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MATERIALDIENST Zeitschrift für Religions- und Weltanschauungsfragen 72. Jahrgang 1 / 09 ISSN 0721-2402 H 54226 Christlicher Glaube und „neuer Atheismus“ Sein Licht leuchten lassen Epiphanias, Mission und Apologetik Deeksha – das Wunder der Erleuchtung? Koordinierungsrat der Atheisten gegründet „Stichwort“: Sufismus Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen

09 1 Weltanschauungsfragen Religions- und ... · Urteil zu Bhagwan/Osho-Bewegung 30 Amma umarmt Tausende auf Europatournee 30 Sufismus (islamische Mystik) 31 INHALT MATERIALDIENST

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ST Zeitschrift fürReligions- undWeltanschauungsfragen

72. Jahrgang 1/09IS

SN 0

721-

2402

H 5

4226

Christlicher Glaube und „neuer Atheismus“

Sein Licht leuchten lassenEpiphanias, Mission und Apologetik

Deeksha –das Wunder der Erleuchtung?

Koordinierungsrat der Atheisten gegründet

„Stichwort“: Sufismus

Evangelische Zentralstellefür Weltanschauungsfragen

EZW, Auguststraße 80, 10117 BerlinPVSt, DP AG, Entgelt bezahlt, H 54226

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Wolf KrötkeDas Wesen des christlichen Glaubens an Gottund der „neue Atheismus“ 3

BERICHTE

Hermann BrandtZur Bedeutung von Epiphanias für Mission und Apologetik 17

Jürgen SchnareDeeksha und das Wunder der Erleuchtung„Oneness Blessing“ in Hannover 22

Freigeistige BewegungKoordinierungsrat der Atheisten gegründet 29

HinduismusUrteil zu Bhagwan/Osho-Bewegung 30

Amma umarmt Tausende auf Europatournee 30

Sufismus (islamische Mystik) 31

INHALT MATERIALDIENST 1/2009

INFORMATIONENBERICHTE

INFORMATIONENINFORMATIONEN

ZEITGESCHEHENIM BLICKPUNKT

INFORMATIONENSTICHWORT

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Frank Nordhausen, Liane von BillerbeckScientologyWie der Sektenkonzern die Welt erobern will 35

Werner ThiedeDer gekreuzigte SinnEine trinitarische Theodizee 36

Michael D. O’BrianFather ElijahEine Apokalypse 37

STICHWORTBÜCHER

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IM BLICKPUNKTWolf Krötke, Berlin

Das Wesen des christlichen Glaubens an Gottund der „neue Atheismus“

„Der Atheismus ist auch nicht mehr, waser einmal war“. So hat Eberhard Jüngel ineiner Besprechung für die „Frankfurter All-gemeine Zeitung“ vom 12.12.2000 seinenEindruck von der „Geschichte des Atheis-mus“ zusammengefasst, die aus der Federvon Georges Minois stammt.1 Er beklagtmit dieser ironischen Feststellung, dasshier ein Historiker zwar jede Menge Ma-terial zu atheistischen Überzeugungen inVergangenheit und Gegenwart zusam-mengetragen hat, damit aber seinen eige-nen atheistischen Intentionen nur unzu-reichend Ausdruck zu geben vermag. DenGebildeten unter den Verächtern desAtheismus ringt er nur ein müdes Lächelnab: keine Ahnung von Nietzsche; keineAhnung von Luther, keine Ahnung vomVorwurf des Atheismus gegen die jungeChristenheit. Mit solchem Atheismus lässtes sich bei einiger Bildung in der europäi-schen Geistesgeschichte leicht ins Gerichtgehen.Das ist dann in ganz anderer Weise, alsJüngel es gemeint hat, in unseren Tagentatsächlich auch geschehen und irgend-wie ein Indiz dafür, dass man in denchristlichen Kirchen meint, sich nichtallzu viel Mühe mit dem Atheismus gebenzu müssen. Der Kölner katholische Psy-chiatrieprofessor Manfred Lütz hat sichz. B. – bewaffnet mit dem Buch von Mi-nois – in einen Urlaub begeben und unterseiner Leitung Stück für Stück darzulegenversucht, dass es mit dem Atheismus letzt-lich nichts auf sich habe. In dem Buch

„Gott. Eine kleine Geschichte vom Größ-ten“2, das mit seiner locker-launigenSchreibweise zum „Bestseller“ avanciertist, lässt Lütz sich vom Atheisten Minoisvielfältige Vorlagen für das Breittreten derEinsicht geben, dass der Atheismus dieNichtexistenz Gottes nicht beweisenkann. Was Atheisten kritisieren, das seidie menschliche Religion in ihrer Art undUnart. Darüber könne man mit ihnen re-den. Was sie aber unter der Leitung einesin religiöser Tumbheit oder im Unglaubenbegründeten Vorurteils über die Nicht-existenz Gottes in Bezug auf das Zustan-dekommen von Religion und Gottesglau-ben konstruierten, könne man getrost ver-gessen. Ludwig Feuerbachs Projektionsargumentzum Beispiel, das sich auch Karl Marx zueigen gemacht hat, sei nicht mehr als die„Möblierung des atheistischen Wohnzim-mers“.3 Daraus, dass Menschen sich et-was wünschen und diesen Wunsch „anden Himmel projizieren“, folge nochlange nicht, dass das Gewünschte nichtexistiert. Was Sigmund Freud sich überden Ursprung der Religion als Verarbei-tung der Mordes der „Urhorde“ an einem„Urhordenvater“ zusammengereimt habe,erledige sich dadurch, dass man nach derErkenntnis heutiger Psychologie „Seelen-vorgänge“ nicht allein „auf zugrunde lie-gende neurologische, materielle Seelen-kräfte“ zurückführen kann.4 Der „Über-mensch“, den Friedrich Nietzsche in letz-ter atheistischer Konsequenz dem Gott

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der Liebe im Christentum entgegensetzte,sei in „Hitler, Stalin oder Mao Tse Tung“schauerlich Lügen gestraft worden.5 Dar-über hinaus hätten die Entwicklungen inder modernen Naturwissenschaft dem„real existierenden Atheismus“, wie Lützdas ausdrückt, den „Super-GAU“ ver-passt.6 Die atheistische Behauptung, dassdie Annahme eines Gottes „den Naturge-setzen widerspreche“, sei nicht aufrecht-zuerhalten. Wenn die Natur gemäß derQuantentheorie nicht von „deterministi-schen Gesetzen beherrscht wird“, son-dern es „nur noch statistische Wahr-scheinlichkeiten“ gibt, könne die Mög-lichkeit des Eingreifens eines Gottes inden Naturzusammenhang nicht mehr aus-geschlossen werden.7Atheismus ist nach Lütz also das aller-größte Fiasko: Dass Gott nicht existiert,kann er nicht beweisen. Die atheistischenTheorien, wie der Gottesglaube zustandekommt, sind nichtig. Seitdem der Atheis-mus aufgrund der verloren gegangenenMacht des Marxismus-Leninismus auchnoch seine Großorganisation eingebüßthat, liegt er in „Agonie“.8 Organisationenvon Atheisten sind, wie auch Minois zu-geben muss, „zu kleinen sektenartigenZirkeln“ zusammengeschrumpft.9In der Tat wird man sagen müssen: So, wiesich der Atheismus im 20. Jahrhunderteinmal in den Äußerungen seiner markan-testen Vertreter dargestellt hat, tritt erheute nicht mehr in Erscheinung. Das giltganz unabhängig von seinen theoreti-schen Begründungen, über die unser katholischer Apologet des Christentumsdoch wohl ein allzu flottes Scherbenge-richt vollzieht. Vorbei aber sind die Zei-ten, in denen ganze Völker der östlichenHemisphäre unter Anwendung vonZwang und Gewalt mit der „allein wissen-schaftlichen“, atheistischen Weltanschau-ung indoktriniert wurden. Vorbei sind frei-lich auch die Zeiten, in denen die evange-

lische Theologie achtsam auf Atheistenwie Ernst Bloch, Milan Machovec, Vitez-slav Gardavsky oder Roger Garaudygehört hat.Die Atheisten jedoch, die sich nach 1989im mehr oder weniger wissenschaftlichenDiskurs zu Wort gemeldet haben, sindvon der wissenschaftlichen Theologie, ge-schweige denn in der Kirche, so gut wienicht zur Kenntnis genommen worden.Franz Buggles Streitschrift von 1992„Denn sie wissen nicht, was sie glau-ben“10 oder Burkhard Müllers „Schluß-strich“ von 199511 sucht man in der Re-chenschaft über den christlichen Glaubenin unserer Zeit vergebens. Nur wenn be-stimmte Magazine zu den kirchlichen Fei-ertagen einigen Altachtundsechzigern Ge-legenheit gegeben haben, ihren Missmutüber die christlichen Kirchen abzulassen,hat unsere Kirche abwehrend gezuckt. Eingewisser Höhepunkt in dieser Richtungwaren die wütenden Attacken, die meinBerliner philosophischer Kollege HerbertSchnädelbach in der Wochenzeitung „DieZeit“ im Jahre 2000 gegen das Christen-tum als „Fluch der Menschheit“ gerittenhat. Unterdessen ist das wie alles, wasvon der Presse befördert wird, eine„Nachricht von gestern“. Keine Nachrichtvon gestern aber ist das, was die neuesteErhebung des „Religionsmonitors“ derBertelsmann-Stiftung zu Tage geförderthat.

Atheismus als bleibende Herausforderung für die Kirche

Nach dieser Erhebung versteht sich fastein Drittel der Bevölkerung Deutschlandsals „nicht religiös“ und damit als praktischatheistisch. Wie wir auch ohne „Religi-onsmonitor“ wissen, sind es im OstenDeutschlands noch viel mehr: Über 75Prozent der Bevölkerung wollen mit Gott,mit der Religion und der Kirche nichts zu

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tun haben; in Berlin-Marzahn sind es so-gar 98 Prozent. Für sie hat sich das Themaerledigt. „Atheismus“ ist bei ihnen nichtirgendeine Theorie, sondern eine selbst-verständliche Realität. Sie haben sich andas Leben ohne Gott einfach gewöhnt.Das ist schon seit Generationen so. Schondie Großeltern, ja sogar die Urgroßeltern,hatten mit dem Glauben an Gott nichts zutun.Bei fast einem Drittel der Bevölkerungweiter westlich stellt es sich ähnlich dar,obwohl die Menschen hier von keinerStaatsmacht dazu genötigt wurden, sichden Glauben an Gott abzugewöhnen. Wirmüssen sogar konstatieren, dass atheis-tische Überzeugungen auch in unserervolkskirchlichen Wirklichkeit ziemlichverbreitet sind. Denn die fast 30 Prozentatheistisch gesinnter Menschen in unse-rem Lande sind nicht nur jenseits vonfesten Kirchenmauern beheimatet. Sie be-finden sich auch in der Volkskirche, dersie aus irgendwelchen Gründen an-gehören. Mehr noch: Die Probleme undZweifel am Gottesglauben, die mit denatheistischen Argumenten gegen denGottesglauben zusammenhängen, setzenauch sehr vielen Gliedern der Gemeindeerheblich zu.„Atheismus“ – das ist deshalb nicht nureine Angelegenheit von ein paar sektiere-risch wirkenden Splittergruppen in unse-rer Gesellschaft. Das ist aufgrund seinermassenhaften Verbreitung unter den Men-schen eine Herausforderung allerersterGüte für die christlichen Kirchen in unse-rem Lande. Obwohl das offensichtlich istund obwohl all die Probleme damit zu-sammenhängen, die unsere Kirchen vorallem im Osten Deutschlands haben,ihren Dienst im ganzem Lande aufrecht-zuerhalten, findet die Frage, wie sich daschristliche Zeugnis von Gott spezifischauf die atheistische Herausforderung ein-zulassen hat, erstaunlich geringe Auf-

merksamkeit. Zukunftspapiere der Evan-gelischen Kirche in Deutschland und derLandeskirchen und sonstige Analysen derreligiösen Lage unserer Zeit reden viel-mehr optimistisch davon, dass sich derpraktische Atheismus im Zuge der so ge-nannten „Wiederkehr der Religion“ vonalleine aufzulösen beginnt. Vom „Ge-wohnheitsatheismus“ seien nur noch „Ru-dimente“ übrig geblieben, lesen wir z. B.in der „Systematischen Theologie“ vonGunther Wenz.12

Sicherlich ist nicht zu bestreiten, dass sichin den letzten Jahren das gesellschaftlicheKlima in Bezug auf Themen, die zur Reli-gion im weitesten Sinne gehören, gewan-delt hat. Ich gehe jetzt nicht der Fragenach, ob und wie dieser Wandel – vor al-lem, was den Glauben an Gott betrifft –den Kirchen zugute kommt. Dazu gäbe esviel zu sagen. Dass jener Wandel die Ne-belwand des uns umgebenden Gewohn-heitsatheismus aber gelichtet hätte oderauch nur dabei sei, das in irgendeiner be-merkenswerten Weise zu tun, wird manbeim besten Willen nicht behaupten kön-nen. Der Eindruck, dass sie nur noch inRudimenten vorkommt, mag jedoch viel-leicht dadurch entstehen, dass aus ihr her-aus keine starken öffentlichen Stimmenerschallen. Denn der Atheismus, der hierherrscht, ist mehr ein Milieu als ein Pro-gramm, mehr ein Ressentiment als eineargumentative Kraft.Seine stumme, fraglose Abstinenz vomGottesglauben stellt für unsere Kirche undunsere Gemeinden, die sich auf die nach-haltig von allem Gottesglauben entfrem-deten Menschen einlassen wollen, das ei-gentliche Problem dar. Was lässt diesenAtheismus eigentlich so selbstgewiss insich ruhen? Auf welche unausgesproche-nen Argumente muss unbedingt Bezug genommen werden, und wie sollte dasgeschehen, damit statt gegenseitiger stum-mer oder verstummender Abweisung ein

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Dialog zwischen atheistischen Überzeu-gungen und Gottesglaube möglich wer-den kann? Wie sollten sich Christinnen,Christen und Gemeinden in einem athe-istisch grundierten, konfessionslosen Um-feld darstellen und artikulieren, damit siejenem ressentimentgeladenen Milieunicht geradezu Auftrieb geben?Angesichts solcher Fragen könnte esdurchaus hilfreich sein, wenn atheistischePositionen mit guten Argumenten nach-drücklich und stark in der Öffentlichkeitvertreten werden. Das könnte dem stum-men, ohne erkennbare Perspektive vorsich hin dümpelnden Atheismus wiedereine Stimme geben und ihn zur ernst zunehmenden argumentativen Kraft in derGesellschaft machen. Das könnte auchder Christenheit hierzulande dienlichsein, die in Auseinandersetzung mit denArgumenten des Nichtglaubens durchausdazu herausgefordert ist, ihren Glaubenim 21. Jahrhundert in größerer Klarheit zuverstehen und zu artikulieren. Es klingtdeshalb verheißungsvoll, dass sich in un-seren Tagen tatsächlich ein Atheismuslautstark zu Wort meldet, der sich selbst„neu“ nennt. Ob dieser Atheismus zu leis-ten vermag, was ich hier in einem abstrak-ten Szenario von ihm erwarte, ist aller-dings die Frage. Gespannt darf manzunächst darauf sein, was hier eigentlich„neu“ heißt.

Das halbwegs „Neue“ am „neuen Atheismus“

Soweit ich sehe, kann sich der Atheismus,mit dem wir uns hier beschäftigen wollen,mit einem gewissen Recht in viererleiHinsicht „neu“ nennen. Erstens: DieserAtheismus ist ein Import. Er stammt nichtaus unseren mitteleuropäischen, säkulari-sierten Gegenden, in denen atheistischeÜberzeugungen in der Arbeiterschaft undunter Intellektuellen eine lange Tradition

haben, die auch im Osten nicht erst mitder DDR beginnt. Er stammt aus einemausgesprochen religiösen Land, aus denUSA. Zwar ist es richtig, dass es im Zugeder geistigen Globalisierung auch ihmverwandte atheistische Fanfarenstöße inEuropa und in Deutschland gibt. MichelOnfrays Buch mit dem deutschen Titel„Wir brauchen keinen Gott“13 gibt dem„neuen Atheismus“ auf Französisch, Pier-giorgio Odifreddis „Il matematico imperti-nente“ auf Italienisch14 und MichaelSchmidt-Salomons „Manifest des evolu-tionären Humanismus“15 auf Deutsch ei-nigen Schwung. Aber die Folie, in die derAtheismus hier eingezeichnet wird, istdoch die anglo-amerikanische religiöseWirklichkeit. Wie der Atheismus sich inDeutschland darstellt und welche geisti-gen Auseinandersetzungen er in der Ge-schichte Europas ausgelöst hat, spielt im„neuen Atheismus“ nur eine marginaleRolle. Das ist hierzulande sicherlich„neu“. Zweitens: Die atheistische Literatur, die esin den USA und dann auch bei uns aufBestsellerlisten gebracht hat, ist allesamtnach dem 11. September 2001, dem isla-mistischen Terroranschlag auf das World-Trade-Center in New York, entstanden.Das religiöse Motiv dieses Anschlags,nämlich die Vernichtung von Ungläubi-gen und die Verheißung des Paradieses fürdie Attentäter, hat dem Argument Auftriebgegeben, Religion überhaupt sei grund-sätzlich eine Quelle der Gewalt gegenNicht- und Andersgläubige. Sam Harris,ein amerikanischer Neurowissenschaftlerund Publizist, hat in seinem auch inDeutschland veröffentlichten Buch „DasEnde des Glaubens. Religion, Terror unddas Licht der Vernunft“16 daraus die Kon-sequenz gezogen, nur der Atheismuskönne die Welt vor solcher Gewalt be-wahren. Ohne Religion gäbe es keinenHass auf Anders- oder Nichtgläubige und

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deshalb auch keine Kriege. Ganz neu istdieses Argument freilich nicht. Denn dieGewalt, die die Religionen befördern, istschon immer ein atheistisches Argumentgegen den Gottesglauben gewesen. Der„neue Atheismus“ aber macht es zumDreh- und Angelpunkt seiner Bestreitungdes Gottesglaubens. Alle Religionen, sagtHarris, stehen sich „ihrem Wesen gemäßfeindlich gegenüber“. Im „Glaubenska-non von Christen, Moslems oder Judensowie jeder anderen Religion“ ist „keineechte Grundlage für religiöse Toleranzund religiöse Vielfalt zu finden“.17 Dieneuatheistische Literatur ist deshalb so et-was wie eine Sammlung von Gewaltge-schichten aus allen Religionen, allemvoran aus dem Christentum und dem Is-lam. Mit ihnen wird belegt, „wie die Reli-gion die Welt vergiftet“. So lautet der Un-tertitel des Buches „Der Herr ist keinHirte“ des Journalisten Christopher Hit-chens, eines ehemaligen Trotzkisten.18

