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Allgemeine Psychologie I, Notizen zur Vorbereitung auf das Vordiplom, Februar 2007 1 1. Wahrnehmungspsychologie (Goldstein) 1.1. Kapitel 1: Einführung in die Untersuchung der Wahrnehmung Funktionen der Wahrnehmung ABBILDUNGSFUNKTION Repräsentation der Eigenschaften unserer Umwelt (Abbildung) durch die verschiedenen Sinne. HANDLUNGSSTEUERUNG Wahrnehmung dient nicht nur der reinen Repräsentation, sondern wird vielfach in unser Verhalten integriert. - Steuerung des Verhaltens (Handlungskontrolle) - Bewegungskontrolle (z.B. Feedback) - Orientierung im Raum (z.B. Navigation) - Manipulation von Objekten (z.B. Greifen) - Interaktion mit anderen Menschen (verbale und nonverbale Kommunikation) Physikalische Trägerprozesse Fungieren als Mittler zwischen Umwelt und Sinnesorgan: Viele Reize/Objekte in der Umwelt können wir nicht direkt wahrnehmen, sondern erschließen uns diese durch materielle oder energetische Träger“, die die Merkmale dieser Reize/Objekte tragen. So wird beim Sehen beispielsweise die elektromagnetische Strahlung einer Quelle beim Auftreffen auf die Objekte und Oberflächen durch die Vorgänge der Reflexion, Absorption und Transmission in ihrem komplexen Muster verändert. Durch diese Interaktion ist die elektromagnetische Strahlung zum Träger der Objektmerkmale geworden => Das reflektierte Lichtmuster enthält die Informationen über die Gegenstandsmerkmale (gleiches gilt z.B. für Schall und Luftdruckschwankungen). Informationsübertragung ohne einen materiellen oder energetischen Träger ist nicht möglich. Im Vakuum kann sich z.B. der Schall nicht ausbreiten und im Dunkeln können wir nicht sehen. Distaler Reiz Der physikalisch-chemische Gegenstand, der wahrgenommen wird (z.B. Größe oder Farbe eines Objekts). Proximaler Reiz Das Abbild dieses Gegenstandes (des distalen Reizes) oder eines seiner Teile in oder auf einer oder mehreren Sinneszellen (Rezeptoren), zum Beispiel die zweidimensionale optische Projektion ("Retinabild") eines wahrgenommenen dreidimensionalen Hauses auf der Netzhaut des Auges. Psychophysik Gegenstandsbereich: Wahrnehmungs- leistungen Untersuchte Beziehung: phys. Reizstrukturen Wahrnehmungs- resultate Untersuchungsschritte: Beschreibung des Phänomens/ der Wahrnehmungs- leistung,funktionale Analyse, Erklärung Absolute Schwelle Grenze, ab der eine Person anfängt, einen Reiz überhaupt wahrzunehmen. Zur Messung der absoluten Schwelle schlug Gustav T. Fechner verschiedene Methoden vor: Die Grenz-, Herstellungs- und Konstanzmethode. Unterschiedsschwelle Kleinster Unterschied zwischen Reizen, den eine Person gerade noch spüren kann; eben merklicher Reizunterschied. (S = Si - Sj) Vgl. Weber’sches Gesetz

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1. Wahrnehmungspsychologie (Goldstein) 1.1. Kapitel 1: Einführung in die Untersuchung der Wahrnehmung

Funktionen der Wahrnehmung ABBILDUNGSFUNKTION Repräsentation der Eigenschaften unserer Umwelt (Abbildung) durch die verschiedenen Sinne. HANDLUNGSSTEUERUNG Wahrnehmung dient nicht nur der reinen Repräsentation, sondern wird vielfach in unser Verhalten integriert. - Steuerung des Verhaltens (Handlungskontrolle) - Bewegungskontrolle (z.B. Feedback) - Orientierung im Raum (z.B. Navigation) - Manipulation von Objekten (z.B. Greifen) - Interaktion mit anderen Menschen (verbale und nonverbale Kommunikation) Physikalische Trägerprozesse Fungieren als Mittler zwischen Umwelt und Sinnesorgan: Viele Reize/Objekte in der Umwelt können wir nicht direkt wahrnehmen, sondern erschließen uns diese durch materielle oder energetische „Träger“, die die Merkmale dieser Reize/Objekte tragen. So wird beim Sehen beispielsweise die elektromagnetische Strahlung einer Quelle beim Auftreffen auf die Objekte und Oberflächen durch die Vorgänge der Reflexion, Absorption und Transmission in ihrem komplexen Muster verändert. Durch diese Interaktion ist die elektromagnetische Strahlung zum Träger der Objektmerkmale geworden => Das reflektierte Lichtmuster enthält die Informationen über die Gegenstandsmerkmale (gleiches gilt z.B. für Schall und Luftdruckschwankungen). Informationsübertragung ohne einen materiellen oder energetischen Träger ist nicht möglich. Im Vakuum kann sich z.B. der Schall nicht ausbreiten und im Dunkeln können wir nicht sehen.

Distaler Reiz Der physikalisch-chemische Gegenstand, der wahrgenommen wird (z.B. Größe oder Farbe eines Objekts). Proximaler Reiz Das Abbild dieses Gegenstandes (des distalen Reizes) oder eines seiner Teile in oder auf einer oder mehreren Sinneszellen (Rezeptoren), zum Beispiel die zweidimensionale optische Projektion ("Retinabild") eines wahrgenommenen dreidimensionalen Hauses auf der Netzhaut des Auges. Psychophysik Gegenstandsbereich: Wahrnehmungs-

leistungen Untersuchte Beziehung: phys. Reizstrukturen Wahrnehmungs- resultate Untersuchungsschritte: Beschreibung des Phänomens/ der Wahrnehmungs- leistung,funktionale Analyse, Erklärung Absolute Schwelle Grenze, ab der eine Person anfängt, einen Reiz überhaupt wahrzunehmen. Zur Messung der absoluten Schwelle schlug Gustav T. Fechner verschiedene Methoden vor: Die Grenz-, Herstellungs- und Konstanzmethode.

Unterschiedsschwelle Kleinster Unterschied zwischen Reizen, den eine Person gerade noch spüren kann; eben merklicher Reizunterschied. (∆ S = Si - Sj) Vgl. Weber’sches Gesetz

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Grenzmethode Der Versuchsleiter bietet dem Beobachter verschiedene Reize in aufsteigender oder in absteigender Reihenfolge dar, wobei der Ausgangsreiz entweder unterhalb oder oberhalb der Schwelle liegt. Bei jeder Darbietung wird die Person gefragt, ob sie den Reiz wahrnimmt oder nicht. Bei jedem Durchgang präsentiert der VL solange Reize, bis die Vp entweder sagt, dass sie das Licht jetzt sieht oder, dass sie es nicht mehr sieht. Herstellungsmethode Der Beobachter oder der Versuchsleiter variiert die Intensität des Reizes aufsteigend oder absteigend, solange, bis der Beobachter sagt, dass er den Reiz gerade noch beziehungsweise nicht mehr wahrnehmen kann. Die Herstellungsmethode ist die ungenaueste, aber schnellste Methode der Schwellenmessung. Sie hat den Vorteil, dass, wenn der Beobachter den Reiz selber verändert, die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass er während des gesamten Experimentes hoch aufmerksam ist.

Konstanzmethode Der Versuchsleiter bietet Reihe von Reizen unterschiedlicher Intensität in zufälliger Reihenfolge dar, die Versuchsperson muss jedes Mal entscheiden, ob der Reiz wahrnehmbar war „ja“/ „nein“. Die Konstanzmethode ist die genaueste Methode zur Bestimmung der Schwelle, aber auch die zeitaufwendigste. Schwellenbestimmung

Als Schwelle definiert man gewöhnlich die Intensität, die bei der Hälfte der Versuche zum Entdecken führt (Konvention).

Daten der Tab. nach der Konstanzmethode

Perseverationstendenz Von dieser Tendenz spricht man, wenn der Beobachter, die Vp, dazu neigt, aufeinander folgend in derselben Richtung zu antworten. Wenn er/sie beispielsweise bei einer ersten Frage „ja“ geantwortet hat, tut er/sie das tendenziell bei der zweiten auch und umgekehrt.

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Weber’sches Gesetz Versuchsdesign zur Messung der Unterschiedsschwelle: Vp erhält Standardgewicht und ein etwas leichter oder schwereres Vergleichsgewicht. Frage: Ab wann kann die Vp den Unterschied zwischen den Gewichten feststellen? Ernst H. Webers Feststellung: Die Größe des eben merklichen Reizunterschieds hängt von der Größe des Standardreizes ab. Je größer das Standardmaß, desto größer das Maß des eben merklichen Reizunterschieds. Beispiel: Bei einem 100g Standardgewicht beträgt ∆ S = 5g, bei einem 200g Standardgewicht ist ∆ S = 10g. Dieser Zusammenhang gilt für eine große Reihe von Sinnesdaten. Zudem hat Weber herausgefunden, dass das Verhältnis zwischen ∆ S und Standardreiz über eine bestimmte Spannweite konstant bleibt Weber’sches Gesetz:

∆ S/ S = K ∆ S= eben merklicher Reizunterschied S= Standardreiz K= Weber’scher Quotient Beispiel: für das 100g Standardgewicht ist K= 5/100= 0,05, für das 200g Standardgewicht ist K= 10/200= 0,05, also ist K in beiden Fällen 0,05, also konstant.

Steven’sches Potenzgesetz Es geht um die wahrgenommene Intensität eines Reizes und die tatsächliche Reizstärke. Experimentelle Methode (Lichtreiz): Der Vp wird ein Standardreiz (ein Reiz mittlerer Stärke) präsentiert, dem die Zahl 10 zugewiesen wird. Die Vp wird dann aufgefordert, die folgend dargebotenen Reize in Relation zum Wert des Standardreizes zu beurteilen (d.h.: 20, wenn die Vp den Reiz als doppelt so stark empfindet, 5, wenn als halb so stark, etc….) Ergebnis: Verdoppelung der Reizstärke führt nicht zu doppelt intensiver Reizwahrnehmung ( Ver- dichtung der Antwortdimension). Der Zusammenhang zwischen Reizstärke und Größenwahrnehmung folgt bei jeder Sinnesmodalität der folgenden Gesetzmäßigkeit: (1) Logarithmus der Reizstärke bilden; Steven’sches Potenzgesetz:

W = KSn

W = wahrgenommene Stärke K = Konstante n = n-fach potenzierte Reizintensität Die Potenz n entspricht der Steigung der durch Logarithmierung gewonnenen Geraden. Verdichtung der Antwortdimension Verdoppelung der Reizstärke bewirkt keine doppelt intensive Wahrnehmung des Reizes. Logarithmierte Gerade hat i. d. R. eine Steigung < 1 (flach steigend). Beispiel: Lichtreiz Spreizung der Antwortdimension Verdoppelung der Reizstärke bewirkt mehr als die doppelt intensive Wahrnehmung des Reizes. Logarithmierte Gerade hat i. d. R. eine Steigung > 1 (steil steigend). Beispiel: Schmerzreiz Evozierte Potentiale Mit Hilfe von auf der Kopfhaut angebrachten Elektroden wird die elektrische Aktivität großer Neuronenverbände aufgezeichnet (exzitatorische postsynaptische Potentiale, keine APs). Durch Darbietung von Reizen werden Potentiale evoziert, die diesen folgen. Diese können in die negative oder positive Richtung ausschlagen. VEP – visuell evozierte Potentiale AEP (akustisch ev.), SEP (somatosensibel ev.), MEP (motorische ev.).

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Positronenemissions-Tomographie (PET) Probanden erhalten eine Injektion mit einer schwach radioaktiven Markierungssubstanz, die rasch abgebaut wird und ungefährlich ist. Diese Markierungssubstanz breitet sich im Blutkreislauf aus und gestattet es so die Verteilung der Durchblutung im Gehirn zu erfassen. Die Verteilung der Radioaktivität gibt also Auskunft über das Ausmaß der Stoffwechselaktivität und damit der Hirnaktivität in bestimmten Gehirnarealen. Die funktionelle Anwendung dieser Technik erfordert eine Differenzenbildung, da das Gehirn ständig aktiv ist, man diese unspezifische Aktivität aber nicht mit untersuchen möchte: Zunächst Messung für eine Kontrollbedingung; diese darf sich von der Experimentalbedingung nur in der untersuchungsrelevanten Dimension unterscheiden, z.B. ohne Reizung durch einen Ton. Die Aktivität während der Experimentalbedingung minus der Aktivität in der Kontrollbedingung stellt die eigentliche Messaktivität dar. Man kann mit der PET aber z.B. auch das generelle das Aufkommen bestimmter Rezeptoren oder Neurotransmitter abbilden. Für eine solche Diagnostik ist keine Differenzbildung notwendig.

Funktionelle Magnetresonanz-Tomografie fMRT oder fMRI (engl.) Basiert auch auf der Erfassung der Hirndurchblutung, verwendet allerdings keine radioaktiven Substanzen. Mit dem fMRT wird die Tatsache ausgenutzt, dass das Hämoglobin, durch welches das Oxygen im Blut befördert wird, Eisenmoleküle enthält und damit magnetische Eigenschaften aufweist. Die Hämoglobinmoleküle richten sich wie kleine Magnete aus, wenn das Gehirn einem Magnetfeld ausgesetzt ist. Durch die neuronale Aktivität kommt es zu einer vermehrten lokalen Durchblutung bestimmter Hirnareale. Dadurch kommt es zu einem Anstieg im MR- Signal, und dieses wird durch den MR- Scanner erfasst. Es kann somit die relative Aktivität verschiedener Hirnareale gemessen werden, indem die Größe der magnetischen Antwort in diesen Bereichen registriert wird. Auch bei der fMRT- Messung werden Differenzbildungen angewendet: Die neuronale Aktivität in der Kontrollbedingung wird dabei von der neuronalen Aktivität der Experimentalbedingung subtrahiert. Im Vergleich zu den anderen etablierten nicht-invasiven neurophysiologischen Untersuchungsmethoden, etwa EEG/ERP, zeigt das (verhältnismäßig junge) fMRT zwar deutlich mächtigere Möglichkeiten in der räumlich-lokalisierenden Untersuchung, aber eine prinzipbedingt sehr viel kleinere zeitliche Auflösung.

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1.2. Kapitel 2: Das Sehen – Retina, Rezeptoren und erste Stufen der neuronalen Verarbeitung Zapfen Kürzer und kegelartig im Vergleich zu den Stäbchen. Die Netzhaut enthält etwa 5 Millionen Zapfen. Im Bereich der Fovea (Sehgrube) sind ausschließlich Zapfen versammelt, jedoch nur ein kleiner (50.000) im Verhältnis zu dem weitaus größeren Anteil der Zapfen, die über die Netzhautperipherie verteilt sind. Die Zapfen kontrollieren das Sehen bei großer Beleuchtung, sind in der Lage, feine Details aufzulösen (wegen ihrer geringen neuronalen Konvergenz, s.u.) und zuständig für das Farbsehen. Empfänglich für eher langwelliges Licht (max. 560 nm) / spektrale Hellempfindlichkeit/ Pigmentabsorptionsspektrum. Das Sehpigment der Zapfen regeneriert sich schneller (bis zu 6 Min.) als das der Stäbchen, deshalb sind die Zapfen zu Beginn der Dunkeladaptation aktiv, in der eine relativ rapide Anpassung der Helligkeitssensitivität vollzogen wird. Die Zapfen verfügen über eine weitaus geringere neuronale Konvergenz als die Stäbchen, weshalb sie nicht so lichtempfänglich wie die Stäbchen, aber wesentlich detailsensibler sind (höhere Fähigkeit der räumlichen Auflösung). Stäbchen Die Netzhaut enthält 20mal so viele Stäbchen wie Zapfen. Etwa 120 Millionen Stäbchen versammeln sich im Bereich der Netzhautperipherie. Sie sind für das Sehen bei niedriger Beleuchtung verantwortlich. Somit sind sie besonders empfänglich für kurzwelliges Licht (max. 500 nm). Allerdings haben sie eine geringe Auflösung für Details und sind nicht auf das Farbsehen ausgerichtet. spektrale Hellempfindlichkeit/ Pigmentabsorptionsspektrum. Das Sehpigment der Stäbchen regeneriert sich viel langsamer als das der Zapfen, weshalb die Stäbchen in der zweiten Phase der Dunkeladaptation (20- 30Min.) nach Eintreten der ‚plötzlichen’ Dunkelheit bei der Sensibilisierung des Helligkeitsempfindens aktiv sind. Die Stäbchen verfügen wegen ihres zahlreichen Vorkommens auf der Netzhaut über eine sehr hohe neuronale Konvergenz (jede Ganglienzelle erhält Signale von durchschnittlich 120 Stäbchen). Die hohe Konvergenz hat eine hohe Lichtempfindlichkeit aber niedrige Auflösungsfähigkeit zur Folge.

