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07 - Pethes - Eine Verhaltenspsychologische Untersuchung Des Gehorsams

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Menschenversuche

Eine Anthologie

1750-2000

Herausgegeben von

Nicolas Pethes, Birgit Griesecke,

Marcus Krause und

Katja Sabisch

Der Band prasenrierr, zum Teil ersrmalig ediert oder ubersetzt, erwa 70 Be-

richte und Kommentare zu Versuchen am Menschen von der Aufklarungs-

anthropologie bis zur Humangenerik der Gegenwarr. Sornir liegr erstmals

ein Kompendium mit kommentierten Quellentexten vor, das das iiberaus

konrrovers diskutierte Thema der Menschenversuche umfassend dokumen-

tiert, Enrfalret wird ein Panorama experimenteller Praktiken in Medizin,

Psychologie, Padagogik und Sozialwissenschaften, das deutlich rnacht, wie

eng dieVersuchsanordnungen mit historisch spezifischenMenschenbildern

und Gesellschaftsmodellen verkniipft sind. Menschenversuche - Skandal-

rherna und gangige Wissenschaftspraxis zugleich - werden so in ihrer kul-

turhisrorischen Dimension greifbar.

Die Herausgeber Nicolas Pethes, BirgitGriesecke, Marcus Krause und Katja

Sabisch arbeitetcn von 2003 bis 2007 in der interdisziplinaren DFG-For-schungsgruppe »Kulturgeschichte desMenschenversuchs« an der Universi-

tar Bonn. Suhrkamp

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. II

SEKTION I

ERFAHRUNGEN MACHEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation

in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber

http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Einleitung (B irgit G riesecke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33

H um ph ry D av y: Chemische und physiologische

Untersuchungen tiber das oxydirte Stickgas und das

Athrnen desselben [1799] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 66

J oh an n W ilh elm R itte r. Neue Versuche und Bemerkungen

tiber den Galvanismus [1805] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 7 IErns t Jo el /F r it z F r ankel : Der Haschisch- Rausch. Beitrage zu

einer experimentellen Psychopathologie [1926] 77

John C . Lilly: Die psychischen Auswirkungen der Reduktion

ublicher physischer Reizintensitaten auf notmale undgesunde Personen [1956] 84

David L. Rosenhan: Gesund in kranker Umgebung [1973] 90

SEKTION 2

ERZIEHEN

suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1850

Erste Auflage 2008

© Suhrkamp VerlagFrankfurt am Main 2008

AIle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Ubersetzung,

des offentlichcn Vortrags sowie der Obertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.

Kein Teil desWerkes darf in irgendeiner Form

.'(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)

ohne schriftliche Genehmigung des Verlagesreproduziert

oder unter Verwendung elektronischer Systeme

verarbeitet, vervielfaltigr oder verbreitet werden.

Umschlag nach Entwiirfen

von Willy Fleckhaus und Rolf Staudt

Satz: TypoForum GmbH, Seelbach

Druck: Druckhaus Nomos, Sinzheim

Printed in Germany

ISBN 978-3-518-29450-5

Einleitung (Nico las Pe thes ) 103

E rn st C h ristia n T ra pp : Versuch einer Padagogik [1780] 117

J ea n l ta rd : Gutachten tiber die ersten Entwicklungen des

Victor von Aveyron [180I] 125

D aniel G . M Schreber: Kallipadie oder Erziehung zur

Schonheit [1858] 134

R ob ert W R au dn itz: Psychologische Experimente an Kindem

[1913] ; 142

WCraSchmid t : Psychoanalytische Erziehung in

Sowjetruliland. Bericht tiber das Kinderheirn-

Laboratorium in Moskau [1924] 145

Eva Jus tin : Lebensschicksale artfremd erzogener

Zigeunerkinder und ihrer Nachkommen [1943] 154

1 2 3 4 5 6 - 13 12 II 10 09 08

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J oh n M o ne y: Ablatio Penis:Die sexuelleUmbestimmung eines

normalen rnannlichen Kindes zum Madchen

[1975] 162

SEKTION 3

KONTROLLIEREN

Einleitung (Marcu s K r aus e ) 175

Gu illa um e -B en ja m in Am an d D u ch en ne : Physiologie der

Bewegung nach elektrischen Versuchen und klinischen

Beobachtungen mit Anwendungen auf das Studiurn der

Lahrnungen und Entstellungen [1867] 201

Fr iedr ich Zo l lner . Im Banne des Magnetismus [1879] 216

R i cha rd v . K r af fi -E b ing : Eine experimentelle Studie auf dem

Gebiete des Hypnotismus nebst Bemerkungen tiber

Suggestion und Suggestionstherapie [1888] 225

S ig m un d F re ud : PsychischeBehandlung (Seelenbehandlung)

[1904] 231J oh n B . w atso n u nd R osa lie R ay ne r. Die Konditionierung

emotionaler Reaktionenjrc ao] 238

Car l B r uck : Experimentelle Telepathie - Neue Versuche zur

telepathischen Dbertragung von Zeichnungen [1925] .... 256

J ose M . R . D e lg ad o: Gehirnschrittmacher. Direktinformation

durch Elektroden [1969] 262

Burr hus F r ed e ri c S k inn e r. Was ist Behaviorismus? [1974] 266

SEKTION 4

LEBEN MACHEN/STERBEN LASSEN

Einleitung (B ir git G rie se ck e in Z us amm en arb eit m it w ern er

Kogge) 277

J B . S . Haldane: Daedalus oder Wissenschaft und Zukunft

[1923] ········································311Sozialbiologie und Bevolkerungsverbesserung [1939] 316