Drittens: In gewisser Weise neu gegen-über dem traditionellen europäischenAtheismus ist auch die Erklärung, die vonden „neuen Atheisten“ für die Gewaltbe-reitschaft der Religionen gegeben wird.Der Grund dafür sei die Unwissenheit.Religiöser Glaube erfinde – weil Men-schen es nicht besser wüssten – absurde,aus Illusionen zusammengewebte Vorstel-lungen über die Welt, die Menschen unddie Vorgänge in Natur, Geschichte und in-dividuellem Leben. Das geschehe, so-lange die Menschheit „noch so unzurei-chend entwickelt ist“19, dass sie nicht alles wissenschaftlich erklären kann, miteiner gewissen Zwangläufigkeit. Gefähr-lich am religiösen Glauben sei jedoch,dass er seine unbeweisbaren Erfindungenfür die allein richtigen halte und unfähigsei, sie zu korrigieren. „Dummheit, ge-koppelt mit ... Überheblichkeit“20 – dassei das Wesen der Religion. Darum ver-binde sich religiöser Glaube immer mit

Hass und Vernichtungswut gegen andereMenschen, die ebenso unbeweisbare reli-giöse Vorstellungen hegen. Die „neuenAtheisten“ halten aus diesem Grundenichts von der These Jan Assmanns, diePeter Sloterdijk jetzt noch einmal aufge-wärmt hat,21 dass erst der Monotheismusdie Gewalt in die Sphäre der Religion ge-tragen habe und der Polytheismus fried-fertig gewesen sei.22 Die Tendenz zur Ge-walt sei allen Religionen immanent, weilsie ihre irrationalen Vorstellungen nichtanders verteidigen könnten als so, dass sieMenschen mit anderen irrationalen Vor-stellungen zu vernichten trachteten. In ge-wisser Weise auch heilsames „Opium desVolks“ (Karl Marx) sei Religion in keinemFall. Viertens: Nicht gänzlich neu, aber in ihrerPenetranz doch aus dem Rahmen allerwissenschaftlichen und gesitteten geisti-gen Auseinandersetzung fallend, ist dieSprache der „neuen Atheisten“. InDeutschland wurde sie durch die Pressemultipliziert, vor allem unter Bezug aufdas hier bei weitem erfolgreichste Buchder „neuen Atheisten“: „Der Gotteswahn“des Oxforder Evolutionsforschers RichardDawkins.23 Er bläst auf 575 Seiten eineFanfare, die allen Religionen ihren Glau-ben austreiben soll. Sie verkündet: Men-schen, die an Gott glauben, sind irrsinnig.Sie leiden unter einem altertümlichen, ge-fährlichen, menschenmörderischen Wahn-sinn, aus dem sie nur der Atheismus be-freien kann. Um das zu belegen, bastelt Dawkins – wie die anderen neuen Atheisten auch –geradezu an Formulierungen, die denGlauben an Gott verächtlich machen sol-len, wobei hier der christliche Glaube fürden Glauben aller Religionen steht. Der„sound“, in dem hier geredet wird, klingtetwa so: Die Bibel – das ist eine „chao-tisch zusammengestoppelte Anthologiezusammenhangsloser Schriften, die von

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Hunderten anonymer (!) Autoren, Heraus-geber und Kopisten verfasst“ und „ver-fälscht wurden“24. Gott in der Bibel – dasist ein „psychotischer Übeltäter“25, ein„Monster“26 und ein „grausames Unge-heuer“27. Jesus – das ist der Vertreter einergegenüber Außenstehenden feindlichenjüdischen „Gruppenmoral“, die „Anwei-sungen zum Völkermord“28 gibt. Kirche –das ist Kindesmissbrauch, d. h. nicht nur„Fummelei in der Sakristei“ und dasQuälen von Mädchen durch „grausameNonnen“29, sondern das Verderben desGeistes von Kindern mit „Unsinn“30.Keine Gelegenheit zum Zynismus wirdausgelassen – so wenn etwa den Christenempfohlen wird, elektrische Stühle stattKreuze um den Hals zu tragen31 und sichbei einer schlechten Diagnose auf eine„schnellere Reise in den Himmel“ wie auf„einen Urlaub auf den Seychellen“ zufreuen.32

Von diesem Geist und seiner Sprache in-spiriert, hat Michael Schmidt-Salomon,der Vorstandssprecher der GiordanoBruno Stiftung, einen „Dawkins für Kids“verfasst. „Wo bitte geht’s zu Gott? fragtedas kleine Ferkel“ heißt dieses Mach-werk.33 In ihm werden die Vertreter derverschiedenen Religionen mit scheuß-lichen Illustrationen als dumme, hasser-füllte Schreckensgestalten lächerlich ge-macht. Besonders abschreckend ist dieDarstellung eines jüdischen Rabbis, dieder antisemitischen Nazipropaganda ent-nommen zu sein scheint.Ich breche hier diese beliebig vermehrba-ren Kostproben neuatheistischer Geistig-keit und ihres Sprachgebarens ab. Ganzklar ist: Hier soll kein Dialog geführt wer-den. Hier wird bewusst provoziert. Hierwird mit Hilfe einer Brille, durch die mannur Ausschnitte der Wirklichkeit sehenkann, abgeurteilt und diskriminiert. Eslohne sich nicht und sei „mangels intel-lektueller Masse“ auch gar nicht möglich,

sich damit auseinanderzusetzen, hatKlaus Müller aus philosophischer Perspek-tive zu diesen Elaboraten gesagt.34 KnutBerner ist dem Urteil, dass es sich hier um„Ultraklischees einer Vulgäraufklärung“handele, aus der Perspektive evange-lischer Theologie beigetreten. Die Argu-mente des „neuen Atheismus“ würden ausder „Mottenkiste der Religionskritik ...garniert ... mit Geschmacklosigkeiten“stammen.35 Das ist zwar einerseits richtig:Dawkins redet, wie man ihm vorgeworfenhat, weithin wie ein „Dorfatheist“,36 derdie primitivsten Vorurteile gegen die Reli-gion fast ohne jedes Differenzierungsver-mögen schürt. Wenn er sich der christ-lichen Tradition zuwendet, dann strotztsein Buch darüber hinaus nur so von Feh-lern und von dem Unvermögen, mit denTexten halbwegs sachgerecht umzugehen.Alister McGrath hat die wichtigsten Fehlerund Patzer aufgelistet und sie mit einerRetourkutsche auf den „Atheismuswahn“von Dawkins zurückgeführt.37 John Gray,einer der bekannteren englischen Philoso-phen der Gegenwart, hält diesen Atheis-mus sogar selber für eine „groteske Reli-gion“.38

Doch andererseits besteht nach meinerMeinung auch kein Anlass, sich gegen-über der garstigen, fragwürdigen Art desneuen Atheismus nur besserwissend aufshohe Ross zu setzen.

Fundamentalismus als Problem der Auseinandersetzung mit dem neuen Atheismus

Das Bild von der Religion, das die „neuenAtheisten“ vor Augen haben, ist durch denFundamentalismus geprägt. „Religionwird beharrlich und durchgängig auf dieschrecklichste Weise dargestellt, wobeiein Bild parodiert wird, das die schlimms-te Form von religiösem Fundamentalismuszeichnet“, urteilt Alister McGrath über

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Dawkins Buch.39 Unter „Fundamentalis-mus“ können wir dabei das Festhalten derReligionen an archaischen, in Texten oderin Bräuchen und Verhaltensweisen veran-kerten „identity markers“ gegenüberneuen Erfahrungen mit Gott, der Welt undden Menschen verstehen. Im Blick aufden Islam z. B. gilt deshalb für die neuenAtheisten, dass er von seinen wörtlichenGrundlagen im Koran her notwendig isla-mistisch sein muss. Harris sagt: „Im Lichtedessen, was fromme Moslems über denDschihad, das Märtyrertum, das Paradiesund die Ungläubigen glauben, könnenSelbstmordanschläge nur schwerlich alsFehltritte des Glaubens betrachtet wer-den.“40 Er hält den Islam für eine kriege-rische Religion, die unfähig ist, sich vonihren eigenen Grundlagen her in eine„grundsätzlich gutartige Ideologie umzu-formen“41. „Krieg mit dem Islam“ wirddeshalb für „den Westen“ tatsächlich alsernsthafte Perspektive ins Auge gefasst.Harris rechtfertigt so auch den Irakkriegund tritt für die Folter von Gefangenenein.42

Was das Verfahren betrifft, jede Religionauf den Fundamentalismus zu reduzieren,so beherrscht es auch die gesamte neu-atheistische Destruktion des Christen-tums. Der einflussreiche amerikanischechristliche Fundamentalismus dient dabeials Leitbild. Für die christliche Religion istdemnach dreierlei charakteristisch: 1. daswörtliche Verständnis der ganzen Bibel alsGottes Wort, 2. daraus folgend die Ableh-nung der naturwissenschaftlichen Theo-rien der Weltentstehung und der Evolutiondes Lebens, 3. eine Ethik, die moralischeVorstellungen der Bibel von Staat und Ge-sellschaft, Ehe und Familie direkt in un-sere Zeit überträgt und z. B. Homosexua-lität als Sünde betrachtet. Natürlich wis-sen Dawkins und seine Mitstreiter auch,dass es ein anderes, für die moderne Zivi-lisation und ihre Grundlagen aufgeschlos-

senes Christentum gibt. Aber das ist für siekein Zeichen, „dass der Glaube sich wei-terentwickelt hat“. Ein „gemäßigtes“ Christentum ist vielmehr „das Resultatzahlreicher Hammerschläge der Mo-derne“ auf gewisse „Glaubensinhalte“.43

Diese Glaubensinhalte selbst zu hinterfra-gen, aber widerspreche „der grundsätz-lichen Natur des Glaubens“.44

Dementsprechend wird alles beiseite ge-schoben, ignoriert oder für unglaubwür-dig erklärt, was aus den Reihen der Kircheund der Theologie am Fundamentalismuskritisiert oder unter den Bedingungen desWirklichkeitsverständnisses unserer Zeitvom Glauben gesagt wird. Dawkins hältsich ausdrücklich etwas darauf zugute, diehistorisch-kritische Erforschung der Bibelnicht zur Kenntnis zu nehmen.45 Damitbefördert er sich im theologisch-wissen-schaftlichen Diskurs unter die Schwelleder Konfliktfähigkeit. Doch für die Kircheschafft die Fixierung der neuatheistischenArgumentationen auf den Fundamentalis-mus dennoch ein Problem. Sie nötigt zurinnerkirchlichen Auseinandersetzung mitdessen Positionen. Denn unter dem Dachunserer Kirche befinden sich zweifellosGruppierungen, die mehr oder wenigerdem Fundamentalismus zuzuordnen sind.Befürwortungen des Kreationismus unddie Berufung auf die Wortinspiration derSchrift sind auch in den deutschen evan-gelischen Kirchen ziemlich verbreitet. Esscheint sogar so zu sein, dass dort, wo dieGemeinden wachsen, solche Überzeu-gungen am häufigsten vertreten werden.Deshalb wird die Auseinandersetzung mitdem auf den Fundamentalismus fixiertenAtheismus notwendig zu einer Auseinan-dersetzung auch innerhalb der Kirche. Ihrkann sie auch ohne die Argumente desneuen Atheismus nicht ausweichen. In-dem sie aber unter dem Eindruck dieserArgumente geführt wird, sind ihnen ge-genüber wie gegenüber den fundamenta-

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listischen Tendenzen in der Kirche we-nigstens zwei Klarstellungen unerlässlich.Die eine betrifft das Verhältnis von Glaubeund Naturwissenschaft und die anderedas Schriftverständnis.

Die Verwirrung um die Bedeutung von „Gottesbeweisen“

Die emphatische Behauptung, dass derGlaube an Gott sich nicht mit der moder-nen Naturwissenschaft vertrage, ist wahr-lich nicht neu. Im Blick war und ist dabeivor allem der Glaube an Gott als Schöpferder Welt und der Menschheit. Dawkinsversteht diesen Glauben als „wissen-schaftliche Hypothese“46 über die Entste-hung der Welt und des Lebens. Demge-genüber wird geltend gemacht: Das Wer-den des Universums und des Lebens kannin jeder Hinsicht ohne die „Gotteshypo-these“ erklärt werden. Mehr noch: DieNaturwissenschaften können keinen Be-weis für die Existenz Gottes, für einenübernatürlichen „Gestalter“ der Welt lie-fern. Ein Gott existiert aus dieser Perspek-tive mit über 50 Prozent Wahrscheinlich-keit nicht.47

Das Hauptargument dafür ist, dass nachder Theorie des Darwinismus komplexeFormen des Lebens das Resultat einesEvolutionsprozesses von Mutation und Se-lektion aus einfachen Formen sind.48 Dadies nach allem, was wir wissen können,von der Ausgangslage der Entstehung vonLebensbedingungen im Universum undauf der Erde her als völlig unwahrschein-lich gelten muss, entstehe der Eindruck ei-ner gezielten Gestaltung. Das verführe zuder Behauptung, dass ein „Gestalter“ indiesem Prozess am Werke sei. Doch dieseBehauptung versuche das Unwahrschein-liche mit etwas noch Unwahrscheinliche-rem zu erklären: mit Gott. Sie bleibe da-mit die Antwort auf die Frage schuldig,„wer den Gestalter gestaltet hat“49. Das je-

doch zu erklären, sei noch aussichtsloserals alles, was seine Annahme erklärensoll.50

Wir haben hier – auch wenn Dawkins dasnicht kennt – das alte Argument ImmanuelKants gegen den kosmologischen Gottes-beweis vor uns, der den Gott der Meta-physik durch Kausalitätsschlüsse als ersteUrsache der Welt erweisen wollte. DieseArgumentation hat den auf diese Weiseerschlossenen Gott damit selbst der Frageausgesetzt, woher er denn sei. „Man kannsich des Gedankens nicht erwehren, mankann ihn aber auch nicht ertragen“,meinte Kant, „dass ein Wesen, welcheswir uns auch als das Höchste unter allenmöglichen vorstellen, gleichsam zu sichselber sage: Ich bin von Ewigkeit zu Ewig-keit, außer mir ist nichts, ohne das, wasbloß durch meinen Willen etwas ist, aberwoher bin ich denn?“51 Kant hatte bei die-ser Frage den mit der Vernunft erschlosse-nen Gott der Metaphysik vor Augen. Daw-kins dagegen führt die Annahme einesgöttlichen Gestalters der Welt und derMenschheit auf den Illusionismus zurück,zu dem mit Bewusstsein begabte Wesen,die die Evolution hervorgebracht hat, ver-führt werden.Seine Theorie vom Entstehen der Religion,die an einen Gestalter der Welt glaubt, istnämlich die, dass es sich hier um eine„Fehlfunktion“ einer eigentlich nützlichengenetischen Anlage unserer Gattung han-dele. So wie die Motte sich aufgrund ihrerOrientierung am Mondlicht fälschlich undselbstmörderisch ins Kerzenlicht stürzt,52

so verführe uns die Neigung, unseren El-tern zu vertrauen und Entscheidungen „in-tentional“,53 im Vorgriff auf die angenom-menen Folgen einer Handlung zu treffen,zum Glauben an eine alles regulierende„Überwelt“. Durch sog. „Meme“ (Ge-dächtniseinheiten) pflanze sich dieserfehlgeleitete Glaube wie ein Virus fort. Ei-ner solchen „Fehlfunktion“ der Evolution

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verdanken sich nach Dawkins Ansichtauch die dem Kreationismus verpflichte-ten Bemühungen um ein „intelligent de-sign“, die in die Wissenschaft „mitschmutzigen Methoden“ „ihre schmutzi-gen Pflöcke“ schlagen.54

Angesichts dieser Konstruktionen des We-sens und der Funktion des Gottesglaubensist geltend zu machen, dass der christlicheGlaube nicht mit einer quasi-wissen-schaftlichen und noch dazu aus archa-ischen Weltbildvorstellungen bestehen-den Theorie identifiziert werden kann.Eine solche Identifizierung verfehlt denGrund und das Wesen des christlichenGlaubens gründlich. Man wird aber zuge-ben müssen, dass die Theologie der Ver-gangenheit zu dieser Verfehlung auch An-lass gegeben hat. Die isolierte Aufmerk-samkeit für den Versuch der christlichentheologia naturalis, Gottes Existenz auchmit Argumenten der Vernunft zu erweisen,konnte und ist in der Diskussion um dasmetaphysische Gottesverständnis so miss-verstanden worden, als ginge es hierdarum, Gott mit Vernunftschlüssen zu ob-jektivieren. Doch all die so genannten„Gottesbeweise“, z. B. des Thomas vonAquin, setzen den Glauben an Gott schonvoraus und begründen ihn nicht. Deshalbenden alle Schlüsse auf Gott als Grundund Ziel der Welt nicht mit dem Satz:„Das ist Gott“, sondern mit der deutendenFeststellung: Das „nennen alle Gott“. Dasaber ist nur möglich, weil Gott schon aufandere Weise bekannt ist als aufgrunddieser Schlüsse, nämlich aufgrund seinerOffenbarung in der Geschichte. Dawkinsund seine atheistischen Mitstreiter verste-hen die nachträglichen Unterstreichungendes Glaubens an Gott mit Vernunftargu-menten jedoch fälschlicherweise so, alssolle damit der Glaube an Gott bewiesenund begründet werden. Zu einem solchen fälschlichen Verständ-nis des Glaubens an Gott wird aber auch

heute Anlass gegeben, wenn in Kircheund Theologie selbst der Glaube an Gottwie eine quasi-wissenschaftliche Hypo-these gegenüber der naturwissenschaft-lichen Forschung ins Spiel gebracht wird.Das geschieht nicht nur im Kreationismus,sondern auch, wenn Religionsphiloso-phen wie Richard Swinburne sich anhei-schig machen nachzuweisen, dass dochmehr als 50 Prozent Wahrscheinlichkeitfür die Existenz eines göttlichen Urhebersder Welt sprechen.55 In welche abwegi-gen Diskussionen das führt, zeigt die Aus-einandersetzung darum, wer im Streit umdie Existenz Gottes nun eigentlich be-weispflichtig sei, die atheistische oder diereligiöse Argumentation. Die Atheisten sa-gen: Dass etwas nicht existiert, brauchtauch nicht bewiesen zu werden. Wennetwa jemand behauptet, eine Teekanneoder ein „Spaghettimonster“ fliege imWeltraum herum,56 dann liege bei dem,der das behauptet, die Last des Beweisesund nicht bei dem, der das bestreitet.Lässt sich die religiöse Argumentation aufdieses Niveau ein und reklamiert über 50Prozent Wahrscheinlichkeit dafür, dassdoch bei der Entstehung der Erde und desLebens ein göttlicher Gestalter am Werkesei, dann ist damit so gut wie nichts ge-wonnen.Glauben auf Grund solcher Wahrschein-lichkeitsquoten könnte allenfalls ein un-gewisses Fürwahrhalten sein, aber nichts,worauf Menschen ihr Leben zu gründenvermögen. Gott, den wir so beweisenkönnten wie einen Sachverhalt in der Na-tur oder wie fliegende „Teekannen“, wäredarüber hinaus mit Sicherheit nicht Gott,sondern – auch wenn wir ihn als schaffen-den Geist interpretieren – ein Teil derWelt. Gott kann man nicht zum Gegen-stand, zum Objekt machen, wie das JuriGagarin versuchte, als er nach Gott imWeltraum wie nach einer überdimensio-nierten Teekanne Ausschau hielt. Die erste

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Klarstellung, die wir gegenüber der athe-istischen Negation der Existenz Gottes mitnaturwissenschaftlichen Argumenten zuvollziehen haben, besteht also darin, dassGlaube an Gott nicht in einem hypotheti-schen, vagen Fürwahrhalten seiner Exis-tenz und im objektivierbaren Wissen überden Schöpfungsakt besteht. Macht manihn dazu, dann kommt er für die Atheistenauf eine Linie mit dem Glauben an denWeihnachtsmann, an Feen und an Rum-pelstilzchen zu stehen.

