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1 LOGISCHES SCHLIESSEN Wie ziehen Menschen im Alltag logische Schlüsse? Ursprüngliche Annahme: Logische Regeln sind (vielleicht etwas idealisierte) Regeln des Denkens z.B. John Stuart Mill (1843), Ziehen gültiger Schlüsse für viele kognitive Prozesse relevant, z.B. Feststellung, ob ein Objekt eine bestimmte Eigenschaft hat oder nicht, Planung, Kommunikation, Rekonstruktion aus dem Gedächtnis, Problemlösen, Vorhersagen, .....

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LOGISCHES SCHLIESSEN

• Wie ziehen Menschen im Alltag logische Schlüsse?• Ursprüngliche Annahme: Logische Regeln sind (vielleicht etwas

idealisierte) Regeln des Denkensz.B. John Stuart Mill (1843),

• Ziehen gültiger Schlüsse für viele kognitive Prozesse relevant, z.B. Feststellung, ob ein Objekt eine bestimmte Eigenschaft hat oder nicht, Planung, Kommunikation, Rekonstruktion aus dem Gedächtnis, Problemlösen, Vorhersagen, .....

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Vorschau

• Logik: Einfache Aussagenlogik Syllogismen

empirisch• Fragen für Denkpsychologie - zentrale theoretische Ansätze• Konditionale Schlüsse• Wason-Selektion Task• Theorien der Abstrakten Regeln• Modell-Theorie • Bereichspezifische Regel-Theorien• Analogieschlüsse

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LOGISCHE SCHLUSSREGELN (Beispiele)

  EINFACHE AUSSAGENLOGIK

  P, Q …. Aussagen (Sätze) (es regnet, Saddam Hussain singt an der Met,…)

  Aussagen können wahr sein (w) oder falsch (f)

  Logische Operatorenwirken auf Sätze, kombinieren Sätze

  Verneinung: nicht P P nicht P  w f  f w

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  Disjunktion: oder (inklusives oder)  P Q P oder Q  w w w  w f w  f w w  f f f

Konjunktion: und

P Q P und Q

w w w

w f f

f w f

f f f

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  Beispiel: Wenn es regnet, dann ist die Strasse nass  es regnet die Strasse ist nass wenn es regnet,

dann ist die Strasse nass  w w w  w f f  f w w  f f w

  Implikation: wenn P, dann Q  P Q wenn P, dann Q  w w w  w f f  f w w  f f w

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  Äquivalenz: P dann und nur dann, wenn Q

  P Q P dann und nur dann, wenn Q  w w w  w f f  f w f  f f w

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SCHLUSSREGELN

MODUS PONENS

Prämissen (voraussetzungen):

Wenn P, dann Q Wenn heute Sonntag ist, dann habe ich frei

P heute ist Sonntag

_______________ _________________________

Konklusion (Schlussfolgerung):

Q ich habe frei

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MODUS TOLLENS

Prämissen Voraussetzungen):

Wenn P, dann Q Wenn heute Sonntag ist, dann habe ich frei

nicht Q ich habe nicht frei

_______________ _________________________

Konklusion (Schlussfolgerung):

nicht P heute ist nicht Sonntag

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UNGÜLTIGE SCHLUSSFORMEN:

Falsche Negation der Konsequenz

Prämissen:

Wenn P, dann Q Wenn heute Sonntag ist, dann habe ich frei

nicht P heute ist nicht Sonntag

_______________ _________________________

Konklusion:

nicht Q ich habe nicht frei

( Konklusion folgt nicht logisch zwingend aus Prämissen!)

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Falscher Schluss auf Antezedens (Vordersatz)

Prämissen:

Wenn P, dann Q Wenn heute Sonntag ist, dann habe ich frei

Q ich habe frei

_______________ _________________________

Konklusion:

P heute ist Sonntag

( Konklusion folgt nicht logisch zwingend aus Prämissen!)