Dunkeladaptation Visuelle Adaptation bei geringer Helligkeit, bei der die Empfindlichkeit des visuellen Systems zunimmt. Dieser Prozess verläuft in zwei Stufen: Die erste Stufe stellt das schnell ansteigende Anfangsstadium (3 – 4 Min. nach Löschen des Lichtes) dar, in dem die Zapfen adaptieren, das zweite, langsamere Stadium wird von der Adaptation der Stäbchen bestimmt (7-10 Min. nach dem schnellen Anstieg folgt eine allmähliche Erhöhung der Lichtempfindlichkeit, die sich die folgenden 20- 30 Min. fortsetzt). Erklärung: Die erhöhte Empfindlichkeit der Zapfen und Stäbchen im Zuge der Dunkeladaptation hat mit der Regeneration des in den Photorezeptoren enthaltenen Sehpigments zu tun: Das Molekül Retinal, das an die entsprechenden Sehpigment- Proteine gebunden ist, verändert durch Lichteinwirkung seine Form, so dass es sich von seinem Stammprotein löst. Dieser Umwandlungsprozess (Isomerisation) führt zu einer Bleichung des Sehpigments. In der Dunkelheit kann sich das Pigment regenerieren, d.h. es wird wieder lichtempfindlich. Die Regenerationszeit der Stäbchen und der Zapfen unterscheidet sich: Das Zapfenpigment regeneriert sich wesentlich schneller – nämlich innerhalb von 3 bis 4 Min. – als das der Stäbchen, die 20 – 30 Min. zur Regeneration benötigen. Deshalb übernehmen die Zapfen die erste Stufe der Dunkeladaptation, die Stäbchen die zweite. Dass die Stäbchen dann den Prozess der Dunkeladaptation übernehmen, hat auch damit zu tun, dass sich die beiden Rezeptorsorten hinsichtlich ihrer spektralen Hellempfindlichkeit unterscheiden: heißt: Stäbchen sind empfänglicher für kurzwelliges (dunkleres) Licht (Blautöne).

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Verfahren zur Messung der Zapfen+Stäbchen- Adaptation: Beobachter blickt auf Fixationspunkt, Testreiz (kleiner Lichtpunkt) wird peripher dargeboten: nach Einstellung der Empfindlichkeit des helladaptierten Auges, wir das Raumlicht ausgeschaltet, die Vp passt die Stärke des Testreizes so an, dass sie ihn gerade noch sehen kann.

Verfahren zur Messung der Zapfenadaptation: Die Vp schaut direkt auf einen dargebotenen Testreiz, so dass dessen Bild ausschließlich auf die Fovea fällt. Auf diese Weise misst man nur die Empfindlichkeit der Zapfen, da diese ausschließlich in dem besagten Bereich der Netzhaut lokalisiert sind.

Verfahren zur Messung der Stäbchenadaptation Zur Messung der Stäbchenadaptation hat man das oben beschriebene Experiment mit Stäbchenmonochromaten durchgeführt, d.h. mit Menschen, auf deren Netzhaut ausschließlich Stäbchen zu finden sind. Dabei fiel auf, dass die Stäbchen auch in der Anfangsphase des plötzlichen Beleuchtungswechsels adaptieren, allerdings nur zu einem so geringen Ausmaß, dass dies bei Vpn, die auch über Zapfen verfügen, nicht ins Gewicht fällt. Kohlrauschknick Derjenige Punkt der Dunkeladaptations-kurve, an dem das Sehen von Zapfen zu den Stäbchen übergeht. Der Knick kommt dadurch zustande, dass die Zapfen zunächst schneller adaptieren, der Prozess dann aber in langsamerem Tempo von den Stäbchen weitergeführt wird. Akkommodation (Verschiebung des Brennpunktes) Die Fähigkeit des Auges, sich auf ein Objekt, welches sich in einer beliebigen Entfernung vom Auge befindet, so einzustellen, dass dieses Objekt scharf gesehen werden kann. Nahpunkt Die Entfernung, bei der die Linse nicht mehr akkommodieren kann, heißt Nahpunkt.

Brechkraft Das Ausmaß, in dem ein optisches Medium wie die Linse oder die Hornhaut Licht brechen kann. Je größer die Brechkraft, desto stärker wird das einfallende Licht gebrochen. Purkinje- Phänomen Beim Übergang vom photoptischen (Zapfen-) zum skoptischen (Stäbchen-) Sehen ändert sich die spektrale Empfindlichkeit. Alle Gegenstände erscheinen unbunt (eher grau). Aber vormals rote Gegenstände sind auffallend dunkel und blaue verhältnismäßig hell. Konvergenz Von Konvergenz spricht man, wenn die Synapsen von zwei oder mehreren anderen Neuronen auf ein einziges Neuron münden. Das Netzwerk der Neuronen, die zusammen die Netzhaut konstituieren, ist von zahlreichen Konvergenzen geprägt. Die Konvergenz der Stäbchen ist weitaus höher als die der Zapfen (durchschnittlich 120 Stäbchen konvergieren auf eine Ganglienzelle). Diese hohe Konvergenz hat zur Folge, dass die Stäbchen wesentlich lichtempfindlicher sind als die Zapfen (es reicht eine geringe Reizstärke aus, um eine hohe Reaktionsantwort der Ganglienzellen zu erhalten).Man spricht auch davon, dass die Stäbchen über eine höhere räumliche Summation verfügen (Die Reizreaktionen vieler Stäbchen summieren oder addieren sich in derselben Ganglienzelle). Diese größere räumliche Summation führt zu größeren rezeptiven Feldern in der Netzhautperipherie (in der sich überwiegend Stäbchen befinden). Durch ihre hohe Konvergenz verlieren die Stäbchen allerdings die Fähigkeit der genauen räumlichen Auflösung. Diese ist wiederum bei den Zapfen gegeben, die über eine sehr geringe Konvergenz verfügen, dafür die teilweise gegeben eins- zu- eins- Verknüpfung mit den Ganglienzellen (im Bereich der Fovea) eine sehr gute „punktuelle“ Reizübertragung ermöglicht. Rezeptives Feld Das rezeptive Feld eines Neurons ist derjenige Bereich auf der Rezeptorenfläche (der Netzhaut beim Sehen; der Haut bei Berührung), der bei einer Reizung die Entladungsrate dieses Neurons beeinflusst.

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On- Zentrum- Neuronen Neuron mit exzitatorischem Zentrum und inhibitorischen Umfeld. Off- Zentrum – Neuronen Neuron mit inhibitorischem Zentrum und exzitatorischen Umfeld. Zentrum- Umfeld – Antagonismus Wechselwirkung zwischen dem zentralen und dem umgebenden Bereich des rezeptiven Feldes eines On- Zentrum bzw. Off- Zentrum- Neurons. Laterale Hemmung/ Inhibition Hemmung, die sich in einem neuronalen Schaltkreis seitlich ausbreitet. In der Netzhaut sind die Horizontal- und Amakrinzellen am Vorgang der lateralen Hemmung beteiligt. Beispiele für die Wirkung der lateralen Hemmung sind das Phänomen des Hermann Gitters sowie die Mach’schen Bänder. [Das Prinzip der lateralen Hemmung wurde 1956 in Versuchen mit Pfeilschwanzkrebsen bestätigt: Deren Augen bestehen aus hunderten Ommatiden, die jeweils einen einzigen Rezeptor enthalten. Es zeigte sich, dass die Reizung nur eines einzelnen Rezeptors durch einen Lichtstrahl eine höhere Reizantwort dieses Rezeptors auslöste, als wenn die Reizung auch auf die benachbarten Rezeptoren ausgeweitet wurde. ] Hermann Gitter

Erklärung: An den Kreuzungspunkten findet eine stärkere laterale Hemmung statt als bei den übrigen weißen Gängen. Daher erscheinen erstere dunkler als letztere.

Mach’sche Bänder

Die Streifen der verschiedenen Graustufenbänder sind auf ihrer gesamten Fläche gleich hell. Es entsteht allerdings der Wahrnehmungseindruck, dass an den Stellen wechselnder Helligkeit das Intensitätsgefällestärker ist. Bei B scheint das Grau heller zu sein als das des restlichen Streifens. Der Bereich bei C hingegen erscheint dunkler als der Rest des dazugehörigen Streifens. Dieses Phänomen ist durch laterale Hemmung erklärbar. An der Wechselstelle ist die laterale Hemmung von der einen Seite geringer. Die Neuronen auf der hellen Seite der Grenze feuern stärker und auf der dunklen Seite schwächer. Deshalb ist Reaktionsantwort der Bipolarzellen insgesamt höher was den verstärkten Helligkeitseindruck von B erklärt.

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1.3. Kapitel 5: Farbwahrnehmung Funktionen der Farbwahrnehmung Farbe hilft, Formen richtig wahrzunehmen, Gegenstände zu erkennen und überlebenswichtige Aufgaben zu bewältigen. Besonders wichtig ist dabei die Fähigkeit der Unterscheidung und Gliederung (z. B. die Abgrenzung eines Gegenstandes von einem anderen und die Identifikation besonders kleiner Objekte vor einem vielfarbigen Hintergrund, die farbliche Relativierung von Helligkeitskonturen), die durch die Farbwahrnehmung in erheblichem Maße unterstützt wird. Auch bei der Signalgebung spielen Farben eine wichtige Rolle: nicht nur im Kontext des Balzverhaltens vieler Tiere, sondern auch im Zusammenhang der Demonstration von Gefühlen (Farbveränderung der menschlichen Haut) und in vielen zivilisatorischen Organisationszusammenhängen. Reflextanz Bezeichnet jenen Anteil des einfallenden Lichtes, den ein Gegenstand reflektiert. Der andere Teil wird absorbiert oder durchgelassen. Der Grad der Reflextanz Chromatische Farben Farben mit Farbtönen, wie Blau, Gelb, Rot und Grün. Achromatische Farben „Farben“ ohne Farbton: weiß, schwarz und alle Graustufen dazwischen. Sättigung und Intensität einer Farbe Die Sättigung hängt vom Weißanteil innerhalb der Farbe ab: Je gesättigter eine Farbe, desto weniger weiß enthält sie. Es werden 20 unterscheidbare Sättigungswerte angenommen. Die Farbintensität wiederum wird durch Helligkeitsabstufungen bestimmt. Je heller ein Farbton, desto weniger intensiv erscheint er. Es können bis zu 500 Helligkeitswerte unterschieden werden. Selektive spektrale Reflektanz

Dreifarbentheorie Begründet von Hermann von Heimholz (1821 – 1894). Der Dreifarbentheorie zu Folge beruht die Farbwahrnehmung auf drei Rezeptorsystemen mit jeweils unterschiedlicher spektraler Empfindlichkeit. Evidenzen (Psychophysik) Farbabgleich- Experimente Die Probanden sollen aus drei Farben unterschiedlicher Wellenlängen eine Mischfarbe herstellen, die mit der auf einem Testfeld dargebotenen Farbe identisch sein soll. Ergebnis: Es reichen drei Farben aus, um jede beliebige Farbvorgabe zu erfüllen. (Neurophysiologie) Farbeindruck entspricht dem Aktivitätsmuster dreier Farbrezeptoren (Zapfenrezeptoren), die jeweils für unterschiedliche Wellenlängen empfindlich sind. Gegenfarbentheorie Begründet von Ewald Hering (1834- 1918). Schließt aus phänomenologischen Beobachtung wie z.B. den negativen Nachbildern, dass es drei antagonistisch wirkende Farbenpaare gibt: rot – grün; blau – gelb; weiß – schwarz. Evidenzen (Phänomenologische Studien) Nachbild, Farbsimultankontrast (Neurophysiologie) Nachweis von (doppelten) Gegenfarbenneuronen bei Affen.

Integration der Theorien drei verschiedene Zapfenpigmente mit unterschiedlichen Absorbationsspektren auf der menschlichen Netzhaut nachgewiesen. + Gegenfarbenneuronen im Corpus geniculatum laterale (CGL)/ Kniehöcker und (doppelte) Gegenfarbenneuronen im striären Cortex des Affenhirns nachgewiesen. Bei den Gegenfarbenneuronen handelt es sich um On- beziehungsweise off- Zentrum- Neuronen, die von einem bestimmten Wellenlängenbereich, der auf das Zentrum einwirkt, erregt werden und von einem anderen Wellenbereich, der auf das Umfeld einwirkt, gehemmt wird (oder umgekehrt)

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Farbkonstanz Meint die relative Stabilität der Farbwahrnehmung unter variierenden Beleuchtungsverhältnissen. Psychophysische Faktoren der Farbkonstanz:

1. Chromatische Adaptation (Farbadaptation): Beispiel: Rot- Adaptation beim Übergang vom Tageslicht (weiß) zu Glühlampenlicht (langwellig röt-/ gelblich). Die Adaptation an das rote Licht betrifft selektiv ihr langwelliges Zapfenpigment. Das Auge adaptiert an das langwellige Licht, wodurch die Empfindlichkeit der Augen für dieses Licht abnimmt. Deshalb wirkt das von den Gegenständen reflektierte langwellige Licht weniger stark als vor der Adaption. Experiment: Papier- Farbprobe unterschiedliche Beleuchtungsverhältnisse (Uckikawa) 2. Umfeld:

Die Farbkonstanz funktioniert optimal, wenn ein Objekt von vielen verschiedenen Farben umgeben ist. Experiment: Mondrian- Vorlagen (wichtiger Faktor, vgl. neurophysiologische Studien) 3. Wissen des Beobachters über die typische Farbe von Gegenständen: Ein kleiner Anteil der Farbkonstanz geht darauf zurück, dass das Wissen um die charakteristische Farbe eines Gegenstandes unsere Farbwahrnehmung desselben beeinflussen kann. Neurophysiologische Befunde: Bei der Demonstration von Mondrian- Vorlagen in Tages- und langwelligem Licht zeigte sich, dass eine grüne Vorlage bei weißem Licht Reaktionsantworten der Grün(+)/Rot(-) – Neuronen in der Area striate (prim. Vis. Cortex) und bei den Neuronen des V4 Areals […] hervorrief. Bei der Konfrontation mit langwelligem Licht wurde das Grün(+)/Rot(-) – Neuron gehemmt, das V4- Neuron feuerte normal.