Das religionskritische Wesen des Glaubens an Gott

Positiv bedeutet die Kritik am „szientisti-schen Missverständnis“ Gottes, wie Tho-mas Rentsch57 das genannt hat: Zu Gottgibt es nach der Erfahrung des christlichenGlaubens für uns irdische Menschen nureinen Zugang, und das ist derjenigeGlaube, der aufgrund personaler Begeg-nung mit ihm in unserer Existenz und inunserer Geschichte begründet wird. Er istVertrauen zu einer uns unverfügbarenWirklichkeit. Man kann nur verstehen,was es mit ihm auf sich hat, wenn mansich im Rahmen der existenziellen undgeschichtlichen Erfahrungen hält, dem ersich verdankt. Im Falle des christlichenGlaubens sind das die Erfahrungen, dieMenschen mit Jesus Christus, mit Israelund in ihrem Leben machen. Sie lösendas gewisse Vertrauen zu Gott aus, zudem auch das Vertrauen zu ihm alsSchöpfer gehört. Dieser Glaube ist des-halb der grundlegende Zugang zu Gottund zu der Gewissheit, dass er – in einerganz anderen Weise als wir – da ist undexistiert. „Gott und Glaube gehören zu-haufe“, hat Martin Luther in seinem„Großen Katechismus“ diese Einsichtbündig auf den Punkt gebracht.Im Lichte dieses Glaubens können wirdurchaus beurteilen und deuten, was die

naturwissenschaftliche Forschung, die al-lein den Naturgesetzen verpflichtet undinsofern methodisch-atheistisch ist, unsüber die Entstehung des Universums unddes Lebens erschließt. Es würde hier zuweit führen, diese Deutung zu explizie-ren.58 Sie vollzieht sich jedoch untergrundsätzlicher Bejahung der freien natur-wissenschaftlichen Forschung, weil der imGlauben erkannte Schöpfer uns sein wun-derbares, atemberaubend großartigesWerk für unsere Verstandeserkenntnis frei-gegeben hat. Für den Zugang von Men-schen zu Gott und damit für den Glaubenaber sind die Naturwissenschaften nichtzuständig. Sie können sich als solche inder Frage, ob Gott existiert oder nicht, nurder Stimme enthalten.Die Atheisten aber tun das nicht. Dochdass sie aus naturwissenschaftlichenGründen argumentieren, ist ein Selbstirr-tum. Es handelt sich bei ihnen schlicht umNicht-Glaubende, die mit dem (ebenfallsin ihrer Existenz gewonnenen) Vorurteildes Nichtglaubens den methodischenAtheismus der Naturwissenschaften in ei-nen ideologischen Atheismus umdeutenund darauf das ganze Welt- und Men-schenverständnis aufbauen. Die wildenSpekulationen von Dawkins über andereintelligente Welten und „Multiversen“ zei-gen, dass dieses Vorurteil die Quelle einesKöhlerglaubens ist, der mit Wissenschaftnichts zu tun hat.59

Bleibt die Frage, ob der in unserer Exis-tenz aufgrund geschichtlicher Erfahrungengewonnene Glaube eine „Fehlfunktion“unserer durch die Evolution hervorge-brachten Gattung ist. Eine solche Behaup-tung ist zunächst schon deshalb in sichselbst widersprüchlich, weil die ganzeatheistische Argumentation unterstellt, dieEvolution schreibe uns vor, dass wir unsohne den Glauben an einen Gott zu ver-stehen haben. Wer aber entscheidet dar-über, was hier richtige Funktion und was

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„Fehlfunktion“ von uns mit Bewusstseinbegabten Wesen ist? Es ist klar, dass dieAntwort auf diese Frage Sache unsererFreiheit ist, in die uns – evolutionstheore-tisch gesagt – die Evolution gesetzt hat. Zuden Möglichkeiten dieser Freiheit gehörtaber, Unverfügbares in Existenz und Ge-schichte in einer alles Objektivierbaretranszendierenden Weise als Wirklichkeitwahrzunehmen. Unsere Wirklichkeitser-fahrung unterläge auch abgesehen vonder Gotteserfahrung einer unsäglichenVerarmung, wenn sie auf die Wahrneh-mung von Objektivierbarem reduziertwürde. Was aber unsere Fähigkeit betrifft, einemuns entzogenen Grund und Geheimnisunseres Daseins zu vertrauen, so führt unsdas anthropologisch in die weitläufigeund in der evangelischen Theologie aufden Spuren Friedrich Schleiermachers biszur Erschöpfung traktierte Frage, ob zuunserem Selbstbewusstsein das Bewusst-sein unseres Gegründetseins in der Trans-zendenz gehört. Die neuen Atheisten neh-men diese Frage und die gesamte philoso-phische und theologische Tradition, diedamit verbunden ist, nicht zur Kenntnis.Für sie ist Gottesglaube identisch mit derillusorischen Annahme einer nicht be-weisbaren Über- oder Hinterwelt. Der-gleichen gibt es zweifellos im Felde derReligion, der Religionsgeschichte undauch in einem in solchen Vorstellungenverharrenden, gleichsam naiven Christen-tum. Dass aber der Glaube an Gott, wie erdurch Christus und Israel ausgelöst wird,nicht fähig sei, religiöse oder auch welt-bildhafte Vorstellungen zu transzendierenund zu relativieren, ist angesichts der Kir-chen- und Theologiegeschichte bis heuteeine unhaltbare Behauptung. Man denke (um in der Vorneuzeit zu blei-ben) nur an die Lehre vom mehrfachenSchriftsinn, an die Bedeutung der negati-ven Theologie für das Gottesverständnis,

aber auch an die Wandlungen des Gottes-und Weltbildes in der Geschichte desChristentums, die ja nicht erst mit der Auf-klärung beginnen. Der christliche Glaubeist schon in seinen Ursprüngen ein emi-nent religionskritischer Glaube gewesen,und er bleibt es, wo er seinen Ursprüngenin den Zeugnissen der Bibel treu bleibt.Um die Verwechslung Gottes mit allzumenschlichen Vorstellungen von Gott undzeitbedingten Anschauungen von derWelt und den Menschen zu kritisieren,braucht er nicht auf den Atheismus zuwarten. Das kann er besser als der Atheis-mus der beschriebenen Art, der den Glau-ben an Gott offenbar nur zu kritisierenvermag, indem er ihn in seinem Wesenverzerrt.

Alt und neu in der Bibel

Mit einer vergleichbaren Verzerrung desGlaubens an Gott haben wir es schließ-lich auch zu tun, wenn von den neuenAtheisten ein notwendiger Zusammen-hang aller Religion mit der Ausübung vonGewalt behauptet wird. Diese Verzerrungbesteht nicht darin, dass der Finger auf diebreite Spur von Gewaltausübung im Na-men der Religion gelegt wird. Es ist so,dass Religion und der in den Religionender Welt vielfältig anzutreffende Glaubean Gott Gewalt motiviert hat und auchheute weiter motiviert. Es ist so, dass dieGeschichte der monotheistischen Religio-nen von religiös motivierter Gewaltdurchzogen ist. Das Sündenregister desChristentums ist in dieser Hinsicht lang.Hier gibt es nichts zu beschönigen und zuentschuldigen. Religion und damit dasChristentum haben faktisch auch dieseabschreckende Seite. Dass sie Menschenden Glauben an einen Gott verleidenkönnen, ist wohl wahr. Die Behauptung jedoch, der Glaube aneinen Gott führe mit Notwendigkeit zur

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Anwendung von Gewalt gegenüber an-dersglaubenden Menschen, trifft nicht zu.In allen Religionen finden wir auch eingroßes Potenzial an Friedenswillen und anToleranz, das von den neuen Atheistenentweder unterschlagen oder ins Zwie-licht gerückt wird, wie das etwa bei derDarstellung Jesu, aber auch Gandhis undMartin Luther Kings der Fall ist. Währendder „klassische“ Atheismus in Europanoch mit einer gewissen Hochachtungvon Jesus gesprochen hat, zeichnet sichder neue Atheismus dadurch aus, dass erihn mit Schmutz bewirft. Dagegen darfund muss die Christenheit sich wehren,indem sie Dietrich Bonhoeffers Satzdurchdekliniert, dass es sich allein darumlohne zu leben, weil die Erde gewürdigtwurde, den Menschen Jesus zu tragen.60

Ebenso entschieden muss klargestellt wer-den, dass es ein gravierendes Fehlver-ständnis des Kreuzestodes Jesu Christi ist,wenn unterstellt wird, hier werde demheidnischen Brauch des Blutopfers vonMenschen für eine grimmige Gottheit Tri-but gezollt. Leider behaupten das heute jaauch Theologen wie z. B. mein ehema-liger Berliner Kollege Klaus-Peter Jörns61

oder der Hamburger KirchenhistorikerMatthias Kröger62. Mit solchen Behaup-tungen aber wird der Zugang zu der Glau-benseinsicht verbaut, dass gerade derKreuzestod Jesu Christi das Bekenntnisder jungen Christenheit zu Gott, der dieLiebe ist (1. Joh 4,16), freigesetzt hat.Denn Gott identifiziert sich in diesemTode nicht mit den Mördern Jesu, sondernmit dem Opfer religiöser und politischerGewalttätigkeit. Er tritt damit auf die Seitealler von Menschen Misshandelten undGequälten und niemals auf die der Has-senden und Menschenschlächter. Auf ihnkann sich keiner berufen, der anderenMenschen Gewalt antut. Wenn das den-noch in der Geschichte der Christenheitgeschehen ist und leider auch bis heute

geschieht, dann wird dem im Namen JesuChristi, der sich schon in der Prophetiedes Alten Testaments ankündigt, mit allerEntschiedenheit entgegenzutreten sein.Das bedeutet allerdings auch, dass wiruns von den biblischen religiös motivier-ten Gewaltgeschichten zu distanzierenhaben, die die neuen Atheisten geradezuzum Kanon des Glaubens an Gott zu stili-sieren trachten. Der Heilige Krieg gegendie Ungläubigen und der Vollzug desBanns an ihnen, die Ausrottung der Midia-niter und anderer Volksstämme, die unsim Zusammenhang der Landnahme Isra-els in der Bibel geschildert werden, sindnicht der Grundtext des christlichen Glau-bens an Gott. Das Massaker von Moses anden Anbetern des „Goldenen Kalbes“ unddie Abschlachtung der Baalspriester aufdem Karmel sind kein Vorbild für das Ver-hältnis des Glaubens an den BundesgottIsraels zu anderen Religionen. Der Steini-gung von frierenden Holzsammlern amSabbat, der Ehebrecherinnen und „Zaube-rinnen“ steht die Verkündigung Jesu unddas Bekenntnis zu Jesus Christus ebensoentgegen wie die Verheißung Gottes imAlten Testament.Ich halte deshalb gar nichts davon, dassWalter Dietrich und Christian Link denVersuch unternommen haben, die „dunk-len Seiten Gottes“, die allesamt maßloseGewaltseiten sind, für den Glauben anGott theologisch zu rehabilitieren.63 Da-mit soll dem Interesse Israels an Gerech-tigkeit und der Unverfügbarkeit Gottes füralle allzu harmlosen menschlichen Got-tesbilder gedient werden. Doch schon imAlten Testament gilt, dass in der Vergan-genheit der Gotteserfahrung Israels nurdas Zukunft hat, was zur Verheißung fürIsrael und die ganze Menschenwelt zuwerden vermag und geworden ist: derBund Gottes mit Israel und mit der Men-schenwelt. Kalte, Menschen quälendeGrausamkeit, Rache, Mordlust und prakti-

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zierte Gewaltphantasien sind in IsraelsFriedensprophetie und erst recht in JesuVerkündigung und im Glauben an ihndas, was schlechterdings nicht zur Ver-heißung für die Menschheit und erst rechtnicht zum Gottesprädikat zu werden ver-mag. „Gedenkt nicht mehr an das Alteund achtet nicht auf das Vorige! Dennsiehe ich will Neues schaffen“, sprichtGott nach Jes 43,18-19. „Was Christumtreibet“, ist dementsprechend im reforma-torischen Verständnis der ganzen Bibelkanonisch, maßstäblich für den Glaubenan Gott, und nicht das, was Gottes Ver-heißung und Christus Lügen straft. In gewisser Weise kann man es den neuenAtheisten, die vom jüdischen und christ-lichen Schriftverständnis keine Ahnunghaben, nicht verdenken, dass sie jene Ge-walttexte in der Bibel wie Anweisungenzur Gewaltausübung im Namen Gottes le-sen. Sie verstehen die Bibel eben wie dieFundamentalisten, gegen die sie sichwenden. Umso wichtiger ist, dass sie aufeine bibelverständige Christenheit treffen,die sie über den rechten Gebrauch der Bi-bel mit dem Maßstab des Evangeliumsaufklärt. Damit es dazu kommen kann, istsolche Aufklärung allerdings beständig inallen christlichen Kirchen zu üben undauch im Dialog mit anderen Religionen –vor allem mit dem Islam – zur Geltung zubringen. Und das ist dringend!Denn der Schatz des „Backofens vollerLiebe“, wie Martin Luther Gott genannt

hat, ist unendlich wichtiger für dieMenschheit als alles, was menschlicheReligion daraus gemacht hat und macht.Er ist vor allen Dingen unvergleichlichklarer für die Orientierung und Inspirationunseres Lebens als das, was am Ende beiden neuen Atheisten auf dem Plan bleibt.Da plädiert der eine für eine Art Buddhis-mus light (so Sam Harris) und der andereprotestiert dagegen (so Christopher Hit-chens). Da entwickelt der Dritte in Zu-sammenstimmung mit Peter Singer eineArt Nützlichkeitsethik, von der man nichtweiß, wo in ihr ein tragbares Verständnisder Menschenwürde verankert ist (soRichard Dawkins), und die Vierten bastelnsich aus religiösen und nichtreligiösenQuellen ein Potpourrie zusammen, dassie „Humanismus“ nennen. Das alles magfür Einzelne zu respektablen Lebensent-würfen führen. Doch ausweislich dessen,was aus den Reihen des neuen Atheismuszu hören ist, wenn seine Vertreter von Ne-gationen zu Positionen übergehen, kannman sich nicht das Urteil bilden, dass hiereine gesammelte geistige Kraft zum Segender Menschheit und ihrer Zukunft amWerke ist. Das Beste, was dieser Atheis-mus leistet, ist, wenn man sein garstigesErscheinungsbild und seine Fehlleistun-gen einmal abzieht, der Protest gegen denMissbrauch von Religion und Gottesglau-ben durch Unvernunft und Gewalt. Darinaber sollten Kirche und Theologie ihmschon längst voraus sein.

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Anmerkungen

1 Georges Minois, Geschichte des Atheismus. Vonden Anfängen bis zur Gegenwart, Weimar 2002.

2 Manfred Lütz, Gott. Eine kleine Geschichte vomGrößten, München 2007.

3 Ebd., 29.4 Ebd., 13.5 Ebd., 62.6 Ebd., 65.7 Ebd.8 Ebd., 68.

9 Ebd.10 Franz Buggle, Denn sie wissen nicht, was sie glau-

ben. Oder warum man redlicherweise nicht mehrChrist sein kann, Reinbek 1992.

11 Burkhard Müller, Schlußstrich. Kritik des Christen-tums, Springe 1995, 22004.

12 Gunther Wenz, Studium Systematische Theologie,Band 1, Religion, Göttingen 2005, 47.

13 Michel Onfray, Wir brauchen keinen Gott. Warumman jetzt Atheist sein muss, München 32007.

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14 Piergiorgio Odifreddi, Il matematico impertinente,2005; vgl. auch: Perché non possiamo essere cris-tiani (e meno che mai cattolici), 2007 (Warum wirnicht Christen sein können [und schon gar nicht Katholiken]).

15 Michael Schmidt-Salomon, Manifest des evolu-tionären Humanismus. Plädoyer für eine zeit-gemäße Leitkultur, Aschaffenburg 22006.

16 Sam Harris, Das Ende des Glaubens. Religion, Ter-ror und das Licht der Vernunft, Winterthur 2007.

17 Ebd., 235.18 Christopher Hitchens, Der Herr ist kein Hirte. Wie

die Religion die Welt vergiftet, München 22007.19 Ebd., 24.20 Ebd.21 Vgl. Peter Sloterdijk, Gottes Eifer. Vom Kampf der

drei Monotheismen, Frankfurt/Leipzig 2007.22 Vgl. Jan Assmann, Die mosaische Unterscheidung

oder der Preis des Monotheismus, München/Wien2003, 12f.

23 Richard Dawkins, Der Gotteswahn, Berlin 72007.24 Ebd., 327.25 Ebd., 55.26 Ebd., 66.27 Ebd., 346.28 Ebd., 356f.29 Ebd., 440.30 Vgl. ebd., 452-460.31 Ebd., 348.32 Ebd., 493f.33 Michael Schmidt-Salomon / Helge Nyncke, Wo

bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel,Aschaffenburg 2007; vgl. MD 3/2008, 113-115.

34 Klaus Müller, Neuer Atheismus. Alte Klischees, ag-gressive Töne, heilsame Provokation, in: Herder-Korrespondenz 11/2007, 552.

35 Knut Berner, Aus der Mottenkiste. Dawkins Religi-onskritik, in: Zeitzeichen 1/2008, 63.

36 R. Dawkins, Gotteswahn, 220.37 Vgl. Alister McGrath, Der Atheismuswahn. Eine

Antwort auf Richard Dawkins und den atheistischenFundamentalismus, München 22008.

38 Vgl. John Gray, Was führen die Atheisten imSchilde? In: FAZ vom 29. März 2008.

39 Ebd., 16.40 S. Harris, Das Ende des Glaubens, 125.41 Ebd., 155.42 Vgl. ebd., 145-154.43 Ebd., 15.44 Ebd., 43.45 Vgl. R. Dawkins, Gotteswahn, 130-137.46 Ebd., 72.47 Vgl. ebd.48 Vgl. zu diesem Argument: ebd., 222f.49 Ebd., 222.50 Vgl. ebd., 207.51 Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Werke

in 10 Bänden, Band 4, hg. von Wilhelm Weische-del, Darmstadt 1956, 543.

52 R. Dawkins, Gotteswahn, 241.53 Ebd., 254.54 Ebd., 98.55 Richard Swinburne, Die Existenz Gottes, Stuttgart

198756 Vgl. R. Dawkins, Gotteswahn, 74-76.57 Thomas Rentsch, Gott, Berlin/New York 2005,

11-15.58 Vgl. hierzu meine Studie „Erschaffen und erforscht.

Mensch und Universum in Theologie und Natur-wissenschaft“, Berlin 2002.

59 Vgl. R. Dawkins, Gotteswahn, 188-212; vgl. dazuA. McGrath, Atheismuswahn, 39-63.

60 Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung,DBW 8, Gütersloh 1998, 573.