H erm an n K na us: Die periodische Fruchtbarkeit und

Unfruchtbarkeit des Weibes. Der Weg zur naturlichen

Geburtenregelung [1934] 322

Donald H. R ockw ell, A nn R . Y obs u nd M . B rittain M oore:

Die Untersuchung unbehandelter Syphilis von Tuskegee-

nach 30 [ahren Beobachtung [1961] 33 3

Han s J on a s: LaBt uns einen Menschen klonieren: Von der

Eugenik zur Gentechnologie [1974] 337

Beratende Kommission zu den Menschenexperimenten mit

radioaktiver Strahlung [1995] 345

SEKTION 5

MESSEN

Einleitung (Marcu s K r au s e) 355

L am be rt A . J Quetelet : Soziale Physik oder Abhandlung

tiber die Entwicklung und Fahigkeit des Menschen

[1835] '" 391

Gu st av T h eo d or F e ch n er . Elemente der Psychophysik [1860] .. 401

W ilh elm W u iz dt: Die Aufgaben der experimentellen

Psychologie [1860] 415Ma x w er th eim e r. Experimentelle Studien tiber das Sehen von

Bewegungen [1912] 424

J ea n P ia g et: Die Bildung des Zeitbegriffs beim Kinde

[1946] 432

S tan ley M ilg ra m, Leo n M an n u nd Su sa n H arter. Die Technik

der verlorenen Briefe. Ein Instrument sozialwissen-

schaftlicher Forschung [1965] 441

SEKTION 6

PROKLAMIEREN UND PROTESTIEREN

Einleitung (Nico las Pe thes) 449

J oh an n G o ttlo b K ru ge r. Versuch einer Experimental-

Seelenlehre [1756] 466

Ka rl P h il ip p Mo ri tz : Aussichten zu einer

Experimentalseelenlehre [1782] 471

Fr ieder ich Hi ldebrand t: Versuch einer philosophischen

Pharmakologie [1786] 479

Louis-Francais Jauffret: Einfuhrung in die -Memoires- der-Societe des Observateurs de l'homme. [1803] 483

 

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Johanne s Mu l le r . Von dem Bedurfnis der Physiologie nach

einer philosophischen Naturbetrachrung [18241r826] 489

L u dw ig B u ch n er . Das rherapeutische Experiment [1854] 497

Claude Be rna rd : Einfuhrung in das Studium der

experimentellen Medizin [1865] 501

R ic ha rd Na ge l: Die vivisektorischen Impf-Experimente an

Menschen und Tieren [1881] 510

Anweisung an die Vorsteher der Kliniken, Polikliniken und

sonstigen Krankenanstalten [1901] 5I5Richtlinien fur neuartige Heilbehandlung und ftir die

Vornahme wissenschaftlicher Versuche am Menschen

[1931] 517

Nurnberger Arztekodex [1947] 522

Han s J on a s: Irn Dienste des medizinischen Fortschritts:

Dber Versuche an menschlichen Subjekten [1969] 526

Deklaration von Helsinki [2000] 533

SEKTION 7SCHNEIDEN UND HElLEN

Einleitung tKat ja Sab is ch ) 543

J o hn Hu n te r. Abhandlung tiber die venerische Krankheit

[1787] 562

A ndrew U re: Beschreibung einiger Versuche, die an einem

hingerichteten Verbrecher gemacht wurden, mit

physiologischen und praktischen Bemerkungen [1819] .... 566

Wi ll iam B e aumont : Neue Versuche und Beobachtungen tiber

den Magensaft und die Physiologie der Verdauung. Auf

eine hochst merkwtirdige Weise, wahrend einer Reihe von

sieben Jahren, an einem und demselben Subjecte angestellt

[1833] 57°

He in ri ch K u ch le r. Exstirpation eines Milztumors [1855] 58o

Rober t Ba rt hol ow : Experimentelle Untersuchungen der

Funktionen des menschlichen Gehirns [1874] 588

A lbe r t Ne is se r :Was wissen wir von einer Serumtherapie bei

Syphilis und was haben wir von ihr zu erhoffen? [1898] 595

A lb er t M o ll : Versuche am lebenden Menschen [1899] 601

v on R a ve n : Arenophenylglycin + Atoxyl, Auripigment +

Autoxyl und Kollargol + Ataxy!'Schlafkrankheitsbekampfung in Togo [1909] 610

Giorg io Sog l ian i : Eine neue Methode der Krampftherapie:

die Elektroshocktherapie. Erste Ergebnisse [1939] 617

W alter F reem an u nd Jam es W w atts: Psychochirurgie:

Intelligenz, Gefiihlsleben und soziales Verhalten nach

prafrontaler Lobotomie bei Geisressrorungen [1949] ..... 623

C hristia an N B arn ard : Eine Herztransplantation am

Menschen: Zwischenbericht tiber eine erfolgreiche

Operation, durchgefuhrt am Groote Schuur Krankenhaus

in Kapstadt [1967] 634

SEKTION 8

VERNICHTEN

Einleitung tKat ja Sab is ch ) 641

V i kt o r B r a ck : Brief an Heinrich Himmler [1941] 659Rudo lf B ra nd t: Brief an Carl Clauberg [1942] 662

Car l C l aube rg . Brief an Heinrich Himmler [1943] 664

Rober t Serua tius: Pladoyer fur den Angeklagten Karl Brandt

[1947] 668

Kar l B r and t: Vollmacht [1947] 678

M la da T au fe ro va : Die Sterilisierung der Zigeunerinnen im

Lager Ravensbruck [o.J.] 680

Rote - Schwarze - Grtine [1946] 685

Ce i ja S to j ka : Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer

Rom-Zigeunerin [1988] 691

Material fur den Prozef gegen fruhere Bedienstete der

japanischen Armee, die wegen der Herstellung und

Anwendung bakteriologischer Waffen angeklagt sind

[1952] 694

H aruko Ta ya C ook un d Th eod ore F . Cook: Japan im Krieg:

Eine Ora l H i st o ry [1992] 705

H al G old (Hg.): Einheit 731: Zeugnisse japanischer

Menschenversuche wahrend des Zweiten Weltkriegs

[1997] 7°9

 

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SEKTJON 9

ZUSAMMENLEBEN

Einleitung (Nico las Pe thes ) 715

Char les Four ier . Der sozietare Reformplan [1822] 726

Hans He nn in g: Experimentelle Charakrerstudien 1.

