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1 Frauenquoten – was wollen wir? Präsentations des Positionspapiers «Frauenquoten in den Führungsetagen der Wirtschaft» Regula Kägi-Diener Prof. Dr.iur., Rechtsanwältin St. Leonhard-Str. 20, Postfach 123 9001 St. Gallen [email protected]

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Frauenquoten – was wollen wir?

Präsentations des Positionspapiers«Frauenquoten in den Führungsetagen

der Wirtschaft»

Regula Kägi-Diener

Prof. Dr.iur., Rechtsanwältin

St. Leonhard-Str. 20, Postfach 1239001 St. Gallen

[email protected]

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Aufbau

• Warum mehr Frauen in der Führung von Unternehmen

• Grundlagen– Daten und Fakten in der Schweiz– Quoten: Charakteristika und Problematik– Aktuelle Diskussion in Europa

• Politische / rechtliche Lage (Schweiz)

• Schlussfolgerungen /-bemerkungen2

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I. Die Argumente zugunsten von Geschlechterquoten in der Wirtschaft (1)• Rechtlich / rechtspolitisch

– Geschlechtergleichheit in der Arbeitswelt– Geschlechterdemokratische Argumente

• gegen aussen - gegen innen– Gerechtigkeit durch Recht

• Wirtschaftlich– Diversity– Rentabilität– Kundinnennähe

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I. Die Argumente zugunsten von Geschlechterquoten in der Wirtschaft (2)

• Volkswirtschaftliches Argument

• Internationale Verpflichtung– Annahme einer UPR-Empfehlung– UNO-Frauenrechtskonvention CEDAW– Weitere internationale Verpflichtungen

• Wirtschaft ist zu fordern

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II. Grundlagen (1)Daten und Fakten

• Nicht Führungsfrau trotz guter Ausbildung:

– ♀ mehr Hochschulabschlüsse > 1/3 der Führungspos.– ♂ weniger Hochschulabschlüsse > 2/3 d. Führungsp.– GL (100 grössten CH-Unternehmen): 6% ♀, 94% ♂– VR: 12% ♀, 88% ♂– Tendenz: Internationale Schweizer Unternehmen

leicht höher

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II. Grundlagen (2)Quoten:

Garantie der Gleichstellung

Ausreichende Repräsentanz von Frauen und Männern in Gremien• soll beiden Geschlechtergruppen Chance geben,• (gesellschaftliche) Systeme von innen zu gestalten.

Gleichstellung ≠ Anpassung der Minderheit an Mehrheit

Austausch und Dialog gefragtBraucht quantitative RepräsentanzFührt zu qualitativer Verbesserung

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Quoten auf dem Weg zur tatsächlichen Gleichberechtigung / -stellung

Bewirkt zahlenmässig höhere Repräsentation von Frauen bereits eine ausreichende Veränderung ?

Anliegen 1

Frauen eine Stimme geben (geschlechter-demokratische, prozedurale Komponente)

Anliegen 2

Erweiterte Lebenserfahrung/-ver-hältnisse fliessen ein

(sachliche, inhaltliche Komponente)

Nicht nur ausreichende quantitative, sondern ausreichende qualitative Repräsentanz

Quelle: Maihofer, A. (1996) Gleichberechtigung in der Differenz – Replik auf einige neuere Kritiken und die Frage der Quoten. In: Arioli, K. (Hrsg.) Quoten und Gleichstellung von Frau und Mann. Basel: Helbing & Lichtenhahn Verlag.

Ohne quantitative Repräsentanz keine legitime inhaltliche Veränderung

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II. Grundlagen (4)Quoten = zielorientierte quantitative und

prozedurale VorgabenDefinition:

Quoten sind • ein normatives Mittel, um• effektiv• eine wünschenswerte quantitative Verteilung

(Repräsentanz) • verschiedener möglichen Gruppen (hier von

Männern und Frauen) in• der Zusammensetzung von Gremium,

Organisationen udgl. • zu erreichen.