Helligkeitskonstanz Ähnlicher Mechanismus wie der der Farbkonstanz für achromatische Farben. Mit der Helligkeitskonstanz wird das Phänomen bezeichnet, dass wir weiß- grau und Schwarztöne eines Objekts als gleich bleibend hell wahrnehmen, auch wenn dieses unterschiedlichen Lichtintensitäten ausgesetzt ist.

Erklärungsansätze Verhältnisprinzip: Zwei Flächen, die unterschiedliche Lichtmengen reflektieren erscheinen gleich hell, wenn man das Verhältnis ihrer Intensitäten zu denen ihrer Umfelder konstant hält.

Problem ungleicher Verteilung von Beleuchtung Subtraktive Farbmischung Das Ergebnis, wenn Malfarben verschiedener Farbpigmenten gemischt werden. Je mehr Farbpigmente gemischt werden, desto weniger Reflextanz findet statt, Helligkeit wird „subtrahiert“. Additive Farbmischung Das Ergebnis, wenn Leuchtfelder verschiedener Wellenlänge überlagert werden. Je mehr Leuchtfelder übereinander gelegt werden, desto stärker ist die Reflektanz der beleuchteten Stelle. Dies ist auch der Fall, wenn farbige Filter vor die Leuchtquelle gesetzt werden (Rot und grünes Licht ergibt gelbes Licht). Helligkeit wird also „addiert“.

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1.4. Kapitel 6: Wahrnehmung von Objekten Grundannahmen der Gestaltpsychologie Die Gestaltpsychologie ist eine psychologische Schule, die sich hauptsächlich mit den Prinzipien der Wahrnehmungsorganisation beschäftigt. Die Grundthese der Gestaltpsychologie lautet: „Die Summe ist mehr als ihre Teile.“, was soviel heißen soll wie, dass unsere Wahrnehmung der Teile eines Reizmusters von seiner gesamten Konfiguration abhängt. Die Gestaltpsychologie wurde 1920 von einer Gruppe von Psychologen begründet, unter denen sich Max Werthheimer (1880 – 1943) mit seinen Forschungsarbeiten besonders hervorgetan hatte. Die Gestaltpsychologen grenzten sich gegen die Annahmen der bis dahin maßgeblichen klassischen Assoziationspsychologie ab. Kritik an der Assoziationspsychologie Nach Ansicht der klassischen Assoziationspsychologie bauen sich unsere Wahrnehmungen aus elementaren Empfindungen auf, wobei den Sinnesdaten in Hinblick auf unser komplexes Erleben eine konstitutive Rolle zukommt. Die Gestaltpsychologen (Werthheimer) kritisierten diese Auffassung mit dem Hinweis auf Phänomene wie das der Scheinbewegung und Scheinkonturen. Zur Veranschaulichung des ersten Phänomens: Zwei in einigem Abstand voneinander positionierte, kurz hintereinander aufleuchtende Lichtstreifen lösen den Eindruck eines kontinuierlichen Bewegungsablaufs aus. Dieser Eindruck entsteht, obwohl es für ihn zeitweilig keine reale Reizgrundlage gibt. Mithilfe des Assoziationsgrundsatzes, der davon ausgeht, dass jede Empfindung an einen Reiz gekoppelt sein muss, lässt sich dieses Phänomen nicht erklären.

Gestaltfaktoren Sind nicht als „Gesetze“ zu verstehen, eher als Faustregeln, Heuristiken unseres visuellen Systems.

1. Faktor der Prägnanz und guten Gestalt Jedes Reizmuster wird so gesehen, dass die resultierende Struktur so einfach wie möglich ist.

2. Faktor der Ähnlichkeit Ähnliche Dinge erscheinen zu zusammengehörenden Gruppen geordnet.

3. Faktor der gestaltgerechten Linienfortsetzung Punkte, die als gerade oder sanft geschwungene Linien gesehen werden, wenn man sie verbindet, werden als zusammengehörig wahrgenommen. Linien werden tendenziell so gesehen, als folgten sie dem einfachsten Weg.

4. Faktor der Nähe Dinge, die sich nahe beieinander befinden, erscheinen als zusammengehörig.

5. Faktor des gemeinsamen Schicksals Dinge, die sich in die gleiche Richtung bewegen, erscheinen als zusammengehörig.

6. Faktor der Bedeutung oder Vertrautheit Dinge bilden mit größerer Wahrscheinlichkeit Gruppen, wenn die Gruppen dem Betrachter vertraut erscheinen oder etwas bedeuten. Zusätzliche ‚neuere’ Faktoren der Wahrnehmungsorganisation 1+. Faktor der gemeinsamen Region Elemente, die innerhalb einer gemeinsamen Region liegen, werden zusammen gruppiert 2+. Faktor der Verbundenheit der Elemente Elemente, die miteinander verbunden sind, werden als Einheit gesehen. 3+. Faktor der zeitlichen Synchronizität Elemente, die in zeitlicher Übereinstimmung erscheinen, werden als zusammengehörig wahrgenommen.

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Figur-Grund-Trennung Die Figur-Grund-Trennung bezeichnet unsere Fähigkeit der Auftrennung eines Musters in eine Figur (Gestalt) und einen Hintergrund. Die Figur (Gestalt) wird als in irgendeiner Weise „dinghafter“ als der Hintergrund identifiziert und als sich vor ihm befindlich wahrgenommen. Als wichtige Faktoren zur Differenzierung von Figur und Hintergrund nennt die Gestaltpsychologie die Faktoren: Symmetrie, Größe, Orientierung und Bedeutung. Symmetrische, konvexe, verhältnismäßig kleine Flächen sowie horizontal oder vertikal Orientierungen werden eher als Figur gedeutet. Kritik an Gestaltpsychologie

- Begrenzte Anwendbarkeit der Gestaltgesetze, die vielmals nur aus speziell konstruierten Beispielfällen ableitbar sind.

- Die Gestalt’gesetze’ sind keine Naturgesetze im engeren Sinne, da sie keinen prognostischen Charakter haben.

- Ungenauigkeit der Bedeutung der verwendeten Konstrukte (Ähnlichkeit, Einfachheit was soll das genau heißen?).

- Beschränkt sich auf das Feld phänomenaler Beschreibungen, liefert keine wirklichen Erklärungen.

Neuere Theorien zur Wahrnehmung von Objekten:

Algorithmischer Ansatz (David Marrs 1982) Diesem Ansatz zufolge ist das visuelle System

als primär algorithmisch arbeitend aufzufassen. Die Grundlage unserer Formwahrnehmung besteht in einer mehrstufigen Analyse der Informationen, die im Netzhautbild enthalten sind. Ausgangspunkt dieses Modells ist also das Abbild des Gegenstands oder der Szene auf der Netzhaut. Es schließen sich die folgenden Verarbeitungsstufen an:

1. Primäre Rohskizze Extraktion und Identifikation elementarer Merkmale des Objekts: Ecken, Kanten, Konturen, dunkle und helle Bereiche des Objekts …

2. 2 ½ - dimensionale Skizze Gruppierung und Weiterverarbeitung der Elementarmerkmale nach Gestaltgesetzen und unter Berücksichtigung der Tiefeninformation.

3. 3 - dimensionale Repräsentation Die erarbeiteten ganzen Formen werden in hierarchischer Weise organisiert. 3D- Modelle werden ausgelotet und mit bereits gespeicherten 3D- Modellen verglichen.

Kritik: Ansatz beruht allein auf bottom-up- Prozessen.

Merkmalsintegrationstheorie (Ann Treisman, 1987, 1993, 1999)

Das Sehen von Gegenständen erfordert

mehrere Stufen der Verarbeitung, die sich in die zwei Hauptstufen der präattentiven und der aufmerksamkeitsgerichteten Verarbeitung untergliedern lassen:

1. Präattentive Verarbeitung:

Reizmuster wird in seine Elementarmerkmale zerlegt.

2. Aufmerksamkeitsgerichtete Verarb.: Elementarteile werden zu einem Ganzen zusammengefasst.

Wahrnehmung eines 3- dimensionalen Objektes, Vergleich dieses Objektes mit einer im Gedächtnis gespeicherten Repräsentation Übereinstimmung = Identifikation des Gegenstandes

Elementarmerkmale nach Treisman: Linienbogen, Linienneigung, Farbe, Linienendpunkte, Bewegung.

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Befund zu Ann Treismans Theorie Scheinverbindungen: Kurzzeitige Darbietung verschiedenfarbiger Buchstaben (X, S, T). Dann Maskierungsmuster aus zufällig verteilten Punkten im vorherigen Präsentationsbereich, um visuelle Nachwirkung auszuschließen. Frage: Was hat die Vp wahrgenommen. Viele Probanden gaben an, Buchstaben in einer anderen Farbe als der tatsächlich dargebotenen gesehen zu haben. Dieser Befund legt nahe, dass die Elementarmerkmale (hier Farbe und essentielle Formmerkmale der Buchstaben) in der präattentiven Phase unabhängig nebeneinander bestehen/ unabhängig voneinander wahrgenommen werden, bevor sie im attentiven Stadium verknüpft werden. Diese Annahme kann auch durch neurophysiologische Studien bestärkt werden, die zeigen, dass Eigenschaften wie Farbe, Form und Bewegung in getrennten neuronalen Kanälen verarbeitet werden. Geon-Theorie (Irving Biedermann, 1987,

1992) Dieser Theorie zufolge basiert die Objektwahrnehmung auf der Zerlegung der Objekte in elementare Teilkörper, die Geone, derer es nach Biedermann nur ca. 36 bedarf, um all unsere Objektwahrnehmungen zu generieren. Durch die Kombination dieser Geone lässt sich jeder beliebige Gegenstand repräsentieren. Objekte können dann erkannt werden, wenn die Geone identifiziert werden, aus denen sie bestehen. Kritik:

- Beim Zerlegen der Gegenstände in die elementaren Körper gehen wichtige Detailinformationen verloren, die für das erkennen von Objekten nötig sind, z.B. geometrische Feinstrukturen.

- Die Theorie sagt nichts darüber aus, wie die einzelnen Teilkörper vom visuellen System zuverlässig unterschieden und identifiziert werden können.

- Bei komplexen Gegenständen gibt es nicht nur eine richtige Zerlegung.

Befund zu Irving Biedermanns Theorie Untersuchung zur Rückgewinnung der elementaren Teilkörper: Verdeckung weiter Teile der Geone, die einen Gegenstand ausmachen, aber nur so weit, dass von jedem wichtigen Geon noch genügend zu erkennen übrig ist, so dass es identifizierbar ist. Frage: Welches Objekt sieht der Proband? Ergebnis: Obwohl meist mehr als die Hälfte der Konturen des abgebildeten Gegenstandes verdeckt waren, konnten die Probanden ihn zuverlässig identifizieren. Wenn man hingegen essentielle Teile der das Objekt konstituierenden Geone verdeckte war eine Identifikation desselbigen nicht mehr möglich. Dieser Befund scheint Biedermanns Theorie zu stützen, dass wenn uns nur genügend Information zur Identifikation des wichtigsten Geone eines Objekts zur Verfügung steht, wir das Objekt auch identifizieren können. Top-down-Verarbeitung Verarbeitung, die mit der Analyse von Information auf hoher Ebene beginnt, etwa mit dem kognitiven Kontext, Bedeutungskomponenten oder Graden der Vertrautheit des zu verarbeitenden Gegenstandes/Reizes. Button-up-Verarbeitung Verarbeitung, die als Ausgangspunkt die Aufnahme der Reizinformationen hat. Zuerst werden kleine Einheiten wie Elementarmerkmale analysiert, bzw. ein zu analysierender Gegenstand wird in seine Einzelteile zerlegt.

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1.5. Kapitel 7: Wahrnehmung räumlicher Tiefe und der Größe von Objekten Problem der Wahrnehmung räumlicher Tiefe Aus den Abbildungspunkten einzelner Punkte auf der Retina lässt sich räumliche Tiefe nicht rekonstruieren, weil es sich bei dem Netzhautbild um ein zweidimensionales handelt. Das visuelle System muss die Informationen räumlicher Tiefe, die in den retinalen Abbildungen verschlüsselt enthalten sind, dekodieren und in räumliche Wahrnehmung umsetzen. Zu dieser Entschlüsselung dienen die folgenden Tiefenkriterien. Monokulare Tiefenkriterien Monukulare Tiefeninformationen ergeben sich aus strukturellen Regelmäßigkeiten in Abbildungen, die mit der Entfernung kovariieren. Sie heißen monukular, weil sie auch dann wirksam sind, wenn wir nur ein Auge benutzen. Zu den monukularen Tiefenkriterien zählen: - Verdecken von Objekten - Relative Höhe im Gesichtsfeld - Relative Größe im Gesichtsfeld - Atmosphärische Perspektive - Gewohnte Größe von Gegenständen - Lineare Perspektive - Texturgradient - Akkomodation ( auch okulomotorisches

Kriterium) - Bewegungsindizierte Informationen für die

Tiefe: Bewegungsparalaxe, fortschreitendes Zu- und Aufdecken von Flächen

Verdecken von Objekten Wenn Objekt A einen Teil von Objekt B verdeckt, wird Objekt A als vor B liegend gesehen. Das Kriterium des Verdeckens liefert allerdings keine Information über die Entfernung eines Objekts, sondern nur über die relative räumliche Tiefe. Relative Höhe im Gesichtsfeld Objekte unterhalb der Horizontlinie, die sich im Gesichtsfeld weiter oben, also in einer höheren Position befinden, werden gewöhnlich als weiter entfernt gesehen. Objekte oberhalb der Horizontlinie erscheinen entfernter, wenn sie im Gesichtsfeld an niedrigeren Positionen stehen.

Relative Größe im Gesichtsfeld Wenn zwei Objekte physikalisch gleich groß sind, so nimmt der nähere einen größeren Teil des Gesichtsfeldes ein. Diese Regelmäßigkeit der relativen Größe im Gesichtsfeld kann für die Wahrnehmung der räumlichen Tiefe ausgenutzt werden. Atmosphärische Perspektive Weil die Luft kleine Partikel wie Staub, Wassertröpfchen und verschiedene Verschmutzungen enthält, sehen wir Objekte, die weit von uns entfernt sind weniger scharf. Gewohnte Größe von Gegenständen Unser Wissen über die Größe eines Objekts beeinflusst unter bestimmten Bedingungen, wie weit entfernt wir Objekte wahrnehmen. Beispiel: Wenn wir gleichgroße Bilder von einem 1- Cent, 20 Cent und 2 Euro- Stück vor uns haben, entsteht der Eindruck, dass sich ersteres am nahsten, letzteres am weitesten weg befindet. Lineare Perspektive Wenn ein Bild linearperspektivisch gezeichnet ist, konvergieren die Linien in der Ferne, die in der wirklichen Szene parallel verlaufen. Je größer die Entfernung, desto stärker nähern sie sich einander, bis sie sich sehr weit weg im Fluchtpunkt vereinigen. Beispiel aus der ‚natürlichen’ Umwelt: Eisenbahnschienen, die mit wachsender Entfernung zu konvergieren scheinen. Texturgradient Elemente, die in einer Szene horizontal gleich weit voneinander entfernt sind, erscheinen im Bild mit zunehmendem Abstand als immer dichter gepackt. (Wichtiger Faktor: Untersuchungen haben gezeigt, dass sich unsere Wahrnehmung räumlicher tiefe verschlechtert, wenn keine Bodeninformationen zur Verfügung stehen.