61 Vgl. Klaus-Peter Jörns, Notwendige Abschiede. Aufdem Weg zu einem glaubwürdigen Christentum,Gütersloh 22005, 286-341.

62 Vgl. Matthias Kroeger, Im religiösen Umbruch derWelt. Der fällige Ruck in den Köpfen der Kirche,Stuttgart 2004, 140-176.

63 Vgl. Walter Dietrich / Christian Link, Die dunklenSeiten Gottes, Band 1: Willkür und Gewalt, Neukir-chen-Vlyun 21997, Band 2: Allmacht und Ohn-macht, Neukirchen-Vluyn 2000.

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Ein Anstoß von außen

Im Jahr 2008 mit dem ungewöhnlichfrühen Ostertermin war der erste Sonntagnach Epiphanias gleichzeitig schon derletzte. Im Jahr 2009 hingegen ist es an-ders: Da haben wir kalenderbedingt im-merhin vier Sonntage nach Epiphanias.Schon dies mag ein äußerer Anlass sein,der Bedeutung des Epiphaniasfestes undder Epiphaniaszeit nachzugehen. Fürmich gibt es aber hierfür noch einen wei-teren Anlass, der mich ganz überraschendan den Sinn von Epiphanias erinnert hat –überraschend deshalb, weil es nicht selteneine Erfahrung des Fremden ist, die unsdas Eigene nahebringt, das wir vielleichtvergessen hatten: Bei Besuchen der Evan-gelisch-lutherischen Kirche in Tansaniaund ihrer Theologischen Fakultät in Maku-mira1 fiel mir etwas im Gesangbuch dieserafrikanischen Kirche auf. Wie in vielenGesangbüchern gibt es auch in dem tan-sanischen Gesangbuch zwischen denWeihnachts- und den Passionsliedern eineAbteilung mit Epiphaniasliedern. Aber dieÜberschrift lautet nicht „Epiphaniaszeit“oder ähnlich, sondern ist ein Satz in sua-helischer Sprache, der wörtlich übersetztlautet: „Die Güte Jesu begegnet / erscheintdenen, die die Ahnen verehren“ (also deralten Religion angehören, d. h. den Nicht-christen / Heiden), und darunter steht inKlammern die Zuordnung zum Kirchen-jahr: „(Epifania, Mission)“.2 Das Auffäl-lige, ja Provozierende ist also: Epiphaniaswird mit Mission in Beziehung gesetzt.

Soll vielleicht gesagt werden: Epiphaniaszeigt, was Mission ist, und umgekehrt?Jedenfalls habe ich sonst in den Inhalts-verzeichnissen (evangelischer) Gesang-bücher nirgends einen Beleg dafür gefun-den, dass Epiphanias und Mission so inBeziehung gesetzt wurden wie in demGesangbuch aus Tansania. In manchenfehlt sogar das Thema Epiphanias ganz.Dass in ihnen überhaupt Missionsliedererwähnt und unter einer eigenen Über-schrift „Mission“ aufgeführt werden, istdie große Ausnahme. Und falls dies ge-schieht (wie im Gesangbuch der Evange-lisch-methodistischen Kirche), wird nir-gends wie in Tansania eine Verbindungzwischen Epiphanias und Mission herge-stellt, sondern es gibt eine eigene Gruppevon Liedern unter der Überschrift „Mis-sion“ und eine andere zu „Epiphanias“;die Epiphaniaslieder gehören dann z. B.zum „Kirchenjahr“, die „Mission“ zum„Gottesdienst“.3Anders sieht freilich das Ergebnis aus,wenn man die unter „Epiphanias“ aufge-führten Lieder auf die in ihnen enthalte-nen missionarischen Elemente hin unter-sucht. Davon wird noch die Rede sein.Zunächst aber soll angedeutet werden, in-wiefern es instruktiv sein könnte, Missionvon Epiphanias her zu verstehen.

Defensives oder offensives Christentum?

Generell und undifferenziert betrachtetgibt es zwei Typen von Außenwirkungeneiner Religion, wobei ich mich im Folgen-

Hermann Brandt, Erlangen

Zur Bedeutung von Epiphanias für Mission und Apologetik

BERICHTE

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den auf das Christentum beschränke: ent-weder die Verteidigung oder den Angriff.Entweder wirkt es defensiv oder offensiv.Entweder wehrt es sich „apologetisch“(wie Platos Sokrates sich in seiner „Apolo-gie“ gegen die Vorwürfe verteidigte, erfrevle gegenüber den Göttern und ver-derbe die Jugend). Oder aber es kämpftgegen die konkurrierenden Religionen,Ideologien und Weltanschauungen. ImBlick auf die Wirkungsgeschichten vonchristlicher Apologetik und Mission lassensich Beispiele dafür finden, wie dieAußenwirkungen des Christentums zwi-schen defensiver Apologetik und offen-siver Mission pendeln. Dabei gibt es auchFormen offensiver Apologetik und defen-siver Mission. Vor diesem nur grob skizzierten Hinter-grund lässt sich das Besondere einer Be-gründung der Außenwirkung des Chris-tentums von Epiphanias her erkennen.Epiphanias ist der Name des christlichenFestes, das die öffentliche Erscheinungbzw. Darstellung Jesu Christi vor der„Welt“ begeht. Mit dieser Öffentlichkeitist ausgeschlossen, dass sich Christen mitihrem Glauben in ihre Privatsphärezurückziehen, so dass nichts nach außendringen kann. Eine solche Selbstisolierungwird durch Epiphanias aufgebrochen.Nimmt man das für das Epiphaniasfestebenso grundlegende Motiv des Lichteshinzu, das in der Finsternis scheint, sowird deutlich, dass dieses nach außen insDunkel scheinende Licht die Alternativevon defensiver und offensiver Außenwir-kung überwindet. Ein scheinendes Lichtverteidigt nichts und kämpft auch nicht.Insofern ist das „Licht“ ein Korrektiv ge-genüber offensiv oder defensiv praktizier-ter Mission und Apologetik.Vor fast 40 Jahren hat Christoph Jahn ei-nen Text veröffentlicht unter dem Titel„Hilfe! Noch ein Feiertag“.4 Er ist einesder seltenen Beispiele für eine Reflexion

über die Beziehung zwischen Epiphaniaseinerseits und Mission und weltweiterÖkumene andererseits. Er greift die Praxisauf, dass in manchen Kirchen am Epipha-niastag für die Mission gesammelt wird,und macht eine Fülle von Vorschlägen,wie eine Gemeinde dieses Fest gestaltenkönnte. Epiphanias „bleibt ein Anlaß zumNachdenken darüber, wie das Licht in un-sere Welt hinein leuchten und wirkenkann. Gerade wenn die Christbaumker-zen heruntergebrannt sind und die La-metta weggeräumt, wird Platz für das, wasweiter wirken muß.“

Biblische Epiphaniasmotive

Unsere Gottesdienstordnungen zeigen,wie die erwähnten Motive der Öffentlich-keit (der „Welt“ und ihrer Herrscher) unddes Lichtes biblisch verwurzelt sind. Icherwähne nur einige Beispiele für das Epi-phaniasfest am 6. Januar aus lutherischenAgenden. Entsprechendes gilt aber für fastalle christlichen Kirchen und auch für alleSonntage der gesamten Epiphaniaszeit,die sich ja durchaus bis in den Februarhinein ausdehnen kann und in der die er-wähnten Motive wiederholt und variiertwerden.Das biblische Votum des Epiphaniastageslautet: „Die Finsternis vergeht, und daswahre Licht scheint jetzt“ (1. Joh 2,8b).Die Eingangspsalmen (Ps 72 und 100) be-singen den kommenden Herrscher undseine Anbetung durch alle Könige: „Siehe,nun kommt der Herr, der Herrscher, undin seiner Hand ist das Reich und die Kraftund die Herrlichkeit.“ Alle Könige werdenihn anbeten, ihm Geschenke bringen, undalle Heiden werden ihm dienen. Daher:„Jauchzet dem Herrn alle Welt! Dienetdem Herrn mit Freuden!“ In der alttesta-mentlichen Lesung wird diese weltweiteÖffentlichkeit und Anerkennung des neuerschienenen Herrschers damit begrün-

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det, dass er das Licht der Welt ist: „Machedich auf, werde licht; denn dein Lichtkommt, und die Herrlichkeit des Herrngeht auf über dir! Denn siehe, Finsternisbedeckt das Erdreich und Dunkel die Völ-ker; aber über dir geht auf der Herr, undseine Herrlichkeit erscheint über dir. Unddie Heiden werden zu deinem Lichte zie-hen und die Könige zum Glanz, der überdir aufgeht ... Sie werden aus Saba allekommen, Gold und Weihrauch bringenund des Herrn Lob verkündigen“ (Jes60,1-6). Die neutestamentliche Briefle-sung zieht die Folgerung, „dass die Hei-den Miterben ... und Mitgenossen der Ver-heißung in Christus Jesus sind durch dasEvangelium“ (Eph 3).Am bekanntesten ist wohl das Evangeliumzum Epiphaniastag: der Bericht von den„Weisen aus dem Morgenland“ (Mt 2,1-12). Sie kommen nach Jerusalem und fra-gen: „Wo ist der neugeborene König derJuden? Wir haben seinen Stern gesehenim Morgenland und sind gekommen, ihnanzubeten.“ Hier repräsentiert der lei-tende Stern das Licht, das die später so ge-nannten Heiligen Drei Könige in Bewe-gung setzt. Sie folgen dem Stern. Auchhier also sind wie im Alten Testament dieMotive des scheinenden Lichts und derAnerkennung des neugeborenen Königsdurch die Außenwelt und durch die Aus-länder miteinander verbunden. Zugleichaber – und das wird bei dem „schönen“Epiphaniasevangelium oft nicht beachtet –scheidet der Stern des neugeborenen Kö-nigs die Geister. Dafür steht der KönigHerodes, den die Erscheinung des Chris-tus eben nicht „hoch erfreute“, sondernder daraufhin den Mord seines Rivalenplante.5

Missionsmotive in Epiphaniasliedern

Es sind vor allem die biblischen Motivedes Lichts bzw. des Sterns, die sich in den

Epiphaniasliedern unserer Gesangbücherbis in die Gegenwart durchgehalten ha-ben. Ich nenne aus dem aktuellen Evange-lischen Gesangbuch (EG) nur folgendeLieder: Nr. 67 – Christus „ist der Morgen-sterne“, dessen Glanz alle anderen Sterneübertrifft; Nr. 69 – „Der Morgenstern istaufgedrungen“; Nr. 70 – „Wie schönleuchtet der Morgenstern“; Nr. 73 – „... esbricht das Licht herfür; der Wundersterngibt dir Bericht, der Held sei vor der Tür“;oder Nr. 74 – „Du Morgenstern, du Lichtvom Licht, das durch die Finsternissebricht“.Zwei Lieder aus dem EG verdienen be-sondere Erwähnung, weil sie – anders alsdie bisher genannten – das Lichtmotivausdrücklich als „Mission“ verstehen,wohlgemerkt als Mission Christi, um diedie Gemeinde bittet und betet. Diese Lie-der stammen schon aus dem 17. Jahrhun-dert (nicht erst aus dem 19., dem „Missi-onsjahrhundert“). Beide Lieder sind vonder Geschichte der „Leut aus Morgen-land“ inspiriert: So wird in Nr. 71 der „Kö-nig aller Ehren“ gebeten: „... hilf, daß all-hier auf Erden den Menschen weit undbreit dein Reich bekannt mög werden zurSeelen Seligkeit“. Und Nr. 72 beginnt mitder Strophe „O Jesu Christe, wahres Licht,erleuchte, die dich kennen nicht, undbringe sie zu deiner Herd, daß ihre Seelauch selig werd.“In manchen Epiphaniasliedern, die nicht(mehr) im EG stehen, wird das Wunderdes erschienenen „Lichtes“ vom Kontrastmit der früheren Dunkelheit her besun-gen, in der „wir“ vor der Erscheinung desChristus-Lichts noch lebten – so in demLied „Werde Licht, du Stadt der Heiden“von Johann Rist, das zu Unrecht aus demEG gestrichen wurde. Einst galt: „GottesRat war uns verborgen, seine Gnadeschien uns nicht; ... jedem fehlt’ es andem Licht, das zum rechten Himmelsle-ben, seinen Glanz uns sollte geben.“ Aber

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nun gilt: „Gott hat derer nicht vergessen,die im Finstern sind gesessen“; „aber wiehervorgegangen ist der Aufgang aus derHöh, haben wir das Licht empfangen ...“Hier findet der Dank für das Neue, dasEvangelium, seinen ganz persönlichenAusdruck.Dieser Dank konnte – aus heutiger Sicht –auch skurrile Formen annehmen. So be-ginnt ein Epiphaniaslied aus einem Ge-sangbuch aus dem 18. Jahrhundert6 fol-gendermaßen: „Gott! Dir sey ewig preisund ruhm, Daß unsere Voreltern Geführtsind aus dem heidenthum, Wo sie in dunk-len wäldern, Verblendet von abgötterey,Entfernt von Gottes lehren, Die stummengötzen ohne scheu, Als götter zu vereh-ren, Bethört zusammen kamen.“ Des Wei-teren wird in Anlehnung an die Prophetendie Anbetung selbst gemachter Götzenbil-der beschrieben wie auch die der Ge-stirne: „Von andern ward des himmelsheer, Zum Gottesdienst erwählet, Sonn,Mond und and’re Lichter mehr, Den Göt-tern beygezählet ...“ Dennoch lebt auchin diesem Lied die gleiche Erfahrung desNeuen, des Dankes für das erschieneneLicht, die die eingangs erwähnten Chris-ten in Afrika veranlasst hat, Epiphanias alsMission zu verstehen, als Inbegriff der Er-scheinung Christi, die die Welt verändertund die Herzen der Menschen gewinnt.

„Ich bin das Licht der Welt“ – „Ihr seiddas Licht der Welt“

Wohl kaum ein Wort hat den Grund undden Sinn des Epiphaniasfestes knapperausgedrückt als die Selbstaussage Jesu„Ich bin das Licht der Welt“ im Johannes-evangelium (Joh 8,12; vgl. 9,5; 12,35f).7Auch hier ist die „Finsternis“ das Kontrast-motiv, das auf die Erschaffung des Lichtsund seine Scheidung von der Finsterniszurückverweist (1. Mo 1,3). „Ich bin dasLicht der Welt“ – diese Selbstoffenbarung

Christi ist der Grundton, auf den unsereEpiphaniaslieder gestimmt sind. DieseAussage klingt exklusiv: ich und kein(e)andere(r).8Doch daneben bezeugt das Neue Testa-ment: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt5,14-16). Es ist die bekannte Zusage Jesuan seine Jünger aus der Bergpredigt. WasJesus von sich selbst sagt – Ich bin dasLicht der Welt (wörtlich: des Kosmos!) –,das behält er gerade nicht für sich allein,sondern spricht es ebenso seinen Jüngern,seiner Gemeinde zu, und diese Zusageenthält das Missionsmotiv, denn: „Manzündet auch nicht ein Licht an und setztes unter einen Scheffel (Eimer), sondernauf einen Leuchter; so leuchtet es allen,die im Hause9 sind. So lasst euer Lichtleuchten vor den Leuten, damit sie eureguten Werke sehen und euren Vater imHimmel preisen.“Beide Sätze über das Licht der Welt bildenalso keinen Widerspruch. Vielmehr hän-gen sie deshalb zusammen, weil Jesusselbst sein Licht nicht unter den Scheffelgestellt hat, sondern es hat leuchten las-sen. Insofern ist die Mission der Christenkeine selbständige, sondern eine abgelei-tete. Sie ist abgeleitet von dem öffentlichoffenbar gewordenen Christus, von seinerEpiphanie. Deshalb hat es seinen gutenGrund, christliche Mission von Epiphaniasher zu verstehen, d. h. von dem christ-lichen Fest her, das viel älter ist als unser„westliches“ Weihnachtsfest.

Sein Licht leuchten lassen

Für die christliche Gemeinde heißt das:So wie Christus sein Licht leuchten lässt,so auch wir. Freilich haben es die Christenin Tansania in einem Punkt leichter als wirin Deutschland. Bei ihnen ist der Gegen-satz des Lichtes Christi zur Dunkelheit des„Heidentums“ noch unmittelbar präsent.Die Zahl der Konvertiten zum Christen-

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tum ist in Afrika größer als bei uns. Dassunsere Voreltern in den dunklen Wälderndie stummen Götzen anbeteten, wie es indem oben zitierten Lied heißt, das isteben sehr lange her; es ist keine unmittel-bare Erfahrung mehr.Uns mag es – angesichts der Fülle ver-schiedener religiöser und weltanschau-licher Angebote – näher liegen, von ver-schiedenen Lichtern zu sprechen, die mit-oder gegeneinander konkurrieren. Aberim Grunde ist das auch schon die Situa-tion der frühen Kirche gewesen. Sein Lichtleuchten lassen – das hieß damals undheißt auch heute: öffentlich zum empfan-genen Glauben zu stehen und sein Lichteben nicht unter den Eimer zu stellen. ImNeuen Testament gibt es eine sehr aktu-elle Verschärfung dieses Bildes: An denparallelen Stellen zur Bergpredigt beiMatthäus heißt es zusätzlich (Lk 8,16; Mk4,21): Niemand setzt ein Licht „unter eineBank “, wörtlich: unter eine „Liege“, „unddamit ist nicht nur gemeint, was das Lichtzudeckt, sondern auch, worauf man sichauszuruhen pflegt, wenn man schlafenwill“10. So gesehen heißt „Sein Lichtleuchten lassen“ sicher nicht Angriff oder

Verteidigung, wohl aber: wach und prä-sent sein und seine Überzeugung nichtvor anderen verstecken. Es ist mit anderenWorten ein Appell an die schläfrige undschlafende Christenheit aufzustehen, stattsich auszuruhen und sich selbst preiszu-geben.11

Zum Schluss zwei wahre Geschichten,die erste handelt von der Selbstpreisgabe,die zweite vom Leuchtenlassen. Elternwollen ihr Kind im Kindergarten anmel-den. Sie haben sich bewusst für einenevangelischen Kindergarten entschieden.Beim Anmeldungsgespräch fragen sie dieLeiterin nach der evangelischen Prägung.Darauf antwortet sie: „Also, da müssenSie sich überhaupt keine Sorgen machen:Gebetet wird hier nicht.“ Ein Reisenderisst in einer Autobahnraststätte zu Mittag.Plötzlich kommt ein riesiger LKW-Fahreran seinen Tisch und fragt ihn: „Was habenSie da eben gemacht?“ Der Reisende fragtunsicher zurück: „Was meinen Sie?“ Ant-wort: „Was haben Sie da gemacht, bevorSie angefangen haben zu essen?“ Der Rei-sende antwortet etwas zaghaft: „Da habeich gebetet.“ Darauf der Fahrer: „Gebetet?Finde ich toll!“

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Anmerkungen

1 Vgl. Hermann Brandt, Wenn Religion – dann Theo-logie! „Christian Religion Contains Theology!“ Reli-gion und Theologie im Spiegel afrikanischer Examensarbeiten, Erlangen 2000.

