christlichenGlauben verwoben. Je mehr Blut fließt, desto nötigerder »liebe« Gott, besonders aber die Predigt von derAuferstehung – die Weiterlebenslüge.

So präsentiert Thietmar gleich »eine jüngst aus die-ser Welt Gegangene«, die sich, wieder aufgerappelt,ganz normal mit einem Priester unterhält, was natür-lich »zuverlässige Kunde« verbürgt. Etwas »ganzÄhnliches«, fährt der Bischof fort, »sahen und hörtenzu meiner Zeit in Magdeburg Wächter«. Sahen undhörten sie doch in einer Kirche zwei wiederum Mau-setote »richtig singen«. Und auch die herbeigeholten»angesehensten Bürger« erlebten diesen wirklichwunderbaren Genuß, wofür es abermals »glaubhafteZeugen« gibt. Wie denn auch in Deventer Tote ineiner Kirche opferten und sangen und einen sie beguk-kenden Priester kurzerhand hinauswarfen, ja diesen in

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4.726 Deschner Bd. 5, 396»...weil der Soldat nach Verwesung stinkt«

der nächsten Nacht mir nichts, dir nichts vor demAltar »zu Staub und Asche« verbrannten, was sogarThietmars kranke Base Brigida bezeugt (wohl dieTochter seines Onkels, des Markgrafen Liuthar vonder sächsischen Nordmark), die überdies versichert:»Hinderte mich meine Schwäche nicht, lieber Sohn,so könnte ich Dir noch viel von alledem erzählen.«

Und Bischof Thietmar uns!Geht es ihm – der selbst einmal »deutlich ein To-

tengespräch« belauschte, wie jetzt ein »Gefährte« vonihm erhärten könnte – doch nur darum, »allen Gläubi-gen«, und zwar »deutlich«, wie er wieder betont, »dieGewißheit der Auferstehung und zukünftiger Wieder-vergeltung nach ihren Verdiensten« zu predigen; allenalso glauben zu machen, daß man im Krieg stolz»Zierde und Trost des Vaterlandes« sein, daß manseelenruhig »fallen« könne, weil man ja wieder auf-steht, aufersteht, wie seine beiden Urgroßväter beiLenzen ... Und noch dem »Ungläubigen« macht erdies gänzlich unbezweifelbar durch die Worte derPropheten: »Herr, deine Toten werden leben!« Oder:»Und die Toten in den Gräbern werden sich erheben,die Stimme des Gottessohnes hören und frohlok-ken ...« Ja, welcher Schwachkopf möchte da nochzweifeln!

Da alles so einfach, glaubhaft und vor allem sowahrhaftig ist, zumal für einen christlichen Bischof,

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4.727 Deschner Bd. 5, 397»...weil der Soldat nach Verwesung stinkt«

füttert uns Thietmar in seinem Geschichtswerk förm-lich mit Wunderbarem, mit Traumgesichten, Offenba-rungen, Teufelserscheinungen, Visionen, mit Zeichenund Wundern, Heilungswundern, Strafwundern, mira-kulösen Sonnenfinsternissen etc. etc. Ist dies doch dasWerk eines Mannes, wie uns die Forschung versi-chert, der »aus einer der besten Schulen hervorgegan-gen«, »der auf der Höhe der Bildung seiner Zeitstand«, der »weitreichende Kenntnisse« hatte (Trill-mich) – Ergo kann der vom Schlag getroffene Magde-burger Dekan Hepo zwar »kaum noch flüstern«, abernoch »sehr schön mit den Brüdern die Psalmen sin-gen«. Ergo erneuert sich irgendwo ausgegangenerWein von ganz allein, so daß nicht nur die Nonneneines Klosters »lange Zeit« davon trinken, »sondernauch viele andere Umwohner und Gäste zum Lobedes Herrn«. Und irgendwo stinkt ein heiliger Leich-nam nicht, sondern duftet einfach so kräftig wie lieb-lich »nach dem Zeugnis höchst glaubwürdiger Män-ner noch in mehr als drei Meilen Entfernung«.

Selbstverständlich dürfen wir all das und derleischockweise mehr, so belehren uns Historiker wieTheologen, nicht von heute, sondern nur von einerZeit aus beurteilen, die anders glaubte, anders dachte.Das klingt weise. Doch beiseite, daß noch heute Mil-lionen so glauben und denken – warum dachte undglaubte man denn diesen ganzen unsterblichen Stuß

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4.728 Deschner Bd. 5, 398»...weil der Soldat nach Verwesung stinkt«

über Epochen hin so verbissen? Weil Tausende undAbertausende verpfaffter Tölpel und Betrüger ihn ein-getrichtert, weil sie die klassischen Ideale der griechi-schen Antike durch Jahrhunderte ruiniert, »die Weis-heit dieser Welt zur Torheit« gemacht (1. Kor. 1,20),weil sie das Abend- wie Morgenland in diesen ganzenfinster fatalen Sumpf von Unwissenheit und Aber-glauben, von Reliquien-, Wunder-, Wallfahrtsschwin-del gestürzt, die Völker geistig geradezu darin begra-ben haben (vgl. bes. III 3. u. 4. Kapitel!); weil sie dieAllgemeinbildung aus den Schulen verbannt, die ge-samte Erziehung der Christianisierung untergeordnet,aufgeopfert, weil sie ihren theologischen Geisterwahnzum Unterricht schlechthin gemacht haben, so daßnoch Thomas von Aquin das Streben nach Erkenntnis»Sünde« nennen konnte, wenn es nicht »die Erkennt-nis Gottes« bezweckt (vgl. auch I 26 ff.).

So ließ sich noch jeder Wahnsinn, auch der mon-ströseste, mühelos verbreiten und verinnerlichen, jetoller, desto schöner! Nicht nur der große Haufen: illi-terati et idiotae. »Ein verzücktes Volk«, höhnt Vol-taire, »das hinter ein paar Schwindlern herläuft, ge-nügt; mit der Ansteckung mehren sich die Wunder –und nun ist die ganze Welt verrückt.«

Bis tief in die Neuzeit vegetieren die christlichenMassen im Zustand völligen Analphabetentums. Ja,warum denn! Doch auch die Aristokratie, die Mehr-

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4.729 Deschner Bd. 5, 398»...weil der Soldat nach Verwesung stinkt«

heit der Fürsten: bis in die Stauferzeit nicht schreib-kundig. Nur eines hatte dieser Christenadel besser alsalles gelernt, nicht die Nächsten-, nicht die Feindes-liebe, nicht die Frohe Botschaft, nein: schlachten,schlachten, schlachten!17

931 zieht Heinrich gegen die Obodriten. 932 wirddas 10000 Einwohner zählende Liubusua, Zentrumdes Slavenstammes der Lusici (nach neuesten For-schungen im Kreis Luckau gelegen), erobert und nie-dergebrannt, achtzig Jahre später die durch eine deut-sche Besatzung gesicherte Burg von Boleslaw Chro-bry, dem Polenfürsten, genommen. (Es geschah imzweiten der drei Kriege, die Kaiser Heinrich der Hei-lige, mit Heiden im Bunde, gegen den Polen führte,den man seinerseits immerhin als Ideal des christli-chen Herrschers feierte, als rex Christianissimus undathleta Christi; Rühmungen, deren sich Boleslawu.v.a. auch dadurch würdig erwies, daß er am 20. Au-gust 1012 bei der Einnahme von Liubusua ein »jam-mervolles Blutbad« veranstaltete [Bischof Thietmar]und die Burg abermals niederbrannte.) Heinrich I.machte seinerzeit die Lausitz tributpflichtig, eben-falls, durch einen Feldzug 934, die Uckermark. »KeinWunder, daß solche Taten auch die Kirche begeister-ten«, schwärmt man noch im 20. Jahrhundert. »Mit-gerissen von dem Strom des Lebens, der mit Heinrichaufquillt, kommt auch das kirchliche Leben in

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4.730 Deschner Bd. 5, 399»...weil der Soldat nach Verwesung stinkt«

Fluß ...« (Schöffel).18

Das gilt sogar noch für den Norden. Im selben Jahrnämlich, 934, besiegt Heinrich in einem blutigenKrieg gegen die als fast unüberwindbar geltenden, inganz Westeuropa gefürchteten Dänen deren Unterkö-nig Gnuba, den Beherrscher von Haithabu, macht ihnzinspflichtig und zu seinem Vasallen. Nicht zuletztaber schuf der König dadurch auch im Norden eineneue Basis für die Ausbreitung des Gottesreiches aufErden. Brachte er so doch die Heiden »von ihremalten Irrglauben ab und lehrte sie das Joch Christi tra-gen« (Thietmar). Denn getreu der alten Strategie: erstdas Schwert, dann die Mission, begann gleich nachdieser Niederlage Erzbischof Unno von Hamburg-Bremen in Dänemark und Birka die Bekehrungsar-beit. Bald danach fiel Gnuba im Kampf gegen dennordjütischen König Gorm, unter dessen Sohn KönigHarald Blauzahn die Dänen Christen werden.19

Im Osten freilich hatte man jetzt die wildesten Teu-fel vor sich und noch längst nicht im »Joch Christi«.

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4.731 Deschner Bd. 5, 399»...jahrelange Erziehungsarbeit«

»...jahrelange Erziehungsarbeit«

Die Ungarn, »fürchterlich an Tracht und Körperbau«,wie Mönch Widukind, »das sehr wilde und alle Raub-tiere an Grausamkeit übertreffende Volk«, wie AbtRegino von Prüm seinerzeit schreibt, Männer mit»greulichem Grunzen«, mit »hundeartigem Geheul«,so Ekkehard IV. von St. Gallen, kurz, die »Kinder desTeufels« (filii Belial, Annales Palidenses), waren erst-mals 894 über die Donau in die Pannonische Mark,anno 900 erstmals in Bayern eingefallen. Seitdem ver-wüsteten sie häufig süddeutsche Gegenden, und dieKirche hatte große – vordem freilich selbst geraubte –Gebiete verloren. Die Bistumsgrenzen von Passauund Salzburg waren schon zu Beginn des 10. Jahr-hunderts bis an die Enns und den Alpenabhang zu-rückgeschoben – wie blutig auch immer sogar dieSeelenhirten sich wehrten: nach der Schlacht beiPreßburg am 4. Juli 907 lagen mit dem ganzen baye-rischen Heer auch die Bischöfe von Salzburg, Frei-sing und Seben tot auf dem Schlachtfeld.

Nach Sachsen und damit in den Norden stießen dieEindringlinge erstmals 906 vor, als der junge Hein-rich auf Befehl seines Vaters den Kriegszug gegen dieDaleminzier geführt und diese schwer gebrandschatzthatte. Von ihnen zu Hilfe gerufen, verheerten die Un-

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4.732 Deschner Bd. 5, 400»...jahrelange Erziehungsarbeit«

garn darauf fürchterlich das Land. Sie töteten vieleSachsen, schleppten andere gefangen mit sich undkamen während Heinrichs Regierung 919, 924 wie-der, 926 erneut, jetzt auch jenseits des Rheins; über-fluteten ihre Reiterhorden doch nun ganz Westeuro-pa – »...et vastaverunt omnia«, eine typische Wen-dung der Jahrbücher.

Als der König im Schutz seiner Pfalz Werla dasweitere abwartete, fiel ihm zufällig ein Ungarnführerin die Hand. Heinrich nahm die Gelegenheit zum Ab-schluß eines neunjährigen Waffenstillstands wahr(unter Zusicherung jährlicher Tributzahlung) und be-nutzte die Schonfrist zur Schaffung eines Verteidi-gungsgürtels, zur Errichtung neuer Burgen sowie zurErneuerung alter, vor allem an der Slawengrenze,wobei das dort wohnende Volk Tag und Nacht mit-bauen, auch für Verproviantierung im Ernstfall sorgenmußte. Die Burgen hatten sich offenbar seit karolingi-scher Zeit gemehrt, und in ottonischer ruhte auf ihnendas gesamte politische Leben, »mit gewissen Ein-schränkungen auch das kirchliche« (Schlesinger).Heinrich erbaute »Burgen zum Heile des Landes undKirchen für den Herrn zum Heile seiner Seele«, no-tiert Bischof Thietmar, dabei schön das reale Chri-stentum auf dessen (im doppelten Wortsinn) prakti-sche Grundwerte reduzierend: Kirche und Krieg.

Weiter wurde eine Fülle von Klöstern und StifternKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.733 Deschner Bd. 5, 401»...jahrelange Erziehungsarbeit«

massiv befestigt, Hersfeld etwa, Corvey, St. Gallen,selbstverständlich auch so manche Pfalz, Werla oderMerseburg, und nicht zuletzt das sächsische Reiter-heer modernisiert, gepanzert und östlich der Elbe, derSaale in steten Slawengemetzeln für den Ungarnkrieg»geschult«; die Forschung spricht hier auch von einer»Bewährungsprobe« (Beumann). Nach sechs Jahrenfühlte sich der König durch die »jahrelange Erzieh-ungsarbeit, die Wehrhaftmachung seines Volkes«(Lüdtke) stark genug, den Waffenstillstand zu bre-chen, wobei ihm die Kirche eifrig beisprang. Schließ-lich hatte auch sie den Ungarntribut mit bezahlenmüssen; vielleicht der Grund, warum sie bei seinerAufkündigung 932 in Erfurt auf der ersten zur ZeitHeinrichs I. bezeugten Reichsynode sofort eine Kopf-steuer zugunsten ihrer selbst einzuführen beschloß.

In Verbindung mit dieser Reichsynode im Juniunter dem Vorsitz des Erzbischofs Hildebert vonMainz und in Anwesenheit des Königs sowie zahlrei-cher deutscher Bischöfe verfügte die gleichzeitigeVolks- und Heeresversammlung auch den Ungar-nkrieg. Denn nun glaubte man, wie gesagt, sich gerü-stet genug, um den Kampf aufzunehmen. So sprachder König zum »Volk«: »Von welchen Gefahren euerReich, das früher gänzlich in Verwirrung war, jetztbefreit ist, das wißt ihr selbst nur zu gut, die ihr durchinnere Fehden und auswärtige Kämpfe so oft schwer

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4.734 Deschner Bd. 5, 401»...jahrelange Erziehungsarbeit«

zu leiden hattet. Doch nun seht ihr es durch die Gnadedes Höchsten, durch unsere Bemühung, durch euereTapferkeit befriedet und geeinigt, die Barbaren be-siegt und unterworfen. Was wir jetzt noch tun müs-sen, ist uns gegen unsere gemeinsamen Feinde, dieAwaren, vereint zu erheben.«

Ein Feind bleibt immer, durch die Jahrtausende.Wohin auch käme man ohne ihn! Ja, alles verarmt,schien es, heruntergekommen, pleite. Nur nicht, ver-steht sich, Mutter Kirche. Ihr Reichtum war offenbarnoch so ungeschmälert wie der der räuberischen Un-garn. »Bisher habe ich, um ihre Schatzkammern zufüllen, euch, euere Söhne und Töchter ausgeplündert,nunmehr müßte ich die Kirche und Kirchendienerplündern, da uns kein Geld mehr, nur das nackteLeben geblieben ist. Geht daher mit euch zu Rate undentscheidet euch, was wir in dieser Angelegenheit tunsollen. Soll ich den Schatz, der dem Dienst Gottes ge-weiht ist, nehmen und als Lösegeld für uns den Fein-den Gottes geben? Oder soll ich nicht eher mit demGelde die Würde des Gottesdienstes erhöhen, damituns vielmehr Gott erlöst, der wahrhaft sowohl unserSchöpfer als Erlöser ist?«20

Rhetorische Fragen. Selbstverständlich wollten sieden Kirchenschatz erhalten, wollten alle »durchausvon dem lebendigen und wahren Gott erlöst werden,weil er treu sei und gerecht in allen seinen Wegen und

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4.735 Deschner Bd. 5, 401»...jahrelange Erziehungsarbeit«

heilig in allen seinen Werken«. Und so streckten siedenn, erlösungshungrig, »die Rechte zum Himmel«und schwuren dem König Beistand.

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4.736 Deschner Bd. 5, 402»Bewährungsprobe«

»Bewährungsprobe«

Nun hat durch das ganze mittelalterliche Jahrtausendwohl niemand Tribute regelmäßiger erpreßt als Fran-ken und Deutsche! Aber selbst entrichtete man sie na-türlich höchst ungern. Und so schickte man 932 dieden Jahressold fordernden Gesandten aus dem Ostenmit leeren Händen nach Hause – und hatte schon imnächsten Jahr die Ungarn da. In Thüringen teilten sichihre Haufen. Das westwärts gegen Sachsen stürmendeKorps nahmen zunächst sächsische und thüringischeTruppen in Empfang – »die Führer der Ungarn fal-len«, jubelt Widukind, »ihr Heer wird zersprengt,durch das Land hin verfolgt, ein Teil wird durch Hun-ger und Kälte aufgerieben, andere sterben niederge-hauen oder gefangen, wie sie es verdienten, allesamteines jämmerlichen Todes«.21

Eine wahrhaft christliche Sicht der Sache. Mansprach auch von einem Gottesgericht. Und ein zweitesfolgte sogleich am 15. März 933 durch das Reichs-heer, durch ein Aufgebot aller Stämme unter Heinrichbei Riade (wahrscheinlich Kalbsrieth am Zusammen-fluß von Helme und Unstrut). Bischof Liutprand vonCremona preist dabei »den löblichen und nachah-menswerten Brauch« der Sachsen, »daß kein waffen-fähiger Mann, der über dreizehn Jahre zählt, dem

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Heerbann sich entziehen darf«. Man rückte also mitKindern in die Schlacht und drohte Kriegsdienstver-weigerern die Todesstrafe an.

»Noch durch Krankheit geschwächt«, berichtet derBischof weiter, besteigt der König, »so gut er kann,sein Roß, schart seine Krieger um sich, begeistert siedurch Worte zur Kampfeswut ...« Wobei er, »vongöttlichem Anhauch beseelt«, hinzufügt: »Das Bei-spiel der Könige der Vorzeit und die Schriften derheiligen Väter (!) lehren uns, was wir zu tun haben.«Nun sprengen die Kinder Gottes unter dem Feldzei-chen des Erzengels Michael – in der Bibel (Apk. 12,7ff.) Anführer der Engel im endzeitlichen Kampf – miteinem markigen und selbstverständlich gottgefälligen,überdies wunderkräftigen »Kyrie eleison!« dem hölli-schen »Hui! Hui!« der »Kinder des Teufels« entge-gen, der König selbst »bald vorn, bald in der Mitte,bald in den letzten Reihen« (Widukind), und schlagendie Reichsfeinde, als Heiden ja zugleich Feinde derKirche, ganz famos aufs Haupt »durch die Gnade dergöttlichen Barmherzigkeit« (Liutprand). Nach Flo-doard, dem sicher mächtig (doch noch nicht am mäch-tigsten) übertreibenden Kanonikus der Reimser Ka-thedrale, 36000 Tote, ungerechnet die angeblich zahl-losen im Fluß Ertrunkenen.

Immerhin: danach kommen die Ungarn zu Lebzei-ten Heinrichs nicht wieder – eine schöne »Bewäh-

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4.738 Deschner Bd. 5, 403»Bewährungsprobe«

rungsprobe«, ein Zeugnis der »geschichtlichen Le-bensfähigkeit« des deutschen Reiches (Fleckenstein).Der erste Ungarnsieg eines deutschen Königs, der da-nach von seinen Streitern als »Vater des Vaterlandes,Herr der Welt und Imperator« gefeiert wird, auch inder Merseburger Pfalz seinen Triumph im Bild »ver-ewigen« läßt, doch »auf alle Weise der Ehre Gottes,wie es sich gehörte«, Dank abstattet, das heißt derKirche und angeblich sogar den Armen den zuvordem Feind entrichteten Tribut spendiert.22

Ab Mitte des 10. Jahrhunderts erfolgt die Zurück-werfung der Ungarn; wobei man nach dem Sieg 944auf der Welser Haide unter Herzog Berthold zur Of-fensive übergeht, sie 948 schlägt, 949 in Ungarn ein-fällt, u.a. begleitet von dem Bischof Michael von Re-gensburg (der, selber verwundet, noch einen schwerangeschlagenen Ungarn absticht), bis man 955 vorAugsburg triumphiert.23

Etwa gleichzeitig mit seinen Attacken gegen dieElbslawen unternahm Heinrich I. einen Zug nachBöhmen, dessen Stämme erst seit dem 9. Jahrhundertdie Aufmerksamkeit der fränkischen Annalisten fin-den.

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4.739 Deschner Bd. 5, 404Der hl. Wenzel und zwei fromme christliche ...

Der hl. Wenzel, die hl. Ludmila und zweifromme christliche Verwandtenmörder

Böhmen hatte Karl »der Große« sofort nach seinenSiegen über Sachsen und Awaren bekriegt, bemer-kenswerter Weise gleich nach dem Besuch Papst Leosbei ihm 804. Schon 805 und 806 ließ er es jeweilsmit drei Heeren angreifen (IV 493 ff.), und seitdemwurde es auch christianisiert, vor allem durch Missio-nare aus Regensburg. So konnte man dort 845 auch14 böhmische Große (duces) mit ihrem Gefolge (cumhominibus) taufen.24

Nach dem Zusammenbruch Großmährens war Böh-men unter den westslawischen Völkern die bedeu-tendste Macht. Die Tschechen, um Prag sitzend, eineder ältesten »Hauptstädte« Europas, hatten das ganzeLand vermutlich schon bis zum ausgehenden 9. Jahr-hundert geeint. Damals waren Herzog Bořivoj I.(gest. um 894) und, an unbekanntem Ort, auch seineFrau Ludmila, Tochter eines Sorbenfürsten, »bekehrt«worden, der Herzog, der Überlieferung nach, am HofSvatopluks von Mähren durch den Erzbischof Me-thod, wenn das Datum der Taufe auch nicht feststeht.

Mit ihnen jedenfalls beginnt eine neue, und zwarchristliche Fürstenreihe, das tschechische Geschlechtder Přemysl (Primizl), das Böhmen bis 1306 regiert.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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Auch die Söhne dieses Fürstenpaares, Spytihněv(889–915) und Vratislav I. (915–921) – Breslau trägtseinen Namen –, sind Christen. Ebenso des letzterenSöhne, die Přemysliden-Herzöge Wenzel (Václav) I.(921–935) und sein Bruder Boleslav I. (929–967oder 973), nach mehreren Quellen der Jüngere, nacheiner Quelle der Ältere. Beide kamen nach dem frühenTod ihres Vaters, des Herzogs Vratislav, als noch Un-mündige unter die Vormundschaft ihrer Mutter Dra-homir, Tochter eines Hevellerfürsten, die gleichfallsChristin war und die Regierungsgewalt hatte. Undbeide Söhne erzog sogar eine Heilige, ihre Großmut-ter, die hl. Ludmila (860–921).

Spätere christliche »Legenden« freilich machtenaus Drahomir und Boleslav Heiden, weil jene ihreSchwiegermutter, die hl. Ludmila, dieser seinen Bru-der, den hl. Wenzel, ermordet hat bzw. ermorden ließ.Und noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundertsläßt sich katholische Geschichtsschreibung von Le-genden bestimmen, gibt Wetzer/Weltes kirchlichesStandardwerk Drahomir als »Heidin« aus, die seitLudmilas Ermordung »mit ihrem heidnischen Anhangnach Herzenslust« schaltete.

Im 20. Jahrhundert aber ist auch im katholischen»Lexikon für Theologie und Kirche« Drahomir »nichtheidnisch«, vielmehr »getauft«. Und ebenso ist Boles-lav »durchaus Christ«, und zwar »sicherlich von Ju-

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gend auf« (Naegle). Haben doch nun auch nach dem»Handbuch der Kirchengeschichte« Boleslav I. wiesein Sohn Boleslav II. (gest. 999) »am Christentumdurchaus festgehalten, ja sogar zu seiner Festigungbeigetragen«.

Noch am Tag des Brudermords demonstriert derMörder nach einer altslawischen Überlieferung seinBekenntnis, indem er dem Priester Paul befiehlt, überWenzels Leiche zu beten. Und auch Drahomir, die am15. September 921 durch ihre Gefolgsleute Tunnaund Gommon die hl. Ludmila töten und die Täterreich belohnen läßt, erbaut über Ludmilas Grab eineS. Michaeliskirche (während das Mörderduo auf ihrenBefehl schließlich verfolgt und Gommon umgebrachtwird, Tunna entkommt). Doch hat, Jahrhunderte spä-ter, nicht in Würzburg ein Bischof Hexen verbrannt,nicht wenige, und Messen gestiftet für ihre Seelen?!Kein Wahnsinn ist ausgeschlossen in dieser Religion,die Wahnsinn ebenso als Vernunft wie Vernunft alsWahnsinn ausgeben kann, als Werk des Teufels.25

Boleslav ließ auch die Gebeine seines Opfers ausStara Boleslav (Altbunzlau), seiner Residenz, in diePrager St. Veitskirche bringen. Die Überführung ge-schah mit seiner Zustimmung, vielleicht gar auf sei-nen Befehl. Und er ließ diese Kirche auch durch denRegensburger Bischof Michael unter besonderer Teil-nahme von Volk, Adel und Klerus konsekrieren. Fer-

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4.742 Deschner Bd. 5, 406Der hl. Wenzel und zwei fromme christliche ...

ner sorgte der Mörder Wenzels dafür, daß sein zwei-ter Sohn Strachkvas, später »Christian« genannt, imKloster St. Emmeram in Regensburg, zu dem er engeBeziehungen unterhielt, als Benediktiner heranwuchs.Boleslavs Tochter Milada wurde die erste Äbtissindes Prager Nonnenklosters St. Georg, seine TochterDubrawka (Dobrawa) 965 die Frau des polnischenHerzogs Mieszko I. aus dem Hause der Piasten; nachpolnischen Quellen unter der Auflage, daß er zumChristentum übertrete, was im folgenden Jahr auchgeschah und Polen christlich machte (S. 463).26

Natürlich haben heidnische Restgruppen beimMachtkampf in Böhmen eine Rolle gespielt, ebensoaber innerdeutsche, genauer sächsisch-bayerischeAuseinandersetzungen. Suchte Heinrich I. doch zwei-fellos in Böhmen Einfluß zu nehmen, wobei er, wievermutet wurde, Wenzel als Gegenspieler gegen denvom Bayernherzog Arnulf unterstützten Boleslav ge-wann. Als sich die beiden Deutschen freilich im Som-mer 921 überraschend arrangierten, sah Drahomirdarin kaum zu Unrecht eine Bedrohung Böhmens,zumal die hl. Ludmila, offenbar von dem in Prag wir-kenden Regensburger Archipresbyter Paul bestimmt,zu Arnulf hielt. Deshalb ließ Drahomir 921 ihreSchwiegermutter auf der Burg Tetin erdrosseln undverwies die bayerischen Priester des Landes. HerzogArnulf marschierte darauf im nächsten Jahr in Böh-

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4.743 Deschner Bd. 5, 406Der hl. Wenzel und zwei fromme christliche ...

men ein und unterwarf Drahomir.Heinrich fand erst gegen Ende des Jahrzehnts, nach

Niederringung der nördlichen Slawen, der Hevellerund Daleminzier, wieder Zeit, sich um Böhmen zukümmern. Gerade im Kampf gegen die Elbslawen vonMeißen bis ins Gebiet der Daleminzier an der böhmi-schen Grenze vorgedrungen, zog er über das Erzge-birge noch nach Prag weiter, während bezeichnender-weise der Bayernherzog gleichzeitig von Westen hervorstieß. Es war ein gemeinsamer Krieg gegen Böh-men, der sicher der Tributerzwingung, der seit Karl I.obligatorischen Zinszahlung, und im übrigen dochwohl eher der Unterwerfung des Boleslav, vielleichtder Erstickung eines Komplotts christlicher Tsche-chen mit paganen Restverbänden, als dem Wenzelgalt, der im selben Jahr noch seinem Bruder zumOpfer fiel.27

Über Václav I., den hl. Wenzel, wie ihn dann diekatholische Geschichtsschreibung nennt, ist einSchwall von Legenden im Umlauf, die als historischeQuellen meist nicht in Betracht kommen. Vergessenkann man auch vieles, was noch später Theologenund Historiker kolportieren, was zum Beispiel einekatholische Kirchengeschichte – mit Imprimatur und(ent)sprechendem Stil – noch im 20. Jahrhundert ver-breitet: »Dieser Fürst pflegte selbst die Hostien zubacken und den Wein zu keltern zum Gebrauche beim

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4.744 Deschner Bd. 5, 407Der hl. Wenzel und zwei fromme christliche ...

hl. Meßopfer, um seine Hochachtung gegen dieseshochheilige Geheimnis dadurch zu bekunden« (Aers-sen). Und das elfbändige Kirchenlexikon der katholi-schen Altmeister Wetzer/Welte weiß sogar, daß derhl. Herzog den für die Hostienbäckerei benötigtenWeizen nachts auf einem Acker zur Erntezeit (wo undwann sonst) eigenhändig mähte und »auf seinenSchultern nach Hause trug«; räumt aber auch ein, erhabe, wiewohl im Trinken »äußerst mäßig«, manch-mal doch »mehr als gewöhnlich getrunken ...«, umvon anderem zu schweigen.

Daß Wenzel das Christentum nach Kräften geför-dert, darf man umso eher glauben, als er seine Tsche-chen ganz offensichtlich mit christlicher Hilfe, dasheißt der seiner westlichen Nachbarn, zu beherrschensuchte. Von deutschen Priestern ausgebildet, war erbemüht, die böhmische Kirche nach dem Muster derdeutschen und im engsten Anschluß an die bayerischeeinzurichten, hatte er sich offenbar doch selbst demRegensburger Diözesanheiligen Emmeram geweihtund pflegte dessen Fest zu feiern. Böhmen war unterWenzel kirchlich vom Regensburger Bistum völligabhängig, war der Diözese des Bischofs Tuto einver-leibt. An ihn wandte sich Wenzel auch, als er auf derPrager Burg, wo seine Vorgänger Spytihněv und Vra-tislav bereits eine Marien- und Georgskirche errichtethatten, noch einen neuen und prächtigeren Christen-

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tempel zu bauen beschloß.Der Nationalheilige der Tschechen wollte aber

nicht nur deren engen Anschluß an die bayerischeKirche, sondern ebenso sehr die »dauernde politischeAnlehnung an und Unterwerfung unter das Deut-sche Reich«, weil dies »allein ihm die Durchführungseines Regierungsprogramms ermöglichte« (Naegle).Gerade damit freilich war man weithin unzufrieden inBöhmen, wo eine mächtige und anscheinend nochwachsende Adelsopposition, offensichtlich von Wen-zels thronsüchtigem Bruder Boleslav angeführt,nichts weniger als eine bayerisch-deutsche Orientie-rung wünschte, eine Unterordnung unter den gefährli-chen und gefürchteten großen Nachbarn und dessenKirche, die man vielfach grundsätzlich verabscheuthat. War doch Arnulf von Bayern schon einmal 922mit seinem Heerbann in Böhmen einmarschiert, umden damals etwa 15jährigen Wenzel, der seinen Geg-nern geradezu als »geisteskranker Herrscher« er-schien, vor dieser nationaltschechischen Partei zuschützen, die ihn nun liquidierte. Denn, so das »Mar-tyrologium Germaniens« (auch sprachlich erhebend):»Um seiner christlichen und deutschen Gesinnung fieler seinem Bruder und seinen Meuchlern zumOpfer.«28

Wenzel, vor dem heimtückischen Anschlag Boles-lavs in dessen Residenz Stara Boleslav angeblich ge-

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4.746 Deschner Bd. 5, 408Der hl. Wenzel und zwei fromme christliche ...

warnt, schlug dies in den Wind und setzte »all seinVertrauen auf Gott«. Der aber verließ ihn am 28. Sep-tember 929. Darauf eilte der Brudermörder sofortnach Prag, bemächtigte sich des Thrones und ließviele Anhänger Wenzels, zumal die diesem besondersergebenen christlichen Priester, töten oder außer Lan-des jagen, falls sie sich nicht schon in Sicherheit ge-bracht. Zwar wollte Boleslav, ja selber Christ, nichtdas Christentum in Böhmen beseitigen, doch sicherdie von Wenzel gestützte deutsche Oberherrschaft. Erblieb, schreibt Bischof Thietmar, »voller Übermutlange Zeit aufsässig; schließlich warf ihn der Königaber mannhaft nieder ...«29

Schon bald nach seiner Ermordung wird Wenzelals Märtyrer verehrt, die offizielle Kanonisation indeserst im 17./18. Jahrhundert betrieben. Immer mehrwächst der Ruf von seiner Heiligkeit und den Wun-dern kraft seiner »Fürsprache«. Auch jenseits derGrenze verbreitet sich der Kult; weithin gibt es Wen-zel-Reliquien in deutschen Landen. Die Hauptstückeaber befinden sich bis ins 20. Jahrhundert in Prag, dasfrüh ganze Pilgerscharen heimsuchen, falls die altenLegenden wenigstens darin glaubhaft sind. Wenzelwurde jedenfalls einer der häufigsten Vornamen derTschechen.

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4.747 Deschner Bd. 5, 409Der hl. Kollaborateur und Märtyrer wird ...

Der hl. Kollaborateur und Märtyrer wirdantideutscher Kriegsheld, Heinrich I. »Gründer

und Retter des Deutschen Reiches«

Mittelalterlichen Chronisten gilt der »Märtyrer« Wen-zel als großer Kriegsheld. Einen seit dem 13. Jahr-hundert bekannten St. Wenzel-Choral schmetterteman nicht nur bei der Krönung böhmischer Könige,er war auch »Schlachtgesang der hussitischen Heere«(Lexikon für Theologie und Kirche). Und seit der hus-sitischen Umwälzung diente er zur antideutschen Pro-paganda. In einem rein religiösen Wenzellied sangman statt des Verses »Tröste die Betrübten, vertreibealles Übel«: »Treibe die Deutschen, die Ausländer,aus«. Ja, in einem Gesangbuch des späteren 15. Jahr-hunderts prangten auf der Fahne des hl. Wenzel dieWorte: »Auf die Deutschen, auf die Gottesverräter!«Mal mit den Deutschen, mal gegen sie, ganz nach Be-darf – die (Über-)Lebenskunst dieser Religion.30

Zurück zu Heinrich I.Auf der Jagd bei der Pfalz Bodfeld (nahe Quedlin-

burg) erlitt der König einen Schlaganfall. Schwer-krank nahm er noch an der letzten, von ihm einberufe-nen Reichsversammlung in Erfurt 936 teil. Dann trafihn in der Pfalz Memleben an der Unstrut ein zweiterSchlaganfall, an dessen Folgen er am Morgen des 2.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.748 Deschner Bd. 5, 410Der hl. Kollaborateur und Märtyrer wird ...

Juli 936, ungefähr sechzigjährig, starb – »der groß-mächtige Herr und größte unter den Königen Euro-pas, an jeglicher Tugend der Seele wie des Körperskeinem nachstehend, und hinterließ einen Sohn, nochgrößer als er selbst, und diesem Sohn ein großes, wei-tes Reich, welches er nicht von seinen Vätern ererbt,sondern durch eigene Kraft errungen und Gott alleinihm gegeben hatte«.31

Heinrich I. wurde in Quedlinburg in der Kirche deshl. Petrus beigesetzt, vor dem Altar, und angeblich»unter dem Jammer und den Tränen vieler Völker«(Widukind). Noch spät haben ihn Hans Sachs besun-gen, Klopstock (»Der Feind ist da. Die Schlacht be-ginnt. Wohlauf, zum Sieg herbei!«) und RichardWagner. Und, natürlich wissenschaftlich fundiert, Hi-storiker haufenweise. Genau nach tausend Jahren,»am 20. Ostermond 1936«, bekennt Franz Lüdtke:»Während mein Buch schon gedruckt wird und ich alsletztes dieses Vorwort schreibe, kommt mir ein Auf-satz der Zeitschrift ›Neues Volk, Blätter des Rassen-politischen Amtes der NSDAP‹ vom 1. April (!) 1936zu Gesicht: ›Heinrich I., Gründer und Retter desDeutschen Reiches‹; in ihm wird in markanten Liniendie ragende Gestalt des Königs als deutsche Führer-persönlichkeit gezeichnet und ihm ›jener Ehrenplatzzugewiesen, der ihm nach unserer heutigen Auffas-sung von den Lebensnotwendigkeiten des deutschen

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4.749 Deschner Bd. 5, 410Der hl. Kollaborateur und Märtyrer wird ...

Volkes und nach den rassischen Erkenntnissen unse-rer Tage gebührt‹.«32

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4.750 Deschner Bd. 5, 41110. Kapitel

10. Kapitel

Otto I., »der Große« (936–973)

»...abgesehen vom Schrecken der königlichenStrafgewalt stets liebenswürdig.«

Mönch Widukind von Corvey1

»Kaum wird ein Hirte wie er je wieder des Kö-nigtums walten! Neue Bistumssitze vermochteer sechs zu errichten. Kraftvoll gewann er denSieg über Berengars schändlichen Hochmut.Auch der empörten Lombarden Nacken zwanger zu Boden ... Fernste Gestade entrichteten wil-lig ihm ihre Tribute. Immer ein Friedensfürst ...«

Bischof Thietmar von Merseburg2

»In der Gesinnung des christlichen Imperialis-mus hat Otto der Große seine Ostkriege geführt.Politik und Religion griffen so ineinander über,daß sie eine ›unlösliche Einheit‹ bildeten.«

Bünding-Naujoks3

»Papst Johannes XIII. hat ihn 967 wegen seinerLeistungen für die römische Kirche in eineReihe mit Konstantin dem Großen und Karl demGroßen gestellt.«

Helmut Beumann4

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4.751 Deschner Bd. 5, 41110. Kapitel

»...von der Gesamtleistung her, die aus klar ge-sehenen Konzeptionen sowie wohldurchdachtenund dann auch konsequent durchgeführten Si-tuationslösungen resultierte, ist er ohne jedenZweifel unter die Großen der Weltgeschichteeinzureihen. Weiterführung und Ausgestaltungder beharrlichen Aufbauarbeit Heinrichs I. istdabei nur das eine Signum seines Wirkens, dasandere und wichtigere ist das aus seiner eigenenneuen Staatsidee sich entfaltende zielsichereVordringen zu einer europäischen Hegemonie.«»Und er ist der einzige unserer mittelalterlichendeutschen Herrscher, dem die Geschichte denBeinamen ›der Große‹ auf Dauer bewahrt hat.Er hat sein Reich zur Hegemoniemacht in Euro-pa erhöht.«

Eduard Hlawitschka5

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4.752 Deschner Bd. 5, 413Zuerst das Schwert ...

Zuerst das Schwert ...

Heinrich I., »der Vater seines Landes – größter undbester der Könige« (Widukind), hinterließ aus seinerzweiten Ehe mit Mathilde (S. 381) drei Söhne: Otto,Heinrich und Brun. Noch im Frühjahr hatte er auf derReichsversammlung in Erfurt den Ältesten, den am23. November 912 geborenen 24jährigen Otto offizi-ell zum Nachfolger designiert. Der ältere Thankmar,aus erster – ungültig erklärter – Ehe, war dabei eben-so übergangen worden wie der Zweitgeborene auszweiter Ehe, Heinrich, Lieblingssohn der KöniginMathilde, den sie anscheinend lieber auf dem Throngesehen hätte. So wurde – in einer für die deutscheKönigskrönung traditionsstiftenden Zeremonie – OttoI. aus dem Sachsengeschlecht der Liudolfinger, derkünftige erste deutsche Kaiser, am 7. August 936 inLotharingien (das Ottos Vater dem BurgunderkönigRudolf abgenommen) in der karolingischen Pfalz Aa-chen gesalbt und gekrönt. Danach endete der Tag mitdem rituellen »Krönungsmahl«, einer gewaltigenFreß- und Sauforgie (»wesentlicher Bestandteil allerFeierlichkeiten, bei denen der König zugegen war«:Bullough).

Zunächst aber hatten sich die drei rheinischen Erz-bischöfe von Trier, Köln und Mainz wegen des Vor-

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4.753 Deschner Bd. 5, 414Zuerst das Schwert ...

rangs beim Weihevollzug gestritten. Ruotbert vonTrier, bald Erzkanzler/Erzkapellan, ehe er 956 an derPest starb, insistierte auf dem höheren Alter seinesBischofssitzes sowie dessen Gründung »gleichsamdurch den heiligen Petrus« (tamquam a beato Petroapostolo). Doch auch Wilfried von Köln wollte denKrönungsakt vornehmen. Zuletzt einigte man sich aufHildebert von Mainz unter Assistenz des Kölner Me-tropoliten. Dabei übergab dann der Mainzer, »einMann von wunderbarer Heiligkeit« (Widukind), imInnern der Kapelle und sozusagen unter dem Krumm-stab, den er trug, Otto als erstes der Reichsinsigniendas Schwert mit den Worten: »Nimm hin diesSchwert, mit dem Du alle Widersacher Christi, Hei-den und Ketzer, austreiben sollst auf Grund der Dirverliehenen göttlichen Vollmacht und auf Grund derMacht des ganzen Reiches der Franken, zur Befesti-gung des Friedens aller Christen«. Ein Satz, von demPierre Riché sagt, er enthalte »schon das gesamte ot-tonische Herrschaftsprogramm«. Den Heidenkrieg je-denfalls brachte der Gekrönte zur Genüge, den Frie-den unter Christen nie, weder diesseits noch jenseitsder Alpen.6

Nach der Weihe und Salbung in der basilica»Magni Karoli« wurde Otto, der bewußt in fränki-scher Tracht, also mit enganliegendem Gewand, er-schienen war, im Westchor des Münsters auf den stei-

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4.754 Deschner Bd. 5, 415Zuerst das Schwert ...

nernen Thron Karls gesetzt (noch immer auf der Em-pore der Pfalzkapelle zu bestaunen); und dies ganze,gewiß sorgfältig vorbedachte Zeremoniell zeigt denjungen Monarchen als rex Francorum, als Fortsetzerkarolingischer Traditionen. Die Kirche machte ihnzum »rex gratia dei«, zum König von Gottes Gnaden,zu dem »von Gott erkorenen« (a Deo electum), undhob ihn damit deutlich über den gesamten Adel.

Ebenso deutlich freilich zeichnete sich bereits jetzt,im eklatanten Unterschied zum Regierungsbeginn sei-nes Vaters und Vorgängers, eine neue Machtposition,eine Schlüsselstellung des Klerus und die klare Unter-ordnung der Herzöge ab. Sie sind nicht mehr Rang-gleiche unter einem Ersten, wie unter Heinrich I., son-dern sie sind »Diener« eines Gesalbten, eines Herrnvon Gottes Gnaden. Sie, Giselbert von Lotharingien,Eberhard von Franken, Hermann von Schwaben undArnulf von Bayern, versehen beim Königsmahl in fei-erlicher Form gegenüber dem neuen Gebieter die Hof-dienste des Kämmerers, Truchsessen, Mundschenkenund Marschalls, Ämter, die sich schon am Hof derMerowingerfürsten finden und aus denen später dievier Erzämter des Reiches hervorgehen.

Aachen aber wurde zum Krönungsort der deut-schen Machthaber des Mittelalters. In sechshundertJahren, zwischen 936 und 1531, empfingen hier 34Könige und 11 Königinnen die Krone.7

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4.755 Deschner Bd. 5, 415Schutz der Kirche, Krieg den Heiden

Schutz der Kirche, Krieg den Heiden

Otto I., der sich gleich bei seiner Thronbesteigungkirchlich salben, eine »höhere« Weihe geben ließ, warein sehr gläubiger, durch und durch katholischerFürst, ja so vom sakralen Charakter seines Herren-und Herrschertums, so von dessen Zuordnung auf denKlerus durchdrungen, »daß die Ausübung königlicherGewalt für ihn zum Priesterdienst wurde« (Weitlauff).Sein durch den Salbungsakt sozusagen gesteigertesKönigtum bekundet von Anbeginn an »eine gewan-delte Einstellung gegenüber der Kirche« und wird»gleichsam zum Vorbild der christlichen Monarchiendes Mittelalters« (Struve). Ottos Untertanen, wennwir Widukind glauben können, sehen in ihm dieNorm gottgerechten Handelns. Der König, der übri-gens sächselt, ein rötliches Gesicht und einen langenBart hat, steht ständig unter Gottes Schutz, ist dieStütze und Hoffnung der Christenheit, der große Got-tesfürst, dessen Herrschaft der des Herrn über das Allähnelt.

Wie Karl »der Große« erblickt auch Otto »derGroße« seine Hauptaufgabe im Schutz der Kircheund, trotz mancher Zwischenfälle, des Papsttums. Ge-radezu wörtlich hat er in einer noch erhaltenen Urkun-de die üblichen Versprechungen der Karolinger ge-

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4.756 Deschner Bd. 5, 416Schutz der Kirche, Krieg den Heiden

genüber den Päpsten erneuert, hat er die alten Schen-kungen wieder verbrieft und die kanonische Beset-zung des römischen Stuhles garantiert.

Neben und mit der »defensio ecclesiae« aber siehtdieser Fürst, der nie die Krone trägt, ohne vorher ge-fastet zu haben, seine weitere Hauptaufgabe »in derBekehrung der Heiden zu Gott« (Brackmann). Zeigtsich doch gerade bei ihm »sehr stark eine ziemlichlange Verbindung von Ostkrieg und Ostmission«(Bünding-Naujoks). Und war die Kirche auch keinganz einheitlicher Interessenblock, läßt sie dochselbstverständlich für Otto und seine Truppen beten,ist die Bitte für das Heer in den Litaneien und Laudesja schon seit dem 8. Jahrhundert die Regel.8

Im Krieg weht die Reichsfahne mit dem Bild desErzengels Michael den königlichen Schlächternvoran. Und natürlich zieht auch die »heilige Lanze«mit ihnen. In militärischer Bedrängnis wirft sich Otto,wie im März 939 südlich von Xanten, inbrünstig be-tend vor dieser »heiligen Lanze« zu Boden. Nach derSchlacht am 2. Oktober 939 gegenüber von Ander-nach kniet er weinend zu einem Dankgebet nieder.Auf wichtigen Kirchentreffen, der Generalsynode inIngelheim 948, dem späteren Nationalkonzil in Augs-burg, fordert er programmatisch das Christentum undseine Verbreitung und verspricht feierlich, jederzeitmit Herz und Hand für die Kirche zu kämpfen. Er zer-

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stört heidnische Heiligtümer und errichtet christlicheMissionsbasen, er sorgt für Missionare und schafftfest organisierte Diözesen. 967, auf der großenReichs- und Kirchenversammlung von Ravenna, er-stattet er Papst und Synodalen Bericht über seine»Missionstätigkeit« bei den Slawen.

Otto I. schloß also den traditionellen Bund der Ka-rolinger mit der Kirche noch enger. Er und seineNachfolger entwickelten die überlieferten Tendenzenfort. Er, Otto II. und Otto III., die sächsischen Kaiser,beherrschten wie niemand zuvor und danach dieabendländische Kirche. Otto I. ließ Vorschriftengegen Geistliche verabschieden, die Jagd auf Wildoder Frauen machten, und gegen Laien, die Priesterndie Zehnteinkünfte raubten. Er leitete Synodalver-sammlungen. Er zog 941 nach Würzburg und Speyer,942 nach Regensburg, um dort an Bischofswahlenteilzunehmen. Und selbstverständlich entschieden dieOttonen über die Bischofssitze – wobei der HeiligeGeist sich auffallend an die königlichen Verwandtenerinnert: Otto macht seinen (außerehelichen) SohnWilhelm 954 zum Erzbischof in Mainz, seinen Bru-der Brun 953 zum Erzbischof in Köln, seinen VetterHeinrich 956 zum Erzbischof in Trier. Die BischöfePoppo I. und Poppo II. von Würzburg, Dietrich I. vonMetz, Berengar von Verdun, Berengar von Cambrai,Liudolf von Osnabrück sind weitere königliche Ver-

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4.758 Deschner Bd. 5, 417Schutz der Kirche, Krieg den Heiden

wandte. Ottos Tochter Mathilde wird, elfjährig, dieerste Äbtissin von Quedlinburg.

Auch Päpste setzten die Ottonen ganz nach Gut-dünken ein und ab. Otto I. entthronte Johann XII. undBenedikt V., Otto III. den Invasor Johann XVI. Ohnediese Eingriffe wären die kirchlichen Zustände Roms(S. 475 ff.) noch scheußlicher gewesen. Die katholi-schen Majestäten hatten von den »StellvertreternChristi« auch keine allzu euphorischen Vorstellungen.Otto III. wies als erster die »Konstantinische Schen-kung« (IV 14. Kap.) in aller Schärfe als Fälschungzurück.

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4.759 Deschner Bd. 5, 417Die Bischöfe - ein profitables ...

Die Bischöfe – ein profitablesHerrschaftsinstrument

Vor allem zog Otto I. die Bischöfe sowie Äbte dergroßen Reichsklöster an sich, um sie für den »Reichs-dienst« einzuspannen. Die gewöhnlich dem Hochadelangehörenden maßgeblichen Kleriker kamen oft ausder Kapelle des Königs, wo sie ursprünglich (auch)geistliche Aufgaben wahrnahmen, jetzt aber geradezufür die Interessen des Herrschers herangebildet wur-den. Unter Otto stammten die meisten Bischöfe inSachsen, Franken und Bayern aus seiner Kanzlei undHofkapelle. In den frühen 950er Jahren wurde dieZahl der Kapellane beträchtlich erhöht; seit den späte-ren 960er Jahren aber verdoppelte, ja verdreifachtesich der Personalbestand der zentralen Schaltstelledes Reiches. Wir kennen aus Ottos I. Regierungszeitimmerhin 45 Hofgeistliche, davon etwas mehr Säku-larkleriker als Mönche. Und wie schon unter den Ka-rolingern fungieren sie als seine Berater, seine Diplo-maten, Verwaltungsfachleute, Feldherren.

Denn selbstverständlich zogen die zumeist in derHofkapelle »auf Reichstreue und vertieftes Verständ-nis des Christentums (!) hin ausgebildeten Bischöfeund Reichsäbte« (Hlawitschka) auch mit in denKrieg. Zum Beispiel befanden sich auf Ottos ZugKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.760 Deschner Bd. 5, 418Die Bischöfe - ein profitables ...

nach Frankreich im Herbst 946 in seinem Heer, wel-ches das gesamte Gebiet bis zur Loire und die Nor-mandie mit ausgedehnten Plünderungen heimsuchte,die Metropoliten von Mainz, Trier, Reims nebst wei-teren Seelenhirten. Die Trierer Erzbischöfe agieren946 und 948 als Befehlshaber auch im Süden, sinddort aber zwischen 953 und 965 ebenfalls auf Heeres-zügen. Bischof Dietrich von Metz – dessen Vorgän-ger Adalbero, mehrfach an Kriegen beteiligt, vermut-lich auch schon in Italien operierte – war dort unterOtto I. fünf Jahre ununterbrochen. Fast ebenso langErzbischof Adaldag von Hamburg, der die ottonischeReichs- und Kirchenpolitik stark beeinflußt und spä-ter mit Hilfe von Ottos II. dänischem Krieg (974)auch in Skandinavien die Frohe Botschaft verbreitethat und sein »vertieftes Verständnis des Christen-tums«, das auch er sicher in der Hofkapelle, zeitweisesogar als Kanzler Ottos, erworben haben dürfte. Dievom Kaiser besonders geschätzten Otker von Speyerund Lantward von Minden blieben alles in allemmehr als sieben Jahre im Süden. Insgesamt sind unterOtto I. nicht weniger als 28 deutsche Bischöfe in Ita-lien nachweisbar, und fechten auch vermutlich nichtalle im Heer für den Herrn (welchen Herrn immerman sich da vorstellen mag), so doch gewiß die mei-sten.

Die Prälaten handeln somit als Vertreter der könig-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.761 Deschner Bd. 5, 419Die Bischöfe - ein profitables ...

lichen Politik nach innen und außen. Sie haben Ein-fluß auf die Reichsverwaltung, den weltlichen undgeistlichen Hofdienst, das Gerichtswesen, den Ausbauvon Handel und Verkehr, sie bestimmen die wirt-schaftliche Entwicklung ihrer Territorien, die Fronar-beit. Und ihre administrative, ökonomische, militäri-sche Tätigkeit dauert durch das ganze Mittelalter fort,wobei sie auch bei fast allen Königswahlen eine her-vorragende Rolle spielen, die Mainzer Erzbischöfemitunter geradezu als Königsmacher gelten.9

Natürlich lohnte sich die Staatshörigkeit des Kle-rus. Denn wie der König mit seiner Hilfe die Macht-konzentration, die Selbständigkeitsbestrebungen deshohen Adels, zumal der Herzöge, bekämpfte, so er-hielt der Klerus mit der immer engeren Zuordnungzum Reich eine Fülle von Herrschafts- und Fiskal-rechten, gewann er vor allem den Schutz des Königsgegen die Übergriffe der Aristokratie auf seine großenGüter. Außerdem erlaubte eine starke staatliche Zen-tralgewalt die Hinzugewinnung ausgedehnter Grund-herrschaften durch die Unterwerfung benachbarterHeidenvölker.

Bischöfe und Äbte, ja längst im Erlangen von Im-munitäten (vom lat. munus, »Dienst, Amt, Gunst, Ge-schenk«) geübt, wurden so mit reichen Güterschen-kungen, mit neuen Immunitätsprivilegien bedacht. Sieerhielten nun erweiterte Rechte, die sie dem Eingriff

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von Grafen und Herzögen entzogen. Ihnen wurde dievolle Gerichtsbarkeit in sogenannten Causae maioreszuerkannt, die Bischofsstadt samt Einwohnern aus derGrafschaft eximiniert, die Kirchenvogtei der Graf-schaft gleichgesetzt. Und oft kam zu diesen Immuni-täts-, Bann-, Gerichtsbarkeitsprivilegien noch dieVerleihung von Markt-, Münz-, Zollrechten dazu –ursprünglich dem König vorbehaltene Rechte. AlsOtto beispielsweise 965 dem Erzbischof Adaldag vonBremen-Hamburg die Erlaubnis gab, in Bremen einenMarkt zu errichten, übertrug er ihm Bann, Zoll undMünze mit sämtlichen daraus fließenden Einkünften,womit der Erzbischof Stadtherr Bremens wurde. DieÜbertragung all solch königlicher oder gräflicher Re-galien auf die Bischöfe aber »ging weit über das hin-aus, was vorher in Deutschland üblich gewesen«(Bullough). Dagegen gibt es unter den Ottonen »Im-munitätsprivilegien an weltliche Herren so gut wiekeine mehr ...« (Schott/Romer).10

So sehr freilich die umfassende Heranziehung derKirche zu den Reichsgeschäften das Königtum stabi-lisierte, die immer großzügigere Ausstattung von Bi-schofssitzen und Klöstern und deren stets wachsendesPrestige legten doch zugleich den Grund für die Un-tergrabung der Königsmacht durch die Kirchenreformdes 11. Jahrhunderts. Aber der Monarch hatte nuneinmal entschieden auf den Episkopat gesetzt, und

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4.763 Deschner Bd. 5, 419Die Bischöfe - ein profitables ...

zwar zum Nachteil der eigenen Verwandtschaft undhoher Adliger.

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4.764 Deschner Bd. 5, 420Katholische Fürsten- und Familienbande

Katholische Fürsten- und Familienbande –Bayern und die Königsbrüder rebellieren

Ottos alleinige Machtübernahme im ostfränkisch-deutschen Reich bedeutete einerseits einen Bruch mitder karolingischen Praxis der Herrschaftsteilung beider Thronfolge zugunsten des Einheitsgedankens, derUnteilbarkeit des Reiches. Andererseits suchte er inAnlehnung an die Karolinger-Tradition die Stellungdes Königs gegenüber den Magnaten wieder zu stär-ken.

So führte der Beginn seines Regiments alsbald zuDestabilisierungen, ersten Unruhen, ja heftigenKämpfen im Landesinnern, teils durch königlicheVerwandte, die sich übergangen, zu kurzgekommen,teils durch Fürsten, die gleichfalls ihre Rechte be-schnitten sahen. Nahezu zwanzig Jahre lang wird nunder Regent, der Freundschaftspakte mit der Reichs-aristokratie meidet, in Erbschaftsauseinandersetzun-gen verstrickt und zeitweilig beinah an den Rand desRuins getrieben, wobei seine Gegner einen starkenRückhalt im Hochadel haben, der mächtig genug ist,noch beim Tod Ottos I. (973) wie Ottos II. (983) sicherneut zu erheben. Fast die Hälfte seiner Regierungs-zeit muß der erste der Ottonen auf die Klärung derPositionsverhältnisse im Staat verwenden, muß erKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.765 Deschner Bd. 5, 421Katholische Fürsten- und Familienbande

Kämpfe mit fränkischen Christen, Katholiken führen,von den Kriegen nach außen vorerst zu schweigen.

Selbst in Sachsen und Franken, den eigentlichenKernlandschaften des ottonischen Imperiums, kam eszu Spannungen.

Als 936, nach Niederwerfung der Elbslawen, derKönig den Sachsen Hermann Billung zum Markgra-fen über gewisse Grenzstriche an der unteren Elbemachte und 937 dem Grafen Gero die Markgrafen-schaft an der mittleren Elbe und Saale zuwies, verließHermann Billungs älterer Bruder Wichmann, einSchwager der Königin Mathilde, das Heer. Doch auchEkkehard, Ottos Vetter, der bald darauf im Kampfgegen die Slawen fiel, sah sich ebenso zurückgesetztwie Thankmar, Ottos Halbbruder (aus Heinrichs I. er-ster Ehe mit Hatheburg), der von vornherein auf dasErbe aus dem Privatnachlaß beschränkt worden war.Und Probleme gab es auch mit dem FrankenherzogEberhard. Noch kurz zuvor führend an Ottos Königs-erhebung beteiligt, wurde er nun, nach Lehnsstreitig-keiten im fränkisch-sächsischen Grenzbereich –wobei »das Sengen und Brennen nirgends aufhörte«(Widukind) – und der Maßregelung eines sächsischenVasallen von Otto, bestraft, nicht ohne daß dieserzuvor zwei Erzbischöfe und acht Bischöfe um Rat ge-fragt hätte.11

Zum offenen Konflikt aber kam es mit Bayern.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.766 Deschner Bd. 5, 421Katholische Fürsten- und Familienbande

Dort nämlich war der gefürchtete Herzog Arnulf»der Böse« (S. 364 f.) am 14. Juli 937 gestorben. Dermehrfache Ungarnbesieger hatte sich gegenüber demKönigtum eigenwillig verhalten und auch den Klerusseines Landes voll im Griff. Otto jedoch verlangteeine stärkere Anpassung und wollte weder Bayerns ei-genmächtige Außenpolitik noch seine Kirchenhoheitsamt dem damit verbundenen Privileg der Bischofs-einsetzung mehr dulden, sondern das Land in ein»Amtsherzogtum« umwandeln. So lehnte Arnulfs äl-tester Sohn Eberhard (937–938) es ab, Otto zu huldi-gen, zumal er sich völlig zu Recht als Nachfolger sei-nes Vaters im Herzogtum glaubte, hatte ihn dieserdazu doch 935 designiert.

Eberhard und seine Brüder trotzten einer stärkerenEingliederung. Sie verweigerten den »comitatus« –ein schon den alten Römern geläufiger politischer Be-griff mit freilich breitem Bedeutungsspektrum, denman hier u.a. als militärische Gefolgschaft deutet. Eskam, so Bischof Thietmar, »zu recht erheblichen Un-stimmigkeiten unter unseren Landsleuten und Waffen-gefährten«. Der König suchte eine kriegerische Ent-scheidung und marschierte Anfang 938 nach Bayern,holte sich aber eine Schlappe. Darauf schlugen GrafWichmann, der ältere Bruder Hermann Billungs (S.450 ff.), und Ottos älterer Halbbruder Thankmar ge-meinsam mit dem Frankenherzog Eberhard im Früh-

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4.767 Deschner Bd. 5, 422Katholische Fürsten- und Familienbande

sommer 938 gegen Otto los. Sie nahmen dessen jün-geren Bruder Heinrich als Geisel fest, und währendihn Eberhard in freier Haft mit sich führte, eroberteThankmar die Eresburg.

Der König zog nun zur Eresburg (bei Obermars-berg an der Diemel), wo die Aufständischen sich er-gaben, die Tore öffneten und der eindringende HaufenThankmar, »den kampfmüden jungen Mann in die St.Petruskirche« trieb (Thietmar); die Sachsen hattenhier einst die Irminsul verehrt, bis sie der »große«Karl zerstörte (IV 460). Doch obwohl Thankmar, ein»staatssymbolischer« Akt, seinen goldenen Halsringund seine Waffen auf den Altar niederlegte, ermorde-ten ihn – von Otto angeblich laut beweint – seineVerfolger von hinten durch einen Lanzenwurf. »Siescheuten sich nicht«, schreibt Widukind, »mit Gewaltdie Türen einzuschlagen, und drangen bewaffnet indas Heiligtum. Thankmar aber stand neben dem Altarund hatte die Waffen samt der goldenen Kette aufdemselben niedergelegt ... Aber einer der Ritter,Maincia mit Namen, durchbohrte den Thankmar vonhinten durch ein Fenster nahe beim Altar mit einerLanze und tötete ihn so neben dem Altar.« Und dannraubte der Ritter noch das Gold darauf. – Das Asyl-recht, das in der römischen Kaiserzeit zunächst denTempeln vorbehalten war und selbst im merowingi-schen Franken eine große Rolle spielte, wurde damals

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4.768 Deschner Bd. 5, 423Katholische Fürsten- und Familienbande

praktisch kaum mehr beachtet.Nach einem neuen Zug Ottos noch im selben Jahr

gegen Bayern setzte er dessen Herzog Eberhard abund verbannte ihn, worauf dieser aus der Geschichteverschwindet. An seine Stelle tritt, weniger frei, weni-ger machtvoll, der Bruder des verstorbenen HerzogsArnulf, Berthold von Kärnten, ein Fürst von OttosGnaden; über die Nachfolge in Bayern sowie über dieBesetzung der Bischofsstühle entschied jetzt derKönig.12

Unzufrieden aber war auch Ottos jüngerer BruderHeinrich, im Gegensatz zu ihm schon als Königssohngeboren. Unterstützt von ihrer beider Mutter undsächsischen Adligen, beanspruchte er wohl nicht nureine Mitregierung, sondern den Thron überhaupt, dieÜbernahme der ganzen Macht, und dies anscheinendgleich bei seines Vaters Tod. Deshalb hatte manHeinrich auch von Ottos Aachener Inthronisation aus-geschlossen. So empörte er sich 939, bald nach seinerFreilassung, mit seinem Schwager Herzog Giselbertvon Lotharingien (einem Urenkel Lothars I.), der beiOttos Krönung noch als Kämmerer fungierte, und mitHerzog Eberhard von Franken, dem die Niedermetze-lung aller älteren Babenberger so nützlich war (S.354 ff.). Eberhard hatte sich nach Abstechung desKönigsbruders Thankmar notgedrungen ergeben,zuvor aber noch mit Königsbruder Heinrich ein

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höchst bedrohliches Komplott geschmiedet, um die-sen an die Macht zu bringen.

Die königlichen Truppen konnten zwar im März939 bei Birten am Niederrhein (südlich von Xanten)ein Gefecht gegen Giselberts und Heinrichs überle-gene Kontingente für sich entscheiden. Doch gelangdies nur mit Glück und offenbar durch einen Ablen-kungsangriff im Rücken des Feindes, was man freilichdem Gebet des auf dem rechten Rheinufer samt »heili-ger Lanze« zurückgebliebenen Königs zuschrieb. »OGott, du aller Dinge Urheber und Regierer, sieh aufdein Volk ...« Immerhin wurden so mit Gottes Hilfe»alle entweder getötet oder gefangen oder wenigstensin die Flucht getrieben« (Widukind). Die Empörungaber weitete sich noch aus. Die Aufständischen fan-den Rückhalt bei dem westfränkischen KarolingerLudwig IV., während Otto sich mit dessen innenpoli-tischen Gegenspielern verband, dem mächtigen Ro-bertinerherzog Hugo von Francien, der 937 OttosSchwester Hadwig geheiratet hatte, sowie mit demGrafen Heribert II. von Vermandois (der 925 seinenfünfjährigen Sohn Hugo für immerhin zwei Jahrzehn-te zum Erzbischof von Reims hatte erheben lassen).

Otto, der den Abfall Lotharingiens verhindernwollte, ließ dieses im Sommer 939 auf einem Zugnach Westen verwüsten. Und als seine Gegner – dar-unter »auch einige verbrecherische und Gott verhaßte

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Männer der Kirche« (Continuator Reginonis), wieErzbischof Friedrich von Mainz, den Otto als Ver-mittler eingesetzt – ihm den Rückweg nach Sachsenabzuschneiden suchten, viele seiner Gefolgsleuteschon flohen, rettete ihn gerade noch vor der Kata-strophe ein schwäbisches Heer unter den konradinis-chen Grafen Udo und Konrad Kurzbold, beide naheVerwandte nicht nur des Schwabenherzogs, sondernauch Herzog Eberhards. Sie überfielen am 2. Oktober939 bei Andernach plötzlich die Rebellen und schlu-gen sie, Eberhard von Franken kam im Kampf um,Giselbert von Lotharingien auf der Flucht in den Flu-ten des Rheins – »und wurde nie wiedergefunden«(Widukind).13

Nun waren in diese großen Erhebungen gegen denKönig stets auch hohe Kleriker verstrickt. So bei demAufstand 938/939 Bischof Ruthard von Straßburgoder die Bischöfe Bernain von Verdun, Gauzlin vonToul, ein Heiliger (Fest 7. September) und AdalberoI. von Metz, ein eifriger Reformer und Abt des Klo-sters St. Trond. Metz wurde sogar zum Sammelplatzaller Gegner des deutschen Herrschers. Und währenddieser im Westen den Aufruhr bekämpfte und imOsten die heidnischen Ungarn über Thüringen undSachsen herfielen, zerstörte im Kampf gegen denKönig Bischof Adalbero, der Promotor der lothringi-schen Reformbewegung, noch die Kapelle Ludwigs

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des Frommen in Diedenhofen (Thionville), damit siekein Bollwerk des Feindes wurde.

Hervorzuheben ist hier der neue Mainzer Kirchen-fürst, der, so ein zeitgenössischer Chronist, der Conti-nuator Reginonis, nur darin tadelnswert erschien,»daß er sich, wo immer sich einer als Feind des Kö-nigs zu erkennen gab, sofort als zweiter anschloß«.Dabei war der Hildesheimer Domherr Friedrich erstEnde Juni von Otto zum Erzbischof, auch, wohl nochim gleichen Jahr, von Leo VII. zum ApostolischenVikar und päpstlichen Legaten für ganz Deutschlandernannt und, beiläufig, vom Heiligen Vater zugleichaufgehetzt worden, »Juden, welche die Taufe verwei-gerten, zu vertreiben«. (Der Chronist und PriesterFlodoard von Reims, im Gefolge der dortigen Seelen-hirten auch auf diversen Feldzügen bewährt, speiste936 während einer politischen Mission in Rom mitdem judenfeindlichen Pontifex und empfing »einenäußerst günstigen Eindruck von seiner ... Warmher-zigkeit«: Kelly.) Wie Leo VII., war auch sein – mit-unter ganz weltflüchtig unkritisch gestimmter – VikarErzbischof Friedrich, dem einst nach einem Abfallvom König die eigenen Diözesanen die Tore ver-schlossen, der Reform, strenger Zucht der Mönche zu-getan. Ihm mißfiel die Behandlung von Kirchengüternin seinem Sprengel ebenso wie die bevorzugte Stel-lung des Klosters Fulda. Der Potentat seinerseits setz-

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4.772 Deschner Bd. 5, 425Katholische Fürsten- und Familienbande

te den Mainzer Oberhirten und päpstlichen Legatenfür Gesamtdeutschland, der es, wie sein Vorgängerseit der Babenberger Fehde, mit den Konradinernhielt, 939/940 und 941 in Klosterhaft.

Nach Niederschlagung der Empörer unterstellteOtto das Herzogtum Franken sich selbst – es verlordamit seine Eigenständigkeit für immer. Und Lotha-ringien gab er (als Nachfolger Giselberts) 940 seinembegnadigten Bruder Heinrich, der sich dort freilichnicht behaupten konnte und schon im selben Herbstaus dem Land gejagt worden ist. Noch immer gierignach der Krone, auf die er wohl ein gewisses Rechthatte, versuchte nun Heinrich, den Bruder durch einMordkomplott auszuschalten, und das ausgerechnetam heiligen Osterfest (941) in Quedlinburg. DieSache flog jedoch auf. Otto ließ mehrere Verschwö-rer, meist sächsische Adelige, köpfen. Der ebenfallsverdächtige Mainzer Metropolit, erst im Jahr zuvoraus der Fuldaer Klosterhaft entlassen, »reinigt« sichöffentlich durch ein »Gottesurteil«, die Kommunion.Und das immer wieder aufmüpfige Bruderherz, gefan-gen nach Ingelheim geschleppt, liegt noch an Weih-nachten desselben Jahres dem Mächtigeren zu Füßen,wird erneut in Gnaden aufgenommen und nach im-merhin drei Erhebungen jetzt nicht einmal mehr rück-fällig.14

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»Verwandtenfürsorge« und die Folgen: derLiudolfinische Aufstand

Um nicht, wie sein Vater, an den Herzogsgewalten zuscheitern, trieb Otto seit 940 eine gewisse »Familien-politik«, versah er mehr oder weniger liebe Angehöri-ge mit Herzogtümern, und zwar mit peripheren, umsie von den Machtzentren Sachsen und Franken fern-zuhalten. Oder er verheiratete Verwandte mit ihm er-gebenen Personen.

So gab er seinem rebellischen, bei der Erbzuteilungaber offensichtlich vernachlässigten Bruder Heinricherst das Herzogtum Lotharingien, freilich eine Fehlbe-setzung; dann, nach dem Tode Herzog Bertholds 947,das Herzogtum Bayern, allerdings unter Ignorierungdes dort von den Luitpoldingern eingeführten Erb-rechts. Nun hatte der neue Herr, Heinrich I.(948–955), zwar schon vor einem Jahrzehnt die Luit-poldingerin Judith, die Tochter des einstigen HerzogsArnulf, geheiratet. Gleichwohl war längst nicht allesin Bayern mit dieser Besitznahme einverstanden, u.a.der Salzburger Erzbischof Herold (939–958, gest. um970). Als Parteigänger Liudolfs verließ er währenddes Aufstands 954 den König und ging offen zu des-sen Feinden über. Er wurde jedoch gefangengenom-men und als (angeblicher) Kollaborateur der UngarnKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.774 Deschner Bd. 5, 426»Verwandtenfürsorge« und die Folgen: der ...

durch Heinrich von Bayern nach der Schlacht beiMühldorf am Inn, vermutlich am 1. Mai 955, geblen-det und verbannt, was seinerzeit, da es einen Kirchen-fürsten traf, die Gemüter sehr erregt hat. Noch aufdem Totenbett aber wollte der Herzog diese Untatnicht bereuen, obwohl es Bischof Michael von Re-gensburg verlangte.

Wie Bruder Otto (S. 455 ff.) war auch Heinrich,»der erlauchte Herzog von Bayern«, nicht zimperlich,»der Schrecken der Barbaren und aller Nachbarvöl-ker, selbst der Griechen« (Vita Brunonis). Als er zumBeispiel 951 zur Erweiterung seines Einflusses in Ita-lien Aquileia eroberte, ließ er den dortigen Patriar-chen Engelfried (um 944–963) entmannen.

Einen Prälaten geblendet, den andern entmannt –persönlich gut katholisch. Als der Herzog bald daraufstarb, lebte seine Gattin, Judith von Bayern, »in tieferTrauer« und »als Witwe enthaltsam«, kam aber »be-denklich ins Gerede« wegen ihres Beraters, des Bi-schofs Abraham von Freising (957–993). Doch er-wies sich Bischof Abraham durch ein Gottesurteil,den Kommunionempfang, als »rein an Seele undLeib« (Bischof Thietmar).

Um seine Herrschaft weiter zu konsolidieren, bahn-te der König auch dynastische Verbindungen mit denGroßen des Reiches an.

So verheiratete er 947 seine sechzehnjährige Toch-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.775 Deschner Bd. 5, 427»Verwandtenfürsorge« und die Folgen: der ...

ter Liudgard mit dem ebenfalls noch recht jungenRheinfranken Konrad dem Roten, der im Worms- undSpeyergau reich begütert, seit drei Jahren Herzog vonLotharingien (944–953) und seit längerem einer vonOttos engsten Vertrauten war. Ferner verehelichte erseinen ältesten, doch noch im Jünglingsalter stehen-den, 946 zum Thronfolger designierten Sohn Liudolfein Jahr darauf mit Ita, der Tochter des söhnelosenHermann I. von Schwaben (926–949), des Hauptesder fränkischen Konradiner, nach dessen Tod 949Liudolf Herzog in Schwaben wurde (950–954) – »einJüngling von einzigartigem Ruhm und Ansehen«,dem es aber »nicht schnell genug ging, an die Machtzu kommen« (Vita Brunonis).15

So vermochte der zielstrebige Monarch nicht, diekraft seiner Alleinherrschaft benachteiligten Mitglie-der der Königssippe durch Herzogtümer oder vorteil-hafte Ehestiftungen enger an die Krone zu binden.Vielmehr hungerten die Geförderten nach mehrMacht, und so kam es – das wiederholt sich in diesenchristlichen Herrscherhäusern von Generation zu Ge-neration – zu einer neuen Empörung, der Liudolfs953. Er glaubte sich durch seinen Onkel, den Bayern-herzog Heinrich, ebenso gefährdet wie durch einen,Ottos zweiter Ehe mit Adelheid Ende 952 entsprosse-nen, doch bereits 954 wieder gestorbenen Sohn Hein-rich.

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4.776 Deschner Bd. 5, 428»Verwandtenfürsorge« und die Folgen: der ...

Der für den König sehr gefährliche Aufstand, eineErhebung zahlreicher Unzufriedener, wurde von Liu-dolf angeführt, Ottos ältestem Sohn aus der Ehe mitEdgith, dem Herzog von Schwaben (mit engen Kon-takten zu den Klöstern St. Gallen, Reichenau, Pfäfersund Einsiedeln), und von Konrad dem Roten, OttosSchwiegersohn, seit 944 Herr über Lotharingien, »vorkurzem noch der tapferste Herzog, jetzt aber derfrechste Räuber«. Beide fürstlichen Empörer kämpf-ten »mit allen Mitteln der Gewalt und nicht minderauch der List, ruhten weder Tag noch Nacht, machtenihre Gegner untereinander mißtrauisch, ließen nichtsunversucht und scheuten vor nichts zurück. Ihr großesZiel war, die bedeutendsten und reichsten Städte desReiches auf irgendeine Weise in ihre Hand zu bekom-men. Von hier aus, so glaubten sie, würden sie un-schwer alle Teile des Reiches beherrschen können.«

Otto nannte die Insurgenten, die im Bunde mit denbrandschatzenden Ungarn gewesen sein sollen, »Lan-desfeinde«, »Vaterlandsverräter«, »Fahnenflüchtige,die in ihrer gotteslästerlichen Frechheit mich selbstam liebsten, ich glaube von ihrer eigenen Hand er-mordet oder sonstwie des bittersten Todes gestorbensehen würden« (Vita Brunonis).

Fast alle Luitpoldinger wechselten ins Lager derPutschisten, wie wohl die Mehrzahl des bayerischenAdels überhaupt; auch Pfalzgraf Arnulf, der Sohn

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4.777 Deschner Bd. 5, 428»Verwandtenfürsorge« und die Folgen: der ...

Herzog Arnulfs »des Bösen«, schon beim Aufstand937/938 unter den Rebellen, dennoch von Otto zumPfalzgrafen und erst 953 von Ottos Bruder, dem Bay-ernherzog Heinrich (als dieser mit seinem Heerbannzur Unterstützung des Königs nach Mainz eilte), zuseinem Stellvertreter ernannt. Auf der Seite der Em-pörer, deren Revolte bald ganz Süddeutschland erfaß-te, sogar nach Sachsen übergriff, standen auch Erzbi-schof Herold von Salzburg und wieder ErzbischofFriedrich von Mainz, der dann auf dem Tag von Lan-genzenn im Juni 954 beteuerte, nie etwas gegen diedem König schuldige Treue unternommen zu haben,tatsächlich aber vielen, so der Regent selbst, »dieLust am Wahnsinn des Bürgerkriegs geweckt hat«(Vita Brunonis). Er überließ den AufständischenMainz als Stützpunkt, das Otto zwei Monate, im Juliund August 953, vergeblich berannte.

Wie schon an Ostern 941, so entkam der Herrscherauch jetzt einem geplanten Mordanschlag seiner ka-tholischen Verwandten. Der folgende Bürgerkriegfreilich, ein Hin und Her von Überfällen, von Zernie-rungen und Stürmungen diverser Burgen und Städte,von Gefechten vor allem um Mainz und Regensburg,ließ sich zunächst ungünstig für Otto an, brachte aberbesonders dem Volk schwere Verluste an Hab undGut, an Menschenleben, »heerte und brannte« derKönig doch »im Lande« (Thietmar). Auch die bayeri-

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sche Hauptstadt Regensburg, die er Ende 953 mona-telang erfolglos belagerte, ging dabei teilweise inFlammen auf.

Doch fast alle festen Plätze Bayerns hielten die Re-bellen, Otto stand vor verschlossenen Toren. Dazudrangen im Frühjahr 954 die Ungarn, »diese alte Pestdes Vaterlandes« (Vita Brunonis), bei einem überra-schenden Einfall bis an den Rhein, bis Lotharingienvor. Erschienen ihnen ja gerade Unruhen, Fehden,Bürgerkriege natürlich als passendste Zeitpunkte fürergiebige Beutezüge. Je toller sich die Christen schlu-gen, desto besser. So nutzten die fremden Reiterscha-ren auch jetzt das innerkatholische Gemetzel zu ihremverheerendsten Angriff auf Deutschland, zumal aufdessen Süden. Freilich nutzten, wie so oft, so auchdiesmal Fürsten des Reiches den Landesfeind als will-kommenen Verbündeten. Liudolf nahm, behauptet zu-mindest Thietmar, »gegen seinen Vater und Königawarische Bogenschützen als Bundesgenossen inSold«. Und auch Konrad der Rote wurde der Koope-ration mit den Ungarn bezichtigt.