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Okulomotorische Kriterien Okulomotorische Kriterien haben mit den mechanischen Vorgängen des Sehprozesses zu tun. Sie ergeben sich aus unserer Fähigkeit, die Konvergenzstellung und die Akkomodation unserer Augen auszuwerten. Konvergenz 1 Meint die Bewegung der Augen, wenn sie sich einwärts (Konvergenz) oder auswärts (Divergenz) drehen, um Objekte in der Ferne oder in der Nähe zu erfassen. Akkomodation (Verschiebung des Brennpunktes) Die Fähigkeit des Auges, sich auf ein Objekt, welches sich in einer beliebigen Entfernung vom Auge befindet, so einzustellen, dass dieses Objekt scharf gesehen werden kann. Bewegungsindizierte Informationen Sind diejenigen Informationen über die räumliche Tiefe, die wir erhalten, wenn wir uns bewegen und unser Umfeld an uns vorbeiziehen oder sich auf uns zu bewegen sehen. Zu den bewegungsindizierten Informationen gehören die Bewegungsparalaxe und das Fortschreitende Zu – oder Aufdecken von Flächen. Bewegungsparalaxe Ist das Kriterium zur Wahrnehmung räumlicher Tiefe auf der Basis der relativen Geschwindigkeit zwischen uns und den Objekten: weit entfernte Dinge bewegen sich langsam; Dinge in der Nähe bewegen sich schnell. Erklärung: Bei dem Wechsel von einer Position A in die Position B verschiebt sich das Bild eines nahen Objektes auf der Netzhaut um ein großes Stück und bewegt sich daher rasch durch das Gesichtsfeld des Beobachters. Das Abbild eines fernen Objekts dagegen legt eine viel kürzere Strecke auf der Netzhaut zurück und bewegt sich daher viel langsamer durch das Gesichtsfeld des Beobachters.

Fortschreitendes Zu/-Aufdecken von Flächen Wenn jemand sich horizontal zu zwei Flächen bewegt, die sich in unterschiedlicher Entfernung zu ihm befinden, wird in der Regel die hintere von der vorderen zugedeckt, wenn sich der Beobachter in die eine Richtung bewegt, und aufgedeckt, wenn er sich in die andere Richtung bewegt. Binokulare Tiefenkriterien Sind diejenigen Informationen über die räumliche Tiefe, die wir allein aufgrund der Tatsache erhalten, dass wir mit zwei Augen sehen. Zu den binokularen Tiefenkriterien zählen:

- Konvergenz - Querdisparation,

korrespondierende/nicht- korrespondierende Netzhautpunkte, Horopter, Stereopsis

Querdisparation Querdisparation entsteht durch die kleinen Unterschiede zwischen den Abbildungen der linken und rechten Retina, die dadurch begründet sind, dass unsere Augen in einem geringfügigen Abstand voneinander angeordnet sind. Die Querdisparation ist wesentlich für das Erzeugen des Eindrucks räumlicher Tiefe. Korrespondierende Netzhautpunkte Jedem Punkt auf der einen Netzhaut entspricht ein Punkt auf der anderen. Korrespondierende Netzhautpunkte sind die einander entsprechenden Punkte auf den beiden Netzhäuten, d.h. die Orte, die auch mit demselben Ortswerten im visuellen Cortex verbunden sind.

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Horopter Der Horopter ist ein gedachter Kreis, der durch den Fixationspunkt einer jeweiligen Perspektive und die optischen Mittelpunkte der beiden Augen führt. Alle Objekte, die sich im Zusammenhang mit einer bestimmten Blickausrichtung auf einer Horopterlinie befinden, erzeugen retinale Bilder auf korrespondierenden Netzhautpunkten. Bilder von Objekten, die nicht auf dem jeweiligen Horopter liegen, fallen auf nicht- korrespondierende (disparate Netzhautpunkte). Der Winkel, der auf diese Weise zwischen dem eigentlich korrespondierenden Netzhautpunkt und dem tatsächlich gereizten entsteht, nennt man Querdisparationswinkel ([…]). Je weiter das Objekt innerhalb des Horopterkreises von dessen Außenlinie entfernt ist, desto größer ist der Querdisparationswinkel. Wenn sich Objekte zwischen der Horpoterlinie und dem Beobachter befinden, liegen ihre Abbildungen im äußeren Randbereich der Netzhäute. Die resultierende Querdisparation heißt gekreuzte Querdisparation. Je weiter hinter dem Horopter ein Gegenstand liegt, desto mehr rücken seine Bilder auf der Netzhaut nach innen und desto größer ist deren Querdisparation, die man als ungekreuzt bezeichnet. Gekreuzte Querdisparation zeigt also an, dass ein Objekt näher liegt als der Horopter, und ungekreuzte Querdisparation heißt, dass ein Objekt weiter entfernt liegt als der Horopter. Stereoskopisches Sehen Sehwinkel Der Sehwinkel ist ein Maß für die Größe des Netzhautbildes. Er ist derjenige Winkel, der sich ergibt, wenn man vom oberen und unteren Grenzpunkt des Netzhautbildes je eine Linie zum Mittelpunkt der Augenlinse, welcher den Scheitelpunkt darstellt, zieht. Verlängert man diese Linien in den Bereich, der außerhalb des Auges liegt, so wird deutlich, dass jedes Objekt, was mit seiner Ober- und Untergrenze je auf den verlängerten Linien liegt, unter den gleichen Sehwinkel fällt. Zwei verschieden große Objekte können bei entsprechender Blick- und Entfernungsausrichtung also denselben Sehwinkel haben. Dennoch nehmen wir sie (wenn das eine nicht das andere verdeckt, wie das bei der Sonnenfinsternis der Mond mit der Sonne tut) als unterschiedlich groß wahr. Befinden sich zwei verschieden große Objekte in gleichem Abstand von uns, so erscheint das mit dem größeren Sehwinkel auch größer.

Größenkonstanzmechanismus Wir nehmen also die Größe eines Objektes als konstant wahr, auch wenn sich die Größe seiner Abbildung auf der Netzhaut ändert. Dieses Phänomen nennt man auch Größenkonstanzmechanismus: Unserer Größenwahrnehmung und die retinale Größe zusammen wird zusammen mit der erschlossenen Entfernung verrechnet. Zum Erschließen der Entfernung müssen ausreichend Tiefenkriterien vorliegen. Wenn der Beobachter nur ungenügende oder keine Informationen zur Abschätzung der Entfernung oder räumlichen Tiefe des wahrgenommenen Objekts zur Verfügung hat, dann wird der Größenkonstanzmechanismus auch beeinträchtigt. Experiment von Holway und Boring Experiment, das zeigt, dass bei ungenügenden oder fehlenden Informationen zur Abschätzung der Entfernung oder räumlichen Tiefe des wahrgenommenen Objekts der Größenkonstanzmechanismus beeinträchtigt wird. .

Der Beobachter sitzt am Kreuzungspunkt zweier Flure. Auf dem einen Flur steht in drei Meter Entfernung eine leuchtende Vergleichskreisscheibe. Auf dem anderen Flur wird die Größe und Entfernung einer zweiten Testkreisscheibe modifiziert, aber immer so, dass der Sehwinkel von 1° gewahrt bleibt. Der Versuch zeigt, dass der Beobachter immer die richtige Größe der Testkreisscheibe schätzen kann, auch wenn dessen Abbild auf der Netzhaut immer der der Vergleichskreisscheibe entspricht. Bei schlechteren Sichtbedingungen (einäugig, durch die Lochblende sehend oder bei einem mit Tüchern verhangenden Flur) schwindet diese Fähigkeit des Beobachters allerdings.

Dieses Experiment zeigt also, wie wichtig Entfernungsinformationen für die Wahrnehmung der Größe von Objekten sind.

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Mondtäuschung Phänomen, dass der Mond, wenn er knapp über dem Horizont steht, viel größer erscheint als hoch am Himmel.

Erklärungsansätze:

1) Erklärung durch die wahrgenommene Entfernung (gängige Erklärung):

Sowohl der tief stehende als auch der hoch stehende Mond haben denselben Sehwinkel. Weil dem Beobachter bei der Betrachtung der Mondes im freien Himmel jegliche Tiefenkriterien fehlen, wohingegen die Erdoberfläche bei der Sicht auf den am Horizont gelegenen Mond derer zahlreiche zu bieten hat, nimmt er ersteren als deutlich kleiner wahr als letzteren, der sehr weit entfernt zu sein scheint. Denn: Von zwei Objekten mit gleichem Sehwinkel, aber unterschiedlicher Entfernung, erscheint dasjenige als größer, das als weiter entfernt wahrgenommen wird. 2) Erklärung durch Sehwinkelgrößen-

vergleiche Bezieht sich auf die Annahme, dass der wahrgenommene Größenunterschied durch den Vergleich des Sehwinkels des Mondes mit Objekten in seiner Umgebung zustande kommt. Der Mond erscheint kleiner, wenn er

von größeren Objekten (wie dem großen Himmelszelt) umgeben ist. 3) Atmosphärische Perspektive Der Dunst am Horizont kann die wahrgenommene Größe steigern (rote Farbe vergrößert die wahrgenommene Größe […wie das?...] 4) Okulomotorische Faktoren Die Konvergenz der Augen bei der Betrachtung des Horizonts kann die wahrgenommene Größe steigern.

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1.5. Kapitel 8: Visuelle Bewegungswahrnehmung Funktionen der Bewegungswahrnehmung - Aufmerksamkeitssteuerung: Bewegung im peripheren Gesichtfeld löst Augenbewegung aus. - Bewegung eines Objekts vermittelt Information über die dreidimensionale Struktur des Objekts. - Erleichterung der Trennung von Figur und Hintergrund. - Steuerung der Motorik: Vermeiden der Kolision bei Eigenbewegung, Greifen von bewegten Objekten, etc… Bewegungsarten Reale Bewegung, stroboskopische Bewegung (= Scheinbewegung), Bewegungsnacheffekt (Wasserfalltäuschung, endloses Laufband), induzierte Bewegung. Reale Bewegung Ein Objekt, ein Lichtreiz bewegt sich physikalisch fort. Stroboskopische Bewegung (Scheinbewegung) Eine Serie aus Einzelbildern/ Einzelreizen wirkt wie eine Bewegung. Induzierte Bewegung Relative Bewegung von verschiedenen Objekten. Die Bewegung eines (gewöhnlich des größeren) Objekts induziert die Bewegung des kleineren. Beispiel: es erscheint manchmal so, als bewege sich der Mond mit großer Geschwindigkeit durch die Wolken; der Eindruck, in einem tatsächlich stehenden Fahrzeug rückwärts zu Rollen, wenn neben einem ein anderes Fahrzeug losfährt. Bewegungsnacheffekt Beim Fixieren einer Bildszenerie mit einer bewegten Oberfläche (fließendes Wasser, etc…), ohne Augenbewegung kommt es nach einiger Zeit zu dem Eindruck, dass sich die Szenerie in die entgegen gesetzte Richtung bewegt ( Wasserfalltäuschung, endloses Laufband mit Streifen)

Arten der Bewegungswahrnehmung

A) Bewegung des gesamten Gesichtsfeldes 1. eigene Fortbewegung bei stationärem

Umfeld 2. Kopfbewegung B) Lokale Bewegung innerhalb des

Gesichtsfeldes 1. Objektbewegung und Bewegung von

Oberflächen (Bewegung starrer Körper, Verformung von Objekten ,Wellen, Fließen)

2. Bewegung anderer Personen oder Lebewesen Zerlegung der Bewegung eines Objekts in die gesamte Bewegung des Objekts und die relative Bewegung seiner Teile zueinander. Gleichzeitige Bewegung von verschiedenen Objekten in verschiedenen Richtungen und mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten

3. Bewegung eigener Körpergliedmaßen, einschl. Werkzeuggebrauch

Bewegungsempfindliche Neuronen Befinden sich im primären visuellen Cortex und extrastriären Strukturen. Sie sind notwendig für die Wahrnehmung von Bewegung. Sie sind spezialisiert auf bestimmte Richtungen, z.B. +30°, feuern aber auch bei benachbarten Richtungen. Aus der Entladungsrate der Bewegungsneuronen allein kann nicht auf die Bewegungsrichtung "geschlossen" werden, denn gleiche Entladungsraten können bei weniger intensiven Reizen der optimalen Richtung und stärkeren Intensitäten und weniger optimalen Richtungen auftreten. Lösung des Problems: Im Rahmen der Neuronen-Ensemble-Theorie => Das Gesamtmuster der aktivierten Neuronen gibt Auskunft über die Richtung. [z.Z. wahrscheinlicher im Rahmen der Einzelneuronen-Theorie.] Nachgewiesen wurden bewegungssensible Neuronen durch Untersuchungen mit Katzen von Pasternak (1990).

Aufzucht bei 8 Hz-Flimmerlicht => Wahrnehmung der Katze: keine Bewegung, Umwelt als Standbilder. => Zerstörung der bewegungsempfindlichen Neuronen.

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Reichardt- Detektor Bei dem Reichardt- Detektor handelt es sich um ein Modell dafür, wie Signale nebeneinander liegender Rezeptoren verrechnet werden müssen, um richtungsspezifische Bewegung entdecken zu können. Wichtige Stufen in diesem Modell sind 1. zeitliche Verzögerung eines Reizes, 2. Multiplikation der Reize, 3. Differenzbildung. Der Reichardt-Detektor besitzt zwei räumlich getrennte Rezeptoren mit einem festen Basisabstand b. Die Reizantwort des Detektors hängt davon ab, welcher der beiden Rezeptoren zuerst gereizt wird. Einer der beiden Werte durchläuft in jedem Falle eine zeitliche Verzögerung. Der aktuelle, nicht verzögerte Wert des anderen Messpunktes wird mit diesem Wert korreliert, was z.B. durch Multiplikation geschehen kann. Diese Korrelation wird maximal, wenn sich das Bild während der internen Zeitverzögerung genau um die durch den Basisabstand gegebene Distanz verschoben hat. Bewegung von links nach rechts: Der linke Rezeptor wird gereizt, dieses Signal jedoch aufgrund eines Verzögerungsgliedes zeitlich verschoben. Dann wird der rechte Rezeptor gereizt, dieses Signal mit dem des ersten verrechnet (Multiplikation). Da es im Bereich des rechten Halbdetektors zu keiner Reizmultiplikation kommt, kein Ausgangsreiz (im Sinne von Reizresultat) zu verzeichnen ist, entsteht bei der Differenzbildung der Ausgangsreize in Richtung des Reizverlaufs eine positive Bilanz (x – 0) +. Bewegung von rechts nach links: Der rechte Rezeptor wird gereizt, dieses Signal sofort an die Multiplikationseinheit der linken Detektorhälfte weitergeleitet. Danach erfährt der linke Rezeptor Reizung, dessen Signal nochmals verzögert wird. Die rechte Detektorhälfte weist also wieder keinen Ausgangsreiz auf, die linke hingegen schon. Zieht man die Ausgangsreize jetzt voneinander ab, erhält man eine negative Bilanz (0 – x) - .