Das Partner- und das Zweipersonenexperiment [1927] '" 730

S tan le y M i lg ram: Eine verhaltenspsychologische

Untersuchung des Gehorsams [1963] 739

Ron Jone s: Die dritte Welle [1972] 750

C ra ig H an ey , C urtis B an ks u nd P hilip G . Zimbardo:

Interpersonale Dynamik in einem simulierten Gefangnis

[1973] 767

TheoAltenberg: Das Paradies-Experirnent [zoot] 776

Vorwort

»Human experimentation has its historians but not its history,«!

Diese Feststellung aus einem Sammelband von 2003 weist auf das

eigcntumliche Gefalle hin, das zwischen der breitgestreuten Beschaf-

tigung mit Menschenversuchen in der Wissenschaftsgeschichts-

schreibung der letzten Jahrzehnte und dem Fehlen einer diese Breiteuberschauenden Darstellung ausgemacht werden kann. Menschen-

versuche sind ein Gegenstand, mit dem sich ebenso viele konkrete

Assoziationen wie klarungsbedurftige Irritationen verbinden. Ge-

pragt von dem Schreckensbild der Experimente, die die NS-Arzte in

den Konzentrationslagern an den dort Internierten durchfuhrten.

fordern Menschenversuche zunachst zum ethischen Einspruch her-

aus.? Zugleich srellt sich gerade aufgrund der Dringlichkeit einer

ethischen Positionierung die Frage nach der historischen und episte-

mologischen Genealogie dieser Verbrechen im Namen der Medizin,

ihrer etwaigen Fortsetzung, aber auch nach Erkenntnisinteresse,

Praxis und Funktion von auf ganz anderen Gebieten angesiedelten

Versuchen." Zwischen Wissenschaftsalltag und perversen Exzessen

der Forschung sind Menschenversuche eine grundlegende Praxis des

modernen Wissens vorn Menschen, das sich seit iiber 200 Jahren auf

seine Vermessung und Erprobung stiitzt."

Den umfassenden Anspruch, diese zentrale Lucke innerhalb der

Wissenschaftsgeschichte - die systematische Untersuchung der ex-

perimentellen Beobachtung von lebenden Menschen in verschie-

denen Wissens- und Gesellschaftsbereichen seit dem 18. jahrhun-

dert - zu schliefsen, kann die vorliegende Anthologie nicht erheben.

I jordann Goodman/Anthony McElligott/Lara Marks (Hg.): Usefu! Bo d ie s . Huma n s

in t he S er vi ce o [M e d ic al S ci en ce i n T w e nt ie th C e nt ur y, Baltimore/London 2003, S.I.

2Vgl. zuletzr Volker Roelcke/Giovanni Maio (Hg.): T w en tie th C en tu ry R es ea rc h

E t hi c s: H i s to r ic a l P e r sp e c ti v es o n Va lu e s, P r a ct ic e s a n d R eg ul a ti o ns , Stuttgart 2004.

3 Als Uberblick iiber die verschiedenen wissenschahlichen Felder, in denen Human-

experirnente vorgenommen wurden - u. a. Pharmakologie, Physiologic, Psycholo-

gie, Sozialwissenschaften - vgl. Hanfried Helmchen/Rolf Winau (Hg.): Versuche

m i t M e ns cb e n i n M e di zi n, H u m am o is se ns c ha fi en u nd P o li ti k, Berlin/New York 1986.

4 Vgl. Sigrid Braunfels u.a.: D e r » ue rm e ss en e M e n sc h« . A nth ro po m et ri e in K un st u nd

Wissenschaf t , Miinchen 1973; Stephen Jay Gould: De r f ol sc h u er m es se ne M e ns c h,

Frankfurt am Main 1988; Stefan Rieger: D ie In div id ua litiit d er M ed ie n. E in e G e-

s c hi c ht e d e r W i s se n sc h a ft e n v om Men s ch en , Frankfurt am Main 2001.

II

 

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Quellennachweis

Hans Henning: »Experirnentelle Charakterstudien I - Das Partner- und

das Zwcipersonenexperimenr«, in: Ze it sc h ri ji : f o r P sy cho log ie I04 (I927),

S.224-2}2.

Kommentar

Hans Henning (I885-1946), ein Schuler des Marburger Psychologen und

(rass is tischen) .Charakrerkundlers- Erich Jaensch (I883-I940) , war Profes-

sor am Psychologischen Institur der Technischen Hochschule Danzig und

Mitherausgeber der Z ei ts ch ri ji : f or P s yc ho lo g ie u n d P h ys io lo g ie . Henning pu-

blizierte I9I5 Ern stMacha ls Ph il o soph , Phy si ke rundPsy c ho loge ; I9I6 erschien

die Habilitationsschrift D er G er uc h, I925 die mehrfach wiederaufgelegre

Psycho log ie de r Gegenwart sowie D i e Un te rs uc hu ng d er Au fm e rk sam ke it .