Doch eben deshalb schlug die Stimmung zugunstenOttos um. Und mochten selbst einige Exponenten derdeutschen Kirche, wie die Erzbischöfe Friedrich undHerold, zu den Aufrührern stehen, in einem entschei-denden Moment wurde der Herrscher vielleicht nurdadurch vor dem Fiasko gerettet, daß kein anderer als

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4.779 Deschner Bd. 5, 429»Verwandtenfürsorge« und die Folgen: der ...

ein veritabler Heiliger, Ulrich von Augsburg – amFest der Unschuldigen Kinder zum Bischof ge-macht –, von der Kutsche aufs Pferd wechselte undmit seinen Kriegern dem bedrängten König zu Hilfegaloppierte. Und auch im Endstadium des Kampfesspielte Ulrichs Heeresaufgebot (und das des Bischofsvon Chur) eine ausschlaggebende Rolle.16

Otto I. hatte sich eben durch generöse Ausstattungdes Episkopats mit Gütern und Hoheitsrechten einewirksame Stütze, ein Gegengewicht zur Macht derFürsten geschaffen, was vor allem im servitium regis,dem »Reichsdienst« von Bistümern und Abteien zumAusdruck kam. Sie legten diese Last natürlich auf ihreHintersassen um, während eine Leistungspflicht desHochadels unsicher ist. Das Personal aber für den»Reichsdienst«, der häufig ein Kriegsdienst war,nahm Otto mehr und mehr aus seiner Hofkapelle, derseine besondere Aufmerksamkeit galt (S. 417).17

Über das ottonisch-salische Reichskirchensystementstand in jüngster Zeit ein Disput: ob nämlich die-ser durch die ältere Forschung (L. Santifaller) ge-schaffene typologische Ordnungsbegriff geschichtlichgerechtfertigt sei. Ob also Otto I. im »Reichskirchen-system« einen neuen Typus geschaffen oder ob er,wofür wesentlich mehr spricht, gewisse ältere karolin-gische Traditionen nur verstärkt fortgesetzt, gewisseElemente der Kontinuität nachdrücklicher, konse-

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4.780 Deschner Bd. 5, 430»Verwandtenfürsorge« und die Folgen: der ...

quenter weiterentwickelt habe, spielten auch in derkarolingischen Reichskirche die Klöster, in der ottoni-schen die Bistümer die entscheidende Rolle. Das so-zusagen geistliche Amt des Bischofs (das freilich aufvöllig bodenlosen, zudem gänzlich aus anderen Reli-gionen übernommenen Glaubensvorstellungen beruht,von mir systematisch im engen Anschluß an die histo-risch-kritische Theologie in »Abermals krähte derHahn« gezeigt) war doch längst von politisch-militä-rischen Aufgaben durchsetzt, mag auch das »weltli-che« Fürstentum und die »nationale« Orientiertheitder Prälaten unter den Ottonen noch offensichtlichergeworden sein. Etwas grundsätzlich Neues liegt hiernicht vor, vielmehr ein seit Jahrhunderten stets augen-fälliger werdendes Herrschaftsinstrument, mit demBischöfe und Äbte übrigens sehr deutlich auch ihreeigenen Ziele verfolgen, auf die Dauer zum schwerenSchaden des Staates.18

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»Christi bonus odor« (Christi angenehmerWohlgeruch) oder »ein königliches Priestertum«

Eine markante Verkörperung, geradezu der Prototypeines ottonischen Kirchenfürsten, war Ottos leiblicherBruder Brun, der im Mai 925 geborene jüngste SohnKönig Heinrichs I. und der Königin Mathilde, wäh-rend der Jahre 953 bis 965 Erzbischof von Köln.

Von früh an zum Kleriker bestimmt, wurde Brunbereits als Vierjähriger von Balderich von Utrecht(918–976), einem mit dem Königshaus verschwäger-ten Prälaten, an dessen Domschule erzogen. Mit vier-zehn Jahren kam Brun auf Wunsch seines Bruders anden Hof, wo er bald beherrschenden Einfluß gewann.Schon 940, im Alter von 15 Jahren, stieg er zumKanzler, schon 951, noch vor seiner Bischofsernen-nung, ein sehr ungewöhnlicher Fall, zum Erzkaplanund Erzkanzler auf, womit er die Oberaufsicht überdie Hofkanzlei hatte. 953, mit achtundzwanzig Jah-ren, avancierte er zum Erzbischof von Köln; er gebotschließlich über mehrere Bistümer und Abteien undwurde auf dem Höhepunkt des Liudolfinischen Auf-standes – faktisch – auch Herzog von Lotharingien:»archidux«, wie ihn sein erster Biograph, der MönchRuotger nennt, mit der Zusammenziehung von archie-piscopus und dux Bruns Doppelstellung als Kirchen-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.782 Deschner Bd. 5, 431»Christi bonus odor« (Christi angenehmer ...

und Reichsfürst erfassend. Hat der ruhmbedeckte Hei-lige doch gerade auch in Lotharingien mit »militäri-schen Mitteln ... alle dem Königtum entgegenstehen-den Widerstände des Adels beseitigt« (Pätzold).

Am Hof, wo Brun »inmitten seiner purpurtragen-den Diener« selbst nur »in einfacher Kleidung undbäuerlichen Schafpelzen« erschien (Vita Brunonis),auch ohne je ein Bad zu nehmen (»Christi bonusodor«), erzog man unter seiner Leitung in der Kapelleund besonders der Kanzlei junge Geistliche zu Bi-schöfen, Äbten, zu Männern, denen der Gedanke derHeidenbekehrung ebenso vertraut war wie die augu-stinische Idee (I 514 ff.) des »gerechten Krieges«, bel-lum iustum, auch des Angriffskrieges: gut zur Recht-fertigung des Massenmordes an »Ungläubigen«.

So war Erzbischof Brun einerseits ein Vorkämpferder »Reform«, der die mönchischen Prinzipien vonGorze propagierte, der berühmten lotharingischen Be-nediktinerabtei (das Gründungsdatum von 748 beruhtauf gefälschten Diplomen), andererseits aber rückteer – dem es freilich nie darum ging, daß etwas »ihmselbst, sondern daß es Gott gefiel« (Vita Brunonis) –auch mit seiner Soldateska aus, attackierte blutig Gra-fen und andere Große, Christen doch, Katholiken, er-beutete, zerstörte Burgen, »daheim und im Krieg«,wie sein Biograph beteuert, »ein nimmermüder Strei-ter des Herrn«. Mindestens sechsmal focht der Heilige

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an der Spitze eines Heeres – vita activa nennen dasForscher. Er belagerte (959 und 960) Dijon und Tro-yes. Er kämpfte mit seinen Haufen in Burgund, inFrankreich und griff besonders in Lotharingien, daswiederholt gegen ihn aufstand, brutal durch. Den Gra-fen Reginar III. vernichtete er militärisch völlig. Erwurde vom König geächtet, sein Hab und Gut konfis-ziert; 973 starb er in Böhmen in der Verbannung.(Seine Söhne, Reginar IV. und Lambert, nach OttosTod ins Land zurückgekehrt, mußten bereits um 974beim Anrücken Ottos II. ins Westfrankenreich flüch-ten.) Dagegen verhalf Brun dem Bischof Berengarvon Cambrai (956–962), dessen Untertanen sich wäh-rend einer seiner Hoffahrten erhoben, zur Rückkehr indie Stadt, worauf Berengar ein Schreckensregimentbegann, bei passender Gelegenheit über seine Diöze-sanen herfiel und viele töten ließ, ohne sich doch dau-ernd in Cambrai halten zu können. (Und der Nachfol-ger, Bischof Ansbert [966–971], behauptete sich dortnur mit auswärtiger Hilfe.)

Bei alldem aber, wozu ihn ja bloß »die Not desVolkes« trieb, war der hl. Erzbischof natürlich stetsder »Gottesmann Brun« (Vita Brunonis), hatte er, ins-geheim mönchisch-eschatologisch gestimmt, den Sinnganz aufs Jenseits gerichtet. Doch im Kampf für denköniglichen Bruder, »das Licht des Erdkreises«, den»Gesalbten des Herrn«, werden alle Gegner, gleich

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4.784 Deschner Bd. 5, 432»Christi bonus odor« (Christi angenehmer ...

welchen Glaubens – dies ist auf christlicher Seite sodurch die Jahrtausende! – zu blanken Teufeln; »vomGeist des Hasses getrieben«, »des Satans entflammt«,verbreiten sie »das Gift ihrer Bosheit im ganzen Kör-per des Reiches«: Eidbrüchige, Räuber, die »Pest desMenschengeschlechts«, »tollwütige Wölfe, die dieKirche Gottes verwüsten« etc. Hingegen verbindet indem hl. Brun »die Liebe« alles, höchsten Adel, hoheÄmter, Würden, Weisheit – und tiefste Demut, Milde,tägliche Tugendfortschritte. Bringt er doch, wie Ottoselbst es ausgedrückt haben soll, »zu unserer Königs-herrschaft ein königliches Priestertum hinzu«. So istder Heilige »zugleich liebenswürdig und furchtgebie-tend«, ist er, das liegt in der Familie, ganz wie derBruder: »abgesehen vom Schrecken der königlichenStrafgewalt stets liebenswürdig«. Ja, »Unter Sanftenund Demütigen war niemand sanfter und demütiger,gegen Böse und Übermütige niemand strenger«. DennErzbischof Brun, »Christi angenehmer Wohlgeruch«,hat eben nicht nur, mit seinem Biographen zu spre-chen, »Politik getrieben und sich mit dem gefährli-chen Kriegshandwerk befaßt«. Nein, er war auch»Tag für Tag« die Zuflucht der Bedrängten, Armen.Doch noch im Krieg tat er Gutes, Heilsames – »auchdurch seine Feldzüge brachte er dem Dome und denanderen Kirchen die Schätze des Heils, die Reliquiender Heiligen, zu wie kaum einer seiner Vorgänger«

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4.785 Deschner Bd. 5, 432»Christi bonus odor« (Christi angenehmer ...

(Oediger); »liebliche Perlen und süße Unterpfänder«,»fast aus allen Ländern und Enden der Welt« (VitaBrunonis).19

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4.786 Deschner Bd. 5, 433»Liebliche Perlen« und dreißigjähriger ...

»Liebliche Perlen« und dreißigjährigerMachtkampf

Als das Beste, Schönste, Bedeutsamste aller Brun-schen Schätze aber galten der Stab und die Ketten deshl. Petrus. Zwar waren diese (wie wohl viele andere)Reliquien, die der Bischof mit wahrer »Liebe«, »mitBegeisterung« erworben, den Petrusstab aus Metz, dieKettenglieder mutmaßlich 955 durch Papst Agapet II.aus Rom, natürlich erstunken und erlogen. Gerade umden Petrusstab freilich – er wird noch im 20. Jahrhun-dert im Kölner »Domschatz« gezeigt! – entbranntezwischen dem Kölner und dem Trierer Metropolitenein dreißigjähriger Machtkampf. Hing doch dieWürde eines Bischofssitzes und seine – in der Religi-on der Demut so wichtige – Vorrangstellung gegen-über einem anderen Bistum wesentlich davon ab, in-wieweit sich seine Gründung auf Petrus oder einenPetrusschüler zurückführen ließ, wovon selbstver-ständlich keine Rede sein kann (vgl. II 56 ff.).

Metz und Trier erhoben also Anspruch auf die (erstim 9. Jahrhundert schriftlich fixierte) »Petrusjünger-schaft«! Und gegen die erdrückende Übermacht, dieBrun von Köln gewann, bot man die angebliche apo-stolische Sukzession des Trierer Stuhls auf und stütz-te sie durch das Petrusstabmärchen, worin alles erfun-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.787 Deschner Bd. 5, 434»Liebliche Perlen« und dreißigjähriger ...

den ist; nicht zuletzt die Totenerweckung des KölnerOberhirten Maternus – er selbst zwar im 4. Jahrhun-dert historisch bezeugt, doch schon vom Apostel Pe-trus ausgesandt zur Mission! Bei seinem plötzlichenTod holte man Petri Stab aus Rom, und mit dessenwunderbarer Hilfe wurde der schon vierzig Tage imElsaß begrabene Maternus wieder lebendig und dannBischof von Trier.

Ein weiteres Mal steht übrigens der – wer könntees ihm verdenken – anscheinend gern lebende Bischofzur Zeit Karls »des Großen« für neun Jahre von denToten auf. Und sollte, wie christliche Chronisten auchwissen, der hl. Maternus (gut gegen Infekte und Fie-ber; Fest 14. September) sogar ein Verwandter Jesugewesen sein, nämlich der bekannte Jüngling vonNain, so wäre Maternus immerhin dreimal gestorbenund wieder und wieder auferstanden – wenn seine To-tenerweckung in der Bibel auch nur Lukas berichtet,alle anderen Evangelisten, die doch so viele kleinereMirakel Jesu erwähnen, aber darüber schweigen. Ne-benbei: 1059 begründete auch der Reimser Metropolitseine Rechte auf Primat und Königskrönung mit Be-rufung auf den Petrusstab, den einst Papst HormisdasBischof Remigius von Reims verliehen habe!

Brun von Köln bemächtigte sich also, vermutlich953, des im Metzer Dom befindlichen ominösen Sta-bes, um das Trierer Primatstreben zu entkräften. Doch

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4.788 Deschner Bd. 5, 434»Liebliche Perlen« und dreißigjähriger ...

fälschte man in den sechziger Jahren des 10. Jahrhun-derts, wohl im Trierer Domklerus, das sogenannte Sil-vesterdiplom, wonach Papst Silvester I. (314–335)der Trierer Kirche jene Primatsrechte über die galli-schen und germanischen Bistümer bestätigt, die ihreinst Petrus selber verliehen! Und aufgrund diesesSchwindels erkannte dann Papst Johann XIII. am 22.Januar 969 dem Trierer Erzbischof Theoderich(965–977) den begehrten Primat über Gallien undGermanien zu.

Leider befand sich nun aber der so wichtige »Pe-trusstab« in Köln. Doch gelang es dem Trierer Erzbi-schof Egbert (977–993), einem in der königlichenHofkapelle geschulten hochgebildeten Kopf, der 976Kanzler Ottos II. wurde, vom Kölner ErzbischofWarin (975–985) – der vielleicht unter der Last der»historischen Beweise« Triers zusammenbrach – dieEinwilligung zu einer Teilung des Stabes durchzuset-zen. Nach christlicher Anschauung war ja jede Teilre-liquie so gut wie eine ganze, da auch in der geteiltendie Heilswirkung der ganzen steckte. Erzbischof Eg-bert, ebenso auf die materielle Sicherung seinesSprengeis bedacht wie auf den PrimatsanspruchTriers über Gallien und Germanien, ließ speziell zuseinem Fragment noch einen äußerst preziösen Knaufanfertigen, wodurch das Kölner »Original« schließ-lich beträchtlich übertroffen und der Trierer Petrus-

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4.789 Deschner Bd. 5, 435»Liebliche Perlen« und dreißigjähriger ...

stab zu einem der Meisterwerke »ottonischer Gold-schmiedekunst« wurde (Achter).

Nicht genug. Eine ausführliche Inschrift der Kost-barkeit erzählt die Geschichte des Stabes, wonachdieser einst vom hl. Petrus »zur Auferweckung desMaternus von ihm (Petrus) selbst übersandt« wordensei und rügte dazu noch mild die Aneignung altenTrierer Kirchenguts durch Erzbischof Brun von Köln,der den Stab »abgefordert« habe. »Die Schriftquellenlassen den Kampf, den Trier seit der Jahrhundertmitteum Primat und Stab führt, in aller Schärfe deutlichwerden. Je mehr Trier aus der Reihe der deutschenErzbistümer herausgedrängt zu werden drohte, destointensiver wird das Bestreben, durch Demonstrationdes eigenen Alters und des apostolischen Auftrags dieRivalen auszustechen« (Achter).20

Nach der Unterwerfung der liudolfingischen Empörerglückte Otto I. noch ein weiterer und größerer Macht-gewinn, der Sieg auf dem Lechfeld über die Ungarn.(Eine Niederlage hätte ihn wahrscheinlich in erneuteinnenpolitische Konflikte gerissen.)

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4.790 Deschner Bd. 5, 436Die Lechfeldschlacht 955 - eine »große Gabe ...

Die Lechfeldschlacht 955 – eine »große Gabeder göttlichen Liebe«

Bei Augsburg – seine Bischöfe sind vom 4. bis zum8. Jahrhundert (von Zosimus/Dionysius bis zu Mar-cianus) »legendär«, das heißt vorgetäuscht (quellen-mäßig gesichert ist erst Bischof Wicterp, gest. vor772.), bei Augsburg war der schwäbisch-fränkischeHeerbann von den Ungarn schon 910 unter Ludwigdem Kind geschlagen worden (S. 357). 913 und 926hatten die Invasoren erneut die Umgebung der Stadtverwüstet. Und wie 954 waren sie auch 955 in Bayerneingefallen, um vom Bürgerkrieg in Deutschland,vom Liudolfinischen Aufstand, zu profitieren. Siebrandschatzten zwischen Donau und Iller, raubten un-befestigte Orte aus und begannen, die BischofsstadtAugsburg zu belagern.

Nun aber behinderten den König nicht mehr Rebel-len im eigenen Lager. Vielmehr mobilisierte er raschein Aufgebot aus fast allen deutschen Stämmen,zumal aus Franken, Bayern, Schwaben, doch sogaraus Böhmen. Nur das lothringische Heer fehlte undder größte Teil des sächsischen, das gegen die Slawenbereitstand. Dafür focht aber auf christlicher Seite einwirklicher Heiliger, der Bischof Ulrich von Augs-burg – freilich focht da auch der Mörder, der Bruder-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.791 Deschner Bd. 5, 436Die Lechfeldschlacht 955 - eine »große Gabe ...

mörder eines Heiligen, der Tscheche Boleslav (S. 403ff.), von Otto 950 durch einen Feldzug zur Lehenshul-digung gezwungen.

Als der deutsche König herangerückt war und »dasriesige Heer der Ungarn erblickte, dünkte ihn, eskönne von Menschen nicht bezwungen werden, es seidenn, daß Gott sich erbarme und sie töte« (Vita Ou-dalrici).21

Und Gott und Otto kooperierten; wobei Otto nichtmit Versprechungen und Drohungen geizte, seinenRecken jedoch besonders »Lohn und Huld für ihrenBeistand« verhieß, »ewigen Lohn, wenn sie fallensollten, die Freuden dieser Welt aber, wenn sie sieg-reich wären« (Thietmar). So konnte, zumindest fürden Einzelnen, nichts schief gehn.

Indes die Ungarn angeblich den Ihren zum Kampf»mit der Peitsche drohten« (Vita Oudalrici), setzte derkatholische König das ganze geistliche Instrumentari-um ein, tat er alles, was auch sonst in christlichenMassenmordfällen zu tun ist, um den Himmel zu be-stechen und die potentiellen Schlachtopfer metaphy-sisch zu präparieren. Schon tags zuvor hatte er ein Fa-sten im Lager befohlen, und nun gelobte er unter Trä-nen, für einen Sieg an diesem Tag in der Burg Merse-burg ein Bistum errichten und seine große, jüngst be-gonnene Pfalz zur Kirche ausbauen zu lassen, »Ererhob sich vom Boden, feierte die Messe und empfing

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4.792 Deschner Bd. 5, 437Die Lechfeldschlacht 955 - eine »große Gabe ...

die von seinem wackeren Beichtiger Ulrich gereichteKommunion; dann ergriff er unverzüglich Schild undheilige Lanze, brach als erster vor seinen Kriegern indie Reihen der Widerstand leistenden Feinde ein ...«(Thietmar)

Irrt sich auch der Chronist, da nicht der »BeichtigerUlrich«, eingeschlossen ja in Augsburg, dem königli-chen Feldherrn die Kommunion gereicht haben kann,so sieht man hier doch, wie »unverzüglich« die heili-ge Messe, die heilige Kommunion, die heilige Lanzein die, wie der Bischof gleich darauf schreibt, »Blut-arbeit« umgesetzt werden. Sehr gut. (Und genau sonoch in den großen christlichen Vernichtungsorgiendes 20. Jahrhunderts – mal beiseite, daß die »heiligeLanze« da im Museum und auch kein König odersonstiger Oberster Kriegsherr – leider! – mehr dabeiist, wovon man gar nicht genug verlieren könnte.)22

Mönch Widukind überliefert noch eine kurze, rechtbemerkenswerte Rede Ottos I. unmittelbar vor der all-gemeinen Abstechung: »Daß wir in dieser Bedrängnisguten Muts sein müssen, das seht ihr selbst, meineMannen, die ihr den Feind nicht in der Ferne (!), son-dern vor uns sehen müßt. Bis hierher habe ich miteueren rüstigen Armen und stets siegreichen Waffenrühmlich gekämpft und außerhalb (!) meines Bodensund Reiches allenthalben gesiegt; sollte ich nun inmeinem eigenen Lande und Reiche den Rücken zei-

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4.793 Deschner Bd. 5, 437Die Lechfeldschlacht 955 - eine »große Gabe ...

gen? ... Schämen müßten wir, die Herren fast ganzEuropas, uns, wenn wir uns jetzt den Feinden unter-werfen.«

Bis hierher, bekennt die deutsche Majestät, habenihre Mannen den Feind (Otto vergißt die vielen Bür-gerkriege!) offenbar stets »in der Ferne« bekämpft,»außerhalb meines Bodens und Reiches ...« Das be-sagt doch klipp und klar, was allerdings ohnediesfeststeht, die Franken, die Deutschen trieben es ganzähnlich wie die gottverdammten Ungarn; überfielenfremde Länder, Völker, brandschatzten, mordeten,schleppten Geiseln, Gefangene fort, ja annektiertenganze Landstriche. Und nur auf diese sehr ungarn-analoge blutig-räuberische Weise wurden die Fran-ken, die Deutschen, wie Majestät sich brüstet, »dieHerren fast ganz Europas«. Der Hauptunterschied istlediglich papierener, historiographischer Natur, be-steht bloß in einer kolossalen Heuchelei, schöner ge-sagt Verdrängung oder, wenn man so will, »vaterlän-dischen« Verranntheit (bis heute »zeitgeschichtlichbedingt«!), besteht bloß darin, daß die christliche Ge-schichtsschreibung ihre (paganen) Antagonisten – dieUngarn hier einmal nur pars pro toto genommen –stets rundum verteufelt, zum Abschaum schlechthinmacht, während sie die doch nicht anders (in doppel-ter Wortbedeutung) draufgehenden eigenen Teufel alsstrahlende Sieger hinstellt, edle Ritter, Helden, und

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4.794 Deschner Bd. 5, 438Die Lechfeldschlacht 955 - eine »große Gabe ...

das Ganze, euphemistisch bemäntelnd, nein, einfachekelhaft glorifizierend, als Missionierung rühmt,Christianisierung, Verbreitung der Kultur!

Kurz vor dem Eintreffen des deutschen Entsatzhee-res lösten die Ungarn ihre Umklammerung Augsburgsund es kam am 10. August 955 in den Lechniederun-gen vor der Stadt zu einem gewaltigen Abschlachten.Dabei teilten sich die fremden Reiterscharen in einemunerwarteten Manöver. Sie überschritten den Lech,umgingen das gegnerische Heer und griffen nacheinem Pfeilregen von hinten an, die wohltrainiertentschechischen Truppen zuerst, die dabei – »besser mitRüstungen als mit Glück versehen« (Widukind) – be-sonders aufgerieben, die schwäbischen, die in dieFlucht geschlagen wurden.

Es stand schlecht um die Deutschen, bis die Attak-ke der gut geschulten fränkischen Reiter unter Konraddem Roten (S. 426), der zuletzt noch selbst (da er inder Hitze des Gefechts die Bänder seines Panzerslöste) von einem Pfeil durch die Kehle getroffen, fiel,das Blatt wendete und das Hauptheer um den König,die »Auserlesenen aus allen Tausenden der Streiter«(Widukind), den Sieg herbeimordete. Oder wie es vol-ler unbegrenztem Gottvertrauen in der »Vita S. Ou-dalrici« heißt: »Im gegenseitigen Gemetzel fielen dieKrieger auf beiden Seiten, und es starben, denen vonGott bestimmt war zu sterben. Dann aber wurde von

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Gott, dem nichts unmöglich ist, der glorreiche Siegdem König Otto verliehen. Das Heer der Ungarnwandte sich zur Flucht und hatte nicht mehr die Kraftzu kämpfen. Und obwohl eine unglaublich große Zahlvon ihnen erschlagen worden war, blieb dennoch eineso große Menge von ihnen übrig, daß die, welche sievon den Bollwerken der Stadt Augsburg aus heran-kommen sahen, glaubten, sie kämen nicht als Besieg-te, bis sie erkannten, daß sie an der Stadt vorüberjag-ten und in höchster Eile das andere Ufer des Lechs zuerreichen suchten.«23

Die Schlacht auf dem Lechfeld, angeblich die größ-te des 10. Jahrhunderts, am Fest des hl. Laurentius,des großen »Sieghelfers gegen die Ungarn« (Wein-rich), wurde mit Hilfe des Himmels eingeleitet undbeendet. Auch mit einem Gelübde Ottos gegenüberdem »Feuersieger«, dem Tagesheiligen (neue große»Missionspläne« im Osten), Stiftung des BistumsMerseburg. Und danach Dankgottesdienste im ganzenReich: »dem höchsten Gott Preis und würdige Lobge-sänge in allen Kirchen« (Widukind). Man hatte unterdem Reichsbanner, dem Feldzeichen des hl. Michael,gefochten, unterstützt auch von den Truppen des hl.Ulrich – »Ulrichsreliquien waren lange Zeit sehr ge-fragt« (Zoepfl). Nicht zu vergessen die stimulierendeWirkung der hl. Lanze, die Otto in der Schlacht trug.So siegten angeblich 20000 Deutsche über 120000

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4.796 Deschner Bd. 5, 439Die Lechfeldschlacht 955 - eine »große Gabe ...

Ungarn, die man freilich auch bei dem großen Tri-umph seines Vaters 933 an der Unstrut, auch 943 beiWels an der Traun, 948 bei Floß am Entenbühl und950 in Italien am Tessin aufs Haupt geschlagen hatte,allerdings selbst da noch immer in der Defensive ste-hend.

Das Lechfeldgemetzel aber wird oft als besondereLeistung »strategischer Kunst« (Erben) gerühmt,zumal es, wie Mönch Widukind, vielleicht ein Nach-fahre des gleichnamigen Sachsenherzogs, scheinbarunschuldig schreibt, »nicht gerade unblutig war«.Noch am selben und nächsten Tag verfolgte derKönig im Blut- und Siegesrausch die überlebendenUngarn und, so der Augsburger Dompropst Gerhard,»machte nieder, was er erreichen konnte«. Man jagtedie Fliehenden in den Lech, man verbrannte sie samtden Höfen, worin sie sich verbargen, gelegentlich mitganzen Dörfern der Gegend. Kurz, man ersäufte, zün-dete an, stach ab und erschlug. »Kein Weg und keineweglose Wildnis war für sie mehr zu finden, wo nichtauf Schritt und Tritt die Rache des Herrn offenkundigüber ihnen geblieben wäre« (Vita Oudalrici).

Und Otto, der Sieger, der Held, den die Truppenals »imperator« ausriefen (eine umstrittene Notiz Wi-dukinds), dachte einfach an alles. Nicht nur ließ er»sorglich feststellen, wer aus seinem Heere gebliebenwar«, nicht nur tröstete er den hl. Ulrich wegen des

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Schlachtentodes seines Bruders Dietbald »und wegenanderer Verwandter, die gleichfalls dort den Tod ge-funden hatten«, nicht nur sandte er die Leiche seinesSchwiegersohnes Herzog Konrads »sorgsam bereitetzur Bestattung nach Worms«, sondern er schickteauch gleich »nach der Blutarbeit« Boten, um »dieHerzen der Gläubigen zum frohen Lobe Christi aufzu-fordern. Solch große Gabe der göttlichen Liebe nahmdie ganze, und besonders die dem Könige anvertrauteChristenheit mit unsagbarem Jubel auf und erwiesGott in der Höhe einmütig lobsingend Preis undDank.«

Nicht zuletzt aber gab Otto Befehl durch Eilboten,in Bayern alle Fährten und Furten der Flüsse zu beset-zen und derart noch möglichst viele der fliehendenFeinde zu liquidieren, deren letzte Reste (»Nur siebenMagyaren kamen nach Ungarn«, wissen Wetzer/Welte) über Böhmen ihre Heimat erreichten. Oderwie im 19. Jahrhundert der Augsburger Tabakfabri-kant und Sonntagsdichter Philipp Schmid in einemLechfeld-Schlacht-Schauspiel den hl. Ulrich sagenläßt: »Die Heimat eines biederen Christenvolkes Zusäubern von der Heiden rohen Scharen.«

Apropos: so ganz »wilde Heiden« waren die Un-garn, zumal ihre Herren, schließlich nicht mehr. Ihrletzter Oberführer, Bulcsu, Ottos Gegenspieler amLech, war ein seit Jahren (in Konstantinopel) getauf-

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4.798 Deschner Bd. 5, 441Die Lechfeldschlacht 955 - eine »große Gabe ...

ter Christ. Gleichviel: wie Karl Martells Sieg über dieAraber bei Poitiers 732 »den Hilariuskult neu aufle-ben« hatte lassen (Ewig IV 304), so ist eine schöneFrucht und Folge des Ungarnsieges nun das »Aufblü-hen der Verehrung des Tagesheiligen, des HL. Lau-rentius« (Büttner) – bringt doch eine gewisse For-schung die Geschichte stets auf den entscheidendenPunkt. (Und vergessen wir auch nicht, daß durch dieKriege »die Schätze des Heils, die Reliquien der Hei-ligen« in die Kirchen kamen: S. 432!)

Im übrigen spannte man geschnappte Ungarnführerin Regensburg »mit vielen anderen ihrer Landsleuteauf die Folter« (Vita Oudalrici) und knüpfte sie auf.Man erdrosselte Gefangene und schmiß sie in Mas-sengräber, nachdem man sie noch um Gold und Silbererleichtert hatte, was dann goldene Kelche, Kreuzeund jede Menge Kirchensilber ergab. Insgesamt sollman damals 100000 Menschen ermordet und den Un-garn derart den »Anschluß an die Kultur des westli-chen Europa« (Holtzmann) ermöglicht haben.

Otto I., in seiner sächsischen Heimat »in höchsterBegeisterung« empfangen (Thietmar), hieß seitdem»der Große«. Und obwohl er, wie es heißt, alles, waser »an Landbesitz und sonstigem Eigentum« in sei-nem ganzen Leben erworben, »unverkürzt Gott undseinem Streiter Mauritius zu eigen« gab (Thietmar),war der große Magen, mit Goethe zu sprechen, der

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4.799 Deschner Bd. 5, 441Die Lechfeldschlacht 955 - eine »große Gabe ...

Kirche natürlich nicht satt. Wie sie schon nach den er-sten bayerischen Siegen über die Ungarn durch denBischof Adalbert von Passau sogleich ihre Ansprüchegeltend gemacht, so erstrebte sie auch jetzt schnellden einst geraubten, doch in den Ungarnstürmen wie-der verlorenen Besitz. Die Bistümer Passau, Regens-burg, Freising, Salzburg und die maßgeblichen baye-rischen Klöster nahmen erneut ihre verlassenen Güterin der Ostmark ein, ja, Bischof Pilgrim von Passaudrang missionierend bis Ungarn vor, wobei er – durchgewaltige Urkundenfälschungen – Erzbischof werdenwollte.24

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4.800 Deschner Bd. 5, 442Bischof Pilgrim von Passau (971-991)

Bischof Pilgrim von Passau (971–991), eingroßer Fälscher vor dem Herrn, setzt sich ein

literarisches Denkmal

Immerhin bemerkenswert, daß (auch) die Bekehrungder Magyaren in Ungarn mit enormen Fälschungenbegann – wobei die fromme »Forschung« freilich lie-ber von der »Lorcher Frage« spricht, »welche seitJahrhunderten viele Federn in Bewegung gesetzt hat«(Heuwieser).

Der berühmt-berüchtigte Seelenhirte, im KlosterNiederaltaich erzogen und mit Hilfe des SalzburgerErzbischofs Friedrich, seines Onkels, erhoben, gilt inder Kirchengeschichte als »ein bedeutender Mann«,sollte doch seine zwanzigjährige »Regierung«(971–991) »die spätere Größe des Passauer Bistumsbegründen« (Tomek). Auch war der hohe geistlicheBetrüger ein enger Freund des hl. Wolfgang, der aufPilgrims Betreiben 972 Bischof von Regensburgwurde (später Patron der Holzhauer, Zimmerleute,Hirten, Schiffer, hilfreich auch bei Augen-, Fuß- undKreuzschmerzen) – »innige Freundschaft vereinigte inBälde die beiden Männer bis zu Pilgrims 991 erfolg-tem Tode« (Janner).

Vor allem aber hatte Bischof Pilgrim beste Bezie-hungen zu den Ottonen, von denen er zahlreiche Pri-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.801 Deschner Bd. 5, 442Bischof Pilgrim von Passau (971-991)

vilegien erhielt. Der rührige Förderer der Mission imSüdosten, wo einer seiner zahlreichen Missionaresogar den Großfürsten Géza (Geycha 972–997) inGran (ung. Esztergom), den Vater Stephans I., zumChristen machte, wollte allerdings mehr: nicht nur dieStadthoheit (Grundherrschaft, Zoll, Immunität), nichtnur die Ausdehnung seines Bistums in der »Ost-mark«, sondern auch das Pallium sowie das Ungarn-land und Mähren unter Passauer Metropolitangewalt.Deshalb gab er in den »Lorcher Fälschungen« Passauals legitimen Erben des römischen Bistums Lorch(Lauriacum) an der Enns (Oberösterreich) aus, das ernachträglich zum Erzbistum erhob. Es sollte in römi-scher Zeit über ganz Pannonien, Mähren und Moesiensich erstreckt und bis 738 existiert haben.

Um den Zusammenhang seines 739 gegründetenSprengeis mit dem Erzbistum Lorch zu beweisen undselbst Erzbischof zu werden, seine Macht zu erwei-tern, seine Einkünfte zu mehren und sich von derbayerischen Metropole Salzburg zu lösen, fälschtePilgrim als versierter Schreiber der königlichen Kanz-lei zwischen 970 und 985 eine Reihe von Dokumen-ten: eine Gründungsbulle auf den Namen von PapstSymmachus (498–514), ferner Pallienurkunden aufdie Namen von Päpsten des 9. und 10. Jahrhunderts,von Eugen II., Leo VII., Agapet II. und Benedikt VI.

Auch präsentierte der Bischof weitere, nach FormKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.802 Deschner Bd. 5, 443Bischof Pilgrim von Passau (971-991)

und Inhalt falsche, doch geschickt gemachte kaiserli-che und königliche Diplome: einige angebliche Kai-serurkunden Karls »des Großen«, Ludwigs des From-men und Arnulfs, die er wohl von einem Notar derkaiserlichen Kanzlei fabrizieren ließ; wozu noch dieVerunechtung und Manipulierung echter UrkundenOttos I. und Ottos II. kamen. Eine unter Pilgrim ge-fälschte Urkunde Kaiser Arnulfs vom 9. September898 beispielsweise, die u.a. die Gerichtsbarkeit derStadt ausschließlich dem Bischof zugestand, bildetedie Grundlage für das am 3. Januar 999 ausgestellteDiplom Ottos III., das dem Passauer OberhirtenMarkt, Münze, Zoll, Bann und öffentliche Gewalt inPassau vorbehielt.

In den falsifizierten Papstschriftstücken wird denPassauer Bischöfen der erzbischöfliche Titel undihrem »Erzbistum« magyarisches und slawischesLand zugesprochen, das apostolische Vikariat in Pan-nonien, Mösien, dem Hunnenland und Mähren. Dasganze ehrgeizige Unternehmen sollte auf Kosten Salz-burgs gehen, weshalb der dortige Erzbischof Fried-rich, der Onkel Pilgrims, denn auch alsbald mit einerGegenfälschung auftrat und seine durchaus besserenRechte durch ein rasch fingiertes Privileg BenediktsVI. sicherte. Trotz des Passauers »Verdiensten« umdie Ungarnmission – er strich sie selbst in einem Be-gleitschreiben zu seinen Schwindeleien heraus – ent-

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4.803 Deschner Bd. 5, 443Bischof Pilgrim von Passau (971-991)

schied Papst Benedikt VII. zugunsten des Salzburgersund dessen Gewalt über ganz Pannonien.

War Bischof Pilgrims frommen Bemühungen aberauch kein Erfolg beschieden, blieb sein Name den-noch in Passau gefeiert (wie natürlich lange in dertheologischen »Forschung«); ja, er ging als OheimKriemhilds und ihrer Brüder in das Nibelungenliedein. So ist ihm, rühmt das »Lexikon für Theologieund Kirche«, »ein literarisches Denkmal gesetzt«.Tatsächlich ließ der große Fälscher die Nibelungensa-ge aufzeichnen – »Von Pazowe der bischof Pilgerîn /durch liebe der neven sîn / hiez schrîben dis einmaere«.25

Schon 1854 hatte Ernst Dümmler in einer Schriftüber Pilgrim und das Erzbistum Lorch die Fälschun-gen aller Lorch betreffenden Pallienurkunden für Pas-sau samt der Unechtheit einer Urkunde Kaiser Arnulfsfür Bischof Wiching durch Pilgrim erwiesen. Natür-lich widersprach man, ohne widerlegen zu können.Auch als eine Generation später K. Uhlirz, gestütztauf die Edition der karolingischen und sächsischenKaiserurkunden, die Fälschungen zu Passau erneut er-härtete, protestierte man abermals. Um den »berühm-ten Bischof« (Heuwieser) zu entlasten, war man sogarbereit, andere, minder »berühmte« Prälaten zu bezich-tigen, wie Wiching oder die im ausgehenden 12. Jahr-hundert lebenden Bischöfe Diepold und Wolfker.

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4.804 Deschner Bd. 5, 444Bischof Pilgrim von Passau (971-991)

1909 freilich wies Waldemar Lehr in seiner BerlinerDissertation die in Verbindung mit Pilgrim begange-nen Fälschungen noch einmal mit äußerster Sorgfaltnach. Eine von W. Peitz angekündigte Entgegnungunterblieb. Und selbst in der zum 1200jährigen Be-stehen im »Jubeljahr 1939« erschienenen Bistumsge-schichte Passaus muß der Verfasser zugeben, »daßunter Bischof Piligrim mittels einer Reihe unechter,hiezu gefertigter Königs- und Papsturkunden der Ver-such unternommen wurde, die Bischöfe von Passauals die Nachfolger der Erzbischöfe von Lorch in Gel-tung zu bringen und ihnen die Metropolitanrechteüber Ungarn zu verschaffen«.26

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4.805 Deschner Bd. 5, 444Ein Sklavenhalter wird als erster Katholik ...

Ein Sklavenhalter und Krieger wird als ersterKatholik feierlich und förmlich kanonisiert

Anscheinend unsterbliche Meriten errang seinerzeitauch Bischof Ulrich von Augsburg (923–973). Nachdem Sieg auf dem Lechfeld bekam er vom König diegräfliche Gerichtsbarkeit, das Münz- und wohl auchMarktrecht. Und schon wenige Jahrzehnte daraufwurde er heilig gesprochen. Nicht jedem freilich, dernoch immer die üblichen Vorstellungen von Heilig-keit hegt, mag er heute so heilig erscheinen.

Ulrich verdankte sein Amt, wie bei Bischöfen jaseit Jahrhunderten die Regel (III 499 f.), seiner Fami-lie, dem Geschlecht der späteren Grafen von Dillin-gen. Schon der Onkel, der sei. Adalbero, war (seit887) Bischof in Augsburg gewesen, dazu BeraterKaiser Arnulfs, Erzieher von dessen Sohn Ludwigund während der Regierung dieses Unmündigen »fastRegent des Reiches« (Lexikon für Theologie und Kir-che). Unter dem sel. Onkel amtierte der hl. Neffe alsVermögensverwalter des Bistums, quittierte denDienst aber nach Ableben des Onkels (909), war ihmdoch der neue Bischof Hiltin »nicht vornehm genug«.Er verwaltete jetzt vierzehn Jahre lang den Grundbe-sitz seiner Sippe, bis er 924 durch die Verwandtenselbst Bischof von Augsburg wurde – wie er denn un-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.806 Deschner Bd. 5, 445Ein Sklavenhalter wird als erster Katholik ...

bedingt, strikt entgegen den Kirchengesetzen, auchwieder seinen Neffen Adalbero als Nachfolger wollte.Ohne ordiniert zu sein, fungierte der auch bereits alsBischof; so mußten sich beide wegen schlechten Bei-spiels und des Verstoßes gegen das kanonische Rechtim September 972 auf der Synode von Ingelheim ver-antworten. Doch bald darauf waren beide tot.

Als hl. Bischof und Truppenkommandant, der dieDomstadt auch mit einer Mauer umgab, hielt UlrichSklaven, ließ sich auf »Visitationsreisen« von seinenHörigen schützen und führte einen ganzen »Wagen-zug« zum Einsammeln der Abgaben mit. Auch reisteer stets in Begleitung »seiner fähigsten Vasallen«,damit er bei irgendwelchen Problemen »die Verhand-lungen mit der nötigen Sicherheit« führen konnte(Vita Oudalrici). Immer wieder kämpfte der Heiligemit dem Schwert hoch zu Roß. So etwa im Spätherbst953 mit König Otto gegen Regensburg. Und als ernach seiner Rückkehr in der eigenen Bischofsstadtnicht mehr bleiben konnte, verschanzte er sich, einenganzen Winter lang alle Angriffe abschlagend, in derBurg »Mantahinga« (Schwabmünchen). Am 6. Febru-ar 954 schlug man den Pfalzgrafen Arnulf samt »denHaufen jener Unseligen, die zuvor die Stadt Augsburggeplündert«. Man schlug sie so, daß »die meisten vonihnen tot« waren. Und als darauf Bischof Ulrich wie-der nach Augsburg zurückkehrte, da schreibt sein

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4.807 Deschner Bd. 5, 446Ein Sklavenhalter wird als erster Katholik ...

Biograph Dompropst Gerhard: »Keiner von denen,die in Augsburg feindlich gegen die heilige Gottes-mutter Maria Beute gemacht hatten, kam ungestraftdavon, es sei denn, er hätte sich unverzüglich aus ei-genen Mitteln die Verzeihung des ehrwürdigen Bi-schofs erkauft.«

Tatsächlich folgte jede Menge »Strafwunder«.Einer, der in Augsburg geplündert, verlor den Ver-

stand und hauchte seinen Geist aus. Ein anderer sankdurch den Hufschlag eines Pferdes tot nieder. DerSohn des Bayernherzogs, Pfalzgraf Arnulf, »der sicherkühnt hatte, feindlich in die Güter der heiligenMaria einzufallen« (obwohl der »ehrwürdige Bi-schof« bei Strafe des Kirchenbannes gedroht, mansollte »sich ja nicht erfrechen, Güter der heiligenMaria, die in seinem Bistum lagen, auch nur im min-desten anzutasten«: Vita Oudalrici), fiel 954 imKampfgetümmel vor Regensburg. Ein Vierter, der inAugsburg bloß ein Stück billigen Tafeltuchs genom-men, wurde sofort »vom Teufel besessen und konnteihn nirgends mehr loswerden, weder in der Kirchenoch außerhalb, noch durch Besprengung mit Weih-wasser. Der Teufel wich nie von seiner Seite. Endlichmachte er sich auf den Weg nach Augsburg, brachtedas unrechte Gut zurück und bat den Bischof, ermöge ihn im Namen Christi mit Ruten züchtigen undihm Vergebung seiner Schuld gewähren. Und so

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4.808 Deschner Bd. 5, 446Ein Sklavenhalter wird als erster Katholik ...

wurde er vom Teufel befreit und kehrte geheilt nachHause zurück.« Ja, sie wußten mit Schafen umzu-gehn.

Als es derart die Schäden zu überwinden, den Auf-bau zu bewerkstelligen galt, förderte Ulrich natürlich»besonders«, betont Dompropst Gerhard, die »ausge-plünderten Domgeistlichen«, »unterstützte sie in jederWeise«. Und nicht zuletzt unterstützte er auch sich,befahl er, seine eigenen Güter, die niedergebrannt undtrostlos dalagen, »durch emsige Arbeit auf den Fel-dern und an den Gebäuden wieder in die Höhe zubringen. Die wackere Schar seiner Hörigen ging ge-horsam an die Arbeit und erbrachte nach entsprechen-der Zeit für den nötigen Bedarf, was immer möglichwar.« Was immer möglich war – steht das schon ineinem Heiligentraktätchen! Ja, sie wußten, mit Scha-fen umzuspringen, zumal mit hörigen Schafen.

Insbesondere aber leitete Ulrich 955 heroisch dieVerteidigung Augsburgs, bis Ottos Kriegsvolk nahteund der hl. Bischof seine eigenen Truppen in dieSchlacht warf. Zwar predigte und mahnte er: »Bösesnicht mit Bösem zu vergelten, sondern mit Segen;Verfolgung um der Gerechtigkeit willen geduldig zuertragen«. Doch es gehörte auch zu seinen Prinzipien,alle Menschen zu lieben, »alle Menschen guten Wil-lens, von denen der Chor der Engel singt: ›Und aufErden Friede den Menschen, die guten Willens sind‹,

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4.809 Deschner Bd. 5, 447Ein Sklavenhalter wird als erster Katholik ...

den Bösen aber in allem ihrem schlechten Tun zu wi-derstehen, gemäß den Worten des heiligen ProphetenDavid: ›Zu nichts geworden ist vor seinem Angesichtder Böse ...‹«

Nach Ulrichs Biographem ließ der Bischof zwarnur seine Streitmacht (milites) »mannhaft vor demTore kämpfen« und saß dabei dahinter »auf seinemRoß (super caballum), angetan mit der Stola, ohnedurch Schild, Harnisch und Helm geschützt zu sein«.Doch vermutet die Forschung, daß Ulrich, der nichtnur häufig in der Umgebung des Königs geweilt(nachweislich fünfzehnmal), sondern selbst monate-lang in seinem Heer »mitgewirkt« hat (Weitlauff),auch schlachtend auf dem Lechfeld teilnahm. Nichtanders als sein eigener Bruder Dietbald und seinNeffe Reginbald, die beide im Gemetzel fielen. Nichtanders als Bischof Michael von Regensburg (gest.972), dem man im Kampfgetümmel ein Ohr abschlug;sichtlich beschützt, von ihm selber bezeugt, durch denhl. Emmeram – deshalb so bemerkenswert, weil auchBischof Michael zu jenen Regensburger Kirchenfür-sten zählte, die sich an Emmerams Schätzen vergrif-fen!27

Die Hagiographie möchte den Heiligen, der doch»eine führende Rolle in der Ungarnschlacht« spielte(Bosl), freilich weniger blutbesudelt sehen.

Die Lebensbeschreibung »des heiligsten unter allenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.810 Deschner Bd. 5, 447Ein Sklavenhalter wird als erster Katholik ...

Menschen jener Zeit« (Mönch Ekkehard IV.), vondem jüngeren, zu seiner engsten Umgebung zählendenGerhard zwischen 983 und 993 schon »zum Zweckder Heiligsprechung« verfaßt (Lexikon für Theologieund Kirche), und auch deshalb bereits mit vielenWundererzählungen, Visionen, Prophezeiungen undsicher falschen Nachrichten versehen, wurde bald dar-auf in Rom vorgelegt. Und am 31. Januar 993 hat aufeiner Lateransynode Papst Johann XV. – selbst durcheinen Nepotismus »schlimmster Form« und seine»krankhafte Geldgier« (Katholik Kühner) beim Volkwie beim eigenen Klerus verhaßt – Ulrich, diesen demNepotismus huldigenden bischöflichen Sklavenhalterund Krieger, der indes auch dreimal »wallfahrend« inRom und überhaupt »ein Juwel unter den Priestern«(Thietmar) gewesen ist, als ersten Katholiken förm-lich und feierlich kanonisiert.

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4.811 Deschner Bd. 5, 448»Patron gegen Ratten und Mäuse«

»Patron gegen Ratten und Mäuse«, »die Gefahraus dem Osten« und die 29 Nummern der

»heiligen Gebeine«

Von nun an wurde sein Kult mächtig vorangetrieben.Bischof Gebhard von Augsburg (996–1000) und AbtBerno von Reichenau (1008–1048) haben die inhalt-lich wichtige, doch schlecht geschriebene erste Ulrich-Vita überarbeitet, bezeichnenderweise alles Histori-sche weggelassen und mit Bibelzitaten, Schwulst, Mi-rakulösem nur so gespickt; Spätere haben all das nochvielfach interpoliert. Ulrichs Grabkapelle aber, worinKaiser Heinrich II. auch Ottos III. Eingeweide beiset-zen ließ, besuchten schon früh sogar ausländischeWallfahrer. Nach Ulrich wurden massenhaft Kirchen,Kapellen, Ortschaften benannt. Bereits im 10. und 11.Jahrhundert riß man sich um seine Reste; die angese-hensten Klöster bewarben sich darum, auch der Bam-berger Dom. Im 12. Jahrhundert überführte KaiserBarbarossa eigenhändig Ulrichs Reliquienschrein(und lag bald selbst zerstückelt: mit seinen Innereienin Tarsus, seinem »Fleisch« in Antiochia, seinen Ge-beinen in Tyrus).

Natürlich erfuhr das Volk an Ulrichs Grab Wun-der. Die Verwandlung eines Fleischstückes in einenFisch ist freilich literarisch erst spät »bezeugt«. DochKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.812 Deschner Bd. 5, 448»Patron gegen Ratten und Mäuse«

half Ulrich besonders bei Augenkrankheiten; bei Fie-ber heilte ein Trunk aus seinem Meßkelch, bei Mäu-seplage Erde von seinem Grab und bei Bissen tollwü-tiger Hunde der Ulrichschlüssel, ein auf seinenNamen geweihter Schlüssel. Man bekam »Ulrichs-brünnlein« und wallfahrtete zu ihnen. Ulrich wurdeder »Brunnenheilige«, wurde Patron auch der Fischer,»Reisepatron«, »Patron gegen Ratten und Mäuse«,überhaupt gegen »Ungeziefer«, Patron in »allerleiLeibsgebrechen«.

So hielt man das Volk allzeit auf der geistigenHöhe der Zeit.

Der erste und älteste St.-Ulrichs-Verein konstituier-te sich bereits im 12. Jahrhundert. Kein Geringerer alsKaiser Friedrich I. gehörte dazu. Auch in der frühenNeuzeit gründete man eine »rasch aufblühende Ul-richsbruderschaft« mit Bischöfen, Herzögen, Kaisernals Mitgliedern. Ja, der Heilige wird nun, selbstver-ständlich »fälschlich«, zum Vorkämpfer protestanti-scher Freiheit gegenüber päpstlicher Tyrannei.

Noch im 19. Jahrhundert betet man in einer Ul-richslitanei: »Heiliger Udalrikus / Du lebendiges Mu-ster der Frömmigkeit und Heiligkeit / Du Mann nachdem Herzen Gottes / Du sonderbarer Liebhaber desGebeths / Du Beyspiel der Abtödtung und Bußfertig-keit / Du eifriger Hirte deiner Heerde ...« usw. Nochim »Jubiläumsjahr 1955« florierte angeblich die Ul-

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4.813 Deschner Bd. 5, 449»Patron gegen Ratten und Mäuse«

richsverehrung wieder, u.a. durch neue Ulrichskirchensowie durch die zunehmende Beliebtheit der Taufna-men Ulrich und Ulrike, und zwar als deutliche »Mani-festationen obrigkeitlicher geförderter Frömmigkeits-lenkung« (Hörger), war doch »die ›Gefahr aus demOsten‹ ... der Kerngedanke des Ulrichjahres 1955«.28

Als man zu Beginn des 17. Jahrhunderts in Mai-land behauptete, der Leib des hl. Ulrich sei in Mai-land, sein Kopf in Rom, veranlaßte der AugsburgerBischof Joseph Landgraf von Hessen-Darmstadt 1762die Exhumierung des Heiligen. Nach einigem Suchenfand man ihn denn auch, und etliche Mediziner, dieLeibärzte des Bischofs und andere fromme Chirurgenund Wundheiler, registrierten 1764 unter 29 Num-mern die »heiligen Gebeine des heiligen Ulrich«: Soden oberen Teil des Kopfes, der »mit Recht unver-sehrt genannt werden kann, abgesehen von einigenäußeren Teilchen, die vom Zahn der Zeit zernagtwaren«. »2. Der Unterkiefer mit vier Schneide- unddrei Mahlzähnen. 3. In einem silbernen Kästchenwurde ein Zahn gefunden mit einem Fingerglied; vondiesem Glied überliefert die Geschichte, was gelesenzu werden wert ist. 4. Einzeln wurde ein Mahl- undein Schneidezahn gefunden. 5. Das Zungenbein. 6.Ein Teil des Kehlkopfes« usw. – 1971 machte sichdann eine neue Ärztekommission über die »heiligenGebeine des heiligen Ulrich« her ...29

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4.814 Deschner Bd. 5, 450»Patron gegen Ratten und Mäuse«

Selbstverständlich galt Ottos Sieg über die Ungarn,die Feinde der Christenheit, den Zeitgenossen als Siegdes Gottesreiches, als Triumph Christi. Er hat die Un-garneinfälle in das deutsche Reich für immer beendet,war somit folgenreicher als das Treffen bei Riade 933(S. 402 f.). Er war »in der Erinnerung aller« deut-schen »Stämme ein Ereignis, das ihre Herzen höherschlagen ließ« (Schramm), war »die Geburtsstundedes heutigen Österreich« (Pater Grill). Und er gab vorallem »auch den Weg frei für die deutsche Ostpolitikbis 1945«! (Fischer) Man sieht, wie hier ein hehres,Herzen höher schlagen lassendes Ereignis fortschwärtbis zum Massenmord Hitlers. Und waren erst die Un-garn in Deutschland eingefallen, so hielt man es jetztumgekehrt – »es wurde möglich, die christliche Mis-sion nach Ungarn hineinzutragen. Ottos Name ge-wann dadurch Klang über die Grenzen seines Reicheshinaus« (Schramm).

Denn natürlich begnügte man sich nicht mit Ab-wehrgemetzeln. Um 970 eröffnete der junge Bayern-herzog Heinrich II. die Offensive. Und während erden Ungarn die karolingischen Marken am Ostrandder Alpen entriß, raubte gleichzeitig der mit ihm zie-hende Boleslav II. Mähren und die Slowakei bis andie Waag. Für die »Seelsorge« in dem gewaltigenRaum reichte Regensburg nicht mehr aus. Deshalb

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4.815 Deschner Bd. 5, 450»Patron gegen Ratten und Mäuse«

beschloß 973 der Reichstag von Quedlinburg dieGründung des Bistums Prag, wahrscheinlich auch dieeines weiteren für Mähren.30

Nach den spektakulären Erfolgen auf dem Lechfeldsowie an der Unstrut gegen die Slawen intensivierteOtto, der triumphierende Vernichter der Heiden, derenMission. Im Südosten errichtete er die bayerische»Ostmark«, seit dem Jahr 976 das dreihundertjährigeAktions- und Annexionsfeld der jüngeren Babenber-ger – vielleicht Abkömmlinge der älteren Babenber-ger (S. 354 ff.) –, bis jene von den Habsburgern abge-löst wurden. Im Osten bezwang der König in einemlangen Krieg die Böhmen. Im Nordosten betrieb er inFortsetzung der mörderischen Attacken seines Vaters(S. 391 ff.) die verstärkte Christianisierung der Elb-slawen und gründete zwei Marken zwischen Elbe undOder.31

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4.816 Deschner Bd. 5, 451Begründung der deutschen »Ostkolonisation«

Begründung der deutschen »Ostkolonisation«oder Die »guten Werke« der Markgrafen

Hermann Billung und Gero

Das blutige Geschäft der deutschen »Ostkolonisa-tion«, die Otto I. recht eigentlich begründete, erledig-ten für ihn hauptsächlich zwei Sachsen, die über dieneuen Marken im Nordosten geboten: Hermann Bil-lung (gest. 973), der Otto persönlich nahestand (diekönigliche Kanzlei vermied es, ihn mit dem Her-zogstitel zu belegen, sie nannte ihn »marchio« oder»comes«); seine Familie besaß Grafschaften und Kir-chen von Lüneburg bis Thüringen. Und Gero, eben-falls ein persönlicher Freund des Königs und einerseiner »zuverlässigsten Helfer« (Keller), »für dieseAufgabe hervorragend geeignet« (Fleckenstein); erherrschte über die sogenannte Nordmark. Seit der er-neuten Niederringung der rebellischen Redarier (936),des Hauptstammes der Liutizen, womit Otto den Bil-lunger beauftragt hatte, unterjochten die beiden Feu-dalherren in den folgenden Jahrzehnten in unentweg-ten Kriegen und Gemetzeln Abodriten, Sorben undWilzen.

Dem Mönch Widukind verklärte sich dies zumKampf eines Gottesfürsten gegen ein Volk Satans.Nach dem Jargon der Forschung baute der König der-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.817 Deschner Bd. 5, 451Begründung der deutschen »Ostkolonisation«

art »die Beziehungen zu den Slawen im Osten aus«(Schramm). »In jahrelangen blutigen Kämpfen habendiese beiden großen Kriegsleute die Aufgabe, dieihnen übertragen war ... glücklich (!) gelöst« (Holtz-mann). »Die eroberten Burgbezirke wurden einzelnoder mehrere zusammen zu deutschen Burgwarden, inderen Vororte man Besatzungen legte. Deutsche Rit-ter erhielten Slawendörfchen zu eigen oder Lehen,und mit ihnen kamen die Priester. 948 schien dieLage schon so gefestigt zu sein, daß man die erstenBistümer gründete« (Hauptmann).

Ein besonderer Verehrer des Billungers, dessenSippe 170 Jahre lang über das von der Ostsee be-grenzte Gebiet herrschte, war Erzbischof Adalbertvon Magdeburg (968–981). Persönlich geleitete erden großen Schlächter unter Glockengeläut und Vor-antragen von Kerzen in den Dom, ließ ihn bei Tisch,wie den König, zwischen den Bischöfen sitzen, ja imBett des Kaisers schlafen. (Diese Ovationen gingenOtto zu weit; er verurteilte den Erzbischof dazu, ihmso viele Pferde nach Italien zu senden, »wie er demHerzoge habe Glocken läuten und Kronleuchter an-zünden lassen«). Denn, behauptet Bischof Thietmarvon Merseburg ein andermal, »wie der Herr, so warenauch seine Fürsten. Überfluß an Speisen und anderenGütern schätzten sie nicht, es erfreute sie stets nur dasgoldene Maßhalten (aurea mediocritas). Alle Tugen-

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4.818 Deschner Bd. 5, 452Begründung der deutschen »Ostkolonisation«

den, von denen wir lesen, blühten zu ihren Lebzeiten,mit ihrem Tode welkten sie dahin ..., doch ihre un-sterblichen Seelen leben fort und erfreuen sich obihrer guten Werke der ewigen Seligkeit.«

Die Kämpfe, durch die man die Elbslawen zu-nächst zinspflichtig machte, waren lang und erbittert;sie wurden von beiden Seiten mit äußerster Grausam-keit geführt. Auch die Rache der Wenden kanntekeine Schonung. Nach ihrer Eroberung von Walsle-ben 929 ermordeten sie alles, Greise und Kinder,Männer und Frauen, eine unzählbare Menge, behaup-tet jedenfalls Widukind. Und im Frühjahr 955 sollensie der deutschen Besatzung der Burg der Cocaresce-mier freien Abzug versprochen, dann jedoch die Waf-fenlosen sämtlich niedergestochen haben.

Nun waren die Deutschen freilich die Aggressoren.Und unter ihnen brillierte besonders Gero, der »Wür-ger der slawischen Stämme« (Donnert), dem indesMönch Widukind »für den Dienst Gottes guten Eifer«bescheinigt und natürlich auch »eine gewaltigeBeute«, ja, den noch das Nibelungenlied als den star-ken, den schnellen Gere rühmt. Sah er doch in derNiederkämpfung der Slawen »seine Lebensaufgabe«(Bullough), wobei es ihm freilich zugleich um ihreChristianisierung ging.

Denn dieser Haudegen, »der Schützer unseres Lan-des« (Bischof Thietmar), der das Vorrücken der deut-

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4.819 Deschner Bd. 5, 453Begründung der deutschen »Ostkolonisation«

schen Grenze von der Elbe-Saale bis zur Oder haupt-sächlich erzwang, der 27 Jahre lang Raub- und Unter-drückungsfeldzüge gegen die Elbslawen führte, warunermüdlich und drang systematisch in ihr Gebiet ein.Und während sogar die sächsischen Ritter über denstrapaziösen Dauerkrieg schon anfangs der vierzigerJahre zu murren begannen, riß sich Gero nur einmal,zu Beginn des Jahres 950, mitten im Winter, als kei-nerlei Treffen in Aussicht stand, von der allmählichbis zur Oder vorgemordeten Grenze los, um eineWallfahrt zu den Apostelfürsten Peter und Paul nachRom zu machen. Unterwegs trat er der Gebetsverbrü-derung des Klosters St. Gallen bei und trug als herrli-che Reliquie den Arm des hl. Cyriacus – er stifteteihm noch ein Kloster zu Frose – zur Verehrung (undVerheerung) dorthin zurück, wo er mit ebensovielKraft wie Niedertracht das deutsche Wesen und diealleinseligmachende Religion verbreitete. Dabei ließer kurz nach der Eröffnung seines Regiments über dassüdliche Wendenland etwa dreißig gegen ihn ver-schworene Slawenführer, Fürsten und Edle (princi-pes), die im Vertrauen auf die Unantastbarkeit derGastfreundschaft über einem großen Saufgelage ein-geschlafen waren, in einer Nacht hinterrücks an sei-nem Tisch erschlagen, angeblich um ihrer Mordab-sicht zuvorzukommen – »gewiß nur eine Schutzbe-hauptung« (H.K. Schulze). »Keinen tapfereren Vor-

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4.820 Deschner Bd. 5, 453Begründung der deutschen »Ostkolonisation«

kämpfer hatte Deutschland in jenen östlichen Gegen-den als ihn ... Und er war im Kriege nicht verroht«,rühmt Theologe Albert Hauck, betont bei dieser Gele-genheit auch Geros Überzeugung, daß der Menschdem himmlischen Herrn für sein Leben verantwortlichsei, aber, so im selben Atemzug, »den Wenden gegen-über hielt er alles für erlaubt«. –

Mönch Widukind berichtet die teuflische Beseiti-gung der dreißig Slawen ohne jeden Tadel. Pries erdoch noch danach als des Verbrechers beste Eigen-schaft (quod optimum erat) seinen »löblichen Eiferfür den Dienst Gottes«. 960 wallfahrtete Gero sogarein zweitesmal nach Rom und gründete bei seinerRückkehr ein weiteres Kloster, das nach ihm benannteNonnenhaus Gernrode (Rodung des Gero), südlichQuedlinburg. Als Äbtissin setzte er die Witwe seineseinzigen, 959 gefallenen Sohnes Siegfried ein, dieNichte Hermann Billungs, und vermachte »in seligemSterben« (Mai 965) dem Kloster, wo er auch begra-ben wurde, all seine Habe. Er »barg sich«, schreibtBischof Thietmar, »mit seinem ganzen Erbgut beiGott« – die letzte Leistung nicht weniger Großmörderder Geschichte.32

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4.821 Deschner Bd. 5, 454Otto eröffnet die Christianisierung der Wenden

Otto eröffnet die Christianisierung der Wendenund macht »hier reinen Tisch«

Auch Otto I. hat im Krieg wider die Wenden, wienicht nur sein Verhalten gegenüber dem verräteri-schen Wendenführer Tugumir zeigt (S. 455), keineBestechung, keinen Verrat, keinen Mord gescheut, hatmehrmals selber Hand angelegt, um die Slawen fastbis zur Ausrottung zu schlagen. »Einheimische slawi-sche Fürsten wurden vertrieben oder beseitigt, hattenAbgaben zu leisten und Kinder der Versklavung zuüberlassen; die Unterworfenen wurden in die Knecht-schaft gedrückt« (Fried).

Es ist bezeichnend, daß man seinerzeit die WorteWende und Heide als Synonyma gebrauchte. Denn dieWenden waren noch Heiden. Offensichtlich hatte sichHeinrich I. mehr um die Eroberung, den Raub dieserGebiete bemüht, als um ihre Missionierung. Jenseitsvon Elbe und Saale gab es kaum Kirchen. Es gab nurheidnische Heiligtümer, heilige Haine, gab Götterbil-der und bildlose Götterverehrung und selbstverständ-lich die dazugehörigen Priester oder doch Ältesten,die früher Opfer dargebracht hatten.

Unter König Heinrich war anscheinend auch dieKirche auf Missionierung des Ostens kaum bedacht.Erst als Otto die Praxis seines Vaters preisgab und,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.822 Deschner Bd. 5, 454Otto eröffnet die Christianisierung der Wenden

nach dem Vorbild Karls »des Großen«, dem Schwertdie Priester folgen ließ, konnte man hoffen, mittelsder Religion die »Beuteslawen« immer mehr an sichzu binden und ihr Land dazu. Offenbar holte erst Ottoden Klerus in den Osten, und zwar, wie auch anders,einen Militärklerus: –»sozusagen als Feldpredigerkamen die ersten christlichen Priester in das Landrechts der Elbe und Saale; Burgkapellen sind dieAhnen unserer Kirchen; die ersten Christenge-meinden, die sich hier sammelten, bestanden aus Sol-daten«.33

Otto war auf solch frommen Schwertdienst freilichvorbereitet. Hatte er sich anscheinend doch schon anden Slawenschlächtereien seines Vaters 928 und 929beteiligt und auf seine Weise missioniert: noch alsHalbwüchsiger schwängerte er eine gefangene vor-nehme Slawin, die ihm seinen unehelichen Sohn Wil-helm schenkte, den späteren Erzbischof von Mainz.(Dieser allerdings, wie man versichert, war noch vonasketischen Idealen erfüllt. Doch auch von anderen.Dem Papst gestand Ottos »des Großen« erzbischöfli-cher Bruder einmal rundheraus: für Bestechung alles!)

Das ganze, von seinem Vater geraubte Gebiet hatder König nun nicht nur »behauptet«, sondernschlicht »einbezogen«, natürlich unter dauerndenKämpfen, insgesamt 50000 bis 60000 Quadratkilo-meter. Denn Otto »mußte«, wie Theologe Hauck for-

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4.823 Deschner Bd. 5, 455Otto eröffnet die Christianisierung der Wenden

muliert, »seine Waffen mit allen wendischen Völker-schaften kreuzen«, die beiden südlichen Stämme derSorben und Daleminzier einmal beiseite. Und aufdiese fürsorgliche Weise bildete dann eben nicht mehrdie Saale, die Elbe die Grenze des deutschen Reiches,sondern die Oder.

Gleich Ottos erste Maßnahmen nach seiner Krö-nung in Aachen 936 galten den Elbslawen. Noch imselben Jahr brach er gegen sie auf, zumal gegen dieRedarier. Und 939 erfolgte dort ein weiterer Waffen-gang. Denn dieser Fürst, der in der Ostexpansion eineseiner Hauptaufgaben sah und systematisch auch dieChristianisierung der Unterworfenen betrieb, war ent-schlossen, »hier reinen Tisch zu machen« (Holtz-mann), war fest gewillt, »die Herrschaft des Gottes-volkes über die Ungläubigen auszudehnen« (Lube-now).

Dabei schreckten Otto und seine gräflichen Spieß-gesellen, da sie den Widerstand der Elbslawen er-sichtlich im offenen Kampf nicht brechen konnten,auch vor keiner Arglist zurück. Als sie zum Beispielim Winter 928/929 Brandenburg zwar erobert (S. 392f.), doch wohl schon bald wieder verloren hatten,schickte Gero den seit König Heinrichs Zeiten alsGeisel in Sachsen gefangengehaltenen und von Ottonun mit »pecunia multa« bestochenen rechtmäßigenHevellerfürsten Tugumir, zweifellos ein Christ, 939

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4.824 Deschner Bd. 5, 455Otto eröffnet die Christianisierung der Wenden

zu den Hevellern nach Brandenburg zurück. Tugumirtäuschte ihnen eine Flucht vor, wurde freudig aufge-nommen und wieder ihr Herr. Darauf ermordete er imBrandenburger Fürstenhof den letzten Fürsten desStammes, seinen eigenen Neffen, übergab das gesam-te südlutizische Gebiet bis zur Oder König Otto undherrschte mit einer sächsischen Besatzung als dessenVasall.34

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4.825 Deschner Bd. 5, 456Otto »der Große« läßt 700 slawische ...

Otto »der Große« läßt 700 slawischeKriegsgefangene köpfen und befiehlt die

Ausrottung der Redarier

Nachdem Brandenburg durch Verrat und Mord indeutsche Hand gefallen, dort eine Kirche erbaut wor-den war und Tugumirs Regiment sich gefestigt hatte,gründete Otto am 1. Oktober 948 das Bistum Bran-denburg und, wohl gleichzeitig, das Bistum Havel-berg (dessen angebliche Stiftungsurkunde von 946eine spätere Fälschung, eine Vordatierung ist) mitdem Burgward Nitzow.

Erst dem Erzbistum Mainz, dann dem ErzbistumMagdeburg unterstellt, war das Bistum Brandenburg,das zehn slawische Stämme umfaßte, sehr viel größerals die meisten deutschen Diözesen. Es reichte vonder Elbe bis zur Oder und umschloß im Süden zu-nächst auch noch die Lausitz. Der Bischof von Bran-denburg bekam bereits 948 die Hälfte der Burg samtder Hälfte aller dazugehörenden Dörfer sowie dieBurgwarde Pritzerbe und Ziesar. Burgwarde warenkleinere (seit der Mitte des 10. Jahrhunderts burgo-warde, burgwardium oder burgwardum genannte)Burgen, die wohl auf karolingische Vorbilder an derSaale zurückgingen. Im Verlaufe der ottonisch-sali-schen Ostexpansion sicherten sie den MagdeburgerKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.826 Deschner Bd. 5, 457Otto »der Große« läßt 700 slawische ...

»Siedlungsbereich« etwa bis zur Havel ebenso wieden sorbischen Raum bis zur Elbe militärisch ab –somit ein der Beherrschung des eroberten Landes die-nendes strategisches System. Zu einem Burgward-hauptort gehörten etwa zehn bis zwanzig Dörfer,deren Einwohner, damals und noch im 11. Jahrhun-dert fast ausschließlich Slawen, rigoros ausgebeutet,zum Burgenbau, zu Wachdiensten, Abgaben vonZehnten und Tributen gezwungen wurden. Und man-che Burgwardhauptorte hatten auch eine »Burgward-Kirche«, wenn auch wohl längst nicht alle, wie die äl-tere Forschung meinte.

Im Jahr der großen Schlacht gegen die Ungarn,955, zog Hermann Billung gleich zweimal gegen dieaufständischen Obodriten. Dabei hatten sogar dieSöhne seines eigenen erstgeborenen Bruders Wich-mann (der Ältere), die Grafen Wichmann der Jüngereund Ekbert (der Einäugige), Verwandte der KöniginMathilde, die mit ihnen verbündeten ObodritenfürstenNakon und dessen Bruder und Mitherrscher Stojgnefaufgehetzt; beide übrigens Christen.

Obwohl die Slawen seinerzeit zu weiterer Tribut-zahlung durchaus bereit waren, nur nicht sich völligverknechten lassen wollten, hatte auch Otto selbst sie,»unternehmend wie er war« (Thietmar), mit Kriegüberzogen. Nur zwei Monate nach seinem Triumphauf dem Lechfeld und offenbar dadurch gestärkt,

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4.827 Deschner Bd. 5, 457Otto »der Große« läßt 700 slawische ...

schlug er sie schwer am 16. Oktober 955 an demFlüßchen Raxa, wahrscheinlich der Recknitz (im öst-lichen Mecklenburg), wobei das Slawenschlachten bistief in die Nacht dauerte und Otto – den Bischof Liut-prand »heilig« und »sehr heilig« nennt, TheologeHauck »eine sittlich viel durchgebildetere Persönlich-keit als sein Vater« – noch am nächsten Morgen vordem aufgesteckten Haupt des an der Spitze des Hee-res gefallenen Obodritenfürsten Stojgnef 700 Kriegs-gefangene köpfen ließ. Stojgnefs Berater wurden dieAugen ausgestochen und die Zunge herausgeschnit-ten – »dann ließ man ihn, nicht mehr zu gebrauchen,inmitten der Leichen liegen« (Widukind). UndStojgnefs Erleger bekam als »Belohnung« von Otto20 Hufen Land geschenkt.

Widukind findet, wie bei der Abstechung der 30Slawenführer durch Gero (S. 452 f.), wieder keinWort des Tadels. Und schon 957, 958 und 960 führtOtto neue Kriege gegen die Redarier und andere Elb-slawenstämme. Nicht um Sieg ging es, nicht um Tri-buteinheimsung, wie unter Heinrich I., sondern umVernichtung, um Eingliederung der slawischen Län-der in das ottonische Reich. Es herrschte »totaler«Krieg. Was fehlte, war nur die Technik, die man einJahrtausend später hatte.35

965 starb Gero. Zwei Jahre später kämpfte HerzogHermann gegen Redarier und Obodriten. Und dann

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4.828 Deschner Bd. 5, 458Otto »der Große« läßt 700 slawische ...

wurde das ganze Obodriten-Reich der entstehendenBillunger-Mark zugeschlagen, erhoben sich anstelleheiliger Haine die Christentempel. Denn nach NakonsTod ermöglichte sein Sohn Mstivoj mit Hilfe Her-mann Billungs und unter Ausschaltung der heidni-schen Opposition in Wagrien 968/972 (das genaueJahr ist unbekannt) die Gründung des alle Obodriten-stämme umfassenden Bistums Oldenburg (Aldinburg,slaw. Starigard). Das war ein längst bestehender befe-stigter Platz, die Hauptburg der slawischen Wagrier,wo noch für 967 ein paganes Standbild bezeugt ist,das der Herzog wahrscheinlich zerstört hat. Das ge-samte wendische Missionsgebiet Hamburgs reichtenun von der Kieler Bucht bis an den HavelbergerSprengel.

Zu dieser Zeit, nur wenige Jahre vor seinem Tod,verbietet Kaiser Otto I. in einem Schreiben vom 18.Januar 968 den sächsischen Großen den Frieden mitden geschlagenen Redariern und fordert die Beendi-gung des Kampfes durch Ausrottung. »Überdies wol-len wir, daß die Redarier, wenn sie, wie wir vernom-men, eine so große Niederlage erlitten haben, voneuch keinen Frieden erhalten, denn ihr wißt ja, wie oftsie die Treue gebrochen und welche Unbilden sie zu-gefügt haben. Daher erwägt dies mit dem Herzog Her-mann und setzt alle eure Kräfte ein, damit ihr durchihre Vernichtung (destructione) euer Werk vollendet.

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4.829 Deschner Bd. 5, 458Otto »der Große« läßt 700 slawische ...

Wenn es nötig wäre, wollen wir selbst gegen sie zie-hen ...«36

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4.830 Deschner Bd. 5, 458Gunsterweise über Gunsterweise

Gunsterweise über Gunsterweise für die»Hauptstadt des deutschen Ostens ...«

Nach Ottos Kaiserkrönung (S. 498 f.) hatte man eineReihe neuer Bistümer gegründet, darunter vor allem968 das Erzbistum Magdeburg, dem Papst JohannVIII. Privilegien erteilte, als habe man hier an eineArt Rom im Norden gedacht. Was herauskam, warimmerhin eine gewinnbringende mächtige Handels-stadt. Wie überhaupt der Unterwerfung der Elbsla-wen, der Polen, Böhmen ein ergiebiger Handel folgte.Doch ließ Kaiser Otto nicht nur Gold und Edelsteinenach Magdeburg schaffen, sondern auch Heiligenreli-quien. Das Heilige und der Handel gehören zusam-men. Der Handel ist heilig, und das Heilige auchHandel. Die Kirche erhielt ausgedehnten Grundbesitz,bezog hohe Abgaben, baute überall ihre Tempel imunterjochten Land und wurde für Jahrhunderte einHauptnutznießer und eine Hauptstütze der deutschenHerrschaft in den eroberten elbslawischen Gebieten.

Magdeburg, als Burg und Fernhandelsplatz an derElbe seit der Zeit Karls »des Großen« bezeugt, eben-so weit vorgeschoben – was seine Stoßrichtung signa-lisiert – in slawisches Land, wie durch den Strom ge-schützt, war Ottos Lieblingsstadt. Schon kurz nachBeginn seiner Regierung, ein Jahr nach Gründung desKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.831 Deschner Bd. 5, 459Gunsterweise über Gunsterweise

Frauenstifts St. Servatius in Quedlinburg durch seineMutter Mathilde, hatte er 937 in Magdeburg das mit»Reformmönchen« besetzte Moritzkloster gestiftetund zugleich mit diesem und ganz in dessen Näheeine Handelsniederlassung etabliert, in der sich Kauf-leute aus Landstrichen östlich der Elbe einfanden.

Bei der Gründung des Klosters waren die beidenErzbischöfe Friedrich von Mainz und Adaldag vonHamburg-Bremen, Ottos vormaliger Kanzler, sowieacht Bischöfe (von Augsburg bis Utrecht) vertreten.Der König hat das Kloster, das er erst zu einem Vor-posten, dann zu einem Zentrum der Slawenmissionmachte, das er oft und reich und immer von neuemdotierte, mit vielen Dörfern bedacht, mit Hörigen,Leibeigenen, mit Zollrechten, zum Beispiel sogleichmit dem ganzen in Magdeburg anfallenden Zoll, nach-her aber auch mit Bann, Markt, Münze, mit Münz-rechten anderwärts, mit Zinsen, Silberzinz, Honig-zins, Zehnten etc., mit mehreren Königshöfen, Klö-stern, so mit dem Kloster Hagenmünster bei Mainz,dem Nonnenkloster Kesselheim im Maienfeld, selbstnoch mit Gütern in Ostfalen (in 60 Orten!), in Thürin-gen, Hessen, im Harz-, Nahe-, Speyergau, in den Nie-derlanden – nicht weniger als 57 Urkunden Ottos I.für das Kloster sind erhalten, 32 davon im Original.

Schließlich aber, nicht sofort, wurde es mit geraub-tem Boden, mit Burgen, Zehntrechten (Schartau, Gra-

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4.832 Deschner Bd. 5, 460Gunsterweise über Gunsterweise

bow, Buckau) in den rechtselbischen, also slawischenGebieten ausgestattet, ja, mit dem ganzen SlawengauNeletici, zu dem die bedeutenden Salzquellen vonHalle gehörten. In dem Magdeburg benachbarten GauMoraciani erhielt es 15 Burgen und Höfe. Dort und inanderen Slawengauen kam auch das Recht des Holz-schlags, der Schweinemast dazu, ebenfalls in der Lau-sitz der Zehnte von allen Abgaben und dem Einkom-men der Krone, der Grafen. Das Stift bekam Immuni-tät, Königsschutz und bald auch den Schutz des Pap-stes.