Trennung Fremd- und Eigenbewegung Gleiche proximale/ retinale Bewegungen können durch Objektbewegung oder Augenbewegung entstehen! Wie diskriminiert visuelles System zwischen Augen und Fremdbewegungen? Ein Ansatz: Die Information zur Trennung von Eigen- und Objektbewegung steckt im Reiz selbst (Gibson1966). Bewegt sich das Objekt, verdeckt und enthüllt es andere, unabhängig davon, ob sich das Auge bewegt. Bewegt sich dagegen alles im Gesichtsfeld, liegt dies an Eigenbewegung des Betrachters. ABER: Man kann auch bei einzelner Wolke am sonst wolkenlosen Himmel entscheiden ob sich Wolke oder Auge bewegt. Reafferenzprinzip und empirische Evidenz Das visuelle System besitzt extraretinale Informationen über die Augenbewegung (durch die motorischen Kommandos für die Augenbewegung). Die retinale Bildänderung wird mit der Bildänderung verglichen, die infolge der Augenbewegung erwartet wird. Übereinstimmung keine Objektbewegung Keine Übereinstimmung Objektbewegung Objektbewegung: wenn Efferenzkopie und afferentes Signal Differenz aufweisen! Evidenz: Durch Tests mit gelähmter Augenmuskulatur und passiver Augenbewegung wurde das Reafferenzmodell bestätigt. Korrespondenzproblem Wie sind die zeitlich und räumlich sukzessiven Informationen richtig aufeinander zu beziehen? Bewegungsnacheffekte und ihre physiologische Erklärung Die Impulsrate einer richtungsspezifischen Zelle steigt zu Beginn des Bewegungsreizes stark an, lässt, sinkt dann allmählich wieder ab, d.h. bei dieser Form der Dauerbelastung werden die Bewegungsdetektoren ermüdet. Wenn die Bewegung dann plötzlich aufhört, sinkt die Entladungsrate der einen Bewegungsrichtung unter das normale Niveau (Spontanaktivierungsniveau), so dass nach Ende der Bewegungswahrnehmungen die Entladungsrate (deren Spontanentladungsniveau) der Detektoren für die Gegenrichtung größer ist. .

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2. Allgemeine Psychologie (Müsseler und Prinz) 2.1. Kapitel 1c: Aufmerksamkeit Funktion der Aufmerksamkeit Selektion von bestimmten Inhalten oder Informationen, die mit einer Vernachlässigung (Deselektion) anderer Inhalte und Informationen einhergeht. Ziel der Selektion ist es, bestimmte Information dem Bewusstsein bzw. der Steuerung von Denken und Handeln zugänglich zu machen. Perzeptive Selektion Die Funktion der Auswahl bestimmter Information auf der Stufe der Wahrnehmung mit dem Ziel, diese Information dem Bewusstsein bzw. der Steuerung von Denken und Handeln zugänglich zu machen. Handlungsvermittelnde Selektion Die handlungsvermittelnde Funktion der Aufmerksamkeit stellt das Verarbeitungssystem mit allen seinen Komponenten - von der Wahrnehmung bis zur motorischen Reaktion – dass die in der jeweils zu erledigenden Aufgabe spezifizierten Handlungsziele möglichst effizient erreicht werden können. Filtertheorien 1. Frühe Selektion (Broadbent) Nach dieser Theorie kann nur einer von zwei sich in einem sensorischen (z.B. auditiven) Speicher befindlichen Reizen auf Grund seiner physikalischen Merkmale einen selektiven Filter passieren, um in einem kapazitätslimitierten, strikt seriellen System vollständig (semantisch) verarbeitet zu werden. Der Ort der Nachrichtenselektion ist also früh, die Weiteleitung erfolgt nach dem Alles- oder- nichts- Prinzip.

2. Attentuations- Theorie (Treisman) Diese Theorie lässt eine abgeschwächte Weiterleitung und Verarbeitung nicht beachteter Information zu; Weiterleitung nach dem Mehr- oder – weniger – Prinzip. Der Ort der Selektion ist zwar flexibel, aber wie bei Broadbent relativ früh. Nach Treisman durchläuft die Analyse der Eingangsinformation eine Hierarchie von Verarbeitungsstufen, wobei das erreichte Analyseniveau von der verfügbaren Verarbeitungskapazität abhängt. (Treismans Modell der Worterkennung: Hierarchie: Reizmuster Silben Wörter etc… Verarbeitungssystem enthält eine Reihe von lexikalischen Einheiten mit unterschiedlichen Aktivationsschwellen / abhängig von der Worthäufigkeit. Wenn die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Wortquelle gerichtet ist, können demnach nur noch Wörter mit niedriger Aktivationsschwelle verarbeitet werden, weil die übrige Verarbeitungskapazität erschöpft ist. Erklärung dafür, warum man z.B. sensibel auf die Äußerung des eigenen Namen reagiert, selbst wenn man einem anderen Gespräch lauscht. Der eigene Name hat eine niedrige Aktivationsschwelle) 3. Späte Selektion (Deutsch und Deutsch) Nach dieser Theorie erfolgt die Selektion in der Verarbeitungshierarchie relativ spät – nahe dem Ausgabeende des Systems. Eine Weiterverarbeitung – wie z.B. Speicherung im Gedächtnis bzw. Determination der motorischen Reaktion – erfolgt dann nur für die Reize, die für die momentane Aufgabe am relevantesten sind. Das setzt voraus, dass es einen effizienten Prozess für die Gewichtung aller Eingangsreize geben muss, was gegen die Annahme eines seriell arbeitenden Systems spricht.

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Theorien der frühen vs. späten Selektion Befunde Dichotisches Hören Experimentelles Vorgehen, bei dem dem linken und dem rechten Ohr einer Vp gleichzeitig je eine Satzfolge dargeboten wird, die sich hinsichtlich verschiedener Charakteristika (von physikalischen bis semantischen) sowohl intern als auch in Bezug auf die simultan präsentierte unterscheiden kann. Eine der Satzfolgen soll von der Vp „beschattet“ und dann laut nachgesprochen werden. Erhoben wird, inwieweit die Vp zur Reproduktion der nicht beachteten Nachricht fähig ist. Ergebnis: Vpn waren kaum in der Lage, den Inhalt der nicht beachteten Satzfolge wiederzugeben und auch nicht, Fremdsprachenwechsel zu erkennen. Allerdings wurde bemerkt, wenn die Stimme von einem männlichen Sprecher zu einer weiblichen Sprecherin wechselte, Beep- Töne wurden ebenfalls erkannt. Die letzteren Befunde könnten Ansätze stützen, die für flexible Selektionszeiträume plädieren, mit der Begründung, dass die Frage, wann und was durch Aufmerksamkeit gefiltert wird, von den Anforderungen der Aufgabe an die Zielreizselektion abhängt. Simultane semantische Verarbeitung ist offensichtlich nicht möglich, Stimmhöhe- und Signaltonverarbeitung schon.

Unterart des Paradigmas des dichotischen Hörens: Split Span- Paradigma Der Vp wird eine wird eine Sequenz von simultanen Ziffernpaaren dargeboten, die eine Ziffer an das linke Ohr und die andere an das rechte Ohr. Die Vp soll die Ziffern möglichst vollständig wiedergeben. Ergebnis: Die Wiedergabe erfolgte bevorzugt nach Ohr, nicht jedoch nach Darbietungspaaren. Schluss: Aufgabenirrelevante Nachrichten (Ziffernpaar) werden vor ihrer vollen Verarbeitung abgeblockt. Dieser Befund spricht für frühe Selektion. Psychologische Refraktärperiode (PRP) […]

Ortsbasierte visuelle Aufmerksamkeit Theorie der visuellen Aufmerksamkeit, die von ausgeht, dass Aufmerksamkeit zu einer gegebenen Zeit nur auf einen oder wenige Orte im visuellen Feld gerichtet werden kann (vgl. Lichtkegelmetapher der Aufmerksamkeit). Alle visuelle Information, die sich an diesen Orten befindet wird selektiert. Einen wichtigen Befund zur ortsbasierten visuellen Aufmerksamkeit lieferte Posner.

Spatial-cueing- Paradigma von Posner Experimentelles Design: Der Vp wird ein ortsbezogener Hinweisreiz (spatial cue) dargeboten, d.h. ein Hinweisreiz, der die Position eines nachfolgenden Zielreizes mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (Validität) indiziert. Es gibt Durchgänge mit invaliden (Zielreiz erscheint mit großer Wahrscheinlichkeit am nichtindizierten Ort), validen und neutralen Hinweisreizen, letztere dienen nur als Warnsignal, fungieren nicht als ortsbezogener Hinweisreiz. Ergebnis: Die Reaktionszeit auf den Zielreiz erfolgte schneller, wenn dieser am angezeigten Ort erschien (valider cue) im Vergleich mit dem nicht angezeigten Ort (invalider cue). Es ergaben sich also Reaktionszeitengewinne für valide cues und Kosten für invalide Cues relativ zu neutralen cues. Schlussfolgerung: Lichtkegelmetapher der Aufmerksamkeit. Lichtkegelmetapher der Aufmerksamkeit Vorstellung, dass Aufmerksamkeit wie ein Lichtkegel funktioniert, der einen bestimmten Punkt beleuchtet, der dann bevorzugt verarbeitet wird. Stimuli im Bereich des Lichtkegels werden schneller und gründlicher verarbeitet als Stimuli an anderen Orten. Objektbezogene Aufmerksamkeit Theorie der selektiven Aufmerksamkeit, die annimmt, dass Aufmerksamkeit nicht auf einen abstrakten Ort, sondern auf ein bestimmtes Objekt an einem bestimmten Ort ausgerichtet wird bzw. dass Aufmerksamkeit nur auf ein oder einige wenige Objekte zu einer gegebenen Zeit gerichtet werden kann. Einen wichtigen Befund zur objektbezogenen visuellen Aufmerksamkeit lieferte Duncan.

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Paradigma von Duncan Experimentelles Design: Der Vp werden kurzzeitig zwei überlappende Objekte präsentiert, die in zwei unabhängigen Merkmalvarianten zu je zwei Ausprägungen auftreten können (Rechteck: groß/klein, Lücke links/rechts und über die Rechteckfläche geneigte Linie: gestrichelt/gepunktet, Neigung links/rechts). Die Aufgabe der Vpn besteht darin, nach der Präsentation entweder ein oder zwei Merkmale der gesehenen Objekte zu benennen. Dabei soll sich das duale Urteil der einen Vpn- Gruppe auf das gleiche Objekt, das duale Urteil der anderen Vpn- Gruppe auf verschiedene Objekte beziehen. Ergebnis: 1-objektbezogene duale Urteile wurden treffsicherer (genauso treffsicher wie die einfache Merkmalsbenennung) gefällt als duale Urteile über Merkmale, die sich über zwei Objekte verteilten. Dieses Ergebnis war zu beobachten, obwohl beide Objekte am selben Ort (überlappend) dargeboten wurden. Schlussfolgerung: Die Beschränkung der Aufmerksamkeit liegt darin, dass man nur ein Objekt zu einem gegebenen Zeitpunkt aufmerksam beachten kann. Diese objektbezogene Aufmerksamkeit macht dann die Attribute des entsprechenden Objekts der weiteren Verarbeitung zugänglich. Visuelle Suche Experimenteller Ansatz, in dem einer Vp visuelle Reize dargeboten werden, unter denen sich neben einer variablen Anzahl von Distraktionsreizen ein Zielreiz befindet (typischerweise in der Hälfte der Durchgänge). Die Aufgabe der Vp besteht darin, so schnell wie möglich eine Zielreiz-anwesend bzw. – abwesend- Entscheidung zu treffen. Standardbefunde: parallele vs. serielle Suche Die Suchzeit in Relation zur Anzahl der Reize im Suchdisplay wird als Hinweis auf die beteiligten Suchmechanismen interpretiert. Suchzeiten ≤10ms/Item werden dabei als Indikator dafür angesehen, dass alle Items im Display simultan, d.h. „parallel“ abgesucht werden. Dagegen nimmt man bei linear ansteigenden Suchfunktionen (Suchrate ≥10ms/Item) an, dass die einzelnen Display- Items sukzessive, d.h. „seriell“ abgesucht werden. Die serielle Suche kann erschöpfend sein (alle Reize werden einzeln angesucht, kein Zielreiz gefunden) oder selbst- abbrechend (die Reize werden solange durchsucht, bis der Zielreiz entdeckt wird). Parallele Suche liegt dann vor, wenn ein Target sich durch ein einfaches Merkmal in einer gegebenen Merkmalsdimension, serielle Suche dann, wenn es sich in einer Kombination von Merkmalen von den Distraktionsreizen unterscheidet.

Merkmalsintegrationstheorie (MIT) Objekte lassen sich als eine Kombination elementarer Merkmale beschreiben (Farbe, Form, Größe, Orientierung, usw.) Elementare Merkmale werden präattentiv registriert. Daher kann die Anwesenheit eines Merkmals bei der einfachen Merkmalssuche parallel für alle Objekte gleichzeitig geprüft werden. Die Verknüpfung von Merkmalen erfordert Aufmerksamkeit, die nur für ein Objekt zur Zeit zur Verfügung steht („Lichtkegel“). Die Konjunktionssuche ist daher seriell, weil für die Merkmalsverknüpfung jeder Reiz einzeln beachtet werden muss. Aufmerksamkeit hat die Funktion eines „mentalen Klebstoffes“, der Elementarmerkmale zu Objekten verknüpft. Theorie zentraler Ressource Es gibt keine Filter, die nach frühen (sensorischen) oder späten (semantischen) Merkmalen auswählen, sondern eine begrenzte Allzweckressource, die auf die Verarbeitung unterschiedlicher Merkmale oder Aufgaben flexibel verteilt werden kann. Bei Zweifachaufgabenausführung hängt die Leistung von den Ressourcenanforderungen ab, die beide Aufgaben stellen. Übersteigen die die kombinierten Anforderungen der beiden Aufgaben die Gesamtressourcen der zentralen Kapazität, so ergibt sich eine Aufgabeninterferenz. Kritische Determinante der Zweifachaufgabenperformanz ist also die Aufgabenschwierigkeit.

Evidenz Die Ressourcenanforderungen von zwei Aufgaben, wenn sie gleichzeitig auszuführen sind, entsprechen häufig nicht genau der Summe ihrer Anforderungen, wenn sie einzeln ausgeführt werden. Vielmehr bringt Mehrfachtätigkeit häufig zusätzliche Anforderungen der Koordination und der Vermeidung von Interferenz mit sich. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer cost of concurrence, der Akt der Aufgaben-Teilung selbst zieht Ressourcen von den beiden Aufgaben ab. Diese gegenseitige Interferenz wird in sog. Performance Operation Curves (POC) dargestellt.

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Kritik 1. Aufgabenschwierigkeit ist nicht unabhängig von der Zweifachaufgabenperformanz messbar

Problem der Zirkularität: Aufgaben, die schwierig sind, interferieren mit anderen Aufgaben. Aufgaben, die mit anderen interferieren, sind schwierig. 2. Schwierigkeit der Erklärung von Effekten der Aufgabenähnlichkeit. POC Funktion der Performanz bei einer Aufgabe als Funktion der Performanz der anderen. Es tritt cost of concurrence auf. (Aufgabenteilung/Koordination zieht auch Ressourcen weg)

Gezeigt sind zwei ressourcenlimitierte Aufgaben A und B sowie drei Strategien der Ressourcenteilung zwischen den beiden Aufgaben (A1B1, A2B2, A3B3) bei deren gleichzeitiger Ausführung. Die bei Zweifachtätigkeit erreichbare Maximalleistung liegt unter der Leistung, die bei alleiniger Ausführung von Aufgabe A bzw. B erreicht werden kann (cost of concurrence). Determinanten der Mehrfachaufgaben-performanz 1. Aufgabenschwierigkeit (Theorie zentraler

Ressource), Aufgabenteilung/Koordination führt zur erhöhten Kapazitätsbeanspruchung (cost of concurrence).

2. Übung (Interferenz eliminiert oder reduziert?) 3. Aufgabenähnlichkeit (modulare Theorien) Ausmaß an Ähnlichkeit bezüglich Stimulusmodalität, Verarbeitungsstadien oder Gedächtniskodes bestimmt die Performanz bei Mehrfachaufgaben.