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SYLLOGISMEN

Schlussregeln mit Unterscheidung von Aussagen, die für alle Elemente einer Menge gelten, von solchen, die nur für einige Elemente (mindestens eines) gelten.(Quantoren)

Beispiele:

Alle B sind C

Einige A sind B_________________

Einige A sind C

alle Fribourger sind Schweizer

einige Psychologen sind Fribourger___________________________

einige Psychologen sind Schweizer

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Einige B sind C

Einige A sind B________________

Einige A sind C

Einige B sind nicht D Alle B sind C _________________

Einige C sind nicht D

einige Fribourger sind Studenten

einige Schweizer sind Fribourger___________________________einige Schweizer sind Studenten

einige Schweizer sind nicht Bankiers

alle Schweizer sind Europäer___________________________einige Europäer sind nicht Bankiers

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Einige B sind C

Einige A sind B________________

Einige A sind C

einige Bayern sind Päpste

einige Frauen sind Bayern___________________________

einige Frauen sind Päpste

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Alle B sind CEinige A sind B______________Einige A sind C

B

C

A

Darstellung von Syllogismen in Form von

Venn - Diagrammen

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Einige B sind CEinige A sind B_____________Einige A sind C

B C A

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Einige B sind nicht DAlle B sind C__________________Einige C sind nicht D

B

C

D

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WICHTIGE FRAGEN FÜR DENKPSYCHOLOGIE:

• Weichen Menschen von logischen Schlussregeln ab?

• Wenn ja, warum?

zwei zentrale theoretische Ansätze zur Erklärung

Regeltheorien

Mentale Modelle

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Regeltheorien - Schlussfolgern aufgrund von Regeln z.B. Braine (1978,…..)

• Menschen besitzen allgemeine Schlussschemata oder -regeln.

• Je nach Theorie: abstrakt oder domainspezifisch (bereichsspezifisch),

Menschen wenden derartige Regeln an beim Schliessen domainspezifische Regeln sind sensitiv für den Inhalt

• Abweichungen, weil Aufgabe in natürlicher Sprache vorgegeben. Bei Enkodierung der natürlichen Sprache “Übersetzungsfehler” möglich Überlastung des Arbeitsgedächtnisses (z.B. bei komplexen Regeln)

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Schlussfolgern mithilfe Mentaler ModelleJohnson-Laird (1983,...)

Menschen konstruieren aus den vorgegebenen Aussagen ein Mentales Modell (z.B. räumliche Anordnung).

Schlüsse werden dann mithilfe der Information aus dem Mentalen Modell gezogen.

Fehler, wenn zu viele Modelle gleichzeitig (Überlastung)

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Implikation: wenn P, dann Q

(Äquivalenz: P dann und nur dann, wenn Q ) P genau dann, wenn Q

Schlüsse auf der Basis der Implikation, z.B.

P ist wahr, ist dann auch Q wahr?

P ist nicht wahr, ist Q wahr? etc.

Welche gültigen bzw. ungültigen Schlussformen verwenden Menschen?

Konditionale Schlüsse

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Typisches Experiment:

• Vp werden konditionale Aussagen vorgegeben, z.B.

Wenn es regnet, ist die Strasse nass Es regnet

• Anschliessend Frage: Ist die folgende Aussage richtig? Die Strasse ist nicht nass

• Varianten: freie AntwortAuswahl aus vorgegebener Liste

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Vier Schlussformen

gültig

MODUS PONENS

Wenn P, dann Q; P daraus folgt Q

MODUS TOLLENS

Wenn P, dann Q; nicht Q daraus folgt nicht P

ungültig

FALSCHE NEGATION DER KONSEQUENZ

Wenn P, dann Q; nicht P daraus folgt nicht Q

FALSCHER SCHLUSS AUF ANTEZEDENS

Wenn P, dann Q; Q daraus folgt P

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Typisches Ergebnis - hier aus Marcus & Rips (1979)

0102030405060708090

100

Modusponens

Modus tollens falscher Schlauf

Antezedens

falscher Schlauf

Konsequenz

% Anwendung (korrekt bei MP und MT)

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Fehler werden nicht in allen Fällen gemacht

KONTEXT - EFFEKTE bei Konditionalen Schlüssen:

Kontext-Effekte entstehen durch zusätzliche Information

z.B.: Vorgabe alternativer Antezedens-Sätze kann Fehler verringern. (Markovits, 1984, 1985; Rumain et al., 1983)

- es wird gezeigt, dass Q eine Konsequenz von mehreren Antezedens-Sätzen sein kann

Beispiel:

Wenn P, dann Q Wenn es regnet, dann ist sie nass

Wenn R, dann Q Wenn es schneit, dann ist sie nass

Q Sie ist nass

______________ ____________________________

? ?

