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1 Martin Wellenreuther Empirisch geprüfte Konzepte der Förderung in der Grundschule – eine Diskussion unter besonderer Berücksichtigung des Lesenlernens Vortrag in Eupen 9. 3. 2006

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Martin Wellenreuther

Empirisch geprüfte Konzepte der Förderung in der

Grundschule – eine Diskussion unter besonderer

Berücksichtigung des Lesenlernens

Vortrag in Eupen9. 3. 2006

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Motto des Vortrags

Evidenzbasierung statt Traditionsbasierung!

Warum?

Theoretische Beurteilungen stellen sich bei stren- gen Prüfungen häufig als falsch heraus

Viele „innovative“ Unterrichtsmethoden benachtei- ligen Kinder aus bildungsfernen Schichten

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ÜbersichtI. Heterogenität

II. Pädagogische Konzepte – empirisch bewährt?

III. Lesenlernen a) Entwicklungsstufen und Heterogenitätb) Förderung auf der Klassenebene

(Neuseeland)c) Individuelle Förderung (Reading Recovery)d) Forschungen zum Lesenlernen

IV. Konsequenzen

V. Anhang

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Sprachliche Fertigkeiten und soziale Herkunft (Mittelwerte für elterliches und kindliches Sprachverhalten (Hart & Risley, 1995, S. 176)

13 Familien aus höheren

Sozialschichten

23 Familien aus mittleren

Sozialschichten

6 Familien mit Sozialhilfe

Eltern Kind

(3. Jahr) Eltern Kind

(3. Jahr) Eltern Kind

(3. Jahr)

Ermittelter Wortschatz 2.186 1.116 1.49

8749 974 525

Anzahl der Äußerungen pro Stunde

487 310 301 223 176 168

Anzahl unterschied-licher Wörter pro Stunde

382 297 251 216 167 149

I. Heterogenität

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Zur Stabilität des Schulversagens:

Schwache Leser am Ende der 1. Klasse sind zu 88 % schwache Leser am Ende der 4. Klasse.

Durchschnittliche Leser am Ende der ersten Klasse sind zu 12 % schwache Leser am Ende der vierten Klasse (Juel 1988, zit. nach Schwartz 2005, S. 257)

Konsequenzen: Dies ist ein klassisches Beispiel für den Matthäus-Effekt: „Wer hat, dem wird gegeben“. Wer gut lesen kann, hat gute geistige Entwicklungsmöglichkeiten. Wer nicht gut und flüssig lesen lernt, dessen sprachlichen Fähigkeiten werden nicht hinreichend weiterentwickelt, z. B. entwickelt sich sein Sprachschatz nicht weiter (Cunningham & Stanovitch 1998; vgl. Folie 54 und 55).

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II. Pädagogische Konzepte

(1) Natürliches Lesenlernen - strukturiertes Lesenlernen (individualisiert, offen) (gleichschrittig...)

(2) Stationenarbeit - Direkte Instruktion

(3) Entdeckendes Lernen - Strukturierte direkte Instruktion

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individualisiert, offen - gleichschrittig; mögl. Differenzierung nach homogenen Leistungsgruppen

Lehrer als Lernbegleiter - Systematischer Aufbau, klare Schwierigkeitsstufung

Frühes Schreiben von Texten - Späteres Schreiben eigener Texte

Ganzwortlernen, Wörter aus - Alphabetisches Prinzip, Silbensegmen-Laut- und Kontexthinweisen tierung, Laut-Schriftzusammenhänge erschließen trainieren; keine Illusion einer laut- getreuen Schrift

(Aber: Es gibt erhebliche qualitative Unterschiede zwischen den Lehrgängen bzw. Fibeln. Im Rahmen eines „guten“ Lehrgangs muss viel mehr berücksichtigt werden; vgl. Anhang, (11), (12))

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Natürliches Lesenlernen - Strukturiertes Lesenlernen(z. B. Lesen durch Schreiben) (z. B. Lehrgang LolliPop)

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Ergebnisse: Vergleich strukturierter Lehrgang (LolliPop; W. Metze) und Rechtschreibwerkstatt (Sommer – Stumpenhorst), Ende 2. und 3. Klasse (vgl.http://wilfriedmetze.de/html/hessen.html)Anteil LRS-

KinderLesen Rechtschreiben

LolliPop 2. KL.

3. KL.

3 %3 %

5 %5 %

Recht-schreib- 2. KL.werkstatt 3. KL.

10 %9 %

23 %13 %

Kontroll- 2. Kl.gruppe 3. Kl.

10 %10 %

18 %23 %

Der Versuch war auf 2 Jahre angesetzt. Deshalb sind die Daten für das Ende des 2. Schuljahres maßgebend! (vgl. Anhang (1)) Unterschied in der Rechtschreibleistung signifikant, nichtsignifikant beim Lesen.

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Die Befundlage lässt sich in folgender Weise zusammenfassen:

1. Insgesamt: Keine einzige Untersuchung belegt die Überlegenheit der Methode „Lesen durch Schreiben“ hin, die Ergebnisse in den Fibelklassen sind meistens besser. Es gibt große Unterschiede in der Qualität der Fibeln.

2. Lesen durch Schreiben bringt die besten Ergebnisse bei Kindern des Bildungsbürgertums (vgl. Schneewind & Merkens 2004) und

3. führt zu einer schlechteren Förderleistung bei schwächeren Schülern bzw. bei Kindern mit Migrationshintergrund.

4. Bedeutsamer als die Methode (Lehrgang oder Lesen durch Schreiben) sind die kognitiven Voraussetzungen des Schülers und der Lehrer selbst.

Lesen durch Schreiben (Reichen)

Die Diskussion wird von Metze zusammengefasst. Metze ist Verfasser von drei Lehrgängen und insofern Partei. (vgl. http://www.wilfriedmetze.de/ neue Ergebnisse: Schriftspracherwerb).

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Stationenarbeit

PRO- Ist eine Abwechslung zum normalen Unterricht

- Schüler können die Reihenfolge selbst bestimmen

- Soll soziales Lernen fördern

- Wird vom pädagogischen Zeitgeist empfohlen

Kontra- Berücksichtigt nur sehr begrenzt Leistungsunter- schiede

- Wenig lernwirksam: Lehrer fehlt als Strukturierer, der Wichtiges hervorhebt und wiederholt, der schwächere Schüler zu einer Gruppe zusammenfasst und sie fördert. (Beleg: Hinrichs 2003)

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Stationenarbeit und direkte InstruktionQuasi-Experiment (vgl. Hinrichs 2003)

Vergleich zwischen: Vier Klassen mit Stationenarbeit und drei Klassen mit direkter Instruktion

Voraussetzungen in beiden Gruppen gleich, gleiche Aufgaben, Unterrichtseinheit „die Spinne“

Insgesamt 10 Unterrichtsstunden bzw. 10 Stationen à 1 Std.

Ergebnis: Stationenarbeit 21 Punkte, bei direkter Instruktion 32 Punkte; Unterschiede blieben auch im Behaltenstest stabil.Erklärung dieses Unterschieds? Wo liegen die wichtigsten Methodenunterschiede?