Mit Recht konnte dieser 962 erklären, Otto habedas Kloster »wegen der neuen Christenheit« gegrün-det. Zum Patron des Hauses machte der Stifter seineneigenen specialis patronus, den Kirchenheiligen Mau-ritius, den Bekämpfer der Heiden, ein Hinweis darauf,»daß die Krieger den Missionaren den Weg bereitensollten« (Fleckenstein). Um 955 ließ er den Magde-burger Dom beginnen, anstelle der ersten Kirche desMoritzstifts, und füllte ihn – aus Italien herbeige-schleppt – mit Marmor, Gold, mit Edelsteinen. Und,»in gebührender, tiefer Verehrung« (Thietmar), mitjeder Menge echter und vor allem falscher Reliquien.

Zunächst hatte Otto für Magedeburg bloß dieÜberbleibsel eines gewissen Innocentius, nur einervon angeblich 6600 oder auch 6666 thebäischen Mär-tyrern (S. 384 f.). Einer war wohl zu wenig bei so vie-

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4.833 Deschner Bd. 5, 460Gunsterweise über Gunsterweise

len Helden. Doch konnte Otto vom burgundischenKönig auch Reliquien des Führers der thebäischenLegion, des hl. Mauritius, des Hauptpatrons des Ma-gedeburger Stifts, empfangen, vermutlich wegen derKostbarkeit nur kleinere Teile. (Aber weitere Kno-chen desselben Mauritius übergab auch Heinrich II.der Magedeburger Kirche. Ja, noch 1220 erwarbOrtsbischof Albrecht die Hirnschale des Heiligen vomGrafen Otto von Andechs, nachdem lang zuvor schonder hl. Ulrich von Augsburg Mauritius-Teile vom Abtder Reichenau bezog.) Otto bekam seinerzeit weiteresMärtyrergebein für die Stadt, und endlich ließ er alleSäulenkapitäle der neuen Kirche mit Heiligenrestenfüllen. Keinen Ort hat Otto I. so oft besucht, 22malhielt er sich in Magdeburg auf, das man geradezu,etwas überspitzt, »Hauptstadt des deutschen Ostensim frühen Mittelalter« nannte (Brackmann).

Wenige Jahre nach der Gründung des ErzbistumsMagdeburg erfolgte die Gründung des Bistums Prag.Und auch dafür hatte Otto bahnbrechend gewirkt, undselbstverständlich ebenfalls mit dem Schwert.

Gleich nach Herzog Wenzels und König HeinrichsTod (935/ 936), als Boleslav I. in Böhmen einen (un-genannten) subregulus bekämpfte, schickte Otto die-sem alsbald sächsische und thüringische Truppen zuHilfe, die getrennt marschierten und von Boleslavauch getrennt besiegt worden sind. Seinen böhmi-

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4.834 Deschner Bd. 5, 461Gunsterweise über Gunsterweise

schen Rivalen konnte Boleslav ebenfalls erledigen,dessen Burg beim ersten Anlauf »zur Wüste« machenund die eigene Herrschaft durch Burgbezirke sowieDienstleistungen festigen.

Der deutsche König aber führte nun einen vier-zehnjährigen Krieg gegen Böhmen, der erst 950 mitdessen gänzlicher Unterwerfung endete. Otto hatte da-mals die nördlichen Slawen überwunden, mit päpstli-cher Genehmigung seine Herrschaft 948 durch dieGründung der drei Slawenbistümer Brandenburg, Ha-velberg, Oldenburg (?) gesichert und überall die Be-völkerung zur Entrichtung der verhaßten Zehnten ver-pflichtet. Darauf drang er 950 mit einem starken Heerbis in die Mitte Böhmens vor und stellte, so formu-liert die Forschung seriös, »die Bindung Böhmensans Reich wieder her«. Oder sie nennt Analoges auch»die Einbeziehung der Randländer in den Reichsver-band«: Hauptsache, all dies geschieht möglichst blut-frei auf dem Papier – je dreckiger die Geschichte,desto sauberer muß die Arbeit der Geschichtsschrei-ber sein, die der Staat auch bezahlt. Wes Brot icheß ... – eine Kooperation ehrwürdigen Alters.37

Mit Krieg hatte Otto I. die »Barbaren« Böhmensbezwungen, mit Krieg ging er auch gegen das imNordosten angrenzende Polen vor.

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4.835 Deschner Bd. 5, 462Polen vertraut dem Wolf die Schafe an

Polen vertraut dem Wolf die Schafe an

Wie das russische Reich von dem Wikinger Rjurik(skand. Hrørikr), einem Schweden, in Alt-Ladogaoder (und) Nowgorod geschaffen worden war (S.464), so soll Polen der Normanne Dago, vermutlichein Däne, um 960 mit der Hauptstadt Posen an derWarthe gegründet haben. Der Name Polen, Poloni,Polonia, Polska (von pole = Feld, Ebene, das heißtsteter Ackerbau in Waldlichtungen, das Land derEbene), bürgerte sich erst seit etwa der Jahrtausend-wende ein. Und nach polnischer Tradition (aus demAnfang des 12. Jahrhunderts) heißt der NormanneDago: Mieszko I. (um 960–992) und war der vierteNachkomme eines gewissen Piast, des Ahnherrn derPiasten (pol. Piastowie), eines Geschlechts, das inPolen bis 1370, in Masowien bis 1526, in Schlesienbis 1675 regierte. Vielleicht aber hatte, wie man heuteauch meint, Mieszko zwei Namen, einen heimischenund einen fremden. Und ob die zwischen Oder undWeichsel siedelnden, sich in langen Grenzkämpfenbekriegenden polnischen und pomoranischen Slawen(von pomorje = am Meer) dort schon, ungeachtet allerBevölkerungsbewegungen, in dem ganzen Jahrtau-send vor der sogenannten Zeitenwende saßen, wie derwohl größere Teil der polnischen Forschung an-

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4.836 Deschner Bd. 5, 462Polen vertraut dem Wolf die Schafe an

nimmt, oder ob sie, wie besonders die deutsche meint,nicht bodenständig, sondern Einwanderer waren, seidahingestellt.

Jedenfalls ist dieser Dago oder Mieszko (Meschovon seinen polnischen Untertanen, in den lateinischenQuellen Misaca und Miseco genannt) der erste histo-risch gesicherte Fürst der Polen. Und die Größe desneuen Westslawenstaates – von dessen verschiedenenpolnischen Stämmen die namengebenden Polen (poln.Polanie, lat. Poloni, Poliani) am spätesten, nämlicherstmals 1015 in den Hildesheimer Annalen vorkom-men – war beträchtlich. Er reichte von der Oder bis andie russische Grenze, im Norden bis ans Meer. Erschloß auch (im 11. Jahrhundert verloren gehende)Grenzländer ein, etwa Mähren, die Lausitz, das nach-malige Ruthenien am oberen Bug und San, und wurdevon Mieszko straff regiert.

Der Pole expandierte von Gnesen aus, überschrittim Norden die Warthe, im Süden die Oder, geriet aberunter den Druck des Markgrafen Gero und schließlichin die Abhängigkeit vom deutschen Nachbarn. Schon963 rückte der Herr der Sorbenmark, diesmal imBund mit den Redariern, mit zwei Heersäulen in dieLausitz und gegen das neue Reich vor. Mieszko I.,wie seine Untertanen noch Heide, war ein lockendesZiel für die »Mission«, zumal in Geros Nordmarkschon seit 948 die Bistümer Brandenburg und Havel-

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4.837 Deschner Bd. 5, 463Polen vertraut dem Wolf die Schafe an

berg bestanden. Mieszko wurde in zwei schwerenSchlachten zwischen Oder und dem rechten Wartheu-fer »mit gewaltiger Kraft« (Widukind) geschlagen,sein Bruder getötet, das Land ausgeraubt, er selberzur Zinszahlung und Anerkennung der deutschenOberherrschaft genötigt. Widukind spricht von »voll-ständiger Knechtschaft« (ultimam servitutem). DerVerlauf der polnischen Geschichte war dadurch aufJahrzehnte hin geprägt.38

Sehr wahrscheinlich gleichzeitig mit Gero stießBoleslav I. von Böhmen an der Südflanke Polens vorund brachte sich in den Besitz Krakaus. 965 (oder966) heiratete Mieszko aber eine Tochter Boleslavs,die Christin Dobrawa (Dubravka), und wurde im Jahrdarauf, 966 (oder 967), ein bedeutsames Datum, rö-misch-katholisch. Tschechische Missionare folgten,faßten rasch Fuß, und wahrscheinlich waren in der er-sten Christianisierungsphase Polens noch bayerischeKleriker aktiv. Denn da sich Mieszko taufen ließ,zwang er auch sein Volk dazu, und diese »Revolutionvon oben« wiederholt sich zwei Jahrzehnte später beider Christianisierung Rußlands (S. 467). Das Mär-chen vom Himmelspförtner (IV 381 ff!) hatte auch imOsten seine magische Wirkung. Ein Jahr nach demTod des Schlächters und Romreisenden Gero (20.Mai 965) wurde Polen unter dem Patrozinium St. Pe-ters christlich. Mieszko I. unterstellte es dem

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4.838 Deschner Bd. 5, 463Polen vertraut dem Wolf die Schafe an

»Schutz« des Papstes, und kaum ein Land haben diePäpste stets so hemmungslos verraten wie das ihnennun ein Jahrtausend unverbrüchlich ergebene Polen.

Schon 968 wurde ein Bistum in Posen gegründet,sein erster Bischof der Deutsche Jordan, sein Nachfol-ger der Deutsche Unger. Und Mieszko, der entgegenkirchlicher Vorschrift nach dem Tod seiner erstenFrau (977) die Nonne Oda des Klosters zu Calbe hei-ratete, eine Tochter des Markgrafen Thiedrich von derNordmark, entwickelte sich nun zum Vorkämpfer desChristentums an der nördlichen Heidenfront undgenoß bei seinen Offensiven gegen die Heiden deneifrigen Beistand der christlichen Böhmen.39

Otto I. aber suchte in seine Missionspläne nochRußland einzubeziehen, wenn auch vergeblich.

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4.839 Deschner Bd. 5, 464Die hl. Olga (gest. 969)

Die hl. Olga (gest. 969)

Das Reich von Kiew (907–1169), seit dem späteren10. Jahrhundert allmählich das »Rus«-Reich genannt(ein Name, der auf die mittelschwedische LandschaftRoden, heute Roslag, hinweist), war die erste Herr-schaftsbildung zwischen Ostsee und Schwarzem Meerund ein Werk schwedischer Wikinger (die nun Warä-ger hießen), genauer ein Werk der Wikingerdynastieder Rjurikiden (die erst 1598 ausstarb) samt ihremnormannischen Gefolge. Der neue »Staat«, der ersterussische, war also schwedischer Herkunft und ver-dankte seinen Aufstieg vor allem dem Handel mit By-zanz. Und über den Handel (nicht nur mit Waren)fühlte man sich, wie bald zu sehen ist, auch weiterhinsehr verbunden.

Um 945 war Fürst Igor von Kiew durch Drevljanenerschlagen worden. Der ostslawische Stamm, seiteinem halben Jahrhundert dem Fürstentum tribut-pflichtig, hatte die drückende Last schon wiederholtabzuschütteln versucht und durch Igors Tod auch vor-übergehend die Unabhängigkeit erlangt. Als aberseine Witwe, Großfürstin Olga (skand. und griech.Helga), in der orthodoxen Kirche als Heilige verehrt(Fest 11. Juli), um 945 für ihren kleinen SohnSvjatoslav die Regentschaft übernahm, rächte sie

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4.840 Deschner Bd. 5, 465Die hl. Olga (gest. 969)

grausam den Tod ihres Mannes.Nach der »Nestor-Chronik« (Povest' vremennych

let, Erzählung der vergangenen Jahre) – ein berühm-tes, im frühen 12. Jahrhundert in Kiew entstandenesDenkmal altrussischer Chronistik –, ließ Olga zweiGesandtschaften der Drevljanen, deren »beste Män-ner«, einmal lebendig begraben, ein andermal leben-dig verbrennen und dann bei einem Gelage 5000 be-rauschte Menschen niederhauen. Dies ist zwar sagen-haft aufgemacht, übertrieben. Doch hat die Fürstin –die, so sang man in einem alten Lobpreis, dem christ-lichen Land voranging »wie der Morgenstern derSonne, wie die Morgenröte dem Tageslicht« – um950 tatsächlich einen beträchtlichen Teil des gegneri-schen Adels ausgerottet, diverse Burgen der Drevlja-nen verbrannt, deren Gebiet endgültig annektiert undsich selbst 955 oder 957 in Kiew oder Konstantinopeltaufen lassen – ein kaum oder gar nicht religiös moti-vierter Akt, der ihr innen- wie außenpolitisches Pre-stige erhöhen sollte.

Nach Thietmar von Merseburg hatte Kiew schonzu Beginn des 11. Jahrhunderts »mehr als 400 Kir-chen und acht Märkte« (mercatus). Es war die bevöl-kerungsreichste russische Stadt des Mittelalters: vordem katastrophalen, doch von göttlichem Sendungs-bewußtsein beflügelten Mongolensturm im 13. Jahr-hundert mit annähernd 40000 Einwohnern, danach

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4.841 Deschner Bd. 5, 465Die hl. Olga (gest. 969)

noch mit etwa 2000.Als die hl. Olga 957 in die Kaiserstadt am Bospo-

rus reiste, hatte sie nicht nur einen Priester, sondernauch auffallend viele Kaufleute in ihrem Gefolge. Undzwei Jahre später nützte sie den Thronwechsel in By-zanz, den Tod des kultur- und geistesgeschichtlich be-deutsamen Kaisers Konstantin VII. Porphyrogenne-tos, zu einer direkten Anknüpfung im Westen. Sieerbat anno 959 von König Otto I. Priester und vorallem Handelsbeziehungen! Der darauf schnell zumMissionsbischof geweihte Mainzer Mönch Libutiusstarb aber noch vor Antritt der Reise. Und der nunvon Otto nach Kiew geschickte, zum »Bischof für dieRussen« geweihte Adalbert – vordem Mönch in Trier,danach Abt in Weißenburg, zuletzt, 968, der ersteErzbischof Magdeburgs – kam 962 erfolglos zurück;nicht ohne Glück trotz allem, vertrieben entweder vonfeindlichen Christen oder einer heidnischen Reaktion;auf der Strecke blieben getötete Gefährten. Olga hatteseinerzeit ihr Sohn Svjatoslav abgelöst, ein verwege-ner heidnischer Haudegen, und dann rief man – eineweltgeschichtliche Entscheidung – nicht westliche,sondern byzantinische Missionare nach Rußland, er-folgte unter Vladimir von Kiew mit dessen Taufe888/889 endgültig die Hinwendung zum byzantini-schen Kulturkreis, worauf letztlich Moskaus An-spruch zurückgeht, »das dritte Rom« zu sein.40

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4.842 Deschner Bd. 5, 466Der hl. Vladimir, der »Große und Apostelgleiche«

Der hl. Vladimir, der »Große undApostelgleiche«

Der Enkel der hl. Olga, Vladimir der Heilige(980–1015) – als Heiliger wird er in der orthodoxenKirche der Rus' seit dem 13. Jahrhundert verehrt –,erstritt sich erst, wie das seinesgleichen zusteht, miteinem eigens aus Schweden angeworbenen warägi-schen Kriegshaufen gegen seinen Bruder Jaropolk denThron und die Alleinherrschaft. Dabei mordete er dasin Polozk an der Düna herrschende skandinavischeGeschlecht aus und machte die überlebende TochterRogneda gewaltsam zu seiner Frau, was viel feinenSinn verrät. Darauf kam er durch Heimtücke in denBesitz von Kiew und ließ seinen Bruder Jaropolktöten. Und als seine nordische Gefolgschaft belohntwerden wollte, soll er sie, nach einer alten Quelle, andas reiche Byzanz gewiesen und den Kaiser vor ihrgewarnt haben.

Der Heilige führte Krieg um Krieg und erpreßtevon allen unterjochten Völkern Tribute. 981/982 un-terwarf er die Wjatitschen, 984 die Radimitschen, unddazwischen, 983, griff er die Jadwiger (oder Sudauer)an, ein baltisches Volk im prußischen Siedlungsge-biet. Er besetzte ein Land, das im 13. Jahrhundertdurch den Deutschen Orden zur »Großen Wildnis«Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.843 Deschner Bd. 5, 467Der hl. Vladimir, der »Große und Apostelgleiche«

wurde, wobei die Jadwiger selbst aus der Geschichteverschwanden.

Einige Jahre nach seinem Angriff im Westen, woVladimir außerdem gegen Polen auch schon die čer-venischen Burgen zwischen oberem San und oberemBug in seine Gewalt gebracht hatte, rettete er imSüden den byzantinischen Kaiser Basileios II. (Bul-garoktónos, den Bulgarentöter 976–1025) aus einergroßen innenpolitischen Kalamität. Mitten in denviele Jahre währenden Rivalitätskampf der Magnaten-familien warf Vladimir eine Söldnertruppe, die warä-gisch-russische Družina, die Basileios' Sieg ent-schied.

Doch reicht das Wirken des Heiligen weiter: er-laubte ja dieser Sieg dem Kaiser indirekt einen weite-ren, seinen größten Triumph. Denn bei Beendigungdes 15jährigen bemerkenswert brutalen Krieges gegendie Bulgaren 1014 im Strymontal ließ die christlicheMajestät sämtliche Gefangenen, angeblich 14000,blenden – nur jeder Hundertste behielt ein Auge, umdie Blinden dem Bulgarenzaren Samuel zurückzufüh-ren!

Vladimir der Heilige hatte allerdings für seineHilfe wider die Gegenkaiser in Byzanz die Hand derpurpurgeborenen Prinzessin Anna, der Kaiserschwe-ster, gefordert. Und als man bei Hof zögerte, das Ver-sprechen gegenüber dem »Barbarenfürsten« einzulö-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.844 Deschner Bd. 5, 467Der hl. Vladimir, der »Große und Apostelgleiche«

sen, unternahm er im April 988 einen Kriegszug nachCherson, der bedeutendsten byzantinischen Kolonieam Nordufer des Schwarzen Meeres (bald nach 1500zugrundegegangen und heute wüst). Er gewann dieStadt durch Verrat des Priesters Anastasius, den erdafür zum Kirchenvorsteher in Kiew machte, und ge-wann jetzt auch die »in der Porphyra (dem Kaiserpa-last) geborene« Prinzessin aus Byzanz, was nicht ein-mal Otto »dem Großen« für seinen Sohn und Mitkai-ser gelungen war.

Freilich hatte auch die Purpurgeborene wiederihren Preis. Vladimir von Kiew »mußte sich dafür«,so das katholische Handbuch der Kirchengeschichte,»aber taufen lassen« und zwang anschließend dasKiewer, seine Götter beklagende Volk – wieder eine»typische ›Revolution von oben‹« (Hösch) –, vermut-lich im Sommer 988 zur Massentaufe im Dnjepr.

Heilig wird man nicht umsonst – weder in der rö-mischen noch in der orthodoxen Kirche!

Doch wird der erste christliche Großfürst Ruß-lands, in dessen Geschichte er mit den Beinamen des»Großen und Apostelgleichen« glänzt, auch in dergriechisch-unierten Kirche als Heiliger verehrt, undzwar mit Genehmigung des päpstlichen Stuhles!

Schließlich war Vladimir mannigfach hervorgetre-ten: durch Verrat und Mord, durch Brudermord gar,durch jede Menge blutiger Eroberungszüge und Ver-

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4.845 Deschner Bd. 5, 468Der hl. Vladimir, der »Große und Apostelgleiche«

knechtungen, durch den Bau von Kirchen, Burgenund Festungen nach dem neuesten Stand der Kriegs-technik, auch durch Vernichtung aller heidnischenIdole und Tempel seines Reiches.

Denn gleich nach seiner Rückkehr aus Chersonhatte er dem Heidentum den Krieg erklärt, das er nochzu Beginn seiner Regierung eifrig vertreten, angeblichsogar durch das Hinschlachten von Menschen, wieden Opfertod eines jungen christlichen Warägers. Ja,das Bild des Perun, des vornehmsten russischen undpolnischen, auch als Herr der ganzen Welt gedachtenGottes, dessen Hauptverehrung in Kiew war, wo vorihm ein ewiges Feuer brannte, dieses Bild, von Vladi-mir selbst noch wenige Jahre zuvor in der Stadt zuneuen Ehren gebracht, wurde jetzt an einen Pferde-schweif gebunden, ausgepeitscht und in den Dnjeprgestürzt, auch alle übrigen Götterbilder beseitigt, all-mählich die heiligen Stätten der Altgläubigen in ganzRußland verheert und durch Kirchen ersetzt.

Was tat es da, daß der Heilige, der Große und Apo-stelgleiche, allzeit ein geiler Bock war!

Zwar soll Vladimir, der in einem Palast residierte,den, nimmt man an, mindestens siebenhundert Men-schen bewohnten, nur vor seiner Bekehrung ein wei-berbesessener Lüstling gewesen sein. Doch dies istdie Darstellung der überaus tendenziösen, mehrfachredigierten »Nestor-Chronik«. »Unersättlich war er in

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4.846 Deschner Bd. 5, 469Der hl. Vladimir, der »Große und Apostelgleiche«

der Wollust«, steht da, »Frauen und Mädchen ließ ersich zuführen, um sie zu entehren, denn er war einLiebhaber des weiblichen Geschlechts gleich Salo-mo«. Neben fünf legitimen Gattinen soll er inWyschegorod, Bjelgorod und Berestow mehrere Ha-rems mit insgesamt achthundert Beischläferinnen ausallen benachbarten Völkern gehabt haben – ein Mas-senfeinschmecker, der freilich »auch nach der Taufedie Polygamie fortsetzte« (Wetzer/Welte); ein »Wüst-ling«, von dem Bischof Thietmar von Merseburg fest-hält: »Um seine angeborene Bereitschaft zur Sündenoch weiter zu steigern, trug der König eine Reizbin-de um die Lenden.« Und als er sein Heiligenlebenschon lange geführt, wurde er 1015 inmitten der vonihm selbst erbauten Kiewer Muttergotteskirche, späterdie »Zehntkirche« (desjatinnaja cerkov') genannt, ander Seite seiner Gattin Anna, der purpurgeborenen,begraben.41

Nach Vladimirs Tod am 15. Juli 1015 kämpfteman gleich wieder um die Nachfolge, wobei seinejüngeren Söhne Boris und Gleb alsbald ermordet (und1072 kanonisiert) worden sind. Die hagiographischeTradition schreibt die Bluttat ihrem ältesten Bruder,dem Thronerben Svjatopolk zu. Aber: »Als Urheberihrer Ermordung kommt auch der Gewinner der Aus-einandersetzungen, Jaroslav I., in Betracht« (A.Poppe); »der Weise« also, der durch seine großen kir-

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4.847 Deschner Bd. 5, 469Der hl. Vladimir, der »Große und Apostelgleiche«

chenpolitischen Aktivitäten bei der Geistlichkeit äu-ßerst beliebte weitere Sohn Vladimirs des Heiligen.Jaroslaw vermochte allerdings erst 1036, nach zweiJahrzehnten fortwährender Fehden mit der Verwandt-schaft, sich gänzlich durchzusetzen. Und nach seinemAbtritt (1054) stritten seine Söhne und Enkel erneutum die Macht. Die Bruderkriege rissen nie ab. Unddies, obwohl man die vertragschließenden Fürstendurch einen Eid band, der noch verstärkt war durchdie kirchliche Zeremonie der Kreuzküssung. In den170 Jahren nach Jaroslaw des Weisen Tod hat mannicht weniger als 83 Bürgerkriege und 62 Kriege mitanderen Völkern gezählt, die das Reich von Kiewführte.

Die christliche Saat ging immer herrlicher auf.Doch, mit Bischof Thietmar zu sprechen: »Quia

nunc paululum declinavi, redeam ... Jetzt bin ichetwas abgeschweift, also zurück!«42

Schon vor Ottos mißglücktem Intermezzo in Kiewhatte er in Dänemark, wo König Harald Blauzahnvorerst noch Heide war, Markgraf Hermann Billungwirkte und es häufig Grenzgefechte gab, die jütländi-schen Bistümer Schleswig, Ribe und Aarhus demErzbischof Adaldag von Hamburg-Bremen, demNachfolger Unnis unterstellt. Dadurch sollte der deut-sche Einfluß im Norden gestärkt und energisch dieKirchenherrschaft ausgebreitet werden.

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4.848 Deschner Bd. 5, 469Der hl. Vladimir, der »Große und Apostelgleiche«

Die »missionarischen« Mühen um diese Himmels-striche reichen freilich viel weiter zurück.

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4.849 Deschner Bd. 5, 470Skandinavienpolitik - Krieg und Geschäft um ...

Skandinavienpolitik – Krieg und Geschäft umGottes willen?

Im Rahmen der karolingischen Skandinavienpolitikwaren zunächst zwei prominente Heilsverkünder be-sonders tätig geworden.

Zuerst trat 823 der eigentliche Initiator der FrohenBotschaft unter den Dänen in Erscheinung, der vonPapst Paschalis I. zum Legaten des Nordens ernannteErzbischof Ebo von Reims, jener begnadete Opportu-nist also, der mehrfach in schönster Pfaffenart die po-litischen Fronten gewechselt (S. 84 f., 89 ff.), übri-gens auch ein Papstschreiben zu seinen Gunsten ge-fälscht hat.

Drei Jahre später ließ sich in Ludwigs des From-men Ingelheimer Pfalz der Dänenkönig Harald Klak,um des Kaisers Unterstützung zu gewinnen, samt Ge-folge taufen. Auf seiner Rückreise nahm er den einstals Frühwaise ins Kloster Corbie gesteckten Mönchund Missionar Ansgar, wohlversehen mit »Reisealtarund Reliquien« (Walterscheid), nach Dänemark mit,hat es aber kaum noch betreten, sondern sich in derihm übereigneten Grafschaft Rüstringen in Frieslandgleich niedergelassen. Als dann Ludwig 831 auf demReichstag zu Diedenhofen das Bistum Hamburg alsMissionssprengel für Dänen, Schweden und Ostsee-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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slaven gründete, Ansgar zum Bischof machte und ihmPapst Gregor IV. – wie Vorgänger Paschalis I. demEbo – 831/832 die »Missionsvollmacht« verlieh, gingEbo nun Ansgar zur Hand. Doch wenige Jahre daraufsaß Erzbischof Ebo – gerade noch vom Papst alsLegat mit der »Oberhoheit« über den anderen Lega-ten, den hl. Ansgar, betraut, des öfteren in Haft, wie-derholt im Kloster Fulda, auch in Lisieux und Fleury(S. 91). Und Ansgar war inzwischen zwar Erzbischof,doch die Stoßkraft des Frankenreiches unter Ludwig,zumal seit seinen letzten Jahren, stets schwächer ge-worden.

Dänische Wikinger hatten 845 Hamburg überfal-len, hatten den Dom, das Stift (das 964 als Gefängnisfür Papst Benedikt V. diente), die Bibliothek, dieStadt in Flammen aufgehen lassen und die Kirchen-schätze geraubt. Ansgar aber, der »Apostel der Wi-kinger« (Walterscheid), mit knapper Not samt hl. Re-liquien entkommen, tröstete sich mit Hiob: »der Herrhat es gegeben, der Herr hat es genommen« und mitder »frommen Matrone Ikia«, die den Flüchtling aufihrem Gut aufnahm. Er wurde Bischof in dem seit845 vakanten Bremen, der neuen Missionsbasis, abereinem Suffraganbistum Kölns, weshalb schwere jah-relange Streitereien mit Erzbischof Günther (seit 850)folgten.

Von Bremen aus entstanden jedoch einige, wennKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.851 Deschner Bd. 5, 471Skandinavienpolitik - Krieg und Geschäft um ...

auch recht bescheidene kirchliche Stützpunkte. So inHaithabu (Hedeby), einem bedeutenden Ort für Ex-port/Import im nördlichen Schleswig-Holstein, woder hl. Ansgar, von Ludwig dem Deutschen wieder-holt als Gesandter benutzt, mit Erlaubnis König Ho-riks I. eine Kirche errichtete, »die den Handelsplatzzum bevorzugten Ziel christlicher Kaufleute ... wer-den ließ« (Radtke); in Ribe (dt. Ripen), der ältestenStadt Dänemarks und (schon seit Beginn des 8. Jahr-hunderts) ebenfalls ganz dem Merkantilen zugewandt,vermutlich auch der Münzprägung; und wahrschein-lich in Birka, einem reichen, relativ großen, wohl oftvom König aufgesuchten schwedischen Handelsortmit weitreichenden Verbindungen (meist Luxuswaren:wenig Raumverbrauch und viel Gewinn) vor allemnach Westeuropa, aber auch nach Rußland, Byzanz,dem Kalifat von Bagdad.

Vielsagenderweise lauter Handelszentren; dennKrieg und Kapital, das eine so eng mit der Heilsge-schichte verbunden wie das andere – bis heute. »Es istbezeichnend für die Stellung Birkas, daß die christli-che Mission – den Haupthandelswegen folgend – ge-rade an der einzigen stadtähnlichen und verhältnismä-ßig volkreichen Siedlung Schwedens ansetzte unddort erste, wenn auch vorübergehende Erfolge erziel-te« (H. Ehrhardt).

Und bezeichnend auch: die Dänen, deren Reich seitKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.852 Deschner Bd. 5, 472Skandinavienpolitik - Krieg und Geschäft um ...

etwa 800 bestand und Jütland, die Inseln sowie dreisüdschwedische Landschaften umfaßte, wollten vomChristentum nichts wissen. Noch zwei Jahrzehntenach Königs Harald Klaks Taufe, anno domini 847,gab es in Ansgars eigener Diözese erst vier Taufkir-chen. Und die dänischen Zöglinge für seine Missions-schulen mußte der hl. Erzbischof Ansgar – kaufen!Doch warum nicht. Schon vor zweieinhalb Jahrhun-derten hatte selbst der hl. Papst Gregor I., »derGroße«, der Kirchenlehrer, englische Sklavenknabenfür römische Klöster gekauft (IV 183 ff.). Auch liefer-te das christliche Europa lange und skrupellos Skla-ven in orientalische Länder. Agiert neben der Machtdoch gleich das Geschäft, ein Teil der Macht. Undnützt es dem Glauben nicht, den Gläubigen, ja, han-delt man nicht auch und gerade – um Gottes wil-len?43

Schließlich brach die Skandinavienmission restloszusammen. Der Übertritt zum Christentum wurde ein-fach verboten. In ganz Dänemark gab es keine Kirchemehr, in Schweden, wo die Bevölkerung den Bischofschon viel früher vertrieb, jahrelang keinen christli-chen Kleriker. (Aber mehr als ein Priester ist in jenerZeit in Schweden nie gewesen.) Man dachte sogar –nicht zum erstenmal – wieder daran, das ErzbistumHamburg aufzulösen.

Doch im 10. Jahrhundert begann die Christentum-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.853 Deschner Bd. 5, 472Skandinavienpolitik - Krieg und Geschäft um ...

spredigt im Norden wieder, auch durch englischeMissionare; bezeichnenderweise aber erst, nachdemdas Schwert erneut eine Bresche geschlagen. Selbstdas katholische Handbuch der Kirchengeschichteräumt ein: »Heinrichs I. siegreicher Feldzug gegenKönig Gnupa von Südjütland hatte 934 den deut-schen Predigern das Tor geöffnet.« Der unterworfeneGnupa, König der Wikinger um Haithabu, der balddarauf im Kampf gegen den jütischen HeidenkönigGorm fiel, mußte nämlich jetzt »das Joch Christi tra-gen« (Thietmar) und eben, die Hauptsache, Tributeerbringen. Und schon im nächsten Jahr eilte der vonHeinrichs Vorgänger Konrad noch kurz vor seinemTod, entgegen der Kleruswahl, ernannte ErzbischofUnni von Hamburg mit Zustimmung des Königs nachDänemark, konnte indes den lebenslang gegen dieDeutschen kämpfenden Gorm nicht zum Christen ma-chen. Er hatte aber wohl kleine Erfolge auf dänischenInseln, bevor er nach Schweden weiterzog, wo er, be-reits unmittelbar vor seiner Rückkehr nach Hamburg,im September 936 in Birka starb.

In Dänemark duldete der christenfeindliche Gormder Alte (Gorm den Gamle) – mit dem erstmals einedatierbare dänische Königsreihe beginnt (die soge-nannte Jellingdynastie, der alle folgenden Könige desLandes bis 1375 angehören) – nun vielleicht diechristliche Predigt. Und unter seinem Sohn Harald

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4.854 Deschner Bd. 5, 473Skandinavienpolitik - Krieg und Geschäft um ...

Blauzahn (Blåtand) Gormsson (belegt 936 – ca. 987)beginnt die offizielle Christianisierung der Dänenetwa nach 960, als Harald sich selbst taufen ließ –»aller Wahrscheinlichkeit nach auf politischen Druckvon deutscher Seite« (Skovgaard-Petersen). – An die-ses Ereignis erinnern einige der meistbeachteten ar-chäologischen Zeugnisse des dänischen Frühmittelal-ters in Jelling (an der Ostküste Jütlands, nahe Vejle),darunter der von Harald Blauzahn gesetzte »große«Runenstein. Außer einer Gedenkinschrift für seinenVater Gorm und seine Mutter Thorwi enthält er dieSelbstnennung als Harald, »der ganz Dänemark undNorwegen für sich gewann und die Dänen zu Christenmachte.«44

Weit erfolgreicher als Unni wirkte sein Nachfolgerin Hamburg, Erzbischof Adaldag (937–988).

Der Abkömmling einer vornehmen Sachsenfamilie,zunächst in der Kapelle Heinrichs I., dann als KanzlerOttos I. tätig, war mit dem Hofleben vertraut, behieltaber auch als Erzbischof einen starken Einfluß auf dieottonische Reichs- und Kirchenpolitik. Insbesondereförderte er wie kein anderer Ottos Pläne im Norden.Griff doch sein Bistum 947/948 über die deutschenGrenzen auf Dänemark über durch Gründung der dreiihm unterstellten, vom König vielfach begünstigtenDiözesen in den Hafenstädten Haithabu (Schleswig),Ribe und Aarhus.

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4.855 Deschner Bd. 5, 474Skandinavienpolitik - Krieg und Geschäft um ...

Zum erstenmal hatten damit die Hamburger Erzbi-schöfe Suffragane. In diesem Fall freilich, entschiedeinst Papst Formosus, sollte Bremen wieder in denDiözesanverband der Kölner Erzdiözese, zu der esvordem gehörte, zurückkehren. Ergo kam es zu Re-klamationen durch Erzbischof Wicfrid von Köln; so-fort erhob er Ansprüche auf Bremen. Das aber wollteErzbischof Adaldag, durch Entsendung von Priestern,durch Kirchenbauten der weitaus eifrigste Frohebot-schafter im Norden, nicht hinnehmen. Und da er kaumSkrupel kannte, etwa die Tochter des Grafen Heinrichvon Stade (Bischof Thietmars Großvater), ein knappzwölfjähriges Kind, zur Äbtissin machte, fabrizierteer, einst viele Jahre Verfasser und Schreiber königli-cher Urkunden, auch eine Reihe falscher Diplome –und ward vom Herrn gesegnet. Ihm wurde nicht nur968 noch das Bistum Oldenburg in Ostholstein unter-stellt, womit das schon länger geplante Kirchenregi-ment im Abodritenland begann, sondern er konnteauch seine Stellung festigen, nicht zuletzt durch dieendgültige Unabhängigkeit von der Kölner Konkur-renz. So hob der Fälscher, alles in allem, »das Anse-hen des Erzbistums während seiner langen, tatkräfti-gen Regierung bedeutend« (Lexikon für Theologieund Kirche).

Die drei neuen Bischofssitze im Norden lagen zwarsämtlich auf dänischem Gebiet, doch nicht allzuweit

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4.856 Deschner Bd. 5, 474Skandinavienpolitik - Krieg und Geschäft um ...

vom Reich entfernt. Und natürlich sollten ihre Inha-ber, Adaldags Suffragane Hored, Liafdag und Regin-brand, ihren Einfluß ausdehnen, vor allem auf die In-seln, auf Fünen, Seeland, Schonen (das lange noch zuDänemark gehörte, erst 1658 an Schweden kam).Denn gerade zur Bekehrung der Inseldänen wurdendie neuen Missionsbischöfe ausdrücklich verpflichtet.Es ging ja um Expansion, Besitzergreifung. Ergomußten diese Prälaten ihren Diözesanen »als feindli-che Vorposten im eigenen Land erscheinen. Und dassollten sie nach Ottos Plan ohne Zweifel auch sein«(A. Hauck).45

Um das Christentum rissen sich die Dänen sowenig wie die Slawen im Osten. Anscheinend schonviel war erreicht, erachteten einzelne das Christenidolfür nicht geringer als die eigenen Götter. Doch selbstsolche »Erfolge« gediehen nur im Schatten deutscherSchwerter. Und als Harald Blauzahn die wildenMachtkämpfe in Norwegen nach König HaraldSchönhaars Tod (um 930, er war der erste Alleinherr-scher über ganz Norwegen) zu einem Kriegszug nutz-te und das südliche Norwegen unter dänische Kon-trolle geriet, da traten die christlichen »Glaubensbo-ten« auch dort in Aktion – wie nach dem Sieg Hein-richs I. über die Dänen in Dänemark (S. 398 f.).

Die Tätigkeit der geistlichen Feudalherren undihrer Missionare, ihr Einnisten erst auf dem Boden,

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4.857 Deschner Bd. 5, 475Skandinavienpolitik - Krieg und Geschäft um ...

dann in den Seelen der Überwältigten, Vergewaltig-ten, war für das Königtum von enormem Wert. Woimmer Otto losschlug, wo immer er wider Dänen, Sla-wen, Ungarn zu Feld zog und militärisch Fuß faßte,da wurzelte er sich durch die Kirche ein, da schuf er»auf den ihnen entrissenen Territorien Bistümer undKlöster als Stützpunkte seiner Macht« (Kosminski).

So 948 auf dänischem Territorium die BistümerSchleswig, Ribe, Aarhus; im gleichen Jahr, und zwarnoch vor der Christianisierung dieser Gebiete, dieSlawenbistümer Brandenburg und Havelberg, die derMainzer Erzbischof erhielt, sowie, erst später, dasdem Erzbischof Adaldag von Hamburg-Bremen un-terstellte Oldenburg. Mit der Gründung des Erzbis-tums Magdeburg 968, errichtete man die BistümerMerseburg, Zeitz und Meißen, schließlich 973, inOttos Todesjahr, das Bistum Prag.

Erst der Militärschlag, dann die Mission, dann derstaatliche »Anschluß«. War es doch Ottos »des Gro-ßen« offenbares Endziel, alle eroberten Länder »zu-nächst kirchlich und dann politisch dem DeutschenReiche einzugliedern, wie es schon karolingische Pra-xis gewesen war« (Brackmann). Gerade das enge Ko-operieren aber mit dem Klerus, die Kumpanei vonThron und Altar bei dem so ordinären wie blutigenRaubgeschäft en gros, gab den ottonischen Aus- undÜbergriffen noch den Anstrich des Numinosen, die

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4.858 Deschner Bd. 5, 475Skandinavienpolitik - Krieg und Geschäft um ...

höhere Weihe, das Gottesgnadentum. Oder, wie manmit probatem Zungenschlag schrieb, die »Mission alsElement« dieser Politik, die Verbreitung des Glau-bens unter den Heiden, die »hehrste Kaiserpflicht«,konnte »Ottos Ansehen und seine dem Kaisertum zu-strebende Stellung noch weiter sublimieren« (Hla-witschka).46

Sublimieren –. Und Ottos Streben nach dem Höch-sten im weltlichen Bereich bedurfte natürlich desHöchsten im geistlichen, des Hehrsten überhaupt, desSublimsten, des Papsttums in Rom.

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4.859 Deschner Bd. 5, 476Das »finstere Zeitalter« zieht herauf

Das »finstere Zeitalter« zieht herauf

Als seien sie nicht samt und sonders finster gewesen!Zumindest auch finster. Vor allem finster. Doch dieZeit vom späten 9. Jahrhundert bis zur Mitte des 11.nennt man »saeculum obscurum« speziell. Obwohlandere Epochen – man kann es sich kaum genug ein-prägen –, in denen Rom unvergleichlich mächtigerund eben darum unvergleichlich gefährlicher war, fürviele Völker viel finsterer gewesen sind, die Zeit derKreuzzüge ebenso wie etwa das 20. Jahrhundert, indem das Papsttum zwei Weltkriege sowohl mitverur-sacht als intensiv gefördert hat, desgleichen sämtlichefaschistische Spielarten. (Auch an seine Assistenz imVietnam-Krieg ist hier zu erinnern, an seine Anhei-zung des – nicht nur jüngsten – Balkankonflikts; er-scheint doch eben jetzt, da ich dies schreibe, einedeutsche Tageszeitung mit der Schlagzeile: »DerPapst ruft zum Krieg auf.«)

Jene finstere mittelalterliche Zeit aber, suggeriertder katholische Kirchenhistoriker Franzen, habe nurder Adel verursacht! »Diesen allein trifft die Schuldan den traurigen Verhältnissen; denn ihm war dasPapsttum schutzlos ausgeliefert, seitdem es keinenKaiser mehr gab.«

Der Adel der Sündenbock, das Papsttum einmalKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.860 Deschner Bd. 5, 477Das »finstere Zeitalter« zieht herauf

mehr salviert – in einer Kirchengeschichte des HerderVerlags, die »die neuesten Erkenntnisse der wissen-schaftlichen Forschung, die das geschichtliche undtheologische Bewußtsein unserer Zeit zum Teil ganzerheblich verändert haben, ... überall berücksichtigtund verarbeitet«. Die neuesten Erkenntnisse? Dassind da im Wesentlichen doch stets dieselben altenarmseligen Apologetenausflüchte. Zudem ist einPapsttum, das, wie Franzen klagt, zum »gewöhnli-chen Territorialbistum herabgesunken« ist, von vorn-herein viel harmloser als eines von weltumspannen-der Bedeutung!

Das arme Papsttum. Schuldlos wie stets. Opferbloß des »wilden und herrschsüchtigen Adels« (im-merhin ja eines ganz christlichen, ganz römisch-ka-tholischen Adels) – »seitdem es keinen Kaiser mehrgab ...« Doch waren die Herrscher des »saeculumobscurum«, die Ottonen und Salier, keine Kaiser? Re-gierte nicht gar ein Heiliger, Heinrich II.? (Der frei-lich drei Kriege gegen das schon gut katholischePolen führte – und dies auch noch an der Seite derheidnischen Liutizen!) Das Papsttum »schutzlos aus-geliefert ...« Und als es nicht mehr schutzlos, als esstark, immer stärker, »universal«, eine Weltmachtwar? Da rang es mit den Kaisern um die Weltherr-schaft – hundertmal gefährlicher nun, tödlich. Dochdurchaus nicht »tödlich«, als einige seiner Repräsen-

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4.861 Deschner Bd. 5, 477Das »finstere Zeitalter« zieht herauf

tanten einander umbrachten – tödlich, als es die Völ-ker umbringen ließ! Als man schrie »Gott will es!«Im Mittelalter, 1914, 1941. Und immer wieder dazwi-schen.47

Doch wie stand es in Rom zur Zeit der Karolinger,der Ottonen, der frühen Salier?

Die Turbulenz jener Jahre, die Anarchie internerParteifehden macht den Mangel an Dokumenten ver-ständlich. Von nicht wenigen Päpsten ist vieles unge-wiß. Von etlichen steht heute noch nicht fest, warensie rechtmäßig oder nicht. Manche werden von man-chen zu Gegenpäpsten erklärt, gelten aber im allge-meinen als legitim. Andere saßen nur so kurz auf demHeiligen Stuhl, daß sie schon deswegen nie anerkanntwurden. Der römische Mönch Philipp resigniertenoch am Tag seiner Wahl, am 31. Juli 768, und gingfreiwillig wieder ins Kloster. Der Diakon Johannesregierte im Januar 844 gerade eine Stunde lang. LeoVIII. regierte von 963 bis 965; doch von Mai bis Juni964 regierte auch Benedikt V. – und beide gelten alsrechtmäßig. Andererseits wird Papst Christophorus,der anno 903 seinen unmittelbaren Vorgänger Leo V.nach nur 30tägiger Amtszeit ins Gefängnis warf undmarterte, heute nicht mehr für so recht legitim gehal-ten, obschon ihn das ganze Mittelalter dafür hielt. Imübrigen flog auch Papst Christophorus bald ins Ge-fängnis, und dort hat sowohl ihn als auch seinen Vor-

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4.862 Deschner Bd. 5, 478Das »finstere Zeitalter« zieht herauf

gänger Leo V. ihr Nachfolger Papst Sergius III. er-würgt.48

Nicht wenige Päpste kamen vorübergehend oderdauernd in den Kerker. So Stephan VI., der darin 897stranguliert, Johann X., der 929 im Verlies der En-gelsburg mit einem Kissen erstickt wurde; BenediktVI., den dort sein Nachfolger, Papst Bonifaz VII.,974 durch den Priester Stephan erdrosseln ließ; Jo-hann XIV., der 984 im Castel Sant' Angelo entwederverhungerte oder vergiftet worden, Stephan VIII., derim Kerker, scheußlich verstümmelt, 942 seinen Ver-letzungen erlegen ist. Hinter Schloß und Riegel gerie-ten auch die Päpste Benedikt III. (gest. 858), JohannXI. (gest. 936), Benedikt X. (gest. nach 1073).

Ins Kloster steckte man Konstantin II., dem mandie Augen ausriß, Benedikt X., Christophorus, Jo-hann XVI. Philagathos, den man ebenfalls geblendet,brutal an Nase, Zunge, Lippen, den Händen verstüm-melt und danach auf einer Spottprozession durch Romgeführt hat.

Exiliert wurden Benedikt V. nach Hamburg, wo erbald darauf starb, und Gregor VI. nach Köln, wo ergleichfalls bald starb.

Und wie oft hat nicht einer den andern exkommuni-ziert! Johann XII. exkommunizierte 964 den entflohe-nen Leo VIII., Benedikt VII. anno 974 den flüchtigenBonifaz VII., der Episkopat des Reiches im Jahr 997

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4.863 Deschner Bd. 5, 478Das »finstere Zeitalter« zieht herauf

Johann XVI., die Synode von Sutri 1059 Benedikt X.Alexander II. und Honorius II. exkommunizierten sichgegenseitig, Leo IX. exkommunizierte Benedikt IX.(er war der Neffe zweier Papstvorgänger und der ein-zige Papst, der das heilige Amt, jedenfalls de facto,dreimal hintereinander innehatte). Und Benedikt IX.wiederum exkommunizierte Silvester III., den er mitSchimpf und Schande aus Rom vertrieb, wie er zuvorselber aus Rom vertrieben worden war. Aus alledemmöchte man im Heiligen Geist eine ziemlich konfusePersönlichkeit vermuten.49

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4.864 Deschner Bd. 5, 479Papst Sergius III. - Mörder zweier Päpste

Papst Sergius III. – Mörder zweier Päpste

Benedikt IV. war im Sommer 903 gestorben. NachMutmaßungen, die allerdings keine zeitgenössischenQuellen stützen, ließ ihn Berengar I., der König vonItalien, beseitigen. Seine beiden Nachfolger überleb-ten bloß wenige Monate. Papst Leo V., der nur imAugust 903 regierte, wurde durch den Kardinal Chri-stophorus, seinen Nachfolger, in den Kerker gewor-fen. Doch auch Christophorus (903–904) konnte denHeiligen Stuhl gerade bis zum nächsten Jahr einneh-men. Dann verdrängte ihn Sergius III. (904–911), eingebürtiger römischer Aristokrat, früher Gegenpapstzu Johann IX., und kurz nach seiner Amtseinführungim Lateran von Johann abgesetzt, verdammt und ver-bannt. Unterstützt durch die Antiformosianer undHerzog Alberich I. von Spoleto, rückte Sergius miteinem bewaffneten Haufen gegen Rom vor, ließ sichzum Papst machen, Christophorus in eine Mönchs-kutte und zu dessen eigenem Opfer Leo V. hinterSchloß und Riegel stecken, womit in nur acht Jahrenacht Päpste von der heiligen Bildfläche verschwundenwaren.

Nachdem man auch die ihm feindlichen Kardinäleverjagt oder erschlagen hatte, erreichte Sergius nachsiebenjährigem Exil endlich sein langverfolgtes Ziel

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4.865 Deschner Bd. 5, 479Papst Sergius III. - Mörder zweier Päpste

und ließ alsbald seine beiden Vorgänger, Leo V. undChristophorus, im Kerker ermorden, angeblich ausMitleid. Doch bei allem Mitgefühl für die heimgegan-genen Kollegen, war Sergius nicht ohne Tatkraft undsaß immerhin sieben Jahre auf dem ja doch recht hei-ßen Stuhl.

Auch liebte dieser Papst bürokratische Genauig-keit, alles mußte seine Ordnung haben. Und so datier-te er sein Pontifikat nach einer wenn auch kurzen er-sten Amtszeit, die aus kaum viel mehr als seiner Ein-führung im Lateran im Dezember 897 bestand, ausdem ihn die Horden des Nachfolgers, Johanns IX.,wieder vertrieben hatten. Als Freund des Leichen-schänders Stephans VI. verdammte er jetzt sofort dentoten Formosus erneut, erklärte alle seine Weihen –und Formosus hatte viele Bischöfe ernannt, die ihrer-seits wieder viele Priester geweiht – für null und nich-tig, entsetzte dessen Anhänger ihrer Ämter und drohteWiderstrebenden auf schon zum Auslaufen bereitlie-genden Schiffen Verbannung und Tod an. Nur wenigewidersetzten sich seinem Gewaltregiment, zumal derAdel hinter ihm stand. Dafür gab er auch die bestenPfründen seinen Parteigängern, den Führern der römi-schen Aristokratie.

Die Nonnen des Klosters Corsarum, denen er vieleGrundstücke schenkte, ließ der Mörder zweier Päpstetäglich hundert Kyrieeleison für seine Seele singen –

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4.866 Deschner Bd. 5, 480Papst Sergius III. - Mörder zweier Päpste

wie vorteilhaft doch diese Religion ist! Ein Denkmalschuf sich der Mordspezialist durch den Wiederauf-bau der nach Gottes unerforschlichem Ratschluß 897von einem Erdbeben in Schutt gelegten Lateranbasili-ka. Und erst rund vier Jahrhunderte später ließ Gottder Herr den neuen Bau, in dem man lange, statt in St.Peter, fast alle Päpste begrub, in Feuerflammen unter-gehen.

Bescheidener erinnerte Papst Sergius auf Münzenan sich. Zwar prägten solche auch andere HeiligeVäter, doch Sergius als erster Papst seit Hadrian I.(772–795) mit seinem eigenen Bild. Zwei Päpstehatte er umgebracht, doch sein Grabstein in St. Peterlobte ihn und seinen unerbittlichen Krieg gegen die»Wölfe«, die ihn sieben Jahre von seinem rechtmäßi-gen Thron ferngehalten.50

Bemerkenswert auch das Eingreifen von Sergius inden sogenannten Tetragamiestreit.

Dieser Streit, der reichlich Irritationen stiftete, be-traf die vier Ehen des byzantinischen Kaisers LeonVI. des Weisen (886–912). Der Schüler des berühm-ten Patriarchen Photios (den er, infolge persönlichenWiderwillens, gleich nach seiner Thronbesteigungdurch den eigenen jungen Bruder Stephanos ersetzte)hatte die Jahre zuvor (883–886) im Gefängnis ver-bracht wegen einer Konspiration gegen seinen VaterBasileios I. (Derlei kennen wir ja auch aus den christ-

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4.867 Deschner Bd. 5, 481Papst Sergius III. - Mörder zweier Päpste

lichen Herrscherhäusern des Westens zur Genüge.)Indes war dies nicht das einzige Problem des seit

886 regierenden Byzantiners, des SchwiegervatersKaiser Ludwigs des Blinden, dem Berengar in Veronahatte die Augen herausreißen lassen (S. 338 f.). Auchsolche Dinge quälten Leon kaum. Wohl aber seineEhen. Durch drei Gattinen war er zu keinem Nach-kommen gelangt. Dabei hatte das byzantinische Ehe-recht bereits eine dritte Frau untersagt, doch PatriarchAntonios Kauleas (893–901) den Regenten noch ein-mal dispensiert. Die Kaiserin Eudokia Baiana starbindes samt ihrem neugeborenen Sohn im Jahr 901 imKindbett. Darauf zeugte der Monarch mit seiner Mai-tresse Zoe Karbonopsina einen Sprößling, Konstantin(VII.), und machte die Mutter, entgegen dem von ihmselbst erlassenen Gesetz, das schon die dritte Ehe ver-bot, Anfang 906 zu seiner vierten Frau.

Nun war Leon der Weise – berühmt durch den Ab-schluß der von seinem Vater eingeleiteten Rechtsko-difikation, eines gewaltigen Werkes in 60 Bänden,das auch das Unternehmen Justinians verdrängte –sogar selbst Verfasser eines Rechtshandbuches für diePraxis, auch Autor übrigens von Kirchenliedern, Pre-digten und strategischen Studien, was alles ganz wun-derbar zusammenpaßt, und suchte sich, wenn schonnicht rechtlich, so doch kirchlich abzusichern. Sein ei-gener neuer Patriarch freilich, sein vormaliger »Schul-

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4.868 Deschner Bd. 5, 481Papst Sergius III. - Mörder zweier Päpste

freund« und Geheimsekretär Nikolaos I. Mystikos(901–907, 912–925), hatte offen protestiert, den Kai-ser mit dem Bann belegt und die Anerkennung Kon-stantins als legitimen Erben verweigert. Papst Sergiusaber, der selbst locker mit Frauen umging, als etwa45jähriger der 15jährigen Marozia einen Sohn mach-te, der dann als Papst Johann XI. den Stuhl Petri be-stieg (S. 490), erteilte dem schon vom Gottesdienst-besuch ausgeschlossenen Herrscher die Ehedispens,und Patriarch Nikolaos mußte als Verbannter fürJahre in sein Kloster Galakrenai zurück.51

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4.869 Deschner Bd. 5, 482Auftakt des »Römischen Hurenregiments«

Auftakt des »Römischen Hurenregiments« –Papst Johann X.: im Bett und auf dem

Schlachtfeld

Entscheidend für länger als ein Jahrhundert wurde,daß durch den Heiligen Vater Sergius III., den Dop-pelmörder, das Geschlecht eines gewissen, mit ihmwahrscheinlich verwandten Theophylakt in Rom dieMacht bekam, darunter auch einige herrschbegierige,ebenso gerissene wie genußsüchtige Damen. – DasEtikett »Römisches Hurenregiment« oder »Pornokra-tie« haftet dieser Periode der Stellvertreter Christi seitdem protestantischen Theologen Valentin Ernst Loe-scher an (Herausgeber der theologischen Zeitschrift»Unschuldige Nachrichten von alten und neuen theo-logischen Sachen: 1701–1720«). Doch florierte dieHurerei, an sich ja kein so schlimmer Zug, wie beimkatholischen Klerus überhaupt, so auch in Rom, woes am heiligsten ist, durch alle Zeiten fort.

Theophylakt (gestorben in den frühen 920er Jah-ren), aus römischem Hochadel, Konsul, Senator, ma-gister militum, stand nicht nur an der Spitze der römi-schen Stadtverwaltung, sondern stieg auch zum Leiterder päpstlichen Finanzen, zum höchsten Verwaltungs-beamten der Kirche auf.

Seine Frau, die ehrgeizig-energische und schöneKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.870 Deschner Bd. 5, 482Auftakt des »Römischen Hurenregiments«

Theodora d.Ä. – »die schamlose Hure«, wie BischofLiutprand von Cremona in seinem anrüchigen, oftboshaft-ironischen, episodenreichen, aber gleichwohlwichtigsten Geschichtswerk dieser Zeit »Antapodo-sis« sagt –, nannte sich selbst »Senatrix«, war Mutterzweier Töchter, Theodora d.J. und der Marozia,»sogar noch eifriger im Venusdienst«, und koitiertemit einem künftigen Papst, Johann X. (Der katholi-sche Papsthistoriker Franz Xaver Seppelt möchte diesnicht glauben, möge auch sein, »daß der neue Papstnicht gerade christlich gesinnt war und daß seinLeben den Anforderungen des Sittengesetzes und sei-nes hohen Amtes nicht entsprach«.)

Theodoras nicht minder verführerische TochterMarozia (diminutiv für Maria: Mariuccia, Marie-chen), in erster Ehe Gattin des Herzogs Alberich I.,der sich nach Kaiser Lamberts Tod Spoletos bemäch-tigt hatte, trieb es indessen, wenn wir Bischof Liut-prand und dem offiziösen Papstbuch glauben dürfen(und sogar Seppelt hält dies jetzt für »höchst wahr-scheinlich«), mit Papst Sergius III., vermutlich ihremOnkel; beider Bemühungen entsprang Papst JohannXI. (931–935). Der englische Theologe de Rosaweiß: »Das erste mal hatte Papst Sergius sie im Late-ranpalast verführt.« Ganz ähnliche Zustände aber, diein Rom »fast immerhin eineinhalb Jahrhunderte dau-erten« (Halphen), herrschten auch an anderen Bi-

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4.871 Deschner Bd. 5, 483Auftakt des »Römischen Hurenregiments«

schofssitzen.52

Nachdem Papst Lando (913–914), Sohn des rei-chen Langobardenfürsten Taino und eine MarionetteTheodoras d.Ä. (gest. nach 916), deren Schützling Jo-hann vom Bischof von Bologna, der er angeblich ge-waltsam und tatsächlich ohne Weihe geworden war,für neun Jahre (905–914) zum Erzbischof von Raven-na gemacht, soll Johann – »zweifellos eine starke Per-sönlichkeit« (Handbuch der Kirchengeschichte) –öfter bei Theodora im Bett als zu Ravenna in der Kir-che gewesen sein; Gerüchte vielleicht, nicht zuletztPfaffengerüchte. Doch schildert Bischof Liutprandziemlich atemberaubend den Aufstieg des nachmali-gen Papstes Johann: wie geistliche Pflichten ihn wie-derholt nach Rom rufen, wie Theodora, die »rechtschamlose Dirne, von der Hitze der Venus entflammt(Veneris calore succensa)«, sich in die schöne Er-scheinung des Priesters verliebt – »und wollte mitihm nicht nur huren, sondern nötigte ihn nachherimmer wieder dazu ...« Natürlich waren die Wartezei-ten, wie immer man sie sich vertrieben haben mag,lang und lästig, besonders wohl für Theodora, die be-dürftige. Und so ist es wirklich wunderbar, wie nunein Kirchenfürst nach dem andern rasch verbleichtund sozusagen seinen Sessel für Johann freimacht, derderart immer höher und vor allem Rom ständig näherrückt.

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4.872 Deschner Bd. 5, 483Auftakt des »Römischen Hurenregiments«

Zuerst stirbt, »während dieses schamlosen Trei-bens«, der Bischof von Bologna – und Johann wirdBischof in Bologna. Nach kurzer Zeit stirbt der Erzbi-schof von Ravenna – und Johann wird Erzbischof vonRavenna. Und nach wieder nur kurzer Zeit wird auchder Papst »von Gott gerufen« – und nun ist klar, wasgeschieht, geschehen muß, ist doch alles in GottesHeilsplan vorgesehen: Theodora also, »deren verdor-benes Gemüt es nicht dulden konnte, daß ihr Liebha-ber, zweihundert Meilen, die Rom von Ravenna tren-nen, von ihr entfernt, nur selten zum Beischlaf zurVerfügung stehen würde, nötigte ihn, den erzbischöf-lichen Stuhl in Ravenna zu verlassen und – es ist un-erhört – in Rom die höchste Würde als Pontifex inBesitz zu nehmen«.

Theodora war zwar nicht mehr die Jüngste undstarb bald darauf. Doch jedenfalls saß jetzt der sostrapazierte Ravennater Erzbischof als Johann X.(914–928), trotz klerikalen Widerstandes, fest im Sat-tel; und dies verdankte er sogar nach Seppelt (der hierganz den Heiligen Geist vergißt), »lediglich der Fami-lie des Theophylakt«. Der zehnte Johann aber hieltsich um so länger, als er für seine geistlichen Pflich-ten nur wenig Zeit und Augenmaß hatte, wenn ausge-rechnet auch ihn Chronisten, da er die strenge Regelvon Cluny bestätigte, den Reformatoren des Mönch-tums zuzählen. Und erwies er wohl schon im Bett sich

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4.873 Deschner Bd. 5, 484Auftakt des »Römischen Hurenregiments«

als der, wofür man ihn hielt, im Krieg stand er erstrecht seinen Mann.

Die dauernden »Wirren« unter den Christen, ihrjahrzehntelanges gegenseitiges Abmurksen (und dasanderer) hatte die Aktivität der Araber noch angeregtund u.a. zu einem Stützpunkt für ihre Operationen ander Mündung des Garigliano geführt. Doch kaum warJohann Papst, schloß er einen Militärpakt, stellte ereinen großen Kampfbund mittel- und süditalischerMachthaber zusammen, bestehend aus Truppen vonSpoleto, Benevent, Neapel, Gaeta und vor allem derGriechen. Ihr Kaiser schickte, »als frommer, gottes-fürchtiger Mann«, sofort Soldaten per Schiff. Und derPapst, ohne Zweifel viel frömmer noch als der Byzan-tiner, ließ die Römer schwören, »keinen Frieden« mitden Sarazenen zu schließen, »bevor wir sie nicht ausganz Italien ausgerottet haben«.

In der Tat gelang es ihm, auch sein kriegerischesTreiben »mit einer Serie schöner Erfolge zu krönen«(Eickhoff). Auf päpstliche Initiative wurde zunächstdas Tibertal und das Salernitaner Gebiet von Arabern»gesäubert«. Im Mai 915 schloß man die Garigliano-Sarazenen ein und schlug – mit entscheidender Hilfeder Byzantiner – im August die Schlacht am Cariglia-no, bei der vielen christlichen Kämpfern die ApostelPeter und Paul erschienen sein sollen. Das wiedermag dazu beigetragen haben, daß den Rechtgläubigen

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4.874 Deschner Bd. 5, 484Auftakt des »Römischen Hurenregiments«

nur wenige Gegner entkamen, die man dann noch inden Bergen vertilgte. Bischof Liutprand behauptetgar: »Im täglichen Kampf der Griechen und Lateinerblieb durch Gottes Barmherzigkeit nicht einer der Pu-nier übrig, der nicht mit dem Schwert getötet oder so-fort lebend gefangen wurde.« Der Stellvertreter Chri-sti aber, der selbst am Krieg teilnahm, prahlte gegen-über dem Erzbischof Hermann von Köln, sich undsein Leben eingesetzt und die Soldaten zweimal per-sönlich zum Angriff geführt zu haben.

Als Realpolitiker mißachtete Johann X. die Rechtedes geblendeten Kaisers Ludwig III. von der Provence(S. 338 f.) und krönte noch im Dezember 915 deneinflußreicheren, über Oberitalien gebietenden KönigBerengar (888–924), zu dem er schon als vielbeschäf-tigter Ravennater Erzbischof Beziehungen pflegte, inSt. Peter zum Kaiser; nach Wido und Lambert derdritte und letzte Kaiser italienischer Nation. Berengarschwor den hergebrachten Eid, die Interessen sowieden Besitz des Römischen Stuhles zu schützen, undbeschenkte Klerus, Adel und Volk. Doch sein Kaiser-tum war nicht viel mehr als Schall und Rauch.53

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4.875 Deschner Bd. 5, 485Anarchische Zustände in Italien

Anarchische Zustände in Italien

Im sogenannten unabhängigen Königreich Italien zer-bröckelte immer mehr die Königsgewalt. Es begann,typisch für seine mittelalterliche Zeit, eine ungemeineDiskontinuität, ein vielfältiges Gewirr von klerikalen,militärischen, grundherrschaftlichen Instanzen, einMit- und Gegeneinander lokaler Machtstrukturen, »je-weils durch kriegerische Unternehmungen von Klö-stern und Kirchen und weltlichen Herren entstanden«(Tabacco). Über aller feudalen Zersplitterung aber er-hoben sich die großen Territorialherrschaften zumalder führenden Familien fränkischer Herkunft, die seitdem Zerfall des karolingischen Reiches um die Hege-monie im Regnum Italicum sich stritten und zer-fleischten.

Unter Führung der Grafen Adalbert von Ivrea undOdelrich sowie mit maßgeblicher Beteiligung desErzbischofs Lambert von Mailand (921–932) kam es920/921 zu einer neuen Empörung gegen Berengar.Ja, Lambert, so Bischof Liutprand, war geradezu »dieUrsache ihrer Erhebung«. Zwar hatte ihn König Be-rengar gerade erst zum Kirchenhaupt von Mailand be-stellt, doch dafür, unkanonisch, aber weithin üblich,»keine geringe Summe Geldes verlangt«, und Lam-bert zahlte sie auch, »zahlte, von großer Begierde

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4.876 Deschner Bd. 5, 486Anarchische Zustände in Italien

nach dem erzbischöflichen Stuhl getrieben, alles, wasder König verlangte ...« Bald freilich tat ihm diesleid; nicht etwa weil es gegen das Kirchengesetz ver-stieß, nein, »weil er das viele Geld nicht vergessenkonnte«. So begann er »den Abfall vom König zu er-örtern«.

Doch Berengar rief gegen die Aufständischen dieUngarn zu Hilfe, die schwer die Toskana verwüsteten,und schlug die Rebellen bald. Diese aber holten imWinter 921/922 König Rudolf II. von Hochburgund,ihn zuvor wahrscheinlich mit der Heiligen Lanze (S.384 f.) bewaffnend. Berengar mußte in den Ostenweichen und Oberitalien mit Rudolf teilen, der inPavia residierte, wo sich schnell die Prälaten einfan-den, zumal der neue König den Berengar mehrmalsschlug, entscheidend am 17. Juli 923 nahe Fiorenzuo-la (bei Piacenza), wobei 1500 Mann gefallen sein sol-len. Immerhin zog sich der Sieger für etwa ein Jahrüber die Alpen zurück. Berengar aber wurde am 7.April 924 in Verona, von seinem ganzen Reich ihmzuletzt allein verblieben, von seinem Vasallen undGevatter Flambert, dessen Sohn er einst »aus der hei-ligen Taufe hob«, hinterrücks erstochen, passender-weise beim Morgengottesdienst.54

Schon zwei Tage danach fanden allerdings auchFlambert und seine am Königsmord beteiligten Leuteihr Ende durch einen jungen Freund Berengars, einen

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4.877 Deschner Bd. 5, 486Anarchische Zustände in Italien

Vertrauten namens Milo; zeichnete sich doch dieserJüngling, von dem Bischof Liutprand lakonischschreibt, er »ließ sie hängen«, »wahrhaftig durchnicht wenige und vortreffliche Tugenden aus ...«

Über Oberitalien brach nun völlige Anarchie her-ein. Die Sarazenen kamen, die Ungarn; letztere viel-leicht noch von Berengar gerufen, um Rache für seineNiederlage bei Fiorenzuola zu nehmen. Sie schlossenPavia ein, lehnten Lösegeld ab und brannten am 12.März 924- ein neuer Höhepunkt in dieser Chronik desGrauens – die Königsstadt samt dem Palast und 44Kirchen nieder, natürlich – »unserer Sünden wegen«(Liutprand). Denn mißglückt was, ist's Gottes strafen-de, glückt was, ist's Gottes rettende Hand – primitivergeht's nimmer; aber so durch Jahrhunderte ... Ortsbi-schof Johannes und der zu ihm geflüchtete Oberhirtevon Vercelli kamen in den Flammen um, dazu angeb-lich alle Einwohner bis auf zweihundert Reiche, diesich freikaufen konnten (offensichtlich die Sündenfrei-en!). Und in den Jahren 926/928 folgten weitereRaubzüge der Ungarn durch die Toskana, bis vorRom, bis Apulien.

König Rudolf war zwar im Sommer 924 nachPavia zurückgekehrt, vermochte sich aber nicht zuhalten. Derselbe Erzbischof Lambert nämlich, dereinst Mittelpunkt der folgenreichen Rebellion gegenBerengar war, durch die Rudolf ins Land kam, wurde

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4.878 Deschner Bd. 5, 487Anarchische Zustände in Italien

jetzt Initiator einer Verschwörergruppe, die gegen denKönig dessen Nachbarn Graf Hugo von Arles und Vi-enne herbeirief, anscheinend als Rudolf gerade wiedermal in Burgund weilte. Auch Papst Johann X. gehörteoffenbar zu den Gegnern. Denn der Beistand, den ersich wohl im römischen Machtkampf von Kaiser Be-rengar versprochen, war ausgeblieben. Und nach des-sen Ermordung suchte Johann, der mit der Partei derMarozia rivalisierte, gleich einen neuen Partner undlud eben, zusammen mit den lombardischen Großen,Hugo von der Provence nach Italien ein.

Dem König aber eilte sein Schwiegervater HerzogBurchard von Schwaben zu Hilfe. Der Verwandte undFörderer des hl. Bischofs Ulrich von Augsburg über-schritt mit einem Heer die Alpen und traf den Mailän-der Erzbischof Lambert. Dieser jedoch, berichtet Liut-prand, habe als »kluger Mann« Burchard keineswegsmit Geringschätzung empfangen, ihn vielmehr, frei-lich »in böser Absicht«, mit den größten Ehren aufge-nommen. »Unter anderem gab er ihm sogar als Zei-chen seiner besonderen Freundschaft die Erlaubnis, inseinem Gehege einen Hirsch zu jagen, was er sonstnur seinen liebsten und vornehmsten Freunden gestat-tete. Inzwischen entbot er alle Mannschaft von Paviaund noch einige italienische Fürsten zu BurchardsUntergang und behielt diesen solange bei sich, bis erglaubte, daß alle, die ihn töten sollten, versammelt

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4.879 Deschner Bd. 5, 487Anarchische Zustände in Italien

sein könnten.« Und schon am nächsten Morgen, am29. April 926, vertauschte Herzog Burchard vor No-vara, durchbohrt von den Lanzen der auf ihn eindrin-genden Italiener, »das Leben mit dem Tode«. Desglei-chen wurde sein Gefolge, das in der Kirche »des heili-gen Christusbekenner Gaudentius« Zuflucht gesucht,samt und sonders erschlagen, »sogar vor dem Altarselbst«.

Darauf räumte König Rudolf kampflos das Feld.55

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4.880 Deschner Bd. 5, 488König Hugo greift durch und bereichert die ...

König Hugo greift durch und bereichert dieSeinen

Nicht die eigentlichen Rivalen hatten in Italien ge-siegt, sondern ein vordem wenig beteiligter Dritter.Hugo von Arles und Vienne, inzwischen zu Schiffnach Pisa, in das Herrschaftsgebiet seines Halbbru-ders Wido geeilt, wurde nun dort, nach Rudolfs Ver-treibung, von den Legaten Johanns X. feierlich be-grüßt und Anfang Juli 926 in Pavia durch ErzbischofLambert von Mailand zum italienischen König ge-krönt (926–947). Kurz darauf fand sich in Mantuaauch der Papst bei ihm ein, wo beide einen förmlichenPakt geschlossen haben sollen. Einerseits vermutlichüber Hugos schon damals in Aussicht genommeneKaiserkrönung, aus der nichts wurde; andererseitsüber Gebietserweiterungen zugunsten des HeiligenStuhls in der Sabina, dem Herzogtum Spoleto und derMark Camerino, wo wahrscheinlich Petrus, der Bru-der des Papstes, als Markgraf schaltete.56

König Hugo beseitigte zunächst mehrere ihm ver-dächtige oder unliebsame Große. Sie wurden gefan-gen, gefoltert, geblendet, geköpft, einige mit Beihilfedes Ortsbischof Leo von Pavia – das »tat der Bischofbereitwillig«, zumal die beiden »allmächtigen Rich-ter« von Pavia darunter waren. Dem iudex Gezo stachKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.881 Deschner Bd. 5, 489König Hugo greift durch und bereichert die ...

man beide Augen aus, schnitt ihm die Zunge ab undnahm ihm seinen Besitz. Der iudex Walpert wurdeenthauptet, sein Hab und Gut enteignet, seine Gemah-lin Christina ergriffen »und auf mannigfache Weisegefoltert, um sie zur Herausgabe versteckter Schätzezu nötigen«. Liutprand fährt bezeichnend fort: »Infol-gedessen wuchs nicht allein in Pavia, sondern überallin Italien die Furcht vor dem König, und statt ihn, wiedie anderen Könige, für nichts zu achten, erwies manihm jegliche Art von Ehren.«

Starkes Durchgreifen ehrt hohe Halsabschneiderdurch die Zeiten, zumal wenn dazu noch große Unge-rechtigkeit kommt, Ämterpatronage, zum Beispiel.

König Hugo versorgte rührend seinen burgundi-schen Anhang, darunter mehrere Sprößlinge seinerdrei Kebsweiber Pezola, Roza und Stephanie. Zu derletzteren war der gekrönte Lüstling, überhaupt »betörtvon den Reizen zahlreicher Konkubinen«, ganz »be-sonders heftig in schändlicher Liebe entbrannt«, wäh-rend er sich seiner Gattin Bertha nicht nur ehelich ver-weigerte, sondern sie »in jeder Weise verwünschte«(Liutprand).

Über politisch-militärische Machtpositionen ver-fügte Hugo bei den Vergabungen für die liebe Ver-wandtschaft ebenso wie über kirchliche. Sohn Hubertwurde Pfalzgraf und Markgraf von Spoleto, erhieltaber auch die Mark Tuscien. Sohn Tedbald wurde Ar-

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4.882 Deschner Bd. 5, 489König Hugo greift durch und bereichert die ...

chidiakon von Mailand mit der Aussicht auf Nachfol-ge im Erzbistum. Sohn Gottfried bekam die reicheAbtei Nonantula. Der mit Hugo verschwägerte, vonseinem Lütticher Stuhl vertriebene Hilduin gewanndas Bistum Verona, bald darauf auch Mailand. EinNeffe des Königs, Erzbischof Manasse, verließ seinenSprengel Arles und ging, auf den Onkel bauend, nachItalien, »um hier von Ehrgeiz getrieben viele Kirchenzu mißhandeln, ja zugrunde zu richten«. Er erhielt,»wider menschliches und göttliches Recht«, die Bis-tümer Mantua, Trient, Verona »zum Fraße« (Liut-prand). Verona verkaufte er später einem GrafenMilo, den auch der Papst begünstigte. Johann X. warstets entgegenkommend, ersah er einen Vorteil, wasman auch »Zweckdenken« nennt oder, noch schöner,»pragmatisch«. Mit Rücksicht auf König Rudolf vonBurgund machte der Papst, schon mehrfach erwähnt,das Söhnchen des Grafen Heribert II. von Verman-dois, den noch nicht fünfjährigen Hugo, zum Kirchen-haupt von Reims, während er den Vater die weltlichenBesitzungen des Erzbistums verwalten ließ.57

Doch die vom Papst erhoffte Hilfe blieb aus. ImGegenteil. Es kam schlimmer. Marozia, deren VaterTheophylakt und deren Mann Alberich I. von Spoletogestorben waren, heiratete 926 in zweiter Ehe denMarkgrafen Wido von Toskana (Tuszien). Durch dieVereinigung von Spoleto und Toskana aber erhöhte

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4.883 Deschner Bd. 5, 489König Hugo greift durch und bereichert die ...

sie noch ihre Macht und wurde die eigentliche HerrinRoms.

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4.884 Deschner Bd. 5, 490Päpste von Marozias Gnade und König Hugos ...

Päpste von Marozias Gnade und König HugosHochzeitsnacht

Der päpstliche Hof rebellierte. Johann X. war offen-bar nicht bereit, das neue Regiment zu dulden undsich der Partei zu fügen, der er selber seinen Sitz ver-dankte. Doch sein Bruder Petrus, eine Art »Mark-graf«, dem der Papst immer mehr Macht zugeschanzt,so daß er in Rom eine maßgebliche Rolle gespielthatte, wurde vertrieben. Von Orte aus, das er zur Fe-stung gemacht, attackierte er darauf die Stadt. Viel-leicht rief er auch die Ungarn herbei, die Tuscien weitund breit brandschatzten; die Nachricht ist unsicher,die Zeit dunkel. Ende 927 aber wurde Petrus von denempörten Römern im Lateranpalast vor den Augendes Papstes erschlagen, Johann X. selbst im nächstenSommer von einer Schar Widos, angeblich währenddes Hochamts in der Lateranbasilika, überfallen, ent-führt und später in die Engelsburg geworfen, wo ereingekerkert blieb, bis er dort Mitte 929 umkam,wahrscheinlich mit einem Kissen erstickt. DurchTheodora hatte er das Papsttum erlangt, durch ihreTochter Marozia, nun Alleinherrscherin Roms, eswieder verloren und das Leben dazu.

Und König Hugos Kaisertraum war vorerst ausge-träumt.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.885 Deschner Bd. 5, 490Päpste von Marozias Gnade und König Hugos ...

Die folgenden Päpste Leo VI. und Stephan VII.,beide Römer, Heilige Väter von Marozias Gnaden,wurden wahrscheinlich gleichfalls ermordet. Unddiese Frau, die sich Senatrix, Patricia titulieren ließ,hatte sie ernannt. Leo VI. (928–929) war schonPapst, als sein Vorgänger noch im Kerker lag, ja, erstarb selbst noch vor Johann X. Anfang 929. Auf Leofolgte Stephan VII. (929–931). Und möglicherweisesind beide überhaupt nur Platzhalter für den nächstengewesen. Denn nun machte Marozia ihren eigenen,einst vom Heiligen Vater Sergius III. gezeugten Sohnim Alter von erst Anfang Zwanzig zum Papst JohannXI. (931–935). Und da 929, bald nach Johann X.,auch ihr zweiter Mann, Margraf Wido von Toskana,gestorben war, heiratete sie, durch den Verbrauchzahlreicher Liebhaber und zweier Gatten leicht lä-diert, im Sommer 932 in dritter Ehe Widos Stiefbru-der Hugo von der Provence, zwar schon verehelicht,aber auch König von Italien (926–948) und auf derHöhe seiner Macht. Und endlich schien sich sein Kai-sertraum zu erfüllen.

Getraut hat das hohe Paar aller Wahrscheinlichkeitnach Papst Johann XI., obwohl dies gegen das seiner-zeitige kanonische Recht verstieß, da der König derSchwager seiner Braut war. Im übrigen: ein so skru-pel- wie zügelloser, mit Konkubinen und Mätressengesegneter, doch durchaus gut christ-katholischer Ge-

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4.886 Deschner Bd. 5, 491Päpste von Marozias Gnade und König Hugos ...

waltmensch, der unter einem Geblendeten, KaiserLudwig dem Blinden, Karriere gemacht: erst Graf,dann dux und marchio der Provence, darauf faktischerRegent des niederburgundischen Königreichs. Hugos»Schwäche für die Weiber« aber stellte alles in denSchatten. Kein Wunder, daß er die Bistümer und Ab-teien Italiens verkaufte. Indes: auch »ein VerehrerGottes« und Freund der »Liebhaber des heiligenGlaubens« (Liutprand). Ein kluger Fürst also, derhäufig mit Heiligen wie Odo von Cluny verkehrte undüberhaupt die kirchliche »Erneuerungsbewegung«förderte. Seine ganze Regierungszeit freilich, nochimmer stimuliert durch die ambitiösen karolingischenTraditionen des Mittelreiches, die imperiale Konzep-tion, füllten Feldzüge aus und ein fortgesetztes Nie-derschlagen von Aufständen. Die Kaiserkrone erranger gleichwohl nicht.