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Allerdings durch anderen Kontext auch zusätzliche Fehler

Byrne (1989) zusätzliche (additionale) info, die als zusätzliche Bedingung interpretiert wird:

Wenn sie eine Seminararbeit schreiben muss, dann arbeitet sie lange in der Bibliothek

Wenn die Bibliothek offen bleibt, dann arbeitet sie lange in der Bibliothek

Sie muss eine Seminararbeit schreiben

_____________________________________________

?

Struktur gleich wie vorher: Wenn P, dann Q Wenn R, dann Q P :

?

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Ergebnis aus Byrne (1989)

0102030405060708090

100ohnealternativadditional

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Syllogismen

Menschen machen häufig Fehler

z.B.: Einige B sind C Einige A sind B ________________ Einige A sind C

häufig als gültiger Schluss akzeptiert

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Klauer, Musch & Naumer (2000): Effekt der Basisraten

gaben Vpn Syllogismen vor: ½ gültig – ½ ungültig

Info für Vpn: getestete Syllogismen sind Zufallsstichprobe aus grosser Zahl von SyllogismenUV 1 (zwei Gruppen): wieviele der Syllogismen sind gültig (Basisrate) Gruppe 1: 1/6 gültig

Gruppe 2: 5/6 gültigUV 2: hohe / geringe Glaubwürdigkeit der Schlussfolgerungen

z.B.: einige Fische sind keine Forelleneinige Forellen sind keine Fische

Beide UVn zeigen erwarteten Effekt:Schlussfolgerungen mit hoher Glaubwürdigkeit öfter als gültig beurteiltGruppe mit 5/6 Basisrate beurteilt öfter als gültig

Resultat zeigt, wie unsicher wir im Umgang mit Syllogismen sind

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Atmosphären-Effekt (Woodworth & Sells, 1935 Chater & Oaksford, 1999)

Form der Prämissen beeinflusst Erwartungen über Form der Konklusion

z.B.: alle – alle alleeinige – einige einige

“Übersetzungs”-Fehler (z.B.: Chapman & Chapman, 1959) “alle A sind B” gleichgesetzt mit “alle B sind A” “einige A sind keine B” mit “einige B sind keine A”

BAA B

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Wason Selektion Task

Aufgabe, die das Verständnis von Konditionalen Schlüssen (Wenn ... dann ...) erfordert.

Basis-Version

Welche der 4 Karten müssen unbedingt umgedreht werden, um folgende Regel zu testen?

Falls ein Vokal auf der einen Seite ist (=P), dann ist eine gerade Zahl auf der anderen Seite (=Q)

P nicht-P nicht-Q Q

E K 7 4

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Implikation: wenn P, dann QP Q wenn P, dann Q

w w ww f ff w wf f w

• um festzustellen, ob Regel Wenn P, dann Q erfüllt ist, Konzentration auf Fälle, in denen sie falsch werden kann (2. Zeile der Wahrheitstafel)

•wenn P wahr prüfen, ob Q wahr oder falsch•wenn Q falsch prüfen, ob P wahr oder falsch

•Typisches Resultat:

nur wenige Vpn wählen korrekte Karten ( E und 7) ( P und nicht-Q )

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Johnson-Laird & Wason (1970) (4 Experimente)

128 Vpn

E + 7 5 (4%)

E + 4 59 ( 46%)

E 42 ( 33%)

E + 4 + 7 9 (7%)

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Erklärung von Wason:

Confirmation-Bias (bias = Verzerrung): Meiste Vpn versuchen, Regel zu bestätigen -- nicht, zu falsifizieren. (Analog zum 2-4-6 Problem).