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Lernen benötigt:

• wiederholte Verdeutlichung der Struktur des Gegenstands (Zusammenfassungen, Strukturierungen an der Tafel)- ist bei Stationenarbeit gar nicht möglich

• zusätzliche Erklärungen für schwächere Schüler - geht bei Stationenarbeit nicht, weil die schwächeren Schüler an unterschiedlichen Stationen arbeiten

• eine didaktische Strukturierung / Sequenzierung- wegen beliebiger Reihenfolge der Bearbeitung der Stationen nicht möglich

Erklärung des Unterschieds

Fazit: Stationenarbeit scheint für wenige Stationen sinnvoll, wenn der Lehrer in die Struktur des Gegenstands einführt und diese am Ende nochmals verdeutlicht.

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(3)Entdeckendes Lernen

Pro

- Entdecken macht Spaß, fördert die Eigeninitiative

- Fördert Schüler mit guten Vorkenntnissen

- Passt zum konstruktivisti- schen Zeitgeist

Kontra

- Ist sehr zeitaufwendig

- Fördert nicht die schwächeren Schü- ler mit geringen Vorkenntnissen

- Nutzt nicht den Lehrer als profes- sionellen Erklärer; Erklärungen sind aber für das Lernen sehr bedeutsam (Belege: Perry 2000, Mayer, Sims & Tajika 1995, Tuovinen & Sweller 1999)

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Zwei Lernmethoden: - eine strukturierte Methode mit festgelegter Reihenfolge der Bearbeitung und Lösungsbeispielen

- eine offene Methode, in der die Schüler über die Reihenfolge der Bearbeitung selbst entscheiden konnten

Differenzierung nach Vorwissen - Eine Gruppe hatte kein Vorwissen in File-Maker Pro, die andere Vorkenntnisse in ähnlichen Programmen

Das Experiment von Tuovinen & Sweller

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Strukturierte Instruktion mit Lösungsbeispielen

Durch offene Fragen angereg-te Exploration

Keine vorherigen Erfahrungen mit einem Daten-bankprogramm

30 (16)(n = 8)

15 (10)(n = 9)

Vorherige Erfahrung ...

31 (13)(n = 8)

36 (15)(n = 7)

Ergebnisse des Experimentes (Tuovinen & Sweller 1999)

Durchschnittlich erreichte Punktzahl, in Klammern zugehörige Standard-abweichung und Stichprobengröße (n)Zur Bewertung der kleinen Stichproben vgl. Anhang, Folie 56 und 57)

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Interpretation der Ergebnisse

1. Bei fehlendem Vorwissen: Die strukturierte Vorgehensweise mit Lösungsbeispielen ist wirksamer, weil die Lernangebote aufeinander aufbauen.

2. Bei vorhandenem Vorwissen: Die offene Methode ist etwas günstiger (nichtsignifikant).Schüler können sich auf Wissenslücken konzentrieren.

Übertragen auf den Unterricht könnte das bedeuten:

- Die unstrukturierte Methode ist bei niedrigem Vorwissen unwirksam.

- Diese Methode benachteiligt Schüler mit niedrigem Vorwissen, also vor allem Schüler aus bildungsfernen Schichten...

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III. Lesenlernen

a) Entwicklungsstufen und Heterogenität

b) Best Practice Klassenunterricht in Neuseeland

c) Individuelle Förderung (Reading Recovery)

d) Forschungen zum Lesenlernen

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Sinnverstehendes LesenSetzt automatisiertes Lesen vorausMethode: Repeated Reading, Reading Theatre, Schnelllesen

Phonologisches Rekodieren (Phonologische Bewusstheit im engeren Sinne): Unterteilung eines Wortes in Silben, Alpabetisches Prinzip; Silben entsprechen bestimmten Lauten, die miteinander verbunden werden. Silben sind auf andere Worte transferierbar (vgl. Iversen & Tunmer 1993; Bhattacharya & Ehri 2004).Anlaut und Auslaut hören und differenzieren

kön-nen (Phon. Bewusstheit im weiteren Sinne): Reimspiele, Hördifferenzierung (vgl. Lundberg, Frost & Petersen 1988)

a) Entwicklungsstufen beim Lesenlernen

Ab 2. Schuljahr

1.Schuljahr

1.Vorschule / Kindergarten

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Heterogenität am Anfang der 2. Klasse Bei einigen Schülern ist die phonologische Bewusstheit im weiteren Sinne noch nicht ausreichend entwickelt.

Einige können bekannte Wörter sicher lesen, haben aber Schwierigkeiten mit dem Lesen fremder Wörter (Mehrheit der Schüler).

Einige können sicher, flüssig und sinnverstehend lesen.

Wie kann der Lehrer auf diese Heterogenität eingehen?

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b) Lesenlernen in Neuseeland

Zweistufige Förderung:

I. Klassenunterricht: Schüler werden in bis zu 7 homogene Leistungsgruppen zusammengefasst (Wilkinson & Townsend 2000).

II. Individuelle Förderung (Reading Recovery): Nach dem ersten Schuljahr erhalten die Schüler mit großen Schwierigkeiten beim Lesen und Schreibenlernen eine individuelle Förderung.

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Förderung im Klassenunterricht

1. Unterrichtsmaterialien in drei Schwierigkeitsstufen: (farblich gekennzeichnet und geordnet): Anfänger, erstes Lesen und flüssiges Lesen. Diese Gruppen werden noch weiter unterteilt.

2. Die Einstufung der Schüler:Aufgrund längerer Beobachtungen und Messungen werden die Kinder in bis zu sieben leistungshomogene Gruppen eingeteilt.

3. Lernziele des Leseunterrichts und zusätzliche Maßnahmen: Zum Ende des zweiten Schuljahrs jedes Kind zum Stadium des flüssigen Lesens zu führen.

Zusätzliche Maßnahmen: - Lehrer haben in der Klasse einen Lehrassistenten - bei besonderen Leseschwierigkeiten zusätzliche individuelle

Förderung ( Reading Recovery)

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Klassenmanagementprobleme:

Der Lehrer erläutert am Anfang einer Stunde die Aufgaben der einzelnen Gruppen anhand einer schriftlichen Übersicht (vgl. Wilkinson & Townsend, 2000, S. 460).

Dies setzt feste Routinen voraus:

- Bei Schulbeginn setzen sich alle vorne im Halbkreis, Begrüßung, Besprechung neuer Ereignisse, Wetterdaten feststellen, Buchstaben der Woche, Blend of the week (Vokalkonsonantkombination, z. B. „and“)

- Verteilung von Aufgaben für die verschiedenen Leistungsgruppen

- Kinder sollen täglich eine Geschichte schreiben, auch wenn sie nicht alle Buchstaben bzw. Wörter schreiben können (Technik: Eine Zeile schreiben, dann Leerzeile für Korrekturen... (Beleg: Praktikumsbericht J. Nedden)

Fazit: Die Förderung im Klassenunterricht kann verbessert werden durch direkte Instruktion mehrerer leistungshomogener Gruppen und

durch Einführung fester Routinen.