2 Titel des Gesangbuchs: Mwimbieni Bwana, Kanisala Kiinjili la Kilutheri, Tansania, 1988; darin unterder Überschrift „Wema wa Yesu unatokea wami-zimu (Epifania, Mission.)“ die Epiphanias- und Mis-sionslieder, Nummern 53-74. Ich danke meinemKollegen Johannes Triebel für sachdienliche Aus-künfte.

3 Ähnlich z. B. im Gesangbuch für die Evang.-protes-tantische Kirche des Großherzogtums Baden von1916. Dort gehören die Epiphaniaslieder zum Kir-chenjahr, und im Anhang finden sich „Lieder be-sonders für Jugendgottesdienste und Christfeiern“,darunter auch solche zum Thema „Ausbreitung desEvangeliums“. Im Gesangbuch der Evangelischen

Brüdergemeine stehen die Epiphaniaslieder unter„Menschwerdung und Erhöhung Jesu Christi“, dieMissionslieder unter „Sammlung und Sendung derGemeinde“ und hier unter „Sendung in alle Welt“(mit Hinweis auf Apg 1,8).

4 In: Leipziger Mission ’70, Erlangen 1970, 61-70.Wer bei einer Internet-Suchmaschine „Epiphanias,Mission“ eingibt, erhält immerhin nicht wenige Be-lege für das auch heute noch vorhandene Bewusst-sein, dass Epiphanias und Mission zusammen-gehören.

5 Dass Epiphanias diese Entscheidung für oder gegenChristus auslöst, hat Pedro Casaldáliga betont; sieheseine „Weihnachtliche Feststellung“, in: HermannBrandt, Spiritualität und Protest, Neuendettelsau2005, 135-138.

6 Neue Sammlung auserlesener evangelischer Liederoder vollständigeres Gesangbuch zum öffenlichen

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und besonderen Gebrauch der christlichen Gemei-nen in dem Burggrafthum Nürnberg oberhalb desGebürgs ... herausgegeben von M. Johann TheodorKünneth ..., vierte Auflage, Bayreuth 1783, Lied 71.

7 Vgl. zum Folgenden: Reinhard Slenczka, Die Berg-predigt Jesu. Auslegung in dreißig Andachten, Göt-tingen 1994, 40-44.

8 Zum Exklusivismus des Christentums vgl. meinenBeitrag: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Le-ben“. Die Exklusivität des Christentums und dieFähigkeit zum Dialog mit den Religionen, in: MD8/2000, 257-272.

9 Das griechische Wort für „Haus“ ist „oikia“, „Öku-mene“: Bereich, in dem Häuser stehen.

10 R. Slenczka, Die Bergpredigt Jesu, a.a.O., 43.11 Vgl. Theo Sundermeier, Erinnern und Weitergeben

– die Kraft missionarischer Erneuerung, in: blick indie welt 1/2008, hg. vom Referat „Mission Interkul-turell“ von Mission EineWelt, Neuendettelsau. Ge-gen die „Selbstzurücknahme“ – „Christen machenihr Christsein unsichtbar“ – erinnert Sundermeier anein Wort von Franz Rosenzweig, Der Stern der Erlö-sung, Frankfurt 1988, 328: „Das Licht leuchtet. Esverschließt sich nicht etwa in sich selbst; es strahltja nicht nach innen, sondern nach außen. Aber seinAusstrahlen ist auch nicht ein Sichselbstpreisge-ben ...; das Licht verschenkt ...es ist sichtbar, indemes ganz bei sich selber bleibt.“

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Jürgen Schnare, Hannover

Deeksha und das Wunder der Erleuchtung„Oneness Blessing“ in Hannover

„Du bist herzlich eingeladen, OnenessBlessing zu erleben, eine Energieübertra-gung, die dein Leben für immer verändernkann. Verpass nicht diese einmalige Gele-genheit ...“ Mit diesen Worten lud einenoch relativ junge Bewegung indischenUrsprungs Interessierte nach Hannoverein. Als Selbstbezeichnung taucht im In-ternet der Name „Oneness-Bewegung“auf.1 Der Begriff „Oneness“ steht ganz imZentrum der Verlautbarungen: Die nieder-sächsische Landeshauptstadt erlebte unterdem Motto „Erwachen des Herzens“ vom4. bis 7. September 2008 „die bishergrößte Oneness-Konferenz außerhalb In-diens“.2 Eingebettet in die Konferenz fürdie europäischen Anhänger der „One-ness-Bewegung“ war am Samstag, 6. Sep-tember, der „Oneness Tag“ für die Öffent-lichkeit, zu dem mit den eben zitiertenWorten eingeladen wurde. Veranstalterwar die „Oneness Akademie Deutschlande. V.“ mit Sitz in Elmshorn. „Oneness“wird in der Bewegung mit „Einssein mit

allem“ übersetzt.3 Im Hintergrund stehenhierbei Vorstellungen der hinduistischenPhilosophie des Advaita-Vedanta. Ort desGeschehens war Hannovers beste Adressefür Veranstaltungen dieser Art, der Kuppel-saal des Congress-Centrums mit einemFassungsvermögen von 3000 Personen.Gleichzeitig ging in einer benachbartenHalle die Esoterikmesse mit ihrem Ge-mischtwarenladen von Astrologie bisWellness über die Bühne.

Die „Oneness-Bewegung“

Chronisten der Bewegung berichten, dassalles 1989 begann, als ein Mann mit be-sonderen Fähigkeiten Direktor an einerSchule im südindischen Bundesstaat And-rah Pradesh war. Es handelt sich um denam 7. März 1949 im Bundesstaat TamilNadu geborenen Vijay Kumar. Seine An-hänger nennen ihn Bhagavan. Damit be-nutzen sie eine Anrede, die im Hinduis-mus in Einzelfällen verehrten Personen

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(Lehrern) zuteil werden kann, in der Regelaber einem Gott vorbehalten ist. Konse-quent bezeichnet Sri Bhagavan sich selbstals Avatar, also als Manifestation oder In-karnation der Gottheit. Das gleiche sollfür seine am 15. August 1954 geboreneFrau gelten, die jetzt Amma genanntwird.4Erstmalig konnte Sri Bhagavan 1989 sei-nen Sohn Krishna „zum Erwachen füh-ren“.5 Er „erfuhr spontan kosmisches Be-wusstsein und konnte sich in anderen ‚Lokas’ oder Dimensionen bewegen“.6Auch anderen Schülerinnen und Schülernan seiner Schule widerfuhr damals dieses„Wunder der Erleuchtung“.7 Zurückge-führt wird das auf eine „von Bhagavan ge-lenkte Energieübertragung, die eine neu-robiologische Veränderung im Gehirn her-vorruft, die letztlich zur Erleuchtungführt“.8 Dieser Vorgang wird „Deeksha“genannt. In der Regel geschieht die Über-tragung durch Handauflegen. „Deeksha“oder „Dikscha“ meint im Hinduismus ur-sprünglich die Initiation eines Schülersdurch den Guru. So etwas ist traditionellerst nach einem langen Weg mit demGuru möglich.„Nach der Geburt der Bewegung wurdedie Schule geschlossen.“9 Einige der Er-leuchteten wurden zu Anhängern Sri Bha-gavans und Sri Ammas und bildeten denGrundstock der Betreuer und Lehrer ander später gegründeten „Oneness Univer-sity“ in „Golden City“ vor den Toren vonChennai in Südindien (Tamil Nadu). DerAufbau erlebte 2007 mit der Einweihungeines Tempels für 8000 Personen einenvorläufigen Höhepunkt.10 2003, anläss-lich des Geburtstags von Amma, fand dieerste öffentliche „Deeksha“-Zeremoniestatt. Ein Kurssystem für Menschen ausdem Westen wurde aus der Taufe geho-ben, um „Deeksha-Geber“ oder „OnenessBlessing Geber“ auszubilden. Das sollnötig sein, um ein weltweites Erwachen

herbeizuführen. „Seit 2003 befinden wiruns bereits im neuen Goldenen Zeit-alter.“11 Der begonnene Transformations-prozess soll voraussichtlich 2012 enden,„wo die ganze Menschheit Erleuchtungerlangen wird“12. Dazu ist eine „kritischeMasse“ von 64 000 Erleuchteten notwen-dig. „Ab einem gewissen Zeitpunkt kannniemand der Erleuchtung widerstehen.“13

Auf dem „Oneness Tag“ in Hannoverwurde von Teilnehmerinnen geäußert, esseien schon so viele Menschen in GoldenCity gewesen und zu „Deeksha-Gebern“ausgebildet worden, dass der Prozessmittlerweile zwangsläufig und unumkehr-bar sei. Ursprünglich galt ein mehrfach modifi-zierter grundlegender „21-Tage-Prozess“,den man an der „Oneness University“ ab-solvierte. Hinzu kam ein „10-Tages-Ver-tiefungskurs“ am selben Ort. „Im Jahr2008 gibt es keine 21-Tages-Prozesse undauch keine 10-Tages-Vertiefungskursemehr. Stattdessen werden diese Kursedurch 9-tägige Prozesse ersetzt. Aus dem21-Tages-Prozess wird der 9-tägige Level-1-Prozess. Aus dem 10-tägigen Ver-tiefungskurs wird der 9-tägige Level-2-Prozess.“14 In Hannover wurde per Video-konferenz von Sri Bhagavan ein „Level-3-Prozess“ angekündigt. Diese Prozesse sol-len „in den einzelnen Ländern von SriAmma und Sri Bhagavan persönlichdurchgeführt werden“.15 Allein die Semi-nargebühren für einen 9-tägigen Kurs inIndien betragen 3.395 US-Dollar.16 Wer in„Golden City“ zum „Deeksha-Geber“ausgebildet wird, erhält ein Zertifikat dar-über, das zeitlich befristet ist und erneuertwerden muss.17

Vor der Konferenz in Hannover hieß es:„Sri Amma und Sri Bhagavan haben sichseit Anfang August 2007 grösstenteils ausder Öffentlichkeit zurückgezogen.“18 An-geblich soll damit einem Personenkultvorgebeugt werden. Neues Gesicht der

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Bewegung scheint der 1976 geborene SriAnandagiri zu sein, ein ehemaligerSchüler Sri Bhagavans aus dessen Zeit alsSchulleiter. Er war 1996 der erste Schüler,der die Botschaft in den Westen brachte.Mittlerweile ist er einer der führendenLehrer an der „Oneness-University“ undLeiter des dort beheimateten männlichenOrdens. „Sich in seiner Gegenwart zu be-finden, ist wie eine starke Deeksha/Seg-nung, welche alle, die mit ihm in Kontaktkommen, transformiert.“19 In Hannoverwar er die Hauptperson, er wurde als„eine unglaubliche Persönlichkeit“ vorge-stellt.

Der „Oneness Tag“

Der „Oneness-Tag“ nahm seinen Anfanglange vor Veranstaltungsbeginn mit demEinlass um 8.00 Uhr und erlebte seinenHöhepunkt mit einem großen „OnenessBlessing“ ca. zehn Stunden später. DieserZeitraum wurde mit Musik, Bildern undVorträgen gefüllt. Der größte Teil davonwar Sri Anandagiri vorbehalten, der aufder Bühne von einem weiß bezogenenSofa aus im Lotus-Sitz dozierte und Fragenbeantwortete.Weiß scheint ohnehin die Farbe der Be-wegung zu sein: Weiße Blumen waren ander Rampe und über die Bühne verteilt,ein weißer Teppich bedeckte den Boden,weiße Tücher waren über die Möbel ge-breitet, und weiße Segel spannten sich imHintergrund neben der großen Leinwand.Fast alle Mitwirkenden trugen Weiß. ImPublikum allerdings waren die Farben et-was gemischt: Zu Weiß kam oft Rosahinzu, daneben traten Rot und Orangehervor. Aber es waren auch andere Farbenmöglich. Parkett und 1. Rang waren augenschein-lich sehr gut gefüllt. D. h., es waren wohlüber 1500 Personen anwesend. MancheSchätzungen gehen von bis zu 2000 Teil-

nehmern aus. Darunter sollen ca. 700„Deeksha-Geber“ gewesen sein.20 EineAnsage während der Veranstaltung sprachvon 250 Teilnehmern aus dem Ausland.Da die Vorhänge vor den oberen Rängenzumeist geschlossen waren, konnte keinGefühl der Leere aufkommen. Frauen wa-ren weitaus in der Überzahl. Das Alter 50und darüber dominierte. Die Begrüßungder Teilnehmer untereinander war durch-weg herzlich und fast immer mit einerUmarmung verbunden, die beinahe inniggenannt werden könnte. Konferenzspra-che war Englisch. Es gab Simultanüberset-zungen in verschiedene Sprachen. Mankonnte dem Geschehen aber auch ohneHilfsmittel gut folgen, da die Sprache allerBeiträge sehr einfach gehalten war.Auf einem Flyer, mit dem zum „OnenessTag“ eingeladen wurde, war von Sri Anan-dagiris „kraftvoller Präsenz“ die Rede. Derunbefangene Beobachter vermochte da-von nicht so viel zu spüren. Im Saal er-schien ein gut aussehender, schmächtigerMann in weißer Kurta und weißer Hose,der also schon von Kleidung und Habitusher ganz nach Indien gehörte. Sein Vor-trag war mit Humor und Geschichten ge-würzt. Das blieb nicht ohne Eindruck.Eine Teilnehmerin berichtet: „WirDeeksha-Geber baden in den uns meistbereits bekannten Lebensweisheiten SriAnandagiris. Es ist bewundernswert, wieer tiefes Wissen in Form von Erzählungenübermittelt.“21

Besonders auffällig waren sein Lächelnund sein Blick: Die Kamera, die ihn fest-hielt und sein Bild überlebensgroß auf dieLeinwand warf, rückte vor allem seinedunklen Augen immer wieder in den Fo-kus. Seinen Vortragstil prägten besondersdie Pausen, die vielleicht der Simultan-übersetzung geschuldet waren. Sie tratenallerdings ganz unvermittelt auf, undAnandagiri wirkte dabei so, als ringe erinnerlich mit der Weiterführung oder er-

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warte eine Eingebung. Die dann folgendeplötzliche und stoßartig vorgetrageneFortsetzung der Rede verlieh seinem Vor-trag den Charakter besonderer Dringlich-keit.Anandagiri schreibt über sein Hauptanlie-gen: „Nicht alle Menschen mochten dieAntwort, die ich gab, denn wir wollentiefgründige Dinge hören, immer. Wirwollen über das Leben sprechen, überDualität, Nicht-Dualität, Ursprünge desUniversums, über die Allgegenwart Got-tes, Philosophie. Du möchtest nichthören, dass es wahr ist, dass du Schmer-zen hast, dass du leidest; dass du nichtweißt, wofür du lebst.“22 Sein Vortrag inHannover setzte dann auch bei der ange-sprochenen Erfahrung des Leidens ein, diewir im Leben machen. Aber er landetedoch bei der Philosophie, die er hier sokritisch behandelt. Allerdings bot er sie insehr vereinfachter Form an, und seine Lö-sung der Probleme bestand in einer Kom-bination aus Einsicht und Erfahrung.Er konstatierte, dass wir Menschen leiden,so wie er es hier beschreibt. Aber letzt-endlich sei das eben Folge falscher Wahr-nehmung: „Leid liegt nicht in der Tatsa-che, sondern in der Wahrnehmung derTatsache.“ Diese falsche Wahrnehmungkönnten wir allerdings nicht durch eigeneAnstrengung überwinden. Das führe unsimmer noch tiefer hinein ins Leiden. NurAnnahme des Leidens und Gnade werdeuns davon befreien. Der Segen der„Deeksha“-Gabe werde uns die Einheitmit allem erleben lassen, so dass wir dasLeiden überwinden. „Vertraut mir, ihrwerdet diese göttliche Kraft erfahren undhinterher werdet ihr keine Angst vorSchmerzen mehr spüren!“ Ähnlich hatteer es schon den Konferenzteilnehmernvorgetragen, wie ein Bericht zeigt: „Nurwas vollkommen erfahren wird, verwan-delt sich in Freude, in Glückseligkeit, inabsolutes Vertrauen. Es funktioniert! Viel-

leicht nicht beim ersten Mal. Vielleichtauch nicht beim 10. Mal. Vielleicht auchschon. Ganz bewusst soll die GöttlichePräsenz angerufen und um Hilfe gebetenwerden, um mit dem Schmerz bleiben zukönnen. Es funktioniert!“23

Der Höhepunkt des Tages: Deeksha

Höhepunkt des Tages war das „OnenessBlessing“. Dieses Ereignis wurde in derPause von einer „Deeksha-Geberin“ mitden Worten angekündigt: „Und danachgibt es Deeksha! Oh! Oh! Oh!“ Es klangso, als sei „Deeksha“ etwas, das man ingroßen Portionen verabreichen könne.Die Erwartungen waren auf jeden Fallhoch. Für diesen Moment kamen Musikerauf die Bühne, ein Sessel für einen Beglei-ter Anandagiris wurde auf dessen rechterSeite neben das Sofa gestellt. Auf der an-deren Seite ging eine Frau auf einem klei-nen weißen Teppich am Bühnenrand aufdie Knie. Sie leitete die Zeremonie, diebeiden Männer schauten schweigend zu.Nachdem sich die „Deeksha-Geber“ je-weils an die Enden der Stuhlreihen gestellthatten, erschien die Projektion einesmenschlichen Körpers mit den siebenHauptchakren und ihnen jeweils zugeord-neten Silben auf der Leinwand. Vor demeigentlichen „Blessing“ wurden in aufstei-gender Folge die Chakren durch Silbenge-sang nach Vorgaben der Leiterin bereitge-macht. Eine Hauptrolle während der„Oneness-Deeksha-Übertragung“ spieltdas „Moolamantra“. Dazu heißt es: „Es istein spezielles Mantra zur Kontaktvertie-fung mit dem inneren Licht, der innerengöttlichen Kraft, die alles erschafft. DiesesMantra, wenn oft gesungen, gechantetoder gesprochen, kann eine große Brückebauen zu dieser Kraft, wodurch Vertrauenin das Leben, Freude an der Existenz undFrieden im Sein automatisch auf natür-liche Weise entstehen kann.“24

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Anschließend gingen die „Deeksha-Ge-ber“ durch die Reihen und „gabenDeeksha“. Die Empfänger saßen auf ihrenStühlen und hatten die Hände mit denHandflächen nach oben auf die Ober-schenkel gelegt. Die Geber standen vorihnen, hielten die geöffneten Hände zu-erst über den Kopf, als wollten sie die „Energie“ von oben empfangen, um sienach unten weiterzugeben. Dann legtensie den Empfängern beide Hände auf denKopf und ließen sie dort eine Zeit lang ruhen. Zuletzt streiften sie mit den Hän-den an beiden Seiten der Köper der Emp-fänger entlang, woraufhin diese aufstan-den und Geber und Empfänger sich um-armten. Einige „gaben“ sich gegenseitig„Deeksha“, darunter auch Paare, die of-fensichtlich zusammengehörten. Der Vor-gang ging, von meditativer Musik beglei-tet, in großer Ruhe vonstatten. Die Teil-nehmer verfielen nicht in Ekstase, aber siewaren zum Teil sichtlich bewegt, einigeweinten. Die Zeremonie war sicherlichder Höhepunkt des Tages.25