Daher: E gewählt, um zu prüfen, ob gerade Zahl auf der anderen Seite 4 gewählt, um zu prüfen, ob Vokal auf der anderen Seite

Problem mit dieser Erklärung:

• Auch andere Ursache möglich: ungünstige Teststrategie beim Falsifikationsversuch

• Empirische Ergebnisse mit konkreter Formulierung: Wieso tritt Fehler dabei nicht auf

• (Generelles Problem von Confirmation biases: Vpn müssten eigentlich richtige Lösung kennen!)

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Matching Bias (Evans, 1984, 1998)

Menschen wählen Karten mit Symbolen, die in Regel genannt werden.

z.B. im Beispiel: Vokal und gerade Zahl: E und 4

Problem: Matching Bias kann Verhalten in realistischer Version nicht erklären

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Realistische Einkleidung des Wason Selection Tasks

Es ist zu prüfen, ob alle Briefe richtig frankiert sind.

Jeder Brief ist zugeklebt (P) oder offen (nicht P)Jeder Brief entweder eine 4d-Marke (nicht-Q) oder eine 5d-Marke (Q)

Regel: Wenn ein Brief zugeklebt ist, dann muss er mindestens eine 5d Marke haben.

Welche der vier Briefe müssen unbedingt kontrolliert (umgedreht) werden?

B.StuckiBern

4F. AebyFribourg

5

P nicht-P Q nicht-Q

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Resultat

Johnson-Laird, Legrenzi & Legrenzi (1971):

92% korrekt (22 von 24) korrekt

Resultat (geringe Fehlerzahl bei realistischer Einkleidung des Wason-Task)

mit anderen realistischen Aufgaben bestätigt.

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Erklärung

• Erfahrung (memory-cueing hypothesis) /Griggs, 1983)

realistische Einkleidung und Erfahrung allein als solche nicht ausschlaggebend (siehe Eysenck & Keane, 2000)

• Deontische Struktur (Normen, Regelung, Erlaubnis) realistische Versionen scheinen alle eine deontische Form zu suggerieren (Verbot, Gebot, Erlaubnis) (Manktelow & Over, 1991): Wenn du P tust, dann musst du Q ( Aussageform: Wenn P, dann Q)

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Kritisches Experiment von Cheng & Holyoak (1985)

Schlussfolgerung sollte erleichtert werden, wenn spezielles deontisches Schluss-schema ausgelöst:

Erlaubnis-Schema: Wenn Du die Bedingung X erfüllst, dann darfst Du Y tun.

Aktivierungsprozess des Schemas beeinflussbar durch - Problemstellung - ob Anwendung eines Schemas in der Situation ausreichend begründet ist

Daher: Bei identischer Problemstellung sollte Schwierigkeit eines Schlusses mit Begründbarkeit variieren

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UV 1: 2 Versionen des Wason Selection Tasks:

• Version 1: Post

• Version 2: Passagier-Formulare auf dem Flughafen: Vp agiert als Zollbeamter/in. Passagiere müssen ein Formular vorweisen.

Regel: Wenn ENTERING auf der Vorderseite, muss auf der anderen Seite CHOLERA auf der dort angeführten Liste von Krankheiten vorhanden sein.

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UV 2: Begründung gegeben oder nicht

Begründungen (für die Anwendung des Schemas):

•Post: Zugeklebte Briefe haben höheren Status als offene, daher teurer.

•Cholera: Formular enthält auf Rückseite die Liste der Krankheiten, gegen welche diese Person geimpft wurde.

2 Gruppen von Vpn mit unterschiedlicher Erfahrung

Hongkong: Post-Regel bekannt Passagier-Regel unbekannt

Mich., USA: Post-Regel unbekanntPassagier-Regel unbekannt

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Hypothesen:

•Einführung einer Begründung sollte zur Verbesserung der Leistung führen, bei unbekannten Regeln

•Für Vpn aus Hongkong sollte zusätzliche Begründung bei Post-Aufgabe

keinen Effekt haben (weil Post-Regel und ihre Begründung ohnehin bekannt ist).