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Quotierungsmodelle:

Differenzierung nach 4 Kriterien

Qualifikation

Verbindlichkeit

Verfahrensmässige

Ausgestaltung

Bezugsgrösse

• Kann sich auf tatsächliche Verhältniszahl stützen (z.B. Verhältnis von ♀ und ♂ im Beruf / bei Berufsabschlüssen);

• Empirische Verh.-zahl für Veränderung (Minimum)

• Gewillkürte politische Grösse nach Machbarkeit (z.B. was ist politisch durchsetzbar)

• Quoten mit Qualifikationsbezug:

1. Quoten mit Mindestvoraussetzungen

2. Quoten mit vorrangiger Berücksichtigung bei gleicher Qualifikation

3. Quoten mit vorrangiger Berücksichtigung bei gleichwertiger Qualifikation

• Quoten ohne Qualifikationsbezug (starre Quoten)

• Ganz oder teilweise freiwillig • Rechtlich bindend (sanktionsbewehrt)• (Wirtschaftliche) positive oder negative Anreize

• Zeitliche Vorgaben / Etappierungen• Entscheidungs- und Ergebnisquoten• Entsch.-Stufe: Vorergebnis – Endergebnis

Quelle: Pfarr, H. (1988). Quoten und Grundgesetz, Notwendigkeit und Verfassungsmässigkeit von Frauenförderung. Baden-Baden

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Entscheidungs- und Ergebnisquoten(kombinationsfähig)

geben vor, wie entschieden werden muss, damit angestrebte Proportionen erreicht werden (Mittel).

Bsp. „Bei jeder Neuwahl sind mind. 50% Frauen zu berücksichtigen.“

Oder: „Bei jeder Anstellung ist mindestens eine Frau zu präsentieren.“

(=Zielvorgaben) legen nur ein Ziel, nicht Mittel fest

Bsp. „Im mittleren Kader sollen innert zehn Jahren 40% Frauen sein.“

Mittel divers: Rekrutierung, Ausbildung, Motivierung, Nachzug etc.

Entscheidungsquote Ergebnisquote

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Grundlagen (3)Aktuelle Diskussion in Europa

96,8% der Unternehmsleitungen in EU von Männern präsidiert (Bevölkerung: 49 ♂, 51% ♀)

• OECD: Empfehlung vom 29.05.2013 (Unternehmen mit staatl. Beteiligung: Quoten / Anreize für freiwillige Quoten f. private Unternehmen)

• EU: Richtlinie: Nov. 2013: 40%, für börsenkotierte Unternehmen von einer bestimmten Grösse, bis 2020 bzw. 2018, verbunden mit freiwillig definierter Quote für Geschäftsführung. Sanktion: Vorzugsregel. Gültig bis 2028

• EZB: mittl. Management: 35%, ob. Management: 28 % (=

Verdoppelung), innert 6 J.11

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Grundlagen (3)Europäische Länder

6 von 7 Top- Positionen sind männlich

• Verbindliche gesetzl. Vorgaben (4x): N (40%), B (33%), F (20% → 40%), I (33%, gestaffelt)

• Gesetzliche Vorgaben ohne gesetzl. Sanktion, aber Negativanreizen (soft quotas): E (40%; Vergabewesen); NL 30% f. Exekutive und Aufsichtsräte, Finnland: diff. (ab 30 Angestellten), beide comply or explain.

• Nur für staatliche und semi-staatliche Unternehmen in 5 Ländern verbindliche Vorgaben (Dk, Finnland, GR, A, Slowenien)

• Freiwillige Zielsetzungen verlangt: GB (empfohlen 25%), DL: Flexiquote, aktuell 19% (DAX 30-Untern.)