Aber sicher sah sich auch Marozia schon als Kaise-rin; schien ja nichts selbstverständlicher als eine Krö-nung durch ihren päpstlichen Sohn. Doch gleich nachihrer Hochzeit nebst Hochzeitsnacht im Juni 932 inder Engelsburg kam es zu einem jähen Umschwung.Ihr Sohn Alberich II. (aus der Ehe mit Alberich I.hatte sie mindestens vier Söhne) rebellierte mit Unter-stützung der Römer und riß die Stadtherrschaft ansich. König Hugo, dessen Lebensziel das Kaisertumblieb, seilte sich nachts vom Kastell St. Angelo ab

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4.887 Deschner Bd. 5, 492Päpste von Marozias Gnade und König Hugos ...

und floh über die angrenzende Stadtmauer. Maroziaaber und Papst Johann XI., Mutter und StiefbruderAlberichs II., verschwanden im Kerker und wurdennacheinander getötet.58

Immerhin regierte nun Alberich II. (932–954), Ma-rozias Sohn aus dem Geschlecht der Markgrafen vonSpoleto, als »Fürst und Senator aller Römer« fast einVierteljahrhundert unbestritten und mit einer straffenVerwaltung in Rom wie dem Kirchenstaat und – bei-nahe – ohne expansive Ambitionen. Religiös gesinnt,persönlich fromm, beschenkte er zwar die Klöster,ordnete sich jedoch die Päpste völlig unter. Leo VII.(936–939), Stephan VIII. (939–942), Marinus II.(942–946) und Agapet II. (946–955) verdankten,nächst dem Hl. Geist, Alberich ihre Erhebung und er-wiesen sich ihm gefügig. Nichts geschah ohne Befehldes Fürsten, übrigens auch ein besonderer Fördererder von Cluny ausgehenden Klosterreform – nicht zu-letzt aus politischen und eigensüchtigen Gründen, umnämlich »die auf den Klostergütern hausenden Baroneund seine eigenen, auf Klosterländereien sitzendenDienstmannen, die ihm schließlich nur selbst gefähr-lich werden konnten, zu vertreiben« (Sackur). BloßStephan VIII. tanzte anscheinend aus der Reihe undsoll im Herbst 942 nach der Teilnahme an einem Auf-ruhr gegen Alberich eingekerkert und derart verstüm-melt worden sein, daß er starb.59

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4.888 Deschner Bd. 5, 492Päpste von Marozias Gnade und König Hugos ...

König Hugos indes wiederholte Versuche, Rom zu-rückzuerobern, blieben vergeblich. Schon 932/933und nochmals 936 stand er mit Heeresmacht vor derStadt seiner Träume, und noch 939, 941 und 942machte er mißglückende Vorstöße. »Jahr für Jahr«,schreibt Liutprand, bedrängte er Alberich, »verwüste-te er alles, was er konnte, mit Feuer und Schwert undentriß ihm sämtliche Städte außer Rom«.

Dazwischen aber wehrte Hugo noch zwei weitereInteressenten ab, beide wahrscheinlich 933 währendseines Kampfs um Rom: friedlich, doch durch Abtre-tung seiner niederburgundischen Herrschaftsrechte(nicht seiner Besitzungen), Rudolf II. von Hochbur-gund; und durch eine militärische Gegenaktion denHerzog Arnulf von Bayern, den Graf Milo sowie Bi-schof Rather von Verona herbeigerufen und »mitFreuden aufgenommen« hatten (Liutprand).

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4.889 Deschner Bd. 5, 493Berengar II. wird König von Italien

Berengar II. wird König von Italien

In Italien mußte König Hugo stets am meisten jeneGeschlechter fürchten und bekämpfen, die er selbstam meisten gefördert, so daß sie schließlich demkaum zu Unrecht chronisch Mißtrauischen, gelegent-lich Grausamen, zu gefährlich schienen.

Dazu gehörte auch der Markgraf Berengar II., einEnkel Kaiser Berengars I. (S. 324 f.), ein AnhängerHugos und mit dessen Nichte Willa verheiratet. Dochnach der blutigen Liquidierung der tuscischen Dyna-stie beargwöhnte Hugo immer mehr den Einfluß desHauses Ivrea: Berengar II. und seinen HalbbruderAnskar II. von Ivrea, Markgrafen von Spoleto-Came-rino, deren Hausmacht sein eigenes, von den Alpenbis zum Prinzipat von Rom und Benevent sich er-streckendes Reich im Norden und Süden umklammer-te. Deshalb betrieb er ihren Sturz, wobei Anskarumkam.

Aber Hugos Absicht, Berengar II. durch Blendungzu beseitigen, mißlang. Dabei hatte er doch bereitsden Markgrafen Lambert von Toskana, seinen eige-nen Halbbruder, durch das einfache Herausreißen derAugen – ein so beliebtes wie wirksames und gewißgottgefälliges Regierungsinstrument so vieler christli-cher Herrscher – erfolgreich ausgeschaltet. Indes

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4.890 Deschner Bd. 5, 493Berengar II. wird König von Italien

wurde der neue Plan durch Hugos Sohn, den jungenKönig Lothar (benannt nach seinem UrgroßvaterKönig Lothar II. S. 198 ff.), seit 931 Mitkönig, verra-ten; durch einen »schwachen« König, wie ihn Histori-ker inzwischen gern charakterisieren. Berengar, derLothar ein Jahrzehnt später »Krone und Leben raub-te«, floh wahrscheinlich im Herbst 941 zu HerzogHermann von Schwaben, der ihn zu Otto I. weiterlei-tete. Anfangs 945 kehrte er jedoch zurück und erober-te mit Ottos Duldung Teile Norditaliens, wobei er dieitalienischen Großen durch Versprechungen vonLehen gewann, die er noch gar nicht besaß.

Vor allem der Klerus lief sogleich wieder zu ihmüber.

Dem Priester Adelhard, der die das Etschtal beherr-schende Feste Formicaria (Siegmundskron) befehlig-te, die Berengar passieren mußte, da alle übrigenPässe in sarazenischer Hand waren, versprach er eid-lich das Bistum Como. Adelhards Bischof Manasse,ein Verwandter König Hugos und von diesem mit denBistümern Trient, Verona und Mantua beschenkt, si-cherte er die Nachfolge im Erzbistum Mailand zu,worauf Manasse, berichtet Liutprand, alle Italieneraufforderte, Berengar beizustehen. Auch BischofWido von Modena wechselte das Lager, weil ihm Be-rengar die reiche Abtei Nonantula in Aussicht stellte;und Wido »zog auch noch eine Menge anderer mit

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4.891 Deschner Bd. 5, 494Berengar II. wird König von Italien

sich«. Ebenso verriet Erzbischof Arderich von Mai-land den König und lud dessen Gegner an seinen Hof,wo dann die große Umverteilung der Güter begann.60

Nebenbei: nicht allen Pfaffen kam Berengar entge-gen. Den Priester Dominikus ließ er entmannen. Nichtweil er es mit Berengars Töchtern trieb, die er erzog,sondern, wiewohl selbst äußerst unattraktiv, kurz,struppig, ungewaschen, mit ihrer Mutter, mit GattinWilla, der Nichte König Hugos. Bei der brutalen Pro-zedur zeigte sich denn auch, was die edle Fürstin andem angeblich recht bäurischen, borstigen, zottigen,ungebildeten etc., freilich auch geilen »Pfäfflein« soangezogen hat. Bezeugten seine Entmanner doch,»daß die Herrin ihn mit recht liebte, da er nach über-einstimmendem Urteil wie Priapus ausgestattetwar«.61

König Hugo aber gab auf. Nach jahrelangemKrieg, nach mehrmaliger Verheerung der Umgegendvon Rom mit Feuer und Schwert, legte er 946, wiegewiß schon so manches Mal, den Streit bei. Rings-um verraten, nicht zuletzt von jenen, die er begünstigthatte, beschloß er nach zwanzigjähriger Herrschaftseinen Rückzug. Zwar gestand man ihm formell dieKönigskrone weiter zu. Da jedoch der wirkliche Herr-scher Berengar II. von Ivrea war, setzte sich Hugo,unter Versicherung friedlicher Absichten, im Frühjahr947 »mit all seinem Gelde« in die Provence ab – und

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4.892 Deschner Bd. 5, 495Berengar II. wird König von Italien

bereitete dort den Krieg gegen Berengar vor. Er rüste-te zum Entscheidungskampf, starb aber schon am 10.April 948 in Arles.

Sein Sohn Lothar, jetzt offiziell allein König vonItalien, festigte zwar etwas seine Stellung durch dieHeirat mit der erst 16jährigen, seit ihrem 6. Lebens-jahr mit ihm verlobten Welfin Adelheid, Tochter desverstorbenen Königs Rudolf II. von Burgund, viel-leicht auch durch Intervention des byzantinischenKaisers, verschied freilich plötzlich am 22. November950 in Turin, angeblich von Berengar durch Gift be-seitigt.

Bereits am 15. Dezember desselben Jahres wurdenBerengar II. (950–961) und sein Sohn Adalbert in S.Michele von Pavia zu Königen von Italien gekrönt,was Otto I. als Usurpation betrachtete. Und schon inPavia scheinen die neuen Regenten Lothars jungerWitwe Adelheid den Königsschatz, ihren Schmuckund gesamten persönlichen Besitz geraubt zu haben.Sie selbst, flüchtig, wurde am 20. April 951 in Comoeingefangen und vier Monate, wahrscheinlich inGarda, inhaftiert. Doch gewann sie mit Hilfe Adel-hards von Reggio ihre Freiheit. Es war derselbe Kleri-ker, der einst Berengar den Weg nach Italien geöffnethatte und dafür Bischof geworden war (S. 493), jetztaber, in richtiger Einschätzung der Lage, die Zeit fürgekommen hielt, erneut die Front zu wechseln.

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4.893 Deschner Bd. 5, 495Berengar II. wird König von Italien

Adelheid, die als rechtmäßig anerkannte Königin,rief Otto I. um Hilfe, und dieser griff ein. Zum ersten-mal zog er jetzt nach Italien und erschien am 23. Sep-tember 951 in Pavia, das erst tags zuvor Berengar undSohn verlassen hatten. Otto übernahm ohne Wahl be-ziehungsweise Krönung den Titel eines Königs derLangobarden, sein Bruder Brun und der ErzbischofManasse von Mailand walteten als seine Erzkaplane.Noch im Herbst heiratete er die um 18 Jahre jüngereBurgunderin Adelheid, fragte in Rom auch gleichwegen der Kaiserkrone an, bekam aber eine Absagedurch Alberich und brach im Februar nächsten Jahreswieder nach Deutschland auf.62

Berengar II. ergab sich bald freiwillig. Er leisteteim August 952 Otto in Augsburg den Lehenseid undwurde als sein Vasall mit dem Königreich Italien be-lehnt. Die Marken Verona und Aquileia schlug manaus »geostrategischen« Gründen zum HerzogtumBayern. Da der deutsche König in den nächsten Jah-ren an den Norden gebunden war, regierte Berengar inItalien ziemlich ungestört. Er versuchte die Selbstän-digkeit seines Königreichs gewaltsam wiederherzu-stellen und benutzte jede Gelegenheit, sich an jenen,die ihn zuerst verlassen hatten, zu rächen, besondersalso an den Bischöfen. Sie mögen auch vor allem Be-rengars Ankläger bei Otto geworden sein, der dann,beraten von Erzbischof Brun von Köln, seinen Sohn

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4.894 Deschner Bd. 5, 496Berengar II. wird König von Italien

Liudolf, Herzog von Schwaben, nach Italien schickte.Anno 956 besetzte dieser ohne Schwertstreich

Pavia und besiegte Berengars Sohn, König Adalbert,auf dem Schlachtfeld (vielleicht bei Reggio). Als Liu-dolf aber am 6. September 957 in Piomba (südlichdes Lago Maggiore) plötzlich einer fiebrigen Krank-heit oder Gift erlag, ging Berengar erneut gegen dieBischöfe vor, die ihn diesmal an Liudolf verraten hat-ten. Walpert, den Berengar selbst, indem er den unge-treuen Erzbischof Manasse vertrieb, zum Bischof vonMailand gemacht, floh nun, »halbtot«, wie es heißt,der Wut Berengars und Adalberts entronnen, über dieAlpen, und Manasse bestieg wieder seinen Stuhl.Über die Alpen gingen auch die Bischöfe Waldo vonComo und Petrus von Novara. Und während Adalbert959 von Spoleto aus, das sein Bruder Wido eroberthatte, wiederholt in der Sabina einfiel, vereinten sichmit den Klagen der Emigranten jetzt auch die desPapstes.

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4.895 Deschner Bd. 5, 496Johann XII. macht die Liebe zum Mittelpunkt ...

Johann XII. macht die Liebe zum Mittelpunktseines Pontifikats

Johann XII. wurde aber nicht nur durch Einfälle Be-rengars und Adalberts vom Norden her in den Kir-chenstaat bedroht. Er war 959 auch im Süden »ineinem mutwillig vom Zaune gebrochenen Krieg«(Zimmermann) gegen Capua, Benevent und Salernounterlegen. So wandte sich der »liederliche Junge«,der »unreife Jüngling«, »der Bube im Ornat des Pap-stes«, wie man ihn auf katholischer Seite gern rechtverniedlichend kritisiert, anno 960 hilfesuchend anKönig Otto. In schon alter Tradition schickte er wie-der einmal heimlich zwei Gesandte über die Alpen,den Kardinaldiakon Johannes und den Protoscriniar(Kanzleivorstand, Notar) Azzo, wofür beide – überdie Heilige Stadt und den Heiligen Vater im Nordenwahrscheinlich zu gesprächig – noch büßen sollten.Das römische Kirchenhaupt bat den deutschen König,er möge ihn, den Papst, und die ihm anvertraute Kir-che, um der Liebe Gottes und der Apostelfürsten wil-len, aus den Klauen Berengars und Adalberts befrei-en, und bot ihm die Kaiserkrone an – eine völlige Ab-kehr von der Politik seines Vaters.63

Doch die Hilfe war um so dringender, als sich auchbei den Römern selbst wachsender Widerstand regte.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.896 Deschner Bd. 5, 497Johann XII. macht die Liebe zum Mittelpunkt ...

Denn Fürst Alberich, Marozias strammer Sprößling –seine Macht hatte sogar Otto respektiert –, ruhte seitdem 31. August 954 für immer in Rom. SeinemWunsch gemäß aber, dessen Ausführung die Großender Stadt dem Sterbenden feierlich beschwören muß-ten, wurde sein Sohn Oktavian sein Nachfolger und,bereits im nächsten Jahr, kaum achtzehnjährig, auchPapst. Dabei ist durchaus fraglich, ob Johann XII.,wie er sich nannte, schon das kanonische Alter er-reicht, ja überhaupt eine geistliche Ausbildung erhal-ten hatte. Sicher dagegen verstieß Alberichs Anord-nung, nach dem Ableben von Papst Agapet II., dergleichfalls eingewilligt, seinen Sohn Oktavian zumhöchsten Priester zu machen, strikt gegen die Vor-schrift. Verbot es doch Symmachus' I. Dekret vom 1.März 499, einen Nachfolger zu Lebzeiten des amtier-enden Papstes zu bestimmen.

Johann XII. (955–963), Alberichs unehelicherSproß, war ein großer Weidmann, Reiter, Würfelspie-ler, der gern die Götter anrief, die heidnischen, ver-steht sich, und nach Auskunft der Zeitgenossen, mitdem Teufel im Bunde stand. Einen Zehnjährigen ordi-nierte er in Todi zum Bischof. Eine Priesterweihevollzog er, etwas unkanonisch, im Pferdestall, »undnicht einmal zur gesetzlichen Zeit«. Einen anderenKleriker ließ er kastrieren. Die Messe feierte er ohnezu kommunizieren, Prälaten weihte er für Geld. Er be-

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4.897 Deschner Bd. 5, 498Johann XII. macht die Liebe zum Mittelpunkt ...

gattete die Witwe seines Dienstmannes Rainer, setztesie über viele Städte und verehrte ihr goldne Kreuzevon St. Peter, goldne Kelche. Er koitierte mit derKonkubine seines Vaters, Stephana, mit deren Schwe-ster. Er schlief auch mit den eignen Schwestern undtrieb es mit der Witwe Anna und deren Nichte. Ervergewaltigte fromme Rompilgerinnen, Ehefrauen,Witwen, Mädchen, die an den Apostelgräbern hattenbeten wollen. Kein Wunder, daß ihn böse Zungen be-schuldigten, aus dem päpstlichen Palast ein Bordellgemacht zu haben, »einen Tummelplatz unzüchtigerWeiber« (Liutprand).64

Doch tat dies etwas unkeusche Leben, meint jeden-falls John Kelly, der Oxforder Kirchenhistoriker, demAnsehen des Papstes in der Gesamtkirche anschei-nend kaum Abbruch. Denn Johann XII., der derart dieLiebe in den Mittelpunkt seines Pontifikates rückte,regierte nicht nur im Bett. Vielmehr achtete er auf Be-hauptung der päpstlichen Autorität, sogar auf admini-stratives Funktionieren. Einige Klöster unterstützte ermateriell, ja, er wallfahrte im Mai 958 zur Abtei Su-biaco (80 km östlich von Rom). Er schien überhaupt,wie sein Vater, an der Reform des Mönchtums, derkirchlichen »Erneuerungsbewegung«, nicht ganz des-interessiert. Und noch in seinem letzten Regierungs-jahr sprach sich ein römisches Konzil gegen klerikaleSimonie aus! Auch im Panzer aber, behelmt, mit dem

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4.898 Deschner Bd. 5, 498Johann XII. macht die Liebe zum Mittelpunkt ...

Schwert traf man ihn an. Galt sein Hauptinteresse jadurchaus dem Kirchenstaat und dessen Erweiterung.Darum führte er, kurz nach seiner Subiaco-Wallfahrt,gemeinsam mit den Toskanern und Spoletinern, auchjenen kleinen Krieg gegen Capua und Benevent, derso kläglich mißlang. Fiel doch König Berengar II.dabei dem Herzog von Spoleto, dem päpstlichen Bun-desgenossen, erfolgreich in den Rücken, eroberte dasHerzogtum 959 und plünderte und dezimierte denKirchenstaat.65

So kam es zum zweiten Italienzug des deutschenKönigs, der wohl bereits bei seinem ersten, 951, mitder Kaiserkrone gerechnet, aber die römischen Macht-verhältnisse respektiert hatte. Jetzt war die Situationzweifellos günstiger, jetzt regierte statt Alberich des-sen Sohn Johann XII. Ganz glücklich konnte diesendas Erscheinen Ottos, den sein Vater noch auf Di-stanz gehalten, kaum machen. Doch mochte er unterdem Druck gewisser reformerisch gesinnter Kreise,ihrem Unwillen über seinen skandalösen Lebenswan-del stehen.

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4.899 Deschner Bd. 5, 499Johann XII. krönt Otto I. zum Kaiser

Johann XII. krönt Otto I. zum Kaiser und dieserstellt das Privilegium Ottonianum aus

Otto nahm die Offerte des Papstes jedenfalls gern an.Um die Modalitäten hatte Abt Hatto von Fulda (derNeffe seines Vorgängers Hadamar, denn überall flo-riert der Nepotismus fort) sich in Rom zu kümmern –968 wird er Erzbischof von Mainz. Der König selbstließ im Mai 961 seinen Sohn Otto II., seinerzeit erstsechs Jahre alt, in Worms zum König wählen, in Aa-chen krönen, gab ihn darauf in die Obhut seines Bru-ders Brun, des Erzbischofs von Köln, und seines Soh-nes Wilhelm, des Erzbischofs von Mainz, und brachim August von Augsburg auf.

Vergebens versuchte ihn König Adalbert an derKlause von Verona aufzuhalten, und dann vertrieb ermit großer Heeresmacht Berengar aus Pavia, »weil er,wie man ganz sicher ist, die heiligen Apostel Petrusund Paulus zu Mitstreitern hatte« (Liutprand). Am31. Januar 962 stand Otto vor Rom. Bevor er jedochdort einzog, sagte er, so erzählte man, zu seinemSchwertträger Ansfried von Löwen: »Wenn ich anden Gräbern der Apostel bete, so halte dein Schwertbeständig über meinem Haupte, denn römische Treuewar meinen Vorfahren oft schon verdächtig. Sind wirzum Monte Mario zurückgelangt, so magst auch duKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.900 Deschner Bd. 5, 499Johann XII. krönt Otto I. zum Kaiser

beten soviel du willst«.66

Am 2. Februar 962 wurde Otto I. unter großemPomp durch den höchstens halb so alten Johann XII.,dem er zuvor einen Sicherheitseid hatte leisten müs-sen, in St. Peter zu Rom gesalbt und zum Kaiser ge-krönt, vielleicht mittels jener Krone, die heute noch inder Schatzkammer der Wiener Hofburg ist. Ebenfallshat der Papst die Otto begleitende Gattin Adelheid,»die Genossin des Reiches«, gesalbt und gekrönt.Und seither waren Kaisertum und deutsches König-tum – bis zum Untergang des »Heiligen RömischenReiches« 1806 – dauernd miteinander verbunden unddie Päpste für die Verleihung der Kaiserwürde we-sentlich. Jeder deutsche König, der fortan Kaiser wer-den wollte, mußte nun nach Italien ziehen und zumPapst; Zündstoff genug für kommende Geschlechter.Und unendliche Tragik ...

Nach der Krönung präsentierte man dem Herrscheralsbald eine Urkunde zwecks Bestätigung aller päpst-lichen Liegenschaften und »Rechte«. Und am 13. Fe-bruar 962 stellte Otto das Privilegium Ottonianumaus, jenes berühmt berüchtigte Dokument, das freilichnicht im Original vorliegt, auch nicht unumstritten ist.Es erneuert im ersten Teil die Pippinische Schenkung(IV 381) und garantiert den Besitz des Kirchenstaa-tes, verpflichtet aber im zweiten Teil jeden Papst,zwischen seiner Wahl und Weihe im Beisein der Kö-

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4.901 Deschner Bd. 5, 500Johann XII. krönt Otto I. zum Kaiser

nigsboten oder des Kaisersohnes zu einem Treueid,womit der Kaiser Einfluß auf die Papstwahl bekam:im Grunde eine Anknüpfung an die karolingische Tra-dition.

Was Otto jedoch seinerzeit unterschrieb und vieleJahrhunderte lang als Rechtsbasis des Kirchenstaatesgalt, war wieder einmal ein Diplom aus alten undneuen, echten und unterschobenen Elementen, angeb-lich längst überlieferter Besitz zwar, tatsächlich aberfrisch fingierte Erweiterungen. Erscheinen da dochStädte, Länder, die nie der Kirche gehörten, Gaetazum Beispiel, Neapel. Auch beanspruchte man Vene-tien, Istrien, die Herzogtümer Spoleto und Beneventund selbstverständlich das, was Pippin und Karl »derGroße« versprochen, aber nicht gehalten hatten. Kurz,als rechtmäßiger alter Besitz wurde nicht nur ver-brieft, was der Kirche auf Grund früherer Fälschun-gen zustand, sondern auch alles, was sie demnächstnoch zu erobern gedachte, was, alles in allem, denKirchenstaat auf zwei Drittel Italiens ausdehnen soll-te.67

Kein Wunder, daß man in Rom den Kaiser als drit-ten Konstantin pries und begann, ihn Otto »den Gro-ßen« zu nennen. Allerdings hielt der große Otto seineZusage so wenig wie einst der große Karl. Er bean-spruchte eine ganze Reihe von Gebieten, die dasPapsttum für sich beanspruchte. In der Pentapolis

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4.902 Deschner Bd. 5, 501Johann XII. krönt Otto I. zum Kaiser

z.B., die man in Rom zum Patrimonium Petri zählte,erzwang er einen Eid der Bewohner, der sie zu seinenUntertanen machte. Auch scheint Otto den päpstli-chen Schwindel erkannt zu haben, zu dessen bessererDurchsetzung damals der Kardinal Johannes (digito-rum mutilus) von dem vor über zweihundert Jahrengefälschten Constitutum Constantini (IV 405 ff.) einePrunkabschrift »mit goldenen Lettern« hergestellt hat,um bei Ottos Kaiserkrönung die »KonstantinischeSchenkung« offiziell demonstrieren zu können.

Kurz nach der Krönung erlaubte Johann XII. – einalter Wunsch Ottos – auch die Errichtung eines Erz-bistums in Magdeburg und war ebenso mit der Grün-dung des Bistums Merseburg einverstanden. Schließ-lich hatte der deutsche Herrscher, wie der katholischePapsthistoriker Seppelt dies nennt, eine »großzügigeOstpolitik gegenüber den Slawenstämmen« getrieben(vgl. S. 450 ff., 455 ff.).

Ein am 12. Februar 962 ausgestelltes Papstprivilegspricht von der Vorgeschichte dieser Ereignisse, auchvon der Ungarnschlacht sowie weiteren Kämpfengegen das Heidentum »zur Verteidigung der heiligenKirche Gottes« (ad defensionem sanctae Dei eccle-siae). Denn Verteidigung heißt hier nie nur oder auchnur in erster Linie Abwehr, sondern vor allem An-griff, Ausgriff, »Ausweitung des christlichen Glau-bens«, heißt an der langen Ostgrenze des Reiches die

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4.903 Deschner Bd. 5, 501Johann XII. krönt Otto I. zum Kaiser

lockende Möglichkeit nutzen, »neue Völker für dasChristentum zu gewinnen. Der Sieg über die Heiden,Ungarn und Slaven, war eine materielle Vorausset-zung für die Mission ...« (Büttner).68

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4.904 Deschner Bd. 5, 501Der Papst konspiriert mit allen Reichsfeinden

Der Papst konspiriert mit allen Reichsfeinden

Noch Mitte Februar 962 kehrte Otto nach Oberitalienzurück, wo er Berengar, der sich samt Anhang in ver-schiedene Kastelle zurückgezogen, bis gegen Ende963 bekämpfte. Bald schon konnte er Berengars Ver-bündeten, Markgraf Hubert von Tuszien, KönigHugos Sohn, vertreiben, gegen den nächsten Jahres-wechsel auch den Berengarsohn Adalbert. Hubert flohzu den Ungarn nach Pannonien, Adalbert zu den Sara-zenen, erst in die Provence nach Fraxinetum, dannnach Korsika.

Doch da erreichten Otto auch schon schlimme Mel-dungen aus Rom. Denn so wenig wie der frommeKaiser, hielt der unfromme Papst sein Versprechen,als er davon nicht die erwarteten Vorteile erlangte,vielmehr Ottos Macht zu fürchten begann, so daßbeide Häupter der Christenheit einander gegenseitigdes Eidbruchs bezichtigten.

Der Papst nämlich, der dem Kaiser feierlich Treuegeschworen, ging nun, während dieser Berengar be-kriegte, zu den ehemaligen Feinden über. Er konspi-rierte, kaum daß Otto Rom den Rücken gekehrt, mithalb Europa und darüber hinaus. Nach allen Seitenjagte er seine Agenten. In hochverräterischer Absichtkontaktierte er mit Byzanz. Aber eben dabei wurde

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4.905 Deschner Bd. 5, 502Der Papst konspiriert mit allen Reichsfeinden

Kardinal Johannes, mit dem Bischof von Velletrisamt Geheimpost nach Konstantinopel unterwegs,durch den (langobardischen) Fürsten Pandulf I. vonCapua und Benevent (genannt »Eisenkopf«:961–981) aufgegriffen und vor Otto gebracht. (DerFürst war ein treuer Kaiseranhänger – und sein Bru-der Johann, auf daß auch hier möglichst viel in derFamilie blieb, der erste Erzbischof von Capua.) DerPapst distanzierte sich sogleich, beschuldigte seineGesandten als »Treubrüchige« (infideles), erregte sichkünstlich über den Kaiser, der sie aufgenommen habe,und rächte sich 964 grausam an seinem Kardinal (S.506).

Heiligkeit konspirierte auch mit den alten Christen-feinden, den heidnischen Ungarn. Als Missionare ge-tarnte Legaten sollten sie anscheinend zu neuen Ein-fällen in Deutschland reizen. Doch auch die päpstli-chen Briefe an die Ungarn fielen Otto in die Hand,schwerbelastendes Material, das der Papst als ge-fälscht und dem Kaiser absichtlich zugespielt hinstell-te.

Ja, Johann XII. steckte sich noch hinter kaiser-feindliche italische Kreise, obschon es die teilweisemit den Sarazenen hielten. So machte er mit seinemeinstigen Gegner König Adalbert, dem ältesten SohnBerengars, gegen den er doch zuvor Ottos Hilfe ange-rufen und zu dem er, wie gerade erst geschworen, nie

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4.906 Deschner Bd. 5, 502Der Papst konspiriert mit allen Reichsfeinden

abfallen wollte, nun gemeinsame Sache. Und Adal-bert, im Herbst 962 vor Otto nach Fraxinetum ge-flüchtet, dem bekannten arabischen Seeräubernest ander provencalischen Mittelmeerküste – ausnahmswei-se einmal eine Piraterie auf »privater«, nichtstaatli-cher Basis (H.R. Singer) –, ging seinerseits wiedermit den dortigen Sarazenen ein Bündnis ein; zehnJahre später wird ihr Stützpunkt durch ein burgun-disch-provencalisches Heer mit Hilfe einer byzantini-schen Flottenblockade ausgehoben und der überleben-de Araberrest versklavt. Jetzt setzte Adalbert via Kor-sika aufs Festland über und kam im Juni 963, mitallen Ehren empfangen, nach Rom. Berengar II. aberkapitulierte noch Ende desselben Jahres in der Apen-ninfestung St. Leo (westlich von San Marino), wurdenebst Gattin Willa nach Bamberg verbannt und starbdort am 6. August 966. Das regnum Italiae galt seit-dem sozusagen als Reichsitalien und mit dem deut-schen Reich vereint.69

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4.907 Deschner Bd. 5, 503Ein »Monstrum« wird vom Papstthron gestürzt

Ein »Monstrum« wird vom Papstthron gestürztund stirbt durch einen »Schlaganfall«

Im Frühjahr 963 hatten Otto in Pavia auch Nachrich-ten über das lustreiche Leben des Heiligen Vaters er-reicht, der den Papstpalast in ein Bordell verwandelthabe, an seine Dirnen ganze Städte verschleudere,indes der Regen durch die eingestürzten Kirchendä-cher auf die Altäre rinne und keine anständige Fraumehr die Wallfahrt nach Rom riskiere, aus Furcht indie Hände Seiner Heiligkeit zu fallen. Am 1. Novem-ber 963 erschien Otto vor Rom, und während manihm nach kurzer Belagerung am 3. die Stadttore öff-nete, flohen Adalbert und der Papst, der eben noch involler Rüstung mit seinen und Adalberts Truppen,auch sarazenischen, am Tiber verzweifelt Widerstandgeleistet, eilends mit dem Kirchenschatz, um sich an-scheinend im starken Tivoli festzusetzen. Die Römeraber schwuren Otto Treue und gelobten, nie einenPapst zu wählen und zu ordinieren »ohne die Zustim-mung und Bestätigung des erhabenen Herrn KaisersOtto und seines Sohnes, des Königs Otto«. Dieser»Römereid«, der den Papstwahlpassus des »Ottonia-num« verschärfte, ein Eid, den selbst die Karolingerso nicht zu fordern gewagt, wurde für die hochmittel-alterliche Papstgeschichte noch besonders bedeutsam.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.908 Deschner Bd. 5, 504Ein »Monstrum« wird vom Papstthron gestürzt

Drei Tage darauf, am 6. November 963, trat unterdem Vorsitz des Kaisers in St. Peter ein vier Wochentagendes Konzil zusammen – immerhin 17 Kardinäleund mehr als fünfzig Bischöfe, doch leider, wie derMonarch bedauerte, nicht »der Herr Papst Johann«,von dem die »herrliche und heilige Versammlung«fand, er gehöre »gar nicht mehr zu denen, welche inSchafskleidern kommen, inwendig aber reißendeWölfe sind, er wütet so offenbar, er treibt so offen desTeufels Werk, daß er auf alle Umschweife verzich-tet«.

In einer ersten höflich-dringlichen Einladung anden summus pontifex et universalis papa, die dieseräußerst bündig mit einer Exkommunikationsdrohungder zum Konzil Versammelten quittierte, hatte manihn noch mit »Euer Würden« (magnitudo vestra) apo-strophiert. In einer zweiten Vorladung wünschte mandem »summo pontifici et universali papae, dem HerrnJohann« zwar noch immer »Heil im Herrn«, verglichihn aber bereits mit Judas, »dem Verräter, ja vielmehrVerkäufer (proditor immo venditor) unseres HerrnJesu Christi«. Auf der folgenden Sitzung schimpfteman ihn »ein noch nie dagewesenes Geschwür«, dasman mit einem entsprechenden Brenneisen auszubren-nen empfahl und nannte ihn schlicht »Monstrum«.Aber der Papst ging Wichtigerem nach, der Jagd beiTivoli: »er war schon mit Köcher und Bogen ins Feld

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4.909 Deschner Bd. 5, 504Ein »Monstrum« wird vom Papstthron gestürzt

gegangen« (Liutprand).70

Die Synode hatte fein säuberlich das lange Sünden-register des Stellvertreters Christi aufgezählt, Sakrile-gien aller Art, eine Fülle schwerster Bezichtigungen:Versäumnis der Kommunion, der kanonischen Ge-betszeiten, Irregularitäten bei der Vornahme der Ordi-nation, wie die eines Diakons im Stall, Ämterhandel,Verschleuderung von Kirchengut, Verachtung der Be-kreuzigung, Verhöhnung der Sakramente, Abfall zumHeidentum, Bündnis mit dem Teufel, Jagd- und Spiel-leidenschaft, diverse Unzuchtdelikte, Ehebruch, Blut-schande, Geschlechtsverkehr mit der Konkubine sei-nes Vaters, mit deren Schwester u.a., Handgreiflich-keiten gegenüber Pilgerinnen in St. Peter, Meineid,Kirchenraub, Brandstiftung, Verstümmelung, Kastra-tion und Tötung eines Kardinals, Blendung seinesPaten, Mord von Geistlichen etc.

Manches an diesem Lasterkatalog mag durchausübertrieben, vielleicht sogar unwahr sein. Doch dannhaben 17 Kardinäle und mehr als 50 Bischöfe gelo-gen! Und immerhin stützten sich die von dem Kardi-nal Benedikt angeführten Konzilsväter teils auf eigeneAugenzeugenschaft, teils auf sicheres Wissen. Ja, siebeeideten einstimmig und bei Gefahr ihrer ewigen Se-ligkeit – an die sie freilich selber kaum recht geglaubthaben mögen –, mit Selbstverfluchung also, JohannXII. habe nicht nur die genannten, sondern noch viel

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4.910 Deschner Bd. 5, 505Ein »Monstrum« wird vom Papstthron gestürzt

mehr der schändlichen Verbrechen begangen. Undauch der Biograph des Papstes schildert ihn im »LiberPontificalis« gänzlich negativ.

In der dritten Sitzung, am 4. Dezember 963, dräng-ten die Bischöfe, wie von Otto natürlich erwartet,wenn nicht befohlen: »Wir bitten daher die Herrlich-keit Eurer kaiserlichen Würde, jenes Ungeheuer, des-sen Laster durch keine Tugenden aufgewogen werden,aus der Heiligen Römischen Kirche auszustoßen ...«Und so wurde, entgegen der Bestimmung, daß derPapst – was man bei Leos III. und Paschalis' I. Pro-zessen beachtet hatte – von niemanden gerichtet wer-den dürfe, wurde Johann XII., der gar nicht gehört,auch nicht verteidigt, auch nur zweimal statt, wie ka-nonisch erforderlich, dreimal vorgeladen worden war,wurde Johann, der Otto erst unlängst gesalbt und ge-krönt, auf dessen Wunsch an jenem Tag einstimmigabgesetzt und, ebenfalls entgegen der Kirchensatzung,ein neuer Papst, der Kandidat des Kaisers selbstver-ständlich, im Petersdom, angeblich una voce, am 6.Dezember 963 erhoben: Leo VIII. (963–965). Da derbisherige Kanzleivorstand Leo noch Laie war, ver-paßte man ihm, die kirchlichen Kanones wiederschwerstens verletzend, im Schnellverfahren alle Wei-hen, vom untersten der ordines minores, dem Ostia-rius (Türhüter, etwa Mesner), über den Lektor, Ako-lythen, Subdiakon und Diakon bis zum Priester, an

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4.911 Deschner Bd. 5, 506Ein »Monstrum« wird vom Papstthron gestürzt

einem Tag und ordinierte ihn am 6. Dezember durchKardinal Sico von Ostia mit Assistenz der Bischöfevon Porto und Albano zum Papst.71

Der Umsturz aber machte böses Blut in Rom.Johann/Oktavian war immerhin der Sohn des »gro-

ßen Alberich«, war Fürst und Kirchenhaupt derRömer. So kam es am 3. Januar 964 zu einem vonihm selbst angezettelten Anschlag auf den Kaiser,wofür der nach Korsika geflüchtete Pontifex als Lohn»den Schatz des heiligen Petrus und sämtlicher Kir-chen« (beati Petri omniumque ecclesiarum pecuniam)versprochen haben soll – der erste Aufstand derRömer gegen einen deutschen Kaiser, ein mörderi-scher Straßenkampf, den Otto, noch am selben Taggewarnt, freilich niederschlug, da seine »kampfge-wohnten Krieger, unerschrocken im Herzen und imGebrauch ihrer Waffen«, sich auf die Empörer stürz-ten – »und trieben sie wie Jagdfalken einen Vogel-schwarm ohne Widerstand in die Flucht. NichtSchlupfwinkel, nicht Körbe, nicht Tröge, nicht dieAbwasserkanäle konnten die Fliehenden schützen. Siewurden also niedergemacht und, wie es tapferen Män-nern zu geschehen pflegt, allenthalben im Rücken ver-wundet. Welcher hätte damals von den Römern diesesBlutbad überlebt, wenn nicht der heilige Kaiser ausBarmherzigkeit, die man ihnen doch nicht schuldigwar, seine nach Blut dürstenden Krieger zurückgehal-

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4.912 Deschner Bd. 5, 506Ein »Monstrum« wird vom Papstthron gestürzt

ten und abgerufen hätte?«Ach, der barmherzige, große, der heilige Kaiser,

dem dann auch die Römer über St. Peters (vermeintli-chem) Grab abermals Treue schwuren und hundertGeiseln stellten, die er, auf Bitte seines Papstes, baldwieder laufen ließ. Doch kaum war er abgezogen,wurde Leo VIII., »ein Lamm unter lauter Wölfen«, imFebruar 964 aus der Heiligen Stadt vertrieben, undJohann XII., für den sich seine zahlreichen Mätressen,»da sie von vornehmem Geschlechte und ihrer vielewaren«, mächtig und erfolgreich ins Zeug legten,kehrte im selben Monat zurück. Widerstandslos öff-nete man ihm die Tore.

Der Papst nahm nun recht christlich Rache an sei-nen beiden einst zu Otto gesandten Legaten, ließ demKanzleivorsteher Azzo die rechte Hand, dem KardinalJohann Nase, Zunge und zwei Finger abschneiden.Der deutsche Vertreter in Rom, Bischof Otger vonSpeyer, wurde nach päpstlicher Anweisung ausge-peitscht und eingekerkert. Auf einer Synode in St.Peter Ende Februar, feierlich eröffnet durch das Her-eintragen der vier Evangelien, erkannten fast diesel-ben Kardinäle, die Johann XII. vor drei Monaten ab-gesetzt, ihn jetzt wieder an. Und fast dieselben Kardi-näle, die den flüchtigen Leo VIII. erhoben hatten, ex-kommunizierten ihn nun. Die Bischöfe von Porto undAlbano, bei Papst Leos Ordination besonders betei-

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4.913 Deschner Bd. 5, 507Ein »Monstrum« wird vom Papstthron gestürzt

ligt, verfielen der Suspension, Kardinal Sico vonOstia dem Ausschluß aus dem Klerus.

Doch wurde Johann XII. seines Sieges nicht froh.Vor dem anrückenden Kaiser wich er in die Campa-gna aus. Und dort starb er »in einem Ehrenhandel«(Kämpf) noch am 14. Mai 964, wenige Tage nacheinem Ehebruch, »als er sich mit der Frau eines ge-wissen Mannes ergötzte« (Liutprand), wahrscheinlichdurch die Aufmerksamkeit des betrogenen Gatten –oder, wie es auch gut heißt, durch einen »Schlagan-fall«. Und dies sogar »ohne daß er die heilige Weg-zehrung empfangen« (Seppelt).72

»Durch seine Wiedereinsetzung hatte die Vorse-hung sein Recht geschützt, durch seinen plötzlichenTod seinen unwürdigen Wandel bestraft.« So erklärtdie katholische Kirchengeschichtsschreibung dasweise Handeln der »Vorsehung«. Aber wäre die nichtweiser gewesen, hätte sie Johann XII. seinen Sturz,der Kirche seinen skandalösen Wandel erspart – unduns das Papsttum überhaupt?73

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4.914 Deschner Bd. 5, 507Tumulte und Greuel in Rom und in der ...

Tumulte und Greuel in Rom und in derGeschichtsschreibung

Die Römer kürten nun, die geleisteten Schwüre raschvergessend, einen Kardinal, der nicht nur Johann XII.mit amtsenthoben, sondern auch seinen eigenen Vor-gänger Leo mitgewählt hatte: Benedikt V. (22. 5. –23. 6. 964, gest. 966). Er wurde inthronisiert, undman versprach, ihn nie zu verlassen, ihn unter allenUmständen zu verteidigen. Doch der Kaiser wollteseinen Papst. Er führte Leo VIII. zurück, plünderte,verwüstete das römische Gebiet und belagerte im Juni964 die Stadt, in der trotz Feuersbrünsten, Hungers-nöten, Seuchen, Papst Benedikt, »ein durchaus würdi-ger, frommer Mann« (Seppelt), die Römer zur Vertei-digung trieb. Er beteiligte sich persönlich, stieg aufdie Mauern, stachelte die Seinen an und schleudertegegen das Belagerungsheer seine Bannflüche. Abervon Übermacht, Hunger und Not bezwungen, öffnetendie Eingeschlossenen am 23. Juni die Tore, liefertenBenedikt aus und gelobten dem Kaiser und Leo VIII.erneut über dem Grab St. Peters Treue. Benedikt V.freilich, »der Eindringling« (invasor: Liutprand),wurde auf einer Synode im Juni 964 öffentlich alsUsurpator verurteilt. Papst Leo nahm ihm die Insigni-en der sogenannten Würde, »riß ihm das päpstlicheKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.915 Deschner Bd. 5, 508Tumulte und Greuel in Rom und in der ...

Pallium, das er sich angeeignet hatte, ab, entriß seinerHand den Bischofsstab und zerbrach ihn vor denAugen aller in Stücke«. Der abgesetzte Papst wurdezum Diakon degradiert, auf ewig exiliert und wander-te nach Hamburg in die Verbannung, wo er schon am4. Juli nächsten Jahres starb.74

Nach Leos Tod 965 ging es in Rom mit den übli-chen Tumulten weiter. Kaisertreue und kaiserfeindli-che Päpste lösten einander in rascher Folge ab, einerbekämpfte den andern, verbannte, verstümmelte, mor-dete. Auf einer Synode französischer Prälaten 991 zuReims sah Bischof Arnulf von Orleans in einem derschärfsten mittelalterlichen Angriffe auf das Papsttumdieses sehr deutlich in völliger Verkommenheit, inVerbrechen, Schande, sah die Gegenwart durch daspäpstliche Rom »mit so schrecklicher Nacht ge-schwärzt, daß sie noch in Zukunft berüchtigt seinwird«. Man wußte damals den »Antichrist in Rom«schon seit Jahrhunderten am Werk – während uns Je-suit Hertling noch Mitte des 20. Jahrhunderts weis-machen möchte: »An diese unerhörten Skandale darfman keine heutigen Maßstäbe anlegen.«

Doch das kann man immer sagen. Und das sagtman auch immer. Damit läßt sich alles bagatellisie-ren. Und deshalb ist dies nur eine bis heute allerwärtsnachgepappelte Ordinarienbetise, nein, schlimmer –denn wer schon ist so dumm! – pure Heuchelei. Der-

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4.916 Deschner Bd. 5, 509Tumulte und Greuel in Rom und in der ...

art läßt sich – in fünfzig, in fünfhundert Jahren – auchdie Etablierung und Förderung des Faschismus durchdie Päpste rechtfertigen. Oder die wiederholte Erlaub-nis des ABC-Krieges, des Einsatzes atomarer, biolo-gischer, chemischer Waffen durch Papst Pius XII ....

Keine heutigen Maßstäbe anlegen? Situativ, tem-porär verstehen? Den Geist der Zeit begreifen? Aberwer oder was ist das? War und ist das denn nicht stets»der Herren eigner Geist«, der seit Jahrhundertenschon existente christliche Geist? »Wir sind die Zei-ten; wie wir sind, so sind die Zeiten.« Kein andererals Augustin schrieb das (I 55 ff.!). Und JohannesHaller, der große Papsthistoriker, insistiert: »Es warschon nicht anders: was sich damals heilige apostoli-sche römische Kirche nannte, stellt sich dem Betrach-ter dar als ein Gebäude sehr weltlicher Herrschaft, wounter dem Decknamen Sankt Peters der Ehrgeiz unddie Habsucht um Thron und Ämter ringen, wo diesel-ben Waffen wie anderswo gebraucht werden und derKampf um die Macht noch rohere, abstoßendere For-men annimmt als irgend sonst.« Und Haller zitiert –trotz jener »fast literaturlosen Zeit« – Zeitgenossen,die es schon einst so empfanden wie wir. Wie etwajener unbekannte Dichter in seiner Apostrophe anRom:

»Niederes Volk, von den Enden der ErdeKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.917 Deschner Bd. 5, 509Tumulte und Greuel in Rom und in der ...

zusammengelaufen,›Knechte der Knechte‹ fürwahr, heißen jetzt Deine

Herrn ...Schmutzigen Bastarden liegest du jetzt im Staube zu

Füßen ...Allzu sehr überwand Habsucht und Geiz deinen

Sinn ...Grausam hast du der Heiligen Leiber im Leben

verstümmelt;Jetzt ist der Toten Gebein gut dir zu jeglichem Kauf,Und wenn die Erde gierig des Lebens Reste vertilgte,Hältst du immerhin noch falsche Reliquien feil.«

Nun gibt es freilich christliche Köpfe, die all demnoch heute viel Geschmack abgewinnen, die wieimmer aparte Patina des Morbiden goutieren und dasKunststück vollbringen, die Häupter der Hydra selbstzu verklären. So meint Katholik Daniel-Rops im Hin-blick auf das papale Horrorarsenal, daß »diese Ein-zelheiten, wie man gestehen muß, auch romantischund fesselnd sind wie ein Roman von AlexanderDumas«. Allerdings dürften »Skandalaffären –, Ge-walttaten, die zu jeder Zeit (!) den päpstlichen Thronbeschmutzen, nicht dem von Christus eingesetztenheiligen Amt angelastet werden, sondern der Unter-drückung, die es erleiden mußte«.75

Daß solchem Maule nicht schlecht von sich selberKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.918 Deschner Bd. 5, 510Tumulte und Greuel in Rom und in der ...

wird! Von Phrasen, kläglicher doch fast noch als wassie bemänteln ...

Papst Johann XIII. (965–972), wohl ein SohnTheodoras d.J., der Schwester Marozias, war laut dem»Liber pontificalis« der Sohn eines Bischofs. Wäh-rend des Schismas zwischen seinen Vorgängern LeoVIII. und Johann XII. hatte er sich zweideutig verhal-ten, opportunistisch; hatte Johann XII. angeklagt, dar-auf für Leos Erhebung gestimmt, dann dessen Abset-zung unterzeichnet. Johann XIII., herrschsüchtig undgermanophil, kooperierte eng mit dem Kaiser, hieltmit diesem gemeinsam Synoden in Rom und Raven-na. Er verfeindete sich mit dem heimischen Adel unddem Volk. Er förderte rücksichtslos seine Verwandtenund wurde schon nach wenigen Monaten, Mitte De-zember, von den Römern unter Führung des Stadtprä-fekten Petrus und des kampanischen Grafen Rotfredgestürzt, verhöhnt, mißhandelt, erst in der Engels-burg, dann in der Campagna unter Rotfreds Aufsichteingekerkert. Mit Hilfe von Verwandten konnte er je-doch anfangs 966 fliehen und nach allerlei Scharmüt-zeln mit seinen Gegnern im November 966 an derSpitze eines Heeres aus kaiserlichen und eigenen Sol-daten im Triumph nach Rom zurückkehren.

Kurz darauf ließ dort Otto – der große, von Gottgekrönte Cäsar, der dritte Konstantin, wie ihn derPapst in einer Bulle pries – die am Aufstand beteilig-

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4.919 Deschner Bd. 5, 510Tumulte und Greuel in Rom und in der ...

ten Adeligen nach Deutschland deportieren, die Füh-rer des Volkes aber, die zwölf Milizkommandantender zwölf Regionen Roms, dazu einen dreizehnten ausTrastevere, hängen. Für den auf der Flucht ergriffenenStadtpräfekten Petrus hatte sich Seine Heiligkeitselbst, immerhin ein Beweis kreativer Phantasie, einebizarre Spezialbehandlung ausgedacht, die in papa-lem Kreis sogar eine gewisse Schule machte. Erstwurde der Namensvetter des Apostelfürsten auf päpst-lichen Befehl mit geschorenem Bart an den Haarenaufgehängt. Dafür mißbrauchte der Heilige Vater alsPranger die Reiterstatue Marc Aurels, die man (irr-tümlich) für ein Monument des hl. Kaisers KonstantinI. hielt (den sog. Caballus Constantini), weshalb sievor dem Lateran stand. Dann wurde der Nackte miteinem Kuheuter an Kopf und beiden Hüften nebstGlöckchen garniert und rücklings auf einem Eselunter Schlägen durch die Stadt getrieben, wobei Pe-trus das Gesicht gegen den Schwanz des Tieres (seinZügel sozusagen) halten mußte. Er wurde eingeker-kert und endlich nach Deutschland exiliert. Der Ker-kermeister des Papstes in der Campagna, Graf Rot-fred, war bereits erschlagen, allerdings auf kaiserlicheAnordnung wieder ausgegraben und vor die Stadt ge-worfen worden.76

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4.920 Deschner Bd. 5, 511Hauptstütze und Nutznießer auch in Italien: der ...

Hauptstütze und Nutznießer auch in Italien: derKlerus

Von 961 bis zu seinem Tod 973 weilte Otto I. nurnoch selten in Deutschland. Zehn von seinen letztenzwölf Lebensjahren verbrachte er in Italien, in dessenSüden drei Kriege führend, gegen die moslemischenAraber und das christliche Byzanz. Nördlich derAlpen und im Westen, wo er gegen Frankreich dieHegemonie, ja eine faktische »Mitregentschaft« errun-gen und Burgund in Abhängigkeit gebracht hatte,wurde er durch Erzbischof und Erzherzog Brun ver-treten. Die Erziehung und Vormundschaft seines Soh-nes Otto II. lag in den Händen von Erzbischof Wil-helm von Mainz. Der Regent selbst hielt sich zurWahrung seiner Herrschaft besonders in Rom auf, woer 962 vom Heiligen Vater – und von welchem! –zum Kaiser gekrönt, wo das »imperium christianum«von neuem begründet und die künftige GeschichteDeutschlands mit der Zukunft des Papsttums verbun-den worden ist, wie dieses selbst mit dem deutschenReichskirchensystem.

Im Süden der Halbinsel erhoben Otto und seineNachfolger, in bewußtem Rückgriff auf die sogenann-te Karlstradition, Anspruch auch auf das HerzogtumBenevent, also auf das kontinentale Süditalien, ausge-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.921 Deschner Bd. 5, 512Hauptstütze und Nutznießer auch in Italien: der ...

nommen das – seit der Zeit Kaiser Justinians (I 7.Kap.) – byzantinische Südapulien, Südkalabrien unddie kleinen tyrrhenischen Seerepubliken.

Die so oft und noch heute idealisierten, romantischverklärten, besonders seit Otto I. einsetzenden Italien-züge der deutschen Kaiser – eine Politik, die im 13.Jahrhundert gescheitert ist – waren in der Forschunglang und heiß umstritten. Hauptkontrahenten: derRanke-Schüler und Bismarck-Gegner Heinrich vonSybel (gest. 1895), der die deutsche Kaiserpolitik desMittelalters verwarf, und Julius Ficker (gest. 1902),der sie verfocht. Mit Objektivität, ohnedies in der Ge-schichtsschreibung unmöglich (vgl. I Einleitung!),hatte auch dieser Streit nichts zu tun. Sybel lehnte vonseinem kleindeutschen Standpunkt aus ab, Ficker ver-teidigte von seiner katholisch-großdeutschen Positionher. So bestimmten fast ausschließlich tagespolitischeVorstellungen die historische Debatte, da eben diekleindeutsche, dort die großdeutsche Sicht. Weil alldies aber zur Zeit keine Rolle spielt, ist zur Zeit auchfür die historische Forschung »der ganze Streit rechtunfruchtbar« (Hlawitschka). Johannes Fried aller-dings erinnert an »die erschütternde Einsicht« Ottosvon Freising kaum zweihundert Jahre später, »derHeerzug nach Italien sei ein Opfergang gewesen, dender König angetreten habe, um die wankende Kirchezu stützen; kaum war sie wieder erstarkt, habe sie

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4.922 Deschner Bd. 5, 512Hauptstütze und Nutznießer auch in Italien: der ...

sich gegen ihren Helfer von einst, den deutschenKönig und Kaiser, gewandt«, womit der Investitur-streit heraufzog.

Eines steht fest: Wie Ottos I. Ostpolitik, so diente,ungeachtet vieler Differenzen im Detail, selbstver-ständlich auch seine Italienpolitik der eigenen Macht-bereicherung und der systematischen Ausplünderungdes Landes.

Eng involviert war auch im ottonischen Süden –was man unlängst wenig überzeugend zu bagatellisie-ren, ja umzuinterpretieren versuchte – wieder der Kle-rus, »indem die Kirchen besonders gefördert und zuStützen der Reichsgewalt ausgebaut wurden« (Hand-buch der Europäischen Geschichte). Ottos »Haupt-stütze in Italien waren hierbei die Bischöfe, die ihrePosition mit deutscher Hilfe verstärkten. Ihnen wur-den große Zuwendungen gemacht ...« (Stern/Bart-muß).77

Gewiß wünschten Otto und seine Nachfolger kei-nen übermächtigen Episkopat. Aber starke Kirchen-fürsten konnten ihnen nur willkommen sein, wie inDeutschland so selbstverständlich, trotz der Unter-schiede, auch jenseits der Alpen. Im Grunde setztensie die sehr klerusfreundliche Politik der Karolingerfort, bauten sie noch aus, mögen sie auch entschiede-ner verfahren sein. Ganz zu schweigen davon, daßauch ihre Gegner in Italien den hohen Klerus oft be-

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4.923 Deschner Bd. 5, 513Hauptstütze und Nutznießer auch in Italien: der ...

günstigt haben.Otto I. jedenfalls stattete bestimmte Bistümer mit

Königsland aus, mit öffentlichen Rechten, Einkünf-ten. So vermehrte er etwa, um dies zu exemplifizieren,bemerkenswert die Macht des Bischofs Aupald vonNovara, dessen Vorgänger Petrus II. offen gegen Be-rengar aufgetreten war. So wurde Bischof Bruningvon Asti, der Erzkanzler Lothars und Berengars, auchErzkanzler Ottos. Dazu bekam er die weltliche Ge-walt über seine Bischofsstadt sowie über deren Um-feld. Und sein Nachfolger Rozo erhielt außer weiterenrechtlichen und wirtschaftlichen Privilegien, wie dasRecht, Zoll zu erheben, Märkte, Häfen anzulegen, jaBefestigungen zu bauen, offenbar auch größere Be-sitzzuteilungen.

Bischof Hubert von Parma (960–980), noch imSommer 961 Kanzler bzw. Erzkanzler Berengars II.und Adalberts, ist im Februar 962 bereits bei OttosKaiserkrönung zugegen und erfährt die allerhöchsteGunst schon im folgenden Monat. Nicht nur bestätigtOtto der Parmenser Bischofskirche eine Reihe ältererVergabungen, Immunität, Königsschutz, Inquisitions-recht, sondern er verleiht Hubert auch die Rechteeines Pfalzgrafen über Stadt und Umkreis, was ihn dazum »Alleinherrscher« macht. Ja, Otto favorisiert denPrälaten auch in Grafschaften, wo das Bistum Besit-zungen hat – »noch dazu strategisch günstig gele-

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4.924 Deschner Bd. 5, 513Hauptstütze und Nutznießer auch in Italien: der ...

gene(n) Kirchenbesitz ...« (Pauler). Und selbstver-ständlich begleitet Bischof Hubert den Kaiser auch imKrieg; er übernahm bei dessen drittem Italienzugsogar das Erzkanzleramt, da der bisherige ErzkanzlerWido von Modena gerade wieder mal abgesprungenwar.78

Bischof Wido von Modena (943–968), der vonMal zu Mal die Fronten wechselte, erst 945 Beren-gars Erhebung unterstützte, bald darauf Hugos SohnLothar, dann Otto I., ehe er noch einmal zu KönigAdalbert überging, wurde gleichwohl von allen Seitenbeschenkt. Von Lothar erhielt er, »dilectus fidelis no-ster«, Güter in der Grafschaft Comacchio, von Beren-gar II. drei Burgen. Ein Jahrzehnt, von 952 bis 961,war er, bei guter Beziehung, versteht sich, zu seinemHerrn, Berengars Erzkanzler. Dann führte er dasselbeAmt, zu Otto übergelaufen, unter diesem fort, wofürer von ihm den Besitz der Berengar-Söhne Wido undKonrad in mehreren Grafschaften bekam, möglicher-weise ohne großen Nutzen daraus ziehen zu können.Roland Pauler, der die Verräterei des notorisch treulo-sen Kirchenfürsten Schritt für Schritt verfolgt, kanndann, als Hlawitschka-Schüler, doch nicht umhin,Ottos höchsten Berater (summus consiliarius) auch zuloben: »Zunächst strebte er danach, seine eigeneMacht zu erweitern, und es war ihm auch das Mitteldes Verrats nicht zu schlecht, um seine Ziele zu errei-

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4.925 Deschner Bd. 5, 514Hauptstütze und Nutznießer auch in Italien: der ...

chen; dann aber erfüllte er unter den jeweiligen Herr-schern seine Pflichten als Reichsbischof, war Erz-kanzler, missus und Helfer im Schlachtfeld wie einweltlicher Vasall auch.«79

Ehre, wem Ehre gebührt.Anders gesagt: Verbrechen müssen im richtigen

personellen Rahmen verbrochen werden. Das heißt:stets in der potentesten Komplizenschaft.

Der Machterweiterung und Ausraubung (etwasakademischer: dem deutschen Feudalstaat) galt natür-lich auch Ottos Süditalienpolitik.

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4.926 Deschner Bd. 5, 514Der Kaiser erringt eines der wichtigsten ...

Der Kaiser erringt »eines der wichtigstenLebensziele in seinen letzten Regierungsjahren«

Ottos Bastionen waren in Italien die drei – den Kir-chenstaat vom byzantinischen Süden trennenden –langobardischen Fürstentümer Capua mit Spoleto undCamerino sowie Benevent und Salerno, die dann,nach Ottos Tod und nur für kurze Zeit, Fürst PandulfI. Eisenkopf in Personalunion vereinigte. Schon An-fang 967 hatte Pandulf dem Kaiser gehuldigt, ebensoLandulf von Benevent, jener dafür mit den Markgra-fenschaften Spoleto und Camerino, dieser mit einergenerösen Bestätigung seines Besitzes belohnt. Frei-lich betrachtete auch Byzanz seit alters diese lango-bardischen Gebiete als seine Interessensphäre und be-anspruchte die Oberhoheit. Otto aber ließ an Weih-nachten 967 seinen gleichnamigen Sohn in Rom(nach dem Beispiel Ludwigs des Frommen, LotharsI., Ludwigs II.) zum Kaiser krönen – das einzigeDoppelkaisertum der deutschen Geschichte –, um denKonflikt durch die Ehe mit einer byzantinischen Prin-zessin beizulegen. Dies jedoch scheiterte an der vonKaiser Nikephoros Phokas geforderten Preisgabe Be-nevents und Capuas.80

So holte man keine Braut heim – sondern führteKrieg. Er begann im Süden im Anschluß an OttosKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.927 Deschner Bd. 5, 515Der Kaiser erringt eines der wichtigsten ...

dritten Italienzug (966). Im nächsten Jahr komman-dierte der Basileus ein Heer quer durch den Balkan,um in Süditalien einzugreifen, ohne daß es dazu kam.Dafür eröffnete Otto den Kampf. Über Capua und Be-nevent fiel er in Apulien ein und verwüstete im Herbst968 monatelang das griechische Kalabrien. »Otto warkriegslustig«, versichert Kirchenhistoriker und Theo-loge Albert Hauck, »und begierig nach Eroberungen;niemals konnte er der Versuchung, einen kühnen Zugzu unternehmen, der großen Lohn verhieß, widerste-hen.« Kriegslustig, das waren diese katholischen Her-ren doch fast alle – schon seit mehr als einem halbenJahrtausend! Doch kein Kastell wurde jetzt gewon-nen, keine Feldschlacht geschlagen, Bari nicht er-obert. Auch Bischof Liutprands diplomatische Bemü-hungen in Konstantinopel mißlangen völlig; woraufer sein episodenreiches Pamphlet »Gesandtschaft anden Kaiser Nikephorus Phokas« in Konstantinopelschrieb (den er darin »ausgebrannte Kohle« nennt,»altes Weib«, »Waldteufel«, »Wildsau«, »Hornoch-se«, »Borstenvieh« u.a.m., der für ihn »Äuglein wieein Maulwurf« hat und »ein Schweinsgesicht«, kurzeiner, »dem man um Mitternacht nicht begegnenmöchte«). Der Basileus verlangte jetzt mehr: ganzSüd- und Mittelitalien, einschließlich Rom, und ver-sagte Otto auch die Anerkennung der Kaiserwürde.

Der Beherrscher des Westens verließ bald dasKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.928 Deschner Bd. 5, 516Der Kaiser erringt eines der wichtigsten ...

Kampfgebiet, sandte aber ein neues Truppenkontin-gent, Schwaben und Sachsen. Nachdem es in Bene-vent die Messe gehört, fiel es mit dem Segen von Erz-bischof Landulf in Apulien ein, schnitt nach dem Siegvon Asculum den gefangenen und immerhin christli-chen Byzantinern die Nase ab und schickte sie »mitabgeschnittener Nase in das neue Rom zurück« (Wi-dukind) – »gewiß ein nennenswerter Erfolg der deut-schen Waffen« (C.M. Hartmann).

Im Frühjahr 970 drang dann Otto wieder selbst imSüden vor, verheerte die Umgebung von Neapel,brandschatzte in Apulien weit und breit, trieb dasVieh fort. Die christliche Regierung von Byzanz warfdem christlichen Sachsenkaiser sarazenische Söldnerentgegen. Doch wenn Liutprand auch recht oberhirt-lich protzte, daß die »vielen Schwächlinge« des Nike-phoros, »denen nur ihre Menge Mut gibt, von unserenwenigen, aber kriegsgewohnten, ja nach Krieg dür-stenden Streitern zermalmt werden« – weder Otto I.noch Otto II. konnten Apulien dem nördlichenReichsteil dauerhaft angliedern.81

Eine Wende im Kampf der Waffen und der Diplo-maten erbrachte eine der vielen byzantinischen Palast-revolutionen.

In der Nacht vom 10. auf 11. Dezember 969 fielKaiser Nikephoros einer Verschwörung seiner Gattinmit seinem Vetter und Nebenbuhler Johannes Tzimis-

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4.929 Deschner Bd. 5, 516Der Kaiser erringt eines der wichtigsten ...

kes, einem General, zum Opfer. Die Bluttat kam auchder Kirche zugute. Patriarch Polyeuktos (956–970)fügte nämlich den Herrscherwechsel gleich zu seinemVorteil. Er verweigerte dem Mörder so lang die Krö-nung, bis dieser sich bereit erklärte, die Bestimmun-gen des Nikephoros gegen das Überhandnehmen desKlosterbesitzes sowie die Zulassung zum Bischofs-amt ohne kaiserliche Einwilligung zurückzunehmen.

Im Westen führte der Umsturz zum Frieden, derApulien bei Byzanz beließ, Capua und Beneventbeim deutschen Kaiser. Doch gewann man nicht dieWunschbraut, die Porphyrogenita Anna, dafür aber,mit vielen Reliquien, die Prinzessin Theophanu, eineNichte des neuen Kaisers Johannes Tzimiskes, zwarnicht in der Porphyra, im Kaiserpalast geboren, dochschön und klug. Am 14. April 972 wurde sie mit demetwa gleichaltrigen 16jährigen Otto in der Peterskir-che zu Rom vermählt und durch Johann XIII. zur Kai-serin gekrönt.82

Dabei konnte Otto »der Große« seinen rastlosenEhrgeiz insofern befriedigen, als der oströmische Kai-sermörder und Kaiser (vielleicht auch, weil er sichnoch nicht so fest im Sattel fühlte) nun die weströmi-sche Kaiserwürde anerkannte – eine Würde, die inaller Regel freilich sehr viel mehr Verbrechen an derMenschheit einschließt als Wohltaten für sie. Dochwar die Anerkennung als zweiter gleichberechtigter

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4.930 Deschner Bd. 5, 517Der Kaiser erringt eines der wichtigsten ...

Imperator für Otto »eines der wichtigsten Lebenszielein seinen letzten Regierungsjahren« (Glocker).83

Als der Kaiser am 7. Mai 973 auf seiner Pfalz zuMemleben starb – nicht ohne »die Stärkung der hl.Wegzehrung« (Thietmar) –, umfaßte das deutscheReich rund 600000 Quadratkilometer, wozu südlichder Alpen noch 150000 bis 160000 Quadratkilometerkamen. Und das Volk rühmte Otto, laut Widukind,nach, er habe »die übermütigen Feinde, Awaren (Un-garn), Sarazenen, Dänen, Slawen, mit Waffengewaltbesiegt, Italien unterworfen, die Götzentempel bei denbenachbarten Heiden zerstört, Gotteshäuser und geist-liche Stände eingerichtet«, ja, sie redeten »noch vielanderes Gute (!) über ihn«. Hinterließ doch der Kaiserder Römer und König der Völker, so schließt derMönch das dritte und letzte Buch seiner Sachsenge-schichte, »in kirchlichen wie in weltlichen Dingenviele ruhmwürdigen Denkmäler der Nachwelt«. Undauf dem Deckel seines Sarkophags nennt ihn eine In-schrift (auf Goldblech) »die höchste Ehre des Vater-landes« und den »Stolz der Kirche«.84

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4.931 Deschner Bd. 5, 51911. Kapitel

11. Kapitel

Kaiser Otto II.

(973–983)

»Pallida mors Sarracenorum« – bleicher Tod derSarazenen.

Otto I. Bischof von Freising1

»Glücklich war seine Jugend, jedoch am Endedes Lebens Suchte ihn Unglück heim, da schwerwir alle gesündigt.«

Thietmar von Merseburg2

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4.932 Deschner Bd. 5, 521Kleriker in Herrschernähe

Kleriker in Herrschernähe

Otto II. wurde im Jahr der großen Ungarnvernichtungam Lech sowie, noch im selben Herbst, des großenSlawengemetzels als viertes Kind Ottos I. (und seinerzweiten Frau Adelheid) geboren, wurde sechsjährig961 in Aachen zum König, zwölfjährig 967 in Romzum Mitkaiser gekrönt. Der Kapellan Folkold, seit969 Bischof von Meißen, und der St. Galler MönchEkkehard II. erzogen ihn. Und sicher haben, nebender frommen Mutter, auch sein Onkel, ErzbischofBrun von Köln, und sein Bruder, der außerehelicheälteste Kaisersohn Erzbischof Wilhelm von Mainz(für Bestechung alles!), auf den Prinzen gewirkt.Zumal dem Bischof Wilhelm wurde während Ottos I.Abwesenheit 961 und 966 der Thronfolger ausdrük-klich »zum Schutz und zur Erziehung« anvertraut(Adalberti continuatio Reginonis).

Kein Wunder, daß die Zeitgenossen Ottos Fröm-migkeit loben, daß ihn Thietmar geradezu »maßlos infrommen Werken« nennt. So schenkte er dem BischofGiselher von Merseburg, einem seiner Günstlinge,»erstens die Abtei Pöhlde, dann die Burg Zwenkaumit allem Zubehör zum Dienste für St. Johannes denTäufer; ferner überließ er ihm das gesamte, von derMauer umschlossene Ortsgebiet Merseburgs samt

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4.933 Deschner Bd. 5, 522Kleriker in Herrschernähe

Juden, Kaufleuten und Münze, ferner einen Forst zwi-schen Saale und Mulde bzw. zwischen den GauenSiusuli und Pleißnerland; ferner Kohren, Nerchau,Pausitz, Taucha, Portitz und Gundorf; das alles bestä-tigt er durch eigenhändig vollzogene Urkunden«.

Der Bischof Giselher, »ein stets auf Emporkommenerpichter Krämer« (mercenarius, ad maiora sempertendens), konnte dies natürlich brauchen. Und umErzbischof zu werden, berichtet Thietmar wieder,»bestach er mit Geld alle Fürsten, besonders die römi-schen Richter, denen stets alles käuflich ist ...«

Erheblichen Einfluß auf den rex iunior gewann seinjahrelanger Ratgeber, der intrigante Bischof DietrichI. von Metz; als Schwestersohn der Königin Mathildeund Vetter Ottos I. wie Erzbischof Bruns, die ihnbeide zum Oberhirten machten, gleichfalls ein Mit-glied des kaiserlichen Hauses und (ebenfalls) im Rufekolossaler Geldgier stehend. Bischof Thietmar mel-det, der Metzer Kirchenfürst sei von Erzbischof Gi-selher für »1000 Pfund Gold und Silber ... für dieVerdunkelung der Wahrheit« bestochen worden. DerKaiser selbst ließ ihm wohl nicht nur »scherzhaft«sagen: »Gott sättige dich im Jenseits mit Gold, wirhier können es alle nicht!« Freilich vermehrte er auchdie Gnadenfülle seiner Bischofsstadt durch einen im-posanten Reliquienfond, den er eigens aus Italientransferierte, wo heilige Knochen zu den edelsten Bo-

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4.934 Deschner Bd. 5, 523Kleriker in Herrschernähe

denschätzen zählen.Beträchtlichen Einfluß auf Otto II. übte Erzbischof

Willigis von Mainz aus (975–1011), der als OttosErzkapellan und Erzkanzler für Deutschland amtierte,wo er noch heute als Heiliger verehrt wird, nicht zu-letzt in Mainz.

Gewicht in der Regierung hatte auch, zumal seitder fast völligen Ausschaltung der Luitpoldinger, Bi-schof Hildibald von Worms, seit Herbst 977 Leiterder deutschen Königskanzlei; ein Amt, das er als er-ster Kanzler auch nach der Ernennung zum Oberhir-ten bis zu seinem Tod behielt. Dabei veranlaßte er zu-gunsten seiner episkopalen Macht, zur Sicherung undErweiterung verschiedener Besitz- und Rechtstitel desBistums, »die Fälschung oder Verfälschung von 18Königsurkunden des 7.–10. Jahrhunderts« (Seibert).Und wie Erzbischof Willigis, ist auch dieser versierteSeelenhirte dann viele Jahre an der Vormundschafts-regierung für den Sohn und Nachfolger beteiligt. (UndBischof Burchard von Worms, einer »der bedeutend-sten Kanonisten des Frühmittelalters« [Lexikon fürTheologie und Kirche], hat dann diese »Fälschungs-aktivität« [Landau] mit »skrupelloser Feder« [Seckel]fortgesetzt.)

Eine Rolle am Hof Ottos II. spielten u.a. BischofHugo von Würzburg (983–990), ein Mitglied der kai-serlichen Kapelle, gelegentlich auch der hochadelige

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4.935 Deschner Bd. 5, 523Kleriker in Herrschernähe

Abt Adso von Montier-en-Der (später als Verfassereiner Schrift über das Kommen des Antichrist be-kannt geworden) sowie der gelehrte Gerbert von Au-rillac, Abt, Erzbischof und schließlich Papst (Silve-ster II.).3

So setzte der Sohn, wenn auch mit geringerer»Kraft«, die Politik, besonders die Kirchenpolitik, desVaters fort, nicht zuletzt im Osten und Norden, undhatte die Bischöfe fast geschlossen hinter sich. In Ita-lien aber ging er noch über den von Otto I. gestecktenRahmen hinaus, beabsichtigte er doch von Anfang an,auch den Süden des Landes zu erobern, um es ganz zubeherrschen.4

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4.936 Deschner Bd. 5, 524Kriege um Bayern und Böhmen

Kriege um Bayern und Böhmen

Geschah der Regierungsantritt auch noch reibungslos,erging es dem neuen Herrn doch bald wie dem alten.Immerhin sieben Jahre mußte sich Otto II. zunächststarker Gegenspieler im Inneren erwehren, besonderswieder aus dem christlichen Verwandtenkreis, vorallem Heinrichs II. von Bayern (955–976, 985–995).

Der Herzog, dessen Beiname der Zänker (rixosus)erst in der Neuzeit belegt ist, war ein Neffe Ottos I.,also ein Vetter Ottos II. Und war sein Vater HeinrichI. von Bayern einst der gefährlichste Gegner Ottos I.,seines Bruders, in dessen frühen Regierungsjahren, sowurde der Sohn, Heinrich der Zänker, bald der gefähr-lichste innenpolitische Kontrahent Ottos II. DieMacht des ehrgeizigen Bayern war offenbar enorm.Sie reichte von der sogenannten Nordmark, der heuti-gen Oberpfalz, über das bayerische Kerngebiet umIsar, Inn und Donau, über die Ostmark, das heutigeÖsterreich, bis zu den italienischen Marken Aquileiaund Istrien.

Die Gründe für Heinrichs Erhebung sind nichtganz klar; aber Rivalitätsmotive, Machtgier, Herr-schaftserweiterung, Regentschaftsträume, Bedro-hungsgefühle standen dahinter. Die Empörung(974–977) fand Rückhalt vor allem bei den übrigen

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Luitpoldingern, griff rasch auf Schwaben und Lotha-ringien aus, ja noch auf Böhmen und Polen. Dabeitraten die bayerischen Bischöfe Abraham von Frei-sing und zwei leibhaftige Heilige, der hl. Wolfgang,Bischof von Regensburg, und der hl. Alboin, Bischofvon Brixen, auf die Seite des Rebellen. (Und aus demSohn des Zänkers machte der hl. Wolfgang, Erzieherder Herzogskinder, einen weiteren, sogar besondersherrlichen Heiligen, dem wir leider erst im nächstenBand begegnen werden: den hl. Kaiser Heinrich II.)Aber auch die Bischöfe von Trier, Metz und Magde-burg hielten es mit dem Bayern. Haben doch geradeBischöfe »immer wieder in der Ottonenzeit die Parteider Aufständischen ergriffen«, und zwar »in allerRegel Bischöfe ... aus vornehmsten Adelsfamilien«(Althoff/Keller).

Da das Komplott verraten wurde, kam Heinrichnach Ingelheim in Haft. Anfang des Jahres 976 floh ernach Regensburg, das Otto II., nach diversen militäri-schen Zusammenstößen im Bayerischen, noch im sel-ben Sommer einnahm, während die in seinem Heerkämpfenden Bischöfe den Zänker nebst Anhang ex-kommunizierten, er selbst aber nach Böhmen entkam.

Denn auch im Osten standen gut katholische Für-sten gegen den gut katholischen Kaiser. So der PoleMieszko I., der seit seiner Taufe die Mission eifriggefördert und damit »den Anschluß an das christliche

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4.938 Deschner Bd. 5, 525Kriege um Bayern und Böhmen

Europa« (Lübke) vollzogen hatte. Mit ihm Schulteran Schulter: sein Schwager Boleslav II., anders alssein Vater Boleslav I. der »Grausame« (S. 404 ff.)mit dem Beinamen »der Fromme« geschmückt (967[973?]-999); ein eifriger Förderer des Klerus, Erbauerund Ausstatter von angeblich 20 Kirchen, mehrerenKlöstern, auch von jenem Nonnenhaus, in dem seineSchwester Milada unter dem Namen Maria Äbtissinwurde. Der Prager Domdechant Cosmas (gest. 1125)sah in seiner »Chronica Boemorum«, der ersten böh-mischen Chronik, in Boleslav II., dem Rebellen gegenden christlichen Kaiser, geradezu »die wahre undreine Christusliebe« glühen. »Alles, was Gerechtig-keit, den katholischen Glauben, die christliche Religi-on betraf, dessen nahm er sich mit Feuereifer an.«5

Mit Feuereifer aber attackierte auch Otto II. den inChristusliebe erglühten Tschechenfürsten, den Bun-desgenossen des rebellischen Zänkers, in drei Feldzü-gen. Er verwüstete Böhmen 975 und 976, vermochtejedoch, trotz eines starken Heeres »gegen die beidengar nichts«. Im Gegenteil, ein großer bayerischerHilfstrupp wurde auf dem Anmarsch zu Ottos Unter-stützung, denn Bayern war wieder einmal gespalten,in einem Lager bei Pilsen vernichtet. »Die Baiern wu-schen sich am Abend, ohne sich durch Wachen zu si-chern. Schon war der gepanzerte Gegner da, strecktedie ihm nackt entgegen Laufenden in ihren Zelten und

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auf den Wiesen nieder und kehrte mit aller Beute frohund unbeeinträchtigt heim« (Thietmar).

Während der Kaiser in Böhmen operierte, nutzteder Zänker die Zeit in Bayern und es kam zu dem»Aufstand der drei Heinriche«, dem sich sogar mäch-tige Sachsen anschlossen, wie Markgraf Gunther vonMerseburg und Graf Dedi von Wettin. Heinrich vonBayern okkupierte jetzt das für die Verbindung nachBöhmen bedeutsame bischöfliche Passau. Es geschahgemeinsam mit dem gerade erst 976 von Otto zumHerzog von Kärnten erhobenen und ihn nun schnödbekriegenden Heinrich dem Jüngeren, dem Sohn Her-zog Bertholds aus der einflußreichen Luitpoldinger-sippe. Und der dritte Heinrich, der gleichfalls luitpol-dingische Bischof Heinrich I. von Augsburg, sicherteunterdessen die Donaustraße, vor allem durch die Be-setzung des strategisch wichtigen Neuburg.