Resultat:

•Hypothesen bestätigt:

•Deontische Struktur scheint ausschlaggebend zu sein

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Resultate aus Cheng & Holyoak (1985)

0102030405060708090

100

KeineBegründung

Begründung

HK-Brief

HK-Cholera

Mich-Brief

Mich-Chol

% korrekt

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•Menschen schliessen rational mithilfe einer Mentalen Logik: abstrakte, logikartige Regeln (z.B. Modus Ponens), konkreter Inhalt wird nicht beachtet

•Fehler entstehen u.a. beim Enkodieren durch Missverstehen oder Fehlinterpretation, z.B.:

Übersetzen der Alltagssprache in formale Sprache(Sie ist Schweizerin, aber sie mag keinen Käse)

Falsche logische Operatoren wegen inhaltlicher Annahmen(Wenn Du meinen Rasen mähst, bekommst Du 10 Fr) Wird als Äquivalenz interpretiert

Inhaltliche Annahmen aus Weltwissen(Sie kann nur dann in Bibliothek arbeiten, wenn diese geöffnet)

Theorie der Abstrakten Regeln

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Abstract-rule Theory von Braine & O’Brien (z.B. 1991)

Die in der natürlichen Sprache formulierten Prämissen werden enkodiert (Verstehens-Mechanismus).

Resultierende Repräsentation im Arbeitsgedächtnis.

Beim direkten Schliessen: Abstrakte Regeln angewandt auf die Prämissen, um Konklusion abzuleiten.

Anwendung dieser Regeln wird durch ein Kontroll- und Koordinations”programm” koordiniert (z.B.: Auswahl der relevanten Schlussregel an bestimmtem Punkt)

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drei Typen von Fehlern: 1 Fehler beim Enkodieren (Verstehen) 2 Fehler bei der Koordination 3 Verarbeitungsfehler aufgund von Aufmerksamkeitsfehlern, Problemen mit Arbeitsgedächtnis

indirektes Schliessen bei Problemen ausserhalb des Üblichen Schluss-Probleme (z.B. abstrakte Version des Wason-Selektion Tasks: hier besteht die Aufgabe darin, Testinstanzen zu finden)

Menschen wenden an und lernen andere nicht-logische, bereichsspezifische Regeln (kann zu systematischen Verzerrungen führen)

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ANWENDUNG AUF KONDITIONALE SCHLÜSSE

Theorien der Abstracten Regeln nehmen an Regel wie Modus Ponens

bei Ketten von Wenn-dann Prämissen muss Regel wiederholt angewendet werden Zwischenergebnisse müssen gespeichert werden

Wenn ich hungrig werde, wenn P, dann Q dann gehe ich spazieren;

Wenn ich spazieren gehe, wenn Q, dann R dann fühle ich mich besser;

ich bin hungrig P

je länger die Kette, desto eher Fehler

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Ketten von Schlussfolgerungen

Braine et al (1984)

Zuerst einfstufige Schlussfolgerungen (Thema: Buchstaben auf Tafel)

z.B.:Wenn ein T da ist, gibt es ein L

Ein T ist da Ist ein L da?

einstufige Schlussfolgerungen werden praktisch fehlerfrei durchgeführt (Schwierigkeitsmessungen bei verschiedenen Schlussarten

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Bearbeitung von mehrstufigen SchlusskettenAbhängige Variablen zur Bestimmung der Problemschwierigkeit:

FehlerzahlReaktionszeitsubjektive Schwierigkeit

Vorhersage der Schwierigkeit mehrstufiger Schlussketten aus der Schwierigkeit der beteiligten einstufigen Schlüsse (additiv)

Resultat: Hohe Korrelation zwischen vorhergesagter und beobachteter Schwierigkeit mehrstufiger SchlusskettenStützt Regel-Theorie

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Modus Tollenskeine eigene Regel verfügbarWenn-dann - Satz muss zuerst “umgedreht” werden, dann Modus Ponens: ( d.h.: mindestens zwei Schritte notwendig)Wenn es regnet, ist die Strasse nass Wenn die Strasse nicht nass ist, regnet es nicht

Falsche Negation der Konsequenz Falscher Schluss auf AntezedensEnkodierungsfehler z.B. Äquivalenz statt Implikation Annahme, dass “es regnet” die einzige Ursache ist, etc.