Fazit

Es scheint so, als hätten wir es mit einerneuen Welle der esoterischen Bewegungder letzten Jahrzehnte zu tun. Besondersauffällig ist, dass vieles wieder auftaucht,was schon vergangen schien. Es gibt wie-der eine Zukunftsvision für alle. In diesemZusammenhang war auf der Veranstaltungauch der Begriff „New Age“ wieder zuhören. Alte Klassiker von Fritjof Capra bisParamahansa Yogananda wurden erwähnt.Ein Referent, der „Deeksha“ von der wis-senschaftlichen Seite her beleuchtensollte, nannte ausdrücklich RupertSheldrake und seine Hypothese von denmorphischen bzw. morphogenetischenFeldern.Immer wieder wird in der Bewegung einwissenschaftlich abgesicherter Unterbau

der Erleuchtungserfahrung beim „Deek-sha-Geben“ behauptet. Es wird gesagt,dabei wirke „ein neurobiologischer Pro-zeß, der das Gehirn beeinflusst“26. Es gibtaber keinen Beleg dafür, dass es sich ummehr als Wortgeklingel handelt. Eine wis-senschaftliche Untersuchung nach aner-kannten Standards, die das Phänomen be-leuchtet hätte, scheint nicht vorzuliegen.Und so bleibt auch der Begriff Energie,der in diesem Zusammenhang verwendetwird, in der Zweideutigkeit von physischerfahrbarer Kraft einerseits und feinstoff-lichem Phänomen (das sich mit gängigenMessmethoden leider nicht nachweisenlässt) andererseits, die er in der gegenwär-tigen Esoterikszene allgemein hat.Verschiedene religiöse Traditionen wer-den in ihrer Eigenständigkeit nicht ernstgenommen. So heißt es in einem Inter-view mit Sri Bhagavan: „Anscheinend ha-ben die Unterschiede zwischen den Reli-gionen nur mit dem Ego zu tun und nichtsmit ihrer Essenz? – Ja.“27 Von Sri Ananda-giri war zu hören, Buddha oder Jesusseien auch Avatare gewesen, auf einerEbene mit Sri Bhagavan; jeder hätte ebenseinen besonderen Auftrag zu erfüllen. Der religiöse Charakter der „Oneness-Be-wegung“ selbst wird geleugnet. So heißtes in dem eben schon zitierten Interview:„Der Mensch entdeckt nur das, was seineeigene Religion ihn gelehrt hat, er ent-deckt also die Wahrheiten seines eigenenGlaubens. Was ich tue oder lehre, ist keinneuer Glaube oder eine neue Religion, esist überhaupt nichts Neues. Es hilft euchnur, das zu entdecken, wonach ihr alldiese Jahre lang gesucht habt. Ich persön-lich bin also nicht im Konflikt mit Men-schen anderen Glaubens.“28 Tatsächlichist der hinduistische Hintergrund unüber-sehbar, wie schon die Begrifflichkeit zeigt.Die „Oneness“-Vorstellung ist nicht denk-bar ohne den Hintergrund der Philoso-phie des Advaita-Vedanta. Bemerkenswert

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ist in diesem Zusammenhang vielleichtnoch, dass der Neohinduist Sri Aurobindoauffällig oft Erwähnung findet.Nach den ersten Eindrücken scheint derAnteil der ehemaligen Osho-Anhänger inder Bewegung recht hoch zu sein. Die be-fragten Teilnehmer haben alle schon einelängere Zeit in der Esoterikszene ver-bracht. Manche fahren lange Wege zu „Deeksha-Gebern“, um regelmäßig„Deeksha“ zu empfangen. Ein Teilnehmersagte dazu: „Es tut mir einfach gut.“ Beimanchen Erklärungen zu „Deeksha“könnte der Eindruck entstehen, als gingees um ein einmaliges, alles erhellendesund veränderndes Ereignis. Tatsächlichaber geht es um einen Prozess, zu demmehrere Gaben von „Deeksha“ gehö-ren.29

Bei einigen Gesprächspartnern war einegewisse Skepsis in Bezug auf das an-gekündigte „Goldene Zeitalter“ unüber-hörbar. Es gab aber auch recht euphori-sche Erwartungen dazu. Vorherrschendscheint die Überzeugung zu sein, es gäbeso etwas wie einen Ruf oder eine Vorher-bestimmung, um „Deeksha-Geber“ wer-den zu können. Eine Frau sagte: „Jetzt isteingetreten, worauf ich schon so lange ge-wartet habe.“ Die Nachfrage ergab, dasssie schon in früheren Existenzen auf die-sen Moment gewartet haben will. Aller-dings gab auch sie zu, dass in Bezug aufdie weitere Entwicklung die Ansichten un-terschiedlich sind. Vorerst scheint aber dieErwartung großer Dinge zu überwiegen.Die Veranstaltung war perfekt organisiert.Zeitweise fühlte man sich in eine Bekeh-rungsversammlung versetzt. Das war z. B.der Fall, als am Anfang in einer Art Auf-wärmphase ein angeblich erfolgreicherGeschäftsmann aus Belgien auf die Bühnekam und davon berichtete, wie„Deeksha“ sein Leben verändert hätte: Erwar zwar erfolgreich, aber alles war hohlund leer. Dann kam „Deeksha“, und sein

Leben bekam wieder Sinn und wurde erstrichtig gut! Die Person Sri Anandagiriwurde im Programm und auf der Bühneganz in den Mittelpunkt gerückt. Er wurdedurch die überlebensgroße Videopräsen-tation auf der Leinwand unablässig insBild gesetzt, und zwei Fotografinnen, diemit professionellem Gerät die ganze Zeitdurch den Saal streiften, hielten ihre Ka-meras vor allem in seine Richtung.Schon 2006 wurden in dieser Zeitschriftkritische Anfragen formuliert (vgl. MD6/2006, 227ff). Den dort genannten dreiPunkten (Verkennung der Ambivalenz desmenschlichen Daseins, Unterschlagungder Tradition einer Einweihung erst nachlangem Prozess, Gefahr von Schuldzu-weisungen an den, der nicht erleuchtetwird) können, wie oben schon angedeu-tet, noch einige hinzugefügt werden. Demkritischen Beobachter fällt die Vergöttli-chung von Menschen auf, die in der Formeine neue Qualität erreicht haben dürfte.In diesem Zusammenhang bereiten auchdie unkritisch überlieferten Wunderbe-richte Probleme.30 Die „Erklärung“ desLeidens mit falscher Wahrnehmung ver-kennt nicht nur die Ambivalenz desmenschlichen Daseins, sondern die Rea-lität des Leidens überhaupt. Zumindestwirkt sie in der Form, in der sie dargebo-ten wurde, zu einfach. Es bleibt abzuwar-ten, welche Folgen zu erwartende Enttäu-schungen haben werden, sollte es mitdem Erleuchtungsprozess nicht so voran-gehen wie verkündet. Mittlerweile tau-chen im Internet erste kritische Berichteund Stellungnahmen auf.31

Die Bewegung scheint sich (noch?) in ei-nem Wachstumsprozess zu befinden. Esgibt für die Szene neue Personen, auf diesich die Hoffnungen der größtenteils er-fahrenen und in den letzten Jahren viel-leicht ein wenig heimat- oder orientie-rungslos gewordenen Anhänger richtenkönnen. Wie die in Hannover gemachte

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Anmerkungen

1 www.deeksha.de/mainpage/aktuell/033d6c9a7d0fabb01/index.html (8.10.2008).

2 www.onenessconference.de/conf_de/Bericht_Oneness-Konferenz.pdf (20.9.2008).

3 www.onenessconference.de/conf_de/chome.html.4 Kiara Windrider, Deeksha, Energie des Erwachens,

Bielefeld 32007, 225. – Beide Anredeformen sind jaaus anderen Zusammenhängen bekannt. Einerseitswurde die Anrede Bhagavan bzw. Bhagwan für denhistorischen Buddha oder auch für den Gründer desRajneeshismus verwandt. Andererseits werden Hin-dugöttinen in Südindien Amma (Mutter) genannt.Dieselbe Anrede wird gegenwärtig auch für dieAmma mit Ashram in Amritapuri benutzt. Man kannSri Bhagavan unterstellen, dass er sich als AvatarVishnus sieht, denn er soll eine Zeit lang auch dieBezeichnung Kalki getragen haben (Windrider, 275).Das ist der Name der erwarteten zehnten Inkarna-tion Vishnus. Sri ist ein hinduistischer Ehrentitel.

5 Windrider, a.a.O., 165.6 Ebd.7 Ebd.8 Ebd., 273.9 www.deeksha.de/mainpage/deeksha/onenessuniver

sity/index.php (22.9.2008).10 www.deeksha.de/mainpage/aktuell/internationale-

news/index.php (8.10.2008). – Am 22. März 2008wurde von der Bewegung ein Campus auf den Fidji-Inseln eröffnet (www.deeksha.de/mainpage/aktuell/033d6c9a6e10ab209/index.php, 8.10.2008).

11 Windrider, a.a.O., 225.12 Ebd., 228.13 Ebd., 229.14 www.deeksha.de/mainpage/goldencity/index.php

(8.10.2008).15 www.onenessconference.de/conf_de/Bericht_

Oneness-Konferenz.pdf (20.9.2008).16 www.deeksha.de/mainpage/printable/goldencity/

levelone/index.php (22.9.2008).17 Ebd.18 www.dikscha.ch/html/wsd.html (1.7.2008).19 www.onenessconference.de/conf_de/anandagiri.

html (9.9.2008).20 www.onenessconference.de/conf_de/Bericht_

Oneness-Konferenz.pdf (20.9.08);

www.deeksha.de/mainpage/aktuell/033d6c9aa20da9f01/index.php (20.9.2008).

21 www.onenessconference.de/conf_de/Bericht_Oneness-Konferenz.pdf (20.9.2008).

22 www.onenessconference.de/conf_de/anandagiri_2.html (9.9.2008).

23 www.onenessconference.de/conf_de/Bericht_Oneness-Konferenz.pdf (20.9.2008).

24 www.deeksha.de/mainpage/printable/deeksha/moolamantra/index.php (8.10.2008).

25 Vgl. auch das Resümee des Tages durch eine Teil-nehmerin: „Der dritte, öffentliche Publikumstag istGästen gewidmet, die mit Oneness in Berührungkommen möchten. Tatsächlich ist der Kuppelsaalan diesem Tag mit insgesamt 2000 Personen gefüllt.Es ist ein Tag, der Geschichte schreibt. WirDeeksha-Geber baden in den uns meist bereits be-kannten Lebensweisheiten Sri Anandagiris. Es istbewundernswert, wie er tiefes Wissen in Form vonErzählungen übermittelt. Gegen Ende des Tages er-leben die anwesenden Gäste die Gnade von One-ness, indem wir Deeksha-Geber über das Auflegender Hände auf den Kopf diese Energie übertragen.So manche Geschichten innerer Prozesse würdenhier viele Seiten füllen. Sicher weiß ich, dass daswundersame Wirken dieses stillen Phänomens instillen Tränen zu sehen war“ (www.onenessconference.de/conf_de/Bericht_Oneness-Konferenz.pdf,20.9.2008).

26 Vgl. z. B. Windrider, a.a.O., 226f.27 Ebd, 234.28 Ebd., 233.29 Vgl. dazu die Erfahrungsberichte bei Windrider.30 Vgl. dazu ebd., 173ff.31 Vgl. z. B. folgende Internetseiten: www.livingin

joy.com/index_de.html (8.10.2008) oder www.lichtarbeit-verführung.de/bericht74.html (8.10.2008).

Internetseitenwww.deeksha.dewww.oneness-akademie.dewww.deeksha-oneness-blessing.ch/index.htmwww.onenessuniversity.org

Ankündigung zum neuen „Level-3-Pro-zess“ zeigt, geht der Guru, wie andere vorihm, auch den Weg in den Westen. Inhalt-lich gibt es wohl nichts wirklich Neues zuentdecken.

Das „Deeksha“-Konzept wirkt wie „Er-leuchtung light“. Bedeutsam scheint dieVerknüpfung so vieler Elemente aus derNew-Age- und Esoterik-Bewegung mitdem Neohinduismus.

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FREIGEISTIGE BEWEGUNG

Koordinierungsrat der Atheisten gegrün-det. (Letzter Bericht: 10/2008, 391f) Siemöchten von staatlicher Seite genausowahrgenommen werden wie die christ-lichen Kirchen und wie die Muslime. Des-halb gründeten freidenkerische und athe-istische Organisationen am 16.12.2008 inBerlin den „Koordinierungsrat säkularerOrganisationen“ (KORSO). Gründungsmitglieder sind elf Verbände,Stiftungen und Akademien, die sich unterdem Dach des Koordinierungsrats versam-melt und sich eine politische Interessen-vertretung gegeben haben. Derzeitgehören dazu: Deutscher Freidenkerver-band (DFV), Dachverband Freier Weltan-schauungsgemeinschaften (DFW), Huma-nistischer Verband Deutschlands (HVD),Internationaler Bund der Konfessionslosenund Atheisten (IBKA), JugendweiheDeutschland (JwD), Giordano Bruno Stif-tung (gbs), Humanistische AkademieDeutschland (HAD), Stiftung Geistesfrei-heit Hamburg, Stiftung UNITATES, Huma-nismus Stiftung Berlin, Roter Baum Dres-den. Vorsitzender des Rates ist Frieder Wolf,Präsident der Humanistischen Akademie,stellvertretender Vorsitzender CarstenFrerk, der zum Kuratorium der GiordanoBruno Stiftung gehört und durch Publika-tionen als polemischer Kirchenkritiker inErscheinung trat.Freidenkerische Organisationen sehensich gegenüber den christlichen Kirchenals benachteiligt an. In der zur Gründungdes Rates verabschiedeten Resolutionheißt es: „Mehr als ein Drittel der deut-schen Bevölkerung ist derzeit konfessions-frei. Mehr als drei Viertel der Konfessions-freien orientieren sich an humanistischen

Lebensvorstellungen. Diese Menschen ha-ben in Deutschland keine angemesseneInteressenvertretung. Der Koordinierungs-rat säkularer Organisationen (KORSO)will hier eine Wende herbeiführen.“ Diepolitischen Forderungen des Koordinie-rungsrats sind durch die Arbeit seiner Mit-gliedsverbände vielfach bekannt gewor-den: Unter anderem geht es ihnen um„die konsequente religiöse, bzw. weltan-schauliche Neutralität des Staates“, um„ein integratives Pflichtfach zur Wertever-mittlung (wie in Berlin „Ethik“ und inBrandenburg „LER“), darüber hinaus umdie „Autonomie am Lebensende und dievolle rechtliche Gültigkeit von Patienten-verfügungen“, um eine „Reform der öf-fentlichen Erinnerungs-, Gedenk- undTrauerkultur“, um „Respekt gegenüberden Formen der Fest- und Feierkultur sä-kularer Organisationen“. Bemerkenswert ist, mit welcher Zurück-haltung der Atheismusbegriff verwandtwird. Das Selbstverständnis wird u. a. mitden vieldeutigen Begriffen humanistisch,säkular, weltanschaulich ungebunden,aufgeklärt, autonom, konfessionsfrei zumAusdruck gebracht. Die Meinung undÜberzeugung, dass der Koordinierungsratmehr als ein Drittel der Bevölkerung ver-tritt, ist eine realitätsferne Wunschvorstel-lung und Vereinnahmung. Darüber solltedie gute Öffentlichkeitsarbeit einzelner Initiativen nicht hinwegtäuschen. Zwargibt es zahlreiche Menschen, die keinerReligion oder Weltanschauung an-gehören. Nur sehr wenige von ihnen ver-treten jedoch die weltanschaulichen undethischen Orientierungen der so genann-ten säkularen Organisationen. Konfessi-onsfreie dürfen nicht pauschal als „ano-nyme Humanisten oder Atheisten“ imSinne säkularer und freidenkerischer Ver-bände angesehen werden. Jeder und jedeKonfessionsfreie – wenn man diesen Be-griff aufnehmen will – hat das zu ach-

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tende Recht und die zu respektierendeFreiheit, sich selbst zu definieren und sei-nen bzw. ihren weltanschaulichen undethischen Orientierungen zu folgen.

Reinhard Hempelmann

HINDUISMUS

Urteil zu Bhagwan/Osho-Bewegung.(Letzter Bericht: 7/2000, 238ff) Der Staathat das Recht, vor „Sekten“, „Jugend-religionen“, „Jugendsekten“ oder „Psy-chosekten“ zu warnen, wie das im Blickauf Gruppierungen der Bhagwan-Bewe-gung schon seit den 1970er Jahren ge-schehen war. Die Bezeichnung als „de-struktiv“ und „pseudoreligiös“ sowie derVorwurf der Manipulation von Mitglie-dern unter Ausschluss der Öffentlichkeittangieren jedoch grundsätzlich denSchutzbereich des Art. 4 Abs. 1 und 2 desGrundgesetzes (Religionsfreiheit). Sie be-dürfen insbesondere der Begründungdurch Tatsachen. Das entschied schon2002 das Bundesverfassungsgericht im Ergebnis eines langen Weges durch die Instanzen. Am 6.11.2008 hat nun der EuropäischeGerichtshof für Menschenrechte die Klagevon drei Gruppierungen der Bhagwan-Be-wegung (Leela Förderkreis, Straßburg;Wies Rajneesh Zentrum für spirituelleTherapie und Meditation; Osho Uta LotusCommune) abgewiesen. Der Staat habedie Religionsausübung nicht beeinträch-tigt. Mit dem elf Jahre dauernden Verfah-ren habe die Bundesrepublik allerdingsgegen Artikel 61 der Europäischen Men-schenrechtskonvention verstoßen. Des-halb wurde den klagenden Organisatio-nen 4000 Euro Schadenersatz zugespro-chen. Die Neo-Sannyas-Bewegung geht auf Rajneesh Chandra Mohan zurück (1931-1990), der sich zunächst Bhagwan (Ehren-

titel, wörtl. „Gesegneter“), gegen Endeseines Lebens Osho nennen ließ. SeineAnhänger haben die uniforme rote Klei-dung abgelegt und sind mit vielfältigenMeditations-, Stressmanagement- undSelbsterfahrungsangeboten weiterhin aufdem Psychomarkt präsent.

Friedmann Eißler

Amma umarmt Tausende auf Europa-tournee. (Letzter Bericht: 4/2006, 147ff)Es war als persönliche Begegnung (Dar-shan) mit Amma, der Preisträgerin desGandhi-King-Friedenspreises, angekün-digt. Erlebt haben Tausende die Europa-tournee der charismatischen Inderin, diedurch ihre innigen Umarmungen welt-berühmt geworden ist. Allein in der Euro-pahalle in Karlsruhe (10.-12.10.2008) sol-len es 21 000 Umarmungen gewesensein, für die manche Anhänger und Be-wunderer weite Wege auf sich genommenhaben. Die als Amma oder Ammachi(Mutti) bekannte Mata Amritanandamayi(bürgerlich Sudhamani Idamannel, geb.1953) füllte mit ihrem Programm aus Vor-trag, Konzert und Darshan auch vom 18.-20.10.2008 in Winterthur und vom30.10.-1.11.2008 in München die Hallen.Die mit vielen karitativen Projekten welt-weit hervorgetretene Meisterin stellt nichtdie Lehre, sondern die Praxis der lieben-den Hingabe an Gott in den Mittelpunkt(Bhakti). So soll sie im Zeichen der Liebeund Zuneigung, der Gleichberechtigung,gegen Diskriminierung, schon an die 30Millionen Menschen umarmt und damitLebensenergie in die jeweils erwartungs-voll anstehenden spirituell Suchendentransferiert haben. (Zum Selbstverständnisvgl. www.amma.de.)