Automatische und kontrollierte Verarbeitung

Automatische Prozesse

Kontrollierte Prozesse

Laufen schnell ab Laufen langsam ab

Beanspruchen keine Ressourcen und interferieren daher nicht mit anderen Aufgaben (Siehe POC)

Beanspruchen Ressourcen und interferieren daher mit anderen Aufgaben (Siehe POC)

Sind unvermeidbar, sobald passender Stimulus vorliegt (Siehe Stroop-Effekt)

sind beliebig steuerbar

Sind dem Bewusstsein nicht zugänglich

bewusst

Automatisierung macht Probleme, wenn auf

die Reize nicht mehr automatisiert reagiert werden darf. Automatische Prozesse beanspruchen Ressourcen, wenn sie unterdrückt werden müssen. Stroop-Paradigma Experiment wurde 1935 erstmals von Stroop durchgeführt. Untersuchungsgegenstand des Experimentes ist das Phänomen der automatisierten Aufmerksamkeitsreaktion. Dabei geht es um die Frage, welche Verarbeitungsprozesse zu solchen automatisierten Prozessen gezählt werden können und inwiefern diese von kontrollierten, die Aufmerksamkeit fordernden Prozessen gehemmt werden können. Methode: Der Vp wird eine Folge von Wörtern gezeigt, deren Druckfarbe es so schnell wie möglich zu benennen gilt. Besteht eine Inkongruenz zwischen Farbe und Bedeutung, d.h. ist das Wort „blau“ z.B. in rot gedruckt, fällt der Vp eine Bestimmung der Druckfarbe viel schwerer als wenn eine neutrale oder kongruente Beziehung zwischen Farbe und Wortbedeutung besteht1. Der auftretende Effekt dieser Reaktionsverzögerung bei einer inkongruenten Darbietung wird auch Stroop- Effekt genannt. Der Erklärungsansatz für diesen Effekt besteht in der Annahme, dass die Wortrepräsentation im Gedächtnis viel schneller aktiviert wird als Artikulationsprogramme (hier: die Benennung der Farbe). 1 Neutral wäre diese Beziehung, wenn ein sinnleeres Wort in einer bestimmten Farbe gedruckt ist, kongruent, wenn Druckfarbe und Wortbedeutung übereinstimmen.

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Modulare Theorien Es gibt nicht nur eine unspezifische, sondern mehrere spezifische Ressourcen (z.B. Motorisch, Mental, Sensorisch) für unterschiedliche Verarbeitungsmodule (Augen, Hände, Bewegung, Form, Farbe, etc…). Aufgaben interferieren nur, wenn sie dieselbe Ressource beanspruchen (Inhaltsspezifische Interferenz) Aufgaben interferieren nicht, wenn sie unterschiedliche Ressourcen beanspruchen. Evidenz Allport, Antonis, Reynolds (1972): Versuch: auditive Nachricht beschatten, gleichzeitig wurden entweder Wörter auditiv oder Bilder visuell präsentiert, die sie später zu erinnern hatte. Ergebnis: schlechte Erinnerungsleistung in Bezug auf das auditiv präsentierte Material, gute Erinnerungsleistung (90%) in Bezug auf das visuell präsentierte Material. Kritik -ZIRKULARITÄT: Wenn zwei Aufgaben interferieren, beanspruchen sie dieselben Ressourcen. Wenn Sie dieselben Ressourcen beanspruchen, interferieren sie. - MANGELNDE FALSIFIZIERBARKEIT: Da die Natur und Anzahl der Ressourcen nicht unabhängig vom Interferenzmuster bestimmter Aufgaben bestimmt werden kann, ist die Theorie nicht widerlegbar. Für jede neu auftretende Interferenz wird ad hoc eine neue Ressourcenart angenommen (Mamuschka- Prinzip) - KOORDINATIONSPROBLEM: Große Anzahl an parallel arbeitenden Subsystemen bedarf der Koordination ihres Outputs.

Selection-for-action Grundgedanke Die Filter- und Ressourcenmodelle nehmen an, dass der Organismus mit begrenzter Verarbeitungskapazität auskommen muss. Aufmerksamkeit dient diesen Theorien zufolge der Kompensation dieses Defizits. Selection-for-action Ansätze nehmen an, dass Verarbeitungsengpässe nicht aus einer begrenzten Ressource entstehen, sondern aus den Einschränkungen unserer Verhaltensmöglichkeiten. Aufmerksamkeit ist demzufolge kein Defizit, sondern dient der Sicherung des Verhaltenserfolgs. Der Organismus kann zu jedem Zeitpunkt nur wenige Aktionen gleichzeitig ausführen (Man kann nicht gleichzeitig Zähne putzen und Haare kämmen) Aufmerksamkeit sorgt dafür, dass nur die Reize verarbeitet werden, die zur Realisierung einer konkreten Handlung relevant sind … und solche ausgeblendet werden, die zur Ausführung einer konkurrierender Handlung führen könnten. Dadurch wird die Ausführung zweier miteinander unvereinbarer Handlungen verhindert Handlungsrelevante Reize werden bevorzugt verarbeitet, sie wirken - wenn auch nicht bewusst wahrnehmbar.

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2.2. Kapitel 5a: Problemlösen und logisches Schließen Behavioristischer Ansatz Problemlösen ist Bekräftigung zielführender Verhaltensweisen nach Versuch und Irrtum oder Reproduktion von Reaktionen, die vormals in der Problemsituation bekräftigt wurden. Gestaltpsychologischer Ansatz Problemlösen besteht nicht nur im Reproduzieren früher gelernter Reiz- Reaktions- Beziehungen, sondern vollzieht sich durch gedankliche Umstrukturierung der Problemsituation. [Diese Umstrukturierung ähnelt dem Umschlagen des Wahrnehmungseindrucks bei der Wahrnehmung mehrdeutiger Reizvorlagen]. Die Umstrukturierung führt zu plötzlicher Einsicht, verbunden mit einem „Aha- Erlebnis“. Problemlösen erfordert produktives Denken, Vorwissen kann bei der Lösung der Problemsituation sogar hinderlich sein. Phasen des Problemlösens (Gestaltpsychologischer Ansatz) 1. Vorbereitungsphase (erste Versuche) 2. Inkubationsphase (stilles Betrachten) 3. Illuminationsphase (plötzliche Einsicht, aha- Erlebnis) 4. Verifikationsphase (Realisierung der Lösung) Bekannte experimentelle Problemaufgaben MAIERS SEILPROBLEM Zwei an Decke befestigte Seile sollen zusammengebunden werden. Als Werkzeug gibt es Stuhl, Glass, Zange, Papier… Beide Seile sind zu weit auseinander, um sie gleichzeitig zu fassen. Lösung: Zange an Seil binden, dann Pendelfunktion nutzen.

impliziter Lösungshinweis: Wenn Seil vom VL unauffällig gestreift und sich in Bewegung gesetzt hat, Lösung wahrscheinlicher, aber Erinnerung an Hinweis nicht da.

Funktionale Gebundenheit DUNKERS KERZENPROBLEM Kerze, Reißzwecken + große Packung Streichhölzer Ziel: Kerze an Wand befestigen

Gewohnter Gebrauch/funktionale Gebundenheit blockiert Lösungskreativität (Streichholzschachtel leeren, an der Wand befestigen und Kerze reinstellen)

NEUN-PUNKTE PROBLEM 9 Symmetrisch in 3 Zeilen angeordnete Punkte mit 4 Geraden verbinden ohne Stift abzusetzen.

Man formuliert den Zielzustand unnötiger Weise zu eng. Es wurde nie gesagt, dass die Gerade nicht aus dem Punktebereich hinausgehen kann. (Implizierte Annahme einer unzutreffenden Randbedingung) Fixierung UMFÜLLAUFGABEN 3 unterschiedlich befüllbare Krugarten. (z.B. 21, 127,3), Man soll einen mit genau X Litern befüllen. Nach mehrmaliger Anwendung eines Lösungsansatzes (werden andere, einfachere, übersehen) Einstellungseffekt TURM VON HANOI Ziel: Alle 3 Scheiben in gleicher Anordnung Rule1: In jedem Zug: nur eine Scheibe Bewegen Rule2: Nie größere Scheibe auf kleinere Legen

Problemraum (Alle möglichen Zustände des Problems) suche Funktionale Gebundenheit Eine Form negativer Effekte des Vorwissens. Unfähigkeit, bekannte Objekte oder Werkzeuge in einer neuen Funktion zu gebrauchen.

DUNKERS KERZENPROBLEM MAIERS SEILPROBLEM

Fixierung Kann z B. in der implizierten Annahme einer unzutreffenden Randbedingung bei der Lösung einer Problemsituation bestehen.

NEUN-PUNKTE PROBLEM STREICHHOLZ- ARITHMETIK

(IV = III – I IV – III = I Veränderung des mathematischen Operators ungewohnt, normalerweise werden in der Arithmetik Werte verändert) Lösungshinweise Implizite Lösungshinweise erleichtern die Problembearbeitung. MAIERS SEILPROBLEM Einstellungseffekte Negativer Vorwissenseffekt, der nach wiederholter Ausführung derselben Lösungsroutine die Entdeckung einfacherer Lösungen verhindert. UMFÜLLAUFGABE

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Problemlösung als Suche im Problemraum (Heuristiken) Bezeichnung des Problemslösens als heuristische Suche im Problemraum. Der Problemraum stellt alle möglichen Zustände des Problems dar, die bei der Bearbeitung des Problems auftreten können. Heuristiken stellen eine Strategie dar, die dabei helfen kann, die abzusuchenden Zustände im Problemraum einzuschränken und damit eine große Menge Suchaufwand zu ersparen. Heuristiken haben den Charakter von Daumenregeln, sie machen das Finden der Lösung zwar wahrscheinlicher, führen aber nicht zwangsläufig zum Ziel. 1. Schleifenvermeidung

Zustände vermeiden, die man bereits vorher durchlaufen hat.

2. Unterschiedsreduktion Immer den mentalen Operator nutzen, der dazu führt, dass der aktuelle Zustand dem Lösungszustand/ Ziel möglichst nahe kommt.

3. Mittel – Ziel – Analyse 3.1. Differenz zwischen aktuellem Zustand und Zielzustand feststellen. 3.2. Teilziel bilden, dessen Erreichen die Differenz zwischen aktuellem und Zielzustand reduziert. 3.3. mentalen Operator anwenden, der zum

Erreichen des Teilsziels führt. Fehler treten vor allem dort auf, wo viele Übergänge möglich sind… und wo man sich zwischenzeitlich vom Zielzustand wieder etwas entfernen muss (d.h. entgegen der Heuristik der Unterschiedsreduktion handeln muss). Potenzgesetz der Übung Lerngewinn beim Problemlösen folgt dem Potenzgesetz:

T = bPa

T= Ausführungszeit P= Anzahl der Übungsdurchgänge

a,b: Empirisch bestimmbare Konstanten (Aufgabenabhängig)

Gilt nur für gemittelte Daten mehrerer Personen. Bei Einzelpersonen kann es sprunghafte Verbesserungen geben. Expertise und Lerngewinn beim Problemlösen Die Expertisenforschung untersucht, wie sich Experten von Novizen unterscheiden. Experten encodieren Probleme effizienter als Novizen, haben reichere Problemrepräsentationen, erinnern problemrelevante Informationen besser, besitzen breiteres und besser organisiertes Vorwissen und benutzen effizientere Problemlösestrategien. Experte wird man vor allem durch Übung. Lerngewinn durch Übung 1. Wissenskompilierung Aus dem anfänglichen Faktenwissen (deklaratives Wissen) wird eine Prozedur gemacht, die ein direktes Erreichen eines Teilziels erlaubt. 2. Speicherung und Abruf von Problemlöse-Episoden Während man anfänglich jedes Problem aufwendig lösen muss, kann die Lösung bei späterem Auftreten desselben Problems direkt aus dem Gedächtnis abgerufen werden. 3. Tuning von Prozeduren Die erfolgreiche Ausführung einer Prozedur in einer Problemsituation führt zur bevorzugten Anwendung dieser Prozedur. (Kann bei unangemessener Anwendung kontraproduktiv sein, vgl. Einstellungseffekt) 4. Chunking von Prozeduren Zusammenfassung von mehreren aufeinander folgenden Operationen zu einer zusammenhängenden Operation Analoger Transfer Absuchen des Gedächtnisses nach einer Problemstellung aus einer anderen Wissensdomäne zur Lösung eines aktuellen Problems. Zentral sind dabei zwei Prozesse: 1. Abruf der analogen Struktur aus dem Gedächtnis und 2. Herstellen einer Abbildung zwischen der abgerufenen Struktur und der Struktur des vorliegenden Problems. Problem: Neigung, den analogen Transfer über Oberflächenähnlichkeit anzugehen, nicht so sehr über strukturelle Ähnlichkeit.

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Deduktives Schließen Ein deduktiver Schluss ist ein Schluss, bei dem es nicht möglich ist, dass die Prämissen wahr sind, die Konklusion aber falsch. Die Wahrheit der Prämissen garantiert also die Wahrheit der Konklusion, m. a. W. die Konklusion folgt notwendig aus den Prämissen. Beispiel: Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch. Also: Sokrates ist sterblich. Induktives Schließen Ableitung allgemeiner Gesetze aus Beobachtungen. In einem induktiven Schluss macht die Wahrheit der Prämissen die Wahrheit der Konklusion wahrscheinlich, garantiert sie aber nicht. Im Gegensatz zu einem deduktiven Schluss kann sich die Wahrscheinlichkeit der Konklusion ändern, wenn neue Prämissen hinzugenommen werden. Beispiel: Alle Pfirsiche, die ich bisher aufgeschnitten habe, enthielten einen Kern. Also: Alle Pfirsiche enthalten einen Kern. Modus Ponens Wenn P, dann Q. P Also: Q Modus Tollens Wenn P, dann Q. ¬ Q Also: ¬ P Beispiel: Wenn es regnet, wird die Straße nass. Bei folgenden 2 Implikationen ist eindeutige Schlussfolgerung nicht möglich: [Bestätigung des Hintergliedes] P2: die Straße wird nass. ( Es kann Regnen, es kann aber auch anderen Grund haben) [Verneinung des Vordergliedes]P2: es regnet nicht (�Straße kann trocken sein, kann aber auch aufgrund anderes Grundes nass sein) Bei den letzten beiden werden unzulässige Schlussfolgerungen häufig akzeptiert… Möglicherweise wird wenn- dann mit nur- wenn- dann verwechselt.

Suppressionseffekt: Wenn man weitere Prämissen mit alternativen Vordergliedern hinzufügt, bewahrt dies Menschen davor, ungültige Schlussfolgerungen zu akzeptieren: z.B. P1: wenn es regnet, wird die Straße nass P2: wenn es schneit, wird die Straße nass P3: Die Straße ist nass Jetzt tritt der falsche Schluss „K: Es regnet“ wesentlich seltener auf. Aber auch valide Inferenzen können seltener auftreten (Wenn hinzugefügte Prämisse suggeriert unbedingt notwendig zu sein). Zusatzinformation unterdrückt falsche Inferenz. Wasons Wahlaufgabe Testen einer Implikation der Form: Wenn P, dann Q. Beispiel: Wenn sich auf einer Seite der Karte ein Vokal befindet, dann befindet sich auf der anderen Seite eine gerade Zahl. Frage: Welche der folgenden zwei Karten müssen umgedreht werden, um die Regel zu prüfen?

P ¬ P Q ¬ Q Übereinstimmend wird geurteilt, dass die Karte mit dem E umgedreht werden muss. Bei Anwendung des Modus Tollens gilt es zudem, die Karte mit der 7 umzudrehen. Die meisten Personen, denen diese Aufgabe gestellt wird, neigen jedoch dazu, die 4er- Karte umdrehen zu wollen.