Henning harte seine hier mitgeteilten Ergebnisse auf dem IO. Kongref

fur experimente lle Psychologie in Bonn I927 vorgestellt (vgl. d ie Kongreg-

akten Jena: Fischer I928, S. I20 f.; d ie dort angekundigte »ausfiihrliche Ver-offentlichung« der Versuche in der Ze it sc h ri ft f o r S inne sphy si o log ie lagt s ich

allerdings nicht nachweisen). Irn sechsten J ah rb uc h d er C ha ra kt er ol og ie

(I929) publiz ierte Henning »Ziele & Moglichkeiten der experirnentellen

Charakterprufung«, I930 promoviert in Danzig Wilhelm Luithlen mit

»Bcirragctn) zu einer experi rnentellen Charakterologie unter Verwendung

neuer Tests und Testapparate mit besonderer Berucksichcigung der Fuhrer-

auslese« (in: Ze it s ch r ij i: f o r angewand te Psy cho log ie 39 [I93I], S. 56-I22).

Literatur

Ludwig Klages: P r in zi pi en d er C h ar ak te ro lo g ie , Leipzig I9IO.

Theodor Lessing: P ri nz ip ie n d er C h ar ak te ro lo g ie , Halle I926.

Stefan Rieger: D ie In divid ualitiit d er M edien. E ine G eschich te d er W issen-

s ch a ft en v om Me ns ch en , Frankfurt am Main 200I.

S tan ley Mi lg ram

Eine verhaltenspsychologische Untersuchung

des Gehorsams

Gehorsam ist einer der grundlegendsten Bestandteile sozialer Srruk-

turen. Ein bestimmtes System von Autoritat ist fiir jede Form des

Zusammenlebens erforderlich, und nur, wer in vollstandiger Ein-

samkeit haust, ist nicht gezwungen, auf die Befehle anderer zu rea-

gieren, sei es durch Mifsachtung oder Unterordnung. Heutzutage ist

Gehorsam eine Verhaltensdeterminante von besonderem Interesse:

Es ist zuverlassig nachgewiesen, dag zwischen 1933 und 1945 Millio-

nen unschuldiger Menschen aufBefehl systematisch abgeschlachtet

wurden. Es wurden Gaskammern gebaut, Todeslager bewacht und

Tagesraten von Leichen produziert, die der Effizienz industrieller

Fertigungsablaufe entsprachen. Diese menschenverachtende Politik

mag im Kopf eines einzelnen entstanden sein, aber sie konnte nurin einem soleh gewaltigen Umfang ausgefiihrt werden, wenn eine

groge Zahl von Menschen Befehlen Gehorsam leistete.

Allgemeines Verfahren

E s wurde ein Verfahren enrwickelt, das geeignet schien, Gehorsam

zu untersuchen. Es besteht darin, einer nicht eingeweihten Ver-

suchsperson den Befehl zu erteilen, einem Opfer einen elektrischen

Schlag zu verabreichen. Dazu wird ein simulierter Schockgenerator

verwendet, auf dem 30 Spannungsstarken im Bereich von 15bis 450

Volt deutlich markiert sind. Diese Voltstarken sind aulserdem mit

Aufschriften, die von "Leichter Schock« bis »Gefahr: Schwerer

Schock« reichen, auf dem Cerat kommentiert. Die Reaktionen des

Opfers, das ein eingeweihter Mitarbeiter des Versuchsleiters ist , sind

standardisierr, Die Befehle an die nicht eingeweihte Versuchsperson,

die Schocks zu verabreichen, erfolgen im Kontext eines vermeint-

lichen .Lernexperiments., das die Auswirkungen von Bestrafung auf

die Gedachtnisleistung zu untersuchen vorgibt. Irn Verlauf des Ex-periments wird der Versuchsperson befohlen, die Spannung der

Stromschocks schrittweise zu erhohen, bis hin zur Stufe »Gefahr:

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Schwerer Schock«. Der inn ere Widerstand wachst, und ab einem

gewissen Punkt weigert sich die Versuchsperson, das Experiment

fortzusetzen. Das Verhalten bis zu diesem Abbruch wird als >Gehor-

sam- bezeichnet, insofern die Versuchsperson hier den Anordnun-

gen des Versuchsleiters entspricht. Der Augenblick des Abbruchs ist

ein A kt des Ungehorsams. Beruhend auf dem hochsten Stromspan-

nungswert, den die Versuchsperson bereit ist zu verabreichcn, ist es

rnoglich, ihrem Verhalten einen quantitativen Wert zuzuordnen.

Auf diese Weise lalSt sich fiir jede einzelne Versuchsperson und fur

jede Versuchsvariante der Grad des Gehorsams mit einem Zahlen-

wert bestimmen. Der springende Punkt des Experiments besteht in

der systematischen Variation derjenigen Faktoren, von denen ange-

nommen wird, daIS sie den Grad des Gehorsams gegeniiber den

experimentellen Befehlen verandern,

Verfahren

An jedem Experiment sind eine uneingeweihte Versuchsperson und

ein (eingeweihtes) Opfer beteiligt. Es mufste ein Vorwand gefun-

den werden, untcr dem die Verabreichung von elektrischen Strom-

schlagen durch die Versuchsperson gerechtfertigt erschien. Diesen

Vorwand lieferte die Deckgeschichte [cover story] eines Lernexperi-

ments. Nach einer allgemeinen Einfuhrung uber den angenomme-

nen Zusammenhang zwischen Bestrafung undLernerfolg wurde

den Versuchspersonen folgendes erzahlt:

Eigendich wissen wir noch s eh r wenig tiber die Auswirkung von Bestrafung

auf das Lemen, da bislang so gut wie keine wirklich wissenschafdichen

Experirnente diesbezuglich an Menschen vorgenommen worden sind.