Lernsteuerung erfolgt dabei durch Mastery-Tests!

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- Die leseschwächsten Schüler werden durch genaue Beobachtung im ersten Schuljahr festgestellt.

- Kinder mit verzögertem Lernen werden dann bei Beginn ihres zweiten Schuljahres bis zu 20 Wochen lang jeden Tag

30 Minuten individuell gefördert.

Ziel: Die Kinder so lange individuell zu fördern, bis sie dem

normalen Klassenunterricht folgen können.

c) Individuelle Förderung durch Reading Recovery

Problem: Auch bei verbessertem Leseunterricht in der Klasse reicht

die Förderung für die schwächsten Schüler nicht aus.

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Eine typische Tutorenstunde (30 Min.) sieht nach Clay wie folgt aus (1993, S. 14):

• Nochmaliges Lesen in zwei oder mehr bekannten Büchern, danach nochmaliges Lesen des gestern neu eingeführten Buches und Erstellen einer Leistungsbeschreibung

• Buchstabenerkennen (Plastikbuchstaben an Magnettafel und/ oder Worte zusammenstellen und Zergliedern in Buchstaben oder Silben)

• Eine Geschichte schreiben (einschließlich Hören und Identifizieren von Lauten in Wörtern), Geschichte zerschneiden, neu zusammensetzen

• Einführen eines neuen Buches, Leseversuch mit dem neuen Buch

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Reading Recovery

Stärken• Hat eine hohe Wirksamkeit

• Es gibt präzise Vorgaben für die Zusatzausbildung von Lehrern

• Motivation durch Arbeiten mit „echten“ Büchern

• Frühzeitiges Schreiben eigener

Geschichten

• Abwechslungsreiche Strukturierung jeder Sitzung

• Einbau verschiedener Möglichkei-ten zu wiederholtem Lesen

Schwächen• Zu ganzheitlich: Ganze Wörter

werden aus Kontexthinweisen erraten, nicht aufgrund von Buchstaben- und Silbenanalyse.

• Zu teuer: Bei leichten Modifikationen im Programm könnte man zwei oder drei Schüler gleichzeitig fördern.

• Zu starr: Aufgrund von Forschung erforderliche Änderungen im Programm erfolgen nicht oder sehr spät.

• Methodisch sind einige Untersuchungen zum RR problematisch.

Wenn diese Kritikpunkte berücksichtigt werden, dann handelt es sich um ein wirksames Programm für die schwächeren

Leser.

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1) Phonologisches Rekodieren - Iversen & Tunmer 1993: Umgang mit Phonogrammen- Bhattacharya & Ehri 2004: Übungen zum Silbensegmentieren vs. Ganzwortlesen

2) Flüssiges Lesenlernen durch - Reading Theatre - Wettbewerbsspiele zum Schnelllesen

d) Empirische Forschungen

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Iversen & Tunmer (1993): Arbeiten mit Phonogrammen

These: Die Wirksamkeit von Reading Recovery kann durch eine stärkere Betonung des phonologischen Rekodierens erhöht werden.

Man arbeitete verstärkt mit Phonogrammen, z. B. in Wortfamilien wie „ight“ (light, fight, might und sight). Dadurch wird die Differenzierung von Anlaut und Reim (Auslaut) gestärkt.

Vergleich: - Traditionelles Reading Recovery - Reading Recovery + Arbeit mit Phonogrammen (andere Trainingselemente wurden gekürzt)

- untrainierte Vergleichsgruppen

Genaueres zur Trainingsmethode s. Anhang (3)

1 Phonologisches Rekodieren

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Ergebnisse:

Die leseschwächsten Schüler benötigten bei stärkerer Betonung des phonologischen Rekodierens nur noch 42 Trainingssitzungen statt 57 Trainingssitzungen.

Fazit:

Systematisch strukturierte Förderprogramme mit starker Betonung phonologischen Rekodierens (z. B. Arbeiten mit Phonogrammen) sind anderen Programmen überlegen (z.

B. Ganzwortmethode, Ansatz von Reichen, Erfahrungsansatz). In der Grundlagenforschung ist das

vielfältig belegt.

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Silbensegmentieren - Ganzwortlesen (Bhattacharya & Ehri 2004)

Übung in der Versuchsgruppe: An jedem der vier Trainingstage übten die Schüler jeweils 25 Wörter, indem sie diese in Silben aufteilten. Die Wörter wurden auf einer 3 x 5 Inch-Indexkarte jeweils einzeln in insgesamt vier Lernversuchen präsentiert. Bei den verschiedenen Durchgängen wurden immer zufällig verschiedene Anordnungen der Wörter vorgelegt:

Zentrale Gesichtspunkte:- Wiederholtes (4 x) Gliedern und aktives Zusammenstellen von Wörtern aus Buchstaben und Silben - Aktives Verknüpfen von Lauten und Silben

Training in der Versuchsgruppe, s. Anhang, (4), (5) und (6).

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Kontrollgruppe Ganzwortlesen. Es wurden die gleichen Wortlisten in verschiedenen Durchgängen als ganze Wörter gelesen. Korrigierende Rückmeldungen wurden ebenfalls gegeben. Die Leseschritte waren wie folgt:

1. Die Schüler lasen das Wort laut vor. Bei Fehlern wurden sie korrigiert und wiederholten es.2. Die Schüler erklärten die Bedeutung des Wortes. Bei Fehlern wurde ihnen die Bedeutung gesagt.3. Die Schüler lasen das Wort erneut, indem sie auf das gedruckte Wort sahen. Bei Fehlern wurde ihnen das Wort richtig vorgelesen und sie wiederholten es.

Training in der Kontrollgruppe s. Anhang, (7), (8)

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Ergebnisse:

1. Geübte Wörter: Beide Gruppen konnten die geübten Wörter besser lesen als die reine Kontrollgruppe (Effektstärke Silbengruppe 1,2; Ganzwortgruppe 0,8).

2. Segmentieren geübter Wörter: Bei den zugeordneten Segmentieraufgaben zu den geübten Wörtern ergaben sich in der Ganzwortgruppe keine Effekte, in der Silbengruppe sehr große Effekte.

3. Ungeübte Wörter: Bei den Transfermaßen – also beim Lesen und Segmentieren von nicht-geübten Wörtern – ließen sich in der Silbengruppe bei fünf der sechs Transfermaße signifikante Effektstärken feststellen (in der Ganzwortgruppe keine einzige!).

Anhang: (9) Eine der 4 Listen der verwendeten Übungswörter

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Folgerungen aus dem Versuch

Die Qualität des Lehrens bzw. die Unterrichtsmethode ist von entscheidender Bedeutung. In beiden Gruppen wurden die gleichen Wörter gleich lang und etwa gleich häufig geübt.

In der Segmentiergruppe wurde eine Methode des Analysierens vermittelt. Danach werden Wörter über die zugrundeliegenden Silben (Chunks) phonetisch rekodiert. Silben können für sich gelernt und in vielfältiger Weise zusammengesetzt werden (Transfer). Dies ist beim Erlernen ganzer Wörter nicht möglich.