Erst im August 977 konnte Otto auf einem drittenKriegszug Böhmen unterwerfen, im September auchPassau erobern. Er ließ es zerstören und auf demMagdeburger Hoftag im Frühjahr 978 die drei Heinri-che verbannen. Der Zänker kam nach Utrecht zu Bi-schof Folkmar, zuvor Ottos II. Kanzler, und bliebdort bis zum Tod des Kaisers. Dann ließ ihn der Bi-schof frei und schloß sich ihm an. Auch Herzog Hein-rich III. der Jüngere von Kärnten wurde fünf Jahrehinter Schloß und Riegel gebracht, dagegen der Dritte

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im Bunde, Bischof Heinrich von Augsburg, nur etwavier Monate in Werden verwahrt. Den Zänker aberhatte der Kaiser nicht nur abgesetzt, er hatte inzwi-schen auch rigoros das Herzogtum beschnitten, näm-lich Kärnten sowie die seit 952 zu Bayern gehörendenGebiete südlich der Alpen davon getrennt, die ober-italischen Marken Friaul, Istrien Aquileia, Verona,Trient, die zu Kärnten gekommen waren.6

Im übrigen ging es mit Krieg im Osten weiter.Der polnische Staat, um die Mitte des 10. Jahrhun-

derts entstanden (S. 461 f.), dehnte sich aus und nahmes offenbar mit seinen »Verpflichtungen« so weniggenau wie die Slawen zwischen Elbe und Oder. Des-halb stellte Otto durch einen Feldzug 979 nicht nurderen Abhängigkeit wieder her, sondern nötigte auchdie Polen zu erneutem Tribut. Als Katholik MieszkoI. freilich nach dem Tod seiner böhmischen Frau Do-brawa (977) die hochadelige sächsische Nonne Odaaus dem Kloster heraus heiratete, war dies zwar zu-nächst verdrießlich für Bischof Hildiward von Hal-berstadt, doch zweifellos zum Vorteil für die weitereVerbreitung der Frohen Botschaft in Polen. Immerhinverfügte Mieszko, der »König des Nordens«, übereine Gefolgschaft von 3000 Gepanzerten. Und wäh-rend sich nun die deutsche und polnische Seite immernäher kamen, erkalteten gleichzeitig Polens Beziehun-gen zu Böhmen, ja es kam zwischen den zwei katholi-

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schen Ländern zu schweren Auseinandersetzungen,wobei Mieszko Schlesien größtenteils und Kleinpolenganz erobert hat.7

Militärische Konflikte gab es auch im Westen.

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4.942 Deschner Bd. 5, 527Krieg um Lotharingien

Krieg um Lotharingien

Einst hatte dort Otto I. seinen Bruder Brun, den Köl-ner Erzbischof, zum Herzog gemacht und dieser diedortigen Bischofsstühle mit seinen Schülern besetztund auch derart das unsichere Grenzland an das deut-sche Reich gebunden.

Die bischöflichen Kirchen, auch in Lotharingienseit langem reich, wurden jetzt noch reicher und unab-hängiger durch die sächsischen Kaiser, die sich gegendie Ansprüche der weltlichen Großen auf die Prälatenstützten. Dies führte dazu, »daß sie den Bischöfenund Äbten manches bis dahin den Grafen vorbehalte-ne Recht anvertrauten oder ihnen seine Wahrnehmungohne besondere Bewilligung überließen. So gibt esfast keine genauen Angaben über die Übertragung desRechts zur Münzprägung, und doch hatten die Bi-schöfe in den letzten Jahrzehnten des 10. Jhs. Münz-werkstätten in Händen und ließen ihren Kopf undihren Namen auf den Geldstücken anbringen. MancheAbgaben vom Handel, auch die Einsetzung eines vonihnen gewählten Grafen, werden ihnen überlassen ...Schließlich überhäuften die Kaiser die Prälaten mitGütern, sie schenken ihnen Pfalzen, Wälder, Jagd-recht, ja sogar ganze Grafschaften. Im Verlauf einesJahrhunderts, von 950 bis 1050, verwandeln sich die

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Bistümer in autonome Fürstentümer, deren alleinigeHerren die Prälaten sind. In manchen Fällen kamen sostattliche Territorien zusammen und ließen in Lothrin-gen das entstehen, was die Geschichte mit ›Trois-Evê-chés‹ (Drei Bistümer) bezeichnet« (Parisse).

Nach dem Tod Bruns 965 blieb sein Herzogtumunbesetzt, bis es Otto II. 977 dem westfränkischenKarolinger Karl verlieh, dem jüngeren Bruder desfranzösischen Königs Lothar (954–986).

Karl, in der rein männlichen Linie der vorletzteNachfahre Karls »des Großen«, väterlicherseits alsoder Karolinger-, mütterlicherseits aber der Ottonendy-nastie entstammend, war ein jüngerer Sohn KönigLudwigs IV. von Frankreich und seiner Gattin Ger-berga, der Schwester Ottos I., und durch seinen Bru-der Lothar in vieler Hinsicht benachteiligt. Seinerseitshatte er allerdings dessen Gattin Emma, eine erstehe-liche Tochter der Kaiserin Adelheid, schwer beleidigt,sie nämlich des Ehebruchs mit Lothars einstigemKanzler, dem Bischof Adalbero von Laon, bezichtigt(einem Neffen des Erzbischofs Adalbero von Reims).Und seit Karls Ernennung zum Herzog von Niederlo-tharingien (977–991) fürchtete Lothar wohl die Riva-lität des unglücklichen Bruders, dieses traurigen Op-fers dauernden Machtgerangels zwischen dem franzö-sischen und deutschen Königtum; er mußte sie be-drohlich finden, zumal der durch ihn – gegen die ka-

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rolingische Tradition – vom Thron ausgeschlossene,überdies mit keinerlei Besitz ausgestattete Karl An-spruch auf die französische Krone erhob.

Als daher Otto 977 das vakante Herzogtum Nieder-lotharingien Karl gab, provozierte er den mit seinemBruder zerstrittenen König Lothar, der darauf eineRückeroberung Lotharingiens unternahm. Schon Lo-thars Name hatte programmatische Bedeutung, schonsein Vater, König Ludwig IV., nicht zufällig mit derlotharingischen Herzogswitwe Gerberga verheiratet,939 Lotharingien militärisch zurückzugewinnen ver-sucht, überhaupt das westfränkische Königtum seinenAnspruch auf Lotharingien nie aufgegeben. Blitzartigfiel dort Lothar im Juni 978 mit starken Kräften einund stieß, unterstützt von Herzog Hugo Capet, bisAachen vor, wobei ihm ein Handstreich auf seinenSchwager Otto II., der gerade in der Pfalz weilte,knapp mißlang.

Mönchschronist Richer von Reims schildert als un-mittelbarer Zeitzeuge den Überfall in seinem fürFrankreichs Geschichte im ausgehenden 10. Jahrhun-dert wichtigen Werk (lediglich in dem Autograph desAutors tradiert und erst im 19. Jahrhundert in Bam-berg wieder entdeckt): »Die königlichen Tische wur-den umgeworfen, die Speisevorräte von den Troß-knechten geplündert, die königlichen Insignien ausden inneren Räumen geraubt und fortgetragen. Den

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eisernen Adler, der auf dem Giebel der Pfalz von Karldem Großen in fliegender Stellung aufgerichtet wor-den war, drehten sie nach Osten, denn die Germanenhatten ihn nach Westen gedreht, um so auf feine Artanzuzeigen, daß die Gallier durch seinen Flug einmalbesiegt werden könnten.«

Nur durch Flucht entging Otto II. der Gefangen-schaft. Im Herbst 978 aber drang er im Gegenangriffmit einem Heer vor, in dem nicht nur Herzog Karlvon Niederlotharingien, sondern auch wieder einwirklicher Heiliger, der hl. Wolfgang, kämpfte – aus-gebildet an der Reichenauer Kloster-, an der Würz-burger Domschule; durch den Helden von Augsburg,Bischof Ulrich, Priester; auf Veranlassung vor allemdes großen Urkundenfälschers Bischof Pilgrim seitJanuar 973 Bischof von Regensburg; 1052 heiligge-sprochen: Patron der Holzhauer, Zimmerleute, Hirten,Schiffer, Helfer bei Augen-, Fußleiden, Kreuzweh,doch auch »allgemeiner« Nothelfer. Als »Wolfgangs-Medaillen« vertrieb man später gern am Rosenkranzgetragene Beile, die sogenannte Wolfgangshacke,»daher auch die Hackelbruderschaften«. Zu Lebzeitenförderte er »Frömmigkeit und Sittlichkeit des Vol-kes«, setzte überhaupt als Bischof »das strenge Lebendes Mönchs fort; seine Zeit teilte er zwischen Gebet,Amtsarbeiten und Studium« (Lexikon für Theologieund Kirche) – und gelegentlichen kleinen Kriegszü-

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gen, wie eben damals wider die bösen Westfranken(Franzosen).

Der Magdeburger Kanoniker und emsige Missions-erzbischof Brun von Querfurt verurteilte allerdingsunter dem Eindruck der Cluniazensischen Reformenwie persönlicher Animositäten den Überfall des Kö-nigs auf Frankreich und schrieb: »Es wäre besser, eif-rig die Heiden zu bekämpfen, anstatt ein stattlichesHeer gegen die christlichen Brüder, die karolingi-schen Franken zu sammeln.« Ein katholischer Pazifistund Heiliger, wie er im Buch steht: »Vertrat das Prin-zip der friedlichen Überzeugungsmission, ohne denMissionskrieg rundweg abzulehnen« (Lexikon fürTheologie und Kirche).

Otto II. stieß im Herbst 978 bis fast nach Paris vor,»alles verwüstend und niederbrennend« (Thietmar),Kirchen und Klöster aber schonend. Ja, er beschenktesie und betete darin; zerstörte allerdings auch diealten karolingischen Pfalzen Attigny, Soissons undCompiègne, ein empfindlicher Verlust an Machtsub-stanz westlichen Königtums. Und ehe ihn der naheWinter, Nahrungsmangel, ausbrechende Krankheitenim November zum Rückzug zwangen, versammelte eralle Pfaffen seines Heeres auf dem Montmartre undließ sie noch ein Halleluja über die Stadt donnern.

Auch der hl. Wolfgang schrie seinerzeit mit, der soberedte Prediger eines lebendigen Evangeliums:

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»Sehet, das wirkt der Glaube, solche Früchte trägter.« Und als er beim ruhmreichen Rückzug über dieangeschwollene Aisne ins Wasser sprang, folgten ihmdie Seinen vor den nachsetzenden Franzosen. »Nie-mand kam dabei um das Leben«, melden Wetzer/Welte – fast ein Wunder. In Wirklichkeit freilich erlittder ottonische Troß hier eine Schlappe, die sich derfranzösischen Geschichtsschreibung gar zum Triumphverklärte, während die deutsche schrieb: »Der Kaiserkehrte mit Siegesruhm bedeckt heim ...« (Thietmar).Beide Seiten siegten – auch das kennen wir noch.

Karl, der Herzog von Niederlotharingien, versuchtedie Stunde zu nutzen und proklamierte sich 979 inLaon zum König, scheiterte indes wie immer, vorallem an den Machtstrukturen im Westfrankenreich,nicht zuletzt auch am Episkopat, der ihm u.a. seinVasallentum bei einem fremden Fürsten sowie seine»Mißheirat« vorhielt. König Lothar aber gab infolgeinnerer Schwierigkeiten bei einer persönlichen Begeg-nung mit Kaiser Otto im Mai 980 in Margut-sur-Chiers (bei Ivois) angeblich seine Ansprüche auf Lo-tharingien gänzlich auf. Doch bald nach Ottos Tod si-cherte er sich ein Faustpfand. Er besetzte 984 Verdunund wiederholte nach seiner Vertreibung die Beset-zung im nächsten Jahr.8

Auch der Kampf um den Thron ging weiter. Nochmehrmals griff Herzog Karl nach der Macht. Mag

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sein, daß er gelegentlich etwas extravagant vorging,wenn er etwa bei der Einnahme Cambrais – es bliebnicht unbezweifelt – sofort nach Verjagung der Gra-fen die teure Gattin rief, um mit ihr in rauschendenOrgien den Reichtum des Prälatenhofes zu verprassenund im bischöflichen Bett zu schlafen; aber so unge-wöhnlich war das ja wohl nicht.

Karls letzter Kraftakt, wobei er wiederholt auch Bi-schof Adalbero aus Laon verscheuchte, endete in ebendieser Festung, nachdem sich der Prälat in alter Pfaf-fenschläue mit Karl ausgesöhnt, mehr und mehr be-freundet und diesem »mit den heiligsten Eiden«(Glocker) seine Treue versichert hatte. Doch in derNacht nach dem Palmsonntag im März 991 lieferteBischof Adalbero die Festung samt Karl dessen da-maligem Gegenspieler, dem französischen KönigHugo Capet aus, der ihn nebst Familie in seinen Ker-ker nach Orléans warf, in dem Karl zu einem unbe-kannten Zeitpunkt gestorben ist.

Auch im Norden wurde Otto II. tätig.

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Krieg im Norden

Nach allen Himmelsrichtungen hatten die Franken ihrReich ausgedehnt, auch gegen Skandinavien hin. Alsbesonders markanter Punkt spielte dort der bedeuten-de Fernhandelsplatz Haithabu (Hedeby) im nördli-chen Schleswig in der Kriegsgeschichte immer wiedereine Rolle. Er lag auf dänischem Gebiet, wenn auchnicht weit von der Grenze zu den Sachsen, die ja einstauch nicht zu den Franken gehörten! Im Jahr 804hatte König Gudfred (Gøttrik) von Haithabu aus mitKarl »dem Großen« verhandelt, der jenseits der Elbestand und 808 und 810 wider jede Gewohnheit zweiVerteidigungskriege gegen den aggressiven Dänenführen mußte (IV 495).

Allerdings wollte auch dieser sich schützen und ar-beitete wohl schon am Danewerk (»Göttrikswall«,808 in schriftlichen Quellen genannt), an jener mäch-tigen, auch Haithabu berührenden Befestigung vomLangwalltyp, woran die Dänen vom 8. bis zum Endedes 12. Jahrhunderts bauten, um den Zugang nachJütland zwischen Nord- und Ostsee zu sperren; einVerteidigungssystem vor allem gegen Franken undDeutsche. So versuchte man im 9. Jahrhundert zu-nächst missionarisch vorzudringen, zumal durch denhl. Ansgar, den ersten Erzbischof von Hamburg-Bre-

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men (S. 470 ff.), der in Dänemark und Südschwedenmit Vorliebe an Fernhandelsplätzen wirkte, und soauch eine Kirche in Haithabu errichtete, die »denHandelsplatz zum bevorzugten Ziel christlicher Kauf-leute« machte (Riis).

Im 10. Jahrhundert rückte der Sieg Heinrichs I.über Gnuba 934 bei Haithabu die Grenze wieder einStück hinauf. Dann zwang Otto I. die Dänen, beidenen sich Deutschen- und Christenhaß verbanden,mit Gewalt zur Einführung der Frohen Botschaft. Undnoch an Ostern 973 ließ Harald Gormsson Blauzahn(S. 472 f.), der erste christliche Dänenkönig, demdeutschen Kaiser einen »Zins« zustellen, hatte aberdazu im nächsten Jahr offenbar keine Lust mehr. Eskam zu einem Aufstand, die Dänen fielen im Frühjahr974 im Bund mit dem Norweger Jarl Hákon, einemHeiden, in Nordalbingien ein. Otto schlug sie imHerbst zurück, stieß über das Danewerk am Nordrandder Mark bei Haithabu vor und errichtete jene Zwing-burg bei Schleswig, welche die Dänen 983 erstürmtenund zerstörten. War aber 974 die erste Folge der däni-schen Niederlage die weitere Ausbreitung der christli-chen Mission im Norden, nebst weiteren Tributleis-tungen, versteht sich, so lebte nach dem Sieg derDänen das Heidentum bei ihnen wieder auf. Die deut-schen Priester wurden aus dem Land gejagt, allesDeutschtum und Christentum ging jäh zugrunde.9

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Die gewaltige Slawenrevolte des Jahres 983, beider die Liutizen mit Hevellern, Redariern, Obodritensich erhoben, soll bezeichnenderweise von einer Ver-sammlung in der Tempelburg Rethra (Riedegost), woman den Kriegsgott Svarozic (bzw. Radogost) beson-ders verehrte, ausgegangen sein, dem Zentralheilig-tum (metropolis Sclavorum) aller nordwestslawischenStämme. Sie siedelten zwischen Elbe/Saale und Oder,wo sie vor den Ottonen die Autonomie genossen, bisOtto I. und sein Markgraf Gero ihre Fürsten beseitig-ten und sie durch ein Netz von Burgwarden und Kir-chen knechteten. In einem wütenden Sturm aber feg-ten sie nun ihre deutschen und christlichen Unterdrük-ker östlich der mittleren Elbe hinweg, zerstörten dieBischofssitze, mordeten, versprengten den Klerus undsicherten sich für eineinhalb Jahrhunderte ihre Unab-hängigkeit (1068 verheert dann Bischof Burchard vonHalberstadt das Liutizenland und raubt das in Rethraverehrte heilige Roß.)

Markgraf Thiedrich und Herzog Bernhard I. vonSachsen (973–1011), der 973 die Nachfolge seinesVaters Hermann Billung angetreten und durch Jahr-zehnte gegen Dänen und Slawen gekämpft, hatten dieMenschen im Nordosten unterjocht, ausgeraubt, auchdie Missionare sich nicht beliebter gemacht. SelbstBischof Thietmar, der doch die »Schandtaten« der»Empörer«, der »habgierigen Hunde« geißelt, eröffnet

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4.952 Deschner Bd. 5, 533Krieg im Norden

seine Schilderung des großen Slawenaufruhrs: »Völ-ker, die nach Annahme des Christentums unseren Kö-nigen und Kaisern zu Tribut und Diensten verpflichtetwaren, griffen, bedrückt durch die ÜberheblichkeitHerzog Dietrichs, in einmütigem Entschluß zu denWaffen.« Und bei seiner Erwähnung des Obodriten-überfalls auf die Burg Calbe an der Milde, wo dieSlawen auch das Laurentiuskloster niederbrannten,gesteht er, sie »setzten den Unsrigen wie flüchtigenHirschen nach, denn auf Grund unserer Missetaten(facinora) hatten wir Angst, sie aber guten Mut.«

Viel deutlicher noch läßt der trotz mancherlei Irrtü-mern wohlunterrichtete, reiche Quellen verwertendeund auch (geistliche) Augenzeugen heranziehendeDomherr Adam von Bremen (gest. vor 1085) die»Missetaten« der Christen erkennen. So notiert ernach Meldung eines großen Heidengemetzels unddem Angebot der Unterlegenen von 15000 Pfund Sil-ber: »Die Unseren kehrten triumphierend heim; vomChristentum aber war gar nicht die Rede. Die Siegerwaren nur auf Beute bedacht.«

Gleich darauf berichtet er ein Gespräch mit einem»höchst wahrhaften« Dänenkönig, offenbar mit SvenEstrithson, bei dessen Konferenzen mit ErzbischofAdalbert von Hamburg Domscholaster Adam zugegenwar, wobei er hörte, »daß die Slawenvölker ohneZweifel schon längst vorher hätten zum Christentum

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4.953 Deschner Bd. 5, 534Krieg im Norden

bekehrt werden können, wenn die Habsucht der Sach-sen dem nicht im Wege gestanden hätte; ›denn‹, sagteer, ›diesen steht der Sinn mehr nach der Zahlung derSteuern als nach Bekehrung der Heiden‹. Und dieElenden bedenken nicht, welcher Strafen sie sichdurch ihre Gier schuldig gemacht haben, da sie zuerstin Slavanien das Christentum aus Habsucht störten,dann die Unterworfenen durch ihre Grausamkeit zumAufstand zwangen und nun das Seelenheil derer, diezum Glauben kommen würden, unbeachtet lassen,weil sie von ihnen nichts weiter verlangen als Geld.«

Adam von Bremen erblickt in der Erhebung einGottesgericht, eine Züchtigung »unserer Ungerechtig-keit« und meint: »Denn in Wahrheit, wie wir, solange wir sündigen, uns von den Feinden überwundensehen, so werden wir, sobald wir uns bekehren, überunsere Feinde Sieger sein, und wenn wir von diesennur den Glauben forderten, so würden wir gewiß denFrieden haben und hätten zugleich auch das Heil jenerVölker begründet.«

Schon 980 war Bischof Dodilo von Brandenburgdurch seine Diözesanen erdrosselt worden. Nun, am29. Juni 983, zerstören die Liutizen das Bistum Ha-velberg, dessen Besatzung sie niedermachen, dessenKirchen sie ruinieren. Was ans Christentum erinnert,wird vernichtet. Drei Tage später stürmen sie Bran-denburg, wo schon zuvor Bischof Folkmar I. sich

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4.954 Deschner Bd. 5, 534Krieg im Norden

durch seine Flucht um das Martyrium bringt, dannauch, in letzter Minute, Markgraf Thiedrich samt sei-ner Mannschaft flieht. Der zurückgebliebene gerin-gere Klerus wird gefangen, zum Teil getötet, der Domverwüstet und ausgeraubt, die Leiche des von denSeinen strangulierten Dodilo, der beim Eintreiben derZehnten sich besonders verhaßt gemacht und schondrei Jahre im Grab lag, aus dem Sarg gerissen, ent-kleidet – »die habgierigen Hunde plünderten sie ausund warfen sie dann achtlos zurück. Alle Kostbarkei-ten der Kirche wurden geraubt und das Blut Vielerelendiglich vergossen. An Stelle Christi und seinesFischers, des hochwürdigsten Petrus, wurden fortanverschiedene Kulte teuflischen Aberglaubens gefeiert;und nicht nur Heiden, sondern auch Christen lobtendiese traurige Wendung!«10

Im Norden überschritt seinerzeit der ObodritenfürstMistui, ein Christ, dem auf allen Feldzügen der Ka-plan Avico zur Seite stand, die Elbe, stieß raubendund verheerend auf Hamburg vor, plünderte es undließ die Kathedrale samt der Stadt in Flammen auf-gehn. Und derlei »Kriegshandlungen« durch »getaufteFürsten« sollen seinerzeit »nichts Außergewöhnli-ches« (Friedmann) gewesen sein.

Doch geschah so Fürchterliches natürlich nichtohne allerhöchste Handreichung, buchstäblich. Unddies, ein phantastisches miraculum, erzählt unser Bi-

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4.955 Deschner Bd. 5, 535Krieg im Norden

schof, »sollte voller Andacht die gesamte Christenheitbeachten. Eine goldene Hand griff aus höheren Regio-nen herab, faßte mit ausgestreckten Fingern mitten indie Brände und zog sich, allen sichtbar, gefüllt wiederzurück. Staunend sahen es die Krieger, erschreckt undentsetzt Mistui.« Für Bischof Thietmar, kein Zweifel,ein himmlischer Rettungsakt zugunsten der Reliqui-en! »Gott hat auf diese Weise die Reliquien der Heili-gen ergriffen, in den Himmel aufgenommen, die Fein-de aber voller Schrecken in die Flucht getrieben« –obschon damals ja nur Christen flohen, Deutsche, vordem Slawenchristen Mistui, dem sich das Ganze,Wirklichkeit und Wunder, fatal auf den Magen bzw.das Gemüt schlug. Denn: »Später wurde Mistuiwahnsinnig und mußte in Ketten gelegt werden; alsman ihn mit Weihwasser besprengte, schrie er: ›Derhl. Laurentius verbrennt mich!‹ und starb jämmerlich,ohne die Freiheit wieder zu erlangen.«

Nachdem aber die Slawen zu Fuß und Roß undohne Verluste, »mit Hilfe ihrer Götter von Posaunen-bläsern geführt«, weithin gewütet hatten, ermanntensich die Christen. Der Magdeburger Erzbischof Gise-ler, der große Bestechungsspezialist (S. 521 f., 561f.), von den Liutizen besonders verabscheut, und Bi-schof Hildeward von Halberstadt vereinigten ihreHaudegen mit den Haufen des edlen MarkgrafenThiedrich und anderer gräflicher Spießgesellen. »Sie

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4.956 Deschner Bd. 5, 535Krieg im Norden

alle«, so Thietmar von Merseburg, »hörten am Sams-tagmorgen die Messe, stärkten Leib und Seele durchdas himmlische Sakrament, brachen in Vertrauen aufGott in die entgegenkommenden Feinde ein undstreckten sie nieder; nur wenige konnten auf einenHügel entkommen. Die Sieger lobten Gott, der sowunderbar ist in allen seinen Werken, und wieder be-währte sich das wahrhaftige Wort unseres LehrersPaulus: ›Es gibt weder Klugheit noch Tapferkeit nochRat wider den Herrn.‹«11

Indes, wenn dies Gemetzel an der Tanger (südlichvon Stendal) im August 983 auch die Slawen über dieElbe zurückwarf, die Sieger folgten ihnen nicht mehr.Schon anderntags kehrten sie »vollzählig bis auf dreifrohgemut heim« und von allen umjubelt, wie stetstriumphierende Schlächter. Ottos »des Großen« Er-oberung (sein »Grenzschutz und sein Missionswerk«:Hlawitschka) östlich der Elbe war verloren, die Elbedie Ostgrenze des Reiches. Und Otto II. kam dort lei-der nicht mehr zu »eigenen Aktivitäten« (Hlawitsch-ka). Auch weitere christliche Feldzüge – nach 983führte man fast jährlich wider die Liutizen Krieg – er-reichten nichts. Etwa 150 Jahre konnten die Elbsla-wen sich unabhängig entwickeln, erst gegen Mitte des12. Jahrhunderts kehrten die Bischöfe von Branden-burg und Havelberg auf ihre Stühle zurück.

Nur die nicht an der Erhebung beteiligten sorbi-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.957 Deschner Bd. 5, 536Krieg im Norden

schen Gebiete im Süden standen wie bisher unterdeutscher Herrschaft. Diese Sorben erschlugen dieMissionare nicht, aber verspotteten sie. Ihre Führer,gelegentlich sogar Könige genannt, ließen sich auchnicht, wie so häufig die der nordwestlichen Slawen,mit ihren Stämmen taufen. »Im Widerstand gegenDeutschtum und Christentum sind diese Slavenfürstenin den mittelelbischen Landen offenbar zugrunde ge-gangen; keine Quelle berichtet von ihren Nachkom-men« (Schlesinger).12

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4.958 Deschner Bd. 5, 536Capo di Colonne - die erste große Niederlage ...

Capo di Colonne – die erste große Niederlageder ottonischen Dynastie

In Italien ging es Otto, der dort das Engagement sei-nes Vaters noch gesteigert fortsetzen wollte, wohl vonvornherein um Angriff, Expansion. Doch als er imHerbst 980 in den Süden zog, geschah es, nach sei-nem Bekenntnis, vor allem des Kirchenbesitzeswegen, um entwendetes Kirchengut und von den Bi-schöfen verschleudertes wieder den Kirchen zurück-zugeben. Schon unterwegs beschenkte er Ordens-häuser und Bistümer, St. Gallen etwa, das BistumChur. Dann kamen die oberitalienischen Bischofssitzeund Klöster mit Vergabungen an die Reihe, zuletzt,von Rom aus, die weiter südlichen.13

Auch in der Heiligen Stadt stand nicht alles zumbesten.

Auf Johann XIII., der 967 den zwölfjährigen OttoII. zum Mitkaiser gekrönt, war Benedikt VI. gefolgt(973–974). Die kaiserliche Partei hatte ihn erwählt,Otto I. ihn bestätigt. Mit kirchlichen Mitteln versuch-te er, seine eigene Familie möglichst zu begünstigen,wurde aber im Juni 974, als ihn der Thronwechsel inDeutschland in Schwierigkeiten brachte, gestürzt undin den Kerker der Engelsburg gesperrt. Dort ließ ihnder neue Papst Bonifaz VII. (974, 984–985), von denKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.959 Deschner Bd. 5, 537Capo di Colonne - die erste große Niederlage ...

Zeitgenossen als »Monstrum« geschildert, durch denPriester Stephan und dessen Bruder erdrosseln. AusSpoleto war inzwischen der kaiserliche Missus GrafSikko herangerückt, Papst Bonifaz vor den erregtenRömern in die Engelsburg geflüchtet. Doch als Sikkosie stürmen ließ, konnte der Heilige Vater entkommenund über Süditalien nach Konstantinopel fliehen –nicht ohne den Kirchenschatz im Gepäck. Und nichtohne noch zweimal zurückzukehren.

Mittlerweile hatte man im Oktober, mit Billigungdes deutschen Vertreters, Papst Benedikt VII.(974–983) bestellt, einen römischen Adligen, mitFürst Alberich II. verwandt und Kaiser Otto weitge-hend gefügig, sowohl bei dessen Kirchenpolitik imOsten Deutschlands, als auch bei seinem antibyzanti-nischen Unterfangen im Süden. Dafür stützte ihn derHerrscher auch, zumal als Bonifaz VII., den Bene-dikt – eine seiner ersten Maßnahmen – aus der Kircheausgestoßen, sich im Sommer 980 wieder in Rom eta-blierte, ehe er, im folgenden Jahr erneut vertrieben,nach Konstantinopel entwich, um 984 noch einmalzurückzukehren, wohlversehen mit oströmischenWaffen und mit Gold (S. 554).14

Der junge Kaiser weilte vom Frühjahr bis Herbst981 mit Unterbrechungen in Rom, wo er sich ent-schloß, Sarazenen wie Byzantiner in Unteritalien zubekriegen und das ganze Land zu erobern.

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4.960 Deschner Bd. 5, 538Capo di Colonne - die erste große Niederlage ...

So mußte er für Nachschub seines Heeres sorgen.Er kommandierte ein gewaltiges Kontingent heran,vermutlich das bisher größte des deutschen Kaiser-tums. Bemerkenswerterweise bestand es hauptsäch-lich aus Verbänden deutscher Bischöfe und Äbte.Nach dem Aufgebotsbrief von 981 lieferten zum Bei-spiel u.a. die Abteien von Prüm, Hersfeld, Ellwangenund St. Gallen je 40 Panzerreiter, die Abteien vonLorsch und Weißenburg je 50, die von Fulda undReichenau je 60, die Bischöfe von Verdun, Lüttich,Würzburg ebenfalls je 60, die Bischöfe von Trier,Salzburg, Regensburg je 70, die von Mainz, Köln,Straßburg und Augsburg je 100 Panzerreiter. ZwölfÄbte erbrachten immerhin fast halb soviel Soldatenwie neunzehn Oberhirten. Insgesamt stellten in die-sem Gesamtanschlag die Jünger des Herrn Jesus, diePrediger der Feindesliebe, die Erzbischöfe, Bischöfeund Äbte 1482 Panzerreiter, die sogenannten weltli-chen Herren nur 508! Doch liegt mit diesem undatier-ten Verzeichnis offenbar nur eine Nachforderung desKaisers vor.15

In Süditalien verfocht Otto II. ausdrücklich kirchli-che Ansprüche. Gegenpapst Bonifaz VII. hatte sichauf oströmisches Terrain geflüchtet, der Papst in Romden Kaiser unterstützt, indem er etwa Salerno zumErzbistum erhob und ihm ein weit in byzantinischesGebiet reichendes Territorium zusprach. Ebenso ver-

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4.961 Deschner Bd. 5, 538Capo di Colonne - die erste große Niederlage ...

hielt es sich mit der Erhebung der Diözese Trani zumErzbistum. Ja, noch in Dalmatien soll der Papst gegenByzanz agitiert und Dubrovnik als eigenes Erzbistumder griechischen Kirche entzogen und unter römischeObödienz gestellt haben.

Anscheinend hat Otto erst in Rom den Krieg be-schlossen und dann die 2100 Panzerreiter von geistli-chen und weltlichen Großen zur Verstärkung angefor-dert. Während er bis Kalabrien vordrang, verhieltensich die byzantinischen Besatzungen neutral, öffnetendem Kaiser aber nicht die Tore. Doch der Emir vonSizilien, Abul Kasim, der bereits Eroberungen in Ka-labrien und Apulien gemacht, rief zum heiligen Kriegauf und trat Mitte Juli 982 mit einer gewaltigen, aufsFestland geworfenen Streitmacht am Capo di Co-lonne, südlich von Cotrone, den Deutschen entgegen.»Hüben wie drüben war der Sinn der Kämpfer auf dasJenseits gerichtet« (Uhlirz).

Die kaiserlichen Panzerreiter zerschmetterten im er-sten Ansturm die Schlachtreihen der Sarazenen, zer-sprengten sie, der Emir selbst fiel unter einemSchwertschlag und wurde als heiliger Märtyrer ver-ehrt. Doch während die Christen nach großen An-fangserfolgen und im Glauben, den Sieg schon errun-gen zu haben, auf dem Kampfplatz sich zu lagern undihren Triumph zu feiern gedachten, brachen die Mos-lems, verstärkt durch Reserven, aus den Bergen her-

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4.962 Deschner Bd. 5, 539Capo di Colonne - die erste große Niederlage ...

vor, drängten die Deutschen gegen das Meer, schlach-teten sie ab, töteten einen Teil auch ihrer Führer, meh-rere Herzöge, ein Dutzend Grafen, nahmen einen an-dern Teil gefangen, darunter Bischof Petrus von Ver-celli, der jahrelang in arabischem Gewahrsam blieb,erbeuteten noch die Reliquienschreine und ließen4000 tote Christen auf der Walstatt. Andere gingenfliehend vor Durst und Erschöpfung zugrunde. »Fastjedes deutsche Totenbuch erinnert durch eine Eintra-gung an einen Verlust in der unseligen Schlacht«(C.M. Hartmann).

Es war die erste große Niederlage der ottonischenDynastie. Fast das ganze deutsche Heer kam um.»Gott weiß ihre Namen« (Thietmar). Auch BischofHeinrich von Augsburg, der kurz zuvor, vermutlichim Gefolge des Kaisers, eine Bußwallfahrt nach Romgemacht, fiel zwischen seinen Panzerreitern. Otto ret-tete sich aus dem Inferno im letzten Augenblickschwimmend auf ein vorüberfahrendes byzantinischesSchiff, von dem er sich später, durch eine List,schwimmend wieder in Sicherheit brachte – undbekam kurioserweise durch den Bischof Otto vonFreising das renommistische Epitheton »Pallida morsSarracenorum« (bleicher Tod der Sarazenen), das bistief in die Neuzeit sein Beiname blieb.

Kaiser Otto, der seit 982 zuweilen den Titel impe-rator Romanorum augustus gebrauchte, dachte gleich-

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4.963 Deschner Bd. 5, 539Capo di Colonne - die erste große Niederlage ...

wohl bald an einen Rachezug. Noch auf dem Rück-weg gewährte er, wohl nicht zuletzt deshalb, dem Erz-bischof von Salerno große Vergünstigungen, ebensoprivilegierte er damals mehrere süditalienische Klö-ster. Freilich bedurfte ein solcher Krieg gründlicherVorbereitung, und die deutschen Fürsten waren denkaiserlichen Plänen nach dem Fiasko nicht sehr gewo-gen. Zudem wurden sie durch Dänen und Slawen be-drängt.

Dennoch besprach man bereits ein Jahr später, imFrühsommer 983, auf einem Reichstag in Verona, alsdeutsche und italienische Magnaten Ottos dreijähri-gen Sohn zu seinem Nachfolger wählten, neue Trup-penaufgebote und beschloß einen weiteren Angriff.

Im Hochsommer 983 drang der Kaiser bis Barivor, hatte aber keine nennenswerten Erfolge. Im Sep-tember war er schon wieder, anscheinend malaria-krank, in Rom. Und dort starb er plötzlich, nach Ab-legung der Beichte und Empfang der Sterbesakramen-te, erst 28 Jahre alt, am 7. Dezember 983 in denArmen seiner Frau. Die Todesursache ist nicht völliggeklärt. Offenbar erlag er einem Fieber, wohl Malaria.Eine Quelle spricht von dauerndem Darmbluten infol-ge einer Medikamentenüberdosis, einer Gewaltkurvielleicht gegen die Krankheit.

Als einziger deutscher Kaiser wurde Otto II. in derVorhalle von St. Peter beigesetzt, nach sieben Jahr-

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4.964 Deschner Bd. 5, 540Capo di Colonne - die erste große Niederlage ...

hunderten aber sein Grab beim Neuaufbau der Basili-ka vernichtet. Zwar erhielt er einen anderen Sarg,doch die antike Urne überließ man »grabschänderischden Köchen des Quirinals zum gemeinen Gebraucheines Wasserbehälters« (Gregorovius).16

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4.965 Deschner Bd. 5, 54112. Kapitel

12. Kapitel

Kaiser Otto III.

(983–1002)

»Die Missionsarbeit war zu sehr mit politischenZielen verquickt, als daß sie bei den Wendenhätte großen Anklang finden können. Als daherdie Ljutizen 983 den großen Aufstand entfessel-ten, brach jenseits der Elbe das aufgebautekirchliche Werk mit den Diözesen Havelberg,Brandenburg und Oldenburg gänzlich zusam-men.«

Handbuch der Kirchengeschichte1

»Jahrelang zieht der Königsknabe, z.T. noch inder Kindersänfte getragen, ins Feld.«

Johannes Fried2

»Unablässig sucht der König die Slawen mitheftigen Feldzügen heim.«

Thietmar von Merseburg3

»Die kaiserliche Schutzpflicht gegenüber der rö-mischen Kirche war für Otto III. zweifellos einehöchst reale Aufgabe, und er setzte die Macht-mittel des Imperium in bisher ungekannter Kon-

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4.966 Deschner Bd. 5, 54112. Kapitel

sequenz für die Verteidigung der libertas derrömischen Kirche gegen die Übergriffe weltli-cher Machthaber in Rom ein.«

Knut Görich4

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4.967 Deschner Bd. 5, 54312. Kapitel

Schon zu seiner Zeit hat man ihm den Ehrennamen»Mirabilia mundi«, Wunder der Welt, zugedacht, ihnnoch im 20. Jahrhundert als »Jüngling im Sternen-mantel« (G. Bäumer) verklärt. In der Geschichts-schreibung schwankt sein Charakter- und Tatenbild.Doch ob Otto III. nun ein verführter Schwächlingoder ein frühreifes Genie, ein phantastischer Träumeroder mehr »pragmatisch« orientiert, ein Freund fester»Regierungskonzepte« war oder nicht, ob »deutsch«oder »undeutsch«, ein Verächter sächsischer Rohheitund Bewunderer byzantinischen Geistes, ob mehr demweltflüchtigen Asketismus des Eremiten zugeneigtoder der sensiblen Spiritualität eines wie immer »ge-hobenen« Glaubens, all dies interessiert hier wenig.Entscheidend dagegen ist – und durchaus nicht nur inunserem Rahmen –, daß auch Kaiser Otto III., beiallen Unterschieden im einzelnen zu seinen Vorgän-gern, allen Abweichungen und Andersartigkeiten, einBewahrer des Überlieferten, der »gottgewollten Ord-nung«, ein Begünstiger der Bischöfe durch eine Füllevon Privilegien und Besitzzuweisungen gewesen, einweiterer wesentlicher Mehrer reichskirchlicher Macht,ein Förderer des Imperium christianum, des christli-chen Europa, ein Potentat, der sich selbstverständlichals »defensor ecclesiae«, als Verfechter des Gottesrei-ches auf Erden fühlte, wobei er unübersehbar gewisse

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4.968 Deschner Bd. 5, 544Thronkonflikt durch Heinrich den Zänker und ...

karolingische wie ottonische Traditionen fortsetzteund seine Italien- wie vor allem seine Ostpolitik letzt-lich mehr der christlichen Kirche zugute kam als demdeutschen Reich.

Daß die alte Idee der »renovatio imperii Romano-rum«, der Neugründung der römischen Weltmacht,bei dem christgläubigen Otto III. nicht nur auf das an-tike Rom bezogen, sondern gewiß stark christlich ak-zentuiert, auch in den sozusagen heilsgeschichtlichenHorizont (den blauen – oder schwarzen – Dunst) hin-eingestellt war, sollte eigentlich nicht ernsthaft be-zweifelt werden, ob er selbst nun Weltherrscher oderHeiliger sein wollte oder beides zugleich. Allein ent-scheidend blieb, die Macht zu behalten, zu festigen,womöglich auszuweiten, mag das »Konzept« mehr sooder so orientiert gewesen sein – falls man eineshatte.

Thronkonflikt durch Heinrich den Zänker unddie Bischöfe

Die Nachricht vom Tod Ottos II. am 7. Dezember983 in Rom traf kurz nach Ottos III. Krönung anWeihnachten in Aachen ein (die Boten legten damalsdurchschnittlich 70 Kilometer pro Tag zurück) und»machte dem Freudenfest ein Ende« (Thietmar). Dar-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.969 Deschner Bd. 5, 545Thronkonflikt durch Heinrich den Zänker und ...

auf ging die Herrschaft formell auf den seinerzeit erstDreijährigen über, das letzte der vier Kinder, die OttoII. und Theophanu zusammen hatten. Als der Thron-folger 994 nach mittelalterlichem Recht mündigwurde, war er vierzehn, als er starb, 1002, noch nichtzweiundzwanzig.

Sofort nach seines Vaters Tod setzte der Streit umdie Regentschaft ein. Dabei erstrebte Herzog HeinrichII. von Bayern »der Zänker«, ein Neffe Ottos »desGroßen« und der nächste männliche Verwandte, nichtbloß die Regierungsgewalt, sondern auch die Krone.Und da Verträge nur inter vivos galten, beim Tod desVertragspartners endeten, hatte Bischof Volkmar vonUtrecht gleich anfangs 984 den Herzog aus der Haftentlassen und war mit ihm nach Köln geeilt. Dort lie-ferte ihnen Erzbischof Warin, dessen »zuverlässigerTreue« der kaiserliche Vater das Kind samt Krö-nungsinsignien einst anvertraute, dies offenbar ohnejedes Widerstreben aus. Und nun zog der Zänker, waszunächst seinen Erfolg wahrscheinlich überhaupt erstermöglichte, durch Versprechungen und Bestechun-gen zumindest zeitweilig alle deutschen Erzbischöfe –ausgenommen den Mainzer Willigis, der ihn als einzi-ger Reichsmetropolit nie unterstützt hat – sowie fastalle bayerischen, sächsischen und zahlreiche weitereBischöfe auf seine Seite.

Gerade in Sachsen nützte er die christlichen Hoch-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.970 Deschner Bd. 5, 545Thronkonflikt durch Heinrich den Zänker und ...

feste zu seiner Machtdemonstration. Nachdem er inMagdeburg, dessen Kirchenhaupt Giselher ihn förder-te, den Palmsonntag begangen, wurde er während desOsterfestes in Quedlinburg, am 23. März 984, »publi-ce« zum König gewählt; er wurde, berichtet Thietmar,wohl selbst seinerzeit dort, »öffentlich als König be-grüßt und durch kirchliche Lobgesänge ausgezeich-net«. Dagegen verbanden sich Heinrich nur wenigeweltliche Herren, darunter kein Herzog. Wohl abereilten viele, »die aus Gottesfurcht nicht treubrüchigwerden wollten«, von Quedlinburg nach der Assel-burg (bei Hohenassel südlich Burgdorf, Hannover)und taten sich da bereits – in Form einer coniuratio,eines Schwurverbandes (schon in karolingischen Ka-pitularien verboten) – offen gegen Heinrich zusam-men.

Der Obodritenherrscher Mistui freilich, der nochim Vorjahr während des großen Slawenaufstandes ander Seite seines katholischen Kaplans Avico den Bi-schofssitz Hamburg niederbrannte, trat im Thronkon-flikt auf Heinrichs Seite. Und auch die SlawenfürstenMieszko und Boleslav II., die Heinrich schon in densiebziger Jahren unterstützten (S. 524 f.), sichertenihm eidlich Beistand zu. Ja, Katholik Boleslav nutztedie Rebellion auf seine Weise. Auf dem Heimweg er-oberte er durch Verrat Meißen, ließ den BurggrafenRikdag »aus dem Hinterhalt erschlagen«, belegte die

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4.971 Deschner Bd. 5, 546Thronkonflikt durch Heinrich den Zänker und ...

Veste, in der er bald Wohnung nahm, sofort durcheine Besatzung und verjagte den Ortsbischof Fokold(969–992) für vermutlich zwei Jahre.

Der Aufstand scheiterte allerdings an der Einmi-schung der Metropoliten Willigis von Mainz undAdalbero von Reims. Und darauf schloß sich auchdas Gros der Oberhirten wieder dem siegreichen OttoIII. bzw. der vormundschaftlichen Regierung an.Sogar einer von Heinrichs hartnäckigsten Anhängern,Giselher von Magdeburg, der Ottos Vater doch seinenErzbischofssitz verdankte, wechselte jetzt wieder insandere Lager. Es gab Verhandlungen, Gefechte,Raubüberfälle, wobei man von Burg Ala (wohl naheden Silbergruben bei Goslar) Adelheid, die vermut-lich vom Zänker geraubte älteste Tochter Ottos II.,nachmals Äbtissin von Quedlinburg (dann auch vonGernrode, Vreden, Gandersheim) entführte »und dasviele dort bewahrte Geld« (Thietmar). Zuletzt abermußte sich Heinrich am 29. Juni 984 auf dem Reichs-tag zu Rara (im thüringischen Rohr) unterwerfen,Otto an Theophanu und Adelheid ausliefern unddamit auf die Krone verzichten.5

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4.972 Deschner Bd. 5, 546In der Hand frommer Frauen und des Klerus

In der Hand frommer Frauen und des Klerus

Da Adelheid, die Gattin Ottos I. und Rivalin Theo-phanus, noch 985 vom Hof nach Italien zog, führtedie Regentschaft für den unmündigen Thronfolgerüber sieben Jahre hin in bisher unüblicherweise des-sen junge, um 955 geborene Mutter Theophanu,wobei zwei Prälaten maßgeblich mitsprachen: Erzbi-schof Willigis und der Kanzler Bischof Hildibald vonWorms, der Fälscher von 18 Königsurkunden zu sei-nen Gunsten (S. 522).

Theophanus Abkunft ist nicht sicher geklärt. Ver-mutlich war sie die Tochter des byzantinischen Kai-sers Romanos II. Gewiß aber war sie politisch talen-tiert, ehrgeizig, sogar gebildet, auch fromm. Dement-sprechend widmete sie sich nach Ottos II. Tod 983der Erziehung ihres Sohnes. Zwei ihrer Töchter wur-den Nonnen, Sophie Äbtissin von Gandersheim (S.574 ff.), Adelheid Äbtissin von Quedlinburg, ihre En-kelin Theophanu Äbtissin von Essen. (Später machteOtto III. während seiner Anwesenheit in Italien [seit997] die Äbtissin Mathilde von Quedlinburg, seineTante, zu seiner Stellvertreterin in Sachsen.)

Ottos II. Witwe urkundete nicht nur gelegentlichals »Theophanu von Gottes Gnaden Kaiserin«, ja, mitdem maskulinisierten »Theophanius imperator augu-

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4.973 Deschner Bd. 5, 547In der Hand frommer Frauen und des Klerus

stus«, »Herr Kaiser Theophanius« (falls kein Kopi-sten-Irrtum vorliegt), sondern sie regierte jedenfallszunächst auch das Reich ziemlich straff. Natürlichwar sie vom hohen Klerus umgeben und auch derThronfolger in dessen Hand. 987 bestellte sie zumLehrer des Siebenjährigen ihren Günstling JohannesPhilagathos, einen Griechen aus Kalabrien, der durchOtto II. im Jahr 980 Kanzler von Italien, durch diekaiserliche Witwe 988 Erzbischof von Piacenzawurde, ein sehr selbstbewußter Prälat, der als Gegen-papst noch ein entsetzliches Schicksal hatte (S. 556ff.). Und 989 übertrug Theophanu Ottos Erziehungdem sächsischen Kapellan Bernward, dem späterenBischof von Hildesheim, einem das Kreuz wie dasSchwert gleichermaßen sicher handhabenden Heili-gen, der noch beträchtlichen Einfluß bei Hof bekam.

Nach dem unerwarteten Tod der jungen Kaiserin inNymwegen am 15. Juni 991 regierte bis zu OttosMündigkeit 994 seine mehr als sechzigjährige Groß-mutter Adelheid. Die verwandtschaftlich mit halb Eu-ropa verbundene Mutter Ottos II., Schwester KönigKonrads von Burgund und Schwiegermutter KönigLothars von Frankreich, »die Mutter der Königrei-che«, wie sie Gerbert von Aurillac nannte, war wiedersehr fromm und endete als Heilige (Fest 16. Dezem-ber). Selbst das Lexikon für Theologie und Kirchegibt (in der 1. Auflage von 1930) zu: »Unter dem

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4.974 Deschner Bd. 5, 548In der Hand frommer Frauen und des Klerus

Einfluß Adalberts von Magdeburg wirkte Adelheidbei Otto für die Machtstellung der Kirche.« (Die 3.Auflage von 1993 spricht nur noch von ihrem »politi-schen Einfluß«.) Von der Quedlinburger ÄbtissinMathilde unterstützt, bewies sie in der Tat weit mehrGeschick bei der Begünstigung des Klerus als bei derFührung der Reichsgeschäfte. Sie gründete zahlreicheKlöster und verschwendete das Königsgut mit wach-sender Frömmigkeit immer häufiger an Kirchen,denen sie gleich zu Beginn ihrer neuen Macht eineSchenkung nach der anderen zukommen ließ.

Allein die Abtei Selz (Unterelsaß), ihre Lieblings-stiftung, wo sie in ihren letzten Lebensjahren, ehe sie999 »froh in die ewige Heimat einging«, meist wohn-te, bekam in den drei Jahren ihrer Reichsverwesungzehn Höfe, sieben Hufen, drei Wälder, die Einkünftemehrerer Kirchen und Kapellen sowie Immunität,Wahlrecht, Markt, Münze, königlichen und päpstli-chen Schutz. So konnte Gott kaum umhin, »an ihremGrabe zahlreiche Wunder« zu wirken (Thietmar). Un-gefähr die Hälfte aller erhaltenen Schenkungsurkun-den Adelheids nennen Klöster als Empfänger. Auchsie selbst residierte nicht in Pavia, der alten langobar-dischen Königsstadt, sondern im Nonnenkloster SS.Salvator und Julia, vielleicht weil dessen Einkünfteund ausgedehnter Besitz als Basis für den Wiederauf-bau der Macht geeigneter waren. Die Herrin des Rei-

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ches stand unter dem Einfluß der cluniazensischenReform, war selbst eine Hauptstütze derselben undmit den Äbten Majolus und Odilo von Cluny (letzte-rer ihr Biograph) befreundet.

Nicht zu vergessen ist unter diesen kaiserlichenDamen Ottos I. gelegentlich schon erwähnte TochterMathilde, die der Vater bereits im Alter von 11 Jah-ren zur Quedlinburger Äbtissin machen ließ. Siespielte eine sehr politische Rolle besonders unterihrem Bruder Otto II., den sie auf Italienzügen beglei-tete, und unter Otto III., als dessen Stellvertreterin siein Sachsen fungierte.

Auf all diese dominae imperiales, zumal auf Theo-phanu und die hl. Adelheid, hatten ihre geistlichenBerater, vorzüglich Erzbischof und ReichserzkanzlerWilligis von Mainz, der jahrelang kaum von der Seitedes jungen Königs wich, sowie der Kanzler BischofHildibald von Worms, außerordentlichen Einfluß.Wie wenig sich etwa Willigis, vom Papst mit umfas-senden Vorrechten vor allen Erzbischöfen Germani-ens und Galliens ausgestattet, um Kaiserin Theopha-nu kümmerte, wenn es ihm nicht paßte, zeigt der so-genannte Gandersheimer Streit (S. 574 ff.). Es warzeitweise eher ein Klerus- als ein Weiberregiment;zumal in der ersten Jahreshälfte 993 scheinen die Bi-schöfe Willigis und Hildibald »das Reich allein ver-waltet zu haben« (Böhmer). Aber auch darüber hin-

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aus »hat die Bedeutung der beiden kirchlichen Regen-ten ... noch zugenommen«. Dagegen nahm insgesamt»das Ansehen des Königs während der Zeit der vor-mundschaftlichen Regierung mehr und mehr ab«(Glocker). Ist ja auch von anderen Prälaten, von HattoI. von Mainz (S. 345) oder im 11. Jahrhundert vonden Metropoliten Adalbert von Hamburg-Bremen undseinem Gegenspieler Anno II. von Köln zur Genügebekannt, »wie selbstherrlich und anmaßend die Bi-schöfe auftraten, denen so etwas wie die Reichsre-gentschaft anvertraut war« (Althoff), wobei sie mitun-ter die Führung der Reichsgeschäfte faktisch an sichrissen. – Auch Erzbischof Giselher von Magdeburghatte in den Jahren 991 bis 994 offenbar enge Kon-takte zum Hof.

Sogar bei mehr oder weniger selbständig regieren-den Potentaten spielte ihre nächste Umgebung in vie-ler Hinsicht eine maßgebliche Rolle, u.a. schon des-halb, weil ohne ihre Vermittlung niemand Zugangzum König bekam; seine Vertrauten konnten eine Un-terredung mit ihm ebenso gewähren wie verwehren.

Als Otto 994 die Mündigkeit erlangte, ging derEinfluß sowohl Adelheids als auch der beider Kir-chenfürsten Willigis und Hildibald, aus deren redu-zierten Interventionen erschließbar, erheblich zurück.Dafür förderte der junge Monarch allerdings anderePfaffen. So setzte er sofort den mit ihm früh befreun-

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4.977 Deschner Bd. 5, 550In der Hand frommer Frauen und des Klerus

deten Kapellan Heribert, Erzbischof von Köln(999–1021), als Kanzler in Italien ein. Vier Jahrespäter übernahm dieser – ein Zeichen von Ottos hoherWertschätzung – auch das deutsche Kanzleramt, am-tierte somit für das gesamte Imperium. 996 nominier-te Otto seinen Kapellan und Vetter Brun zum Papst,der darauf als Gregor V. den »Heiligen Stuhl« be-stieg.

Großes Ansehen bei dem jungen Herrscher genoßauch Bischof Leo von Vercelli (998–1026), derNachfolger seines von dem Markgrafen Arduin vonIvrea ermordeten Vorgängers Petrus. Leo, ein Italie-ner, war seit 996 Mitglied der Hofkapelle und, nebenGerbert, vielleicht der wichtigste politische BeraterOttos III., seit 1000 kaiserlicher Kanzler, wobei derBischof keinesfalls den eigenen Nutzen und die eige-ne Macht übersah, z.B. die Güter des Grafen Arduinund die seiner Anhänger kassierte.

Gewicht bei Hof hatte ferner der Lütticher BischofNotker, von Otto mit einigen Grafschaften beschenktund im königlichen Dienst zu mehreren Italienreisenherangezogen (989–990, 996, 998–1002). Häufig anRegierungsgeschäften und anderen Unternehmungendes Regenten beteiligt, auch Empfänger königlicherSchenkungen sowie Intervenient, ist der hochadligeHeinrich I. von Würzburg, der seinen Bischofsstuhlseinem (ablehnenden) Bruder und Kanzler Heribert

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4.978 Deschner Bd. 5, 550In der Hand frommer Frauen und des Klerus

verdankt, der dafür 999 Erzbischof von Köln wird(weitere Verwandte, vermutlich Neffen, sind die Bi-schöfe Heribert und Gezemann von Eichstätt).

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4.979 Deschner Bd. 5, 550Zwischen zwei Heiligen und einem künftigen ...

Zwischen zwei Heiligen und einem künftigenPapst

Wie Heinrich ist auch der schon genannte, aus sächsi-schem Hochadel stammende hl. Bernward ein typi-scher Repräsentant des ottonischen Reichsepiskopats;seit 987 in der Hofkapelle, seit 989 Erzieher Ottos,seit 993 Bischof von Hildesheim. (Auch in seiner Fa-milie häufen sich die hohen geistlichen Posten: OnkelFolkmar ist Bischof von Utrecht, ein weiterer Ver-wandter, Erchanbald, Erzbischof von Mainz, seineSchwester Judith ist Äbtissin des immedingischenHausstifts Ringelheim, seine Tante Rotgard Äbtissindes Reichsstiftes Hilwartshausen, eine weitere Ver-wandte, Frideruna, Äbtissin von Steterburg.)

Trotz diverser Erziehungs- und Regierungsgeschäf-te aber findet Bernward noch Zeit für die Hebung so-genannter Kirchenzucht, findet er Zeit, immerhin sie-ben Jahre (1000–1007), mit dem Erzbischof Willigisum das Kloster Gandersheim zu streiten und zu sie-gen (S. 576 ff.); findet er auch Zeit, Festungen zu er-richten (einen turmbewehrten Mauerring um seinenBischofssitz) sowie Burgen (Mundburg und Waren-holz). Und bei alldem führt er nicht nur die Feder fürOtto, sondern auch das Schwert: 994/995 gegen dieElbslawen, 1000/1001 vor Tivoli und beim Nieder-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.980 Deschner Bd. 5, 551Zwischen zwei Heiligen und einem künftigen ...

schlagen der stadtrömischen Revolte, ja, er nahm, ge-lernt ist gelernt, noch 1006/1007 an einem KriegszugHeinrichs II. des Heiligen teil, schlüpfte dann aber inseinem Todesjahr schnell in ein Mönchshabit, eineBenediktinerkutte – und wurde auch seinerseits heilig:am 21. Dezember 1192. Denn schließlich war er»überall segensreich«, »überall nur Streiter der heili-gen Kirche wegen« (Wetzer/Welte).

Sehr geprägt wurde Otto während seines römischenAufenthalts von dem gelehrten Gerbert von Aurillac,seinem Freund und Erzieher, dem der junge Kaiserkeinen Wunsch versagte. Infolge seiner herausragen-den Kenntnisse besonders auf den Gebieten der Na-turwissenschaften, Mathematik und Musik, infolgeeines wahrhaft phänomenalen Wissens, das er arabi-scher Kultur und Geisteswelt verdankte, war er bereitsOtto I. vorgestellt worden. 982 wurde Gerbert Abtdes norditalienischen Klosters Bobbio (der Preis fürseinen Disputationssieg in Ravenna im Jahr zuvorüber den sächsischen Domscholaster Ohtrich vor OttoII.). 991 avancierte Gerbert zum Erzbischof vonReims, wo er sich nicht halten konnte, sogar um seinLeben fürchten mußte. 998 wurde er Erzbischof vonRavenna, ein Jahr später, auf Anraten Abt Odilos vonCluny, Papst (Silvester II.).

Schon vor Ottos Kaiserkrönung war Gerbert imkaiserlichen Gefolge zu finden, »und, wie er bereits

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4.981 Deschner Bd. 5, 552Zwischen zwei Heiligen und einem künftigen ...

den alternden Otto I. für sich zu interessieren unddann auch durch seine dialektischen Künste sich dieeinträgliche Gunst Ottos II. zu erwerben gewußthatte, so verstand er auch jetzt den jungen Kaiserganz für sich einzunehmen« (Böhmer). Tag undNacht will er mit ihm gesprochen haben.

Auffallenden Einfluß gewann in Rom auf den Herr-scher auch der hl. Adalbert, ein Sohn des FürstenSlavnik von Libice, der bedeutendsten Familie Böh-mens nächst den Přemysliden. Adalbert wurde 983Bischof von Prag, bekämpfte aber vergeblich die pa-ganen Bräuche der Tschechen und machte sich wegenseiner Strenge verhaßt. 988 ging er nach Rom, wo ihnTheophanu mit Geschenken überhäufte, sollte er dochfür das Seelenheil ihres verstorbenen Gatten beten.Zwar nahm er 992 seinen Prager Stuhl wieder ein,zog indes nach dem Bruch mit Herzog Boleslav um994/995 nach Aachen zu Otto III. und von dort ausabermals nach Rom, wo auch Otto wieder war. Undnach dessen Rückkehr in den Norden 996, fand sichalsbald auch Adalbert, falls er mit dem Kaiser nichtschon über die Alpen kam, in Mainz bei ihm ein, woer sogar sein Schlafzimmer mit ihm teilen durfte »wieein sehr geliebter Kammerdiener« (dulcissimus cubi-cularius).

Wie überhaupt der Bischof den jungen Regenten,so Adalberts ältester Biograph, unablässig belehrte,

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4.982 Deschner Bd. 5, 552Zwischen zwei Heiligen und einem künftigen ...

ihn »bei Tag und Nacht« mit »heiligen Gesprächen«anging und »mit süßen Worten zur Liebe des himmli-schen Vaterlandes« verlockte. Wie viel oder wiewenig in solchen Heiligenviten der Wirklichkeit auchentsprechen mag, beide hatten einen ungewöhnlichvertrauten Verkehr, und bald ließ der Herrscher demspäteren Missionar und Märtyrer in Aachen, in RomAdalbertskirchen erbauen und ihn schon 999 kanoni-sieren.6

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4.983 Deschner Bd. 5, 552»Unser bist du ...«

»Unser bist du ...«

Otto III. arbeitete mit dem päpstlichen Rom und denPrälaten ständig und eng zusammen. Er kooperiertemit ihnen vielleicht noch intensiver als seine unmittel-baren Vorgänger. Er war Mitglied mehrerer Domka-pitel. Nicht weniger als 35 Hofkapläne sind unter ihmbekannt, und über sie konnte die Kirche fortgesetztund jederzeit mit dem Hof kontaktieren.

Wiederholt führte der Monarch gemeinsam mitdem Papst den Vorsitz auf Synoden. Und mehrfachtrat er auch mit diesem zusammen für die Restituier-ung kirchlichen Besitzes ein. Er stärkte die Macht derBischöfe durch Immunitätsprivilegien, vermittelteihnen gute Einnahmen, gab ihnen immer öfter die ge-rade jetzt stets einträglicher werdenden Markt-,Münz- und Zollrechte, verlieh einigen selbst im In-nern Deutschlands ganze Grafschaften, was erstmalsund nur vereinzelt unter seinem Vater vorgekommenist. So überließ er dem Bistum Lüttich die GrafschaftHuy, dem Bistum Würzburg die Grafschaft in denfränkischen Gauen Waldsazin und Rangau, dem Bis-tum Paderborn eine Grafschaft, die sich über fünfGaue erstreckte. Unter seinem Nachfolger Heinrich II.erhielten Würzburg und Paderborn weitere Grafschaf-ten. Natürlich verschwanden dort die königlichen Be-

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4.984 Deschner Bd. 5, 553»Unser bist du ...«

amten. »Der Bischof war der Inhaber aller weltlichenGewalt, er war im eigentlichen Sinn des Worts zumFürsten geworden«, ja er sollte »keiner politischenMacht außer dem König unterworfen sein« (A.Hauck). Ist es doch bereits unter Otto III. »die offizi-elle Anschauung, daß die geistlichen den Laienfür-sten, selbst wenn diese zu der kaiserlichen Familie ge-hören, im Range voranstehen« (Böhmer).

Otto III., der »imperiale Politik mit missionarischerTendenz« trieb (Fleckenstein), wie gewiß nicht weni-ge seiner Vorgänger, war persönlich noch mehr alsandere christliche Könige und Kaiser der Religion er-geben und dachte alle seine Taten dem »Nutzen derKirche« zu (Schramm). Otto III. ist fünfzehn, als erKaiser wird, und einundzwanzig, als er stirbt! Wiemuß dies empfängliche, schwärmerische, lebhafteGemüt der hohe Klerus um ihn her beeinflußt haben –und der Pietismus seiner Zeit, Askese, Mystik, dercluniazensische Fanatismus. »Unser, unser ist das rö-mische Reich!«, jauchzt Gerbert-Papst Silvester brief-lich dem Jüngling entgegen. Noster, noster est Roma-num imperium. »Unser bist du, Cäsar, Imperator derRömer und Augustus ...« Unser!

Otto fügt seinem Titel apostolische Devotionsfor-meln hinzu: »Knecht Jesu Christi«, »Knecht der Apo-stel«, »nach dem Willen Jesu Christi römischer Kai-ser, der heiligen Kirchen frömmster und getreuester

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Ausbreiter«. Er legt sich wiederholt schwere Buß-übungen auf, fastet zuweilen fünf Tage in der Woche,betet manchmal angeblich ganze Nächte. Er läßt sichin Gnesen am Grab des hl. Adalbert geißeln. Er machtim Winter und Frühjahr 999 von Rom aus eine weiteWallfahrt nach Benevent zu Fuß, zum Heiligtum desErzengels Michael auf dem Monte Gargano. Noch imSommer geht er nach Subiaco im Sabinergebirge, umsich in das Andenken des hl. Benedikt zu versenken.Mit einem Vertrauten, Bischof Franko von Worms,verschließt er sich vierzehn Tage in einer Höhle (spe-lunca) neben der Kirche S. Clemente in Rom, um zubüßen. Er weint wiederholt mit frommen Eremitenund führt »Reliquien« Karls »des Großen« mit sich,u.a. einen Zahn, den er von der Leiche an sich nahm.»Unser bist du ...«7

Im September 994 endete mit Ottos Schwertleite,seiner »Wehrhaftmachung« (auf einem, so vermutetman, ohne den Zeitpunkt genau festlegen zu können,Hoftag in Sohlingen), die Vormundschaft der Kaiser-witwe Adelheid. Sie zog sich darauf in ihr elsässi-sches Kloster Selz zurück (S. 547), und Otto III. tratdie faktische Herrschaft an. Ein Verwüstungszugführte ihn, unterstützt von polnischen und böhmi-schen Haufen, noch im Sommer 995 gegen die Obo-driten in Ostholstein und Mecklenburg, worauf er dasBistum Meißen erstaunlich erweitert und die Zehnt-

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4.986 Deschner Bd. 5, 554»Unser bist du ...«

einkünfte vervielfacht hat – falls die Königsurkunde,wie oft gemutmaßt und behauptet, nicht gefälscht ist.

Dann trieb es den jungen Herrscher mächtig in denSüden. Unter Psalmengesang zog er 995 aus Regens-burg. Noch im Winter, sehr ungewöhnlich, überschritter den Brenner, wobei er dem Heer die Heilige Lanzevorantragen ließ, Symbol des Anspruchs auf Italienund das Kaisertum. In Pavia huldigten ihm die italie-nischen Großen und leisteten ihm den Treueid. Am20. Mai erschien Otto vor Rom.8

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4.987 Deschner Bd. 5, 555Szenen um den Heiligen Stuhl

Szenen um den Heiligen Stuhl

Am päpstlichen Hof ging es inzwischen, wie üblich injener Zeit, recht bewegt zu.

In den Wirren nach Ottos II. Tod war BonifatiusVII. (S. 536 f.) im Frühjahr 984, wohl versehen mitWaffen und Gold aus Konstantinopel in die HeiligeStadt zurückgekehrt. Er ließ den regierenden Papst,den ehemaligen italienischen Kanzler Ottos II., Bi-schof Petrus von Pavia, Johann XIV. (983–984) ab-setzen, mißhandeln, vier Monate in ein Verlies derEngelsburg stecken, dann verhungern oder, nach an-deren Meldungen, vergiften (die Grabinschrift in St.Peter übergeht dezent die Todesumstände). Und re-gierte als Bonifaz VII. nun ein Jährchen, ehe man ihnselber liquidierte; ihm das Pontifikalgehänge herun-terriß, die nackte Leiche trat, zerstach, an den Beinenaus dem Palast und durch die Gassen schleifte.

Auf Bonifaz VII., den der Volksmund später »Ma-lefatius«, Gerbert von Aurillac »monstrum horren-dum« nennt, Rom aber erst 1904 als Gegenpapst ein-stuft, folgte Ende Juli der Römer Johann XV.(985–996). Er verdankte dies, nebst dem HeiligenGeist, offenbar der Familie der mächtigen Crescentier,einem römischen Geschlecht ungeklärter Herkunft(der wissenschaftliche Hilfsname »Crescentier« ist

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4.988 Deschner Bd. 5, 555Szenen um den Heiligen Stuhl

von einem in der Familie häufigen Vornamen abgelei-tet). Die Crescentier übten in der zweiten Hälfte des10. Jahrhunderts und etwas darüber hinaus auf Romund Teile der Umgebung großen Einfluß aus, wobeisie zeitweise die Hohepriesterschaft der Stadt be-herrschten, aber von ihr auch selbst gefördert wordensind. Sie gerieten jedoch immer mehr in einen Interes-sengegensatz sowohl zu den Ottonen wie zu dem er-starkenden Papsttum.

Die Erhebung Johanns XV., wohl von Patricius Jo-hannes Crescentius durchgesetzt, erfolgte ohne Kon-sultation des deutschen Hofes. Der Papst, Sohn desrömischen Priesters Leo, war kein Freund der Prie-ster, ein Begünstiger vielmehr des Adels und vorallem seiner Verwandten, die er bereicherte, währender selbst wegen seiner Geldgier, Käuflichkeit, seinesNepotismus weithin, gerade auch beim Klerus, ver-haßt gewesen ist. Als Johannes Crescentius 988 starb,sein Bruder Crescentius II. Nomentanus sich zum Be-herrscher des Kirchenstaates aufschwang, sollen unterseinem Druck »großzügige Bestechungsgeschenke«(Kelly) die Voraussetzung für eine Audienz beim Hei-ligen Vater gewesen sein. Alles sei käuflich in Rom,erklärte ein Bischof 991 auf einer Synode bei Reims,und die Urteile würden nach dem Goldgewicht abge-messen. Immerhin sprach der geldgeile Pontifex am31. Januar 993 auf einer Lateransynode Ulrich von

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4.989 Deschner Bd. 5, 556Szenen um den Heiligen Stuhl

Augsburg heilig. Es war die erste formelle Kanonisie-rung durch einen Papst, und immerhin kanonisierte ereinen Bischof, der auf den Kriegszügen zweier Herr-scher, Heinrichs I. und Ottos I., das Schwert ge-schwungen, noch als fast sechzigjähriger Seelenhirtegefochten und ja wohl auch getötet hatte.9

Im März 995 floh der Papst vor dem Druck desCrescentius, dem Haß des Klerus nach Sutri und erbatin alter römischer Tradition Hilfe von jenseits derAlpen. Doch noch bevor sie Otto überquerte, kam Jo-hann XV. wieder nach Rom, sogar mit allen Ehren,erlag aber bald einem Fieberanfall.

Beim Anmarsch des Königs gab es bereits in Vero-na Krawalle, wobei man eine Anzahl seiner Soldatenerschlug. In Pavia erreichte ihn die Nachricht vomTod Johanns XV. Er designierte darauf in Ravenna,als handelte es sich um die Besetzung eines Reichs-bistums, den jungen Brun, seinen Kapellan und Vet-ter, zum Papst, den Sohn Herzog Ottos von Kärnten,seinerseits ein Sohn Konrads des Roten (S. 426) undder Liutgard, Tochter Ottos I. Der Urenkel des Kai-sers bestieg nun als erster Deutscher Anfang Mai 996unter dem Namen Gregor V. (996–999) den päpstli-chen Stuhl, und am 21. Mai wurde der sechzehnjähri-ge Otto III. durch den vierundzwanzigjährigen Papstzum Kaiser gekrönt – die Familie war an der Spitzesozusagen unter sich.

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4.990 Deschner Bd. 5, 556Szenen um den Heiligen Stuhl

In den nächsten Tagen suchte der Herrscher die rö-mischen Hauptkirchen auf und leitete dann gemein-sam mit Gregor die dreitägige Krönungssynode in derPeterskirche, hauptsächlich Kirchenstreitereien betref-fend, den Reimser Streit, den Streit des BischofsOdelrich von Cremona, der die führenden Kauf-mannsschichten der Stadt zu sehr schröpfen wollte,den Streit des Abtes Engizo von Brugnato mit Bi-schof Gottfried von Luni um das Kloster, wobei derPapst die vom Bischof der Synode präsentierten Ur-kunden zerriß. Trotz gelegentlicher Spannungen zwi-schen Kaiser und Papst hat man eben erst das guteEinvernehmen, das »konzertierte Verhalten« (Althoff)beider betont. Schließlich verdankte Gregor dem Vet-ter sein Papsttum, und so ist es ganz natürlich, daß erdie Mönche des Klosters Monte Amiata für den Be-stand (stabilitas) des Reiches beten ließ.

Doch kaum hatte Otto Italien den Rücken gekehrt,erhob sich Crescentius und schwang sich zum unbe-schränkten Beherrscher der Stadt auf. Noch im Herbst996 mußte Gregor V. für vierzehn Monate Rom ver-lassen und kam auch durch zwei Versuche mit Waf-fengewalt nicht zurück. Er residierte meist in Oberita-lien, rief wiederholt den Kaiser durch Gesandschaftenum Hilfe und verhängte im Februar 997 auf einerSynode in Pavia über Crescentius den Bann. Eben da-mals machte man in Rom Johannes Philagathos, den

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4.991 Deschner Bd. 5, 557Szenen um den Heiligen Stuhl

Erzbischof von Piacenza, Pate sowohl von Gregor alsauch dem Kaiser, als Johannes XVI. zum Papst, nichtohne einige Bestechungen – hat doch sogar der deut-sche Reformpapst Gregor V. für seine Entscheidun-gen Geld eingesteckt, was selbst Otto III. als gerichts-mäßig erwiesen annahm.10

Die Vertreibung Gregors durch die Römer und dieErhebung des Johannes Philagathos, des einstigenFreundes der Theophanu, zum Gegenpapst, veranlaß-te Otto, zum zweitenmal über die Alpen zu gehn,während in Deutschland für ihn seine Tante Mathilde,Äbtissin von Quedlinburg, regierte.

Der Kaiser erschien Mitte Februar 998 vor Rom.Wie stets war auch jetzt eine Anzahl Prälaten in sei-nem Heer. So Bischof Notger von Lüttich, ein alterKämpfer, der mindestens viermal für die Ottonennach Italien zog, aber auch in nächster Nähe von Lüt-tich die schwer zu erobernde Burg Chèvremont 987für immer zerstörte. Der Straßburger Bischof Wilde-rod zog mit, ebenso eine Reihe oberitalienischer See-lenhirten mit ihren Gewalthaufen. Unter den Äbtensogar Odilo von Cluny, ein echter Heiliger (Fest 2.Januar), der ungeachtet aller Heiligkeit auch vieleJahre mit dem Bischof von Mâcon stritt.

Gegenpapst Johann XVI., der zehn Monate amtierthatte, versuchte vergebens sich in einem befestigtenTurm zu verstecken. Durch eine Schar des Grafen

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4.992 Deschner Bd. 5, 558Szenen um den Heiligen Stuhl

vom Breisgau Birichtilo (Berthold), des Ahnherrnsder Zähringer und Gründers des Klosters Sulzburg,wurde er aufgespürt, gefaßt und angeblich mit Billi-gung Gregors V. wie Ottos III., seines einstigenSchülers, entsetzlich zugerichtet – der Breisgaugrafaber bald (wenn nicht, wie wahrscheinlich, deshalb,so zumindest trotzdem) ungewöhnlich geehrt und be-schenkt. So durfte er schon ein Jahr darauf als Vertre-ter des Kaisers dessen Schwester Adelheid mit einemgoldenen, von Rom nach Quedlinburg gebrachtenAbtsstab dort als Äbtissin investieren. Und zur glei-chen Zeit erhielt der gräfliche Foltermeister einMarkt-, Münz- und Zollprivileg für Villingen imSchwarzwald, um seinen Marktort den Märkten vonKonstanz und Zürich gleichwertig zu machen. Ergo:»Seine Tat hat ihn nicht in Ungnade fallen lassen,sondern ihm die kaiserliche Huld in höchstem Aus-maß beschert ... Beide ›Ehrungen‹ deuten stark daraufhin, daß sich Birichtilo den Dank des Kaisers in be-sonderer Weise verdient hatte ...« (Althoff).

Und was hatte der edle Breisgaugraf vollbracht? Erhatte den gefangenen Gegenpapst erbärmlich martern,seine Hände verstümmeln, seine Augen ausreißen,ihm Nase, Lippen, Zunge, Ohren abschneiden lassen.Die Quedlinburger Annalen betonen zwar, die Täterseien nicht Freunde des Kaisers, sondern »FreundeChristi« gewesen. Doch wie auch immer, man stellte

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4.993 Deschner Bd. 5, 558Szenen um den Heiligen Stuhl

den durch die kaiserliche Soldateska Geschundenenjetzt auch noch vor das Gericht des Papstes, der ihndarauf förmlich abgesetzt und nach dem in der KircheChristi gebräuchlichen Ritual der Devestitur behan-delt hat. Gregor, ein reformbewußter, nicht ungebilde-ter Papst, dessen Grabschrift seine Fähigkeit rühmt,lateinisch, französisch, deutsch predigen zu könnnen,ließ nun den geblendeten, fast tauben und sprachunfä-higen Johann XVI. in der Kirche nochmals in päpstli-che Gewänder hüllen und sie ihm Stück für Stück ab-reißen.

Inzwischen war ein Landsmann des elenden Op-fers, der hl. Nilus, ein in ganz Italien bewunderter88jähriger Greis herbeigeeilt. Kaiser und Papst holtenihn voller Ehrfurcht in den Lateran, küßten ihm dieHände und ließen ihn Platz zwischen sich nehmen.Doch äußerte er nur den einen Wunsch, den armenPhilagathos, der sie doch beide aus der Taufe gehobenund jetzt von ihnen verstümmelt, der Augen beraubtworden sei, in sein Kloster bringen zu dürfen zur ge-meinsamen Beweinung der begangenen Sünden. DerKaiser, dem angeblich die Tränen kamen, war zumNachgeben bereit. Aber der Papst wollte seine Racheganz genießen. Er ließ den Blinden statt mit päpstli-chem Kopfputz mit einem Euter krönen, aus der Kir-che stoßen und, verkehrt auf einem Esel sitzend, des-sen Schwanz als Zügel in der Hand – ein makabres

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4.994 Deschner Bd. 5, 559Szenen um den Heiligen Stuhl

Plagiat (vgl. S. 510) – durch Rom in einen Kloster-kerker reiten, wo er noch jahrelang vegetiert habensoll. Otto hat, falls die Nachricht zutrifft, durch einenhohen Geistlichen bei Nilus sich entschuldigt, der je-doch erwidert, Kaiser und Papst hätten ihm, ja Gottselber angetan, was sie an dem unglücklichen Phil-agathos verbrochen, und Gott werde ihnen so wenigverzeihen, wie sie Philagathos verziehen. Und verließRom am selben Tag.11

Der Rebell Crescentius aber war in die Engelsburggeflohen. Sie galt als uneinnehmbar, wurde zwei Mo-nate belagert, unablässig, so heißt es, Tag und Nachtangegriffen und am 28. April, durch den MarkgrafenEkkehard von Meißen im Sturm genommen. (DerKaiser belohnte den auch im Osten martialisch gegendie Slawen vorgehenden Krieger generös mit Land.Doch als der 1002 die Nachfolge des kinderlosenHerrschers antreten wollte, wurde er von einer Adels-clique unter Anführung der Grafen Heinrich und Udovon Katlenburg vermutlich aus persönlicher Rache inder Pfalz Pöhlde ermordet.)