So wissen wir zum Beispiel nicht, wieviel Bestrafung den besten Lerner-

folgerbringt - und wir wissennicht, ob esvon Bedeutung ist, wer die Strafe

erteilr: Ob ein Erwachsener am besten von einer alteren oder jungeren Per-

son lernt und ahnliche Dinge dieserArt.

Daher bringen wir in dieser Studie eine Reihe Erwachsener aus verschie-

denen Berufen und Altersstufen zusammen und teilen sie als Lehrer und

Schuler ein.

Wir mochten herausfinden, welchen EinflulSverschiedene Menschen alsLehrer und Schuler aufeinander haben, und welche Auswirkungen Bestra-

fong auf das Lemen in dieser Situation hat.

740

Daher werde ich nun einen von Ihnen auffordem, der Lehrer zusein, und

den anderen, der Schuler zu sein.

Hat jemand von Ihnen irgendwelche Vorlieben?

Anschlieflend zogen die Versuchspersonen Zettel aus einem Hut,

urn festzulegen, wer irn Experiment Lehrer und wer Schuler sein

wiirde. Diese Ziehung war so eingerichtet, daf die uneingeweihte

Versuchsperson immer Lehrer und der Eingeweihte immer Schuler

wurde. (Beide Zettel waren mit -Lehrer- beschriftet.) Unmittelbar

nach dem Ziehen wurden Schuler und Lehrer in einen angrenzen-

den Raum gefuhrt und der Schuler wurde mit der Apparatur eines

- E l ek rr is c he n S t uh ls - verkabelt.

Der Versuchsleiter erklarte, daIS die Haltegurte dazu da seien,

uberrnafsige Bewegungen zu verhindern, sobald dem Schuler ein

Stromschlag verpafst wiirde. Es solie ihm unrnoglich gemacht wer-

den, sich den Schlagen zu entziehen. A m Handgelenk des -Schulers.

wurde eine Elektrode befestigt und Kontakrsalbe aufgetragen, »um

Brandblasen und Verbrennungen zu verrneiden«. Den Versuchsper-

sonen wurde mitgeteilt, daISdie Elektrode an den Schock-Generatorim Nachbarraum angeschlossen sei.

Urn die Glaubwiirdigkeit zu erhohen, erklarte der Versuchsleiter

auf Nachfrage des Schulers: »Obwohl die Strornschlage aufseror-

dentlich schmerzhaft sein konnen, hinterlassen sie keinerlei blei-

bende Schaden.:

Lernaufgabe

Der Unrerricht, den die Versuchsperson abhielt, bestand aus einer

Paar-Assoziationsaufgabe. Die Versuchsperson las dem Schuler zu-

nachst eine Reihe von Wortpaaren vor und anschlielsend das jeweils

erste Wort eines Paares zusammen mit je vier weiteren Begriffen.

Der Schuler sollte das Wort benennen, welches urspriinglich mit

dem ersten Wort zusamrnengehort hatte. Er teilte seine Antwort

mit, indem er einen von vier Knopfen, die sich vor ihm befanden,

drucktc, welcher dann wiederum eines der vier numerierten Felder

der Anrwortanzeige oberhalb des Schock-Generators aufleuchten

lieK

741

 

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Scheck-Generator

Die Instrumentenrafel bestand aus 30 Schaltcrn, die in einer hori-

zontalen Reihe angeordnet waren. Jeder Schalter ist mit der jewei-

ligen Stromspannung beschriftet, die von 15 bis 450 Volt reicht, Von

links nach rechts erhohr sich die Voltzahl von Schalter zu Schal-

ter urn 15 Volt. Zusatzlich sind je vier Hebel zusamrnengefafst und

von links nach rechts mit folgenden Aufschriften versehen: Leichter

Schlag, Cemafsigter Schlag, Starker Schlag, Sehr starker Schlag, In-

tensiver Schlag, Extrem intensiver Schlag, Gefahr: Schwerer Schlag.

(Die beiden Schalter nach der letzten Beschriftung waren lediglich

durch XXX markiert.)

Sobald ein Schalter betatigr wird, leuchtet eine zugeharige Anzei-

genlampe in hell em Rot auf Man hart ein elektronisches Summen,

das von der Neonlichtanzeige »Spannungserzeuger- begleitet wird,

der Zeiger des Voltmeters schlagt nach rechts aus, und es ertont ver-

schiedenartiges Relaisklicken.

Auf der linken oberen Seite des Generators ist ein Schild mit derAufschrift »Schock-Generator Typ ZLB, Dyson Instrument Com-

pany, Waltham, Mass. Output 15 Volts - 450 Volt- angebracht.

Die Einzelheiten des Apparats waren sorgfaltig zusammengestellt,

urn den Anschein von Authentizitat zu gewahrleisren. Das Bedie-

nungspult war von indusrriellen Prazisionsgravicrern gravierr wor-

den, und alle Bauteile waren von hoher Qualitat. Keine der Ver-

suchspersonen des Experiments hatte den Verdacht, daf die Appara-

tur lediglich ein simulierter Schock-Cenerator sei.

Probe-Schock

Jeder uneingeweihten Versuchsperson wird vorn Schock-Generaror

ein Probe-Schlag verabreicht, bevor er zum Lehrer wird. Dieser

Stromschlag berragt immer 45 Volt und wird durch das Betatigen

des dritten Schalters verabreicht. Der Stromschlag wird am Handge-

lenk der uneingeweihten Versuchsperson angelegt und speisr sich

aus einer 45 Volt-Barterie, die mit dem Generator verkabelt ist. Dies

uberzeugt die Versuchsperson zusatzlich von der Echtheit des Gene-

rators.