Friedmann Eißler

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Sufismus (islamische Mystik)

Sufi-Musik, Sufi-Tanz, Sufi-Kalligrafie – obes um tanzende Derwische als Folkloreoder um meditative Versenkung auf demWeg zur reinen Gottesliebe geht: Der Su-fismus („islamische Mystik“, arab. tasa-wwuf) ist auch in unseren Breiten zu einerbekannten und beliebten Größe in der re-ligiösen Landschaft geworden. Gegenüberextremistischen oder starr orthodoxenStrömungen im Islam erscheint er man-chen als liberale Alternative, die anderenreligiösen Überzeugungen versöhnlich zubegegnen imstande ist. Dabei ist der Be-griff alles andere als eindeutig. Es werdensehr unterschiedliche religiöse Phä-nomene damit zusammengefasst, dienicht an bestimmte Institutionen, ja nichteinmal an den Islam als Religion gebun-den sein müssen.

Zur geschichtlichen Entwicklung

Die frühen frommen Asketen wurdennach ihren Gewändern aus grober Wolle(arab. suf) Sufis genannt. (Die Ableitungdes Wortes aus safa = Reinheit odergriech. sophos = weise in Selbstdarstel-lungen hat inhaltliche Gründe.) Schonfrüh suchte man, nicht zuletzt in Be-rührung mit dem christlichen Mönchtum,den verborgenen Sinn des Korans über dieGlaubenspflichten hinaus durch asketi-sche Übungen und Armut (pers. darwisch= der Arme) zu ergründen und den Islamzu verinnerlichen. Im heutigen Irak liegen die Anfänge derBewegung, die auch Frauen in großerZahl kennt, so z. B. Rabi’a al-Adawiyyavon Basra (gest. 801), die die reine Gottes-liebe in den Mittelpunkt stellte, und Fa-tima von Nischapur (gest. 849), die auch

von großen Mystikern um Rat gefragtwurde.Berühmt wurde Mansur al-Halladsch, der„Märtyrer der Gottesliebe“, der seine eks-tatische Erfahrung mit dem Ausruf ana l-haqq „Ich bin die Wahrheit“ umschriebund dafür im Jahre 922 grausam hinge-richtet wurde. Besondere Bedeutung hatdas Werk des Persers Abu Hamid Muham-mad al-Ghazali (gest. 1111) erlangt. Esbegründete die Vereinbarkeit von Sufis-mus und orthodox-islamischer Theologieund trug entscheidend dazu bei, dass sichSufis trotz aller neuplatonischen, irani-schen, indischen und volksreligiösen Ein-flüsse islamisch legitimieren konnten.Freilich blieb die Skepsis der orthodoxenMullas und Ulemas und schlug auch im-mer wieder in Ablehnung um. Diese trafbesonders pantheistisch empfundene Leh-ren wie die des Spaniers Muhyiddin Mu-hammad Ibn al-Arabi (gest. 1240), der ineiner theosophischen Einheitsschau dieEinheit alles Seienden lehrte und heutevielen als Vorbild der Toleranz gilt. Überdie Poesie gewann der Sufismus großenEinfluss insbesondere auf das Persischedurch bedeutende Dichter wie Maulana(„unser Meister“, türk. Mevlana) Dschalalad-Din Rumi (gest. 1273 in Konya) undHafis (gest. um 1390) sowie auf das Türki-sche durch Yunus Emre (gest. ca. 1321). Überall in der islamischen Welt entstan-den ab dem 12. Jahrhundert „Sufi-Orden“(arab. tariqa = Pfad, Weg, Lebensregel),die – je nach Prägung mehr weltvernei-nend oder weltbejahend – mit Musik undekstatischem Wirbeltanz oder ganz aufdie Lehrunterweisung zwischen Meisterund Schüler (suhba oder sohbet) ausge-richtet auf je eigene Weise den Aufstiegder Seele (nafs) zur höchsten Gotteser-kenntnis lehren. Die Orden sind meistnach ihren Gründern benannt, wie zumBeispiel der Mevlevi-Orden nach Mev-lana Rumi, die Naqschbandiyya nach

STICHWORT

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Baha’uddin Naqschband (gest. 1389), dieBurhaniyya nach dem Sudanesen al-Bur-hani (gest. 1983). Große Sufis werden alsHeilige (Gottesfreunde, arab. auliya) ver-ehrt, ihre Grabstätten als Wallfahrtsortebesucht, die Nachkommen – es gibt kei-nen Zölibat – bilden häufig Dynastien.Zwar beeindruckte die arabisch-persischeGedankenwelt der Sufis Denker undDichter wie Goethe und Rückert oderauch den Erweckungstheologen F. A. G.Tholuck, doch kam der Sufismus erst An-fang des 20. Jahrhunderts im Westen an –in Gestalt der von dem Inder Inayat Khan(gest. 1927) gegründeten universalreligiö-sen „Sufi-Bewegung“, die Sufismus nichtprimär islamisch, sondern gleichsam alsdie Essenz aller Religion versteht. Die reli-gionsverbindende „Botschaft von Liebe,Harmonie und Schönheit“ dieses Neo-Su-fismus richtet sich als universelle Weis-heit, die älter ist als die geschichtlichenReligionen, an alle Menschen. Ähnlicheswurde auch von Idries Schah (gest. 1996)propagiert. Hier öffnet sich ein weites Feldkreativ-spekulativer Patchworkreligiositätmit stark esoterisch-gnostischem Ein-schlag, die Sufi-Frömmigkeit mühelos inden Markt esoterischer Angebote einreihtund losgelöst vom Islam als spirituellenPfad zur Erleuchtung anpreist. Traditionelle Sufi-Orden fanden ab den1970er Jahren verstärkt deutsche Anhän-gerschaft, die sich aber weitgehend unab-hängig von den „Diasporagemeinden“ derMigranten organisiert und nichts mit deruniversalreligiösen Variante zu tun hat.

Aspekte der traditionellen Lehre und Praxis

Der Sufi versteht sein Leben als Weg, mitHilfe der Anleitung seines spirituellenMeisters alles Weltliche zu überwinden,das ihn von Gott trennt. Durch Gebet,Meditation und asketische Übungen strebt

er die niedere Triebseele (nafs) zu transfor-mieren und letztlich mit Gott eins zu wer-den (tauhid). Das Ziel kann als Eingehenin die absolute Existenz Gottes durch Hin-gabe an Gott (islam) und als Bleiben(baqa) in der mystischen Vereinigung mitGott beschrieben werden. Daher spieltdie Braut- und Liebesmetaphorik einegroße Rolle. Für den Sufi gehört die voll-kommene Liebe zu Gott zu den höchstenStufen des mystischen Pfades. Dieser Weghat (mindestens) drei Stufen: schari’a (isla-misches Gesetz), tariqa (der mystischePfad) und haqiqa (Wahrheit), die in dievollkommene Erkenntnis (ma’rifa, „Gno-sis“) mündet. Einige Gemeinschaften se-hen in den Stufen gleichsam Dimensio-nen, die aufeinander aufbauen (und damitdie Scharia bleibend zur Grundlage ha-ben), andere verstehen sie als aufeinanderfolgende, jeweils zu überwindende Stu-fen.Der Pfad ist lang und beschwerlich, undman geht ihn am besten in Gemeinschaft.Schon früh wurden aus der Koranmedita-tion Techniken der mystischen Versenkungentwickelt und – später in Handbüchern –„Stationen“ (maqamat) und „Zustände“(ahwal) des Weges des Adepten bis zurglückseligen „Entwerdung“ (fana) in derSchau Gottes bzw. in der absoluten Wirk-lichkeit beschrieben. Wichtige Schritte aufdem Weg geschehen durch Gebet, dhikr(„Gottesgedenken“, indem in unterschied-lichen Ausprägungen teilweise laut schrei-end oder leise meditierend mantraartigverschiedene Gottesnamen wiederholtwerden), vielfach auch durch sama’(„Hören“, das Musik, mystische Konzerteoder auch Tänze wie den berühmten Wir-beltanz der Mevlevi-Derwische umfasst) – und im Alltag durch Erfüllung der Pflich-ten in absolutem Gottvertrauen.Dem Meister (Scheich, Pir) gebührt unbe-dingter Gehorsam, denn er (allein) verfügtüber die nötige Reife der Erkenntnis, die

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ihn in die bis auf den Propheten Muham-mad zurückreichende Kette der geistigenAutoritäten (silsila) einreiht. Durch sie ister befähigt, den Schüler (murid) in denmystischen Pfad einzuweihen. Am Anfangsteht in der Regel als Initiationsritual diebai’a (Treueschwur), auch als „Bund-Neh-men“ bezeichnet. Auch wenn die Zirkelder tatsächlich Eingeweihten zahlenmäßignicht ins Gewicht fallen, prägen die beste-henden weiteren Anhängerkreise den Is-lam und vor allem den sogenanntenVolksislam in hohem Maße – dies auchda, wo die Orden wie in der Türkei offi-ziell verboten sind.

Zur gegenwärtigen Lage

1. Die größte Sufi-Gemeinschaft imdeutschsprachigen Raum ist die Naqsch-bandiyya, die als ausgesprochen scharia-konformer Sufi-Orden gilt. Die hierzu-lande breiteste Strömung untersteht derAutorität von Scheich Nazim Adil al-Haqqani (geb. 1922) mit Sitz inLefke/Nordzypern, daher auch Haqqa-niyya genannt. Unter der weltweiten An-hängerschaft sind viele amerikanischeund europäische Konvertiten, daruntermehrere tausend Deutsche. Der Koranund die Sunna des Propheten (die Über-lieferungen seiner Lebensweise) gelten alsunverzichtbare Grundlagen islamischerLebensführung. So fallen die Naqsch-bandi-Schüler durch den traditionellenTurban und die Pumphosen ebenso aufwie durch strikte Geschlechtertrennungund konservativ-islamische Frömmigkeit.Dazu kommen Heiligenverehrung, die Er-wartung des nahen Weltendes und einespezielle rituelle Meditationsübung derHerzensbindung an den Scheich. Mit derin Kall-Sötenich in der Eifel gelegenen„Osmanischen Herberge“ betreiben Or-densanhänger seit 1995 eines der führen-den Sufismus-Zentren Deutschlands.

Gründer und Leiter ist Scheich Hassan P.Dyck, Stellvertreter Scheich Nazims inDeutschland. Hier finden nicht nur in-terne Treffen statt, sondern auch Seminareund Konzerte bis hin zum sommerlichenSufi-Soul-Festival.2. Jüngste Entwicklungen zeigen, dasssich traditionelle Sufis für den Esoterik-markt öffnen und diesen nutzen, um Inter-essenten anzusprechen. So vertritt derBerliner Naqschbandi-Verein Der wahreMensch um Scheich Esref Efendi und des-sen Bruder zwar im Kern ein rigides Islam-verständnis (sie nennen sich auf der türki-schen Website „Die Neuen Osmanen“),nimmt aber in der Internetpräsenz und inder Palette der Angebote Elemente desmarktförmigen Neo-Sufismus auf. Ob essich von vornherein um die umgekehrteBewegung handelt, dass esoterische An-gebote mit Sufi-Ingredienzien angerei-chert werden, ist hier freilich schwer zuentscheiden.3. Es ist umstritten, ob die Anhänger vonSüleyman Hilmi Tunahan (gest. 1959), derselbst Naqschbandi war, einen Sufi-Ordenbilden. Die Süleymancilar, die in Europaim Verband der Islamischen Kulturzentren(VIKZ) organisiert sind, pflegen zwar dieenge Herzensverbindung mit demScheich, sehen sich selbst jedoch nicht alstariqa. Es fehlt auch das lebende spiritu-elle Oberhaupt. Auch die Nurculuk-Bewegung im An-schluss an den türkischen Reformer SaidNursi weist sufische Elemente auf, hataber nicht die institutionellen Struktureneines Ordens. Eine bedeutende Abspal-tung dieser Richtung mit wachsendemEinfluss vor allem im Bildungsbereich istdie Anhängerschaft des charismatischenPredigers Fethullah Gülen (geb. 1938/1941?, heute in USA). 4. Die Mevleviyye, der Orden der „Tan-zenden Derwische“, hat in Deutschlandzwei beachtliche Zentren: den Mevlana

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e. V. Nürnberg (Scheich Süleyman WolfBahn) und die Trebbuser Mevlevihane(Trebbuser Derwischkonvent) mit ScheichAbdullah Halis Dornbrach (geb. 1945) ander Spitze und dem in Trebbus geführtenInstitut für Islamstudien – Sufi-ArchivDeutschland. Leben und Lehre sind engam rituellen Islam, an der Sunna und der„guten Sitte“ (adab) orientiert.5. Mit der Tariqah as-Safinah besteht seit1983 ein Zweig des nordafrikanischenAlawiya-Ordens in Deutschland. Unterder Führung von Scheich Baschir AhmadDultz (geb. 1935), der zugleich Gründerund Vorsitzender der Deutschen Muslim-Liga Bonn ist, wird auf der Grundlage ei-nes liberalen Islamverständnisses vor al-lem auf den interreligiösen Dialog Wertgelegt und auf die politische Dimension(Integration, Rechte für die islamischeMinderheit) aufmerksam gemacht.

Stellungnahme

Die Sehnsucht nach mystischer Erfahrungund umfassender Geborgenheit, nach Ver-sinken in der Gottesliebe oder nach Eins-sein mit sich und der Welt wird als solchewohl in allen Religionen ähnlich erlebtund beschrieben. Oft wird das auf Har-monie und unmittelbare Gotteserfahrungausgerichtete Streben als frei von dogma-tischen Bindungen erlebt und deshalb alsbesonders tolerant empfunden. Der Ein-druck der „Machbarkeit“ (und damit auchSicherung) des eigenen Heils durch ein er-lernbares „Programm“ in dieser oder jenerForm eines mystischen Stufenweges stei-gert die Attraktivität. Einseitige Wahrneh-mungen im Kontext individualisierter Patchworkreligiosität und zeitgeistigerIdealisierungen liegen hier offenbar nahe.Im Blick auf den traditionellen Sufismusentspricht das Urteil, es handle sich umeine besonders liberale und damit tole-rante Strömung des Islam, mehr der Be-

dürfnislage „westlicher“ Orientierungssu-chender als der Wirklichkeit. Es gibt, wieerwähnt, Ausnahmen, doch ist der Sufis-mus in aller Regel mitnichten kultlose Spi-ritualität, sondern streng reglementierte In-tensivierung des spirituellen Erlebens aufder Basis gewissenhafter Ritenerfüllung.Handelt es sich um neo-sufistische Esote-rik, so ist nicht der Islam im Blick, son-dern der Esoterikmarkt, der mit seinenHeils- und Heilungsversprechen eigeneAbhängigkeitsstrukturen ausbilden kann.Zu Beziehungen mit erheblichem persön-lichem und sozialem Konfliktpotenzialneigen Personen, die, fasziniert von derExotik der religiösen Erfahrung, mit dem„Meister“ wie mit einem Guru eine engespirituelle und emotionale (und/oder fi-nanzielle) Bindung eingehen, die für im-mer weniger anderes Raum lässt. Auchauf diese Weise kann die vordergründigpropagierte Idee von Harmonie und Tole-ranz ihre Grenze finden.

Literatur

Antes, Peter, Art. „Sufismus“, in: Harald Baer u. a. (Hg.), Lexikon neureligiöser Gruppen,Szenen und Weltanschauungen, Freiburg i. Br. 2005, 1250-1254

Feild, Reshad, Ich ging den Weg des Derwisch.Das Abenteuer der Selbstfindung, München2006

Gramlich, Richard, Islamische Mystik. SufischeTexte aus zehn Jahrhunderten, Stuttgart u.a.1992

Khan, Hazrat Inayat, Die Einheit der religiösenIdeale[n], Heilbronn Verlag, 1963

Malik, Jamal / Hinnells, John (Hg.), Sufism inthe West, London 2006

Rumi, Galal ad-Din, Mathnawi. Der Prophetder Liebe, übersetzt von B. Meyer, K. und J.Dalir Azar, 3 Bde., Köln 1999-2001

Schimmel, Annemarie, Mystische Dimensionendes Islam. Die Geschichte des Sufismus,Frankfurt a. M. 1995 (1985)

Schleßmann, Ludwig, Art. „Sufi-Bewegung“, in:Reinhard Hempelmann u. a. (Hg.), Panoramader neuen Religiosität, Gütersloh 22005, 365-369

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Schleßmann, Ludwig, Sufismus in Deutschland.Deutsche auf dem Weg des mystischen Is-lam, Köln u. a. 2003

Shah, Idries, Die Sufis. Botschaft der Der-wische, Weisheit der Magier; Kreuzlingen2006 (1965, dt. 1976)

Internet

www.naqshbandi.de www.osmanische-herberge.dewww.sufiportal.dewww.der-wahre-mensch.de www.mevlevi.dewww.mevlana-ev.dewww.sufismus.infowww.petama.chwww.sufi.atwww.sufiorden.dewww.centrum-universel.com/sufi.htm

Friedmann Eißler

BÜCHERFrank Nordhausen / Liane von Billerbeck,Scientology. Wie der Sektenkonzern dieWelt erobern will, Ch. Links Verlag, Ber-lin 2008, 600 Seiten, 19,90 Euro.