Dem Crescentius hatte Tammo, der Bruder des Bi-schofs Bernward von Hildesheim und Freund Ottos,auf dessen Befehl den Schutz seines Lebens geschwo-ren. Mehrere italienische Quellen sprechen von solchbeeidigten Sicherheitsgarantien, andere zeitgenössi-sche bestätigen es zumindest im Kern. Doch hatte

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4.995 Deschner Bd. 5, 560Szenen um den Heiligen Stuhl

man Crescentius getäuscht und ihn, woran es »nichtsabzuschwächen oder abzuleugnen gibt ..., auf Betrei-ben des ihm feindlich gesinnten Papstes als Hochver-räter hingerichtet« (Uhlirz). Er wurde, anscheinendeine Anregung des Heiligen Vaters, mit zwölf Unter-führern auf der höchsten Stelle der Engelsburg, allensichtbar, geköpft, seine Leiche überdies von den Zin-nen gestürzt, von Kühen durch die versumpften Stra-ßen Roms gezogen und mit den zwölf Hingerichtetenkopfunter an ein Kreuz auf dem Monte Mario ober-halb des Vatikans gehängt. Der Papst war nicht zim-perlich, und der Gedanke ans Hängen kam ihm wohlgern. Einen Grafen der Sabina namens Benedikt, mitdem der Heilige Vater sich um geraubten Kirchenbe-sitz stritt, brachte er durch die Drohung zum Nachge-ben, den gefangenen Sohn des Grafen vor dessenAugen aufzuknüpfen.

Papst Gregor V., den Römern aufs äußerste ver-haßt, starb plötzlich – »nach tüchtiger Amtsführung«(Bischof Thietmar) – im Frühjahr 999, doch kaum anGift, wie man munkelte, sondern an Malaria. Durchdie Vita Nili geistert auch das Gerücht von seinerBlendung; man habe dem Papst die Augen ausgeris-sen – vermutlich eine literarische Reaktion auf seineGrausamkeit gegenüber dem Gegenpapst im Jahrzuvor.12

Deutsche Quellen sprechen von der römischenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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4.996 Deschner Bd. 5, 560Szenen um den Heiligen Stuhl

»Jauchegrube«, die der Kaiser habe säubern müssen.Sie schimpfen Crescentius »perversus«, »membrumdiaboli«. Und noch Gerd Althoff, der ja gerade hiermanches gegen Kaiser und Papst vorbringt, will danndoch beider Brutalität entlasten, indem er sie »weni-ger aus individuellen Befindlichkeiten wie Rachegelü-sten, Enttäuschungen und Erbitterung« erklärt alsdurch die »Spielregeln des 10. Jahrhunderts«, die»Regeln der Zeit«. Unterlegenen habe man zwarMilde gewährt, aber nur einmal, beim erstenmal, undbei Rückfällen keine Schonung gekannt.

Nun, beiseite, daß es Gegenbeispiele gibt, nichtwenige – jene »Regeln« waren eben christliche »Re-geln«. Christen haben sie gemacht, Christen sie prak-tiziert. Die »Zeit« war nicht schuld, der Mensch derZeit. Doch genaugenommen nicht einmal er. Schuldwaren der Brauch, das Recht, das Gesetz, das Den-ken, der Glaube der Zeit. Das alles aber war seit Jahr-hunderten christlich! Es sollte, mußte christlich sein –um jeden Preis! Auch und gerade um den Preis desLebens. So interessiert hier stets, was Christen imNamen des Christentums, der Kirche, des Staates oderauf eigene Faust verbrochen haben, nicht zuletztgegen Grundgebote ihrer Religion selbst. Das alleinist unser Thema. Zutiefst antihumanes, menschenver-achtendes, menschenvernichtendes Verhalten derChristen zu jeder Zeit und überall.

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4.997 Deschner Bd. 5, 560Szenen um den Heiligen Stuhl

Zum Beispiel auch im Osten. Schon das Kind OttoIII. hatte sich dort, so sagt Wolfgang Menzel, einerder deutschen Scharfmacher des 19. Jahrhunderts,»seine Sporen zu verdienen«.13

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4.998 Deschner Bd. 5, 561Erzbischof Giselher besticht, fälscht und kassiert

Erzbischof Giselher besticht, fälscht und kassiert

Die Kriege im Osten, die Feldzüge zumal gegen denelbslawischen Stammesbund der Liutizen zur Aner-kennung der deutschen Herrschaft und des Christen-tums wurden nach dem Aufstand von 983 (S. 532.)selbstverständlich erst recht fortgesetzt, immer häufi-ger. Gerade unter der Regentschaft Theophanus be-gann da eine aggressive Politik, »in der Hauptsachevon Giselher von Magdeburg und Eckhard von Mei-ßen getragen« (Kretschmann).

Erzbischof Giselher, uns schon wiederholt begeg-net, entstammte ostsächsischem Adel; »von edlemWesen und edler Herkunft«, nennt ihn Bischof Thiet-mar, der sonst kaum ein gutes Haar an ihm läßt. OttoI. holte ihn an den Hof und machte ihn 970 zum Bi-schof von Merseburg. Doch der überaus ehrgeizige,mit allen schmutzigen Wassern gewaschene Kirchen-fürst weilte auch künftig weit mehr in der Nähe vonKönigen und Kaisern als in seinem Sprengel. Er ver-stand es, die Gunst der Mächtigsten, verstand es,große und zahlreiche Schenkungen zu erhalten, undendlich, wonach sein ganzes Sinnen und Trachtenstand, Erzbischof von Magdeburg (981–1004) zuwerden. Dies freilich kraft kirchenrechtlicher Bestim-mungen erst nach Auflösung des Merseburger Bis-

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4.999 Deschner Bd. 5, 562Erzbischof Giselher besticht, fälscht und kassiert

tums; der Grund, warum Thietmar von Merseburg ihnso haßte, zumal Giselher bei seinem unbändigen Ver-langen nach mehr Ansehen, höheren Würden und grö-ßerer Wirkung vor wenig zurückschreckte.

So soll er beim Verfolgen seines Zieles selbst denhl. Laurentius beraubt, alle Fürsten und die römischeKurie mit gewaltigen Geldern bestochen und vomPapst enorme Privilegien bekommen haben, darunterdas ungewöhnliche Recht, Kardinalpriester, Kardinal-diakone und -subdiakone weihen zu dürfen, wessensich sonst bloß eine einzige Diözese (Trier) rühmenkonnte, wenn auch nur aufgrund einer Fälschung. UndErzbischof Giselher von Magdeburg (oder ein Kom-plice von ihm) fälschte ebenfalls, fälschte, als er sichdurch die Gründung des Erzbistums Gnesen mitRecht um seinen Einfluß bedroht sah, ein Papstprivi-leg für den früheren Erzbischof Adalbert von Magde-burg, worin dessen Bistum der Primat in der »Germa-nia« verliehen und außerdem das Recht auf 12 Kardi-nalpriester, 7 Kardinaldiakone und 24 Kardinalssub-diakone zuerkannt wurde – Übertreibungen, die sofortunglaubwürdig erscheinen mußten, weshalb die Fäl-schung auch erfolglos blieb.

Doch ergatterte Giselher entgegen den Verfügun-gen einer päpstlichen Synode vom September 981 an-dere bemerkenswerte Vorteile, u.a. die bischöflichenRechte über sieben, zumeist von heidnischen Slawen

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5.000 Deschner Bd. 5, 562Erzbischof Giselher besticht, fälscht und kassiert

besiedelte Burgwarde, womit er den Nordteil des auf-gelösten Merseburger Bistums bekam. Er erhielt zweiEigenklöster, das Kloster Pöhlde und die MerseburgerLaurentius-Abtei, beide mit beträchtlichem Grundbe-sitz. Otto II., der schon dem Merseburger Bischof Gi-selher 974 den riesigen Forst im Gau Chutizi, einender größten Waldkomplexe Deutschlands, geschenkthatte, gab ihm nun auch die Burg Kohren (bei Alten-burg) sowie den vordem Merseburg verliehenen Kö-nigshof Prießnitz (bei Borna). Dazu riß der Erzbi-schof offenbar weitere einst merseburgische Liegen-schaften an sich, insgesamt »ohne Zweifel den wert-vollsten Teil des ehemaligen Merseburger Ausstat-tungsgutes« (Claude).

Um sein – vom Kaiser gelegentlich gedecktes –Vorgehen zu beschönigen und ursprüngliches Rechtzu vertuschen, beseitigte Giselher anscheinend allerleiAktenkundiges. Zumindest behauptet Bischof Thiet-mar: »Urkunden, die königliche oder kaiserlicheSchenkungen enthielten, verbrannte er im Feuer oderließ sie durch Veränderung des Empfängers seinerKirche zuschreiben.« Die Mediävistik bemerkte indiesem Zusammenhang, daß die meisten MerseburgerUrkunden von Erzbischof Giselher zwar nach Magde-burg mitgenommen, bei der Wiederherstellung Merse-burgs aber nicht zurückgegeben wurden. »Fälschungund Vernichtung weiterer Dokumente sind durchaus

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5.001 Deschner Bd. 5, 563Erzbischof Giselher besticht, fälscht und kassiert

möglich« (Claude).Da Giselher nicht nur sehr karriere- und besitz-

süchtig war, sondern auch die Reichsgrenze bloß eineTagesreise von seiner Residenz entfernt verlief, wirdgerade seine Aktivität bei den kaum noch abreißendenKriegen im Osten verständlich. Mit schöner Regelmä-ßigkeit melden die Quellen, daß Jahr um Jahr »mitFeuer und Schwert« (incendiis et caedibus) das ganzeSlawenland (totam terram) verwüstet worden sei,wobei man die Mordbrennerei sinnigerweise gernzum »üblichen Termine« (Böhmer) eröffnete, anMariä Himmelfahrt.14

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5.002 Deschner Bd. 5, 563Vierzehn Jahre Dauerkrieg gegen die Elbslawen

Vierzehn Jahre Dauerkrieg gegen die Elbslawen

Offensichtlich bestimmt von der gegenwärtigen Ge-schichtskonstellation, spielt zumindest ein Teil derdeutschen Mediävistik diesen fortgesetzten Terror imOsten sehr dezent herunter. So erwähnt Eduard Hla-witschka in seinem »Studienbuch« (!) bei Gelegenheitvon Theophanus Ostpolitik gerade knapp, daß dieSachsen »wiederholt die Elbslawen angriffen«, zurRegentschaft Adelheids, ebenfalls in einer halbenZeile, »Kämpfe gegen die Liutizen und Abodriten991–995«, und Otto III. selbst führt wider die Rebel-len »im Sommer 997 nur zwei kurze Feldzüge«.

In Wirklichkeit geht es um einen fast vierzehnjähri-gen Dauerkrieg, bei dem das Reich, eine neue Ostpo-litik einleitend, sich jetzt auch mit den Polen unterMieszko verband, was den Vorteil hatte, daß man dieLiutizen von zwei Seiten, von Westen und Osten, indie Zange nehmen oder sie auch vereint gemeinsamangreifen konnte. (Der Name »Liutizen« trat im Laufdes 10. Jahrhunderts an die Stelle der älteren Bezeich-nung »Wilzen«.) Vermutlich hat Erzbischof Giselher,der 984 mit dem Polenherzog noch zu Heinrich demZänker stand, dies Bündnis arrangiert.

Bereits 985 überfällt ein sächsisches Heer mit Be-teiligung Mieszkos das Liutizenland und verwüstet

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5.003 Deschner Bd. 5, 564Vierzehn Jahre Dauerkrieg gegen die Elbslawen

es. Auch zwei weitere Kriegszüge der Deutschen, 986und 987, gelten den Liutizen sowie Boleslav vonBöhmen, der sich weigert, die 984 an ihn verlorene(und im nächsten Jahr zurückeroberte) Mark Meißenherauszugeben. Auch diese Attacken unterstütztMieszko von Polen, ja, den Zug des Jahres 986 be-gleitet der sechsjährige König, der offenbar zur »An-feuerung« der immer müder oder gar renitent werden-den Krieger dient. Vermutlich ist, auch wenn nicht di-rekt bezeugt, bei beiden Heerfahrten Erzbischof Gi-selher mit von der Partie. Ringsum entsetzliche Ver-wüstungen, sechsundvierzig feste Plätze werden ver-nichtet, doch allenfalls Tributentrichtungen erzwun-gen, keine verlorenen Gebiete wieder gewonnen.

990 erfolgt gleich ein zweimaliger Einfall in denElbslawenraum, den Thietmar von Merseburg vomTeufel beherrscht sieht. Im ausbrechenden Konfliktzwischen Polen und Böhmen rücken deutsche Trup-pen unter Erzbischof Giselher und Markgraf Ekke-hard von Meißen zur Entlastung der Polen an. Boles-lav trickst aber die Deutschen, die im Morgengrauennoch die Messe gehört, aus und läßt Bischof und Grafentwaffnen, bis sie eidlich Frieden schwören.

991 beschließt man, wohl während des hl. Osterfe-stes in Quedlinburg, mit Mieszko von Polen einen ge-meinsamen weiteren Krieg. Otto selbst erobert undverliert noch im selben Jahr mit einem großen sächsi-

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5.004 Deschner Bd. 5, 565Vierzehn Jahre Dauerkrieg gegen die Elbslawen

schen Aufgebot das viel- und wechselvoll umkämpfteBrandenburg, die Hauptstadt der Heveller, eines Wil-zenverbandes, den man seit 983 den Liutizen zuzählt.Wieder dabei ist Erzbischof Giselher. Besonders ver-dient macht sich Bischof Milo von Minden mit seinenWestsachsen, hier erstmals in einem Gefecht gegendie Liutizen nachweisbar.

992 bricht man erneut zweimal (im Juni und Au-gust) ins Liutizenland ein, wobei die frommen Polenin all diesen Kämpfen beispringen. Und zum zweitenAngriff kommt mit einem ungewöhnlich großen Heernicht nur Otto III. selbst, sondern erstmals auch derchristliche Boleslav von Böhmen. So nimmt dieserneue verlustreiche Vorstoß, bei dem der Klerus an derSpitze kämpft und der Fahnenträger Diethard, einDiakon der Verdener Kirche, fällt, geradezu den»Charakter eines Glaubenskrieges« an (M. Uhlirz).

Dennoch scheint man nicht mehr als Tribute er-preßt zu haben, wenn überhaupt, und in den eigenenReihen äußert sich sogar Verdruß über die fortgesetz-ten unergiebigen Züge. Freilich versucht die Vor-mundschaftsregierung durch Schenkungen an Adelund Klöster in den Grenzgebieten die Kampfbereit-schaft zu heben, zumal man nun auch die Böhmen aufseiner Seite hatte. (So erhielt beispielsweise das StiftQuedlinburg 993 umfangreichen Besitz im Havelland,die Orte Potsdam und Geltow sowie eine nicht näher

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5.005 Deschner Bd. 5, 565Vierzehn Jahre Dauerkrieg gegen die Elbslawen

bezeichnete Insel.)Schon 993 werden gleich drei neue Offensiven der

Sachsen gegen die Slawen gemeldet, worauf derKönig die Bischöfe Hildibald von Worms und Gisel-her von Magdeburg für besondere Verdienste mit gro-ßen Schenkungen belohnt. Schließlich hatte der Mag-deburger, wie die Forschung vermutet, bei all jenenKriegen kaum gefehlt, hatte er gerade in den frühenneunziger Jahren intensive Beziehungen zum HofOttos III. unterhalten und galt überhaupt als »Trägerder deutschen Ostpolitik« (Claude).

995 erfolgte ein weit und breit das Land verheeren-der Vergeltungszug Ottos für einen Großaufstandaller Liutizen und Obodriten im Jahr zuvor. Mit strit-ten auch diesmal die christlichen Polen und Böhmen,unter ihnen der älteste Sohn Slavniks, Sobebor, einBruder des hl. Bischofs Adalbert von Prag. Und inhohem Grade zeichneten sich anscheinend die Mann-schaften des Bistums Meißen aus, das nun Ottos be-sondere Gunst erfuhr.

997 kämpft, brandschatzt, plündert man weiter imGebiet der Heveller, meist unter kaiserlichem Oberbe-fehl, einige Wochen auch, in einem Teilbereich, unterdem Giselhers, der dabei etliche seiner Mannen ein-büßt und dann seinem Nachfolger im Kommando dieSchuld geben ließ, selbst allerdings sofort die Fluchtergriffen hatte, ohne Ottos Sympathie zu verlieren.

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5.006 Deschner Bd. 5, 566Vierzehn Jahre Dauerkrieg gegen die Elbslawen

Der Kaiser hatte seinerzeit dem Erzbischof die Ar-neburg (links der Elbe bei Stendal) zur Sicherung an-vertraut. Da aber lockten diesen die Slawen unter demVorwand von Verhandlungen vor die Feste und ineinen Hinterhalt. Während seine Bedeckung ins Grasbiß, machte sich der Oberhirte Hals über Kopf davon.»Schon gerieten die Krieger beider Parteien aneinan-der«, berichtet Thietmar; »der im Wagen sitzendeErzbischof konnte zwar auf fliegendem Pferde ent-kommen, aber von seinen Leuten entrannen nur weni-ge dem Tode. Die siegreichen Slawen plünderten – eswar am 2. Juli – gefahrlos die Toten aus und bedauer-ten nur das Entwischen des Erzbischofs.«

Doch nicht genug damit. Ohne auf seine Ablösung,den Markgrafen Liuthar, Thietmars Onkel, zu warten,verließ Giselher, da sein Wachdienst inzwischen ab-gelaufen war, die Burg, begegnete unterwegs dem an-rückenden Grafen, dessen Kommando sie nun unter-stand – »empfahl sie ihm dringlich und zog ab«. Mitt-lerweile waren jedoch die Slawen in die unbewachteFeste gedrungen, hatten sie angezündet, und Liutharfand sie, als er näherkam, bereits in Rauch und Flam-men und »suchte vergeblich durch einen Boten, denErzbischof zur Umkehr zu bewegen«. Der Prälat ver-weigerte jede Hilfe und kehrte heim. Der Graf abervermochte das im Feuer stehende Kastell nicht zu lö-schen, mußte »das den Feinden offene Tor verloren«

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5.007 Deschner Bd. 5, 566Vierzehn Jahre Dauerkrieg gegen die Elbslawen

geben, sich dann beim Kaiser anklagen lassen unddurch einen Eid vom Vorwurf der Schuld reinigen.

Während dieser Feldzüge, auf denen Otto III. dasSlawenland »schwer durch Feuer und Plünderung ver-wüstet hat« (incendio et magna depredacione vasta-vit), begleitete ihn auch der gewesene Erzbischof vonReims, Gerbert von Aurillac, der künftige SilvesterII., der erste französische Papst. Ferner fochten sei-nerzeit im Osten u.a. Erzbischof Willigis von Mainz,trotz seines Alters, sowie Bischof Heinrich vonWürzburg mit ihren Truppen, und besonders vorbild-lich Bischof Ramward von Minden (996–1002),allen, selbst den Fahnenträgern, voran mit dem Kruzi-fix in der Hand und machtvoll gegen den Feind het-zend – »ein schönes Beispiel dieser kriegerischenReichsbischöfe, die das Schwert ebenso zu tragenwußten wie das Kreuz« (Holtzmann). So fiel dennauch gerade damals von den slawischen Teufeln »einesehr große Zahl«, und dem traurigen Rest jagte mandie Beute ab.15

Nun hat man neuestens, ohne diese »immensen mi-litärischen Aktivitäten« im Osten im geringsten her-unterspielen zu wollen, doch davor gewarnt, dortallzu starre Fronten, systematisch vorbedachte Aktio-nen kriegführender Staaten zu sehen, eine Strategieder Rückeroberung oder gar mehr zentral gelenkteAusgriffe. »Die Antriebskräfte scheinen weit eher der

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5.008 Deschner Bd. 5, 567Vierzehn Jahre Dauerkrieg gegen die Elbslawen

Drang nach Rache, die Gier nach Beute oder Tributengewesen zu sein, die die sächsischen Markgrafen undBischöfe nicht selten auch ohne den König und ohneseinen Auftrag tätig werden ließen« (Althoff). Dasmag in manchen Fällen so, in andren anders gewesensein; für uns – und die Opfer – sind diese Unterschei-dungen nicht so relevant. Denn ob christliche Grafen,ob Bischöfe irgendwo eigenmächtig rauben und tötenoder ob sie einer zentral gegebenen Weisung folgen –das wie jenes gehört ohne Zweifel zur Kriminalge-schichte des Christentums.16

Noch 997 hatte Otto III. gegen die Liutizen ge-kämpft. Doch als er in den Süden zog, als er der Ita-lienpolitik den Vorzug gegenüber der Ostpolitik gab,und zwar unter dem Einfluß offenbar vor allem desGerbert von Aurillac, des künftigen Papstes, wollteman Ruhe im Osten und schloß mit dem Feind Frie-den. Vierzehn Jahre hatte man ihn unentwegt be-kriegt, fast jährlich mindestens durch einen Waffen-gang, in manchen Jahren sogar mehrmals. Selbst dieBöhmen und immer wieder die christlichen Polenwurden gegen die Heiden aufgeboten. Plötzlich aberging es auch friedlich. Und nur wenige Jahre danachführte gar ein Heiliger, Kaiser Heinrich II., Seite anSeite mit den heidnischen Liutizen, drei lange undüberaus blutige Kriege – wider die christlichen Polen,die seinem Vorgänger doch so nützlich waren, wie

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.009 Deschner Bd. 5, 567Vierzehn Jahre Dauerkrieg gegen die Elbslawen

dieser freilich wohl noch mehr ihnen.(Dabei hatte man gerade damals, zur Zeit der Clu-

niazensischen Reformen, ausdrücklich den Gedankenverbreitet, daß die Christenheit eine Einheit sei undsich untereinander nicht bekriegen dürfe. So schrieb994 in dem von Cluny reformierten Kloster Fleury ander Loire der gelehrte Abt Abbo, der mit seinem Di-özesanbischof Arnulf von Orléans, Hugo Capets füh-rendem Berater, erbittert stritt: »Echtes Rittertum be-kämpft sich nicht gegenseitig im Schoß seiner Mutter,der Kirche, sondern richtet alle seine Kräfte darauf,die Gegner der heiligen Kirche Gottes zu unterwer-fen.« Nicht die »Rechtgläubigen«, die Heiden solltendie Christen attackieren, predigte der Reformer – undwurde bei der Inspektion des ihm unterstehenden gas-cognischen Priorats La Réole von seinen aufsässigenMönchen erschlagen.)

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.010 Deschner Bd. 5, 568»...die Legionen zu sammeln«

»...die Legionen zu sammeln« – KonzertierteAktion in Gnesen zum Vorteil Roms

Daß man in Polen spätestens 968 das Bistum Posengegründet, das Land selbst innerhalb eines knappenJahrzehnts verchristlicht hatte (S. 461 ff.), brachteseinem Herrn unbestreitbare Vorteile. Mieszko I.konnte bald darauf ganz Pommern erobern.

Nach dem Tod seiner Frau, der Přemyslidin Dobra-wa (977), heiratete Mieszko Oda von Haldensleben,die Tochter des mächtigen Markgrafen Dietrich vonder Nordmark, und trat nach dessen Tod (985) imEinvernehmen mit der Reichsregierung als Interessen-vertreter seiner Gattin in den Marken auf. Und hatteseine Ehe mit Dobrawa einst das Bündnis mit Böh-men besiegelt, so zerbrach dies in den ausgehenden80er Jahren wegen Schlesien. Mieszko geriet darüberin Streit mit seinem Schwager Boleslav II., den diepaganen Liutizen unterstützten, während der Pole denBeistand deutscher Truppen fand und Schlesien be-halten konnte. Und das, obwohl er zwischenzeitlichsogar mit dem Gegenspieler Ottos II., Heinrich demZänker, sich verbunden, ihm 984 auch noch als sei-nem »König und Herrn« gehuldigt, ohne in Nachteilzu geraten. Freilich ging er bereits im nächsten Jahrzu Otto III. über und bekriegte nun mit den SachsenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.011 Deschner Bd. 5, 569»...die Legionen zu sammeln«

die heidnischen Slawen.Im Verfolgen einer zielbewußten Politik an der

Seite des deutschen Reiches entwickelte sich Mieszkozum aggressiven Vorkämpfer des Christentums an dernördlichen Heidenfront. Mission und Militär wurdenjetzt auch in Polen miteinander verknüpft. Symbolischfür den engen Zusammenhang: die unmittelbare Ver-bindung des Posener Domes schon um das Jahr 1000mit der dortigen Burg – mit ihrem gut 10 Meter hohenund etwa 20 Meter breiten Wall die größte und stärk-ste Polens.

Bei seinen Attacken gegen die Liutizen im Marken-gebiet zwischen Elbe und Oder standen dem Polen-herzog ideologisch und militärisch bereitwillig diechristlichen Böhmen bei, die auch die ersten Missio-nare nach Polen geschickt hatten. Allerdings konntenihn die Böhmen nicht dauernd von ihren eigenen Ein-flußgebieten im Süden und Westen abhalten. Mieszkogriff sie überraschend in den späteren 980er Jahrenan, als Böhmen mehrmals mit dem Reich und der Kir-che in Konflikt geraten war. Er bemächtigte sich nichtnur der Odermündung, sondern nahm den christlichenTschechen auch Schlesien ab. Und als diese 990 mitHilfe der heidnischen Liutizen ihr Gebiet zurückzuge-winnen suchten, da vereitelte es ein sächsisches Heerunter Erzbischof Giselher und Markgraf Ekkehardvon Meißen im Bund mit dem Polen, der sicherheits-

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5.012 Deschner Bd. 5, 569»...die Legionen zu sammeln«

halber, ohne seine Beziehung zum deutschen Reichpreiszugeben, nun sein Land dem hl. Petrus schenkte,im übrigen selbstverständlich weiter die deutschenOffensiven gegen die Liutizen stützte.17

Der berühmte Schenkungsakt, durch den ein Dago-me iudex und seine Gattin, senatrix Ote (Oda), nebstzwei Söhnen Papst Johann XV. ihr Land Gnesen(Schinesghe) unterstellen, ist in dem sogenannten Da-gome-iudex-Dokument überliefert, das auch die älte-ste geographische Beschreibung der Grenzen Polensenthält. Das in sechs Handschriften vorliegende undvon einer unübersehbaren Literatur begleitete Regestist die erste bekannte Schenkung eines Landes an densogenannten Apostolischen Stuhl. Darüber hinauswird dieser Rechtsakt allerdings nirgends bezeugt,vielleicht aber durch den von Polen immerhin entrich-teten »Peterspfennig« bestätigt.

Wollte freilich damit Mieszko I., wie man an-nimmt, die direkte Thronfolge für seine minderjähri-gen Kinder sichern, ist dies gründlich mißlungen.Denn kaum war er gestorben und ihm als Senior seinberühmter Sohn aus erster Ehe Boleslaw I. Chrobryder Tapfere (992–1025) gefolgt, da schaltete dieserdie Konkurrenten aus. Er verjagte seine StiefmutterOda samt Kindern nach Deutschland und ließ zweiweitere Verwandte blenden. So sicherte er sich seineAlleinherrschaft und, wenn nicht deshalb, dann trotz-

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5.013 Deschner Bd. 5, 570»...die Legionen zu sammeln«

dem, seinen Weg zum Ruhm. Sein kluger Vater undVorgänger aber hat mit dem Dagome-iudex-Regestdie Gründung einer eigenen Kirche vorbereitet unddamit die Unabhängigkeit Polens vom deutschenReich.

Boleslaw, der sich als tributarius St. Peters be-trachtete, war ein durchaus frommer Christ. Er hattedie Mission Adalberts gefördert, auch dessen Leich-nam den heidnischen Prußen abgekauft und diesen inder Marienkirche von Gnesen beisetzen lassen. Aller-dings hatte er auch das christliche Reich bedrängt,hatte er Pommern, Breslau, Krakau erobert und sichzum ersten König Großpolens gemacht, das damalsvom Baltischen Meer im Norden bis zum Kamm derSudeten und Karpaten im Süden reichte und vomLand der Russen bis zur Oder.

Polen war rasch immer mächtiger geworden, einbegehrter Bundesgenosse für die katholischen Kämp-fer. »Hand in Hand mit dem Papst konnte der Kaiserjetzt ruhig die Organisierung der Ostmission, die OttoI. hatte abbrechen müssen, von neuem in Angriff neh-men« (Hauptmann).18

Dabei mag beiden der Märtyrertod des Adalbertvon Prag sehr erwünscht gewesen sein. Dieser Sohndes Fürsten Slavnik von Libice (gest. 981) – der Na-mensgeber der mit den Přemysliden vielleicht ver-wandten, sicher aber scharf konkurrierenden und von

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5.014 Deschner Bd. 5, 571»...die Legionen zu sammeln«

ihnen Ende September 995 ausgerotteten Slavnikiden(vier seiner Söhne kamen um, der fünfte fiel ein knap-pes Jahrzehnt später) – Adalbert hatte angeblich nichtmehr die Lasterhaftigkeit seiner Diözesanen ertragen(oder, wie andere meinen: die Reibereien mit seinemOberherren Boleslav II., dem die Slavnikiden zumächtig schienen). Der Bischof reiste nach Rom,wurde von Papst Johann XV. zur Rückkehr genötigt,geriet wieder in Konflikte, eilte erneut nach Rom,Gregor V. schickte ihn abermals zurück. Er weiltenoch bei Kaiser Otto III. in Mainz, mit dem er dasSchlafgemach teilte (S. 551), und ging dann zu denheidnischen Prußen (Pruzzen).

Diese Altpreußen, deren Religion, eng verwobennoch mit der Natur, zahlreiche heilige Berge, Bäume,Wälder, Gewässer kannte, wehrten sich erbittertgegen ihre Christianisierung. Erst nach mehr als zwei-hundertjährigen Kämpfen, die besonders im 13. Jahr-hundert durch den Deutschen Orden bis zur Entvölke-rung ganzer Gebiete führten (S. 466), konnten diePrußen zur Annahme der Frohen Botschaft gezwun-gen, erst im 17. Jahrhundert endgültig mit den Deut-schen verschmolzen werden.

Bischof Adalbert wollte schon seinerzeit die Pru-ßen »mit dem Zaume heiliger Verkündigung« bändi-gen, wurde aber rasch Blutzeuge, was er angeblichimmer ersehnt hatte (obwohl er ja vor den eigenen Di-

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5.015 Deschner Bd. 5, 571»...die Legionen zu sammeln«

özesanen wiederholt davongelaufen war – mehr nochvermutlich vor dem Böhmenherzog Boleslav II., demAusrotter der Slavnikiden, freilich auch Erbauer zahl-reicher Kirchen und Klöster, daher »der Fromme«).Nun kaufte Polenfürst Boleslaw Chrobry »sofort umGeld Kopf und Glieder des herrlichen Märtyrers los«(Thietmar), und man errichtete gleichsam über derLeiche im Jahre 1000 das Erzbistum Gnesen. Ja Kai-ser, Papst und Boleslaw selbst waren einverstanden,ihn zum König zu erheben. Doch vermutlich prote-stierten die Fürsten. So konnte Otto beim Fest-schmaus dem »Freunde und Bundesgenossen«, dem»Bruder und Mitarbeiter am Reiche« die eigeneKrone nur symbolisch aufs Haupt setzen.19

Noch Bischof Thietmar aber, der den »verschlage-nen« Polen alles andere als schätzt, meldet von die-sem, Otto III. habe in Gnesen »einen Tributpflichti-gen zum Herrn gemacht« (tributarium faciens domi-num); und fleht Gottes Erbarmen auf den Kaiserherab, weil er Boleslaw »so hoch erhöhte«, daß dersich »unablässig erfrechte, Höherstehende allmählichin Untertänigkeit herabzuziehen, sie mit dem billigenKöder vergänglichen Geldes zu locken und zum Scha-den für Knechte und Freie zu fangen«.

Die polnische Seite sieht dies natürlich anders. Inder ältesten Chronik des Landes erscheint der Piasten-staat, jetzt Polonia genannt, innerhalb des imperium

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5.016 Deschner Bd. 5, 572»...die Legionen zu sammeln«

als ein Deutschland ebenbürtiges Reich. Herzog Bo-leslaw selbst, dieser »athleta Christi«, dieser »rexchristianissimus«, wie ihn die Zeitgenossen preisen,wird mit römischen Ehrentiteln überhäuft. Er wird»populi Romani amicus et socius«, Freund und Bun-desgenosse des römischen Volkes, wird »frater et coo-perator imperii«. Auch berichtet die älteste ChronikPolens, Otto habe dem Polenfürsten an kirchlichenEhren übertragen, »was im Reiche der Polen zum Im-perium gehörte«.

Nun schrieb freilich Gallus Anonymus, der süd-französische Benediktiner, seine »Cronica et gestaducum sive principum Polonorum« erst im frühen 12.Jahrhundert. Und er war überdies in der Kapelle Bo-leslaws III. Krzywousty (Schiefmund, 1085–1138)tätig, ja, sein Geschichtswerk wurde am polnischenHof Würdenträgern nicht nur vorgelesen, sonderndabei auch zensuriert.

Wie weit die Selbständigkeit des Polenherrschersdeshalb wirklich ging, ob ihn Otto zum patricius oderzum König ernannte, Polen also ein abhängiges oderunabhängiges Land war, ist bis heute heftig kontro-vers, besonders selbstverständlich zwischen der deut-schen und polnischen bzw. osteuropäischen For-schung, in der, neben vielem, nicht zuletzt der politi-sche Status quo mächtig herumspukt.

Unbestreitbar ist: Boleslaw empfing eine Nachbil-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.017 Deschner Bd. 5, 572»...die Legionen zu sammeln«

dung der (heute im Krakauer Domschatz befindli-chen) Heiligen Lanze, die den Empfänger zur »defen-sio ecclesiae« verpflichtete (und gab als Gegenge-schenk den Arm des hl. Adalbert). Auch die Rechtedes Kaisers über die polnische Kirche gingen auf Bo-leslaw über. Sein Ansehen wurde somit enorm gestei-gert, sein Ehrgeiz desgleichen. Und den Vorteil alldieser Würden- und Insignienverleihungen hatteschließlich nicht das römische Reich, sondern die rö-mische Kirche – bis heute.20

Aber die nationale Mission im Osten war nun ein-mal sehr mit dem Odium des »deutschen« Gottes be-lastet. Dies hatte erst 983 der Liutizenaufstand wiederdrastisch gezeigt. Deshalb machte Otto die PolnischeKirche selbständig. Als »Apostel im Dienste desHerrn« (Holtzmann), als »Knecht Jesu Christi«, einpaulinischer Titel, der die »apostolisch-kirchlicheRolle des Kaisers« hervorhebt und Ausdruck seiner»sehr engen Zusammenarbeit« mit dem Papst ist (Jed-licki) – wallfahrtete er im Jahr 1000 nach Polen,wurde an der Grenze von Boleslaw Chrobry »sehrfreudig« empfangen und sank in dessen HauptstadtGnesen tränengebadet am Grab des hl. Märtyrers nie-der.

Die Aufgabe Ottos im Osten, die auch der eben er-wähnte Titel »servus Jesu Christi« ausdrückt und mitder Auffassung des Kaisers wie der des Papstes über-

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5.018 Deschner Bd. 5, 573»...die Legionen zu sammeln«

einstimmt, hatte kurz vorher Gerbert, der künftigePapst, so formuliert: »die Legionen zu sammeln, indas feindliche Land einzubrechen, den Angriff derFeinde auszuhalten, sich selbst für das Vaterland, fürdie Religion und für das Wohl ... des Staates dengrößten Gefahren entgegenzustellen«.

Alle Aktionen in Gnesen entsprangen der Koopera-tion von Kaiser und Papst. Zweifellos mit diesem ge-meinsam gründete Otto anno 1000 das polnische Erz-bistum Gnesen auf der dortigen Burg – in Anwesen-heit des päpstlichen Legaten und Boleslaws I. Chro-bry und gegen den Widerstand des Posener BischofsUnger, eines Deutschen. Otto gab dem neuen Bistumeinen slawischen Heiligen, seinen Freund Vojtěch-Adalbert, gab ihm einen slawischen Erzbischof, näm-lich Adalberts Halbbruder Radim-Gaudentius, derAdalbert auf seiner Missionsreise zu den Prußen be-gleitet hatte. Und er unterstellte ihm die Suffraganbis-tümer Breslau, Kolberg, Krakau, vermutlich sogarweitere.

Mit dieser schicksalhaften Konzession an den Po-lenfürsten verfolgte der Kaiser religiöse und politi-sche Zwecke. Polen sollte so, ähnlich wie Ungarn,kirchlich gefestigt, enger ans Christentum gebundenund eine Ausfallbastion gegen den Paganismus imNorden werden. Zugleich wollte Otto dadurch natür-lich die Stoßkraft des Reiches verstärken, dieses wei-

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5.019 Deschner Bd. 5, 574»...die Legionen zu sammeln«

ter ausbreiten und ihm auch die Länder des Ostenseingliedern.

Polen war deshalb für die Christen interessanter alsBöhmen. Herzog Boleslaw, den man mit Ehren undGunstbezeugungen fast überhäufte, wies man Selen-cia, Pommern und Preußen als Missionsgebiete zu,wobei sich der Papst auch eine Verbesserung derkirchlichen Vermögensverhältnisse versprach. In mit-telitalienischen Klöstern und in Polen ließ man spezi-elle Missionare für die Slawenmission ausbilden,wobei die Ausländer bis auf Kleidung und Haar-schnitt sich den Slawen anpaßten.21

Auch hinsichtlich Ungarns arbeiteten Otto III. undder Papst zusammen. Dort hatte sich Waik, der SohnHerzog Gaisas von Ungarn, 996 taufen lassen undden Namen Stephan angenommen. Der Kaiser warsein Taufpate, und gemeinsam mit dem Papst geneh-migte er im April 1001 die Errichtung des ErzbistumsGran. Ein Schüler Adalberts, Ascherius, übernahm esund krönte als päpstlicher Legat Stephan mit einervon Otto übersandten Krone. Ähnlich wie in Polen,griffen also auch in Ungarn Kaiser und Kirche ge-meinsam nach Osten aus. Aber auch im hohen Nordenund im Süden, in Dalmatien, deuteten sich weitereMissionserfolge und Triumphe Ottos III. an. »Alsneuer Apostel begriff er sich. So traten in seinem Ide-enkreis die geistlichen Elemente in den Vordergrund«

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5.020 Deschner Bd. 5, 574»...die Legionen zu sammeln«

(Schramm).22

Bereits über unseren Zeitraum hinaus, Jahrzehnte ins11. Jahrhundert hinein reicht ein Pfaffenzwist, dernoch unter Otto III. beginnt und kulminiert und darumhier anschließend einbezogen werden soll.

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5.021 Deschner Bd. 5, 575Der Gandersheimer Streit

Der Gandersheimer Streit

Gandersheim, das älteste Familienstift der Liudolfin-ger, wurde von dem Grafen Liudolf, dem Ahnherrndes sächsischen Kaiserhauses, Mitte des 9. Jahrhun-derts gegründet (S. 375 f.). Erst hatte der frommeMann dazu sein Familiengut Brunshausen bestimmt,dann jedoch dafür einen kleinen, von Moor undSumpf umgebenen Hof ausersehen, eine Unterkunftseiner Schweinehirten. Nun gehörte Brunshausen zumBistum Hildesheim, der Schweinehirtenhof aber, dersich zum Nonnenkloster Gandersheim auswuchs, ver-mutlich zum Gebiet des Mainzer Erzbischofs. Dem-zufolge hatte die erste Äbtissin, ursprünglich fürBrunshausen vorgesehen, der Diözesanbischof Alt-fried von Hildesheim konsekriert, während die zweite,nur in Gandersheim wirkende, von den Bischöfen vonHildesheim und Mainz gleichzeitig ordiniert wordenwar.

Der Streit um das reichbegüterte Stift entzündetesich sozusagen durch Sophie, die älteste Tochter Kai-ser Ottos II. und der Theophanu. Bereits 979 als etwaVierjährige dem Stift Gandersheim übergeben, sollteSophie eine »Magd Gottes« werden, verschmähte esfreilich strikt, von ihrem Hildesheimer Bischof, »demHerrn Osdag, den heiligen Schleier zu empfangen,

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5.022 Deschner Bd. 5, 575Der Gandersheimer Streit

und wandte sich an Willigis. Denn sie hielt es fürunter ihrer Würde, von einem Bischof eingesegnet zuwerden, der kein Palliumträger war« (Vita Bernwar-di). Sie wollte einen Metropoliten, den mächtigenMainzer (wie sie später, zur Äbtissin gewählt, für dieWeihe wieder einen Palliumträger erbat und bekam),das versteht sich für demütige Christen von selbst.Der Erzbischof, unter dessen anregendem Einfluß sievermutlich ohnedies stand, brachte dafür um so mehrVerständnis auf, als das Erzbistum Mainz seit derGründung des Erzbistums Magdeburg schon die Bis-tümer Brandenburg und Havelberg verloren hatte,weitere Einbußen vermeiden wollte und auch »offen-bar mit Recht alte territoriale Ansprüche auf das Gan-dersheimer Gebiet erheben konnte« (Goetting).

So forderte Willigis erstmals anno domini 987 dieOberhoheit über das Kloster. Als dort am 18. Oktoberdie inzwischen etwa zwölfjährige Kaisertochter So-phie zur Nonne geweiht wurde (Willigis kämpfte kurzzuvor noch auf Ottos III. böhmischem Kriegszug),brach zwischen dem Erzbischof und seinem Suffra-gan, dem Bischof Osdag von Hildesheim, im Beiseindes siebenjährigen Königs, der Kaiserin Theophanunebst mehreren Bischöfen und Fürsten in der Kirchevor dem Altar über den Besitz von Gandersheim einlanger und heftiger Wortwechsel aus. Jeder der beidenBrüder in Christo rechnete das Stift seinem Sprengel

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5.023 Deschner Bd. 5, 576Der Gandersheimer Streit

zu, Willigis dem Erzbistum Mainz, Osdag seinemSuffraganbistum Hildesheim. Und der »HerrOsdag« – in einer zeitgenössischen Denkschrift als»simplicis animi vir« figurierend – ließ sich nichtdurch den Erzbischof einschüchtern, sondern »aufgöttliche Eingebung seinen Bischofsstuhl neben demAltar aufstellen, um auf diese Weise den Ort und seinHerrschaftsrecht zu verteidigen« (Vita Bernwardi).Der Streit endete damals nur mühsam mit einem Ver-gleich: Willigis zelebrierte ein feierliches Hochamtam Hochaltar und vollzog dann gemeinsam mitOsdag die Weihe Sophies, während die übrigen»Mägde Gottes« der Hildesheimer Bischof allein ein-segnete.23

Angeblich ging man danach »in bestem Friedenund Einvernehmen« auseinander und lebte in Ein-tracht sowohl unter Bischof Osdag wie seinem Nach-folger Gerdag (990–992). Doch unter dem hl. BischofBernward von Hildesheim (993–1022) flammte derStreit, in den auch Kaiser und Papst hineingezogenwurden, viel heftiger wieder auf und bereitete der»keimenden Liebe durch das Gift der Falschheit einEnde« (Vita Bernwardi).

Die Sache begann zum zweitenmal, als die NonneSophie mit etwa zwanzig Jahren zum großen Ärgerihrer (ebenfalls schon als Kind ins GandersheimerStift gesteckten) Äbtissin und Cousine Gerberga II.

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5.024 Deschner Bd. 5, 576Der Gandersheimer Streit

(949–1001), einer Nichte Ottos »des Großen« undLehrerin der Kanonissin und berühmten DichterinHrotsvit, Roswitha (gest. um 975), dem Kloster Gan-dersheim entsprang, um für immerhin mehrere Jahream Hof ihres königlichen Bruders ein etwas unkano-nisches Leben zu führen – »und ließ allerhand Ge-rüchte über sich kursieren« (Vita Bernwardi). Sieweilte übrigens gerade so lange am Hof, als dort Erz-kanzler Willigis noch amtierte. Zum gleichen Zeit-punkt, in dem er abtrat, kehrte auch die Prinzessinnach Gandersheim zurück. Pech für den Mainzer wares überdies, daß 993 Ottos hochgeschätzter Hofkapel-lan und Erzieher Bernward Bischof von Hildesheimwurde. Und wie Äbtissin Gerberga, die gestrenge,nahm auch der neue Hildesheimer Bischof, der sächsi-sche Graf Bernward, heftigen Anstoß an SophiesAusbruch – obwohl doch seine eigene Freundin, dieÄbtissin Mathilde von Quedlinburg, einst ein ganzesJahr, auch ziemlich außerhalb ihrer Klostermauern, inItalien verbracht hatte – was natürlich nicht die leise-ste Anspielung impliziert, übertraf Bernward doch»an Sittenreinheit selbst die bejahrtesten Männer«(Walterscheid).

Erzbischof Willigis dagegen, hoferfahren wie weni-ge, vermochte an solchen Eskapaden von dem Kaiser-haus angehörigen Nonnen nichts ungewöhnliches zusehen. Und Prinzessin Sophie, die Schutzbedürftige

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5.025 Deschner Bd. 5, 577Der Gandersheimer Streit

(patrocinanda), hetzte den Erzbischof »mit bittrenReden« auf, erklärte, »der Bischof Bernward habe ihrüberhaupt nichts zu sagen, das Kloster Gandersheimgehöre zur Diözese des Erzbischofs«, und brachtediesen »schwer gegen den Herrn Bernward auf« undnatürlich zur Erneuerung seiner Ansprüche auf Gan-dersheim. Ja, »Sophie war beständig an seiner Seite,wohnte bei ihm und betrieb Tag und Nacht ihreSache«, ein schönes Sätzchen, und doch im Originaleher aussagefähiger, inniger verwoben noch: »Sophiaassidue illi cohaerens et cohabitans, haec interdiunoctuque ambiebat.« Was freilich keinesfalls heißt,daß die Prinzessin, Ottos III. ältere Schwester, mitHans Goetting zu sprechen, mehr als »das geneigteOhr des Erzbischofs« besaß.

Das alles empörte den Sittenprediger Bernward.Zwar verdankte er Willigis so gut wie alles, hatte ihndieser schon zum Subdiakon, Diakon, Priester ge-weiht, vermutlich auch durch seine Fürsprache zumKaisererzieher gemacht, und dann noch auf den Hil-desheimer Bischofsstuhl gebracht; wie überhauptCharakter und Interessen der beiden nicht sehr ver-schieden waren. Nur freilich wollte jeder eben Gan-dersheim. Die Nonnen aber, wegen der schwer er-krankten Gerberga jetzt unter Führung der wieder insStift zurückgekehrten Sophie, verweigerten dem Hei-ligen aus Hildesheim die Obedienz. Bloß unter dem

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5.026 Deschner Bd. 5, 578Der Gandersheimer Streit

Schutz zahlreicher Ministerialen konnte er sich gegeneinen Haufen von Leuten, der ihn gegebenenfalls (na-türlich »cum iniuria«) davonjagen sollte, am 14. Sep-tember, Fest der Kreuzerhöhung, des Jahres 1000,den Zutritt zur Klosterkirche erzwingen und dort diehl. Messe feiern. Dabei schleuderten ihm allerdingsdie frommen Klosterfrauen, als man zur Opferung ge-langt war, ihre Oblationen unter wilden Flüchen vordie Füße, »mit unglaublichen Äußerungen des Zor-nes«, mit »wilden Schmähworten gegen den Bischof«,in dem sich doch noch fast ein Jahrtausend später fürdie Hildesheimer Diözese »das Andenken an ihregoldene Zeit« verkörpert (Wetzer/Welte). Wohl nurdank seiner bewaffneten Begleitung kam er unverletztdavon.24

Ganz anders wurde sechs Tage darauf ErzbischofWilligis von Mainz, gleichfalls mit großem Gefolge,in Gandersheim empfangen, wo er seine Besitzan-sprüche bekundete, während Bischof Bernward vonHildesheim nun direkt an Papst und Kaiser, seineneinstigen Zögling, appellierte, erkannte er ja klar,»daß das eingedrungene Gift nurmehr durch päpstli-ches und kaiserliches Gegengift auszutreiben war«.

Denn inzwischen hatte sich auf einer Synode inGandersheim im Spätherbst anno 1000 ein wilder Tu-mult ereignet, hatte der von den Dänen vertriebeneBischof Ekkehard von Schleswig, das Sprachrohr des

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5.027 Deschner Bd. 5, 578Der Gandersheimer Streit

vorsichtigerweise ferngebliebenen Bernward, dazuaufgerufen, die Synode zu unterlassen, worauf derKirchenfürst aus Mainz – auch er heute nicht nur dortals Heiliger verehrt – »in unvorstellbare Wut« gerietund drohte, den Bischof »mit Schimpf und Schandehinauswerfen« zu lassen. Der Metropolit, ganz klar,war das Opfer »böser Menschen« – »und erst rechtSophie setzte ihm beständig zu ...« So wurden zuletztseine eigenen Besitzansprüche auf Gandersheimdurch die Synodalen anscheinend anerkannt und derStreit von ihm für entschieden erklärt.

Auf einer weiteren, vom Papst befohlenen Synodein Pöhlde (Harz) am 22. Juni 1001, erschien nebendem päpstlich-kaiserlichen Legaten Kardinal Fried-rich, einem Sachsen, auch der hl. Bischof Bernwardmit einem ansehnlichen bewaffneten Aufgebot. Denn:»Als Bischof führte er einen Wandel genau nach derForderung des Apostels« – der ja auch schon zu JesuZeiten das Schwert geschwungen. (Heiligkeit ist»immer gesundes und blutvolles Leben, stets höchsteund gesammelte Kraft«; zumal »deutsche Heilige sinddeutsche Helden und deutsche Heldinnen, also auchFührerpersönlichkeiten des deutschen Volkes«,schrieb Johannes Walterscheid natürlich 1934, undnatürlich mit Imprimatur des Generalvikars von Kar-dinal Faulhaber, dem großen Widerstandskämpfer.Denn 1934 schien es den Herren »besonders ange-

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5.028 Deschner Bd. 5, 579Der Gandersheimer Streit

bracht, das deutsche Volk zu einer solchen Betrach-tung des Lebens der deutschen Heiligen hinzuführen«,sollten die deutschen Heiligen doch 1934 »die unent-behrlichen Helfer beim inneren Aufbau unseres Vater-landes sein ... vielleicht auch Kriegsführer, wie unseregroßen Bischöfe des Mittelalters ...«)

Da wären wir also wieder bei unserem Helden,beim hl. Bernward, und dem päpstlichen Legaten, dieseinerzeit von gegnerischen Bischöfen »in unglaubli-cher Weise« beschimpft, bedroht worden sind. Eskam »zu schier unbeschreiblichem Streit und Tumult.Denn dem Stellvertreter des Papstes gestand mannicht einmal einen angemessenen Sitzplatz zu. Einfürchterlicher Lärm brach aus, Recht und Gesetz wur-den mißachtet, jegliche kanonische Ordnung hörteauf.« Zuletzt drangen sogar Laien in die Kirche derGottesmänner. Und angeblich schrien natürlich »dieMainzer nach Waffen und stießen unerhörte Drohun-gen gegen den Stellvertreter des Papstes und gegenBischof Bernward aus.« »Tod den Reichs Verrätern«,schrien die Leute des Erzbischofs, des hl. Willigis,»nieder mit Bernward, nieder mit dem Cardinal Fried-rich.« Doch am nächsten Tag, Erzbischof Willigishatte sich in aller Morgenfrühe mit seiner Schar heim-lich aus dem Staub gemacht, suspendierte ihn derpäpstliche Legat feierlich von jeder priesterlichen Tä-tigkeit, worum sich der Mainzer freilich nicht küm-

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5.029 Deschner Bd. 5, 580Der Gandersheimer Streit

merte. Vielmehr suchten seine Vasallen bald darauf inder Nacht die Abtei Hildwardshausen heim, ein Ge-schenk des Kaisers für den hl. Bernward, von diesemselbst »aufs ehrerbietigste eingeweiht, sorgfältig fürden Dienst Gottes ausgestattet und durch viele Wohl-taten und Geschenke in reichem Maße ausgezeich-net«. Und natürlich waltete dort seine Tante als Äb-tissin. Jetzt aber »überfielen die Leute des Erzbi-schofs im Dunkel der Nacht die Abtei, drangen über-all ein und schlugen alles kurz und klein«.

Christen, nein – Heilige unter sich!Nun wollte der hl. Bischof Bernward im Kloster

Gandersheim »nach dem Rechten sehen«. Doch dieGandersheimer Nonnen setzten beim Anrücken Bi-schofs Bernwards ihr Kloster in Verteidigungszu-stand. Kastell, Türme und Schanzen wimmelten derartvon Bewaffneten des Stifts und des Mainzer Erzstifts,daß der heranrückende hl. Bischof sich schnellstenswieder in seinen – von ihm selbst – ummauerten undturmbewehrten Hildesheimer Dombezirk zurück-zog.25

Auf einer weiteren Synode in Frankfurt, im Som-mer 1001, auf der Bischof Bernward wieder fehlte –er schützte Krankheit vor –, stellten sich auch diemaßgeblichen deutschen Prälaten auf die Seite desMainzers. Und als der Papst am 27. Dezember 1001in Todi ein Konzil eröffnete, um Willigis angesichts

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5.030 Deschner Bd. 5, 580Der Gandersheimer Streit

der deutschen Bischöfe zu demütigen, fanden sich nurdrei von ihnen ein, wobei zwei, Siegfried von Augs-burg und Hugo von Zeits, schon seit längerem im Ge-folge des Kaisers standen, der dann kurz darauf, am23. Januar 1002 in Paterno starb.

Bernward von Hildesheim ging erst am 20. No-vember 1022 »zum besseren Dasein über« und wurde»bald durch leuchtende Wunder in den weitestenKreisen verherrlicht« (Wetzer/Welte). Er stieg in derganzen katholischen Christenheit zum Heiligen undNothelfer auf, indes die Mitte des 12. Jahrhunderts inMainz eifrig betriebene Kanonisation seines Gegnersdurch die Wirren, die dort zur Ermordung des Erzbi-schofs Arnold führten, ins Stocken geriet. Erst im 17.Jahrhundert brachte Willigis es zu einem heute fastvergessenen Mainzer Lokalheiligen, und auch diesnur »weil ein findiger Domprobst in der Erhebungseiner Gebeine eine gute Reklame zur Steigerung derEinnahmen des Stephansstiftes erblickte« (Böh-mer).26

Der Gandersheimer Streit war damit nicht beendet.Sophie, inzwischen Äbtissin in Gandersheim(1001–1039) – auf dessen Äbtissinnenstuhl noch bis1125 fast ausschließlich kaiserliche Prinzessinnensaßen –, dann auch zusätzlich Äbtissin in Vreden undEssen, agitierte weiter. Und Erzbischof Willigismachte immer wieder Mainzer Ansprüche auf Gan-

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5.031 Deschner Bd. 5, 580Der Gandersheimer Streit

dersheim geltend. Selbst als Kaiser Heinrich II. derHeilige im Januar 1007 den Streit zugunsten von Hil-desheim entschied, lebte er unter dem Mainzer Erzbi-schof Aribo II., einem Verwandten Kaiser Heinrichs,um 1021, kurz vor Bernwards Tod, noch einmal auf.Und obwohl Aribos reichspolitische Position schonunter Kaiser Heinrich stark war, unter dessen Nach-folger Konrad II., dessen Wahl er maßgeblich mitent-schied und den er 1024 in Mainz zum König, krönte,zunächst noch stärker wurde, stritt der Erfolgreicheum das Kloster bis 1030 so verbissen wie erfolglosmit dem von ihm selbst zum Bischof geweihten Kai-ser-Heinrich-Günstling Godehard von Hildesheim,übrigens einem weiteren Heiligen (Fest 5. Mai).27

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5.032 Deschner Bd. 5Anmerkungen zum fünften Band

Anmerkungen zum fünften Band

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.033 Deschner Bd. 5, 583Anmerkungen zum fünften Band

Anmerkungen zum fünften Band

Die vollständigen Titel der angeführten Sekundärlite-ratur stehen auf S. 623 ff., die vollständigen Titel derwichtigsten Quellenschriften und Abkürzungen imAbkürzungsverzeichnis auf S. 647 ff. Autoren, vondenen nur ein Werk benutzt wurde, werden in den An-merkungen meist nur mit ihren Namen zitiert, die üb-rigen Werke mit Stichworten.

1. KapitelKaiser Ludwig I. der Fromme (814–840)

1 Fichtenau, Das karolingische Imperium 217

2 Daniel-Rops 554

3 Nith. hist. 1, 3

4 Ann. Xant. 834

5 Ann. reg. Franc. 781; 806; 813. Thegan 3; 6 (hier-nach krönt Ludwig sich selbst), Astron. 3 f.; 20.LMA V 2171. Simson I 1 ff. Mühlbacher II 7. Hart-mann, Geschichte Italiens III 1. H. 77 f. Reinhardt 29f. Klebel, Herzogtümer 74. Aubin 144. Classen 109ff. Schramm, Kaiser, Könige und Päpste I 296 ff.Steinbach, Das Frankenreich 68 f. 71. Fleckenstein,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.034 Deschner Bd. 5, 583Anmerkungen zum fünften Band

Grundlagen und Beginn 104. Schlesinger, Kaisertum116 ff. Konecny, Eherecht 3. Deschner, Das Kreuz186. Rau I 213. Riché, Die Welt 21. Schieffer, DieKarolinger 112. Boshof, Ludwig der Fromme 86 ff.Zu eingangs angedeuteten Sexualexzessen des(hohen) Klerus vgl. auch: Mynarek, Eros, 29 ff. 49 ff.u.o. Ranke-Heinemann, Eunuchen 118 ff. Herrmann,H. Kirchenfürsten 165 ff. Deschner, Das Kreuz 124ff. 132 ff. 181 ff. Ders. Opus Diaboli 92 ff. ZumFrauenproblem in der Kirche in Geschichte und Ge-genwart vgl. etwa: Deschner/Herrmann 83 ff. Moia,Für die Frauen passim. Dies. Géint d'Pafen 109 ff. 6Greg. dial. 4,44. Ann. reg. Fr. 809. Astron. 3 f.; 6;10; 13 ff. Ermold. Nig. in honor. Hlud. 1, 56. Wet-zer/Welte VI 626 ff.

6 LMA I 1153; III 2160. HEG I 1009 f.; Simson I 37f. Mühlbacher II 7 f. 13, 148. Konecny, Eherecht 1 ff.bes. 10, 15. Fichtenau, Das karolingische Imperium215 f. Schieffer, Ludwig ›der Fromme‹ 58 ff. bes. 62ff. 70 ff. Ders. Die Karolinger 112 ff. Riché, Die Ka-rolinger 179 f. Ders. Die Welt 92 f. Wattenbach/Dümmler/Huf II 239, 261 f. Hartmann, Die Synoden153 ff. 165. Fried, Der Weg 369. Vgl. auch 401 f.Boshof, Ludwig der Fromme 5 f. 27 ff. 74 ff. Schmitz79

7 LMA II 1948 f. V 451 f. 903 f. 907 f. Hartmann,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.035 Deschner Bd. 5, 584Anmerkungen zum fünften Band

Die Synoden 155 ff. Zur »monastischen Reform«unter Ludwig s. auch Oexle 112 ff. Vgl. auch 141 f.Anm. 216. Ferner Goetz 108. Deschner, Dornrös-chenträume 169

8 LThK III1 592 f. III3 527 f. LMA III 1705 ff.(Schieffer). Nylander, 24. Lassmann 229. Hartmann,Der rechtliche Zustand 397 ff. Ders. Die Synoden 161ff. Ehlers 30. Brunner 37 f.

9 LMA I 216 f. (Boshof). Mühlbacher II 63. Konec-ny, Eherecht 14 f. Boshof, Erzbischof Agobard 100.Hartmann, Die Synoden 166 f. Vgl. auch 187, 192 f.Deschner, Abermals 453. Und prinzipiell für das Mit-telalter Gurjewitsch 274 ff.: »Die einzige Vorschriftder Kirche, die auf eine teilweise Umverteilung derGüter gerichtet war, beschränkte sich auf die Mah-nung zum Almosengeben.«

10 Ermold. Nig. in honor. Hlud. 2. Astron. 8. Konec-ny, Eherecht 2, 12 f. 21. Schieffer, Die Karolinger114, 119 f. Werner, Die Nachkommen 4, 443 f.Riché, Die Karolinger 179. Boshof, Ludwig derFromme 59 f. Wemple 79 f.

11 Astron. 40. Ann. reg. Fr. 826 f. Ann. Fuld. 828.LThK IX1 391 ff. Fichtinger 344. Vgl. auch Desch-ner, Abermals 268.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.036 Deschner Bd. 5, 584Anmerkungen zum fünften Band

12 Fast unglaublich und doch wahr ist auch folgen-des, das nicht nur des Kuriositätenreizes wegen imZusammenhang mit dem Patron der Schützenvereinemitgeteilt sei, sondern auch weil es zeigt, wie langsolch christlicher Wahn ganz ernsthaft fortwest.

Am Samstag, 22. Januar 1977, beging die »Kgl.privil. Hauptschützengesellschaft Würzburg« inder dortigen Augustinerkirche ihr hundertjährigesBestehen mit einer »Feier des ›Sebastian-Gottes-dienstes‹«, mit »Fahnenabordnungen«, auch ande-rer »Schützenfreunde«, mit »Königspaar« und»Ehren-Schützenmeister«, sogar einer »Schützen-schwester«, mit einer »Jagdhornbläsergruppe«nebst »Festgottesdienst«, wobei der »Zelebrant der(sic) Hl. Amtes« in seiner Predigt herausstellte,»daß die Schützengesellschaft, gruppiert um diealle Schützen vereinende Zielscheibe, das Ideal derKirche vollzieht«, sage die Kirche doch »ja zumSport, zur Gemeinschaft und zur Gesellschaft«, undinsofern »Liebe, Treue, Gemeinschaft bei der HSGverwirklicht werden, baut die Schützengesellschaftmit am Auftrage Christi und am Reiche Gottes.«Ist's nicht prächtig, wie nah hier die königlich pri-vilegierte Hauptschützengesellschaft Würzburg,wie nahe da die Zielscheibe an das »Ideal der Kir-che« samt dem »Reiche Gottes« rückt! Wundertman sich noch, daß die Augustiner-Patres »den Al-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.037 Deschner Bd. 5, 585Anmerkungen zum fünften Band

tartisch wieder (!) mit einer Reliquie, und zwareiner Pfeilspitze, welche den Hl. Sebastian durch-bohrt haben soll, geschmückt« hatten?! Ewig scha-de nur, daß, als der Königlich privilegierten Haupt-schützengesellschaft Würzburg im Anschluß anden Gottesdienst »nach altem Privileg der ›Seba-stiani-Trunk‹ gereicht« wurde, »dieses Jahr ein1975er Iphöfer Julius Echterberg«, derselbige nichtaus der Hirnschale ihres Heiligen in die Schützen-kehlen floß. Die Kgl. privil. HSG hätte sich (undkann dies ja auch künftig tun) an Ebersberg inOberbayern wenden sollen, da zumindest früher dieEbersberger »aus der angeblichen Hirnschale Seba-stians gesegneten Wein tranken« (Lexikon fürTheologie und Kirche).Den Hinweis auf die Würzburger Schützengesell-schaft – »ST. SEBASTIAN zur Ehr« – verdankeich einem Leser, der mir am 28. 2. 1977 eine ent-sprechende Beilage schickte mit der Schlußbemer-kung: »Ausführungen dazu erspare ich mir, nach-dem alles deutlich erkennbar ist. Daß ich per Jah-reswechsel der HSG die Mitgliedschaft aufkündi-gen werde und entsprechend begründet, steht außerZweifel. Ansonsten, es ist nicht zu fassen ...«

13 Ann. reg. Fr. 823; 825. Astron. 37; 42

14 »Jagd und Adel gehören zusammen, getreu demhöfischen Halali«, schreibt Karl August Groskreutz inKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.038 Deschner Bd. 5, 585Anmerkungen zum fünften Band

seinem hintersinnig versponnenen und oft so wort-wunderreichen Streifzug durch die Anatomie derSchweine-Menschen, einem wohl einzigartigen Werkin der zeitgenössischen deutschen Literatur. »Exakt116 106 Kreaturen hetzte und fing und schoß HerzogJohann I., Kurfürst von Sachsen in seiner Regierungs-zeit (1611–55), darunter allein 3192 Wildschweine,und selbst die persönlich von ihm ›erlegten‹ 27 Igelsind in der Jagdstatistik des Hofes aufgelistet worden.Exakt 5218 Stück Wild, mit 330 Wildschweinen dar-unter, ließ der verderbte Schubart-Herzog Karl Eugenvon Württemberg für seine Geburtstagsfeier am 20.Februar 1763 aus den Forsten seines Machtbereichesfür ein gar ergötzliches Massakrieren zusammentrei-ben und in Käfigen herankarren, und zwar ohneRücksicht auf die Schonzeiten; ebenbürtig den tyran-nischen Visconti von Mailand. Burckhardt sagt: ›Derwichtigste Staatszweck ist die Eberjagd des Fürsten;wer ihn darein greift, wird martervoll hingerichtet.Das zitternde Volk muß ihm fünftausend Jagdhundefüttern, unter der schärfsten Verantwortlichkeit fürderen Wohlbefinden.‹«

Ein Jäger und auch sonst grausamer Feind derTiere, der selbst Schweine schlachtete und in ihrenEingeweiden wühlte, war Karl IX. von Frankreich,der seiner Mutter Katharina von Medici 1572 seinEinverständnis auch zur Vernichtung der Hugenot-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.039 Deschner Bd. 5, 585Anmerkungen zum fünften Band

ten gab, worauf es zur »Pariser Bluthochzeit«, der»Bartholomäusnacht« kam, in der unter demSchlachtruf »Es lebe die Messe! Tötet, tötet!« dieKatholiken in wenigen Stunden 20000, vielleichtauch 30000 Hugenotten schlachteten, gefolgt vonrömischen Jubelgottesdiensten, Prunkprozessionenund einer Festmedaille Papst Gregors XIII. miteinem hugenottenabstechenden Engel samt eignemStellvertreter-Christi-Konterfei.Noch Kaiser Franz Joseph tötete bei einer Treib-jagd in Kürze 50 bis 70 Tiere. Und Kaiser Wil-helm II. ließ anläßlich seines 150000. Jagdmordeseinen Gedenkstein in der Ostpreußischen Heidesetzen. Jagd und Krieg hängen eng zusammen, undrecht gesehen ist die Jagd noch widerlicher als derKrieg, weil sie längst so gut wie immer völligwehrlosen Wesen gilt. – Vgl. vor allem Gros-kreutz, Der Schnauzenkuß 81 f. Heer, EuropäischeGeistesgeschichte 384 f. Ders. Europa 66, 88, 93.Goetz 199. Rösener III. Den Ritter und den Jägernennt M. Gilsenan 113 f. die »beiden klassischenSinnbilder einer bestimmten Herrschaftsform«.Deschner, Die Politik der Päpste I 572. Ders, OpusDiaboli 31.Das unendliche Elend der Tiere in der christlichenGeschichte, in Krieg und Frieden, wird von den Hi-storikern gewöhnlich ganz und gar unterschlagen.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.040 Deschner Bd. 5, 586Anmerkungen zum fünften Band

Um so verdienstvoller die wenigen Ausnahmenunter den Wissenschaftlern. Z.B. Singer, Befreiungder Tiere, ein überaus notwendiges Werk, passim.Vgl. bes. auch den Anhang 1, 275 ff. Ferner Sin-ger/Dahl 280 ff. Hermann, H., Passion der Grau-samkeit 26 ff. Moia, Géint d'Pafen, 193 ff. S. auchDeschner, Warum ich Christ, Atheist, Agnostikerbin 167 ff. Was ich denke 93 ff. Ärgernisse 55 ff.Bissige Aphorismen 84 ff.

15 Ann. reg. Fr. 820; 825 ff. Thegan 19. Astron. 19;32; 35; 40 ff. 46; 57 ff. LMA III 2160; V 270 ff.(Schwenk) HKG III/1, 120, 126. Simson I 34 f. 344.Wattenbach/Dümmler/Huf II 239. Mühlbacher II 48,133, 143. Brühl, Fodrum 31 ff. Fichtenau, Lebens-ordnungen 196 f. Fried, Die Formierung 12, 14. Voss161. Die Details über die Jagd verdanke ich vor allemdem materialreichen, in vieler Hinsicht sehr lesens-werten Buch von Pierre Riché, Die Welt der Karolin-ger 41 ff. 114. Vgl. bes. 94; hier das Zitat von Ermol-dus Nigellus. Boshof, Ludwig der Fromme 63. Wer-ner, Die Ursprünge 421 f. Zum ganzen Komplex:Lindner, Geschichte des deutschen Weidwerks II 235ff. u. – rechts- und sozialgeschichtlich betrachtet Jar-nut, Die frühmittelalterliche Jagd 765 ff.

16 Astron. 20. Schieffer, Die Karolinger 117. Fried,Der Weg 341 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.041 Deschner Bd. 5, 586Anmerkungen zum fünften Band

17 Ann. reg. Fr. 814. Astron. 21; 23; 44. Simson I 10ff. 33 f. Mühlbacher II 7 ff. Fichtenau, Das karolingi-sche Imperium 220 f. Weinrich, Wala 28 ff. Semmler,Ludwig der Fromme 28 ff. Fried, Der Weg 342 f. Ka-sten 100 f.

18 Nithardi hist. 2. Astron. 21; 23. Simson I 17 ff. 20ff. HKG III/1, 120 f. LMA I 105, 2023; V 162 f.Hartmann, Geschichte Italiens III 1. H. 92 f. 108 f.144. Mühlbacher II 8 ff. Weinrich, Wala 30 f. 33 ff.Konecny, Eherecht 11 f. Fichtenau, Das karolingischeImperium 221 f. Hartmann, Die Synoden 153. Schief-fer, Die Karolinger 112 ff. 120. Riché, Die Karolin-ger 180, 183 f. Fried, Der Weg 342 f. Boshof, Lud-wig der Fromme 91 ff. Zu Adalhard: Kasten passim

19 Thegan 8. Zum ungeheuren Reichtum der Kirchenheute und zu ihren Ausbeutungsmethoden vgl. H.Herrmann, Die Kirche und unser Geld passim. Ders.Caritas-Legende 93 ff. 255 ff. Ders. Kirchenaustritt80 ff. Ders. Pecunia non olet 226 ff. Ferner: Desch-ner/Herrmann 69 ff. 249 ff. 265 ff. Deschner, DasKapital der Kirche 299 ff.

20 Thegan 10; 20.

21 Ann. reg. Fr. 827. LMA IV 2121; V 806. SimsonI 23 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.042 Deschner Bd. 5, 587Anmerkungen zum fünften Band

22 LThK II3 200 f. LMA IV 1168 f. (Schild). Fich-tenau, Das karolingische Imperium 202. Riché, DieKarolinger 335 f. Boshof, Ludwig der Fromme 46 ff.Fried, Der Weg 345 f. Auch Prinz, Askese und Kultur61 ff. beurteilt die Weitergabe literarischer Kultur inden Klöstern »eher negativ«. Nicht organisierte Wis-sensvermittlung sei charakteristisch für das Kloster,sondern »Erweckungserziehung«. Zur Situation imfrühesten Mittelalter: Illmer passim bes. 65 f. 89 ff.153 ff. ebenfalls insgesamt mit sehr negativem Resul-tat.

23 Astron. 28. Vita Benedicti 35. LThK II1 147 f. II3

200 f. LMA I 1864 ff. Simson I 24 f. Hartmann, Ge-schichte Italiens III 1. H. 94. Mühlbacher II 11 ff. 19ff. 25 ff. 40. Cartellieri I 240. Löwe, Deutschland 171f. Steinbach, Das Frankenreich 71 f. Mayer, Staats-auffassung 172 ff. Zöllner 232 ff. Sprandel 100.Haendler 117 f. Kasten 91 ff. Fichtenau, Das karolin-gische Imperium 197 f. Schieffer, Die Karolinger 114f. Riché, Die Karolinger 334 ff. Hartmann, Die Syn-oden 153 ff. Ders. Herrscher der Karolingerzeit 46.Schneider, Das Frankenreich 38. Goetz 68 f. Fried,Der Weg 346 ff. Staubach 34 spricht von Ludwigs»marottenhaften« Vorlieben für Mönchswesen undFragen der Klosterdisziplin

24 Thegan 36. LMA V 10 f. 20, 625. Simson I 23 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.043 Deschner Bd. 5, 587Anmerkungen zum fünften Band

Hartmann, Geschichte Italiens III 1. H. 133. Levison517. Riché, Die Karolinger 339 f. Schieffer, Die Ka-rolinger 121

25 MG Cap. I 270 ff. Ann. reg. Fr. 817. HKG III/1,125. LMA III 1133 f. VI 1434 f. Simson I 100 ff.112 f. Mühlbacher II 22 ff. Cartellieri I 243. Rein-hardt, Untersuchungen 31 f. Conrad 102. Steinbach,Das Frankenreich 71 f. Tellenbach, Die Unteilbarkeit113. Fleckenstein, Grundlagen und Beginn 104 f.Schieffer, Die Karolinger 117 f. Hartmann, Die Syn-oden 160 f. Schneider, Das Frankenreich 38. Semm-ler, Ludwig der Fromme 28 ff. Fried, Der Weg 350ff., der (im Zitat) auch führende Adelsgruppen ein-schließt. Boshof, Ludwig der Fromme 129 ff. Werner,Die Ursprünge 421 ff.

26 Einh. vita Karoli 19. Ann. reg. Fr. 812 ff. bes. 817f. Thegan 22 f. Astron. 29 f. 39; 42. Nith. hist. 1, 2.Reginon, chron. 818. LMA I 1983, VI 2171. SimsonI 8 f. bes. 112 ff. 120 ff. Hartmann, Geschichte Itali-ens III 1. H. 102 ff. Cartellieri I 244. Mühlbacher II30 ff. Faulhaber 36. Mohr 80 f. Bund, 393 ff. Spriga-de 71 ff. Schaab 65 ff. Fichtenau, Das karolingischeImperium 241 f. Noble 315 ff. Riché, Die Karolinger181 f. Boshof, Ludwig der Fromme 141 ff.

27 Thegan 24. Nith. hist. 1, 2. Astron. 35. Chron.Moiss. 817. Simson I 127 f. 177. Mühlbacher II 32 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.044 Deschner Bd. 5, 587Anmerkungen zum fünften Band

62. Schaab 167. Sprigade 73 ff. Fichtenau, Das karo-lingische Imperium 243. Riché, Die Karolinger 182

28 Ann. reg. Fr. 822. Astron. 35. Simson I 177 ff.Mühlbacher II 61 ff. Schieffer, Die Karolinger 121.Riché, Die Karolinger 183. Boshof, Ludwig derFromme 147

29 Ann. reg. Fr. 820 ff. Nith. hist. 1, 3. LMA VI1201, 1754. Simson I 300 ff (mit einer Fülle vonQuellenbelegen). Mühlbacher II 11, bes. 64 ff. Ku-pisch 14. Riché, Die Karolinger 187. Duby 11 ff.Vgl. auch Schneider, Das Frankenreich 77. Geremek7 ff. 21 ff. Bentzien 53. Cipolla/Borchardt 30 ff.

30 Astron. 25 f. 34

31 Riché, Die Welt 98 ff.

32 Thegan 13; 15. Astron. 25 f. Ann. reg. Fr. 815 f.Simson I 52 f. 64 f. Mühlbacher II 44 f.R. Schneider,Das Frankenreich 37. Kretschmann, Die stammesmä-ßige Zusammensetzung 23

33 Ann. reg. Fr. 818. Thegan 25. Astron. 30. LMA II615 ff. Simson I 128 ff. Mühlbacher II 42 f. Schieffer,Die Karolinger 124. Boshof, Ludwig der Fromme100 f.

34 Ann. reg. Fr. 819; 821. Ann. Bertin. 839. Ann.Sith. 819. Astron. 31 f. dtv Lexikon VII 117. LMAKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.045 Deschner Bd. 5, 588Anmerkungen zum fünften Band

IV 1126 f. Simson I 140 f. 151. Dümmler 166 ff.Schieffer, Die Karolinger 123 f. Friedmann 193

35 Ann. reg. Fr. 819 ff. Thegan 27. Astron. 32 f. 36.Ann. Sith. 820. LMA II 463; V 1538, 2055. Simson I149 ff. 158 ff. 173 ff. Mühlbacher II 54 ff. Haupt-mann, Kroaten, Goten 325 ff. Ders. Die Kroaten imWandel der Jahrhunderte 12. Vernadsky 265, 279.Cartellieri I 245 ff. Zatschek 69 f. Pirchegger, Karan-tanien 272 ff. Schulze, Vom Reich der Franken 379.McKitterick 129. Babić/Belošević 81 ff.

36 Ann. reg. Fr. 822

37 Ebd. Astron. 35 f. Simson I 187 ff. Schieffer zit.nach HKG III/1, 141

38 Astron. 23

39 Ann. reg. Fr. 824. Thegan 31; 49. Astron. 30; 37.Tusculum Lexikon 90 f. LMA III 2160 f. Simson I216 ff. Mühlbacher II 43 f. Dümmler I 24 f. Ermol-dus Nigellus zit. nach Riché, Die Welt 98. Anton,Die Iren 606 ff. Godman 45 ff. 250 ff.