742

An le it un gfo r d en S tr om s ch la g

Die Versuchsperson wird angewiesen, dem Schuler jedesmal einen

Stromschlag zu verabreichen, wenn dieser eine falsche Anrwort gibt.

Des weitercn - und dies ist der Schlusselbefehl- wird die Versuchs-

person instruiert, "die Spannungssrufe des Schock-Generators jedes

Mal zu erhohen, wenn der Schuler eine falsche Anrwort gibt«. Sie ist

aufserdem gehalten, die Spannungsstufe bekanntzugeben, bevor sie

den Stromschlag verabreicht. Dies dient dazu, der Versuchsperson

anhaltend in Erinnerung zu rufen, daR die Intensitar der Strom-

schlage, die dem Schuler verabreicht werden, immer weiter steigt.

Vor lau figer und regularerD urchlau f

Vorabtests zeigten, daR es einiger Obung bedarf, bevor die Prozedur

des Vorlesens der Worte bei gleichzeitigem Verabreichen der Strom-

schlage reibungslos durchgefuhrr werdcn kann. Daher wird dern

Lehrer unmittelbar vor dem regularen Durchlauf eine Liste von

zehn Wartern ausgehandigt, die er dem Schuler vorliest. In dieser

Obungsliste gibt es drei neutrale Warter (d. h. Warter, auf die der

Schuler korrekt antwortet), so daR sieben Stromschlage bis zur

maximalen Spannung von 105 Volt (GemafSigter Stromschlag) ver-

abreicht werden. Fast alle Versuchspersonen beherrschen die Proze-

dur, noch bevor dieser Testlauf abgeschlossen ist.

Den Versuchspersonen wird dann eine zweite Liste ausgehandigr

und mitgeteilt, daIS der Ablauf derselbe ist wie bei der ersten Liste.

Det Versuchsleiter fugt jedoch hinzu:

Wenn Sie ans Ende der Liste kommen, wiederholen Sie die Liste immer wic-

der und verabreichen Sie Stromschlage , b is der Schuler a ile Wortpaare kor-

rekt gelernt hat .

Der Versuchsleiter instruiert die Versuchsperson,

mit 15Volt zu beginnen und die Spannungsstufe jedesmal zu erhohcn, wenn

der Schuler eine fa lsche Antwort gib t.

Z ur R uckm eld un g d urc h d as O pfe r

Bei allen Versuchen gibr der Schuler eine vorab festgelegre Abfolgevon Antworten auf den Worrpaar-Test, die auf einern Ablaufplan

basiert, der im Durchschnitt drei falsche Anrworten auf eine richtige

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5/8/2018 07 - Pethes - Eine Verhaltenspsychologische Untersuchung Des Gehorsams - slidepdf.com

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vorsieht. Unter dieser Versuchsbedingung erfolgt bis zur Stufe von 300

Volt kein Zeichen des Protests. Sobald der 300-Volt-Schock verab-

reicht wird, schlagr der Schuler gegen die Wand des Raumes, in dem er

an den Elektrischen Stuhl gebunden ist. Die Versuchsperson kann

diese Schlage horen, Ab diesem Zeirpunkt erscheinen keine Anrwor-

ten des Schulers mehr auf der Anzeigetafel mit den vier Feldern.

An dies em Punkt wendet sich die Versuchsperson gewohnlich

an den Versuchsleiter und bittet urn weitere Anweisungen. Der

Versuchsleiter weist die Versuchsperson an, das Ausbleiben einer

Antwort als falsche Antwort zu werten und den dem Ablaufsplan

entsprechenden Stromschlag zu verabreichen. Er rat der Versuchs-

person, funfbis zehn Sekunden verstreichen zu lassen, bevor er das

Ausbleiben als falsche Anrwort wertet, und weist sie an, die Span-

nung fur jede unkorrekre Antwort des Schulers urn eine Stufe zu

erhohen. Das Klopfen des Schtilers wiederholt sich, nachdem der

Schlag von 315 Volt Starke verabreicht wurde. Danach horr man

nichts mehr von ihm, und es erscheinen auch keine Antworten mehr

auf der Vier-Felder-Anzeigetafel.

Riickmeldung d ur ch d en V er su ch sl ei te r

Zu verschiedenen Zeitpunkten des Experiments konnte sich die

Versuchsperson an den Versuchsleiter wenden, urn nachzufragen, ob

sie mit dem Verabreichen der Stromschlagefortfahren solI. Oder sie

konnte anzeigen, dag sie nicht gewillt war, weiter fortzufahren. Es

war wichtig, die Antworten auf diese Nachfragen und Reaktioncn

zu standardisieren.Falls die Versuchsperson ihrem Unwillen fortzufahren Ausdruck

verlieh, antwortete der Versuchsleiter mit einer Reihe von .Ansto-

gen<, von denen er immer genau so viele einsetzte wie notig, urn die

Versuchsperson wieder aufKurs zu bringen.

AnsrolS I: Bitte fahren Sie fort. Oder Bit te machen Sie wei ter.

Anstof 2: Das Experiment erfordert , daIS Sie fort fahren.

Anstof 3: Es ist absolu t notwendig, daIS Sie fortfahren.

AnstolS 4: Sie haben keine andere Wahl, Sie mussen weitermachen.

Die Anstofse wurden sequentiell gegeben: Nur falls Anstof Ierfolg-los blieb, konnte Ansrofs 2 verwendet werden. Falls die Versuchsper-

son sich nach Anstol i 4 weigerte, dem Versuchsleiter zu gehorchen,

744

wurde das Experiment abgebrochen. Der Ton des Versuchsleiters

war zu jeder Zeit bestimmt, aber nicht unhoflich. Die Sequenz

wurde jedesmal von vorne begonnen, wenn die Versuchsperson sich

straubte oder Widerwillen zeigte, den Befehlen zu folgen.