E

K

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2.3. Kapitel 6a: Planung und exekutive Kontrolle von Handlungen Frontalhirnsyndrom Tritt bei Menschen auf, deren frontaler Cortex eine Schädigung erfahren hat, was zur Folge haben kann, dass die fraglichen Personen erhebliche Probleme bei der Handlungsplanung und Erinnerung sowie Aufrechterhaltung von Handlungszielen haben. Zudem fällt es ihnen meist schwer, zwischen verschiedenen Handlungen zu wechseln. In der Ausrichtung ihrer Handlungen fehlt diesen Menschen die Zukunftsorientierung, sie reagieren nur noch auf externe Ereignisse, d.h. nehmen Handlungsmöglichkeiten wahr, die sich in ihrer unmittelbaren Umgebung anbieten: Die bloße Konfrontation mit Objekten kann zur Ausführung bestimmter Handlungen führen (Vorfinden einer Zigarette zum Rauchen, Glas zum Trinken, etc…). Vorausplanen von Handlungen Kognitive Kontrollstruktur zur Realisierung intendierter Handlungseffekte vor Bewegungsbeginn. Motorische Programme nach Keele Motorische Programme sind Keele zufolge muskelspezifisch, ein Set von Muskelbewegungen, die bereits vor Bewegungsbeginn spezifiziert werden und daher nicht auf peripheres Feedback angewiesen sind, um ausgeführt werden zu können. Für die Annahme von motorischen Programmen sprechen die folgenden Beobachtungen. Unabhängigkeit von Rückmeldung Handlungen können auch ohne kinästhetische (bewegungsempfindliche), visuelle oder andere Feedbacks ausgeführt werden. Personen ohen Körperempfinden können einfache geübte Bewegungen ausführen (auch mit geschlossenen Augen). Die Steuerung bereits erworbener Handlungen ist auf sensorische Rückmeldung nicht unbedingt angewiesen, sondern kann auch auf der Basis interner Information operieren. Allerdings leidet die Genauigkeit von Handlungen in der Regel unter der Abwesenheit sensorischer Feedbacks, und der Erwerb neuer (Bewegungs-)Handlungen ohne Information über deren Ergebnis ist schwer vorstellbar.

Antizipationseffekte Effekte der kognitiven Vorbereitung auf ein Ereignis vor dessen physischer Realisierung, Antizipation des nächsten Handlungsschrittes. Beispiele: Zielgerichtetes Greifen: Bevor die Hand die Startposition verlässt, stellen sich die Finger bereits auf die Objektgröße ein. Koartikulationseffekt beim Sprechen: Aussprache eines bestimmten Phonems kann bereits eine bestimmte Lippenrundung aufweisen, die auf das folgende Phonem hinweist. /t/ + /^/ (ta) bedeutet andere Lippenbewegung als /t/ + /u/ (tu). Manueller „Koartikulationseffekt“: Greifen eines waagerechten Stabes, den es zu Drehen gilt, mit relativ unbequemer Stellung, aber so, dass die Zielhaltung eine für die Hand bequeme ist. Spoonerismen: Lautvertauschungen. Ein Laut, der im Redefluss oder innerhalb eines Wortes eigentlich an späterer Stelle benötigt wird, wird bereits vorher ausgesprochen („queer old dean“ statt „dear old queen“ oder „bootfall“ statt „football“). Derartige Fehler zeigen den Einfluss späterer auf frühere Handlungsschritte und legen deshalb die Existenz einer Vorausplanung nahe. Komplexitätseffekte Auswirkung des Umfangs oder des Detailreichtums einer (ungeübten) Handlung auf die für ihre Planung erforderliche Zeit. Je mehr Schritte zu planen sind, umso länger sollte die Planung dauern. Tatsächlich vergeht umso mehr Zeit zwischen einem Startsignal und Beginn einer Bewegung, je komplexer die Bewegung ist. Beispiel: Das Aussprechen des Wortes „Dampfschifffahrtsgesellschaft“ beginnt nach einem Startsignal später als Aussprechen des Wortes „Dampf“. Reiz-Reaktions-Kompatibilität Die Paarung bestimmter Reize und Reaktionen -z.B. wenn sie räumlich korrespondieren – passt besonders gut. Sichtbar wird das in besonders guten Leistungen in Bezug auf diese Reiz- Reaktionskombination. Evidenz: Druck auf eine linke oder rechte Taste erfolgt besonders schnell, wenn der entsprechende Signalreiz auf derselben Seite wie die Reaktion erscheint (Fitts & Seeger, 1953). Hat allerdings nichts mit der anatomischen Identität der Hand zu tun: Effekt

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stellt sich auch bei Überkreuzstellung (Wallace, 1971) und Antworten mit Sticks ein (Riggio et al. 1986). Zudem wurde die Reaktion auf eine linke Taste gefördert, die auf der gegenüberliegenden Seite ein Licht aufleuchten ließ, wenn der Signalreiz auf der rechten Seite erschien – und umgekehrt (Hommel, 1993). Fazit: Reiz fördert diejenige Reaktion, deren intendiertes Ziel sich auf derselben Seite befindet. Kritik an Keeles motorischen Programmen Wenn die Repräsentation von Bewegungs-aspekten muskelspezifisch wäre, dann müsste es für jede Einzelbewegung ein bestimmtes Programm geben. Bewegungen scheinen aber eher effektorunabhängig repräsentiert zu sein ( konstante Handschrift egal, ob mit Stift, Kreide, oder Fuß). Eine Konsequenz dieses Modells ist die geringe Anpassungsfähigkeit der motorischen Programme an situative Bedingungen. Außerdem wäre der Erwerb von Fertigkeiten sehr schwierig, denn die kleinste Veränderung hinsichtlich auch nur eines Muskelparameters würde ein neues Programm erfordern. Somit hätten derartige Kontrollstrukturen einen extrem hohen Speicherbedarf. Motorische Schemata nach Schmidt Bewegungsfertigkeiten sind in Form von motorischen Schemata repräsentiert. Sie enthalten als feste Bestandteile (Schemata) Informationen über relative Beziehungen zwischen Richtung, Kraft, Dauer, Geschwindigkeit der verschiedenen Schritte eines Handlungsschritts. Zudem gibt es auch situationsbezogene Kennwerte, veränderliche Parameter, die die Festlegung der absolutern Werte je nach Bedarf regeln. Dieses Modell legt nahe, das Handlungspläne in Form von Kodes von Bewegungsmerkmalen repräsentiert werden, die je nach Übungsgrad invariant und langfristig gespeichert oder variabel und flexibel kodierbar sind. Abgrenzung zu motorischen Programmen: Bewegungen sind nicht muskelspezifisch repräsentiert. Wesentlich flexiblere Kontrollstruktur als bei Keele. Bindungsproblem Unter dem Bindungsproblem versteht man die Frage nach den neuronalen Grundlagen sensorischer Integration, also der Fähigkeit des Gehirns, aus einer Vielzahl von

Sinneseindrücken (bzw. derer modularer Repräsentation) einheitliche Wahrnehmungen zu konstruieren. Dieses Problem besteht auch bei der verteilten Repräsentation von Handlungsplänen und wirft die Frage auf, wie auf neuronaler Ebene kohärente Handlungspläne entworfen werden können. Lösung durch neuronale Synchronisation Räumlich voneinander getrennte Verbände von Neuronen könnten durch die zeitliche Synchronisation ihrer Entladungsmuster miteinander kommunizieren und so eine zeitlich organisierte, funktionale Einheit bilden. Handlungskontrolle durch Feedback Open loop: Zentraler koordinierter Mechanismus, funktioniert nur bei sehr schnellen Bewegungen, kommt ohne Feedback aus. Muskeln senden antizipierte (statt tatsächlich wahrgenommene) Änderungen (Beispiel: Reafferenz- Prinzip beim Auge). Closed loop: Peripherer Mechanismus. Motorische Kontrolle läuft innerhalb eines geschlossenen Regelkreises ab. Die Bewegung kann durch Feedback immer wieder modifiziert werden. Visuelle Wahrnehmung beeinflusst die Motorik. Vor allem bei langsameren und komplexen, längeren Bewegungsabläufen relevant.

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Dorsale und ventrale Verarbeitung

Dorsaler Pfad (WO - Pfad): Verbindet die primären visuellen und motorischen Cortices über den postparietalen Cortex. Der dorsale Pfad versorgt motorische Strukturen vor allem mit räumlicher, handlungsbezogener Information. Dorsal vermittelte Informationen können zwar sehr präzise sein, sind vermutlich aber sehr kurzlebig. Ventraler Pfad (WAS – Pfad): Verläuft durch den inferiortemporalen Cortex. Der Ventrale Pfad dient vor allen Dingen der Koordinierung von Objektinformation (Farb- und Formwahrnehmung). Ventral vermittelte Informationen sind kognitiv hoch integriert und u.U. langlebiger als dorsal vermittelte Informationen. James’ Ideomotorisches Prinzip Annahme, der zufolge Handlungen durch das Denken an, oder Antizipieren von durch diese Handlung produzierte, sensorische Effekte hervorgebracht und gesteuert werden. Lernen: Aktion führt zum Effekt Bewegungsplanung: Man denkt an den Effekt um die Aktion durchzuführen. Bewegungen sind hiernach nicht als motorische Kommandos / Parameter repräsentiert, sondern durch die wahrnehmbaren Bewegungseffekte. Bewegungseffekte aktivieren dann ein mit ihnen verknüpftes motorisches Muster. Bewegungsplanung beginnt nicht mit Handlung/Muskelaktivierung sondern mit dem Effekt / Ziel einer Bewegung. Induktionsprinzip: Wahrnehmung sensorischer Effekte setzt Bewegung in Bereitschaft, die diese Effekte erzeugt.

Evidenzen: Greenwald (1970) Visuell präsentierter Buchstabe kann besser geschrieben als gesprochen werden. Auditiver Buchstabe besser gesprochen als geschrieben werden. Imitation: Wahrnehmung von Körperbewegung regt zur Erzeugung ähnlicher Bewegungen an. Simon-Effekt: Versuchsaufbau: Tisch mit 2 Lampen und zwei Knöpfen. Linker Knopf aktiviert Rechte Lampe und umgekehrt. VP hören über Kopfhörer hohen oder tiefen Ton. Auf hohen Ton soll die linke Lampe angeschaltet werden, auf tiefen Ton die rechte. Interessanter Weise reagiert eine Person schneller, wenn der Ton aus der Seite des Kopfhörers kommt, auf der sich die Lampe befindet, welche eingeschaltet werden soll. Es kommt also bei der Motorik auf den Effekt den diese auslöst an (Und nicht auf die motorische Position / Tätigkeit der Hand)

Es kommt nicht auf motorische Kommandos an, sondern darauf dass Ziel mit Reiz übereinstimmt. Gilt Induktionsprinzip auch für antizipierte Effekte? Wenn man Metronomtakt mit Finger auf Tisch nachmachen soll, tippt man den Finger etwas früher auf den Tisch, als der Ton erklingt. Es wird nicht motorisches Kommando und Klick synchronisiert sondern auditive Wahrnehmung des Clicks und taktile Wahrnehmung der Fingerbewegung. Da auditiv schneller wahrgenommen wird, wird mit dem Finger früher getappt. Bewegungen der Hände sind leichter kombinierbar, wenn mit ihnen gleiche Effekte (z.B.Streichhölzer mit Tip nach oben) erzielt werden, unabhängig davon ob gleiche Muskeln (motorische Kommandos) erforderlich sind.

Sowohl wahrgenommene als auch antizipierte Effekte setzten Bewegung in Bereitschaft, die diese Effekte erzeugen.

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3. Cognitive psychology (Eysenck und Keane) 3.2. Kapitel 11 und 12: Sprache Beschreibung des akustischen Sprachsignals

Das akustische Sprachsignal wird durch den spezifischen zeitlichen Verlauf des Musters der Schallfrequenzen und –intensitäten gebildet. Amplitude: Lautstärke Frequenz (1/Wellenlänge): Tonhöhe Sprachsignale bestehen aus vielen Frequenzen mit unterschiedlicher Intensität. Phonem Kleinste lautliche Einheit, die die Bedeutung eines Wortes verändert. Phoneme selbst haben keine Bedeutung. Anzahl der Phoneme variiert stark zwischen Sprachen. (Deutsch ca. 40) Phoneme unterscheidbar nach Art der Erzeugung: Sonorität (Stimmhaftigkeit / Schwingung der Stimmbänder), Artikulationsstelle (Wo wird Luftstrom geändert) und Artikulationsart (Durch welche mechanischen Mitten wird Laut erzeugt). Je weniger Merkmale sich unterscheiden, desto leichter Verwechselung. Spektrogramm Ein Spektrogramm liefert die Beschreibung des Sprachsignals anhand von Schalleigenschaften. x-Achse: Zeit y-Achse: Frequenz Schwärzung: Intensität

Die (nahezu) waagerechten Bänder heißen Formanten. Sie entstehen bei der Produktion von Vokalen (F1:Niedrigste Frequenz). Probleme auditiver Sprachwahrnehmung Wie nehmen wir gesprochene Sprache wahr?

Eine Idee ist, dass wir Sprachsignale wie in einem Spektogramm analysieren (also nach Frequenz- und Intensitätsschwankungen) und so Phoneme identifizieren, Problem: Die Zuordnung von Spektogramm und Phonem in der gesprochenen Sprache ist nicht eindeutig. segmentation problem (Problem der Einheitenbildung) Wird schnell gesprochen, fehlen oft Phoneme und die Grenzen zwischen den Phonemen und den Wörtern verwischen. (Die natürliche Sprache hat keine Leerzeichen). non-invariance problem (Problem der Variabilität der Sprachsignale) 1. Das Sprachsignal variiert zwischen Sprechern und beim selben Sprecher zwischen Situationen 2. Koartikulation: Das Sprachsignal ein und desselben Konsonanten kann in Abhängigkeit von dem nachfolgenden Vokal variieren. Koartikulation Lippen passen sich antizipatorisch dem nächsten Phonem an. Beim B in Boot sind Lippen bereits für das o gerundet, bei Bad dagegen nicht. Diese Artikulationsunterschiede schlagen sich auch im auditiven Sprachsignal nieder. Im Spektrogramm sind Unterschiede für den Konsonanten b erkennbar. Wieso wird immer ein b wahrgenommen? Antwort: Erkennung hängt nicht nur vom Signal ab (bottom-up) sondern auch vom Kontext (topdown).

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Phonemischer Restaurationseffekt Warren & Warren (1970) Teile eines gesprochenen Satzes wurden maskiert (z.B. durch Husten oder Rauschen).

präsentiert berichtet It was found that *eel was on the axle. ...wheel... It was found that *eel was on the shoe. ...heel... It was found that *eel was on the table. ...meal... It was found that *eel was on the orange. ...peel...

Identische sensorische Stimulation. Trotzdem unterschiedliche Wahrnehmung in Abhängigkeit vom Satzkontext, in den der Konsonant eingebettet ist. Prosodische cues Gesprochene Sprache enthält prosodische Informationen in Form von Betonung, Intonation usw. Diese Information kann vom Hörer genutzt werden, um die grammatische oder syntaktische Struktur eines Satzes zu entschlüsseln. Beispiel: „Alte Männer und Frauen saßen auf der Bank.“ Dieser mehrdeutige Satz erhält eine andere Bedeutung je nach Betonung (entweder sind die Frauen auch alt oder nicht). Den Einfluss der Prosodie auf die Sprachwahrnehmung weist folgende Studie nach: Beach (1990) Den Vpn wird ein Satzfragment präsentiert und sie sollen entscheiden, aus welcher der alternativ dargebotenen Gesamtsatzstruktur es stammt. Beispiel: Sie werden die Klausur…

(a) sicher bestehen. (b) am Mittwoch schreiben.