Kontext-Effekte ebenfalls durch Enkodierung erklärt

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Nach Braine & O’Brian: abstrakter Wason Selection Task gehört nicht zu den üblichen Schluss-Problemen - daher Fehler

Gültigkeit von Regel (entspricht Wahrheitswert von Aussage) mit unsicherer Gültigkeit (=unsicherer Wahrheitswert) soll geprüft werden

Testinstanzen müssen gefunden werden(um zu sehen, ob Regel stimmt)

In deontischer Version sollen Vpn Verletzung von Regeln feststellen, deren Wahrheitswert nicht zur Debatte steht

dies einfacher - entspricht besser “normalen” Schlussaufgaben

(Testinstanzen, um zu sehen, ob Regel verletzt wird)

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Hauptprobleme der Abstract-rule Theorie

Verstehens-Mechanismus beim Enkodieren nicht spezifiziert z.B. unterschiedliche Wirkung des Kontexts wann wird welche Interpretation gemacht, wann andere? Verstehensfehler werden “ad-hoc” zur Erklärung eingeführt

Nur für einfache Aussagenlogik formuliert Generalisierbarkeit auf andere Logikbereiche unklar

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Johnson-Laird (z.B. 1983), Byrne

Schliessen aufgrund mentaler Modelle

Menschen konstruieren mentale Repräsentation aufgrund der Prämissen und des Weltwissens. Dabei werden logische Beziehungen häufig in räumliche übersetzt:

Fritz ist grösser als Max: FritzMax

Max ist grösser als Beat Max

Beat

Kombination der beiden Modelle: Fritz Max

Beat

Ist Beat grösser als Fritz? Schlussfolgerung direkt ablesbar

Modell - Theorie

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zusätzliche Information:

Max ist grösser als Florian

3 Möglichkeiten (mögliche Modelle):

Fritz Fritz Fritz

Max Max Max

Beat Beat Florian Florian

Florian Beat

Ist Beat grösser als Florian?

Kann nicht eindeutig beantwortet werden

( Potts, 1975)

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Modell-Theorie des Schliessens

•Deduktives Schliessen umfasst drei Prozesse: - Verstehen der Prämissen, um Modell zu bilden - Beschreiben und Kombinieren von Modellen, um eine Konklusion zu ziehen - Validierung der Konklusion durch Elimination alternativer Modelle

•Zum Verstehen der Prämissen: verschiedene semantische Prozeduren und Hintergrundwissen Die Modelle sind spezifisch: Enthalten nicht Variablen, sondern Mentale Token (individuelle ‘mentale Platzhalter’), z.B. visuelle Vorstellungen, oder abstrakte mentale Token. Modelle sind strukturanalog (d.h. bestimmte Eigenschaften der realen Welt werden abgebildet, z.B. räumliche Anordnung)

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• Gibt es mehrere Prämissen, müssen deren Modelle zu (einem) integrierten Modell(en) zusammengefasst werden - möglichst sparsame Beschreibung Konklusion auf Basis des intergrierten Modelles

Validierung der Schlussfolgerung über Suche nach Gegenbeispielen oder alternativen Modellen. Wenn kein derartiges Modell gefunden, Konklusion gültig. Wenn ein falsifizierendes Modell gefunden, weitersuchen nach Konklusion, die in allen Modellen gültig ist.