Spezi e ll e Ans to jJe

Falls die Versuchsperson fragte, ob die Moglichkeit bestehe, daf der

Schuler bleibende korperliche Schaden erlitte, antwortete der Ver-

suchslei ter:

Obwohl die Strornschlage schmerzhaft sein konnen, wird es keinerlei blei-

bende Gewebeschadigungen geben. Fahren Sie daher birte fort. (Gefolgt

von AnstiilSen 2, 3 und 4, falls niitig.)

Falls die Versuchsperson sagte, dag der Schuler nicht weitermachen

wolle, entgegnete der Versuchsleiter:

Ob der Schuler will oder nicht, Sie rniissen weitermachen, bis er alle Wort-

paare richtig gelernt hat. Bitte machen Sie weiter. (Gefolg t von AnstiilSen 2,

3 und 4, fa lls niitig.)

Versuchsergebnis

V er su ch sp er so n a kz ep ti er t d ie S itu a ti on

Mit wenigen Ausnahmen waren die Versuchspersonen von der

Echtheit der Experimentsituation und folglich auch davon iiber-

zeugt, dag sie anderen Personen Stromschlage verabreichten und

daG die starksten Stromschlage augerst schmerzhaft waren. In den

postexperimentellen Interviews wurden die Versuchspersonen ge-

fragt: »Wie schmerzhaft waren die letzten Strornschlage flir den

Schuler, die Sie ihrn verabreicht haben?« Die Versuchspersonen

wurden aufgefordert, ihre Antwort auf einer Skala mit 14 Punkten

von »iiberhaupt nicht schmerzhaft. bis »aulserst schrnerzhaft. einzu-

ordnen. Die haufigsre Anrwort war 14 (augerst schrnerzhaft) bei

einern Mittelwert von 13,42.

Viele Versuchspersonen zeigten wahrend des Versuchsablaufs An-zeichen von Nervositat, besonders beim Verabreichen der starkercn

Strornstofse. In einem Grogteil der Falle erreichte die Anspannung

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einen Grad, der innerhalb sozialpsychologischer Laborstudien nur

sehr selten zu beobachten ist. Man konnte beobachten, wie die Ver-

suchspersonen schwitzten, zitterten, stotterten, sich auf die Lippe

bissen, stohnten und die Fingernagel ins Fleisch gruben. Dies waren

eher charakteristische als aufsergewohnliche Reaktionen auf das

Experiment.

Ein Anzeichen der Anspannung war das regelmagige Auftreten

von nervi:isem Lachen. I4 von 40 Versuchspersonen zeigten eindeu-

tige Zeichen von nervi:isem Lachen und Grinsen. Das Lachen schien

ganzlich fehl am Platz, sogar bizarr. Ausgepragte, unkontrollierbare

Krarnpfanfalle wurden bei drei Versuchspersonen beobachtet. In

einem Fall war der Anfall derart stark und krampfhaft, dag das Expe-

riment unterbrochen werden mufste, Die Versuchsperson, ein 46-

jahriger Vertreter von Konversationslexika, war uberaus verlegen

tiber sein ungehi:iriges und unkontrolliertes Verhalten. Irn postexpe-

rimentellen Interview waren die Versuchspersonen darum bernuht,

darauf hinzuweisen, dag sie keine sadistische Veranlagung hatten

und ihr Lachen nicht bedeute, dag sie es genossen hatten, demOpfer Strornschlage zu verabreichen.

Jede der 40 Versuchspersonen ging auf den Befehl des Versuchs-

leiters hin tiber den erwarteten Abbruchpunkt hinaus. Keine Ver-

suchsperson horte auf, bevor sie die Schock-Stufe 20 erreicht hatte.

(Bei dieser Stufe - 300 Volt - tritt das Opfer an die Wand und ant-

wortet nicht weiter auf die Multiple-Choice-Fragen des Lehrers.)

Von den 40 Versuchspersonen weigerten sich ftinf, den expcri-

mentellen Befehlen tiber die joo-Volr-Marke hinaus zu folgen. Vier

Versuchspersonen verabreichten einen weiteren Stromschlag und

weigerten sich dann weiterzumachen. Zwei brachen auf der Stufe

von 330 Volt ab und je einer bei 345, 360 und 375 Volt. Folglich

widersetzten sich insgesamt I4 Versuchspersonen dem Versuchslei-

ter. Es ist aufschlufsreich, ihre Kommentare im Moment des Unge-

horsams hier abzudrucken wie sie von den Aufnahmebandern trans-

kribiert wurden:

[0124] Ich glaube, erversucht uns etwas mitzuteilen, er klopft ... Esist nichr

fair, dem Ked Strornschlage zu verpassen ... das sind enorme Volt-Zahlen.

Ich denke nichr, da13das sehr human ist ... Oh, ich kann darnit nichr wcirer-

machen. Nein, das ist nicht richtig. Das ist ein hollisches Experiment. DerKed da drin leidet. Nein, ich will nicht weitermachen. Das ist verruckt. (Die

Versuchsperson weigert sich, weitere Strornschlage zu verabreichen.)

[0123] Der macht Larrn da drin. lch kneife. Ich rnochre weitermachen,

aber ich kann so was keinem Menschen antun ... Es tut mir leid, ich kann

das keinem Menschen antun. Der kriegt einen Herzschaden. Behalten Sie

das Honorar. Nein, wirklich, ich kann das nichr machen.