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2 Flüssiges Lesen

Dritte, wichtige Stufe des Lesenlernens: Übungen zum flüssigen Lesen. Warum?

Beim mühsamen Erlesen wird die ganze Arbeitskapazität für das Lesen benötigt. Wenn nur Bruchstücke eines Wortes im Arbeits-gedächtnis gespeichert werden, ist Sinnentnahme nicht möglich.

Problem:

Die leistungsstarken Schüler kommen von selbst zum flüssigen Lesen, die schwächeren nicht.

Zwei Methoden zum flüssig Lesen lernen:- Das „Reading Theatre“

- Wettbewerbsspiele zum Schnelllesen

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Das „Reading Theatre“

Der Lehrer entwickelt Skripts, die viele Dialoge enthalten, die durch einen oder zwei Erzähler erläutert werden.

Ziel: Expressives, die Bedeutung unterstreichendes Lesen. Lehrer geht zu den Gruppen, gibt Rückmeldungen.

MO: Skripts werden ausgeteilt. Lehrer liest sie vor...Hausaufgabe: Mit den Eltern das Skript lesen (20 Minuten). DI: Lehrer verteilt Rollen, Schüler üben diese in Gruppen ein.Übungen an den folgenden Tagen. FREI: Vorführung

Geeignete Texte: Märchen, Fabeln, Kinderbücher, naturwissenschaftliche Texte...

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BEISPIEL

Skript „Magnetismus“ für drei Stimmen (Griffith & Rasinski 2004, S. 129)

Leser 1 (L1), Leser 2 (L2) und Leser 3 (L3):

L1: Magnetismus, eine unsichtbare Kraft,L2: wie der Wind.L3: Eine unsichtbare Anziehungskraft,Alle: wie elektrisch geladene Socken und Liebe.....

Alle: Ein magnetischer Kompass:L1: nördlichL2: südlichL3: östlichAlle: und westlich.L1: Seefahrer und Wanderer navigieren damit durch Ozeane und durch

Wälder.L1 + L2: Es ist nicht Liebe oder Wind oder elektrisch geladene Socken.Alle Es ist Magnetismus.

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Wettbewerbsspiele zum Schnelllesen

Der Lehrer stellt Kurztexte (z. B. mit 120 Wörtern) zusammen. Er liest dann einen Text möglichst gut betont vor und bespricht ihn mit der Klasse in Bezug auf Syntax und Stil.

Am nächsten Tag lesen sich die Kinder in Partnerarbeit den Text vor. Jeder hat zum Lesen eine Minute Zeit. Der Partner macht an der Stelle, bis zu der der Partner beim Lesen gekommen ist, einen Strich. Danach wird in der Klasse darüber gesprochen, auf welche verschiedene Weise der Text gelesen werden kann, was dabei zu beachten ist...

An den folgenden Tagen wird der Text immer wieder gelesen, Striche eingetragen, um den Lesefortschritt festzustellen. Dabei sollte betont werden, dass mit Energie, Ausdruck und Enthusiasmus gelesen werden sollte.

( zur Wirkung des wiederholten Lesens vgl. Anhang (10))

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Ergebnisse des Einsatzes verschiedener Methoden (Griffith & Rasinski 2004)

Methoden: Reading Theatre, Schnelllesen, Partnerlesen

Probanden: 5 leseschwache Kinder der 4. Klasse aus einkommensschwachen Familien (Title 1)

Am Anfang des Schuljahrs Am Ende des Schuljahrs

62,4 Wörter 109 Wörter korrekt(pro Min.) (pro Min.)

Leseverständnis Leseverständnis Niveau des 2. Schuljahrs Niveau des 5.

Schuljahrs

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IV. Konsequenzen

Keine voreiligen Folgerungen

• Bevor man bestimmte Ansätze völlig aufgibt, sollte man sich um die Bewahrung der positiven Aspekte bemühen (z. B. Arbeiten mit „echten Büchern“, „frühes Schreiben“). Vereinseitigung ist problematisch.

• Die Wirksamkeit von Methoden hängt in entscheidendem Maße von der Vermittlung durch die Lehrer ab.

• Entwicklungsforschung ist über die Wirksamkeit der Kombina-tion von Methoden wichtig (Lehrgänge, Unterrichtsmaterialien).

• Entscheidend: Die Wirksamkeit von Methoden im Vergleich zu „echten“ Alternativen (strenge experimentelle Prüfungen, Ausschluss von Alternativerklärungen). Vgl. Anhang (11), (12)

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Konsequenzen für das Lesenlernen in der Grundschule:

1.Förderung muss rechtzeitig im Kindergarten beginnen. Deshalb: Durchführung von Screening-Tests im Rahmen der ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen beim Kinderarzt (Kindergarten; vgl. Lundberg, Frost & Petersen 1988).

2.Verpflichtende Weiterbildung der Deutschlehrer der Grundschule in den Methoden des Lesenlernens. Dabei Berücksichtigung der neueren empirischen Forschung und Information über valide Tests.

3.Unterricht mit optimierten, nach Schwierigkeitsstufen geordneten Unterrichtsmaterialien (wie im best practice Unterricht in Neuseeland).

4.Bei Retardierungen zusätzliche individuelle Förderung in Kleingruppen. Bei geringen Retardierungen (Prozentrang zwischen 25 und 40) Förderung in Kleingruppen (etwa acht Schüler); bei stärkeren Retardierungen Förderung in sehr kleinen Gruppen (zwei bis drei Schüler).

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Anhang

1 Literatur (1), (2)

2 LolliPop – Rechtschreibwerkstatt (3)

3 Arbeiten mit Phonogrammen (Iversen & Tunmer 1993) (4)

4 Silbensegmentieren (Bhattacharya & Ehri 2004)- Gruppe Silbensegmentieren (5), (6), (7)- Gruppe Ganzwortlesen (8),- Eine der vier Wortlisten (9)

5 Wiederholtes Lesen (10)

6 Probleme der Entwicklung von Lehrgängen bzw. von Trainingsprogrammen (11), (12)

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Literaturliste (1)Englischsprachige Literatur zum Lesenlernen

Bhattacharya, A., Ehri, Linnea C.: Graphosyllabic Analysis Helps Adolescent Struggling Readers read and Spell Words. In: Journal of Learning Disabilities, Vol. 37, No. 4, 2004, 331-348

Clay, Mary M.: Reading Recovery. A Guidebook for Teachers in Training. Auckland 1993

Iversen, S. & Tunmer, W. E.(1993): Phonological Processing Skills and the Reading Recovery Program. Journal of Educational Psychology, Vol. 85, No. 1, 112-126,

Lundberg, I., Frost, J., Petersen, O.: Effects of an extensive Program for Stimulating phonological awareness in preschool children. Reading research quarterly, 1988, 263-284

Scheerer-Neumann, G. (1981): The Utilization of Iintraword Structure in Poor Readers: Experimental Evidence and a Training Program. Psychological Research, Vol. 53, 155 – 178.