• Corporate Governance Kodex: A, B, Dk, F, D, Lx, NL, P, E, S, GB, Fi, nicht: CH

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Lage in der Schweiz (1)

Rechtliche Situation:

– Gleichheit von Mann und Frau in der Arbeit: Gesetzgeber in der Pflicht (Art. 8 Abs. 3 BV)

– CEDAW: zeitweilige Sondermassnahmen, wenn notwendig

1. Aktionsplan

2. Spezifisches Ziel (Frauenanteil in VR)

3. Zeitweilig, nicht auf Dauer ungleiche Massstäbe

4. Zielführend

– Vertragsfreiheit (Wirtschaftsfreiheit)13

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Lage in der Schweiz (2)

Politisch-Gesellschaftliche Diskussion– Thematisierung in der Öffentlichkeit

• Von einer Reihe von Organisationen > positiv zu gesetzlichen Vorkehren

• Economiesuisse: Anerkennung des Nachholbedarfs, ablehnend zu gesetzl. Quoten, verlangt Zielsetzungen durch Unternehmen

– Politische Agenda• Anfragen (BuVerw.)• Postulate (BuVerw, börsenkotierten und bundesnahen Unternehmen

) > erfüllt• 2 Initiativen (Leutenegger-Oberholzer; abgelehnt vom NR)

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Lage in der Schweiz (3)Akzeptanz

– Rechtsverständnis:• BuGer: zulässig• Liberales System:

skeptisch gegenüber Regulierung schützt Gleichheit/Gleichstellung

– Öffentlichkeit:• In Frauenkreisen zunehmende Akzeptanz• Kein Tabu-Thema (siehe polit. Vorstösse)• Politisch z.Zt. wenig Chancen

– Zumutbarkeit• Hohe Zahl von Hochschul-/Uni-Absolventinnen• Datenbanken vorhanden

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Kontroverse zur Einführung von Quoten

• bessere Beteiligung benachteiligter Gruppen

• Ausgewogenheit verschiedener „Eigenschaften“ (diversity)

• Schnelle Wirksamkeit, Überprüfbarkeit

• Ausschaltung unreflektierter Selektionsmechanismen (z.B. Think-manager-think-male-Phän.)

• Höherer Frauenanteil minimiert Druck auf „Token women“

• Erfahrungen des unterrepräsent. Geschlechts werden nutzbar; deren Bedürfnisse besser erkennbar.

• Gewisser Zwang, Qualifikation kritisch zu überdenken

• Fähigkeiten müssen im Mittelpunkt stehen

• Unrecht darf nicht mit Unrecht beantwortet werden

• ungleiche Massstäbe für ♂ und ♀: keine Chancengleichheit.

• Kritik an Bezugsgrösse

• Zwang > freiwillige Zielwerte• Quoten sind undemokratisch

(freie Willkür / Wahl)• Quotenfrau negativ konnotiert

+ –

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Goldene Regel:Regulierung („Quote“) angezeigt

• wenn sich durch die „freie“ Verteilung ein unerwünschtes Ungleichgewicht / Verhältnis zwischen den möglichen Gruppen ergibt,

• wenn Verteilregeln nicht am Ziel orientiert sind.

Mittel, um unsichtbare Schranken („gläserne Decke“) zu umgehen und einseitige traditionelle Selektionsmechanismen auszuschalten.

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Schlussthesen6 Gründe für eine Neubesinnung

• Höherer Frauenanteil in den Führungsetagen ist wohlbegründet.

• Frauenquoten haben– Normativen Effekt– Tatsächlichen Effekt

• Freiwillige Ziele nur beschränkt wirksam• (Zu) geringes Bewusstsein der Wirtschaft

(kein CGC), d.h. Steuerung angezeigt • Frauen sind bereit!• Gesetzl. Vorschriften: zulässig & vorgesehen

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Zu guter Letzt:

• Gleichstellungsproblematik komplex, Mechanismen subtil. Quote nicht alleinseligmachende Mittel für Gleichstellung. Aber:

• Durch Quoten > messbare Veränderung / Verbesserung.

> Meilenstein auf dem Weg zur tatsächlichen Gleichberechtigung.

• Frauenquoten = Bekenntnis zur Wünschbarkeit einer höheren Beteiligung der Frauen.

Sehr geringer Frauenanteil: token women, wenig Einfluss, Anpassungszwang

Mittlerer Frauenanteil: Irritation der Mehrheit > Ausgrenzung

Wesentlicher Frauenanteil (ausgeglichener Geschlechteranteil): Dialog,

Austausch unter gleichwertigen Partnern möglich. Veränderung von

Geschlechterbildern, Kultur.