40 Mühlbacher II 58 f.

41 Simson I 311 mit den Quellenhinweisen

42 Ann. reg. Fr. 826 ff. Astron. 40 ff. LMA VI 1406.Simson I 47 ff. 267 ff. 273 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.046 Deschner Bd. 5, 588Anmerkungen zum fünften Band

43 Ann. reg. Fr. 824 ff. Ann. Fuldens. 828 f. LMAVI 1407 f. Simson I 223, 235 f. 253, 277, 297 f.Mühlbacher II 57 f. Schieffer, Die Karolinger 123

44 Ann. reg. Fr. 828. Astron. 42. Simson I 299

45 Ann. reg. Fr. 815. Astron. 25. Wetzer/Welte VI458. HEG I 580 f. LThK 1VI 494. Kelly 113 f. LMAV 1877 f. Simson I 60 ff. 234. Hartmann, GeschichteItaliens III 1. H. 96. Gregorovius I/2 478. Mühlba-cher II 14. Stratmann, Die Heiligen IV 173. Cartellie-ri I 241. Haller, Papsttum II 18, 24. Seppelt/Schwai-ger 96 f. Seppelt II 186 f. Prinz, Grundlagen und An-fänge 102. Schieffer, Die Karolinger 115. Riché, DieKarolinger 180. Hartmann, Die Synoden 120, 286.Moser 73. Peter de Rosa stellt die ausgerissenenAugen und die abgeschnittene Zunge als Tatsachedar: Gottes Erste Diener 58

46 Ann. reg. Fr. 816. Thegan 16 ff. Astron. 26. LPVita Steph. IV. 2, 49 ff. JW 1, 316 ff. LThK1 IX805, IX2 1039 f. HKG III/1 124. HEG I 584. Küh-ner, Lexikon 55. Kelly 114 f. Simson I 67 ff. Mühl-bacher II 14 ff. Gregorovius 12, 482 f. Cartellieri I241. Eichmann I 15 ff. 40 ff. Zur Krone generell: II57 ff. Fritze, Papst 43 ff. Aubin 152. Haller II 24.Seppelt II 200 ff. Ullmann 215 ff. bes. 218. Gontard177. Dawson 252. Ermoldus Nigellus zit. nach

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.047 Deschner Bd. 5, 588Anmerkungen zum fünften Band

Riché, Die Welt 91. Ders. Die Karolinger 180.Schieffer, Die Karolinger 115. O. Engels 23 f. Fried,Der Weg 344 f. Boshof, Ludwig der Fromme 136 ff.,wie oft etwas apologetisch, weshalb ihm Frieds Inter-pretation auch »nicht nachvollziehbar« ist. Oder S.162 Anm. 389, »ohne daß wir hier auf Einzelheiteneingehen könnten, nicht überzeugt«.

47 Ann. reg. Fr. 817. Kelly 115. LMA VI 1612.HEG I 585. Mühlbacher II 18. Gregorovius I 2, 484.Seppelt II 203 ff. Hahn 15 ff. Prinz, Grundlagen undAnfänge 108. Boshof, Ludwig der Fromme 139 f.

48 Ann. reg. Fr. 823. Astron. 36. Kühner, Lexikon56. Kelly 115. LMA VI 1752. Mühlbacher II 34.Cartellieri I 241, 247. Gregorovius II 1, 487. Schnü-rer II 29. Eichmann I 47 f. Seppelt II 205. Ullmann233 ff. Aubin 152. Riché, Die Karolinger 184.Schieffer, Die Karolinger 121 f.

49 Ann. reg. Fr. 823. Thegan 30. Astron. 37 f. Ann.Sith. 823. Kelly 114 f. LMA III 1673 ff. bes. 1681.HKG III/1, 129. Simson I 202 ff. Mühlbacher II 34 f.Gregorovius I 2, 488. Hartmann, Geschichte ItaliensIII 1. H. 111 ff. Cartellieri I 246 f. Haller II 25. Sep-pelt II 205 f. Seppelt/Schwaiger 97. Gontard 177.Zimmermann, Papstabsetzungen 37 f.

50 Ann. reg. Fr. 824. Thegan 30. LThK I1 985 mel-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.048 Deschner Bd. 5, 589Anmerkungen zum fünften Band

det, daß Baronius zur Annahme der Kardinalswürdedurch Androhung der Exkommunikation gezwungenwerden mußte. LThK I3 31 unterdrückt das peinlicheFaktum. Kelly 116. Simson I 213 ff. Gregorovius I 2,489. Seppelt II 206

51 Constitutio Romana: MG Capit. I 323 f. Vgl.auch: De imperatoria potestate in urbe Roma libellus:MG SS III 720. LP Vita Eugen 2, 69 f. JW 1, 320 ff.Ann. reg. Fr. 824. Astron. 38. Kühner, Lexikon 56.Kelly 116 ff. 133. LMA III 176 f. IV 295. VI 1752.HKG III/1 129 f. Simson I 225 ff. Hartmann, Ge-schichte Italiens III 1. H. 113 ff. Mühlbacher II 35 f.Cartellieri I 247. Gregorovius I 2, 487 f. Seppelt/Schwaiger 98. Seppelt II 205, 208 f. Haller II 25 f.Steinbach, Das Frankenreich 73. Löwe, Deutschland174. Fischer, Königtum, Adel 81. Prinz, Grundlagenund Anfänge 108. Schieffer, Die Karolinger 121 f.Hartmann, Die Synoden 173 ff.

52 MG Cap. 2, 4. MG Conc. 2, 606 ff. Astron. 35.Altaner/Stuiber 225 f. Kraft 448. Simson I 303, 315ff. Hartmann, Geschichte Italiens III 1. H. 96 ff. 128f. Dümmler I 48 ff. Cartellieri I 245. Steinbach, DasFrankenreich 72 f. Voigt, Staat und Kirche 419 f.Faulhaber 46 ff. 100 ff. Mohr 91 f. Löwe, Deutsch-land 181 f. Halphen, The Church 444. Bund 398 ff.Schieffer, Die Karolinger 121, 127. Riché, Die Karo-

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5.049 Deschner Bd. 5, 589Anmerkungen zum fünften Band

linger 183, 185. Vgl. dazu auch Gurjewitsch 196 ff.

53 Simson I 300 ff. mit vielen Quellenhinweisen.Dümmler I 46 f. Cartellieri I 252. Dörries II 217.Weinrich, Wala 60 ff. Goetz 27. Duby 12

54 Ann. reg. Fr. 819. Nith. hist. 1, 2. Thegan 25 f.Astron. 8; 32. Simson I 145 ff. (hier das Luden-Zitat).Mühlbacher II 39 f. Konecny, Die Frauen 99 f. Fich-tenau, Das karolingische Imperium 250 ff. (hier dasAgobard-Zitat).

55 Ann. reg. Fr. 828 f. Thegan 35 f. Astron. 43. Nith.hist. 1, 3. Mühlbacher II 40 f. Simson I 325 ff. Faul-haber 50 f. Sprigade 80 f. Boshof, Erzbischof Agobar195 ff. Weinrich, Wala 70 f. Fichtenau, Das karolin-gische Imperium 252 ff.

56 Ann. reg. Fr. 827; 829. Nith. hist. 1, 3. Astron.43. LMA I 1985. Simson I 330 ff. Mühlbacher II 74ff. Schieffer, Die Karolinger 127 f. Vgl. auch die folg.Anm.

57 Thegan 36. Astron. 44. Ann. Fuldens. 830. Ann.Bertin. 830. Regin. chron. 838. Pasch. Radbert. Epi-taph. Arsenii 2, 8. Agobard, Lib. apologet. 2. LMAIII 934, IV 2121, V 2123., VI 2170. Simson I 329,335 f. Mühlbacher II 74 ff. Boshof, Erzbischof Ago-bard 196 ff. 208. Weinrich, Wala 70 ff. Fichtenau,Das karolingische Imperium 167 f. Bund 401 ff.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.050 Deschner Bd. 5, 590Anmerkungen zum fünften Band

Riché, Die Karolinger 184 f. 187. Ders. Die Welt117, 222 f.

58 Nith. hist. 1, 3. Ann. Bertin. 830 f. Astron. 44 ff.Thegan 36. Ann. Mett. 830. Paschal. Radbert. VitaWalae 9 f. LMA III 225, 295, 1682. Simson I 335 ff.341 ff. 351 ff. II 1 ff. 232 ff. Mühlbacher II 82 ff.Dümmler I 56 ff. 65 ff. Cartellieri I 253 ff. 286 f.Sprigade 80 ff. Weinrich, Wala 74 ff. Konecny, DieFrauen 97 f. Fichtenau, Das karolingische Imperium257 f. 267 f. Schieffer, Die Karolinger 128 ff. Riché,Die Karolinger 187 f.

59 Thegan 39. Astron. 47 f. Ann. Fuldens. 832. Ann.Bertin. 832 f. Nith. hist. 1, 3 f. LMA I 216, VI 2170HKG III/I 140. HBG I 263 f. Simson II 17 ff. 32 ff.40 ff. Mühlbacher II 88 ff. 91 ff. Cartellieri I 244,246 f. 256. Hartmann, Geschichte Italiens III. 1. H.133 ff. Steinbach, Das Frankenreich. 73. Haller II 38.Seppelt/Schwaiger 98 f. Aubin 153 f. Bund 405 ff.Fleckenstein, Grundlagen und Beginn 105 f. 124 f.Schieffer, Die Karolinger 127 f. 130 f. Riché, Die Ka-rolinger 188 f.

60 Ann. Xantens. 833 Thegan 42. Ann. Fuldens. 833.Ann. Bertin. 833. Astron. 48. Nith. hist. 1, 4. Pas-chas. Radb. Epit. Arsen. 2, 14 ff. LMA III 1405.HKG III/1. 141. Dümmler I 74 ff. Simson II 31 ff. 44ff. 61. Mühlbacher II 98 ff. Hartmann, Geschichte Ita-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.051 Deschner Bd. 5, 590Anmerkungen zum fünften Band

liens III 1. H. 138. Cartellieri I 256. Voigt, Staat undKirche 448 ff. Boshof, Erzbischof Agobard 216 ff.Sprigade 78 f. Grotz 22. Steinbach, Das Frankenreich74. Weinrich, Wala 79 ff. Dawson 254 f. legt diepäpstliche Taktik noch zugunsten des Papstes aus.Seppelt/Schwaiger 99. Fleckenstein, Grundlagen undBeginn 125. Fichtenau, Das karolingische Imperium278 f. Riché, Die Karolinger 189 f. Schieffer, Die Ka-rolinger 131 f. Ullmann 246 ff. Bund 407 ff.

61 Astron. 48. Thegan 42 ff. Ann. Bertin. 833. Ann.Remens. 833. Ann. Fuldens. 834. Dümmler I 79 ff.Simson II 52 ff. 62 ff. 76. Mühlbacher II 100 ff. Hart-mann, Geschichte Italiens III 1. H. 139. Cartellieri I257. Boshof, Erzbischof Agobard 240 f., 253. Voigt,Staat und Kirche 448 ff. Bund 409 ff. Schieffer, DieKarolinger 132 f. Riché, Die Karolinger 190.

62 Zit. ebd. 191. Vgl. auch LMA V 144. HBG I 263f. Simson II 54 ff. 80 ff. Zum geistigen Werk vonRhabanus Maurus: Haendler 125 ff.

63 Nach Riché, Die Karolinger 190

64 LThK 1I 143 f. LMA I 216 f. Mühlbacher II 103ff. Rahner 181. Vgl. auch Deschner, Abermals 453,460. Boshof, Erzbischof Agobard 244. Wiegand 221,232, 247. Oepke 292 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.052 Deschner Bd. 5, 590Anmerkungen zum fünften Band

65 Nith. hist. 1, 3. Thegan 43. Ann. Bertin. 833.Ann. Fuldens. 834. Astron. 48 f. LMA I 216 f. V2124. HKG III/1 141. Simson II 63 ff. 66 ff. Mühlba-cher II 105 ff. Hartmann, Geschichte Italiens III 1. H.139 f. Dümmler I 84 ff. Cartellieri I 257 f. Mohr 98ff. Schöffel I 53. Zatschek 74. Wiegand 221. Boshof,Erzbischof Agobard 228 ff. 241 ff. Bund 413 ff.Schieffer, Die Karolinger 133. Riché, Die Karolinger190. Hartmann, Die Synoden 188

66 Simson II 72 ff. Mühlbacher II 109 f. SommerladII 192 f. Schöffel I 53

67 Astron. 51. Mühlbacher II 110 ff. Simson II 73 ff.Hartmann, Geschichte Italiens III 1. H. 140. Cartel-lieri I 258. Schöffel I 53

68 Astron. 54. Thegan 44 f. Ann. Bertin. 833 f. Flod.2, 20. LMA III 1527 f. Dümmler I 86 ff. Simson I207 ff. II 75. Hartmann, Geschichte Italiens, III 1. H.140. Bertram 33. Boshof, Agobard von Lyon 251.Schöffel 52 f. Haller II 42. Seppelt/Schwaiger 100.McKeon 437 ff.

69 Nith. hist. 1, 4

70 Ann. Bertin. 834. Nith. hist. 1, 3 ff. Astron. 50 ff.Thegan 48 ff. Simson II 79 ff. 84 ff. 102 ff. 113 ff.Dümmler I 90 ff. 97 ff. Mühlbacher II 110 ff. 116 ff.132. Hartmann, Geschichte Italiens III 1. H. 140 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.053 Deschner Bd. 5, 591Anmerkungen zum fünften Band

145. Cartellieri I 259. Steinbach, Das Frankenreich74. Hoffmann 11 f. Fichtenau, Das karolingische Im-perium 269, 284. Hlawitschka, Franken 54 f. Riché,Die Karolinger 191. Schieffer, Die Karolinger 133 f.Götting 56 ff.

71 Ann. Bertin. 835. Astron. 54. Thegan 56. LMA I661. Simson II 75, 120 f. 126 ff. 132 f. MühlbacherII 121 f. Hartmann, Die Synoden 188 f.

72 LMA III 1527 ff. Mühlbacher II 123, 217 f. Hart-mann, Fälschungsverdacht und Fälschungsnachweis111 ff.

73 Syn. Aachen 836 c. 5 f.; 12; 14. Simson II 148 ff.Mühlbacher II 126 ff. Hartmann, Die Synoden 190 ff.

74 Mühlbacher II 126, 128. Geremek 52. Staubach30 ff.

75 Ann. Bertin. 838 f. 844. Ann. Fuldens. 838; 840.Einh. vita Kar. 3; 5. Ann. reg. Fr. 760 ff. Astron. 59ff. Nith. hist. 1, 6 ff. LMA I 829 f. (Claude). VI2170. HBG I 264. Simson II 148 ff. 171 ff. 176 ff.195 ff. 217 ff. 222 ff. Dümmler I 268. Mühlbacher II133 ff. 137 ff. 144 ff. Nový, Die Anfänge 162 f.Schieffer, Die Karolinger 136 f. Riché, Die Karolin-ger 192. Ders. Die Welt 22

76 Astron. 62 ff. Ann. Bertin. 840. Ann. Fuldens.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1018: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.054 Deschner Bd. 5, 591Anmerkungen zum fünften Band

840. Ann. Xantens. 840. Nith. hist. 1, 8. Dümmler I135 ff. Simson II 228 ff. Mühlbacher II 47, 148.Schieffer, Die Karolinger 137.

77 Astron. 42 f. 51 f. 58 f. 62. Nith. hist. 2, 10; 3, 5;4, 5. LMA I 634, 2023, VI 1201

78 Ann. Xantens. 831 ff.

79 Ann. Bertin. 837 f. Ann. Xantens. 834 f. Nith.hist. 1, 3. LMA III 1264 f. V 1999 f. VI 1249 f.Dümmler I 102 ff. 122, 193 f. Mühlbacher II 49 f.131 f. 135. Hartmann, Geschichte Italiens III 1. H.143 ff. Steinbach, Das Frankenreich 74. Aubin 154.Mayr-Harting 94 ff. Riché, Die Karolinger 193. Ders.Die Welt 298 ff. Schieffer, Die Karolinger 134 f. 138,144. Hopfner, Wikinger 11 ff.

80 Hopfner ebd. Mühlbacher II 251, Riché, Die Welt299 ff.

81 Ann. Bertin. 838. Ann. Xantens. 834

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1019: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.055 Deschner Bd. 5, 591Anmerkungen zum fünften Band

2. KapitelDie Söhne und Enkel

1 Regin. chron. 876

2 Ann. Bertin. 854

3 Ann. Fuldens. 869

4 Regin. chron. 880

5 Fried, Die Formierung 61. Riché, Die Welt 298

6 Thegan 13. Riché, Die Welt 302 f. Leyser, Herr-schaft und Konflikt 15. Fried, Der Weg 368 ff.Schneider, Das Frankenreich 74 ff. Werner, Die Ur-sprünge 450. Vgl. zur zunehmenden Verknechtungder freien Bauern während des 9. bis 11. Jahrhun-derts: Rösener, Bauern 18 ff. bes. 26 ff. S. auchSchneider, Das Frankenreich 76 ff. Und zur »Ambi-valenz« der Kirche etwa Bentzien 54 f. Majoros beiUmeljić 13

7 Nith. hist. 2, 1. Ann. Bertin. 840. Ann. Xantens.840. Ann. Fuldens. 840. Regin. chron. 840. Flod.hist. Remens. 2, 20. Mühlbacher II 151 ff. Dümmler I139 ff. 148, 168, 253 ff. Riché, Die Welt 302 f.Schieffer, Die Karolinger 140. Fried, Die Formierung5 f. 60 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1020: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.056 Deschner Bd. 5, 592Anmerkungen zum fünften Band

8 Nith. hist. 2, 1; 4. Ann. Fuldens. 840. LMA VI1201. Mühlbacher II 152 ff. Werner, Die UrsprüngeFrankreichs 430

9 Nith. 2, 2 ff. Ann. Fuldens. 841. Ann. Bertin. 841.LMA IV 626. Mühlbacher II 157 ff.

10 Nith. hist. 2, 8 ff. 3, 1. Ann. Fuldens. 841. Ann.Bertin. 841. Regin. chron. 841. LMA IV 626 f. HEGI 594. Mühlbacher II 161 ff. 178. Pietzcker 318 ff.Rau I 383 f. Daniel-Rops 556. Schieffer, Die Karo-linger 140 f. Riché, Die Karolinger 196 ff. Fried, DieFormierung 61. Schulze, Vom Reich der Franken 326

11 Nith. hist. 3, 2; 4, 2 ff. Ann. Bertin. 841 f. Ann.Fuldens. 842. Ann. Xantens. 841 f. LMA IV 1928.Schulze, Vom Reich der Franken 326 f. Schieffer, DieKarolinger 141. Leyser, Herrschaft und Konflikt 14

12 Nith. hist. 3, 3. Ann. Bertin. 841. Mühlbacher II170 f.

13 Nith. hist. 3, 5. Mühlbacher II 171 ff. 195 f. Vgl.auch Banniard 214

14 Nith. hist. 3, 5; 7. 4, 1. Ann. Fuldens. 842. Ann.Bertin. 842. Ann. Xantens. 842. Mühlbacher II 173ff. Riché, Die Welt 23 ff. Schulze, Vom Reich derFranken 327

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1021: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.057 Deschner Bd. 5, 592Anmerkungen zum fünften Band

15 Nith. hist. 4, 7

16 LMA IV 577. Zit. nach Mühlbacher II 193 f. Vgl.zur Karls-Kritik die sehr gute Darlegung von Kahl,Karl der Große 94 ff. bes. 98 ff.

17 Nith. hist. 4, 3 ff. bes. 4, 7. Ann. Fuldens. 842 f.Ann. Bertin. 843. Ann. Xantens. 843. Taddey 559,744, 869. LMA IV 577, V 971, 2124 f. 2128 f. VI1289 f. Zum Vertrag von Verdun vgl. etwa die Litera-turangaben bei Reindel in HBG I 264 Anm. 120.Mühlbacher II 176 ff. 195 ff. Riché, Die Welt 21.Fried, Die Formierung 1 ff. 16 ff. 61 f. 65. Schulze,Vom Reich der Franken 327 ff.

18 Ann. reg. Fr. 817. Ann. Fuldens. 849. Chronic.Hildesh. 851. LMA III 2176 f. IV 1 f. 445 f. 1615 f.1713 f. V 71 (Fleckenstein), 910 ff. 2039 f. HBG I223, 260, 373 f. 467, 530 (Glaser). Dümmler I 26.Lindner, Untersuchungen 227 ff. Schur 24 ff. Poth-mann 746 ff. Werner, Die Ursprünge Frankreichs425. Störmer, Im Karolingerreich UG I 163 f. Prinz,Die innere Entwicklung HBG I 367 f. Schneider, DasFrankenreich 56. Schieffer, Die Karolinger 149 f.Nach Fried, Der Weg 392 f. steht Ludwig II. reser-viert gegenüber der Geistlichkeit. Voss, Herrschertref-fen 9 nennt im Anschluß an C. Brühl Ludwig II. nicht»Der Deutsche«, sondern »von Ostfranken«. DazuBrühl, Deutschland-Frankreich 140 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1022: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.058 Deschner Bd. 5, 592Anmerkungen zum fünften Band

19 Ann. Fuldens. 847. Ann. Bertin. 844, 853, 855.LMA IV 1615, V 2172 f. Dümmler II 426 ff. Mühl-bacher II 200, 206 ff. 210, 299. Schur 10 f. 13 ff.Lugge 59 ff. Löwe, Gozbald von Niederaltaich 164ff. Schieffer, Das Frankenreich 607 ff. Fried, Die For-mierung 16 ff. 57 f. Ders. Der Weg 392. Schulz, VomReich der Franken 332. Hartmann, Die Synoden 222ff, 466.

20 Ann. Bertin. 844; 851; 856; 867. Ann. Fuld. 844;851. LMA III 2177, V 2173 (W. Störmer). HBG I260 (Reindel). HEG I 607 ff. (Schieffer). Dümmler II424. Mühlbacher II 197 ff. 229 ff. Voigt, Staat undKirche 431. Schur 11 f. Zatschek 78 ff. 90 ff. Epper-lein 268 ff. Prinz, Innere Entwicklung HBG I 368.Vgl. auch 371 f. Werner, Die Ursprünge Frankreichs437. Riché, Die Karolinger 431. Ders. Die Welt 298.Schieffer, Die Karolinger 150. Fried, Die Formierung65. Hartmann, Die Synoden 208. Schulze, VomReich der Franken 378. Tellenbach, Die westlicheKirche F 19

21 Nith. hist. 4, 6. Ann. Bertin. 842. Ann. Xantens.843.

22 Ann. Bertin. 868; 873. Regin. chron. 870. LMAIV 514. Tusculum Lexikon 267 f. Dümmler II 321 ff.334 f. 356 ff. Simson I 326. Mühlbacher II 334 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1023: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.059 Deschner Bd. 5, 593Anmerkungen zum fünften Band

Grotz, 268 f. Sprigade 95 ff. Riché, Die Karolinger229 f. 237

23 Vgl. etwa Ann. Bertin. 844 f. 850. LMA V 967.HEG I 609. Schieffer, Die Karolinger 144 f. Riché,Die Welt 297. Fried, Die Formierung 64

24 Ann. Bertin. 851, 856 f. Regin. chron. 860; 866;874. LMA II 615 ff. III 211 f. 2149. IV 433, V 2172,VI 1228 f. HEG I 487 ff. 603 f. Kienast, Der Her-zogstitel 143. Werner, Die Ursprünge Frankreichs437

25 Ann. Fuldens. 844. Ann. Bertin. 844. LMA V159. Mühlbacher II 219 f. Sprigade 89 f.

26 Ann. Fuldens. 843 f. Ann. Bertin. 844. LMA VI2170 f. HEG I 603. Werner, Die Ursprünge Frank-reichs 437 f.

27 Ann. Bertin. 848 f. 852 ff. 864. Ann. Fuldens.851. Regin. chron. 853. LMA VI 2170 f. Dümmler I95 ff. 108 ff. Simson II 90 ff. 126 ff. Hartmann, Ge-schichte Italiens III 1. H. 141. Mühlbacher II 224,227. Bertram 34. Cartellieri 260. Aubin 154 f. Kern346. Voigt, Staat und Kirche 448 ff. Sprigade 90 ff.Boshof, Erzbischof Agobard 254 ff. Vgl. dagegen dieapologetischen Ausflüchte bei Dawson 253 ff. Rau II2 ff. Bund, 424 ff. Werner, Die Ursprünge 438 ff.Schieffer, Die Karolinger 145Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1024: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.060 Deschner Bd. 5, 593Anmerkungen zum fünften Band

28 MG Capit. II 263 ff. 277 f. Ann. Bertin. 852 ff.864. Regin. chron. 853. LMA V 29 f. 159, 967 ff.2174. VI 2170 f. Martindale, Charles the Bald 109,114. Sprigade 92 ff. Werner, Die Ursprünge 440.Schieffer, Die Karolinger 146

29 Ann. Fuldens. 853 f. Mühlbacher II 229 ff.

30 Ann. Fuldens. 854. Ann. Bertin. 854. MühlbacherII 231 ff. Werner, Die Ursprünge 440

31 Ann. Fuldens. 855. Ann. Bertin. 855. Regin.chron. 855. LMA II 1065. Mühlbacher II 234 f. Wer-ner, Die Ursprünge 441 f.

32 Ann. Bertin. 857 f. Ann. Fuldens. 858. LMA I440 f. Mühlbacher II 235 ff. 242 ff. 262. Werner, DieUrsprünge 441

33 Ann. Bertin. 860. Ann. Fuldens. 860. Ann. Xan-tens. 860. HEG I 604. Mühlbacher II 247 ff. 254 ff.Werner, Die Ursprünge 441. Voss 42

34 Ann. Xantens. 861 f. Über Staub als Reliquie undHeilmittel: Trüb 108 ff. – ein enthüllendes Buch überden christlichen Heiligenkult

35 LMA VII 2000 f. HEG I 160 f. 362 f. Vernadsky252 ff. Jireček 61 ff. 81 ff. 100 ff. Dannenbauer II 7.Rice 140. bes. 33 ff. Herrmann, J., Urheimat und Her-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.061 Deschner Bd. 5, 594Anmerkungen zum fünften Band

kunft, Einleitung 12 f.

36 Viele Quellenbelege bei Herrmann, Slawisch-ger-manische Beziehungen 21 ff. LMA III 1779, VII2001. Hauck II 350 ff. Stadtmüller 88 ff. Ewig 55.Bosl, Europa im Mittelalter 155 f. 175. Störmer, Frü-her Adel 202. Stern/Bartmuss 116 f. Vgl. auch dieRezension von B. Wachter in: ZO 1972, 539 ff. An-gelov/Ovčarov 58 ff.

37 LMA III 1779 ff. HEG I 364. Waldmüller III ff.Fried, Die Formierung 16. Babić/Belošević 81 ff. 88ff. Friesinger 109 ff. Kahl, Zur Rolle der Iren 375 f.

38 Ann. Fuldens. 845. Taddey 727. LMA III 1779.Kaiser 9 f. Vgl. Huber, Die Metropole 24 ff. Ders.Das Verhältnis 58 f. Schieffer, Das Frankenreich: inHEG I 600 f. Hellmann, Die politisch-kirchlicheGrundlegung: in HEG I 862 f. Mühlbacher II 202.Naegle I 43 ff. II 226. Hilsch, Die Bischöfe von Prag25. Schulze, Vom Reich der Franken 378 f.

39 Ann. Fuldens. 847. Ann. Xantens. 850

40 Ann. Fuldens. 849. Ann. Bertin. 853. Schulze,Vom Reich der Franken 378

41 Bonifat. ep. 73. Ann. Bertin. 853. Notker, GestaKaroli 2, 12. Hauck II 351 ff. Zöllner 195 ff. Donnert357. Lubenow 10. Fried, Die Formierung 16. Zur Si-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.062 Deschner Bd. 5, 594Anmerkungen zum fünften Band

tuation vor Bonifatius: M. Werner, Iren und Angel-sachsen 239 ff. Vgl. zur Verteufelung Andersgläubi-ger auch: Patschovsky, Der Ketzer als Teufelsdiener317 ff. Tellenbach, Die westliche Kirche F 17 ff. 22

42 LMA VI 1557 f. Hauck II 728 (dort über Otfridvon Weißenburg mit Quellenangabe).

43 Vgl. Bonifat. ep. 80. Regin. chron. 866. Helm.Chron. Slav. 68. LMA V 1931 f. Erdmann, Heiden-krieg in der Liturgie 57. H. Hirsch, Der mittelalterli-che Kaisergedanke 22 f. Holtzmann, Geschichte I179. Donnert, Studien zur Slawenkunde 329. Schle-singer, Die mittelalterliche Ostsiedlung 45. Bünding-Naujoks 67 ff. 113. Kosminski/Skaskin 158 f. Stern/Bartmuss 123. Epperlein 263 ff. Schneider, Das Fran-kenreich 65. Leyser, Herrschaft und Konflikt 14 ff.

44 Herrmann, Materielle und geistige Kultur 259 ff.Dörries II 182 f. Leyser, Herrschaft und Konflikt 14ff.

45 Ann. Fuldens. 857; 871. Regin. chron. 892.Thietm. 1, 4. Schnürer II 13. Aufhauser 1. Weller,Württembergische Kirchengeschichte 47 f. Bosl, Her-zog, König und Bischof. 270. Ders. Bayerische Ge-schichte 61 ff. Ders. Europa 175

46 Ann. Fuldens. 874; 877. Dümmler II 372Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1027: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.063 Deschner Bd. 5, 594Anmerkungen zum fünften Band

47 Ann. Fuldens. 873 ff. Ann. Xantens. 873. Mühl-bacher II 333 ff. Jeggle 109 f.

48 LMA VII 2001 f. HEG I 360, 364, 890. K. Schü-nemann, Deutsche Kriegsführung im Osten währenddes Mittelalters, in: DAM Bd. 2 1938 S. 55 ff. Ichbeziehe mich hierbei auf Hensel, Die Slawen im frü-hen Mittelalter 443. Menzel I 406. Bauer, Der Liv-landkreuzzug 27. Bünding-Naujoks s. Anm. 43.Fried, Die Formierung 20

49 Ann. reg. Fr. 822.

50 Ann. Fuldens. 846. LMA VI 106 f. 720 f. VII232. HBG I 261 ff. 265 f. 443 (Prinz). Auf die Zu-sammenfassung der Quellen zur Geschichte des Groß-mährischen Reiches verweist Novy, Die Anfänge 166Anm. 67. Zur Grenze des Großmährischen Reiches:Klebel 19 ff. Mühlbacher II 204 f. Graus, Die Ent-wicklung der Legenden 161 f. Kosminski/Skaskin151. Schieffer, Die Karolinger 150. Schulze, VomReich der Franken 381 f. Erdelyi 155 f. Chropovský161 ff.

51 Hilsch, Die Bischöfe von Prag 25. Graus, Die Ent-wicklung der Legenden 161 f.

52 Ann. Bertin. 846; 848 f. 850. Ann. Fuldens. 844ff. 849. Ann. Xantens. 844 ff. 849. HBG I 265 f. Vgl.zu Großmähren vor allem die Magnae Moraviae Fon-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1028: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.064 Deschner Bd. 5, 595Anmerkungen zum fünften Band

tes Historici, 5 Bde 1966/1977. Hauck II 713 ff. Auf-hauser 1. Hilsch, Die Bischöfe von Prag 25. A.v.Müller, Geschichte unter uns. Füßen 125 u. Tafel 25.Hellmann, Grundfragen slavischer Verfassungsge-schichte 387 ff. Novy, Die Anfänge 173. Bosl, Her-zog, König und Bischof 271, 278 f. Schieffer, DieKarolinger 150. Hartmann, Die Synoden 228 ff.

53 Ann. Fuldens. 850 f. Rau III 2 f. Vgl. Geremek 51f.

54 Ann. Fuldens. 852; 855. Ann. Bertin. 855. HBG I266 Hartmann, Die Synoden 228 ff.

55 Ann. Fuldens. 855 ff. Ann. Bertin. 856 f. 862

56 Ann. Fuldens. 864; 869; Ann. Bertin. 869

57 Ann. Fuldens. 857; 871 f. HBG I 265 f. Mitterau-er 91 ff.

58 Ann. Fuldens. 861 ff. Ann. Bertin. 861 f. 864 ff.870. Ann. Xantens. 871. Regin. chron. 880. LMA III2176 f. V 996. HBG. 265 ff. Mühlbacher II 321 ff.bes. 323 f. Bund 469

59 Ann. Fuldens. 866, 883, 885, 887, 889. Ann. Ber-tin. 862; 866. LMA V 996. HBG I 277. Schur 24 ff.

60 Ann. Fuldens. 858; 866; 871 ff. Ann. Bertin. 862;866. Ann. Xantens. 873. LMA V 2174. Mühlbacher

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.065 Deschner Bd. 5, 595Anmerkungen zum fünften Band

II 325 f. 333 f. Trüb 73 ff.

61 Ann. Fuldens. 874

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1030: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.066 Deschner Bd. 5, 595Anmerkungen zum fünften Band

3. KapitelDas Papsttum in der Mitte des 9. Jahrhunderts

1 S. Anm. 8

2 s. Anm. 9

3 s. Anm. 10 f. 13

4 Regin. chron. 868

5 LP 2, 52 ff. JW 1, 318 ff. Ann. reg. Fr. 824. LMAIV 78; VI 1752. Kühner, Lexikon 56 f. Kelly 116 f.Seppelt II 207, 214. Haller II. 27. Kolmer 5

6 LP 2, 86 ff. JW 1, 327 ff. Ann. Bertin. 844. Ann.Xantens. 844, 846. Ann. Fuldens. 843. Kühner, Lexi-kon 57. Kelly 118 f. LThK IX1 492. LMA III 1404.Mühlbacher II 213 ff. Hartmann, Geschichte ItaliensIII 1. H. 221 f. Haller II 27 ff. Seppelt II 220 ff. Sep-pelt/Schwaiger 100. Grotz 30. Riché, Die Karolinger212. Schieffer, Die Karolinger 148

7 LP 2, 106 ff. JW 1, 329 ff. Wetzer/ Welte VI 458ff. LThK VI1 494. Dümmler I 305 f. 393. Hartmann,Geschichte Italiens III 1. H. 216 f. Gregorovius I 2,510 ff. Cartellieri I 284. Haller II 29. Seppelt II 224f. Grotz 31 f. Hlawitschka, Franken 60. Zimmermann,Das Papsttum 80

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.067 Deschner Bd. 5, 595Anmerkungen zum fünften Band

8 Ann. Bertin. 847. LMA V 1878. Gregorovius I 2,509 f. Hartmann, Geschichte Italiens III 1. H. 224 f.Cartellieri I 284. Höffner 54. Grotz 32 f. Haller I 52f. 71. Gontard 178. Seppelt/Schwaiger 101. Ahlheim172. Bünding-Naujoks 85. Riché, Die Karolinger212. Schieffer, Die Karolinger 148

9 Ann. Bertin. 850. Wetzer/Welte VI 460. Pierer IV181. LThK VI1 494. Kelly 119 f. dtv Lexikon 2, 36.LMA I 145, 634, V 1878, 2177, VI 1752. Mühlba-cher II 218 f. Gröne I 351 ff. bes. 358. Gregorovius I2, 492 ff. 505 ff. Haller II 28 f. 51 f. Seppelt II 221ff. 234 f. Kühner, Das Imperium der Päpste 95. Gib-son/Ward-Perkins I/II 30 ff. 222 ff. Deschner, OpusDiaboli 22. Schieffer, Die Karolinger 148 f.

10 Wetzer/Welte VIII 849 ff. (dort die genanntenMast, Roßhirt, Luden). Pierer II 900, III 817, XIII662 f. Taddey 536, 968. dtv Lexikon 12, 91; 14, 295(hier das Seckel-Zitat) LMA V 29 f. (Schieffer),1710. Auch Dümmler I 231 spricht von den »großar-tigen Fälschungen«. Cartellieri I 302 f. Seckel, Pseu-doisidor 267. Schubert II 416, 537. Haller II 45. Sep-pelt/Schwaiger 103. Kühner, Das Imperium der Päp-ste 96 ff. Grotz 46, 48. Neuss 76. Dawson 256 f., derfreilich, wie stets, apologetisch argumentiert. VieleBelege bei Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung 8, 61f. 95 f. 112 ff. 122, 232 u. ders. in LMA VII 308 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.068 Deschner Bd. 5, 596Anmerkungen zum fünften Band

Ders. Zur Überlieferung des Pittaciolus 518. Vgl.auch Brunner 94. Haendler 123 f. Außer zu den Fäl-schungen in III 1. Kap. (187 Seiten!) u. IV 393 ff.vgl. etwa Landau 11 ff. Hartmann, Fälschungsver-dacht und Fälschungsnachweis 111 ff. 118 ff. Schnei-der, Ademar von Chabannes 129 ff. Pitz, Erschlei-chung und Anfechtung passim. Ranke-Heinemann,Nein und Amen 257 ff.

11 Pierer XIII 662 f. dtv Lexikon 4, 149. LThK VIII1

549 ff. VIII2 864 ff. LMA I 635, 677, 1857. Barden-hewer II 637 ff. Dümmler I 231 f. Gregorovius I 2,538. Hauck II 546 ff. Cartellieri I 303. Fuchs/Raab650 f. Neuss 76 f. Grupp II 176 f. Schubert II 415 f.536 f. Haller II 45 ff. Seppelt II 236 ff. Kühner, DasImperium der Päpste 95 f. Ullmann 261 ff. Fuhrmann,Die Fälschungen im Mittelalter 531. Ders. Einflußund Verbreitung I 4, 8, 67, 137 ff. 167 ff. 194 ff. 232f. Schieffer, Kreta, Rom und Laon 15

12 Dümmler I 232 ff. Gregorovius I 2, 538. Hauck II547 ff. Schubert II 415 f. Haller II 45 ff. Voigt, Staatund Kirche 431 f. Kantzenbach 62, 85 f. Seppelt II237 f. Seppelt/Schwaiger 102. Grotz 47. Ullmann270. Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung I 4, 145 ff.

13 Nikolaus I. verteidigt die Pseudoisidorischen De-kretalen in seinem Brief vom Januar 865 an die galli-schen Bischöfe: Mansi 15, 693 ff. MG Epp. VI 393 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.069 Deschner Bd. 5, 596Anmerkungen zum fünften Band

CIC can. 222 § 1. Taddey 968. Kelly 328. Schubert II416. Grupp II 176 f. Wühr 106 f. 116. Seppelt/Schwaiger 103. Ullmann zit. bei Kühner, Imperiumder Päpste 95 ff. Fuhrmann, Die Fälschungen im Mit-telalter 531. Ders. Einfluß und Verbreitung 4, 167 ff.194 ff. Zur Diskussion der Wirkungsgeschichte derPseudoisidorischen Dekretalen vgl. auch Fuhrmann,Päpstlicher Primat 313 ff. Hellmann, Die Synode vonHohenaltheim 298

14 Pierer XIII 662 f. Dümmler I 232 f. Gregorovius I2, 538. Haller II 46 ff. Ullmann 273 f.

15 LP 2, 140 ff. JW 1, 235 f. Ann. Bertin. 855. Küh-ner, Lexikon 59 f. Kelly 121 f. LThK IV3 1090 LMAI 573 f. Wattenbach/Dümmler/Huf 2, 349. HKG III/1, 193. Gregorovius I 2, 519 ff. 540. Hartmann, Ge-schichte Italiens III 1. H. 237 ff. 245 f. Gröne I 361.Haller II 52 ff. Seppelt II 230 ff. Seppelt/Schwaiger102. Grotz 33 ff.

16 LP 2, 151 ff. JW 1, 341 ff. Ann. Bertin. 858.Kelly 123. Gregorovius I 2, 522. Seppelt II 241. Sep-pelt/Schwaiger 103. Haller II 54 f. Grotz 18, 40.

17 Ann. Mett. prior. 753. Kelly 123. Haller II 54 ff.Seppelt II 241

18 Epist. sive Praef. MG Epp. VII 395 ff. Kelly 123f. LMA I 573, VI 1168 f. HKG III/1 164. Gregorovi-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.070 Deschner Bd. 5, 597Anmerkungen zum fünften Band

us I 2, 536 ff. Haller II 69 ff. Seppelt II 243 ff. Küh-ner, Das Imperium 101 f. Riché, Die Karolinger 212f.

19 Regin. chron. 868. Kelly 124. Wattenbach/Dümm-ler/Huf 2, 349. HKG III/1 165. Haller II 55, 69 f.Seppelt II 242

20 Kelly 123. HKG III/1 164 ff. Gregorovius I 2, 522f. Seppelt II 249 ff. Riché, Die Karolinger 212 f.

21 Ann. Bertin. 861 f. Kelly 123. HKG III/1 166.Haller II 71. Seppelt II 252 ff. Rau II 2 f.

22 Ann. Bertin. 855; 863. Regin. chron. 855. Ann.Fuldens. 855. LMA II 428 f. V 971, 2124 f. 2177.Dümmler I 391 f. 397, 399, II 4. Mühlbacher II 233f. Hauck II 530. Zöllner 245 ff. Schlesinger, Karolin-gische Königswahlen 234 f. Kienast, Deutschlandund Frankreich I 51 f. Fleckenstein, Grundlagen undBeginn 126 f. Fried, Der Weg 397 f.

23 LMA III 1629. Mühlbacher II 259. Hauck II 560f. Hartmann, Die Synoden 274

24 Ann. Bertin. 860; 862; 864. Regin. chron. 864;866. Ann. Xantens. 865. MG Cap. II 463 ff. LThKIV3 942 f. LMA IV 1594 f. Dümmler II 5 ff. 110.Hartmann, Geschichte Italiens III 1. H. 262. Mühlba-cher II 260 ff. 270 f. 284. Cartellieri I 295 ff. Brühl,

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.071 Deschner Bd. 5, 597Anmerkungen zum fünften Band

Hinkmariana 58 f. Schrörs 184 ff. Ehrhard, Kircheder Märtyrer 103. Neuss/Oediger 154 ff. Haller II 63ff. Deschner, Abermals 343 ff. bes. 347. Konecny,Die Frauen 97. Seppelt II 260. Grotz 43 f. Hartmann,Die Synoden 274 ff. Fried, Der Weg 398. Staubach119

25 Ann. Bertin. 863. Ann. Fuldens. 863. Ann. Xan-tens. 864. Regin. chron. 864. Dümmler II 61 ff.Mühlbacher II 278 f. Gregorovius I 2, 527. Hart-mann, Geschichte Italiens III 1. H. 255 f. Neuss/Oediger 154 ff. Haller II 65 f. 87. Seppelt II 261 f.Grotz 88 ff. Konecny, Die Frauen 109. Hartmann,Die Synoden 280 ff.

26 Ann. Bertin. 863. Ann. Xantens. 864 f. DümmlerII 68 f. 71. Mühlbacher II 279 f. Gregorovius I 2, 527f. Hartmann, Geschichte Italiens III 1. H. 256 f.Steinbach, Die Ezzonen 851. Haller II 65, 67.Neuss/Oediger 156 f. Seppelt II 262. Grotz 91 f. Ko-necny, Die Frauen 109. Hartmann, Die Synoden 282f.

27 Ann. Xantens. 866. Hinkm. De divortio Lothariireg. et Tetb. regin. (Migne PL 125, 623 ff.) DümmlerII 13 ff. 38. Mühlbacher II 283. Cartellieri I 296,312. Mayer, Mittelalterliche Studien 22. Löwe,Deutschland 186. Brühl, Hinkmariana 56 ff. Haller II63 ff. Neuss/Oediger 158 f. Steinbach, Das Franken-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.072 Deschner Bd. 5, 597Anmerkungen zum fünften Band

reich 77. Grotz 44 ff. 88 f. Konecny, Die Frauen 105f. 114 ff. Anton, Fürstenspiegel 282, 329, 425. Penn-dorf 54 ff. Staubach 150 ff.

28 Ann. Bertin. 864. Dümmler II 69 ff. MühlbacherII 280 f. Gregorovius I 2, 528 f. Hartmann, Geschich-te Italiens III 1. H. 258 ff. Cartellieri I 301 f. Neuss/Oediger 158. Haller II 73 f. Perels, Papst Nikolaus I.217 ff. Ders. Propagandatechnik 423 ff. Hartmann,Die Synoden 283 f.

29 Regin. chron. 865; 868. Ann. Bertin. 867; 869.Ann. Fuldens. 864, 867. Ann. Xantens. 871. Mühlba-cher II 294 ff. 305. Seppelt II 265. Grotz 97. Strat-mann, Das Recht der Erzbischofsweihe 60. Zapperi15

30 Dümmler II 237 ff. 243 f. Mühlbacher II 289 ff.299. Gregorovius I 2, 541 f. Hartmann, GeschichteItaliens III 1. H. 278 f. Cartellieri I 301, 304, 309.Grupp II 177 f. Pothmann 759. Haller II 68, 76 f. 91,96. Seppelt/Schwaiger 109 f. Grotz 97, 192 f.

31 Häring III 322. Vgl. dazu Deschner, Das Kreuz236 ff. bes. 239. Hartmann, Die Synoden 167 (mitVerweis auf MG Cap. I 304 f.) und 275

32 LP 2, 173 JW 1, 368 ff. Ann. Bertin. 867 f. Kelly124. LMA IV 1822. Dümmler II 222 f. 232 f. Hart-mann, Geschichte Italiens III 1. H. 270 f. Haller II 89Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1037: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.073 Deschner Bd. 5, 598Anmerkungen zum fünften Band

ff. Cartellieri I 308 f. Seppelt II 285 f. Jesuit Grotz,16, stellt eine auf pure Annahme beruhende Rechnungauf, nach der Hadrians Vater Talarus bei der GeburtHadrians »etwa 20 Jahre alt« gewesen sei. Darausschließt er, daß T. zwar Kleriker, aber »sicher nochnicht Priester« war. Als habe es nicht schon jüngereBischöfe gegeben! Vgl. auch Grotz ebd. 24 ff. 34,126 ff. 168 ff. Gontard 186. Hartmann, Die Synoden296 f. Riché, Die Karolinger 218 f.

33 Ann. Bertin. 669. Regin. chron. 869. Kelly 125.Mühlbacher II 301 f. Seppelt II 287. Zimmermann,Das Papsttum 86. Riché, Die Karolinger 218

34 Ann. Bertin. 869. Regin. chron. 869. Dümmler III57. Mühlbacher II 305 ff. Reinhardt 38 f. Grotz 198f. Riché, Die Karolinger 237 f.

35 Regin. chron. 869 f. 874. Taddey 1020, 1235.LMA VI 466 (dort weitere ältere und neueste Litera-tur). Mühlbacher II 310 ff. Seppelt II 301 f. Prinz,Grundlagen und Anfänge 115. Werner, Die Ursprün-ge 441 f. Zu den Fürstentreffen seinerzeit vgl. Voss,Herrschertreffen 11

36 Ann. Bertin. 871 Kelly 125. LMA V 2177. Mühl-bacher II 316 ff. Dümmler II 226 ff. Hartmann, Ge-schichte Italiens III 1. H. 275 ff. Haller II 98 ff. Sep-pelt II 289 f. 300 f. Seppelt/Schwaiger 110. Schieffer,

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.074 Deschner Bd. 5, 598Anmerkungen zum fünften Band

Die Karolinger 164. Brühl, Deutschland-Frankreich362 f. Zu Hinkmars kirchenpolitischen Streitigkeitenetwa Boshof, Odo von Beauvais 39 ff. Vgl. auchAnm. 9

37 Regin. chron. 874. Kelly 125. LMA V 2177.Hartmann, Geschichte Italiens 1. H. 298. Seppelt II300 ff. Riché, Die Karolinger 219 ff. 240. Schieffer,Die Karolinger 147 f. Kupisch 33

38 Ann. Fuldens. 866. Ann. Xantens. 868. Regin.chron. 868. LThK II3 594 f. 774 f. LMA I 571 f.1456. II 369, 458, 914 ff. bes. 916 ff. V 1552. HEG I924 f. Gregorovius I 2, 524 ff. Hauptmann, Die Früh-zeit 307 f. Haller II 61. Erben 3. Ostrogorski 161.Dollinger 127. Novy 175. Grotz 80. Rice 150. Maier,Die Verwandlung 348. Fine 94 ff. Herrmann, J.,Wegbereiter einer neuen Welt 53 ff. Angelov/Ovča-rov 77

39 Kelly 123 f. LMA I 1456, 1521 f. IV 449 f. VI597 f. 2109 f. HEG I 625 f. HKG III 1, 207 ff. 214 f.Gregorovius I 2, 523 f. Cartellieri I 300 f. 306. HallerII 56 ff. 83 ff. 92 ff. Seppelt II 272. Seppelt/Schwai-ger 108. Hunger 181 f.

40 Ann. Fuldens. 867 f. LThK II1 419, II3 594 f.LMA II 458, VI 2109 f. Kelly 123 f. HEG I 626 f.HKG III/1, 202 ff. 209 ff. Haller II 95. Seppelt II 293

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.075 Deschner Bd. 5, 598Anmerkungen zum fünften Band

f. Schreiner, Byzanz 16 f. Vgl. auch 73 f.

41 LThK III1 112 f. LMA V 1244, 1382 f. VI 597.HEG I 601, 609, 627 f. 878 f. Zahlreiche Literatur-hinweise: HBG I 267 Anm. 148. HKG III/1 169 ff.Hauck II 718 ff. Stadtmüller 139, 141. Hauptmann,Die Frühzeit 312. Maß, Das Bistum Freising 119 ff.Heuwieser I 152 f. Graus, Die Entwicklung der Le-genden 161. Zöllner 202. Prinz, Grundlegung undAnfänge 118. Schulze, Vom Reich der Franken 382ff. Schreiner, Byzanz 76, 143

42 Ann. Fuldens. 870. Ann. Bertin. 870. LMA III2157. VI 1201 f. HBG I 588. HEG I 879. DümmlerII 301 f. Mühlbacher II 321 f. Hauck II 722 ff.Schwarzmaier 60 f. Maß, Das Bistum Freising 123.Burr 50 ff. Bosl, Herzog, König und Bischof 271.Löwe, Deutschland 188. Prinz, Grundlegung und An-fänge 118. Fried, Der Weg 405. Schieffer, Die Karo-linger 157. Vgl. auch die folg. Anm.

43 Ann. Fuldens. 871 f.; 874; 884. Ann. Xantens.871 f. HEG I 608 f. 879. HBG I 270. Dümmler III390 f. Maß, Das Bistum Freising 62 f. Lindner, Un-tersuchungen 150, 232. Dhondt 25. Schieffer, DieKarolinger 157. Prinz, Grundlegung und Anfänge118

44 LThK III1 112 f. Kelly 127 ff. HEG I 41 f. 628,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.076 Deschner Bd. 5, 599Anmerkungen zum fünften Band

879 f. Haller II 136 f. Schwarzmaier 60 ff. Deschner/Petrović passim. Deschner, Die Politik der Päpste II210 f. Zur späteren Legendenentwicklung ausführlichGraus, Die Entwicklung der Legenden 161 ff. Ders.St. Adalbert und St. Wenzel 205 ff. Zu den SchülernKonstantins und Methods und zum Bildungswesenvgl. Zagiba 15 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.077 Deschner Bd. 5, 599Anmerkungen zum fünften Band

4. KapitelJohann VIII. (872–882)

Ein Papst wie er im Buch steht

1 S. Anm. 7

2 Haller II 132

3 Ann. Fuldens. (Altaich) 883

4 Kupisch II 38

5 LP 2, 221 ff. JW 1, 376 ff. Ann. Bertin. 871.Regin. chron. 871 f. Kühner Lexikon 61. Kelly 126.Hartmann, Geschichte Italiens III 2. H. 6. Gregorovi-us I 2, 550 f. 561. Cartellieri I 316. Haller II 106.Seppelt II 300 ff. Eichmann II 243. Seppelt/Schwai-ger 112. Daniel-Rops 600

6 Ann. Fuldens. 875. Ann. Bertin. 875. Ann. Vedast.875. Mansi XVII 72 f. 77, 79. LMA V 2177. Mühl-bacher II 338 ff. Dümmler II 351, III 73 ff. Gregoro-vius I 2, 546 f. 554 Haller II, 107 ff. Seppelt/Schwai-ger 113. Seppelt II 304 f. Eichmann I 51 f. Steinbach,Das Frankenreich 78. Zu Karls II. Gunsterweisungengegenüber dem Klerus s. etwa auch Falkenstein 35 ff.

7 MG Capit. II 98 ff. Haller II 116 ff. 130. Seidlmey-er 77. Seppelt II 306. Hlawitschka, Franken, 67 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.078 Deschner Bd. 5, 599Anmerkungen zum fünften Band

Riché, Die Karolinger 241

8 Ann. Bertin. 876. Mühlbacher II 345 ff. Riché, DieKarolinger 241 f. Zur Synode v. Ponthion 876 vgl.auch Hartmann, Die Synoden 333 ff.

9 Ann. Fuldens. 876. Ann. Bertin. 876. Regin. chron.876. Ann. Vedast. 876. Rau III 8. Hlawitschka, VomFrankenreich 83

10 Ann. Fuldens. 876. Ann. Bertin. 876. Ann. Hil-desheim. 876. Ann. Aquiens. 876. Regin. chron. 876.Mühlbacher II 349 ff. Dümmler II 35 ff. Steinbach,Das Frankenreich 78

11 Ann. Fuldens. 876. Regin. chron. 876. LMA V968 f. 996, 2174. Mühlbacher II 352 f.

12 Mansi XVII 21. Kelly 126. LMA V 154 ff.Dümmler III 39. Mühlbacher II 353 ff. Riché, DieKarolinger 243

13 Ann. Bertin. 877. Mühlbacher II 354 ff. Seppelt II306 f. Riché, Die Karolinger 243 ff. Hartmann, DieSynoden 347 ff.

14 Mansi XVII S. 337 ff. Ann. Bertin. 877. Ann. Ful-dens. 877. Ann. Vedast. 877. Mühlbacher II 354 ff.Dümmler III 44, 47 ff. 58. Hartmann, Geschichte Ita-liens III 2. H. 29 ff. Gregorovius I 2, 555 f. Haller II114 f. Steinbach, Das Frankenreich 78. Cartellieri IKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1043: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.079 Deschner Bd. 5, 600Anmerkungen zum fünften Band

322. Seppelt II 307. Riché, Die Karolinger 245

15 Ann. Fuldens. 877 f. Ann. Bertin. 877 f. LMA V996, 2174 f. Mühlbacher II 357 f. Zur Öttinger Pfalz:W. Störmer, Die Anfänge des karolingischen Pfalz-stifts Altötting 61 ff.

16 Ann. Fuldens. 877. Ann. Bertin. 878. Ann. Ved-ast. 878. LMA I 96, V 2175 f. (Schneidmüller). Gre-gorovius I 2, 556 ff. Haller II 111, 115 ff. Fried,Boso von Vienne 193 ff. Riché, Die Karolinger 249ff. Hartmann, Die Synoden 336 ff.

17 Ann. Fuldens. 878 f. Ann. Bertin. 876. Regin.chron. 877. Ann. Vedast. 878. LMA II 477 ff. Mühl-bacher II 361 f. 368 f. Hartmann, Geschichte ItaliensIII 2. H. 30, 56, 60 ff. Dümmler III 78 ff. 87 ff. 113ff. Gregorovius I 2, 558. Cartellieri I 317 f. 324 ff.Haller II 117 f. Hirsch, Die Erhebung 131 ff. Zöllner120. Fried, Boso von Vienne 193 ff. Konecny, DieFrauen 126 ff. Odegaerd 76 ff. Schramm, Kaiser, Kö-nige und Päpste II 251 ff. Hlawitschka, Franken 70 f.Ders. Nachfolgeprojekte 32. Hartmann, Die Synoden340

18 Ann. Bertin. 879 f. Ann. Fuldens. 880. Regin.chron. 879. MG Capit. II 365 ff. LMA II 477 f.Dümmler III 122 ff. 145 ff. Eichmann II 59. Fried,Boso 193 ff. Schramm, Kaiser, Könige und Päpste II

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1044: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.080 Deschner Bd. 5, 600Anmerkungen zum fünften Band

257 ff. Bund 499 ff. Riché, Die Karolinger 252 f.Hlawitschka, Vom Frankenreich 84 f.

19 Ann. Fuldens. 878. Mühlbacher II 362 ff. Haller II118. Vgl. Gregorovius I 2, 559. Hartmann, Geschich-te Italiens III 2. H. 66 f. Hartmann, Die Synoden 349ff. mit vielen Quellenhinweisen

20 Ann. Fuldens. 879 ff. Ann. Bertin. 879. Regin.chron. 880; 882. Ann. Vedast. 879. LMA IV 1146, V159, 970, 2175 f. Dümmler III 100. Mühlbacher II369 ff. Hlawitschka, Vom Frankenreich 84 f. Werner,Die Ursprünge 443 ff.

21 LMA I 1461, 1521. V 1396, VI 597. Dümmler III174 ff. Hartmann, Geschichte Italiens III 5 f. 79 f.Gregorovius I 2 554, 559. Haller II 119 ff.

22 Daniel-Rops 602, 606

23 Ann. Bertin. 880. Mansi XVII 161. Dümmler III105 ff. 176 ff. Mühlbacher II 378 f. Gregorovius I 2560. Hartmann, Geschichte Italiens III 2. H. 71 ff.Cartellieri I 326 f. Haller II 128 f. Löwe, Deutschland196. Steinbach, Das Frankenreich 79. Ullmann 244.Reinhardt 61 ff. Riché, Die Karolinger 255

24 Dümmler III 187 f. Hartmann, Geschichte ItaliensIII 2. H. 75 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1045: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.081 Deschner Bd. 5, 600Anmerkungen zum fünften Band

25 LMA III 1175 (Ferjančić). V 1538. Hartmann,Geschichte Italiens III 2. H. 83 ff. Gregorovius I 2,549 ff. Cartellieri I 280 ff. Eickhoff 225 ff. Haller II106 f. Daniel-Rops 593. Seppelt/Schwaiger 112

26 Erchemp. Ystoriola Langob. Benev. deg. 31; 40.LMA I 506 f. II 1490. Mühlbacher II 378 f. Hart-mann, Geschichte Italiens III 1. H. 246 ff. 301. 2. H.6, 22, 83 f. Haller II 107

27 Erchemp. Ystor. Langob. Benev. 39; 44. Ann.Farfens. 891. Mansi XVII 156 f. LMA IV 1075 f.Dümmler III 72 f. 172 ff. 189 f. Hartmann, Geschich-te Italiens III 2. H. 49 f. 86 ff. Gregorovius I 2, 550ff. 584 f. Eickhoff 229 ff. 297 ff. Haller II 113 ff.123, 127 ff. 132, 145. Schubert II 433. Ahlheim 173

28 Ann. Bertin. 876; 878. LMA IV 655. Dümmler III28 f. Gregorovius I 2, 548. Hartmann, Geschichte Ita-liens III 2. H. 22 ff. hält die Vorwürfe für mehr oderminder unbegründet oder doch für übertrieben. HallerII 105, 109. Zimmermann, Papstabsetzungen 49 f.

29 Ann. Bertin. 878. Ann. Fuldens. (Altaich) 883.Ann. Alam. 883. Kühner, Lexikon 61. Gregorovius I2, 548 f. 560. Haller II 109, 129 f. Gontard 187 f.Zimmermann, Papstabsetzungen 50 f.

30 Zit. nach Riché, Die Welt 301Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1046: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.082 Deschner Bd. 5, 601Anmerkungen zum fünften Band

5. KapitelNormannennot und Kaiser Karl III. der Dicke

1 Ann. Bertin. 882

2 Regin. chron. 885

3 Ann. Fuldens. 880. Ann. Bertin. 880. Ann. Vedast.879 f. Ann. Fuldens. (Wien) 884. LMA I 409, V2174, VI 1249. HEG I 619, 941. Bertram 46 f.Riché, Die Karolinger 253 f. Ehlers 18

4 Ann. Bertin. 881. Ann. Vedast. 880 f. MühlbacherII 377 f.

5 Ann. Fuldens. 881. Ann. Bertin. 878 f. Frenzel 9.Kindlers Literatur Lexikon IV 1695 f.v. Wilpert III834

6 Ann. Fuldens. 881 f. 884 (Wien). Ann. Bertin. 881f. Ann. Vedast. 882, 884. Regin. chron. 881 f. 884.LMA V 997, 2177. Mühlbacher II 379 ff. 388 ff.Riché, Die Karolinger 253 f.

7 LMA V 968 f. 2176. Mühlbacher II 381 ff. Riché,Die Karolinger 255 f. Hartmann, Herrscher der Karo-lingerzeit 76 f. 79. Brühl, Deutschland-Frankreich366 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1047: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.083 Deschner Bd. 5, 601Anmerkungen zum fünften Band

8 Ann. Fuldens. (Wien) 882. Ann. Bertin. 882. Ann.Vedast. 882. Regin. chron. 882. LMA V 2042. Mühl-bacher II 385 ff. Riché, Die Karolinger 255 f. Hart-mann, Herrscher der Karolingerzeit 77 f.

9 Ann. Vedast. 879 f. 884

10 Ebd. 882 ff.

11 Ebd. 885 f. Regin. chron. 887. LMA IV 1146.Mühlbacher II 403 ff. Hartmann, Herrscher der Karo-lingerzeit 78. Riché, Die Karolinger 256 f.

12 Ann. Vedast. 880, 882 f. 885. Vgl. a. 886: »nilutile ...« Ann. Bertin. 882. Regin. chron. 882. Mühl-bacher II 401

13 Ann. Vedast. 886 f. Regin. chron. 887. Ann. Ful-dens. (Wien) 886. (Altaich) 886

14 Ann. Fuldens. 882 f. 885. Regin. chron. 885.HEG I 620. Mühlbacher II 398 ff. Hartmann, Herr-scher der Karolingerzeit 78.

15 Ann. Fuldens. (Wien) 885. LMA IV 1597 (Blok)

16 Montgomery I 164 ff. 170 ff. 182 f. Tellenbach,Europa 445 f.

17 Ann. Fuldens. 880, 882 f. 892. S. auch die folg.Anm.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1048: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.084 Deschner Bd. 5, 601Anmerkungen zum fünften Band

18 Ann. Fuldens. 884 (Altaich), 887 (Altaich). Regin.chron. 887. LMA I 929, V 2042. Mühlbacher II 393ff. 397. Mitterauer 188 ff. Störmer, Früher Adel 192f. 227 f.

19 Ann. Fuldens. (Wien) 887. LMA V 2042, VII 612f. Mühlbacher II 408 f. Schur 31 ff. Hartmann, Herr-scher der Karolingerzeit 77

20 Ann. Fuldens. (Altaich) 886. Ann. Fuldens.(Wien) 887. Regin. chron. 887. Mühlbacher II 409.Konecny 147 f. Oesterle 445 ff. Riché, Die Karolin-ger 257

21 Regin. chron. 887. LThK VIII1 878

22 LThK VIII1 878. Keller, Reclams Lexikon 436 f.Mühlbacher II 410. Thrasolt 522 f. Auer, Heiligen-Legende 523. Hartmann, Herrscher der Karolingerzeit78 f.

23 HEG 621

24 Ann. Fuldens. 883, 885, 887 (Wien), 887 (Al-taich). Ann. Vedast. 887 f. Regin. chron. 887, 889.LMA V 2039. Dümmler III 300 ff. 306 f. Maß 77 f.80 f. Riché, Die Karolinger 257, Hartmann, Die Syn-oden 361 ff. Ders. Herrscher der Karolingerzeit 84.Fried, Der Weg 429 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1049: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.085 Deschner Bd. 5, 601Anmerkungen zum fünften Band

25 Ann. Fuldens. 887 f. (Altaich) Ann. Vedast. 887.Regin. chron. 887 f. LMA V 2177 f. Riché, Die Ka-rolinger 258 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1050: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.086 Deschner Bd. 5, 602Anmerkungen zum fünften Band

6. KapitelArnulf von Kärnten, Ostfränkischer König und Kaiser

(887–899)

1 Störmer in LMA I 1013 f.

2 s. Anm. 8

3 Ann. Fuldens. 892 f.

4 s. Anm. 43

5 LMA I 1013. Dümmler III 476 f. 479 f. Mühlba-cher II 426 ff. 445. Schur 41 ff. Hartmann, Herrscherder Karolingerzeit 83 f., der allerdings in Arnulf kei-nen Herrscher sehen möchte, »der sich in erster Linieauf die Kirche stützte«, das aber kaum ausreichenddarlegt; eher wird das Gegenteil deutlich. Vgl. hierzuauch Fried, Der Weg 434 f.

6 Taddey 494, 1060. LMA I 93. IV 1957 f. DümmlerIII 303, 401 f. 480 ff. 497, 590. Schur 48 ff. Kehr 2,8 ff. Tellenbach, Zur Geschichte Kaiser Arnulfs 149

7 MG Capitul. II 196 ff. Ann. Fuldens. 895. Regin.chron. 895. Mühlbacher II 426 ff. Hartmann, DieSynoden 367 ff. Ders. Herrscher der Karolingerzeit84

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1051: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.087 Deschner Bd. 5, 602Anmerkungen zum fünften Band

8 Mühlbacher II 427. Dümmler III 397

9 Babl 99

10 Arbeo, Vita Haimhrammi 16 ff. LThK III1 658. InIII3 wurde der Emmeram-Text fast um zwei Drittelgekürzt. Vgl. auch HKG II/2 125. LMA I 888 V 229.Wetzer/Welte III 556. Babl 74, 80 f. Der üblicheSchwulst bei Vogel II 324 ff.

11 LMA III 1888. Dümmler III 477 ff. Babl 99, 138ff. 150 ff. 188 ff.

12 Ann. Fuldens. (Altaich) 882. Ann. Fuldens. 891Regin. chron. 891. LMA I 1013. HBG I 272. Hart-mann, Herrscher der Karolingerzeit 86

13 Ann. Fuldens. (Altaich) 891. Regin. chron. 891.HEG I 636. Mulert 42, 60. Vgl. Deschner, Agnosti-ker 160 ff. bes. 165 f. Prinz, Grundlagen und Anfänge120 f. Hartmann, Herrscher der Karolingerzeit 86

14 Ann. Fuldens. (Altaich) 889. Ann. Alamann. 890.LMA I 1014 (Störmer), 1983, V 969. HBG I 274.Dümmler III 341 f. Bosl, Bayerische Geschichte 60ff. Bund 489 f. Hartmann, Herrscher der Karolinger-zeit 83 f.

15 Ann. Fuldens. (Altaich) 892 f. Regin. chron. 890HBG I (Reindel) 274. Mühlbacher II 423 f. Stadtmül-ler 142. Aufhauser 2. Löwe, Deutschland 198. Prinz,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1052: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.088 Deschner Bd. 5, 602Anmerkungen zum fünften Band

Grundlagen und Anfänge 121 f.

16 Ann. Fuldens. 871; 893 (Altaich). Regin. chron.892. LMA I 1014. HBG I 272 f. 369. Dümmler III360 f. Mühlbacher II 424. Störmer, Im Karolinger-reich 164. Wendehorst zit. ebd. Hartmann, Herrscherder Karolingerzeit 85, 87

17 Ann. Fuldens. (Altaich) 894. Liutpr. antapod. 1,13. Bosl, Handbuch der Geschichte der böhm. LänderI 197 f.

18 Ann. Fuldens. 889, 893, 895, 897 (Altaich)

19 Ebd. 894, 898. LMA VI 721. Dümmler III 460 ff.Mühlbacher II 425, 444

20 Ann. Fuldens. 899 f. Mühlbacher II 444, 453.Dümmler III 462 ff.

21 Ann. Vedast. 883, 888, 895 f. Regin. chron. 888.LMA III 2047, IV 1018 f. VI 1353 f. HEG I 634 f.Alle Quellenbelege bei Schneider, Erzbischof Fulcovon Reims 39 ff. s. auch 43 ff. Nach Zatschek 223trafen sich Arnulf und Fulco in Frankfurt, nach Hla-witschka, Lotharingien 70, Anm. 23 in Worms. S.auch 73 f. 116. Dümmler III 316 f. 320. Hiestand 48f. Penndorf 138 ff. Mohr 172 ff. Schneidmüller 105ff. Werner, Die Ursprünge 446 ff. Rau II 6 f. Prinz,Grundlagen und Anfänge 121. Riché, Die Karolinger

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1053: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.089 Deschner Bd. 5, 603Anmerkungen zum fünften Band

258 f. 278 f. Hartmann, Herrscher der Karolingerzeit85

22 Ann. Vedast. 888. 893 ff. Regin. chron. 888, 893ff. LMA IV 1018. HEG I 635. Alle Quellenbelege beiSchneider, Erzbischof Fulco 47 ff. 54 ff. 68 ff. 93 ff.105 ff. 113 ff. Mühlbacher II 432. Dümmler III 320ff. Hlawitschka, Lotharingien 65 ff. 76 f. 115 ff. Wer-ner, Die Ursprünge 447 f. Bund 504 f. Hartmann,Herrscher der Karolingerzeit 85

23 Ann. Vedast. 893 ff. 900. Regin. chron. 893, 895,898, 903. Alle Quellenbelege bei Hlawitschka, Lo-tharingien 117 ff. 132 ff. 141 ff. 161 ff. und Schnei-der, Erzbischof Fulco 121 ff. 130 ff. LMA IV 1018 f.VI 1354. Berr 43 ff. 50 ff. 64 f. Riché, Die Karolin-ger 176 ff. Werner, Die Ursprünge 448

24 Ann. Fuldens. 895. Ann. Vedast. 895. Regin.chron. 894 f. Taddey 1351. LMA V 2129. Mühlba-cher II 435 f. Boshof, Lotharingien-Lothringen 141 f.144. Werner, Die Ursprünge 476. Löwe, Deutschland202 f. Prinz, Grundlagen und Anfänge 122. Hla-witschka, Vom Frankenreich 90 f.

25 Mühlbacher II 435 ff. 442 f. Löwe, Deutschland202 f. Hlawitschka, Vom Frankenreich 91. Parisse119. Boshof, Lotharingien-Lothringen 142 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1054: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.090 Deschner Bd. 5, 603Anmerkungen zum fünften Band

26 Regin. chron. 892, 896, 901. LMA I 1014. Bos-hof, Lotharingien-Lothringen 141

27 Regin. chron. 897. Riché, Die Karolinger 269.Boshof, Lotharingien-Lothringen 143. Parisse 119,132

28 Ann. Fuldens. 900. Regin. chron. 898 f. Ann.Vedast. 898. Taddey 992, 1351. Dümmler III 466 ff.471 ff. 501 ff. Mühlbacher II 443. Bund 494 ff.Löwe, Deutschland 203. Boshof, Lotharingien-Loth-ringen 143. Werner, Die Ursprünge 476 f. Riché, DieKarolinger 169, 291 f. Hlawitschka, Lotharingien172 ff. Ders. Vom Frankenreich 91

29 Gregorovius I 2, 563

30 LP 2, 224 f. JW 1, 425 ff. Ann. Fuldens. 883, 885(Altaich). Kühner, Lexikon 62. Kelly 127 f. LMA VI294. Mühlbacher II 392. Gregorovius I 2, 561 f. Hal-ler II 133, 140. Seppelt II 322. Zimmermann, Papst-absetzungen 51 f. Ders. Das Papsttum 94

31 Ann. Fuldens. 883 f. (Altaich), 888. Regin. chron.888. Ann. Vedast. 888. Liutpr. antapod. 1, 18 f. Küh-ner, Lexikon 62. LMA I 1933, V 1623 f. VI 1232,VII 2128. HEG I 651 ff. Mühlbacher II 392, 417,428 f. Dümmler III 313 ff. 365 ff. Hartmann, Ge-schichte Italiens III 2. H. 105 ff. Gregorovius I 2,562, 564 ff. Cartellieri I 334 ff. 346 ff. Steinbach,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1055: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.091 Deschner Bd. 5, 603Anmerkungen zum fünften Band

Das Frankenreich 79 f. Haller II 128, 139 ff. SeppeltII 325 f. Seppelt/Schwaiger 116. Werner, Die Unruo-chinger 133 ff. Riché, Die Karolinger 258 f. 263

32 JW 1, 435 ff. Ann. Fuldens. 893. LMA IV 655 f.Dümmler III 372 f. Mühlbacher II 429. Hartmann,Geschichte Italiens III 2. H. 113. Haller II 109, 112.Seppelt II 328. Ullmann 245. Bund 490 ff. Zimmer-mann, Papstabsetzungen 53 ff. bes. 68 f. Hartmann,Die Synoden 388

33 Ann. Fuldens. 893 f. Regin. chron. 894. Liutpr.antapod. 1, 20 ff. 1, 33. Dümmler III 373 ff. Mühlba-cher II 429 ff. Seppelt II 329. Maß, Das Bistum Frei-sing 86

34 Ann. Fuldens. 894 f. Liutpr. antapod. 1, 28; 1, 37.HEG I 654. Dümmler III 379 ff. 414 f. Zimmermann,Das Papsttum im Mittelalter 96

35 Ann. Fuldens. 895 f. Regin. chron. 896. Liutpr.antapod. 1, 27 f. Kühner, Lexikon 63. LMA V 1623f. VII 613. HEG I 655. Dümmler III 414 ff. 420 ff.473 f. Hartmann, Geschichte Italiens III 2. H. 111 ff.Gregorovius I 2, 566. Cartellieri I 350 ff. 358 f. Hal-ler II 141 f. Seppelt/Schwaiger 116. Steinbach, DasFrankenreich 80, 82. Schramm, Kaiser, Könige undPäpste II 267. Jarnut, Die Eroberung Bergamos 208ff. Hlawitschka, Franken 123 f. Ders. Lotharingien

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1056: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.092 Deschner Bd. 5, 604Anmerkungen zum fünften Band

122 ff. Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert 24.Riché, Die Karolinger 263 f. Vgl. auch Deschner,Abermals 351

36 Ann. Fuldens. 899

37 Ann. Fuldens. 896. Liutpr. antapod. 1, 38. Kelly131. Duden 958. LMA II 414. HEG I 655. DümmlerIII 423 ff. Seppelt II 330 f. Haller II 142

38 LP 2, 229. JW 1, 439 f. Ann. Fuldens. 896. Ann.Laubac. 896. Liutpr. antapod. 1, 30 (der das Leichen-gericht allerdings fälschlich Papst Sergius III. unter-stellt) Flodoard, de triumphis Christi 12, 6. Kelly 131f. Dümmler III 426 ff. Gregorovius I 2, 570 ff. 579.Hartmann, Geschichte Italiens III 2. H. 123 f. Schu-bert II 444. Haller II 142. Fischer, Strafen und si-chernde Maßnahmen 41 f. Seidlmeyer 79 f. Seppelt II331 f. Seppelt/Schwaiger 116 f. Dhondt 86 f. Gontard189. Hartmann, Die Synoden 388 ff. Zimmermann,Papstabsetzungen 56 ff. Ders. Das dunkle Jahrhun-dert 25 f. Ders. Das Papsttum 96 f.

39 LP 2, 230 f. JW 1, 441. Liutpr. antapod. 1, 31.Kühner, Lexikon 64. Kelly 132. Hartmann, Geschich-te Italiens III 2. H. 125 f. Gregorovius I 2, 572 f. Sep-pelt/Schwaiger 117. Zimmermann, Papstabsetzungen59. Hartmann, Die Synoden 390 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1057: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.093 Deschner Bd. 5, 604Anmerkungen zum fünften Band

40 LP 2, 232. JW 1, 442 f. 2, 705 Flodoard, de tri-umph. Christi 12, 7. Kühner, Lexikon 65 f. Kelly 132f. Gregorovius I 2, 573. Haller II 142. Seppelt II 334.Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert 27. Ders.Papstabsetzungen 60 ff. Hartmann, Die Synoden 390ff. Deschner, Abermals 80 f. 96 f. 125, 418, 450 f.453, 465 ff.

41 Kelly 133. Seppelt II 333 f. Bund 492 f. Hart-mann, Die Synoden 392 f. 394 f.

42 LP 2, 233. Ann. Fuldens. 900. Ann. Alamann.899. Regin. chron. 901, 905. Liutpr. 2, 7 ff. 2, 32 ff.LMA V 2177 f. HEG I 637, 643 f. 656 f. Mühlba-cher II 456 f. 460 f. Dümmler III 429 ff. 507 f. 536 f.Gregorovius I 2, 573 ff. 580. Hartmann, GeschichteItaliens III 2. H. 128 ff. 176 ff. 186. Cartellieri I 360ff. Haller II 143. Steinbach, Das Frankenreich 80.Seppelt/Schwaiger 117. Seppelt II 336. Zimmermann,Das dunkle Jahrhundert 30 ff. Ders. Das Papsttum97. Hlawitschka, Vom Frankenreich 93. Riché, DieKarolinger 264

43 Hartmann, Geschichte Italiens III 2. H. 182 ff.Riché, Die Karolinger 265. Fried, Die Formierung 69f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.094 Deschner Bd. 5, 605Anmerkungen zum fünften Band

7. KapitelKönig Ludwig IV. das Kind (900–911)

1 A. Schmid in LMA V 2175

2 s. Anm. 5

3 Regino, De synod. caus., Praef.

4 Ann. Fuldens. 900. Regin. chron. 900. LMA V2175. Mühlbacher II 449. Kehr 16. Heumann, DieEinheit des ostfränkischen Reichs 142 ff. Schramm,Kaiser, Könige und Päpste II 299 f. Hlawitschka,Vom Frankenreich 92 f. Fleckenstein/Bulst 15. Riché,Die Karolinger 292. Schieffer, Die Karolinger 195.Hartmann, Herrscher der Karolingerzeit 92

5 LMA V 2175. HBG I 275 (K. Reindel findet, wieandere, auch den bayerischen Adel in der Reichsre-gentschaft »vertreten«, hebt aber Hattos führendeRolle hervor). HEG I 638. Dümmler III 560 f. Mühl-bacher II 449 ff. Schur 56 f. Nitzsch, Geschichte desDeutschen Volkes 272. Hlawitschka, Vom Franken-reich 94. Schieffer, Die Karolinger 195 ff. Hartmann,Herrscher der Karolingerzeit 92. Eibl 23

6 Ann. Fuldens. 893. Widukind 1, 22. Meyers Tas-chenlexikon Geschichte 41. LMA IV 1957. V 2117.Dümmler III 497 f. Menzel I 263. Mühlbacher II 450Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.095 Deschner Bd. 5, 605Anmerkungen zum fünften Band

f. Herrmann, Thüringische Kirchengeschichte I 46.Schur 56. Schieffer, Die Karolinger 196. Hartmann,Die Synoden 367. Ders. Herrscher der Karolingerzeit92. Beumann, Die Ottonen 15

7 Mühlbacher II 451

8 Ann. Fuldens. 893. LMA I 93, III 2121, VI 2158.Dümmler III 497 ff. HBG I 422, 469, 504. Kehr 3.Cartellieri I 363 f. Schur 55 ff. Holtzmann, Geschich-te der sächsischen Kaiserzeit I 43 f. 46 f. Stutz 59 ff.Maß, Das Bistum Freising 92. Erdmann, Der unge-salbte König 311 ff. Fleckenstein, Die Hofkapelle II 4ff. Ders. Grundlagen und Beginn 134. Reindel, Her-zog Arnulf 238. Lintzel, Miszellen zur Geschichte313 f. Angenendt, Taufe 145 f. Bullough, Nach Karl317. Schieffer, Die Karolinger 196

9 Liudpr. antapod. 2, 1. Widukind 2, 36. LMA I2025. Hauck III 152 f. mit weiteren Quellenhinweisen

10 Ann. Fuldens. 900 ff. Ann. Augiens. 907. Ann.Alamann. 907. Regin. chron. 900. Adalb. cont.Regin. 907 f. Liudpr. antapod. 2, 2; 2, 7. Widukind1, 17; 1, 20. Ann. Corbeiens. 907. Ann. Laubac. 908.Ann. Hildesh. 908. LMA VI 1845 f. HBG I 275 mitweiteren zahlreichen Literaturhinweisen. HEG I 636ff. Dümmler III 530, 551 f. Mühlbacher II 457 ff.Hauck III 150. Meichelbeck nach Fischer, Bischof

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.096 Deschner Bd. 5, 605Anmerkungen zum fünften Band

Uto 63, vgl. auch 57 ff. Hóman I 100. Büttner, DieUngarn, das Reich 433 ff. Heuwieser 184. Tomek109 ff. Bosl, Bayerische Geschichte 64. Brackmann,Gesammelte Aufsätze 192. Fleckenstein/Bulst 15.Hlawitschka, Vom Frankenreich 94. Hartmann, Herr-scher der Karolingerzeit 93. Schieffer, Die Karolinger196 f. Störmer, Im Karolingerreich, UG I 165

11 Adalb. cont. Regin. 909 ff. LMA I 1015. HEG I639, Dümmler III 556 ff. Tomek 109 ff. Fleckenste-in/Bulst 20. Fischer, Das Zeitalter des heiligen Ulrich82. Heuwieser I 189. Tellenbach, Europa 447 f.