Schwartz, R.C. (2005): Literacy Learning for At Risk First-Grade Students in the Reading Recovery Early Intervention. Journal of Educational Psychology, Bd. 97, 2, 257 - 266

Torgesen, J. K. (2002): The Prevention of Reading Difficulties. Journal of School Psychology, Bd. 40 (2002), 1, S. 7-26. Bd. 40 (2002), 1, S. 7-26

Tunmer, W.L. & Chapman, J. W. (2003): The Reading Recovery Approach to Preventive Early Intervention: As Good As It Gets? Reading Psycholgy, 24: 337 –360.

Zum Reading Theatre sowie zum flüssigen Lesen

Griffith, L. W. & Rasinski, T. V.: A focus on fluency: How one teacher incorporated fluency with her reading curriculum. In: The Reading Teacher, Vol. 58, No. 2, 2004.

Martinez, M., Roser, N., Strecker, S.: „I never thought I could be a star” : a readers theatre ticket to fluency. In: The reading teacher, Vol. 52, No. 4, 1999, 326-334

Therrien, Wiliam J. (2004): Fluency and Comprehension Gains as a Result of Repeated Reading. A Meta-Analysis. In: Remedial and Special Education, Vol. 25, No. 4, July/August, S. 252 – 261.

Worthy, J. & Prater, K.: "I thought it all Night": Readers Theatre for reading fluency and motivation. In: The Reading Teacher, Vol. 56, No. 3, S. 294 - 297.

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(2) Deutsche Fachliteratur zum Lesenlernen: (2)Martschinke, S., Kirschhock, E.-M. & Frank, A.: Der Rundgang durch Hörhausen (2001). Erhebungsverfahren zur

phonologischen Bewusstheit. Bd. 1, Auer Verlag, Donauwörth.Forster, M. & Martschinke, S. (2001): Leichter lesen und schreiben lernen mit der Hexe Susi. Übungen und Spiele zur

Förderung der phonologischen Bewußtheit. Diagnose und Förderung im Schriftspracherwerb, Band 2. Auer Verlag, Donauwörth.

Jansen, H., Mannhaupt, G., Marx, H. & Skowronek, H. (20022): BISC. Bielefelder Screening zur Früherkennung von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten. Göttingen: Hogrefe. (Test zur Messung phonologischer Bewusstheit)

Küspert, Petra (2001): Wie Kinder leicht lesen und schreiben lernen. Neue Strategien gegen Legasthenie. Ratingen.Thomé, G.: „Schreiben durch Lesen“ oder „Lesen durch Schreiben“. Fibel oder Anlauttabelle? In:

Grundschulunterricht, Jg. 43, Nr. 1, 1996, 14-16Valtin, R.: Methoden des basalen Lese- und Schreibunterrichts (Abschnitt 2.5 „Lesen durch Schreiben“). In.: Bredel,

U., Günther, H., Klotz, P., Ossner, J., Siebert-Ott, G. (Hrsg., 2003): Didaktik der deutschen Sprache, 760-771

Sonstige LiteraturCohen, Jacob: Statistical Power Analysis for the Behavioral Science. Revised Edition, New York 1977. Cunningham, A. E. & Stanovitch, K. E. (1998): What Reading does for the Mind. American Educator, Spring/Sommer.

(kann über Google ausgedruckt werden!)Hart, B. & Risley, T. R. (1995): Meaningful Differences in the Everyday Experience of Young American Children. Paul

H. Brookes, Baltimore.Hinrichs, Tatjana (2003): Stationenarbeit oder direkte Instruktion – ein empirischer Vergleich zweier

Lernarrangements in vierten Grundschulklassen am Beispiel der Unterrichtseinheit „Die Spinne“. Unveröffentlichte Examensarbeit, Universität Lüneburg.

Mayer, R. E., Sims, V. & Tajika, H. (1995): A Comparison of How Textbooks Teach Mathematical Problem Solving in Japan and the United States. American Educational Research Journal, Vol. 32, No. 2, 443-460.

Perry, M. (2000): Explanations of Mathematical Concepts in Japanese, Chinese, and U.S. First- and Fifth-Grade Classrooms. Cognition and Instruction 18/2, 181 – 207.

Tuovinen, J. E. & Sweller, J. (1999): A Comparison of Cognitive Load associated with discovery learning and worked examples. Journal of Educational Psychology, Vol. 91, No. 2, 334-341.

Wellenreuther, M. (2005): Lehren und Lernen – aber wie? Empirisch-experimentelle Forschungen zum Lehren und Lernen im Unterricht. Grundlagen der Schulpädagogik, Band 50. Schneider Verlag Hohengehren. Zweite, korrigierte und überarbeitete Auflage.

Wilkinson, I. A. G. & Townsend, M. A. R. (2000): From Rata to Rimu: Grouping for instruction in best practice New Zealand classrooms. The Reading Teacher, Vol. 53, No. 6, 460-471.

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(3)

LolliPop – RechtschreibwerksattLolliPop: Direkte Hinführung zur Buchstabenschrift, Schwerge-wicht auf Lautanalyse – Übungen am Beginn, Unterscheidung von langen und kurzen Vokalen, lehrerzentrierte erste Phase…

Rechtschreibwerkstatt: Lesen durch Schreiben, Arbeiten mit einer Anlauttabelle…

Erfolgsentscheidend nach Meinung der Lehrer: Die konkrete Umsetzung durch die Lehrer. Auch bei den 5 LolliPop Klassen gab es eine mit schlechten Ergebnissen.

In der Projektbeschreibung wurde von einem zweijährigen Untersuchungs-zeitraum ausgegangen. Nachträglich wurde der Zeitraum ausgedehnt, obwohl man weiß, dass die Kenntnis schlechter Ergebnisse besondere Anstrengungen auslöst, schlechte Ergebnisse auszubügeln.

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„Der Lehrer bildet das Wort und mit magnetischen Buchstaben und sagt: „Dieses Wort heißt „und“. Wie heißt dieses Wort?“ Das Kind antwortete „und“. Der Lehrer vermischt dann die Buchstaben und bittet das Kind, das Wort „und“ erneut zu bilden. Wenn das Kind unsicher ist, löst der Lehrer die Aufgabe mit anderen magnetischen Buchstaben. Nachdem das Kind das Wort dann selbst gebildet hat, sagt der Lehrer: „Welches Wort hast Du gelegt?“ Nachdem das Kind das Wort gesagt hat, vermischt der Lehrer nochmals die Buchstaben und forderte das Kind auf, das Wort „und“ erneut zu bilden und dann zu sagen, welches Wort es gelegt habe. Dieser Prozess wird so lange wiederholt, bis das Kind zeigt, dass es die Aufgabe ohne Anstrengung lösen kann. Der Lehrer legt dann den Buchstaben F vor das Wort „und“ und lenkt die Aufmerksamkeit des Kindes auf das Produkt, indem es mit dem Finger unter dem Wort entlangfährt und dabei sagt: „Pass auf, wenn ich ein F vor ein und lege, dann heißt das „Fund.“ Der Lehrer fordert das Kind dann auf, das neue Wort zu sagen. Als Nächstes nimmt der Lehrer dann das F weg und sagt: „Wenn ich das F wegnehme, dann heißt das Wort und. Lege nun Fund. Nachdem das Kind das Wort gelegt hat, fragt der Lehrer: „Welches Wort hast du gelegt?“ Dann bittet der Lehrer das Kind, das Wort und zu legen. Dieser Prozess wird dann für die Wörter Hund und Bund wiederholt. Danach legt der Lehrer nacheinander die Wörter Fund, Hund, Bund und und, wobei er jedes Mal danach fragt, wie das Wort heißt. Danach bittet der Lehrer das Kind, die Wörter und, Fund, Hund und Bund zu legen…“

