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Heinrich Brüngger
Schweizer Tage der öffentlichen Statistik 2010Neuchâtel, 18. – 20- Oktober 2010
Aufbau Was ist ein SöS? Internationale Anforderungen an SöS
UNO-Prinzipien und EU Verhaltenscodex Unparteilichkeit Fachliche Unabhängigkeit
Resultate der öffentlichen Statistik: vierfache Garantie
Statistischen Dienstleistungen Internationale Anforderungen: Statistik-
geheiminis und Systemgrenze eines SöS Freiräume für nationale SöS Glaubwürdigkeit des SöS
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Was ist ein System der öffentlichen Statistik (SöS)?• Ein SöS besteht aus einer endlichen Zahl
von öffentlich-rechtlichen Produzenten, sowie von den diesem System zugeordneten Entscheidungs- und Beratungsorganen
• Ein SöS hat eine gesetzliche Basis, die die gemeinsamen Prozesse und Regeln definiert
• Einige Prozesse sind SöS-spezifisch und unterscheiden sich von den im öffentlichen Bereich normalerweise gültigen Prozessen
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Was ist ein SöS (Forts.)? Das SöS muss institutionell/organisatorisch
(zwischen welchen Organisationseinheiten verläuft die Systemgrenze?) und bezüglich der Aktivitäten dieser Organisationseinheiten (welche Aktivitäten gehören zur öffentlichen Statistik?) abgrenzbar sein
Ein SöS muss mindestens einen Produzenten haben, dessen Haupt- oder Kernaufgabe in der Entwicklung, Produktion und Verbreitung von Resultaten der öffentlichen Statistik besteht (zentrales/nationales Statistikamt; NSI)
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Charakteristika des SöS
Öffentliche Statistik ist nicht eine Summe von Annexkompetenzen zu anderen, dem Staat übertragenen Kompetenzen, sondern eine eigenständige staatliche Aufgabe mit eigener Rechtsgrundlage
Die institutionelle Ausgestaltung des Systems muss prioritär auf die Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Unparteilichkeit der hergestellten Informationen und der verantwortlichen Produzenten ausgerichtet sein
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Parallelität verschiedener SöS Dieselbe öffentlich-rechtliche Institution
kann gleichzeitig Teil eines nationalen SöS und eines internationalen SöS (z.B. des Europäischen Statistiksystems ESS) sein
In einem Bundesstaat kann statt eines einzigen nationalen Systems eine Parallelität von mehreren SöS auf Bundes- und Einzelstaaten mit jeweils eigenen Rechtsgrundlagen existieren
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Internationale Anforderungen an SöS bezüglich Glaubwürdigkeit:1. Die Fundamentalen Prinzipien der amtlichen Statistik der UNO Erstellt durch die UNECE; beschlossen 1992
durch die CES und dann auf politischer Ebene 1994 Annahme durch die UN Statistical
Commission (für alle UNO Mitgliedsstaaten) Basis für nationale Statistikgesetze Einhaltung wird durch freiwillige global
assessments überprüft S. Webseite (http://www.unece.org.stats)
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Internationale Anforderungen an SöS bezüglich Glaubwürdigkeit:2. Der Verhaltenscodex (Code of Practice, CoP) für Europäische Statistiken der EU Beschlossen 2005 durch die EU-Kommission Einhaltung durch die nationalen
Statistikämter in EU- und EFTA-Ländern wird durch regelmässige Peer Reviews überprüft
S. EUROSTAT-Webseite (http://epp.eurostat. ec.europa.eu/portal/page/portal/quality)
EU Verhaltenscodex (Forts.) Verordnung EU 223/2009 über das ESS bestimmt, dass EUROSTAT und alle nationalen Organisationseinheiten, die zu Gemeinschaftsstatistiken beitragen, den CoP einhalten müssen (gilt bald auch für die Schweiz als Teil des ESS!)