12 Regin. chron. 889, 901. Widukind 1, 18. Liudpr.antapod. 2, 2 f. Dümmler III 509. Hauck III 149.Weinrich, Tradition und Individualität 294

13 Hauck III 69, 147 ff.

14 Regin. chron. 892; 897; LMA I 1321. HEG I 638.Dümmler III 522. Mühlbacher II 453. Fleckenstein/Bulst 16. Prinz, Grundlagen und Anfänge 122. Hla-witschka, Der König einer Übergangsphase 105.Hartmann, Herrscher der Karolingerzeit 92 f. Stör-mer, Im Karolingerreich, UG 182 f.

15 Looshorn 25. Vgl. auch die folg. Anm.

16 Regin. chron. 902 f. 906. Widukind 1, 22. Liudpr.antapod. 2, 6. LMA IV 1957. HBG I 279 (Reindel)

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1061: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.097 Deschner Bd. 5, 606Anmerkungen zum fünften Band

HEG I 638. Mühlbacher II 454 ff. Menzel I 260 f.Fries 72 ff. 114 f. Schnürer II 42. Holtzmann, Ge-schichte I 39 ff. 62. Lüdtke, König Heinrich I. 53.Schieffer, Die Karolinger 196 f. Prinz, Grundlagenund Anfänge 122 f. Hartmann, Herrscher im Karolin-gerreich 93. Hlawitschka, Der König einer Über-gangsphase 105. Störmer, Im Karolingerreich 196 f.Beumann, Die Ottonen 25

17 Widukind 1, 16. Adalb. contin. Reginon. 911.Liudpr. antapod. 2, 3 f. LMA VI 1579. HEG I 640.HBG II 282 f. Fleckenstein/Bulst 15, 17. Schieffer,Die Karolinger 200. Riché, Die Karolinger 292. Hart-mann, Herrscher der Karolingerzeit 93. Hlawitschka,Der König einer Übergangsphase 104, 106. Boshof,Königtum 3

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.098 Deschner Bd. 5, 606Anmerkungen zum fünften Band

8. KapitelKönig Konrad I. (911–918)

1 Goetz, in LMA V 1337 f.

2 Hlawitschka, Vom Frankenreich 98

3 LMA IV 2163, V 970, 2175 f. HEG I 740. Dümm-ler III 580 f. Schieffer, Die Karolinger 201 f. Werner,Die Ursprünge 476 f. Boshof, Königtum 3. Ehlers 20

4 HEG I 640, 738 ff. bes. 740 f. Prinz, Grundlagenund Anfänge 124. Fleckenstein/Bulst 19 f. Hlawitsch-ka, Vom Frankenreich 98. Ders. Der König einerÜbergangsphase 107. Ehlers 20 f. Brühl, Deutsch-land-Frankreich 404 f.

5 HBG I 282. HEG I 639 f. Barraclough 18. Prinz,Grundlagen und Anfänge 124 ff. Hlawitschka, VomFrankenreich 98. Ders. Der König einer Übergangs-phase 107. Boshof, Königtum 4. Fried, Der Weg 451

6 Pierer I 754. LMA I 1015. HBG I 280 ff. (mit vie-len Literaturhinweisen). Schur 65. Reindel, HerzogArnulf 214 ff. Bullough, Nach Karl 317. Prinz,Grundlagen und Anfänge 123. Hlawitschka, DerKönig einer Übergangsphase, 103 f. 106, 109. Beu-mann, Die Ottonen 28 f. Eibl, Heinrich I. 24, Brunner54Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.099 Deschner Bd. 5, 606Anmerkungen zum fünften Band

7 Fragment, de Arnulfo (MG SS 17, 570). Adalb.contin. Regin. 919. LThK X1 341. LMA I 1015. V1337 f. VII 569. HBG I 280 ff. 467 f. HEG I 641.Dümmler III 598. Lüdtke, König Heinrich 64, 69.Bullough, Nach Karl 319. Reindel, Herzog Arnulf214, 247 f. 257 ff. 287. Prinz, Grundlagen und An-fänge 123. Störmer, Im Karolingerreich 198. Hla-witschka, Vom Frankenreich 99. Ders. Der Königeiner Übergangsphase 108. Eibl 23 f. Beumann, DieOttonen 27, 29, 45. Hellmann, Die Synoden 295.Brunner 54 ff. Nach Schneider, Eine Freisinger Syn-odalpredigt 98 f. hat man in Bayern sogar für HerzogArnulf, seine Frau und Kinder öffentlich gebetet.

8 Taddey 1060. LMA VI 1093 f. (Schwaiger). VII1314. Dümmler III 617. Tüchle I 139 ff. Maß, DasBistum Freising 30. Brühl, Fodrum 37. Angenendt,Taufe und Politik 162

9 Ann. Alamann. 911, 913. Ann. Laubac. 911.Adalb. contin. Regin. 913. Ekkeh. Casus s. Galli 1 ff.29. Taddey 1060. LMA I 1015, II 940, III 2123 f. V82, VII 1314. HEG I 641, 638. Waitz, Jahrbücher 29ff. Dümmler III 569 f. 577 ff. 590 ff. 597, 605 ff.Weller, Württembergische Kirchengeschichte 91.Ders. Geschichte des schwäbischen Stammes 148 ff.Tüchle 141 ff. Büttner, Geschichte des Elsaß 169 f.Holtzmann, Geschichte 62 ff. Lüdtke, König HeinrichKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.100 Deschner Bd. 5, 607Anmerkungen zum fünften Band

68 f. 71 ff. Schur, 64, 73 f. Reindel, Herzog Arnulf257 ff. Fleckenstein/Bulst 16 f. 20 ff. Hlawitschka,Vom Frankenreich 98 ff. Ders. Der König einer Über-gangsphase 107 ff. Fuhrmann, Die Synode von Ho-henaltheim 440 ff. Hellmann, Die Synoden 287 ff.300 ff. 309 f. Brühl, Deutschland-Frankreich 408 f.Fried, Der Weg 457.

10 HEG I 640 f. Fleckenstein/Bulst 22. Hlawitschka,Der König einer Übergangsphase 109. Fried, DerWeg 458

11 Widukind 1, 25. Adalb. contin. Regin. 919 f.Liudpr. antapod. 2, 20. Ekkeh. Casus s. Galli 49.Taddey 1294. LMA I 1015. VI 1588. HEG I 641 f.669 f. HBG I 284. Fleckenstein/Bulst 24 f. Prinz,Grundlagen und Anfänge 125 f. Hlawitschka, VomFrankenreich 100. Beumann, Die Ottonen 30. Brühl,Deutschland-Frankreich 411 f. (betont die schlechteQuellenlage). Althoff/Keller, Heinrich I. und Otto derGroße I 56 ff. Schulze, Hegemoniales Kaisertum 135.Vgl. auch Deschner, Ärgernisse 39

12 Goody, Warum die Macht recht haben muß 69

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.101 Deschner Bd. 5, 607Anmerkungen zum fünften Band

9. KapitelHeinrich I., der erste deutsche König (919–936)

1 Eibl 31

2 Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg I 18

3 Fried, Die Formierung 77. Ders. Der Weg 464, 473

4 Adalb. contin. Regin. 936

5 Thietm. 1, 8. Widukind 1, 25 f. Kelly 119. Kühner,Lexikon 57. LMA III 1670, IV 1102 f. VI 1579,1588 (Struve), VII 1227. HEG I 670. Hlawitschka,Der König einer Übergangszeit 112 f. Althoff/Keller I31 ff. 51 f. Eibl 21. Zur »sozialen« Bedeutung dersehr zahlreichen Gründungen sächsischer Frauenklö-ster: Leyser, Herrschaft und Konflikt 105 ff. Vgl.auch die folg. Anm.

6 Thietm. 1, 8. Widukind 1, 26. Thaddey 1195, 1294.LMA I 98 f. IV 981, V 2041 f. Lüdtke, König Hein-rich 78 f. Heimpel 36 f. Bullough, Nach Karl 318.Schramm, König, Kaiser und Päpste II 302. Althoff/Keller I 60 ff. 66 f. 68 f. Hlawitschka, Der Königeiner Übergangsphase 112 ff. Eibl 24 ff. Beumann,Die Ottonen 14, 22 ff. 28, 32 ff. Schulze, Hegemonia-les Kaisertum 141 ff. Fried, Der Weg 462. Beumann,Otto der Große 53, spricht von einer »Doppelwahl«.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.102 Deschner Bd. 5, 607Anmerkungen zum fünften Band

Schlesinger zit. nach Brühl, Deutschland-Frankreich411 ff.

7 Thietm. 1, 5; 1, 9. Widukind 1, 31; 2, 11. LMA IV2036, VI 1579. Waitz 15 ff. 113. Dümmler III 584 f.Hauck III 21. Lüdtke, König Heinrich 51, 55 ff. 164.Eibl 21 f. Beumann, Die Ottonen 26. Fried, Der Weg454 f. Schulze, Hegemoniales Kaisertum 137 ff. ZuWidukind und seinem unklaren Schicksal vgl. etwaAlthoff, Der Sachsenherzog Widukind 251 ff.

8 Thietm. 1, 16; 1, 28. Eibl 20 f. Schulze, Hegemo-niales Kaisertum 134 f. Der romantische Beiname»der Vogler« ist erst über drei Jahrhunderte nachHeinrichs Tod erstmals bezeugt: Brühl, Deutschland-Frankreich 141

9 Thietm. 1, 8. Widukind 1, 26 f. Ruotg. Vita Bru-non. 4. Vita Oudalr. 3 LThK II1 407, VI 1637. LMAIII 1076, IV 1161, 2020 f. V 2107, VI 412, VII 623f. Waitz 66 f. 106 ff. Hauck III 17. Lüdtke, KönigHeinrich 78 f. 97 f. 166 f. Reinhardt 152 ff. Lippelt148. Erdmann, Der ungesalbte König 334 ff. Lintzel,Zu den deutschen Königswahlen 199 ff. Heimpel 16ff. 35 ff. Holtzmann, Geschichte 69 ff. Haller, Dasaltdeutsche Kaisertum 10 ff. Wattenbach-Holtzmann,Geschichte I 100 f. Ehrhard, Die Kirche der Märytrer103. Vgl. zur »christlichen Heldensage« Deschner,Abermals 349 ff. Büttner, Heinrichs I. Südwest- undKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.103 Deschner Bd. 5, 608Anmerkungen zum fünften Band

Westpolitik 49 ff. Schlesinger, Die Königserhebung538 f. Claude, Geschichte I 23 ff. 27 ff. Kallfelz, Le-bensbeschreibungen 12. Fleckenstein, Grundlagenund Beginn 137, 139. Fleckenstein/Bulst 26. Stern/Bartmuss 152 ff. 169 f. Beumann, Die sakrale Legiti-mierung 150 ff. Ders. Die Ottonen 40 f. 48. Schnei-der, Das Frankenreich 72. Hlawitschka, Vom Fran-kenreich 103, 108. Ders. Der König einer Übergangs-phase 117 f.K. Schmid, Bemerkungen über Synodal-verbrüderungen 693 ff. Schulze, Hegemoniales Kai-sertum 170. Zufferey 42 ff. Giese 486 ff. Fried, DieFormierung 76 f. Ders. Der Weg 462 ff. 472. Alt-hoff/Keller I 33, 63 ff. 92 f. 122 f. Ausführlich zurHerrschaftsstabilisierung durch Bündnis und Einung:Althoff, Amicitiae und Pacta passim, bes. 16 ff. 52 ff.69 ff.

10 Widukind 1, 26. Vgl. 1, 41. Lüdtke, König Hein-rich 123. Bünding-Naujoks, Imperium Christi 70.Ahlheim 178. Bullough, Nach Karl 318. Lubenow 12f. 19 f. Vgl. auch Deschner, Die Politik II 417 ff.

11 Hauck III 73 f. 76 f.

12 Hlawitschka, Vom Frankenreich 109 f. Ders. DerKönig einer Übergangsphase 111 ff. bes. 118. Brühl,Deutschland-Frankreich 413 f.

13 HEG I 677 Anm. 32. K. Schünemann, DeutscheKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.104 Deschner Bd. 5, 608Anmerkungen zum fünften Band

Kriegsführung im Osten während des Mittelalters,DA 2, 1938

14 Althoff/Keller 7, 88

15 Thietm. 1, 3; 1, 10. Widukind 2, 3. HEG I 674(Reindel). Dümmler III 584. Hauck II 87 ff. Lüdtke,König Heinrich I. 3. Holtzmann, Geschichte I 88 f.Bauer, Der Livlandkreuzzug 306, Fußnote 12. Brüs-ke, Untersuchungen zur Geschichte des Liutizenbun-des 16. Donnert 289 ff. 289 ff. Stern/Bartmuss 174,190. Schlesinger, Kirchengeschichte Sachsens I 7.Claude, Geschichte des Erzbistums I 18. Fleckenste-in, Grundlagen und Beginn 159. Tellenbach, VomZusammenleben 15. Eibl 22. Fried, Der Weg 473 f.Brunner 35. Schulze, Hegemoniales Kaisertum 157ff.

16 Thietm. 1, 10; 1, 16; 1, 24. Widukind 1, 35 ff.Ann. Corb. 929. LMA II 550 f. 554 f. III 439 f. IV2198 f. V 1875, 2038. Waitz 123 ff. 130, 144.Kötzschke/Ebert 30. Lüdtke, König Heinrich I. 3 ff.15, 124 ff. 128, 134 ff. Holtzmann, Geschichte 89 ff.Donnert 332 f. Ahlheim 178. Brüske 17 ff. Büttner,Die christliche Kirche ostwärts 149 f. Claude, Ge-schichte I 18. Schlesinger, Kirchengeschichte Sach-sens 35 f. Ders. Die mittelalterliche Ostsiedlung 45.Fleckenstein, Grundlagen und Beginn 159 f. Flek-kenstein/Bulst 34 f. Epperlein 274. Lippert 9 ff.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.105 Deschner Bd. 5, 609Anmerkungen zum fünften Band

Stern/Bartmuss 190 f. Beumann, Die Ottonen 44 f.Eibl 28 f. 31. Cram 155 f. Lubenow 16 f. Ludat, AnElbe und Oder 9 ff. Vgl. dazu in der 2 A. das Nach-wort von Lothar Dralle 213. Boshof, Königtum 8.Schulze, Hegemoniales Kaisertum 159 ff.

17 Thietm. 1, 10 ff. 3, 2; 4, 33; 4, 37; 4, 65 u.o. Wi-dukind 1, 36. Tusculum Lexikon 269. Voltaire 88.Vgl. hierzu den instruktiven Aufsatz von J.-C.Schmitt, Macht der Toten 143 ff. Und generell zurVerdummungsstrategie bes. im späten 20. Jahrhun-dert: Buggle 3 ff. 289 ff. 369 ff. 398 ff., sehr lesens-wert. Vgl. auch Gelhausen 162 ff., Kliemt 170 ff. undden entlarvenden Aufsatz Mynareks, Wie »progres-sive« Theologen das Christentum »retten« 193 ff.Ferner ders. Denkverbot 53 ff. 70 ff.

18 Thietm. 1, 16 f. Vgl. auch 6, 59; 6, 80. LMA II359 ff. IV 2038. Schöffel I 107 f. Hlawitschka, DerKönig einer Übergangsphase 119

19 Thietm. 1, 17. Widukind 1, 40. Adam v. Bremen1, 55 ff.

20 Thietm. 1, 18. Widukind 1, 38. Regin. chron. 889.Ekkeh, Casus s. Galli 54; 64. Holtzmann, GeschichteI 39, 83 ff. 92 f. Lüdtke, König Heinrich I. 168 ff.Aufhauser 2 f. Haller, Das altdeutsche Kaisertum 11,13 f. Stern/Bartmuss 169, 173 f. Schlesinger, Archäo-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.106 Deschner Bd. 5, 609Anmerkungen zum fünften Band

logie des Mittelalters 19. Fleckenstein/Bulst 20. Beu-mann, Die Ottonen 39 f. 44. Zur Burg vgl. vor allemauch Dannenbauer, Adel, Burg 121 ff. 140 ff. 150 ff.in: Grundlagen der mittelalterlichen Welt

21 Widukind 1, 38. Lüdtke, König Heinrich I. 170 f.Eibl 29

22 Widukind 1, 38 f. Liudpr. antapod. 2, 25 ff. Flo-doard. Ann. 933. LMA VI 593. Waitz 150 ff. Lüdtke,König Heinrich I. 171 ff. Fleckenstein, Grundlagenund Beginn 160

23 Lüdtke, König Heinrich I. 176. Beumann, Die Ot-tonen 46 f.

24 Ann. Fuldens. 845. LMA II 335 f. Bosl, Der Ein-tritt Böhmens und Mährens 43 ff. Ders. Probleme derMissionierung 1 ff.

25 Thietm. 1, 2. LThK VI1 682, X1 882 f. LThK II3

557. LMA II 357 f. 461. III 1350 f. V 2166. VII 159.Wetzer/Welte XI 864. HKG III 1, 272. HEG I 872 f.Naegle II 258, 354 ff. Hauptmann, Die Frühzeit 321.Fleckenstein, Grundlagen und Beginn 159

26 LThK II1 429, II3 557. LMA II 358, VI 616.Naegle II 288, 354 ff. 360 ff.

27 LMA V 2166. HBG I 287 (mit Literaturhinwei-sen). Naegle II 247, 328 ff. Hauptmann, Die FrühzeitKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.107 Deschner Bd. 5, 609Anmerkungen zum fünften Band

321. Lüdtke, König Heinrich I. 137 ff. Holtzmann,Geschichte I 90. Zimmermann, Das dunkle Jahrhun-dert 126

28 Wetzer/Welte XI 864 f. Fichtinger 386. Aerssen,Kirchengeschichte 120. Naegle II 33 ff. 62 ff. 73, 139f. 177 f. 188 ff. 226, 252 ff. 262. Stadtmüller 150.Thrasolt 334. Das Opus mit Imprimatur vom 6. Mai1939 erschien gerade rechtzeitig vor Beginn millio-nenfacher deutscher (und anderer) Martyrien. Die Ein-führung strotzt von Anleihen beim Nazivokabular,will sie ja »Bilder großer Persönlichkeiten, Kämpferund Überwinder« bieten, »Bilder von all den Statio-nen christlich germanischer, christlich völkischer Ge-schichte und Kultur«. »Diese und solche täglich ge-betete christlich deutsche Geschichte bedeutet Wie-dererweckung unserer großen herrlichen (!) christlichgermanischen Geschichte, bedeutet Besinnung auf un-sere christlich germanische Art, bedeutet Besamungmit christlich germanischer Art, bedeutet Traditionund Traditionserneuerung, d.h. geschichtliche Gebun-denheit und Verbundenheit und aus ihr heraus neueschristlich deutsches Selbst- und Sendungsbewußtsein,bedeutet nach soviel Entwurzelung und Entartungdurch einseitige unvölkische Überfremdung und durcheinseitige völkische Selbstverengung wieder christlichdeutsche Aufartung, Vertiefung und Weitung, bedeu-tet neues Leben aus dem alten ehrwürdigen heiligenKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.108 Deschner Bd. 5, 610Anmerkungen zum fünften Band

christlich deutschen Boden und Blut« (Blut undBoden!) »bedeutet ›Mementote patrum vestrorum –Seid eingedenk der Väter und Ahnen‹ der allgemeinchristlichen und der besonderen christlich germani-schen Ahnen, bedeutet: Seid ihrer würdige Enkel undNachfahren.«

29 Thietm. 2, 2. LMA II 358. Naegle II 264 ff. 275,328

30 LThK X1 823. Naegle II 283 ff. 300 ff. 312, 319ff.

31 Thietm. 1, 18; 1, 21. Widukind 1, 41. Eibl 29 f.

32 Lüdtke, König Heinrich I. 5, 189 f. 198 f. 205.Zur Kritik an dem »Narren« Lüdtke: Brühl, Deutsch-land-Frankreich 413 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.109 Deschner Bd. 5, 610Anmerkungen zum fünften Band

10. KapitelOtto I., »Der Große« (936–973)

1 Widukind 2, 36

2 Thietm. Prol. II

3 Bünding-Naujoks 71

4 Beumann, Otto der Große 51

5 Hlawitschka, Kaiser Otto I. 126, 141

6 Thietm. 2, 1. Widukind 2, 1 f. LMA VI 1563 f. VII1104. HEG I 679 f. Büttner, Der Weg Ottos 45 f.Holtzmann, Geschichte I 111 f. Lintzel, Miszellen381 ff. Schmid, Die Thronfolge Ottos des Großen422 ff. Grundmann, Betrachtungen 207. Schlesinger,Kirchengeschichte I 15. Ders. Die Anfänge der deut-schen Königswahl 344 ff. Erdmann, Forschungen 25ff. Bullough, Nach Karl 318. Fleckenstein, Grundla-gen und Beginn 140 ff. Fleckenstein/Bulst 42 f. Hla-witschka, Vom Frankenreich 113 f. Schramm, Kaiser,Könige und Päpste III 39 ff. 47 ff. 54 ff. 157 f. Rein-hardt 155 ff. Beumann, Die Bedeutung Lotharingiens25. Ders. Otto der Große 56. Riché, Die Karolinger300 f. Pätzold 33 f. Hehl, Iuxta canones 117 f. Zukirchlichen Rangstreitigkeiten im Mittelalter: Fichten-au, Lebensordnungen 18 ff. 25Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.110 Deschner Bd. 5, 610Anmerkungen zum fünften Band

7 Widukind 2, 1. LMA V 67 f. VI 1564. Schlesinger,Beobachtungen zur Geschichte 419. Fleckenstein, DieStruktur des Hofes 5 ff. Hlawitschka, Kaiser Otto I.127. Beumann, Otto der Große 56. Pätzold 34 f.Riché, Die Karolinger 300 f. Vgl. auch die vorherg.Anm.

8 LMA VI (Struve) 1566. HEG I 680. Weitlauff 7.Brackmann, Der römische Erneuerungsgedanke 7.Fried, Die Formierung 5. Beumann, Otto der Große50. Lubenow 13 ff. Boshof, Königtum 13

9 Flodoard. 946. LMA I 104. Schnürer II 119 ff.Holtzmann, Geschichte I 130 f. 205, 245 f. Auer,Kriegsdienst des Klerus I 342 f. (in: MIÖG: 370)Schramm, Kaiser, Könige und Päpste III 135. Hla-witschka, Vom Frankenreich 129. Ders. Kaiser OttoI. 138 f. Riché, Die Karolinger 303 f. Fried, Die For-mierung 58. Pätzold 44

10 LMA V 390 f. (Schott/Romer). Dauch 241. Stein-bach, Die Ezzonen 855. Bullough, Nach Karl 322.Stern/Bartmuss 185. Hlawitschka, Kaiser Otto I. 139.Ders. Vom Frankenreich 129 f. Fried, Die Formie-rung 58. Pätzold 44

11 Widukind 2, 6; 2, 10. LMA III 1512 f. VI 1564.HEG I 681. Hlawitschka, Vom Frankenreich 114 f.Ders. Kaiser Otto I. 127 f. Krah, Absetzungsverfah-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.111 Deschner Bd. 5, 611Anmerkungen zum fünften Band

ren 261 ff. Riché, Die Karolinger 303. Beumann,Otto der Große 56 f. Fried, Die Formierung 76 f. –Ottos eigentliche »Basislandschaft«, der politische»Zentralraum seiner Königsherrschaft« war das Harz-umland, Müller-Mertens/Huschner 13 f.

12 Thietm. 1, 26; 2, 2; 2, 34. Widukind 2, 8; 2, 11.Adalb. contin. Regin. 938. LMA I 1015 f. 1156 ff. III78, 1512 f. VI 1564. HBG I 288 ff. (mit vielen Lite-raturangaben). HEG I 681 f. Schramm, Kaiser, Köni-ge und Päpste III 156. Riché, Die Karolinger 302.Fried, Die Formierung 78. Pätzold 38. Hlawitschka,Vom Frankenreich 115 f. Ders. Kaiser Otto I. 128.Krah, Absetzungsverfahren 258 ff. Wies 95 f.O.Meyer, In der Harmonie von Kirche und Reich 212. I.Schröder, Zur Rezeption merowingischer Konzilska-nones 244 f. Zur Entwicklung des Asylrechts vgl.Lotter, Heiliger und Gehenkter 9 f.

13 Thietm. 2, 34. Widukind 2, 12; 2, 15; 2, 17; 2,24; 2, 26. Adalb. contin. Regin. 939. LMA II 226, III1512 f. IV 1466, 2154, VI 1564. HEG 682. Hla-witschka, Vom Frankenreich 116 f. Ders. Kaiser OttoI. 128 f. Pätzold 38 f. Wies 98 ff. beginnt beim»Wunder von Birten« fast selbst zu beben vor »reli-giöser« Ergriffenheit oder Brunst.

14 Thietm. 2, 21. Adalb. contin. Regin. 939 f. 954.Kelly 140. LMA I 93 f. IV 549 f. 964 f. 1146. HEG IKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.112 Deschner Bd. 5, 611Anmerkungen zum fünften Band

682. Büttner, Geschichte des Elsaß 179 ff. Holtz-mann I 121 ff. 148 ff. Auer, Der Kriegsdienst 327 ff.Lippelt 60. Steinbach, Die Ezzonen 853. Schmid, DieThronfolge Ottos des Großen 490 ff. Bullough, NachKarl 319 f. Fleckenstein, Grundlagen und Beginn144. Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert 117 ff.Pätzold 39 f. Karpf 94 ff. Hlawitschka, Vom Fran-kenreich 117. Ders. Kaiser Otto I. 129

15 Thietm. 2, 4; 2, 39 ff. Vita Brunon. 17 f. LMA IV2063. Holtzmann, Geschichte I 153, 156. Hirsch, Dermittelalterliche Kaisergedanke 33 f. Hlawitschka,Vom Frankenreich 117 f. Ders. Kaiser Otto I. 129.Fried, Die Formierung 78. Riché, Die Karolinger302. Pitz, Wirtschafts- und Sozialgeschichte 52spricht von »der Gestaltung der deutschen Ostgren-ze«, der »Befriedung des deutschen Siedlungsgebie-tes«.

16 Thietm. 2, 6 ff. Adalb. contin. Regin. 953 f. Widu-kind 3, 13; 3, 32 ff. Ruotg. Vita Brunon. 16 ff. VitaOudalrici 10. LMA I 1016, IV 964 f. V 1344, 2039,VI 1564 f. HEG I 682, 685 f. HBGI 293 f. (mit zahl-reicher weiterführender Literatur). Büttner, Geschich-te des Elsaß 188. Fischer, Das Zeitalter des heiligenUlrich 84, 88 f. Falck 60. Weitlauff 37 f. Bullough,Nach Karl 320. Fleckenstein, Grundlagen und Beginn145. Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert 119, 122.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.113 Deschner Bd. 5, 611Anmerkungen zum fünften Band

Pätzold 40. Wies 139 ff. 143 ff. Hlawitschka, VomFrankenreich 121. Zur Opposition in Sachsen vgl.bes. Leyser, Herrschaft und Konflikt 20 ff.

17 LMA VI 1565, VII 1796

18 Fried, Die Formierung 165 ff. mit zahlreichen Li-teraturhinweisen

19 Thietm. 2, 23. Vita Brunon. passim bes. 8; 12; 14;20; 25; 30 f. LMA II 753 ff. VI 1565 f. VII 578;1104 f. Keller, Reclams Lexikon 82 f. HEG I 748,751. Holtzmann, Geschichte I 151 f. 171 ff. 200 f.233. Auer, Der Kriegsdienst 336, 340 f. Prinz, Klerusund Krieg 175 ff. Apologetischeuphemistisch: Köhler180. Steinbach, Die Ezzonen 854. Hallinger 48.Neuss/Oediger 166 ff. Fischer, Politiker um Otto denGroßen 98 ff. Kallfelz 171 ff. Lotter, Die Vita Bruno-nis 75. Ders. Das Bild Brunos I. 19 ff. Bloch 41 ff.48. Wattenbach/Holtzmann I 8. Fleckenstein, Grund-lagen und Beginn 147. Bullough, Nach Karl 320 f.Pätzold 45.

20 LThK VI1 1019. LMA III 1600. Wetzer/Welte II673 f. Achter, Die Kölner Petrusreliquien 955, 977 ff.982 ff. Zur Bedeutung des Trierer Metropolitanver-bandes vgl. auch Haverkamp, Einführung passim,bes. 123 ff. Zu Trier im frühen Mittelalter: Anton 135ff. 163 ff. Ferner: H.-J. Schmidt, Religiöse Mittel-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.114 Deschner Bd. 5, 612Anmerkungen zum fünften Band

punkte und Verbindungen 182 ff. Ranke-Heinemann,Nein und Amen 217 ff.

21 Thietm. 2,9; Widukind 3, 44. Flodoard. 955. VitaOudalr. 12. LMA I 1212 f. V 1786. LThK I1 804.HEG I 686. Pätzold 45

22 Thietm. 2, 9 f. Vita Oudalrici 12

23 Widukind 3, 46 f. Vita Oudalr. 12. Vita Brunon.35

24 Thietm. 2, 10 f. Widukind 3, 46 ff. Vita Oudalr.12. LMA V 1786. Wetzer/Welte XI 377. HEG I 665f. 686 f. Weitlauff 39 f. Erben 70. Holtzmann, Ge-schichte 136, 157 ff. 177, 217. Zoepfl, Der heiligeBischof 9 ff. Büttner, Der Weg Ottos 50. Leyser, TheBattle 15 ff. Fischer, Das Zeitalter des heiligen Ulrich85. Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert 133. Flek-kenstein, Grundlagen und Beginn 145. Wattenbach/Dümmler/Huf II 469. Fried, Der Weg 513 ff.

25 LThK VI1 642, VIII1 280 f. X1 960 f. dtv Lexi-kon 14, 155 f. Kelly 147. LMA IV 1434, V 1761 f.2112, VI 2157. HKG III/1 280. HBG I 224, 305.Uhlirz I 96 ff. Hauck III 163 ff. bes. 177 ff. Ziber-mayr 120. Pfeiffer, Die Bamberg Urkunde 16 ff. Wat-tenbach/Holtzmann I 285 ff. Holtzmann, Geschichte I252 ff. Janner I 354. Heuwieser, Geschichte I 63 ff.Tomek 115 ff. Dauch 11. Bosl, Probleme der Missio-Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.115 Deschner Bd. 5, 612Anmerkungen zum fünften Band

nierung 6. Hóman I 155 f. Fuhrmann, Der angeblicheBrief 51 ff. Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert211 ff. Fichtenau, Zu den Urkundenfälschungen Pil-grims 96 ff. Reindel, Bayern im Karolingerreich 242.Brunner 85 ff. bes. 90 ff.

26 Heuwieser I 63 ff.

27 Vita Oudalr. passim, bes. 1, 3, 5, 9 ff. 21 ff. Ar-nold v. St. Emmeram, Libri duo de S. Emmerammo 1,17 (PL 141, 1016). Wetzer/Welte XI 372, 376, 386f. LThK I1 78, I3 126, X1 365 ff. LMA I 1213. Babl167. Zoepfl, Das Bistum Augsburg 66. Weitlauff 8 ff.35, 38 ff. Bosl, Bayerische Geschichte 75. Kallfelz12, 37, 53 Anm. 5. Plötzl 83 f. 90 ff.

28 Thietm. 3, 8. Ekkeh. Casi s. Galli 51; 57. Wetzer/Welte XI 376, 382. LThK X1 366 f. II1 219. Keller,Reclams Lexikon 489. Fichtinger 370. Kühner, Lexi-kon 74. Kelly 150. LMA IV 931, 1315. Wattenbach/Holtzmann, Geschichtsquellen I 257 f. Wattenbach/Dümmler/Huf 463. Zoepfl, Das Bistum Augsburg imMittelalter 74 f. Dorn, 116 ff. 126 ff. Kallfelz 12, 37ff. Kühner, Das Imperium 124. Rummel, Ulrichslita-neien 351 f. Hörger, Die »Ulrichsjubiläen« 309. Vgl.auch die vorherg. Anm.

29 Thummerer, Urkundlicher Bericht 231 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.116 Deschner Bd. 5, 613Anmerkungen zum fünften Band

30 Thietm. 2, 9 f. Vita Brunon. 35. LMA V 1786.Hauptmann, Die Frühzeit 324. Keller, Das Kaisertum247. Fischer, Das Zeitalter des heiligen Ulrich 85.Schramm, Kaiser, Könige und Päpste III 162

31 LMA I 1321 f. Fried, Die Formierung 79. Riché,Die Karolinger 312. Pätzold 45 f.

32 Thietm. 2, 12; 2, 14; 2, 19; 2, 28. Widukind 2, 9;2, 20; 3, 54. Taddey 522. LMA IV 2160. Hauck III107. Hauptmann, Die Frühzeit 321. Keller, Das Kai-sertum Ottos 374. Holtzmann, Geschichte I 126, 134f. Ders. Aufsätze 3. Kossmann 452 f. Bullough, NachKarl 321. Haller, Das altdeutsche Kaisertum 17, 29.Stern/Bartmuss 192. Donnert 333 f. Fleckenstein,Grundlagen und Beginn 161 f. Schramm, Kaiser, Kö-nige und Päpste III 160. H.K. Schulze, HegemonialesKaisertum 230. Lubenow, 18 ff. Althoff, Das Bett desKönigs 141 ff. Fried, Der Weg 500 f.

33 Hauck III 84 ff. 96. Boshof, Königtum 13. Fried,Der Weg 500 f.

34 Widukind 2, 4; 2, 20 f. Adalb. cont. Regin. 928.HEG I 679. Hauck III 21 f. 77 ff. 90 f. Holtzmann,Geschichte I 108, 133 f. Ders. Aufsätze 3. Brüske,Untersuchungen 21 f. Stern/Bartmuss 192. Ludat, AnElbe und Oder 10 ff. Fleckenstein/Bulst 41, 44, 59 f.70 f. Haller II 182. Lubenow 24. Schulze, Hegemo-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.117 Deschner Bd. 5, 613Anmerkungen zum fünften Band

niales Kaisertum 77

35 Thietm. 2, 12. Widukind 3, 53 ff. Liutpr. hist.Otton. 10, 17. Taddey 522. LMA II 551, 1101 f. III1762, IV 1980, VI 1009. Hauck III 88 ff. 102 ff.Holtzmann, Geschichte I 134, 160 ff. 179 f. Hampe,Karl der Große 70. Ahlheim 179, 181. Stern/Bart-muss 193. Pätzold 45 f. Fichtenau, Lebensordnungen220

36 Widukind 3, 70. LMA I 48, VI 1009, 1390 f.Hauck III 105 ff. Zur Totalen-Kriegs-Predigt, zu Völ-kermord und überhaupt der Propagierung gewalttäti-ger Intoleranz schon und gerade in der Bibel: Buggle36 ff. 56 ff. 68 ff. 95 ff. Dabei ist, sehr instruktiv,nach Streminger, Die Jesuaniśche Ethik 126 f., »dergrollende Jahwe relativ harmlos im Vergleich zumlieben Vater des Neuen Testaments.« Vgl. auch Ders.,Gottes Güte 215 ff. Baeger 206 f. Mynarek, Denkver-bot 83 ff. Deschner, Die unheilvollen Auswirkungen182 ff. Im übrigen läßt sich auch die Bibel für allesgebrauchen. Denn da sie »nicht nur die Bergpredigtmit der Aufforderung zur Feindesliebe, sondern auchdie Bücher Samuel mit der Aufforderung zum Völker-mord enthält, ist es kein Wunder, daß sie sich auf pa-zifistischen Kundgebungen ebensogut zitieren läßtwie in Feldgottesdiensten auf Vernichtungsfeldzü-gen ...«, schreibt Birnbacher 148. Nie zu vergessen

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.118 Deschner Bd. 5, 613Anmerkungen zum fünften Band

aber H. Herrmann, Passion 38: »Der wahre Täter istnicht der Folterknecht, nicht der professionelle Hen-ker, sondern die anonyme Menge der Zuschauer.«

37 Thietm. 2, 7; 2, 16 f. Widukind 3, 8. FlodoardAnn. 350. Adalb. contin. Regin. 950. Naegle II 330ff. Holtzmann, Geschichte I 173 f. 210, 219, 235 f.Ders. Aufsätze 5 f. Stern/Bartmuss 194. Claude, Ge-schichte des Erzbistums Magdeburg I 17 ff. 25 ff.bes. 34 ff. 45 ff. Wentz/Schwineköper 17 f. 42, 81 ff.Brackmann, Magdeburg als Hauptstadt 18, 29 u.o.Lippelt 151 f. Hlawitschka, Vom Frankenreich 127.Riché, Die Karolinger 301 f. 376. Pätzold 46

38 Thietm. 2, 14; 2, 29. Widukind 3, 66 f. LMA I476, VI 616, 2125, VII 52 f. 880 f. HEG I 905 ff.HKG III/1, 262 f. Hauptmann, Die Frühzeit 322 f.Holtzmann, Geschichte I 180 ff. Ketrzyński, The In-troduction 16. Halecki 19 f. Hensel 236 ff.

39 Thietm. 4, 55. Hauptmann, Die Frühzeit 323 f.Holtzmann, Geschichte I 198 f. Kossmann 452 f.Mayer, Mittelalterliche Studien 66. Bosl, Europa 236.Rice 155. Rhode 11

40 Thietm. 8, 32. Nach Thietm. ebd. bestand die Be-völkerung von Kiew vor allem aus »kampftüchtigenDänen« (Danis). Adalb. contin. Regin. 959; 961. dtvBd 15, 296. LMA I 98 f. III 1121 ff. 1130 f. 1398 f.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.119 Deschner Bd. 5, 614Anmerkungen zum fünften Band

V 1121 ff. bes. 1123 f. VI 756 f. 1395 f. VII 137 f.880 f. 1112 f. HEG I 694, 842, 925 ff. 989 ff. HKGIII/1 275 ff. Benz 12 f. Ammann 12. Fleckenstein,Grundlagen und Beginn 163 f. Riché, Die Karolinger313. Beumann, Otto der Große 68 f. Schreiner, By-zanz 143. Poppe 271 ff. Blum 15 f. Janin/Sedov/To-locko 203 ff.

41 Thietm. 7, 43 f. Wetzer/Welte IX 457 ff. LMA I1522. II 459 f. 1794 ff. (wird 989 als Jahr des Feld-zugs nach Cherson genannt) III 768 ff. bes. 771 ff. V267, 306, 1124 (Hösch). VII 137 f. HEG I 841 ff.929 ff. 992. Rice 155. Vernadsky 286 f. Jirecek I141. Ammann 15, 21. Hellmann, Slawisches, insbe-sondere ostsl. 264 f. Blum 21 f.

42 Thietm. 7, 75. LMA II 459 f. V 306 (A. Poppe).Hellmann, Slawisches, insbes. ostsl. 266 f. Ammann23

43 Wetzer/Welte I 270 f. LThK I1 471 f. I3 715 f.Kelly 115, 118. LMA I 690, II 220 ff. (H. Ehrhardt),III 499, 1527, IV 1865 ff. (Ch. Radtke), 1883 ff.1928, VII 804. HEG I 953. Hauck II 698 ff. Walter-scheid 87 ff. Stratmann, Das Recht der Erzbischofs-weihe 67 f. Haendler 119 ff. Friedmann 194 f. 198

44 Thietm. 1, 17. Adam von Bremen, Gesta Hamma-burgens. eccl. pontif. 1, 56; 1, 59. Übertritt des Dä-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.120 Deschner Bd. 5, 614Anmerkungen zum fünften Band

nenkönigs Harald ausführlich: Ermoldus Nigellus,Carmen IV v. 606 ff. (Poet. lat. aevi Carol. II 75).LMA III 502 (Skovgaard-Petersen), IV 1561, 1929.V 348. HKG III/1, 264. HEG I 675, 953 f. Hauck II706 ff. III 80 ff.

45 Thietm. 2, 42. Adam 2, 4. LThK I1 82, I3 131.dtv Lexikon 16, 191. LMA I 104, IV 1929, VI 1257,1391. HKG III/1, 264. Hauck II 708 ff. III 93 f. 99 ff.(hier Quellenhinweise)

46 LMA IV 1930. Kosminski/Skaskin I 127. Brack-mann, Gesammelte Aufsätze 31. Hlawitschka, KaiserOtto I. 134 f. Zur Gründung des Bistums Meißen vgl.Pfeifer, Die Bistümer Prag und Meißen 77 ff. bes. 81ff. Zum »sakralen« Königtum auch in der Neuzeit vgl.die lehrreiche Abhandlung von G. Feeley-Harnik,Herrscherkunst 195 ff.

47 Franzen, Kleine Kirchengeschichte 165. Abend-zeitung München, 24. Juli 1995. Vgl. zum 20. Jhrh.:Deschner, Die Politik der Päpste I u. II passim sowie:Deschner/Petrović, Weltkrieg der Religionen 261 ff.Umeljić passim Dokumentation 281 ff.

48 LP 1, 470 f. JW 1, 284. LP 2, 86 f. JW 1, 327. LP2, 246 ff. JW 1, 466 ff. LP 2, 251 JW 1, 469 ff. LP2, 234 JW 1, 444 f. Zimmermann, Papstabsetzungen158 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.121 Deschner Bd. 5, 614Anmerkungen zum fünften Band

49 LP 2, 251, JW 1, 469 f. LP 2, 229 JW 1, 439 f. 2,705. LP 2, 240 f. JW 1, 449 ff. 2, 706. LP 2, 255 ff.JW 1, 477 ff. 2, 707. LP 2, 259 JW 1, 484 f. LP 2,243 JW 1, 454 f. LP 2, 244 JW 1, 457 f. LP 2, 140ff. JW 1, 235 f. LP 2, 279 JW 1, 556 f. LP 2, 261 f.JW 1, 495 f. Zimmermann, Papstabsetzungen 198 f.Nitschke 40 ff. Vgl. ferner die einschlägigen Textebei Kühner, Kelly, im LMA

50 LP 2, 236 ff. JW 1, 445 ff. Kühner, Lexikon 65 f.Kelly 132 ff. LMA VII 1787. Hartmann, GeschichteItaliens III 2. H. 208 f. Dümmler III 601. Gregorovi-us 1, 2, 576 ff. Cartellieri I 368. Haller II 143. Sep-pelt II 336 f. Seppelt/Schwaiger 118 f. Zimmermann,Das dunkle Jahrhundert 27. Ders. Papstabsetzungen63

51 Kelly 136. LMA V 1891, 2178, VI 1165, 2110.HEG I 833 ff. Seppelt II 339 f. Zimmermann, Dasdunkle Jahrhundert 35. Beck 120 ff. de Rosa 63

52 LP 2, 240 f. JW 1, 449 ff. LP 2, 243 JW 1, 454 f.Liutpr. antapod. 2, 47 f. Pierer X 524. Kühner, Lexi-kon 66. LThK V1 470. Kelly 139. LMA VI 321.Gregorovius I 2, 578 ff. 583 f. Holtzmann, Geschich-te I 98 f. Haller II 143 f. Portmann 111 f. Seppelt II337 f. 341, 346. Seppelt/Schwaiger 118. Neuss 102.de Rosa 63. Karpf 5 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.122 Deschner Bd. 5, 615Anmerkungen zum fünften Band

53 Liutpr. antapod. 2, 48. Kelly 137. HKG III/1,226. HEG I 796. Dümmler III 602 f. Hartmann, Ge-schichte Italiens III 2. H. 166 f. Gregorovius I 2, 580f. 587 f. Haller II 147. Seppelt II 341 f. Seppelt/Schwaiger 118. Eickhoff 298 f. Falco 167. Erben 53.Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert 44 ff. 54 f. 71

54 Liutpr. antapod. 2, 57 ff. 2, 68 ff. Flodoard Ann.922 ff. LMA V 397 ff. 710 f. (Tobacco) HEG I 657 f.Hartmann, Geschichte Italiens III 2. H. 188 ff. Hla-witschka, Franken, Al. 102 f. Zimmermann, Dasdunkle Jahrhundert 72

55 Liutpr. 3, 2 ff. 3, 11 ff. Flodoard. Ann. 923 f. 926.Ann. Alamann. 926. HEG I 658. LMA II 940 f. Hart-mann, Geschichte Italiens III 2. H. 193 ff. Hlawitsch-ka, Franken, Al. 104. Zimmermann, Das dunkle Jahr-hundert 73

56 Flodoard Ann. 926. LMA V 158. HEG I 658.Gregorovius I 2, 592. Hartmann, Geschichte ItaliensIII 2. H. 197. Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert73 f.

57 Liutpr. antapod. 3, 39 ff. 4, 14. HEG I 660 f.Hartmann, Geschichte Italiens III 2. H. 198 ff. 248.Seppelt II 344

58 Flodoard 946. De triumph. Christi 12, 7. Liutpr.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1087: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.123 Deschner Bd. 5, 615Anmerkungen zum fünften Band

antapod. 3, 18; 3, 43 ff. 4, 14. Kelly 139. Kühner,Lexikon 68 ff. HKG III/1, 226 f. HEG I 650 ff. 659.LMA I 280 f. V 158, VI 321. Dümmler III 603. Gre-gorovius I 2, 592 ff. Hartmann, Geschichte Italiens III2. H. 215 ff. Haller II 148 ff. Seppelt II 345 ff. Sep-pelt/Schwaiger 118 f. Holtzmann, Geschichte I 99.Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert 74, 76 ff. 93,96 f. Ders. Papstabsetzungen 78. Gontard 191. deRosa 64

59 Liutpr. antapod. 5, 3. LMA I 280 f. Kühner, Lexi-kon 69 f. Kelly 140 f. Seppelt II 348 f. (hier Zitat vonE. Sackur.)

60 Liutpr. antapod. 3, 49; 5, 3 ff. 5, 12; 5, 26 ff.LMA I 1933 f. V 158. HEG I 660 f. Hartmann, Ge-schichte Italiens III 2. H. 232 ff. Zimmermann, Dasdunkle Jahrhundert 99

61 Liutpr. antapod. 5, 32

62 Thietm. 2, 5 Liutpr. antapod. 5, 31. Widukind 3,7; 3, 9 f. Flodoard 950 f. Vita Mathild. poster. 15.LMA I 95, 145, 1933 f. V 2128. Hartmann, Ge-schichte Italiens III 2. H. 236 f. 243 ff. H. Keller, ZurStruktur der Königsherrschaft 177 ff. Fleckenstein,Grundlagen und Beginn 170 f. Zimmermann, Dasdunkle Jahrhundert 100

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.124 Deschner Bd. 5, 616Anmerkungen zum fünften Band

63 Thietm. 2, 5 Widukind 3, 10. Flodoard 952. Liut-pr. Liber de Ottone rege 1; 15. Kelly 143. LMA I 95,1934, V 2039. Hartmann, Geschichte Italiens III 2.H. 250 ff. Holtzmann, Geschichte I 188 f. Seppelt II353 f. Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert 134,137. Ders. Papstabsetzungen 235 f. Bernhart 93.Fleckenstein, Grundlagen und Beginn 171. Fleckens-tein/Bulst 65

64 Liutpr. de Ott. rege 3; 10. Flodoard Ann. 954.Kelly 142 ff. Sickel, Alberich II. 104 f. Köpke/Rümmler 350 ff. Dresdner 62. Haller II 151. SeppeltII 352 f. Klauser 187. Zimmermann, Papstabsetzun-gen 78, 257. Zimmermann, Parteiungen 365 ff.

65 Liutpr. de Ott. rege 10. Kelly 142 f. Haller II 151.Fleckenstein/Bulst 65. Zimmermann, Das dunkleJahrhundert 135 f.

66 Liutpr. de Ott. rege 2. LThK IV1 841, IV3 1210.LMA I 95, IV 1958. HEG I 690. Sommerlad II 239 f.Holtzmann, Geschichte I 116 ff. 174 f. 201. Vehse I10. Bullough, Nach Karl 322. Seppelt II 355, 358.Bernhart 93. Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert139. Ders. Papstabsetzungen 183, 186. Fleckenstein/Bulst 60. Heer, Mittelalter 532 f. Schulze, Hegemo-niales Kaisertum 198 f.

67 Liutpr. de Ott. rege 3. MG Const. I Nr. 10 ff.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.125 Deschner Bd. 5, 616Anmerkungen zum fünften Band

Tract. cum Joh. XII. S. 20 ff. HEG I 690 f. Kelly 143.Hartmann, Geschichte Italiens IV 1. H. 2 f. Hampe,Die Berufung Ottos 153 ff. Grundmann 200 ff. HallerII 152 ff. Bullough, Nach Karl 322. Seppelt II 356 f.Fleckenstein, Grundlagen und Beginn 173 f. Schulze,Hegemoniales Kaisertum 199 ff. Zur zwiespältigenHaltung der zeitgenössischen Quellen zur Kaiserkrö-nung Ottos I. vgl. Keller, Das Kaisertum 218 ff.

68 Holtzmann, Geschichte I 192. Büttner, Der WegOttos 58 ff. Haller II 155. Seppelt II 355, 357. Sep-pelt/Schwaiger 122. Fuhrmann, KonstantinischeSchenkung 128 ff. Beumann, Otto der Große 69

69 Thietm. 2, 13. Adalb. cont. Regin. 963 f. Liutpr.de Ott. rege 3 f. 6 f. Otto v. Freis. Chr. 6, 23. LMA II1490, IV 882 (Singer), VI 1652. HEG I 664, 691.Hartmann, Geschichte Italiens IV 1. H. 4 ff. Gregoro-vius I 2, 619 ff. Hampe, Die Berufung 163 ff. HallerII 155 f. Ders. Das altdeutsche Kaisertum 26. SeppeltII 358 f. Schöffel I 115. Fleckenstein/Bulst 67. Prinz,Grundlagen und Anfänge 148 f. Fuhrmann, Konstan-tinische Schenkung 128 ff. Zimmermann, Papstabset-zungen 81 ff. 254 ff. Ders. Das dunkle Jahrhundert144 ff. 154. Graf 53 f. Hlawitschka, Vom Franken-reich 126 f. Beumann, Otto der Große 68

70 Adalb. cont. Regin. 963. Liutpr. de Ott. rege 8 ff.Ann. Hildesheim. 963. Hartmann, Geschichte ItaliensKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.126 Deschner Bd. 5, 616Anmerkungen zum fünften Band

IV 1. H. 6 ff. Gregorovius I 2, 620 f. Holtzmann, Ge-schichte I 194. Seppelt II 359. Haller II 156. Boye 55f. Tangl 107 ff. Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert148. Ders. Papstabsetzungen 255 ff. Prinz, Grundla-gen und Anfänge 149. Gontard 195

71 LP 2, 246 ff. JW 1, 466 ff. Adalb. cont. Regin.963. Liutpr. de Ott. rege 10 ff. 15 f. Kelly 144. LThKVII1 763, 823 f. Hartmann, Geschichte Italiens IV 1.H. 8 ff. Gregorovius I 2, 622. Haller II 155 f. Ders.Das altdeutsche Kaisertum 26. Seppelt II 360. Flek-kenstein/Bulst 67. Zimmermann, Papstabsetzungen85 f. 243 f. 248, 255. Ders. Das dunkle Jahrhundert149

72 Adalb. cont. Regin. 964. Liutpr. de Ott. rege 17 ff.Kühner, Lexikon 70 f. Kelly 143 f. Hartmann, Ge-schichte Italiens IV 1. H. 10 ff. Gregorovius I/2, 624ff. Holtzmann, Geschichte I 196. Haller II 156 f. Sep-pelt II 360 f. Seppelt/Schwaiger 123. Kämpf, DasReich 52. Bernhart 93. Gontard 195. Graf 54 f. Boye56. Zimmermann, Papstabsetzungen 258. Ders. Dasdunkle Jahrhundert 150 f. Hlawitschka, Kaiser Otto I.137

73 Hergenröther II 211 f.

74 LP 2, 251 JW 1, 469 f. Liutpr. de Ott. rege 21 f.Adalb. cont. Regin. 964 f. Kelly 145. Hartmann, Ge-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

Page 1091: 05 - 9. und 10. Jahrhundert.pdf

5.127 Deschner Bd. 5, 617Anmerkungen zum fünften Band

schichte Italiens IV 1. H. 14 f. Gregorovius I 2, 626 f.Haller II 157. Gontard 195. Boye 56. Seppelt II 362.Zimmermann, Papstabsetzungen 92 ff. 247. Ders.Das dunkle Jahrhundert 152. Schreiner, Gregor VIII.,nackt auf einem Esel reitend 171 f.

75 Holtzmann, Geschichte II 303. Haller II 145 f.Hertling 131. Gontard 199 f. Daniel-Rops 686, 689.Vgl. auch Buggle 7 f. Deschner, Die Politik der Päp-ste passim, bes. II 417 ff.

76 LP 2, 253 f. JW 1, 470 ff. Adalb. cont. Regin. 965f. Kelly 145 f. LMA V 542. Hartmann, GeschichteItaliens IV 1. H. 17 f. Gregorovius I/2, 629 f. Holtz-mann, Geschichte I 203. Haller II 158 f. Seppelt II363 ff. Graf 57 f. Gontard 196. Zimmermann, Papst-absetzungen 95 ff. Ders. Das dunkle Jahrhundert 153f. Ders. Das Papsttum im Mittelalter 101. Beumann,Die Ottonen 101. Schreiner, Gregor VIII., nackt aufeinem Esel reitend 172. Althoff/Keller II 198

77 HEG I 692. Holtzmann, Geschichte I 204. Bütt-ner, Der Weg Ottos 54. Hay 339. Steinbach, Die Ez-zonen 855. Kempf, Das mittelalterliche Kaisertum228. Kosminski/Skaskin 133. Stern/Bartmuss 188.Zimmermann, Das Papsttum im Mittelalter 100 ff.Bullough, Nach Karl 322. Prinz, Grundlagen und An-fänge 149. Hlawitschka, Vom Frankenreich 118 f.124, 131. Zur Karlstradition: Deér 38 ff. Beumann,Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.128 Deschner Bd. 5, 617Anmerkungen zum fünften Band

Grab und Thron 9 ff. – Eine »neue Interpretation«versucht, getreu in den Spuren seines Doktorvaters,der Hlawitschkaschüler R. Pauler, Das Regnum Ita-liae passim, bes. 164 ff. Zur Historiker-Diskussionder deutschen Italienpolitik im Mittelalter vgl. vorallem die sehr instruktiven Darlegungen von Althoff/Keller 2 Bde passim und Fried, Der Weg 529 ff.

78 Pauler, Das Regnum Italiae 9 ff. 21 f. 102 ff.

79 Ebd. 64 ff. Spendabel war der Kaiser auch gegen-über italienischen Klöstern, vgl. etwa Zotz 172 ff.

80 LMA I 1908, VI 1652, VII 1295. HEG I 695.Hlawitschka, Vom Frankenreich 130. Ders. KaiserOtto I. 140. Beumann, Die Ottonen 101 f. 108. Pätz-old 48. Glocker, Die Verwandten der Ottonen 156 f.

81 Widukind 3, 72. Liutpr. Legatio passim, bes. 3; 9.Zitat 44. LMA I 821. HEG I 695. Hauck III 217.Hartmann, Geschichte Italiens IV 1. H. Bauer/Rau239. Beumann, Die Ottonen 108 f. Glocker, Die Ver-wandten der Ottonen 155 ff. Rentschler passim, bes.9 ff.

82 LMA V 532. VII 74. Uhlirz Jahrbücher I 20 ff.Hartmann, Geschichte Italiens IV 1. H. 27 ff. Flek-kenstein, Grundlagen und Beginn 125 f. Beumann,Die Ottonen 109. Glocker, Die Verwandten der Otto-nen 154 ff. Hlawitschka, Kaiser Otto I. 140. PätzoldKarlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.129 Deschner Bd. 5, 617Anmerkungen zum fünften Band

48

83 Glocker, Die Verwandten der Ottonen 154

84 Thietm. 2, 43. Widukind 3, 75 f. Adam von Bre-men, Gesta Hammaburg. eccl. 2, 21 nennt Otto »denBezwinger aller Völker des Nordens«. Holtzmann,Geschichte I 216. Schulze, Hegemoniales Kaisertum77

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.130 Deschner Bd. 5, 618Anmerkungen zum fünften Band

11. KapitelKaiser Otto II. (973–983)

1 Otto v. Freis. 6, 26

2 Thietm. III Prol.

3 Thietm. 2, 44; 3, 1; 3, 13 f. 3, 16; 4, 6. Adalb. cont.Regin. 955; 961, 967. Widukind 3, 76. LThK X1

920 f. II3 799 f. Ekkeh. Casus s. Galli 98. LMA I169 f. III 1030, 1766. IV 1468. V 19 (Seibert). VI1567. Taddey 263 f. 1308, 1310 f. Uhlirz, JahrbücherI passim u. 212. Wattenbach/Holtzmann, GeschichteI 10. Holtzmann, Geschichte I 239 ff. Brackmann,Gesammelte Aufsätze 200. O. Meyer, In der Harmo-nie 218. Beyreuther, Otto II. 67 f. Prinz, Grundlagenund Anfänge 163. Landau 29 ff., hier auch Zitat vonSeckel

4 LMA VI 1567. Stern/Bartmuss 196 f.

5 LMA II 358 f. III 300, IV 2063 f. VI 616 f.(Lübke), 1567. HEG I 696 f. HBG I 297 f. Hart-mann, Geschichte Italiens IV 1. H. 70 ff. Naegle II353 f. 366 ff. 372 f. Staber 26. Fleckenstein, Grund-lagen und Beginn 190 f. Glocker, Die Verwandten167 ff. 175 ff. Hlawitschka, Vom Frankenreich 132.Prinz, Grundlagen und Anfänge 161 f.A. Kraus. Ge-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.131 Deschner Bd. 5, 618Anmerkungen zum fünften Band

schichte Bayerns 61 ff. Fried, Der Weg 552 ff. Bey-reuther, Otto II. 68. Althoff/Keller II 150. Nach Beu-mann, Die Ottonen 113 kannten den Namen des Zän-kers »schon Zeitgenossen«

6 Thietm. 3, 7; 3, 24. Ann. Weißenb. 975; Ann. Hil-desh. 976. Ann. Magdeb. 976. LMA II 358, IV 613,2063 f. HBG I 224 f. 298 ff. HEG I 697. Uhlirz I 92ff. Holtzmann, Geschichte I 247 ff. Hellmann, DieOstpolitik Kaiser Ottos II. 49 ff. Prinz, Grundlagenund Anfänge 162. Fleckenstein/Bulst 82 f. Hlawitsch-ka, Vom Frankenreich 132 f. Ders. Otto II. 147. Beu-mann, Die Ottonen 115. Fried, Der Weg 554

7 LMA V 1204, VI 616 f. VII 1481. HEG I 907.Holtzmann, Geschichte I 251 f. Rhode 3 ff. 7. Flek-kenstein/Bulst 85

8 Thietm. 3, 8. Widukind 2, 39. Richer v. Reims 3,69 ff. bes. 3, 71. LThK X1 960 f. II3 724. Wetzer/Welte IX 97 ff. Taddey 162, 1323. LMA I 93, II 755f. V 993, 2127. HEG I 697 f. VI 1567. VII 830 f.Uhlirz, Jahrbücher I 105 ff. bes. 116. Janner I 385.Staber 26. Walterscheid 167 ff. Bullough, Nach Karl323. Hlawitschka, Vom Frankenreich 133, 137. Ders.Kaiser Otto II. 148, 151. Glocker, Die Verwandten187 ff. 191, 198. Beyreuther, Otto II. 69. Fichtenau,Lebensordnungen 50. Sprandel 101

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.132 Deschner Bd. 5, 618Anmerkungen zum fünften Band

9 Thietm. 2, 14. Taddey 46. LMA III 534 f. IV 1762f. 1865 (Riis), VI 1567. HEG I 953 f. Uhlirz I 134 f.Holtzmann, Geschichte I 245 f. 275 ff. II 279. Haller,Das altdeutsche Kaisertum 35. Schöffel I 118. Bauer,Der Livlandkreuzzug 306 Fußnote 12. Fleckenstein/Bulst 83

10 Thietm. 3, 17 ff. Ann. Hildesh. 983. Ann. Magde-burg. 983. Adam v. Bremen, Gesta Hammaburg. 3,21 f. LMA I 107, 1986, II 193, VI 23 f. Uhlirz, Jahr-bücher I 203 f. Holtzmann, Geschichte I 275 f. Ders.Das Laurentius-Kloster 167. Abb/Wentz 21. Flek-kenstein/Bulst 88. Stern/Bartmuss 194 f. Haller, Dasaltdeutsche Kaisertum 35. R. Schmidt, Rethra 368.Bullough, Nach Karl 323. Fritze, Beobachtungen 1 ff.Bündig-Naujoks 71 f.A. Heine (Hg.), Adam von Bre-men 7 ff. Beyreuther, Otto II. 71. Lubenow 24 ff.Ludat, An Elbe und Oder 2. A. 38 ff. 41 f. Herrmann,Die Nordwestslawen 276 ff. Friedmann 259 ff.

11 Thietm. 3, 18 f. Uhlirz, Jahrbücher I 203 ff. Flek-kenstein/Bulst 88, Stern/Bartmuss 195. Schöffel I118. Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg157 f. Beumann, Laurentius und Mauritius 241. Lau-temann 198. Friedmann 259 ff. bes. 266

12 Schlesinger, Kirchengeschichte I 146. Claude, Ge-schichte des Erzbistums Magdeburg 156. Hlawitsch-ka, Otto II. 150, 152. Beyreuther, Otto II. 71Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.133 Deschner Bd. 5, 619Anmerkungen zum fünften Band

13 Hartmann, Geschichte Italiens IV 1. H. 71 ff. Sep-pelt II 371. Fried, Der Weg 557 f.

14 LP 2, 255 ff. JW 1, 477 ff. 2, 707. Kühner, Lexi-kon 72 f. Kelly 146 ff. Uhlirz, Jahrbücher II 58 f.Gregorovius I 2, 639 ff. Hartmann, Geschichte Itali-ens IV 1. H. 68, 97. Nach Haller II 160 ist die Ermor-dung »nicht klar«. Ähnlich Zimmermann, Papstabset-zungen 100 ff. Ders. Das dunkle Jahrhundert 202 f.224. Holtzmann, Geschichte II 290. Seppelt II 369 ff.Seppelt/Schwaiger 124 f. Gontard 197 f. Beyreuther,Otto II. 69 ff.

15 MG Constit. IS. 436. Sommerlad II 254. Schulte,Der Adel 211. Beyreuther, Otto II. 71. Hlawitschka,Kaiser Otto II. 149.

16 Thietm. 3, 20 ff. Ann. Sangall. 982. Ausführlich:Uhlirz, Jahrbücher 177 ff. 254 ff. 262 ff. GregoroviusI 2, 643 f. Hartmann, Geschichte Italiens IV 1. H. 74ff. 85 ff. Eykhoff 365 ff. Haller, Das altdeutsche Kai-sertum 33 f. Zoepfl, Das Bistum Augsburg im Mittel-alter 79. Holtzmann, Geschichte I 267 ff. Bullough,Nach Karl 323. Stern/Bartmuss 197. Fleckenstein,Grundlagen und Beginn 191 f. Weller, Württembergi-sche Kirchengeschichte 95. Zimmermann, Das dunkleJahrhundert 222 ff. Hlawitschka, Kaiser Otto II. 149.Beyreuther, Otto II. 71 f. Fried, Der Weg 560

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.134 Deschner Bd. 5, 619Anmerkungen zum fünften Band

12. KapitelKaiser Otto III. (980–1002)

1 HKG III/1, 271

2 Fried, Die Formierung 82

3 Thietm. 4, 9

4 Görich, Otto III. 277

5 Thietm. 3, 18; 3, 25 f. 4, 1 ff. 4, 7 f. Richer 3, 96.Ann. Quedlinb. 984 f. LMA III 135 f. IV 1468,2063. Uhlirz, Jahrbücher I 206 f. II 12 ff. 31 ff.Holtzmann, Geschichte II 281 ff. Haller, Das altdeut-sche Kaisertum 36. Bullough, Nach Karl 323 f. Auer,Der Reichskriegsdienst 142. Claude, Geschichte desErzbistums Magdeburg 158 ff. Prinz, Grundlagen undAnfänge 166 f. Hlawitschka, Vom Frankenreich 135f. Glocker, Die Verwandten 160 f. 294 ff. Beumann,Die Ottonen 127 ff. Ders. Otto III. 73. Althoff, OttoIII. 39 f. 43 ff. 124 f. Erkens, Die Frau als Herrsche-rin 275 f. Ludat, An Elbe und Oder 2 A. 23 ff. Gö-rich, Otto III. 187 ff. bes. 203 ff. S. auch 278. Zu denQuedlinburger Annalen ausführlich ebd. 52 ff., zur»Romgebundenheit der Kaiserwürde« und der Hal-tung des »nördlichen Reichsteils oder der Sachsen«vgl. ebd. 113 ff.

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.135 Deschner Bd. 5, 620Anmerkungen zum fünften Band

6 Thietm. 4, 15; 4, 43. Vita Bernw. 2, 2 ff. Wetzer/Welte I 848 ff. Vgl. LThK I1 96 mit LThK I3 129 f.152. LThK II3 286 f. VI1 502, X1 81. Taddey 118,1194. Kelly 151 ff. LMA I 101, 145 f. 915 f. 2012 f.IV 1300 ff. 2087, 2155 f. V 542 f. 1881 f. VI 136,391, 1288 f. Uhlirz, Jahrbücher I 188, II 8, 266 f.Hartmann, Geschichte Italiens IV 1. H. 104 ff. Böh-mer, Willigis 53 ff. 71 ff. 80 ff. Wattenbach/Holtz-mann, Geschichte I 11, 46 f. 61, 294 f. 323. Holtz-mann I 240, 273, II 279, 285 ff. 301 ff. 320 ff. Falck64. Bullough, Nach Karl 323 f. Wollasch 135 ff. Hal-ler, Das altdeutsche Kaisertum 35 ff. Voigt, Adalbert34 ff. 46 ff. Bosl, Herzog 292 f. Stern/Bartmuss 198.Fleckenstein, Grundlagen und Beginn 192 f. 195.Ders. Hofkapelle und Kanzlei 305 ff., bes. 307 f.Fleckenstein/Bulst 90 ff. 96 ff. 105. H. Müller, Heri-bert, Kanzler Ottos III. passim, bes. 88 ff. Claude,Geschichte des Erzbistums Magdeburg I 122 f.Brackmann, Gesammelte Aufsätze 246 f.O. Meyer, Inder Harmonie 219 f. Zimmermann, Das Papsttum imMittelalter 104 f. Ders. Gerbert als kaiserlicher Rat235 ff. Schramm, Kaiser, Könige und Päpste 216 ff.Hlawitschka, Vom Frankenreich 135 f. Prinz, Grund-lagen und Anfänge 166 f. Fried, Die Formierung 82.Beumann, Die Ottonen 131, 133, 135, 137. Ders.Otto III. 76 f. Glocker, Die Verwandten 93 ff. 98.Althoff, Otto III. 57 f. 68 ff. 78 ff. 91 ff. 96 ff. 154.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.136 Deschner Bd. 5, 620Anmerkungen zum fünften Band

Görich, Otto III. 211 ff.

7 Vita S. Nili 92 f. Petr. Damian., Vita S. Rom. 25.Hartmann, Geschichte Italiens IV 1. H. 110, 121 ff.133. Looshorn I 52. Nach Uhlirz II 275 begünstigteOtto (in Italien) noch mehr die Klöster und Kanoni-kerstiftungen. Es kam sogar zu Neugründungen, »un-zweifelhaft nur zu dem Zweck vorgenommen ..., dieStützpunkte der kaiserlichen Gewalt zu vermehren.« –Zur politischen und militärischen Komponente derWallfahrt nach dem Monte Gargano: ebd. 290. HauckIII 62 ff. Böhmer, Willigis 73 f. Haller, Das altdeut-sche Kaisertum 38 ff. Holtzmann, Geschichte 175 f.Köhler, Die Ottonische Reichskirche 182. Schramm,Kaiser, Könige und Päpste III 137. Fried, Die For-mierung 82. Althoff, Otto III. 25, 122 f. 130

8 Thietm. 4, 19. Ann. Quedlinb. 995. Uhlirz I 197.Seppelt II 374. Prinz, Grundlagen und Anfänge 168 f.Hlawitschka, Vom Frankenreich 139. Fried, Otto III.und Boleslaw Chrobry 13 ff. Althoff, Otto III. 73 ff.82 ff.

9 LP 2, 259 f. JW 1, 484 ff. Kelly 149 f. LMA V542. Hartmann, Geschichte Italiens IV 1. H. 97 f.Zimmermann, Papstabsetzungen 104 f. Ders. Dasdunkle Jahrhundert 227 ff. Vgl. auch 11. Kap. Anm.14

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.137 Deschner Bd. 5, 620Anmerkungen zum fünften Band

10 Thietm. 4, 30. Ann. Quedlinb. 997 f. Ann. Hil-desh. 996 f. Ann. Lamb. 996. Johannes diac. Chronic.Venet. 152 f. Martin v. Troppau, Chron. (MG SSXXII 432). Kühner, Lexikon 74. Kelly 150 f. LMAIV 1668, V 542, 569 f. VI 347 f. 1577. Hartmann,Geschichte Italiens IV 1. H. 100 ff. 110 f. Holtz-mann, Geschichte II 290. Haller II 162. Gontard 200f. Zimmermann, Das dunkle Jahrhundert 256 ff. Ders.Papstabsetzungen 104 ff. Ders. Das Papsttum 103 f.Schramm, Kaiser, Könige und Päpste 220 ff. Moehs,Gregorius V. 59 ff. Wolter, Die Synoden 144 ff. Gö-rich, Otto III. 222. Althoff, Otto III. 82 ff.

11 Thietm. 4, 30, 4, 43. Ann. Quedlinb. 998. Vita S.Nili 89 ff. Joh. diac. Chron. Venet. 154. Kühner, Le-xikon 74. Kelly 151 ff. LMA II 1805, VI 1288, 1351f. Uhlirz, Jahrbücher II 258 ff. Hartmann, GeschichteItaliens IV 1. H. 112 ff. Haller II 162. Gontard 201.Schramm, Kaiser, Könige und Päpste 232 ff. Bul-lough, Nach Karl 324. Fleckenstein, Grundlagen undBeginn 197 f. Ders. Rex Canonicus 66 ff. Nitschke40 ff. Althoff, Otto III. 100 ff.

12 Chron. Monast. Casin. (MG SS 34 S. 202).Thietm. 4, 30; 4, 43. Ann. Quedlinb. 998. Petr. Da-miani, Vita s. Romualdi 25. Taddey 304. LMA III1764 f. Uhlirz, Jahrbücher II 261 f. 526 ff. Hartmann,Geschichte Italiens IV 1. H. 114. Haller II 162. Gon-

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.138 Deschner Bd. 5, 621Anmerkungen zum fünften Band

tard 201. Althoff, Otto III. 103, 105 ff. (hier die itali-en. Quellen u.a.), 122, 130

13 Menzel I 302. Althoff, Otto III. 110 ff. Zu denchristlichen »Regeln« seit dem Alten und Neuen Te-stament s. neuerdings bes. Buggle 36 ff. 68 ff. 95 ff.

14 Thietm. 2, 37; 3, 13 ff. Ann. Hildesh. 985, 987,990. Ann. Quedlinb. 985 f. 995. HEG I 863. Uhlirz,Jahrbücher II 70 f. Hauck III 97, 142 ff. Böhmer,Willigis 79. Schlesinger, Kirchengeschichte SachsensI 305. Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg136 ff. 149 ff. 157, 161 ff. 171, 196 ff. Hlawitschka,Vom Frankenreich 137 f. 141. Wolter, Die Synoden123 ff. Ludat, An Elbe und Oder 4 ff.

15 Thietm. 4, 11; 4, 21 f. 4, 29; 4, 38. Ann. Hildesh.985 ff. 990 ff. Ann. Quedlinb. 986. Adam 2, 41; 2,44. HEG I 702, 864 f. 907. M. Uhlirz 156. Uhlirz,Jahrb. II 125 f. 145 f. 156, 168 ff. 188 f. 240 ff. 468ff. Böhmer, Willigis 176. Holtzmann, Geschichte II293 f. 309 f. 325 f. Ahlheim 181 f. Fleckenstein/Bulst96, 100. Claude, Geschichte des Erzbistums Magde-burg I 161 ff. 167 ff. 180. Lubenow 26 ff. Ludat, AnElbe und Oder 2. A, 43 ff. Friedmann 165: MindenerBischöfe sind mehrfach »Befehlshaber im sächsischenAufgebot«

16 Althoff, Otto III. 64 f.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.139 Deschner Bd. 5, 621Anmerkungen zum fünften Band

17 PL 139, 464 B (zit. nach Sprandel) Thietm. 4, 11.LMA I 15, 1019, II 359 ff. 2172 VI 616 f. VII 82 f.124. LThK I3 14 f. II3 1235 ff. HEG I 907. Haupt-mann, Die Frühzeit 325. Rhode 7 ff. 11 ff. Holtz-mann, Aufsätze 191 f. Kossmann 453. Vgl. 444.Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg I 163ff. 171 f. Hensel 237 ff. Sprandel 101

18 LMA II 359 f. III 430 f. VI 617. HEG I 907.Holtzmann, Geschichte II 308 f. 322 f. Maschke 304ff. Kossmann 449 f. Hauptmann, Die Frühzeit 326.Bosl, Europa im Mittelalter 236. Althoff, Otto III.127 f. Hensel 239. Warnke 127 ff.

19 Thietm. 4, 28. LMA II 358 f. VII 292 ff. 2004.Hartmann, Geschichte Italiens IV 1. H. 106 ff.Hauptmann, Die Frühzeit 326. Vgl. auch bei Uhlirz IIden Exkurs XVIII: »Die Vorbereitung der Fahrt nachGnesen« 538 ff.

20 Thietm. 5, 10. LMA II 365 f. IV 1099. HEG I908. Uhlirz, Jahrbücher II 320 f. Holtzmann, Ge-schichte II 344 f. Kossmann 460. David 64. Dvornik,The Making 147. Fleckenstein, Grundlagen und Be-ginn 199. Erdmann, Forschungen zur politischen Ide-enwelt 99 ff. Schramm, Herrschaftszeichen 502. Zeiß-berg 3 ff. Ludat, Piasten 330 ff. Ders. An Elbe undOder 71 ff. 92. Ausführlich über die Heilige Lanze:

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5.140 Deschner Bd. 5, 621Anmerkungen zum fünften Band

Brackmann, Gesammelte Aufsätze 211 ff. bes. 226 ff.Vgl. auch 249 ff. 257. Zur heiligen Lanze vgl. auchden ausführlichen Untersuchungsbericht von H. Ma-lissa: Vorläufiger Bericht zur Heiligen Lanze, als An-hang bei: K. Hauck, Erzbischof Adalbert 345 ff.Ludat, An Elbe 2. A. 67 ff. bes. 71 ff. – Zum Einflußder Tagespolitik vgl. etwa jüngst: Althoff, Otto III.126 f. Görich, Otto III. 80 ff.

21 Ann. Hildesh. 1000. LMA IV 1142, 1523. UhlirzII 323 f. Holtzmann, Geschichte II 342 ff. KossmannI 420 ff. bes. 437 ff. Hilsch, Die Stellung des Bi-schofs von Prag 1, 432. David 62 f. Dvornik, TheMaking 142 ff. Jedlicki 524 ff. Fleckenstein, Grund-lagen und Beginn 198 f. Brackmann, Die Anfänge despolnischen Staates 24. Ders. Der »Römische Erneue-rungsgedanke« 15 ff. Claude, Geschichte des Erzbis-tums Magdeburg I 194 f. Ludat, Piasten 338. Beu-mann, Otto III. 94

22 Fleckenstein, Grundlagen und Beginn 199 f.Schramm, Kaiser, Könige und Päpste III 279

23 Vita Bernw. 13; 39. LMA IV 1102 f. V 148 f.Uhlirz, Jahrbücher II 115 f. 346 ff. Hauck III 268 f.Böhmer, Willigis 87 ff. (hier weitere Quellenbelege),173. Goetting, Das Bistum Hildesheim 159 ff. 180 ff.Glocker, Die Verwandten 206 ff. Görich, Otto III.123 ff. Zur Vita Bernwardi ausführlich Görich ebd.Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums

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5.141 Deschner Bd. 5, 622Anmerkungen zum fünften Band

92 ff. Ferner Görich, Der Gandersheimer Streit 56 ff.Wolter, Die Synoden 182 ff. (dort weitere Literatur).Althoff, Otto III. 57 f. 160 ff. Goetting 159 ff. 174 ff.Rebellierende Prinzessinnen im Kloster gab es bereitszur Merowingerzeit, vgl. etwa Ennen 53 ff. Scheibel-reiter passim. S. dazu auch IV 271 ff.

24 Vita Bernw. 16 ff. Wetzer/Welte I 851. LMA V148 f. Uhlirz, Jahrbücher II 348 f. Böhmer, Willigis91 ff. 176. Walterscheid 269. Leyser, Herrschaft undKonflikt 93 Anm. 47. Wolter, Die Synoden 184 ff.Glocker, Die Verwandten 207 ff. Goetting 160, 171,174

25 Vita Bernw. 19 ff. 28 ff. Wetzer/Welte XI 1106 f.LMA I 2012. Uhlirz, Jahrbücher II 349. Hauck I 270.Böhmer, Willigis 93 ff. 100 f. 176. WalterscheidVorwort u. 269. Görich, Otto III. 127 f. Althoff, OttoIII. 162 ff. Goetting 183 ff. 190 ff.

26 Wetzer/Welte XI 1107. Böhmer, Willigis 101 ff.167 f.

27 LThK IV3 286 f. 814 f. LMA I 927, 2013, IV1102 f. 1531, V 1338. Wolter, Die Synoden 227 ff.Glocker, Die Verwandten 208 f. Görich, Otto III.130. Goetting 197 ff. 246 f.

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