Das Arbeiten mit Phonogrammen (4)Iversen & Tunmer (1993, S. 114)

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Silbensegmentieren (5)(Bhattacharya & Ehri 2004)

Erklärungsteil„Der Experimentator erklärte die Strategie der Aufteilung eines Wortes in Silben, indem er sagte: „Lass mich dir zeigen, wie du ein Wort lesen und in seine Silben unterteilen wirst.“ Der Versuchsleiter präsentierte ein Wort aus der Gruppe der 100 Wörter, die gelernt werden sollten, gehen (finish), das auf einer Karte gedruckt war und sagte: „Hier ist ein Wort. Zunächst werde ich es dir laut vorlesen, gehen. Dann werde ich dir die Bedeutung des Wortes erklären. Gehen bedeutet, ‚langsam laufen’. Danach werde ich dir die Silben laut nennen und sie mit meinen Fingern zählen ge-hen.“ Der Experimentator sagt laut jede Silbe und hält dabei einen Finger hoch. Er hält dann zwei Finger hoch und sagt: „Es gibt zwei Silben in dem Wort gehen. Lass mich das Wort noch einmal lesen, gehen. Nun lass mich auf das Wort sehen und sage jede Silbe laut und finde die Buchstaben heraus, die zu jeder Silbe gehören.“ Der Versuchsleiter betrachtet das Wort, sagt laut die einzelnen Silben und verwendet seine Finger, um die Buchstaben zu zeigen, um jede Silbe in dem gedruckten Wort auf der Karte zu buchstabieren, ge-hen. „Nun fasse ich die Silben zusammen und lese das ganze Wort, gehen.“

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Fortsetzung Erklärungsteil (6)

Der Versuchsleiter erklärte dann die richtige Segmentierung von Wörtern, indem er sagte: „Zunächst einmal hat jede Silbe einen Vokal. Du hörst immer nur einen Vokal in einer Silbe. Weißt du, was ein Vokal ist? Vokale haben gewöhnlich die Buchstaben A, E, I, O, U, Ä, Ü, Ö oder bestimmte Kombinationen dieser Buchstaben wie EI, EU, AU, EE, IE. Beachte, dass im Wort „gehen“ ein Vokal in jeder Silbe steckt, /e/ in ge und /e/ in hen. Außerdem kann jeder Buchstabe nur zu einer Silbe gehören. Du kannst nicht den gleichen Buchstaben in jede Silbe stecken. So kannst du das Wort gehen nicht in die Silben geh-hen aufteilen. Der Buchstabe h gehört zu einer Silbe, also ge-hen. Schließlich sollen die Laute in einer Silbe möglichst genau zu den Lauten des ganzen Wortes passen. Beachte, dass ich gehen gesagt habe, weil ich die Laute ge und hen im Wort gehen gehört habe. Ich habe nicht gei-hen gehört, weil ich im Wort gehen nicht gei und hen gehört habe. Ich habe nicht ge-han gesagt, weil ich im Wort gehen nicht ge-han gehört habe. Ich habe die Laute in den Silben so wie die Laute im ganzen Wort ausgesprochen.“ (S. 348) Der Versuchsleiter nimmt noch ein zweites Beispiel, um die Prozedur zu erklären (Violinist).

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(7)

Schüleraktivität und Rückmeldung/ Korrektur durch den Lehrer

Danach verlief die Sitzung in folgender Weise. 1. Die Schüler lesen das Wort laut vor (z. B. gehen). Wenn falsch, sagt der Versuchs- leiter es richtig und der Schüler wiederholt es.2. Der Schüler erklärt die Bedeutung des Wortes. 3. Die Schüler unterteilen das Wort mündlich in seine Silben oder zählen die Silben, indem sie mit dem Finger bei jeder Silbe klopfen und dann die Anzahl der Schläge zählen(z. B. ge-hen hat zwei Schläge). Bei Fehlern modelliert der Lehrer die richtige Antwort und die Schüler wiederholen diese Antwort.4. Die Schüler passen die Lautform bei jedem Schlag den Buchstaben an, indem sie mit den Fingern die Buchstaben freilassen, die ausgesprochen werden, und die anderen Buchstaben mit den Fingern verdecken. Verschiedene Methoden, das Wort in Silben zu unterteilen, werden zugelassen, z. B. geh-en oder ge-hen (fin-ish oder fin-ish), sofern jede Silbe einen Vokallaut enthält , die Buchstaben, die sie mit den Fingern zeigen, die Laute betreffen, die sie aussprechen, und die Kombination der Buchstaben eine zulässige Aussprache bildet (z. B. sim-ple oder simp-le aber nicht si-mple). Bei Fehlern erklärt der Lehrer die richtige Segmentierung und Aussprache und die Schüler wiederholten die richtige Antwort. 5. Die Schüler verbinden die Silben des Wortes, um das ganze Wort auszusprechen. Bei Fehlern wird ihnen das Wort gesagt und sie wiederholen es.

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Fortsetzung: (8)Arbeit in der Kontrollgruppe (Ganzwortlesen)

Die Schüler übten die Wörter in sechs Durchgängen. Beim ersten Durchgang absolvierten sie alle Schritte. Bei den Schritten 2 – 4 wurden alle Schritte außer Schritt 2 ausgeführt. Beim Durchgang 5 und 6 wurden die Schüler aufgefordert, die Wörter der jeweili-gen Liste korrekt und so schnell wie möglich zu lesen. Die Lesezeit wurde mit einer Stoppuhr aufgezeichnet. Sie wurden herausgefor-dert, ihre Zeiten zu verbessern. Dies wurde getan, um die Motiva-tion der Schüler hochzuhalten. In der Ganzwortgruppe wurden zwei Durchgänge mehr vorgesehen, um die mehrfache Bearbei-tung des Wortes beim Silbensegmentieren zu kompensieren.

Außerdem gab es noch eine reine Kontrollgruppe, die nur die Tests bearbeitete und ansonsten den normalen Unterricht bekam.(Wichtig zur Feststellung der Effektstärken)

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(9)

Wortliste (Bhattacharya & Ehri 2004, S. 348)

1.Wortliste

Digit, poverty, congress, utensil, microphone, walnut, notify, token, sacrifice, welfare, victim, mustard, democratic, testimony, cavity, vanilla, cathedral, senator, mental, congratulate, conference, binoculars, power, pistol, visual.