Operationeller als UN-Prinzipien; enthält Indikatoren für jedes Prinzip und zusätzlich das Element des Qualitätsmanagements
Entwurf für revidierte Charta der öffentlichen Statistik der Schweiz sehr nahe am CoP
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Unparteilichkeit: konkrete Implikationen Synthese der Benützerwünsche
verschiedener Kreise; keine Dominanz eines einzelnen Benutzers
Resultate müssen so robust sein, dass sie für eine Vielzahl von benützerseitigen Anwendungen taugen
Gleichzeitige und im voraus angekündigte Verbreitung
Unparteiliche Terminologie10
Unparteilichkeit (Forts.) Vermeidung von Interessenkonflikten bei
Produzenten im Falle der Übertragung von Aufgaben ausserhalb der öffentlichen Statistik (vor allem an den zentralen Produzenten)
Zu beachten auch im Falle der Finanzierung gewisser Aktivitäten der öffentlichen Statistik, von umfangreichen statistischen Dienstleistungen gegen Bezahlung oder von „joint ventures“ im Forschungs- oder Analysebereich 11
Fachliche Unabhängigkeit
Bezieht sich auf die: Wahl der zu verwendenden Verfahren,
Definitionen und Quellen Zeitpunkt und Inhalt aller Veröffentlichungen
(von Resultaten der öffentlichen Statistik bzw. den zugrundeliegenden Metadaten)
Terminologie der verwendeten Begriffe Diese „Wie“-Entscheide müssen
innerhalb des SöS getroffen werden (vorgängig können Stellen von ausserhalb konsultiert werden)
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Fachliche Unabhängigkeit (Forts.) Politische Gruppen, vorgesetzte und
andere Behörden oder Interessengruppen dürfen keinen Druck auf die Entscheidungsorgane des SöS ausüben können
Muss in institutionellen Schutz auf Gesetzesebene umgesetzt werden, vor allem für das zentrale Statistikamt und den Chief Statistician
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Fachliche Unabhängigkeit (Forts.) Politischen Instanzen können gewisse
Entscheidungsfunktionen bezüglich des „Was“ zugewiesen werden, ohne dass Unabhängigkeit verletzt ist: Genehmigung von Programmen der
öffentlichen Statistik (Prioritätensetzung; Ressourcenausstattung) sofern keine „Wie-Fragen“ tangiert sind
Abwägen gegenüber Belastung der Befragten (insbesondere bei Direkterhebungen)
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Resultate der öffentlichen Statistik: eine vierfache Garantie
Für die vom SöS veröffentlichten Resultate beinhalten die Prinzipien der öffentlichen Statistik eine vierfache Garantie:1. Die gesellschaftliche Relevanz des Phänomens,
auf das sich die Resultate beziehen2. Die professionelle Qualität der beschafften
Daten und der verschiedenen Bearbeitungsschritte
3. Die lückenlose Einhaltung aller Prinzipien der öffentlichen Statistik durch die involvierten Organe des SöS
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Resultate der öffentlichen Statistik (Forts.)
4. Die konzeptuelle Eignung der für die Resultate verwendeten Definitionen und Klassifikationen für eine Vielzahl von benutzerseitigen Verwendungen (auf Beschränkungen für gewisse Arten von Anwendungen muss in geeigneter Form hingewiesen werden)
Die Prozesse des SöS müssen so ausgestaltet sein, dass diese Garantien bei jedem Produkt mit Resultaten der öffentlichen Statistik glaubhaft sind (institutioneller und rechtlicher Rahmen; Qualitätsmanagement ; Zertifizierung)
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Statistische Dienstleistungen Werden die Ausgangsdaten der
öffentlichen Statistik benützt, um von einem ganz bestimmten Benutzer definierte Ergebnisse zu erstellen, handelt es sich um eine statistische Dienstleistung durch das SöS
Das SöS ist verpflichtet (explizit im CoP), eine Infrastruktur für die Erbringung statistischer Dienstleistungen zu betreiben
Die konzeptuelle Verantwortung für die als statistische Dienstleistung erstellten Ergebnisse liegt nicht beim SöS, sondern beim Auftraggeber
Das SöS garantiert nur die Qualität der Daten und Einhaltung einiger (nicht aller) Prinzipien, namentlich des Statistikgeheimnisses
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Internationale Anforderungen: Statistikgeheimnis Vertrauliche Daten über einzelne
natürliche oder juristische Personen dürfen durch das SöS ausschliesslich für statistische Zwecke verwendet bzw. an Dritte ausserhalb des SöS weitergegeben werden
Das SöS hat vertrauliche Daten gegen Enthüllung (disclosure) zu schützen
Notwendig als Garantie: Für befragte Personen in Direkterhebungen
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Statistikgeheimnis (Forts.) Für alle Daten in anderen Quellen dafür, dass
aus der zusätzlichen statistischen Bearbeitung keine administrativen Folgen für einzelne Personen entstehen
Beschränkung auf statistische Bearbeitung muss gegenüber anderen Gesetzen vorgehen
Beschränkung auf statistische Bearbeitung unerlässlich für erleichterte Verknüpfung verschiedener Quellen auf der Ebene der einzelnen Person. Verknüpfung ist ein zunehmend wichtiger Teil des Produktions-prozesses in SöS
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Systemgrenze eines SöS
Institutionelle Systemgrenze eines SöS muss mit der Abgrenzung zwischen rein statistischer Bearbeitung (die statistische Register und Verknüpfungen einschliesst) und solcher für personenbezogene Zwecke übereinstimmen: institutionelle Trennung zwischen öffentlicher Statistik und übriger Verwaltung
Aufgaben, die eine personenbezogene Verwendung vertraulicher Daten beinhalten, müssen organisatorisch von Aufgaben der öffentlichen Statistik getrennt werden
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Systemgrenze (Forts.): Einbahnprinzip Vertrauliche Daten jeglicher Herkunft
müssen in das System hinein gelangen können
Das Umgekehrte ist jedoch nur in den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen (z.B. an Forscher) und ausschliesslich für statistische Zwecke möglich
Gesuche um Herausgabe vertraulicher Daten für personenbezogene Zwecke müssen in jedem Fall an eine Stelle ausserhalb des SöS gerichtet werden 21
Statistikgeheimnis (Forts.) Für Direkterhebungen gilt das
Statistikgeheimnis integral für alle Phasen, für Daten aus anderen Quellen erst, wenn diese Daten beim Import die Systemgrenze des SöS überschreiten
Wenn ein Produzent mehreren SöS angehört, müssen die Bestimmungen zu Statistikgeheimnis und Datenschutz voll kompatibel sein
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Weiterverarbeitung durch Dritte ausserhalb des SöS Werden Daten (Einzeldaten, Zwischen-
oder Endresultate) von Dritten weiterbearbeitet, so handelt sich aus der Sicht des SöS um benützerseitige Aktivitäten ausserhalb des SöS, die nicht der vollen Gesetzgebung über öffentliche Statistik unterstellt sind
Dritte ausserhalb des SöS haben von den Prinzipien nur das Statistikgeheimnis zwingend einzuhalten (sowie die Pflicht zur Angabe der Quelle der Ausgangsdaten)
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Freiräume für nationale SöS, die Teil des ESS sind Grad der Zentralisierung (aber
Einhaltung der Prinzipien durch alle Produzenten muss gewährleistet und überprüfbar sein und Koordination muss klappen)
Stellung des zentralen Statistikproduzenten (Teil der Verwaltung; unter der Regierung mit Spezialstatus; öffentlich-rechtliche Institution ausserhalb der Regierung); Schutz der fachlichen Unabhängigkeit in allen Fällen gesetzlich zu regeln
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Freiräume für nationale SöS (Forts.)