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Syllogismen

z.B.: Prämisse 1:

Einige Künstler sind Imker Einige A sind B

Menschen konstruieren Initialmodelle mit Beispielen:

Künstler 1 Imker 1 zwei Modelle ausgearbeitetKünstler 2 Imker 2

•••

“•••” charakterisiert weitere mögliche ModelleDieses implizite Modell zunächst nicht ausgearbeitet, aus Gründen der Sparsamkeit

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Beispiel für mögliche weitere Modelle:

Künstler 3

( “Künstler 3“ designiert Individuum, das Künstler ist, aber nicht Imker )

Diese Repräsentation = korrekte Interpretation der Prämisse: Einige A sind B

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Erklärung für Fehler beim Schliessen

• Übersetzungsfehler

• Mangelnde Ausarbeitung von Modellen (Übersehen)

• Überforderung der Kapazität durch zu viele Modelle

• Modell empirisch gut bestätigt

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• Hauptprobleme der Modelltheorie

• Bei verschiedenen Problemen verschiedene Formulierungen mit unterschiedlicher Zahl von Modellen möglich- macht Vorhersagen basierend auf der Zahl der Modelle beliebig

( Notwendig: Regeln für Konstruktion von Modellen )

• Prozess der Validierung nicht ausreichend ausgearbeitet

• Prozess des Übersetzens / Verstehens nicht spezifiziert

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• weniger allgemein als die beiden anderen Ansätze

• Konzentrieren sich auf Effekte der verschiedene Versionen des Wason-Selection Task

• Die meisten Bereichsspezifische Regel -Theorien nehmen 2-Komponenten Prozess an:generelle (abstrakte) Komponente wird vonbereichspezifischen Regeln unterstützt

BEREICHSSPEZIFISCHE REGEL - THEORIEN (domain-specific)

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•Pragmatische Schluss-Schemata:Bereichspezifische Regeln für Erlaubnisse und Verpflichtungen

Cheng & Holyoak (1985), Cheng, Holyoak &, Nisbett & Oliver (1986)

“Pragmatische” Schluss-Schemata, weil sensitiv für konkrete Situation

Vier Schemata für Wenn-Dann Beziehungen im Zusammenhang mit Handlungen(Erlaubnis- und Verbots/Verpflichtungsregeln):

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• Wenn eine Handlung ausgeführt werden soll, müssen die Vorbedingungen erfüllt sein

• Wenn eine Handlung nicht ausgeführt werden soll, brauchen die Vorbedingungen nicht erfüllt zu sein

• Wenn die Vorbedingungen erfüllt sind, kann die Handlung ausgeführt werden

• Wenn die Vorbedingungen nicht erfüllt sind, darf die Handlung nicht ausgeführt werden

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Z.B. aus dem Alltag:

• Wenn Du an der Universität studieren willst, musst Du die Matura bestanden haben.

• Wenn Dir Kollegin A etwas zu Deinem Geburtstag schenkt, musst Du ihr auch etwas zu ihrem Geburtstag schenken.

• (Wenn Du den Brief zukleben willst, musst Du die teurere Marke daraufkleben) In Situationen, wo Schemata nicht appliziert werden können: Abstrakte Regeln oder ander Schlussstrategien

Fehler: wenn Situationen nicht leicht in pragmatisches Schluss-Schema eingeordnet werden können, oderwenn Regeln eines Schemas nicht mit logischen Regeln übereinstimmen.

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Theorie der Soziale Kontrakte - Cosmides (1989)

Menschen verfügen über Regeln (“Darwin’sche Algorithmen), die ihre Fähigkeiten maximieren, Ziele in sozialen Situationen zu erreichen.

Evolutionäre Ausformung derartiger Regeln.

Cosmides konzentriert sich auf Situationen, wo Menschen zum gegenseitigen Vorteil kooperieren müssen:

Sozialkontrakt-Situationen (Untermenge des Erlaubnis Schemas)

Standard Sozialkontrakt: Wenn Du einen Vorteil annimmst, dann musst Du die Kosten bezahlen.

Umgedrehter SozialkontraktWenn Du die Kosten bezahlst, dann hast Du einen Anspruch auf den Vorteil.

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Annahme

In der Evolution nicht nur diese Regeln herausgebildet,sondern auch Mechanismen, die erlauben, Menschen zu entdecken, die einen sozialen Kontrakt brechen:

Betrug-Entdeckungs Algorithmus

Anwendung auf Wason-Selektion Task (realistische Version):

Standard-Sozialkontrakt + Betrug-Entdeckungs Algorithmus: korrekte Antwort

Umgedrehter Sozialkontrakt + Betrug-Entdeckungs Algorithmus: korrekte Antwort wenig häufig

Betrug-Entdeckungs-Mechanismus spricht speziell an auf: P und nicht-Q

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Ansatz kann bestimmte Ergebnisse mit Wason Task erklären, aber nicht alle (z.B. deontische, die nicht in Form sozialer Kontrakte sind -

z.B. im Kaufhaus:

Wenn eine Rechnung 30$ überschreitet, muss sie vom Abteilungsleiter kontrolliert werden.)