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(10) Wiederholtes Lesen (Repeated Reading; vgl. Meta-Analyse von Therrien 2004)

Unter wiederholtem Lesen versteht man die Methode, einen Text so oft zu lesen, bis ein befriedigendes Maß an flüssigem Lesen erreicht wird. Interessant sind vor allem Untersuchungen, in denen der Transfer solcher Übungen auf das flüssige Lesen vergleichbarer nicht geübter Texte auswirkt. Auf die Darstellung dieser Ergebnisse konzentriere ich mich.

Frage: Wie wirkt sich eine Betreuung durch Erwachsene oder Gleichaltrige auf beim wiederholten Lesen auf Flüssigkeit und Leseverständnis aus? (Angaben in Effektstärken: Große Werte deuten auf einen starken Einfluss hin.)

(Therrien 2004, S. 255) Erwachsener Gleichaltriger

Flüssigkeit 1,37 0,36

Textverständnis 0,71 0,22

Fazit: 1. Ohne intensives Training von Peers üben Erwachsene einen viel stärkeren Einfluss auf das Lernen aus.

2. Korrektives Feedback ist nur wirksam, wenn es ein Erwachsener gibt.3. Nur wenn ein bestimmtes Ziel im Vorhinein festgelegt wurde, war die Wirksamkeit sehr hoch (z. B. Anzahl korrekt gelesener Wörter pro Minute): Bei Vorgabe eines präzisen Ziels

Effektstärke = 1,70; ohne Ziel 0,38.

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(11)

Spiele beim Lesenlernen

Für die Motivierung der Schüler ist der Einsatz geeigneter Spiele wichtig. Hinweise dazu findet man

- in der klassischen Studie von Scheerer-Neumann (1981): Man kann z. B. Mensch-Ärgere-Nicht mit Wortkarten spielen. Die Anzahl der Silben entspricht der Anzahl der Züge. Oder: Ein Wortlotto mit Silben als Einheit, ein Silbendomino, ein Memory mit schwierigen Graphemen sowie

- in der Untersuchung von Lundberg, Frost und Petersen (1988); spielerische Übungen zur Bildung des phonologischen Bewusstheit im weiteren Sinne.

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(12) Einige Gesichtspunkte für die Konstruktion eines Lehrgangs bzw. eines Trainingsprogramms

(1) Der Aufbau sollte die Ergebnisse der Grundlagenforschung und die praktischen Erfahrungen von Lehrern berücksichtigen. Entwicklungsforschung bedeutet enge Kooperation zwischen Experten aus Schule, aus Fachdidaktik, Psychologie und Pädagogik.

(2) Die einzelnen Teile sollten für die Schüler ansprechend und motivierend sein (Verwenden von Geschichten, Büchern und Spielen, die für die Schüler interessant sind; pedagogical content knowledge; Erfahrungswissen von Lehrern).

(3) Die kognitiven Voraussetzungen sollten durch Differenzierungsangebote berücksichtigt werden.

(4) Mechanische Drillübungen sind wenig sinnvoll; wichtig: das Modellieren von Strategien über Puppen, um z. B. das Erlesen von Wörtern über Buchstaben und vor allem Silben zu verdeutlichen.

(5) Bestimmte wesentliche Teile (z. B. Strategien, Wörter, Geschichten) müssen mehrfach behandelt und geübt werden, damit sie sich im Langzeitgedächtnis einprägen.

(6) Falsche Verallgemeinerungen durch grobe Vereinfachungen sollten vermieden werden. Sprache ist kompliziert und es gibt viele Ausnahmen…

(7) Es ist sinnvoller, jeden Tag 30 – 45 Minuten zu üben als an bestimmten Tagen mehrere Stunden (verteiltes Üben wirksamer!).

(8) Die einzelnen Teile sollten in mehreren Versuchsklassen auf Praktikabilität – Motivierungsgehalt – Lernertrag hin erprobt werden (Entwicklungsforschung)

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(13) Norbert Sommer - Stumpenhorst zum Lesenlernen (Zitat aus dem Internet – Hinweise für de Lehrer)Wenn Kinder sich mit Hilfe der Anlauttabelle ein Wort erarbeiten, dann

•sprechen sie das Wort,

•achten auf den Laut am Wortanfang

•suchen in der Anlauttabelle das passende Bild

•und kopieren den zugehörigen Buchstaben

Nun geht der gleiche Vorgang von neuem los:

•Das Wort wird gesprochen,

•die Aufmerksamkeit auf den zweiten Laut ausgerichtet,

•das passende Bild gesucht und

•der zugehörige Buchstabe kopiert.

Da jeder bearbeitete Laut in Form des dazugehörigen Buchstabens festgehalten wird, braucht das Kind seine Aufmerksamkeit immer nur auf einen Laut auszurichten. Auch wenn das Kind noch nicht lesen kann, entsteht so Buchstabe für Buchstabe ein ganzes Wort. Der Schlüssel liegt also in der Reduzierung der Aufmerksamkeit auf einen einzelnen Laut.

Kommentar: Man vergleiche diese Aussage mit den Ergebnissen der Untersuchung von Bhatta-charya & Ehri 2004. Nur die Befähigung zum Silbensegmentieren ermöglicht transferierbares Wissen! Eine schrittweise Erarbeitung eines Wortes nach den in ihm vorkommenden Buchstaben überfordert viele Kinder, weil viele Einzelinformationen im Arbeitsgedächtnis behalten werden müssen und eindeutige Zusammenhänge nicht zwischen Lauten und Buchstaben, sondern nur zwischen Lauten und Silben bestehen. Sicherlich: Die stärkeren Schüler lernen auch mit einer problematischen Methode...

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Cunningham & Stanovitch (1998): Nur durch Lesen von Büchern bzw. Aufsätzen besteht eine reale Chance, seinen Horizont und seinen Wortschatz zu erweitern. Diese These wird von den Autoren in vielfältiger Weise empirisch belegt. Interessant ist z. B., wie groß die Chance ist, durch Lesen, durch Fernsehen oder durch Gespräche mit seltenen Wörtern konfrontiert zu werden. Für die USA wurde Folgendes festgestellt:

Wie oft kommen kommen seltene Wörter1 in tausend Wörtern vor?

IN SCHRIFTEN selt. Wörter auf 1000 Wörter

In Zusammenfassungen von wissenschaftlichen Aufsätzen.................................128,0

In Zeitungen................................................................................................... 68,3

In Büchern für Erwachsene.............................................................................. 52,7

IM FERNSEHEN

Shows für Erwachsene..................................................................................... 22,7

Shows für Kinder...... ..................................................................................... 20,2

GESPRÄCHE

Gespräche unter Studenten / Freunden............................................................. 17,3.

____________________________________________________1 Seltene Wörter: Alle Wörter werden nach der Häufigkeit ihres Vorkommens in eine Rangreihe vom häufigsten bis zum seltensten gebracht. Alle Wörter mit einem Rangplatz von 10 000 oder größer werden als seltene Wörter definiert)

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Cunningham & Stanovitch (1998)

Sie berichten auch noch über weitere Untersuchungen, in denen die positive Wirkung des Lesenvolumens auf Allgemeinwissen und auf generelle Lebenstüchtigkeiten überprüft wurden.