Statistikproduzenten auf regionaler Ebene (organisatorischer Teil des NSI, Teil eines anderen Teils der zentralen Verwaltung; Teil der regionalen Verwaltung und gleichzeitig Teil des nationalen SöS; Mittelpunkt eines eigenen regionalen SöS); auch hier Ausgestaltung der fachlichen Unabhängigkeit entscheidend
Ausgestaltung der Entscheidungs- und Konsultationsprozesse innerhalb des SöS und mit den Benützern 25
Freiräume für nationale SöS (Forts.)
Einbezug politischer Instanzen für „Was“-Entscheide (insbesondere Statistikprogramme)
Regeln für den Austausch vertraulicher Daten zwischen Produzenten des SöS
Modalitäten des Zugriffs des SöS und des NSI auf administrative Datenquellen (kann aber nicht verweigert werden, wenn für SöS nötig)
Weitergabe vertraulicher Daten an Dritte für deren eigene statistische Bearbeitung (ja/nein; Bedingungen wenn ja, Methode der Abgabe) 26
Freiräume für nationale SöS (Forts.)
Ausmass und Themen für die Produktion von Resultaten der öffentlichen Statistik (über das vom ESS vorgeschriebene Programm hinaus)
Auswahl der Quellen bzw. Kombination von Quellen für die ESS-Produktion (in der Regel) und die eigene Produktion
Rechtliche und verfahrensmässige Voraussetzungen für Verknüpfungen verschiedener Quellen innerhalb des SöS
Ausgestaltung des Qualitätsmanagements für Prozesse, Zwischen- und Endresultate27
Freiräume für nationale SöS (Forts.) Aufgabenverteilung innerhalb des SöS Mitwirkung regionaler Produzenten für
Aufgaben der nationalen Statistik (die Verantwortung bleibt aber bei einem nationalen Produzenten)
Ausmass und Tarifierung von statistischen Dienstleistungen
Auslagerung (sub-contracting) von Teilen des Produktionsprozesses an Stellen ausserhalb des SöS, inkl. an Private (Verantwortung für das Gesamte liegt in jedem Fall bei einem SöS-Produzenten; Statistikgeheimnis und Glaubwürdigkeit setzen Grenzen) 28
Freiräume für nationale SöS (Forts.)
Definition von öffentlichen Merkmalen (vor allem für wirtschaftliche Einheiten) bzw. einer Beschränkung des Schutzes auf privatrechtliche Einheiten (wird durch nationale Datenschutzregeln vorbestimmt)
Sichtbarmachung des SöS für Benützer und Befragte im Sinne der vierfachen Garantie der Resultate (Abgrenzung gegenüber statistischen Dienstleistungen) bzw. der Einhaltung des Statistikgeheimnis
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Glaubwürdigkeit des SöS Vorkommnisse bei einem Produzenten,
die einen negativen Effekt auf dessen Glaubwürdigkeit haben, unterminieren das Vertrauen in das ganze System
Glaubwürdigkeit ist ein Kapital, das eine lange Entstehungszeit hat, aber schnell verloren gehen kann; deshalb ist die Einhaltung der Prinzipien durch alle Produzenten eines SöS kontinuierlich zu überprüfen
Glaubwürdigkeit des NSI entscheidend für diejenige des nationalen SöS 30
Glaubwürdigkeit des SöS (Forts.) Ausdehnung dieser Glaubwürdigkeit auf
die statistischen Organisationseinheiten von anderen Teile der Verwaltung, die in der Öffentlichkeit vor allem durch ihre politischen bzw. administrativen Aufgaben bekannt sind, ist schwierig
Falls die systeminternen Überprüfungen als zu weich empfunden werden, könnte der Ruf nach externer Überprüfung/Zertifizierung laut werden
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Un grand merci pour votre attention!
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