Diskussion

Das Experiment erbrachte zwei uberraschende Funde. Der erste

Fund betrifft das schiere Ausrnaf der Tendenz zum Gehorsam, wel-

ches sich in dieser Situation manifestierte. Die Versuchspersonen

haben von Kindheit an gelernt, dag es gegen die Regeln moralischen .

Verhaltens verstofsr, eine andere Person gegen ihren Willen zu verlet-

zen. Dennoch haben 26 Versuchspersonen diesen Grundsatz mig-

achter, indem sie den Anweisungen einer Aurorirar gefolgt sind, die

tiber keine besondere Macht verftigte, ihre Befehle durchzusetzen.

Das Nichtgehorchen harte keinerlei materiellen Schaden fur die

Versuchsperson zur Folge gehabt; es ware keine Bestrafung erfolgt.Aus den Bemerkungen und dem augeren Verhalten vieler Teilneh-

mer geht klar hervor, dag sie mit dem Bestrafen der Opfer haufig

gegen ihre eigenen Werttiberzeugungen verstietsen. Die Versuchs-

person en gab en haufig ihrer Migbilligung daruber Ausdruck, einem

Menschen trotz dessen Einwande Stromschlage zu verabreichen,

andere bezeichneten es als dumm und sinnlos. Und doch folgte die

Mehrheit den experimentellen Anweisungen. Dieses Ergebnis war

von zwei Standpunkten aus uberraschend: zunachst hinsichtlich der

Prognosen, die an hand eines vorab erstellten Fragebogens gemacht

wurden. (Es ist allerdings moglich, dag hier die Distanz der Anrwor-

tenden zur tatsachlichen Situation und die Schwierigkeit, sich die

konkreten Einzelheiten des Experiments vorzustellen, dazu gefuhrt

haben, daf der Gehorsam betrachrlich unterschatzt wurde.)

Doch die Resultate waren auch ftir jene Personen unerwartet, die

den Verlauf der Experimente hinter Spiegelglas beobachteten. Diese

Beobachter verliehen immer wieder ihrem Unglauben daruber Aus-

druck, dag die Versuchspersonen den Opfern immer starkere

Stromschlage verabreichten. Diese Personen hatten vollen Einblick

in die Einzelheiten der Situation und unterschatzten dennoch syste-matisch den Umfang des Gehorsams, den die Versuchspersonen an

den Tag legten.

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Quellennachweis

Stanley Milgram: »Behavioral Study of Obedience«, in:J ou rn a l o f A b n ormal

a n d S o ci al P s yc ho lo g y 67 (1963), S.370-378, hier S. 370, S.373-377 (tiber-

setzt von Robert Neiser und Nicolas Pethes).

Kommentar

Der amerikanische Psychologe und Verhaltensforscher Stanley Milgram

(1933-1984, vgl. den Kommentar in Sektion 5, MESSEN,S. 444f.) erlangte

fachiibergreifende Beruhmrheit, nachdem er 1961 und 1962 an der Yale

University unbescholtene Probanden dazu gebracht hatte, innerhalb eines

verrneintlichen Lernexperiments falsche Antworten mit Stromstolsen von

(vorgeblich) bis zu 450 Volt zu .besrrafen.. Im Kontext der Untersuchung

des »auroritaren Charakters« (Theodor W Adorno) bzw. der »Banalitat des

Bosen« (Hannah Arendt) verstand Milgram sein Experiment als Beitrag zur

Erforschung der Frage,warum die deutsche Bevolkerung zwischen 1933 und

1945 so widerstandslos der Befehlsstrukrur des Dritten Reichs gefolgt war.

Bald nach Veroffentlichung seiner Versuchsergebnisse, die er 1974 in Buch-

form ( Obe di en ce t o Au th o ri ty ) wiederholte, kam der Versuch wegen des

ethisch fragwiirdigen Umgangs mit den Versuchspersonen und den mogli-

cherweise traumatischen Folgen der Teilnahme an dem Versuch aber selbst

in die Kritik. Auf diese Weise war Milgrams Gehorsamsversuch - gemein-

sam mit der zehn Jahre sparer erfolgten Stanforder Gefangnis-Studie von

Milgrams Highschool-Klassenkameraden Philip Zimbardo (siehe unten,

S. 774f.) - ein Anstog fiir ethische Regulierungen auch psychologischer

Menschenversuche. Vor allem aber zeigten Milgrams Bcrichte, dag psycho-

logische Versuche autoritare Strukturen nicht nur beobachten, sondern

selbst verkorpern und auf diese Weise das Verhalten der Probanden eherproduzieren alsanalysieren.

Das sogenannte Milgram-Experiment, von dem eine Videodokurnenta-

tion (Obedience, 1969) existiert, inspirierte Filme (T he Tenth Level) und

Theaterstucke ( Th e Dogs o fP a v lo v) ; die Schock-Apparatur ist in den Archives

o f th e H is to ry o f Am er ic an P sy ch olo gy , University of Akron, aufbewahrt.

Literatur

Heinz Schuler: »Versuchemit Menschen in der Psychologie: Das Milgram-

experiment und die Folgen«, in: Hanfried Heimchen/RolfWinau (Hg.):

V er su ch e m it M en sc he n i n M e di zin , H um a nw is se ns ch aft en u nd P oli tik , Ber-

lin 1986, S. 191-219.

Thomas Blass(Hg.): Ob ed ie nc e t o A u th or ity . C ur re nt P er sp ec tiv es o n th e M il -

g ram Pa ra d igm , Mahwah 2000.

Thomas Blass: T he M an W ho S hocked the W orld. Th e Life an d Lega cy o fStan -l e y M i lgram , New York 2002.

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