In einer Untersuchung wurden Studenten danach gefragt, wie viele Juden und wie viele Moslems auf der Erde leben würden.

In dieser Untersuchung wurden die Studenten zunächst in Bezug auf Intelligenz und Lesefähigkeit parallelisiert. Danach wurde das Lesevolumen festgestellt.

Zunächst: Die Studierenden konnten die Anzahl der Juden mit 20 Mill. relativ genau schätzen, die Zahl der Muslime wurde mit 10 Mill. aber krass unterschätzt (richtige Schätzung: knapp 1 Milliarde). 69 % der Studenten nahm an, es gebe mehr Juden als Muslime. Es zeigte sich folgender Zusammenhang:

- Bei allen Studenten betrug das Verhältnis „Muslime durch Juden“ 0,5.

- Bei hohem Lesevolumen ergaben sich deutlich höhere positive Werte, bei hohem Fernsehkonsum dagegen ergaben sich deutlich niedrige Werte.

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Es gibt zwei wichtige Argumente:

1. In der experimentellen Forschung geht es nicht um Repräsentativität, sondern um den Ausschluss alternativer Erklärungen. So ist es wichtig, dass die Versuchsgruppen in bestimmter Weise zusammengestellt werden, um keine Gruppe zu bevorteilen. Dies geschieht in der Regel durch Randomisierung: Alle Schüler mit geringen Vorkenntnissen werden per Zufall auf die beiden Gruppen (Versuchsgruppe: Direkte Instruktion mit strukturierter Vorgehensweise plus Lösungsbeispiele vs. Kontrollgruppe: Freie Wahl der Vorgehensweise) zugeteilt. Dieses Verfahren der Zufallsaufteilung ist in der experimentellen Forschung das übliche Verfahren, um innerhalb bestimmter Grenzen die Gleichheit der Versuchsgruppen zu gewährleisten. Dennoch wird man niemals einem einzigen Experiment vertrauen: Man muss berücksichtigen, ob weitere Experimente existieren und ob die Theorie, aus der die Forschungshypothese abgeleitet wurde, durch zahlreiche Experimente geprüft und bestätigt wurde.

2. Empirische Forschung, und zwar sowohl deskriptive wie auch experimentelle Forschung, ist immer auch fehlerbehaftet. Wenn wir eine Meinungsumfrage machen, dann benötigen wir eine große Zufallsstichprobe, um eine präzise Vorhersage machen zu können. Diese Präzision ist allerdings nur in bestimmten Fällen erforderlich, z. B. wenn zwei Parteien eng in der Wählergunst beieinander liegen und ich den Gewinner vorhersagen möchte. Wenn ich nur wissen möchte, ob rechtsextreme Parteien über 10 % kommen werden, reicht eine deutlich kleinere Stichprobe.In der experimentellen Forschung ist das ähnlich. Wenn ich eine große Wirksamkeit der Behandlung erwarte, dann kann ich diesen großen Effekt auch mit ziemlich kleinen Gruppen nachweisen. Nehmen wir ein ganz einfaches Beispiel aus der Wahrscheinlichkeitsstatistik: Wir führen zur Frage der Wirksamkeit einer neuen Methode der Frühförderung ein Experiment durch. Dazu bilden wir in jeder ersten Klasse ein Zwillingspaar mit vergleichbar geringen Kenntnissen. Jeweils ein Schüler aus diesem Paar wird der Versuchsgruppe mit besonderer Förderung per Zufall zugeteilt, das andere Kind erhält weiter die normale übliche Förderung. Angenommen, wir hätten zwanzig Klassen und somit zwanzig Trainings- bzw. Förderkinder.

Methodologische Anmerkungen zum Experiment von Tuovinen und Sweller

In diesem Experiment findet man in den einzelnen Zellen kleine Gruppen, und es erscheint zweifelhaft, ob man mit diesen kleinen Gruppengrößen etwas überprüfen kann. Was kann zu dem Argument gesagt werden, die Stichproben seien viel zu klein, um gültige, repräsentative Aussagen treffen zu können.

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Bei jedem Zwilling wird dann festgestellt, ob – wie vermutet wird – das Trainingskind bessere Leistungen zeigt als das Kind, das in tradierter Weise gefördert wurde. Da wir von der Wirksamkeit der Trainingsme-thode sehr überzeugt sind, reicht uns die Information, wie ein auf neue Weise trainiertes Kind abschnei-det, aus (wenn wir mehr Informationen auswerten, können wir mit noch kleineren Stichproben bzw. Gruppen arbeiten). Nehmen wir einmal an, das Ergebnis sei, dass in allen zwanzig Fällen das Kind in der Versuchsgruppe besser abschneidet als in der Kontrollgruppe. Dies entspricht einem Ergebnis „20 mal Wappen“ bei zwanzig Mal Werfen einer Münze. Die Wahrscheinlichkeit dafür beträgt „1 durch 2 hoch zwanzig“. Per Zufall würde ein solches Ergebnis viel seltener als einmal in Tausend Fällen auftreten. Da wir in einem solchen Fall nicht mehr glauben, dass es sich um ein reines Zufallsergebnis handelt, gehen wir davon aus, dass unsere Hypothese zur Wirksamkeit der Behandlung in der Versuchsgruppe bestätigt ist – auch wenn eine klitzekleine Chance besteht, dass es sich dennoch um ein Zufallsergebnis handelt. Für die Prüfung von Hypothesen gilt somit:- Nur die Frage, ob alles getan wurde, um alternative Erklärungen auszuschließen, ist relevant. Eine der wichtigsten alternativen Erklärungen ist die Zufallshypothese!- Wenn wir erwarten, dass ein sehr starker Effekt eintritt, dann können wir auch mit sehr kleinen Versuchsgruppen arbeiten, weil starke Effekte auch mit kleinen Gruppen schon nachweisbar sind. Es gibt Tabellen, die bei der Wahl der Versuchsgruppengröße helfen (vgl. Cohen 1977). Die Größe der Versuchsgruppen hängt dabei von folgenden Faktoren ab:1. Dem Fehler erster Art (Alpha-Fehler; ich sehe meine Hypothese als empirisch bestätigt an, obwohl es sich um eine reines Zufallsergebnis handelt).2. Dem Fehler zweiter Art (Beta-Fehler: Ich entscheide mich für die Zufallshypothese, obwohl die wissenschaftliche Hypothese wahr ist).3. Die Stärke des erzielten Effekts. Diese Effektstärke wird bei der Hypothesenprüfung über die Mittelwertsdifferenz, geteilt durch die Standardabweichung der Messwerte in der Kontrollgruppe, ermittelt. Je größer die erwartete Effektstärke ist, umso kleiner können die Versuchsgruppen sein. Statistik ist die Kunst, mit möglichst sparsamen Mitteln das streng zu prüfen, was geprüft werden soll!