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(komplexes) ProblemlösenWissenschaft (z.B. Atommodell, Triebmodelle)

Intelligenztests ( Grashalm : Wiese = ? : Wald )

Kreativität

[ Analogieschlüsse in Literatur oft unter: Induktives Schliessen bei Eysenck & Keane (20055) im Kapitel 14: Creativity and discovery ]

ANALOGIESCHLÜSSE

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Analoges Denken involviert: Abbildung der konzeptuellen Struktur aus Modell-Gegenstandsbereich (base domain) in einen Ziel-Gegenstandsbereich (target domain) (z.B.: Planetensystem als base-domain Atomaufbau als Ziel-Gegenstandsbereich)

Zwei zentrale Prozesse:

1 Analogie-AbrufGegenstandsbereich muss gefunden werden, der zum Problem passt

2 Analogie-Abbildungkorrespondierende Konzepte in beiden Bereichen gesucht, d.h. gleiche Merkmale oder Relationen in beiden Gegenstandsbereichen ( matching )

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O

gelb heiss massiv

Sonne

umkreist massiver-als zieht-an

Ursache

heisser-alszieht-an

zieht-an

Planet-i

Planet-j

zieht-an

A

umkreist

B

zieht-an massiver-als

Elektron-i

Atomkern

R E

S

O S OO

O

S OS

S

O O

OS

S

S

S

Sonnensystem Rutherford’sches Atommodell

Relationen 2. Odnung(zwischen Relationen)(Anziehung = Ursache für Umkreisen)

aus: Müsseler & Prinz (2002)

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Lösung: Mehrere schwache Strahlungsquellen, die im Tumor gebündelt werden

Ca. 10% der Vpn finden Lösung

Eher unsystematische Untersuchung zur Verbesserung der Leistung bereits von Duncker (Linsen-Analogie)

Arzt soll Tumor im Körperinneren durch radioaktive Bestrahlung zerstören.Sind die Strahlen stark genug, wird der Tumor zerstört, aber auch das umgebende Gewebe.Sind die Strahlen so schwach dosiert, dass das umgebende Gewebe nicht geschädigt wird, wird auch der Tumor nicht angegriffen.

Gick & Holyoak (1980, 1983): Experimente mit Strahlungsproblem (Duncker, 1945)

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Gick & Holyoak (1980, 1983): Können Vpn einen Analogieschluss von einem Problem auf das nächste herstellen?

UV: Teil der Vpn hörte und memorisierte vor Bestrahlungsproblem die Festungsgeschichte:

Ein General greift mit seinen Truppen eine Festung an. Er kann aber seine Truppen nicht auf einmal zur Festung bringen, da die Zufahrtsstrassen vermint sind, mit Minen, die auf grössere Menschenkonzentrationen ansprechen.Daher teilt er seine Truppen in kleine Gruppen auf, die auf verschiedenen Strassen zur Festung gelangen und sich dort versammeln.

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Resultate: % richtige Lösung

Vpn ohne Festungsgeschichte: ca. 10%

Vpn mit Festungsgeschichte: ca. 40% ohne Hinweis +Vpn mit Festungsgeschichte mit Hinweis auf mögliche Analogie : ca. 40%

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Generelle Ergebnisse:

• Mehrheit der Problemlöser scheint eher Schwierigkeiten zu haben, semantisch entfernte Analogien zu nutzen (ohne Hinweis).

• Inhaltliche Ähnlichkeit zwischen Gegenstandsbereichen erleichtert Abbildung

• Werden Teile des Gegenstandsbereiches betont oder als wichtig bezeichnet (z.B. Instruktion), werden sie eher in der Abbildung verwendet.