Noch ein Buch über Scientology unddann noch eins mit stattlichen 600 SeitenUmfang – muss das denn sein? Sind inletzter Zeit nicht schon genug Bücherüber die umstrittene Organisation erschie-nen? Wertet man die Psychosekte durcheine solche Fülle nicht unnötig auf, er-reicht also das Gegenteil dessen, was dieBücher wollen, nämlich zur Eindämmungder Gefahren durch Scientology beitra-gen?Um es gleich vorwegzunehmen: DasBuch von Frank Nordhausen und Lianevon Billerbeck gehört mit zum Besten undWichtigsten, was in letzter Zeit zu der an-geblichen „Kirche“ veröffentlicht wurde.Denn zum einen bietet es einen gutenÜberblick über die aktuelle „Frontlage“ inder Auseinandersetzung mit Scientology –

Stichworte: Tom Cruise oder die Eröffnungder neuen Berliner Glitzer-„Org“ in derOttto-Suhr-Allee –, zum andern ist dasWerk eines der ersten Geschichtsbücherüber Scientology und bietet als solcheseine ausführliche Biografie des Sekten-gründers L. Ron Hubbard. Natürlich herrschte, vor allem auf dem amerikani-schen Markt, auch bisher kein Mangel ankritischen Büchern über Hubbard, dochdiese Literatur – man denke etwa an„Bare-Faced Messiah“ von Russell Miller –ist, obschon z. T. als Volltext-Version imInternet abrufbar und natürlich in großenBibliotheken erhältlich, mitunter schwerzu bekommen. Frank Nordhausen und Liane von Billerbeck haben nun die wich-tigsten Darstellungen Hubbards gesichtetund auf über 80 Seiten zu einem neuenbiografischen Abriss synthetisiert. Viel Neues erfährt man jedoch nicht nurüber den Scientology-Gründer, sondernauch über den jetzigen Herrscher überdas Sektenimperium, David Miscavige.Auf ebenso spannende wie informativeWeise erzählen die beiden Autoren, wiesich Miscavige und sein Rudel junger, fanatischer Scientologen nach HubbardsTod an die Macht kämpften und in klas-sisch stalinistischer Manier die alte Gardeaußer Gefecht setzten. Es gibt derzeitwohl kaum ein deutschsprachiges Buch,das die Hintergründe des Wechsels an derScientology-Spitze von Hubbard zu Mis-cavige so umfassend darstellt.Selbstverständlich liegt der Fokus des Bu-ches auf dem immensen Gefahrenpoten-zial, das von Scientology ausgeht. Den-noch (oder vielleicht gerade deshalb) istden Autoren das Bemühen anzumerken,die Verhältnismäßigkeit zu wahren undauch auf die Schwächen von Scientologyhinzuweisen. So zeigen sie beispielsweiseüberzeugend, dass mit dem Internet einMedium herangewachsen ist, in dem sichder Widerstand gegen die Sekte auf so ef-

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fiziente Weise organisieren lässt, dass esdem Psychokonzern bisher nicht gelun-gen ist, diesen Widerstand auf dem übli-chen Weg der Einschüchterung, Verleum-dung und Nutzung von Rechtsmitteln los-zuwerden.Alles in allem liegt hier also ein ebensowichtiges wie lesenswertes Buch vor. Auskirchlicher Sicht gibt es allerdings zweiWermutstropfen zu beklagen: Der einebetrifft den Umstand, dass mit Ausnahmeder Werke von Friedrich-Wilhelm HaackBücher theologischer Provenienz (zumin-dest gemäß Literaturverzeichnis), wieetwa Werner Thiedes wichtiger Beitragüber den „geistesmagischen“ Aspekt derScientology-Ideologie, unbeachtet geblie-ben sind. Zum andern geht mit den Auto-ren wohl ein wenig die journalistische Fe-der durch, wenn sie das (zugegeben um-strittene) „Opus Dei“ in die Nähe vonScientology rücken. Der Bedeutung desWerks tut dies aber kaum Abbruch, undso ist ein unverzichtbares Vademecum fürdie Auseinandersetzung mit Scientologyentstanden, zumal es durch einen vonRalf Bernd Abel verfassten Rechtsratgeberpraxisnah abgerundet wird.

Christian Ruch, Chur/Schweiz

Werner Thiede, Der gekreuzigte Sinn.Eine trinitarische Theodizee, GütersloherVerlagshaus, Gütersloh 2007, 272 Seiten,29,95 Euro.

Der Pfarrer der Evangelisch-LutherischenKirche in Bayern und habilitierte Systema-tische Theologe Werner Thiede greift einThema auf, das viele Menschen existen-tiell bewegt und Gegenstand zahlreichertheologischer und philosophischer Erörte-rungen ist. Sein Buch befasst sich mit derTheodizee-Frage, also jener Grundfrage„nach dem Verhältnis von Gott als demInbegriff der Güte einerseits und der Un-

vollkommenheit des Weltganzen anderer-seits“ (11). Thiede setzt mit einer weit aus-holenden Skizze der neuzeitlichen „Theo-dizee-Skepsis“ ein, die er in Bezugnahmeauf Leibniz, Kant, Hegel und Nietzschedarstellt (Teil A, 13-92). Aus seiner Sichtist die in der neueren Theologie „gepflegteRatlosigkeit vor dem Theodizeeproblem“(31) zu hinterfragen und zu überwinden.Zwar habe sich diejenige Theologie weit-gehend durchgesetzt, die „auf die Theodi-zeefrage keine inhaltlich tröstende Ant-wort ... hat“ (32), demgegenüber sei es ander Zeit – so Thiede – dagegenzuhaltenund eine trinitätstheologisch und christo-zentrisch orientierte Theodizee zu ent-wickeln. Der Autor tut dies in drei Schritten. Im Ka-pitel über Schöpfungstheologie (Teil B.Die Selbstentäußerung des Vaters, 93-141) entfaltet er ein Verständnis von All-macht Gottes, das den Aporien monisti-scher und dualistischer Konzepte entgeht.Gottes Allmacht und Liebe können zu-sammen bekannt und gedacht werden.„Das Bekenntnis zum Allmächtigen ver-trägt sich in trinitätstheologischer Perspek-tive mit der Wahrnehmung einer gottent-fremdeten Schöpfung“ (141). Der zweiteSchritt entfaltet die Christologie (Teil C.Die Selbstentäußerung Gottes des Sohnes,143-196). Eine Theodizee kann für Thiedenur aus der Mitte christlichen Glaubensgelingen. Sie „muss kreuzestheologischauf die Einsicht in die göttliche Selbst-entäußerung setzen“ (143), wie sie im Le-ben, Sterben und Auferstehen des Sohnesmit endgültigem und universalem An-spruch zum Ausdruck kommt. Das pneu-matologische Kapitel (Teil D. Die Selbst-entäußerung des Geistes, 197-254) gehtvor allem auf in der Christentumsge-schichte wirksame geistphilosophischeKonzeptionen ein und begibt sich mit ih-nen in kontroverse Diskussionen und Aus-einandersetzungen. Thematisiert werden

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u. a. der Gnostizismus im frühen Christen-tum, die idealistischen Modelle Plotinsund Hegels, der Geistmonismus der Theo-sophie, die evolutiv bestimmte Geistes-schau Teilhard de Chardins. ThiedesBemühen zielt nicht auf einen schlüssigenGottesbeweis, wohl aber auf eine ver-nunftgemäße Apologie zentraler Anliegendes christlichen Glaubens. „Niemand ver-mag im Horizont dieser Weltzeit die Rich-tigkeit seines Theodizee-Modells letztgül-tig zu beweisen, niemand aber auch dieBerechtigung einer Bestreitung der Legiti-mität von Theodizee-Versuchen“ (254).Die eschatologische Orientierung deschristlichen Glaubens bedeutet nichtSprachlosigkeit. „Die biblisch wiederholteDefinition, Gott sei Liebe, ruft im Blickauf die schmerzensreiche Welt- und Le-bensrealität nach einer überzeugendenTheodizee“ (254).Der Autor hat ein mutiges Buch geschrie-ben. Es legt dar, mit welchen Argumentender christliche Glaube den Infragestellun-gen Gottes angesichts der Theodizeefragebegegnet. Auch wenn man seinen Überle-gungen nicht in jeder Hinsicht folgt unddie Möglichkeit und Notwendigkeit einerTheodizee in Frage stellt, ist sein Anliegenzu unterstreichen. Seine Gedankengängezielen darauf ab, die Möglichkeit desGlauben-Könnens in der Anfechtung auf-zuzeigen. Die Orientierungskraft des trini-tarischen Gottesglaubens bewährt sich inLeiderfahrungen. Thiedes Buch ist zu-gleich Ausdruck eines weit ausholenden,ständigen Gesprächs mit Theologie, Philo-sophie und heutigen Weltanschauungenund kann als anspruchsvolle, klar geglie-derte und von reformatorischer Theologiegeprägte Einführung in die Grundlagenchristlichen Glaubens gelesen werden,das Menschen von der Wahrheit diesesGlaubens unaufdringlich und mit Argu-menten überzeugen möchte.

Reinhard Hempelmann

Michael D. O’Brien, Father Elijah. EineApokalypse, FE-Medienverlag, Kißlegg2008, 524 Seiten, 19,95 Euro.

Das Mittelalter kannte christliche Mysteri-enspiele, in denen Glaubenslehren undsittenstrenge Ermahnungen dem Publikummit wohligem Nervenkitzel im Theater-stück nahegebracht werden sollten. EineErinnerung daran findet sich in modernerNeuauflage in Hugo von Hofmannsthals„Jedermann“, der jährlich auf den Treppendes Salzburger Doms aufgeführt wird.Jetzt hat ein stramm konservativer katholi-scher Autor entdeckt, wie trefflich sichauch das Genre des Thrillers eignet, düs-tere Zeitanalysen und moralische Bot-schaften unters (lesende) Volk zu bringen.„Father Elijah – An Apocalypse“: Unterdiesem Titel hat der kanadische AutorMichael D. O’Brien schon 1996 ein sehrtraditionell katholisch gefärbtes Endzeit-Melodram verfasst, das 2008 auch aufDeutsch erschienen ist. TitelgebenderHeld ist ein Karmelitermönch, der aus derStille seines Klosters in Israel plötzlichdurch päpstliche Weisung in die Mittedramatischer Weltpolitik geschleudertwird: Der ehemals jüdische Konvertit,Überlebender des Warschauer Ghettos,soll den neuen Präsidenten der Europä-ischen Union bekehren, einen weltge-wandten, Gelehrte wie das breite Publi-kum faszinierenden Politiker, der die Eini-gung der Welt auf seine Fahnen geschrie-ben hat, ihre Rettung aus nationalen, reli-giösen und ideologischen Konflikten –und der, so ist zu vermuten, hinter derMaske des Weltretters seine eigene Herr-schaft aufrichten will.Welteinheit, Welteinheitsregierung, wo-möglich im Hinterkopf noch Welteinheits-religion: Hinter solchen Vokabeln lauertfür ein christlich-fundamentalistischesPublikum immer schon der Antichrist. Sowar das in der kommerziell überaus er-

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folgreichen evangelikalen Romanserie„Left Behind“ (deutsch: Die letzten Tageder Erde) der ehemaligen Pastoren Tim La-Haye und Jerry B. Jenkins, in der das Rin-gen von Gut und Böse zwischen einemfinsteren UN-Generalsekretär und einigenaufrechten Evangelikalen ausgefochtenwurde (vgl. MD 8/2004, 301-303). BeiMichael O’Brien bildet dagegen diekatholische Kirche das Bollwerk gegendas Böse im Gewand des Friedensstifters,freilich nicht die ganze katholische Kir-che: Der kluge und edle Papst samt seinenGetreuen „Stato“ und „Dottrina“ (Kardi-nalsstaatssekretär und Präsident der Glau-benskongregation) sind zwar gerüstet zur„endgültigen Konfrontation zwischen Kir-che und Antikirche“ (58f), aber sie werdenbehindert und geschwächt durch wider-strebende Kräfte in den eigenen Reihen,durch die Liberalen, die den klaren römi-schen Kurs verwässern, die Heilige Schriftentmythologisieren und Moral und Diszi-plin des Klerus durch Psychologie undGruppendynamik aufweichen. Bis insKardinalskollegium hinein sind dieseKräfte am Werk, insbesondere im Rat fürinterreligiösen Dialog. An all diesen auchinnerkirchlichen Hilfstruppen des Bösenvorbei soll nun Father Elijah dem „Präsi-denten“ Auge in Auge gegenübertretenund ihm durch Bußpredigt den Weg zurUmkehr zeigen.Tatsächlich kommt es zu mehreren Begeg-nungen, bei denen Father Elijah zunächstfast selbst dem intellektuellen Charme desPräsidenten / des Antichristen zu erliegendroht, letztlich aber fest bleibt und in derdramatischen Schlussbegegnung mittelsdes Exorzismus den Teufel im Präsidentenentlarvt. Father Elijah muss vor den Mächten desBösen fliehen, ähnlich wie bald daraufder rechtgläubige Rest von Amtsträgern imVatikan; alles deutet darauf hin: Das Welt-ende, von den wahren Gläubigen als

Wiederkunft Christi ersehnt, nicht ge-fürchtet – es ist nicht mehr fern.Michael O’Brien hat seine plakative Kritikan der Moderne im Allgemeinen und ei-nem reformerischen Katholizismus im Be-sonderen in einen dickleibigen Fast-Krimi(542 Seiten!) verpackt, der zeitweisedurchaus spannend zu lesen ist. Die Ver-schwörung gegen die Kirche, der viele deredlen und halb edlen Protagonisten desRomans zum Opfer fallen, nimmt immerneue Wendungen. So wie in Dan Browns„Sakrileg“ (vgl. dazu MD 3/2005, 97-101)häufen sich rätselhafte Todesfälle, werdenimmer mehr vermeintlich „Gute“ alsAgenten des Bösen entlarvt. Und wie beiDan Brown der Wissenschaftler von einerschönen Frau begleitet und gerettet wird,so findet selbst der zölibatäre „Father Eli-jah“ zeitweise die Unterstützung einerschönen Juristin, die ihrerseits die „Eine-Welt“-Institutionen des Präsidenten voninnen durchleuchten will, aber dannselbst einem Anschlag zum Opfer fällt.Eine weitere Parallele zu Dan Brown bil-det eine eben neu entdeckte alte Geheim-schrift. Bei Dan Brown sollte diese denMachtanspruch der Päpste als Betrug ent-larven. Bei O’Brien hat Elijah, der neben-bei auch Wissenschaftler ist, als Archäo-loge alte Schriftrollen des Neuen Testa-ments wiederentdeckt, die die Authenti-zität des Textes beweisen und die Ma-chenschaften der Entmythologisierer Lü-gen strafen. Der verschwörungstheoretisch gestrickteThriller wird jedoch immer wieder durchlangatmige Polemik gegen eine liberaleTheologie (als deren Hauptquartier „Tü-bingen“ ausgemacht wird!) und durch ka-tholisch-erbauliche Verkündigungspassa-gen unterbrochen.Die Übersetzerin Gabriele Kuby, selbsteine bekannte konservativ-kulturkämpfe-rische Autorin und Rednerin, hebt dennauch den pädagogischen Charakter des

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Werkes hervor: Es ermögliche, „durch ei-nen Roman Orientierung zu gewinnen“(Klappentext): an einem vom Zeitgeistnicht infizierten katholischen Lehramt,dessen Protagonisten erkennbar die zeit-geschichtlichen Figuren des verstorbenenPapstes Johannes Paul II und seines dama-ligen Glaubenswächters Kardinal Ratzin-ger zum Vorbild haben. Der „katholikale“ Flügel innerhalb derKirche kann in diesem Buch seine Ängstewie Sehnsüchte literarisch gespiegelt wie-derfinden; hier dürfte der Roman Erfolgefeiern. Ob das außerhalb dieses Segmentsder Fall sein wird, bleibt zu bezweifeln.Allzu sehr hat der bekenntnishaftePädagoge O’Brien, der vor kurzem garden künftigen amerikanischen Präsiden-ten Barack Obama als Wegbereiter desAntichristen gedeutet hat1, dem LiteratenO’Brian die Feder geführt. So bleibt als Fazit, dass auch diese Apoka-lypse – wie die meisten literarischen Ver-suche dieser Art – mehr über Befindlich-keit und Weltbild des Erfinders offenbartals über die Zukunft der Welt.

1 „Er ist wirklich ein mächtiger Manipulator der Mas-sen, obwohl er so bescheiden und auf normale Artcharmant wirkt. Ich bezweifle dass er der lang pro-phezeite Herrscher der Welt ist, aber ich glaubeauch, dass er die Karriere eines tödlichen Moralvi-rus ist, tatsächlich eine Art Anti-Apostel, der Vor-stellungen und Programme verbreitet, die nicht nuranti-christlich, sondern anti-menschlich sind.“ (Artikel von Michael O’Brien, www.kath.net/detail.php?id= 21308)

Lutz Lemhöfer, Frankfurt

AUTORENProf. Dr. theol. Hermann Brandt, geb.1940, em. Professor für Missions- und Re-ligionswissenschaft an der Universität Er-langen-Nürnberg.

Dr. theol. Friedmann Eißler, geb. 1964,Pfarrer, EZW-Referent für Islam und an-dere nichtchristliche Religionen, neue re-ligiöse Bewegungen, östliche Spiritualität,interreligiösen Dialog.

Dr. theol. Reinhard Hempelmann, geb.1953, Pfarrer, Leiter der EZW, zuständigfür Grundsatzfragen, Strömungen des sä-kularen und religiösen Zeitgeistes, pfingst-lich-charismatisches Christentum.

Prof. D. Dr. theol. Wolf Krötke, geb.1938,em. Professor für Systematische Theologiean der Humboldt-Universität zu Berlin.

Lutz Lemhöfer, geb. 1948, kath. Theologeund Politologe, Referent für Weltan-schauungsfragen im Bistum Limburg.

Dr. phil. Christian Ruch, geb. 1968, His-toriker, Chur/Schweiz.

Jürgen Schnare, geb. 1956, Pastor, Beauf-tragter für Weltanschauungsfragen derEvangelisch-Lutherischen LandeskircheHannovers.

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Herausgegeben von der Evangelischen Zentralstellefür Weltanschauungsfragen (EZW), einer Einrichtungder Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD),im EKD Verlag Hannover.

Anschrift: Auguststraße 80, 10117 Berlin Telefon (0 30) 2 83 95-2 11, Fax (0 30) 2 83 95-2 12Internet: www.ezw-berlin.deE-Mail: [email protected]

Redaktion: Matthias Pöhlmann, Carmen Schäfer, Ulrike LiebauE-Mail: [email protected]

Für den Inhalt der abgedruckten Artikel tragen die jeweiligen Autoren die Verantwortung. Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausge-ber wieder.

Verlag: EKD Verlag, Herrenhäuser Straße 12,30419 Hannover, Telefon (0511) 2796-0,EKK, Konto 660000, BLZ 25060701.

Anzeigen und Werbebeilagen: AnzeigengemeinschaftSüd, Augustenstraße 124, 70197 Stuttgart,Postfach 100253, 70002 Stuttgart, Telefon (0711) 60100-66, Telefax (07 11) 60100-76. Verantwortl. für den Anzeigenteil: Wolfgang Schmoll. Es gilt die Preisliste Nr.22 vom 1.1.2008.

Bezugspreis: jährlich € 30,– einschl. Zustellgebühr.Erscheint monatlich. Einzelnummer € 2,50 zuzügl.Bearbeitungsgebühr für Einzelversand. Abbestellungensind nur mit einer Frist von 6 Wochen zum Jahresendemöglich. – Alle Rechte vorbehalten.

Bei Abonnementwunsch, Adressenänderungen, Abbe-stellungen wenden Sie sich bitte an die EZW.

Druck: Maisch & Queck, Gerlingen/Stuttgart.

IMPRESSUM

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MAT

ERIA

LDIEN

ST Zeitschrift fürReligions- undWeltanschauungsfragen

72. Jahrgang 1/09

ISSN

072

1-24

02 H

542

26

Christlicher Glaube und „neuer Atheismus“

Sein Licht leuchten lassenEpiphanias, Mission und Apologetik

Deeksha –das Wunder der Erleuchtung?

Koordinierungsrat der Atheisten gegründet

„Stichwort“: Sufismus

Evangelische Zentralstellefür Weltanschauungsfragen

EZW, Auguststraße 80, 10117 BerlinPVSt, DP AG, Entgelt bezahlt, H 54226

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