Die Vpn zeigten sehr gute Leistungen darin, die Gesamtsatzstruktur anhand der jeweils präsentierten Fragmente vorherzusagen. McGurk Effekt Der visuelle Kontext wird für Interpretation des auditiven Sprachsignals hinzugezogen. Unter ‚normalen’ Bedingungen (wenn visuelles und auditives Signal übereinstimmt) hilfreich. Problematischer Fall (siehe Abb.)

Evidenz: Baba + Lippen von gaga = dada Verschmelzung der visuellen und akustischen Informationen. Modelle auditiver Worterkennung MOTOR-THEORIE Wir verstehen Sprache, indem wir das gehörte innerlich nachsprechen. Evidenz (Dorman et al. 1979): Pause im Satz „Please say…shop” führt zur Missdeutung des Satzes als “Please say chop“, dafür das Aussprechen von chop eine Pause benötigt wird (für die Aussprache von shop aber nicht) Kritik: Wenn (inneres) Sprechen Grundlage für Sprachverstehen ist, sollten Kinder, die noch nicht sprechen können, kein Sprachverständnis haben. Das scheint absurd. Zudem gibt es zahlreiche Befunde, die belegen, dass sich das Sprachverständnis schon vor expressiven Sprachleistungen entwickelt. Zudem wäre der Beruf des Dolmetchers, der gleichzeitige Perzeption der einen Sprache und Artikulation in einer anderen Sprache mit sich bringen kann, unmöglich. KOHORTEN-MODELL (Wilson & Tyler, 1980) Mit Enkodierung des Wortbeginns werden alle mit dem Beginn beginnenden Wörter aktiviert. Wörter werden aus Kohorte gelöscht, wenn der weitere Wortverlauf mit ihnen inkongruente Merkmale aufdeckt oder wenn erkennbar ist, dass sie nicht zum prosodischen, semantischen etc. Kontext passen. Dieser Prozess wird so lange fortgesetzt, bis die kontextuellen oder lexikalischen Informationen ausreichen, um alle Wörter bis auf eines aus der Anfangskohorte zu eliminieren. (=Wortidentifikationszeitpunkt).

Sukzessive Ausschlussstrategie Evidenz: Vp soll so schnell wie möglich auf ein in einem Satz verborgenes Target- Wort reagieren, von dem sie weiß, dass es entweder mit dem vorher

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dargebotenen Verlgeichswort identisch ist, sich reimt oder zu einer best. (semantischen?) Kategorie gehört. Die Sätze waren entweder normal, nur syntaktisch, nicht aber semantisch korrekt oder eine sinnleere Wortkette. Ergebnis: Die Vpn reagierten am langsamsten bei sinnleeren Satzfolgen und wenn vorher nur die semantische Kategorie des Target- Wortes bekannt war. Schlussfolgerunge: In diesen Fällen sind noch mehr Kohorten aktiviert bis es zur eindeutigen Wortidentifikation kommen kann. TRACE- MODELL Es gibt individuelle Verarbeitungseinheiten auf drei verschiedenen Ebenen: prosodische/phonemische Merkmale (Sonorität, Artikulationsstelle, Artikulationsart) ↔ Phoneme ↔ Wörter, die in dieser Reihenfolge untereinander verbunden sind. Es bestehen bahnende Verbindungen in beiden Richtungen zwischen Ebenen. Die Verbindung der Verarbeitungseinheiten derselben Ebene wirken hemmend. Wird ein Merkmal erkannt, kann so der Kreis der passenden Phoneme eingeschränkt. Je besser ein Merkmal zum Sprachsignal passt, umso stärker wird es aktiviert. Phonemeinheiten aktivieren alle Wörter, in denen sie enthalten sind. Worteinheiten aktivieren aber auch top- down Phonemeinheiten. Nach diesem Modell finden also sowohl top-down- als auch bottom-up- Prozesse statt. werden. Wird ein Wort erkannt, werden alle enthaltenen Phoneme aktiviert. (interaktives Modell der Sprachwahrnehmung, siehe unten). Evidenz (Cutler et al, 1987): Wortüberlegenheitseffekt: Phoneme werden schneller erkannt, wenn sie Teil eines Wortes sind. (Beleg für die angenommene TOP-DOWN Verarbeitung, des Trace- Modells) Kritik: Nach dieser Theorie werden phonologisch ähnliche Wörter sofort aktiviert, auch wenn sie im ersten Phonem nicht übereinstimmen. Es lässt sich aber zigen, dass dies nicht der Fall ist. Die Übereinstimmung zweier Wörter im ersten Phonem ist für die simultane Aktivierung wichtig. Wenn in einem Wort ein Phonem ausgetauscht wird, kann es trotzdem erkannt werden (z.B. Vocabutary). Den Top-down-Annahmen des Modells gemäß sollte das Phonem t sollte nicht aktiviert, sondern gehemmt worden sein, weil das richtige Wort statt des Phonemtauschs

erkannt werden sollte. Dies lässt sich empirisch jedoch nicht stützen. Augenbewegungen beim Lesen Beim Lesen bewegen sich Augen nicht kontinuierlich sondern sprunghaft über den Text. Diese Sprünge nennt man SAKKADEN. Eine Sakkade dauert etwa 10-20 ms und umfasst etwa 8 Zeichen. Während dieser Zeit ist man blind (sakkadische Suppression). Zwischen den Sakkaden kommt es zu etwa 200 ms Sekunden langen FIXIERUNGEN (Hier werden die Informationen aufgenommen). Eine einmal initiierte Sakkade kann nicht mehr abgebrochen werden. In etwa 10 % der Fälle kommt es zu Regressionen (Refixierungen). Die PERZEPTUELLE SPANNE beim Lesen ist der Bereich, dessen Abdeckung zu Lesebeeinträchtigungen führt bzw. positiv ausgedrückt, der Bereich, dem während einer Fixation sinnvolle Informationen entnommen werden. Sie erstreckt sich für die arabische Schrift 3 Zeichen Links und 15 Zeichen Rechts von der Fixation und kann durch die moving windows Technik ermittelt werden. Seltene und unerwartete Wörter werden länger fixiert als häufige vorhersehbare Wörter. Deutet auf schwierige Verarbeitung des fixierten Wortes hin. Nach einem seltenen Wort muss das nächste Wort länger fixiert werden (SPILLOVER EFFEKT). Deutet auf parafoveale Verarbeitung des nächsten Wortes hin, die umso eingeschränkter ist, je unvertrauter das gerade fixierte Wort ist. Wörter die häufig, kurz und vorhersehbar sind, werden oft gar nicht fixiert, d.h. übersprungen. Visuelle Sprachwahrnehmung auf Wortebene Stroop-Effekt Wörter werden automatisch identifiziert. Der Vp wird eine Folge von Wörtern gezeigt, deren Druckfarbe es so schnell wie möglich zu benennen gilt. Besteht eine Inkongruenz zwischen Farbe und Bedeutung, d.h. ist das Wort „blau“ z.B. in rot gedruckt, fällt der Vp eine Bestimmung der Druckfarbe viel schwerer als wenn eine neutrale oder kongruente Beziehung zwischen Farbe und Wortbedeutung besteht. Die Wortrepräsentation im Gedächtnis wird automatisch aktiviert und stört in dem Fall, in dem sie mit der geforderten Sprecherreaktion nicht übereinstimmt.

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Semantisches Priming Der Vp werden in schneller Abfolge voneinander zwei Wörter präsentiert. Das zweite Wort ist entweder ein Pseudowort, ein dem ersten Wort semantisch ähnliches oder unähnliches Wort. Aufgabe der Vp ist es, so schnell wie möglich zu entscheiden, ob es sich bei dem 2. Wort um ein Pseudowort handelt, ja oder nein. Ergebnis: Die Reaktionszeit ist erheblich schneller, wenn das erste Wort in semantischem Zusammenhang mit dem zweiten steht (ein semantisch ähnlicher prime ist). Ergebnis: Semantische ähnliche Wörter werden im Gedächtnis gebahnt. Frage: Werden alle semantisch ähnlichen Wörter im Gedächtnis automatisch wachgerufen oder stellen sich Vpn einfach auf semantisch ähnliche Wörter ein? Primingexperiment von Neely, 1977 Neely modellierte die klassischen Experimente zum semantischen Priming in der Hinsicht um, dass einem Prime sehr häufig (vorhersagbar) Targets anderer Kategorien (z.B Vogel Möbelstück) folgten. These: Wenn sich die Vp bewusst einstellt, müssten semantisch ähnliche Targets keinen Primeeffekt mehr aufweisen, dafür aber Targets nach den gelernten Regeln. Wenn semantisch ähnliche Wörter automatisch (unbeeinflussbar) aktiv werden, sollten dennoch semantisch ähnliche Wörter profitieren. - Zusätzliche Variation des Zeitintervalls (SOA) zwischen prime und Target. (250, 400,700 ms) Ergebnis: Bei kurzer SOA erfolgt eine (schnelle) automatische Aktivierung semantisch ähnlicher Wörter. Bei langer SOA erfolgt eine willentliche Aktivierung erwarteter Wörter. Wortüberlegenheitseffekt Präsentation einer sinnvollen oder sinnfreien Buchstabenfolge. Vp muss danach im Zuge der Darbietung eines Vergleichsbuchstabens so schnell wie möglich entscheiden, ob dieser in der Buchstabenfolge enthalten war. Resultat: Die Erkenntnisleistung für Buchstaben in Wörtern ist besser als die Erkenntnisleistung für einzelne Buchstaben bzw. für Buchstaben in sinnfreien Buchstabenfolgen. Dieses Ergebnis stützt die These, dass bei der Worterkennung Top- Down- Prozesse eine Rolle spielen, d.h., dass der Kontext und allgemeines Weltwissen die Wahrnehmung (hier: Worterkennung) beeinflussen.

interactive activation model (Mc Clelland & Rummelhart, 1981) Es gibt Erkennungseinheiten auf drei Ebenen: Merkmale (graphische Besonderheit des Zeichens), Buchstaben, Wörter). Wird ein Merkmal erkannt (z.B. eine horizontale Linie oben) aktiviert es alle Buchstaben, die dieses Merkmal enthalten. Alle anderen Buchstaben werden gehemmt. Ein Buchstabe an einer bestimmten Stelle eines Wortes aktiviert alle Wörter mit diesem Buchstaben an dieser Stelle. Alle anderen Wörter werden gehemmt. Aktivierung eines Wortes aktiviert aber auch top-down die im Wort enthaltenen Buchstabencodes

Wortüberlegenheitseffekt. Wegen dieser top-down- Aktivierung des Buchstaben durch die Wort- Ebene ist weniger Aktivierung von der Merkmalsebene für die Erkennung dieses Buchstaben erforderlich. Diese rückwirkende Aktivierung fehlt bei Non- Wörtern oder Einzelbuchstaben, weil sie zu keiner Aktivierung auf der Wortebene führen. Lesen und inneres Sprechen Inneres (subvokales) Sprechen scheint eine wichtige Funktion für Verständnis gelesener Sätze zu haben. Evidenz: Hardyck & Petrinovic (1970): Die Unterbindung subvokalen Sprechens beeinträchtigt Leseverständnis (insbesondere bei schwierigen Texten). Baddeley & Lewis (1981): Einen ähnlichen Einfluss (wie die Unterbindung subvokalen Sprechens) kann eine artikulatorische Zweitaufgabe haben (z.B. dadadada sprechen). Es gibt Hinweise darauf, dass subvokales Sprechen insbesondere für Informationen über die Reihenfolge der Wörter wichtig. Eine Funktion inneren Sprechens könnte in der Bereitstellung prosodischer Cues liegen. [Warum lesen wir innerlich schneller als beim vorlesen, wenn ohnehin nachgesprochen wird? Idee (Perfetti und McCutchen 1982): Die phonologische Spezifikation beim inneren Sprechen ist inkomplett. Auf Schlüsselinformationen (wie Konsonanten) ausgerichtet. Alternative Idee (Rayner und Pollatsek 1989): Inneres Nachsprechen ist keine motorische Tätigkeit.]

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Textverständnis Zentraler Begriff: Schema Der Begriff Schema bezieht sich auf unsere Wissenskomplexe über die Welt, bestimmte Ereignisse und unsere Mitmenschen (Differenzierung zwischen script und frame: script: Wissen über best. Ereignisse und deren Konsequenzen; frame: Wissen über Eigenschaften von Objekten und Orten.) Schemata sind wichtig für das Sprachverständnis, denn sie erleichtern es. Außerdem sind an Schemata auch bestimmte Erwartungen geknüpft. Beispiel: Restaurant: man erwartet eine bestimmte Prozedur bei einem Restaurantbesuch: die Bestellung bei einem Kellner aufzugeben, das Essen und Trinken zu erhalten, zu bezahlen, etc... außerdem sind an die Räumlichkeiten bestimmte Erwartungen geknüpft: dass man an einem Tisch und evtl. auf Stühlen sitzt… BARTLETT SCHEMA-THEORIE Barlett vertrat die These, dass Schemata eine wichtige Rolle dabei spielen, was wir von einer Geschichte/einem Text erinnern. Beim Textlesen wird die inhaltliche Struktur des Textes mit dem Vorwissen der Schemata verknüpft.

Beim Erinnern an den Text wird in Richtung der Schemata verzerrt, und zwar umso mehr je länger das Lesen zurückliegt. Außerdem neigten die Vpn bei Barletts Studien dazu, ihnen unbekannte Schemata (z.B. aus anderen Kulturen) beim Erinnern zugunsten der ihnen bekannten zu verfremden. Kritik: Es gibt Studien, die diese Schlussfolgerung nicht belegen (Studenten sollten in regelmäßigen Abständen von ihrer ersten Uni- Woche berichten). Außerdem wurde Barlett ungenaue Formulierung der Instruktionen für die Vpn vorgeworfen. Für den Verständnisprozess beim Lesen eines Textes scheinen Schemata wichtig zu sein, für das Erinnern des Inhalts eines Textes weniger. MODELL KINTSCH & VAN DIJK These: Leser repräsentieren Text in Form von Propositionen. Propositionen sind kleinste Wissenseinheiten, die als wahr oder falsch beurteilt werden können. Beim Lesen werden die Propositionen extrahiert und verknüpft. Beispiel: Der Stamm der Swanzi befand sich im mit einem benachbarten Stamm im Krieg,

weil sie sich über Vieh stritten. Unter den Kriegern waren zwei Männer. a. Name von (Stamm1, Swanzi) b. Benachbart (Stamm1, Stamm2) c. Im Krieg (Stamm1, Stamm2) d. Streiten (Stamm1, Stamm2) e. Ursache(c,d) f. Darunter-sein (Krieger, Männer) Bei f Brückenschluss (Krieger Stamm1) notwendig, da Krieger nicht direkt verknüpfbar. Probleme: • Es kann nur eine begrenze Anzahl im Arbeitsspeicher behalten werden. • Verknüpfungen mit nicht mehr im Arbeitsspeicher befindlichen Propositionen sind schwierig, weil sie neu erinnert (resinstanziert) werden müssen. • Das Verknüpfen von Propositionen ist schwierig, wenn keine überlappenden Argumente mit bestehenden Propositionen vorhanden, sondern nur über Überbrückungsschluss verbunden werden kann.

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3.1. Kapitel 9 und10: Wissen, Konzepte und Kategorien

Repräsentationen

extern intern bildlich sprachlich symbolisch analog propositional Propositionale Repräsentation Eine Proposition ist die kleinste Wissenseinheit die eine selbstständige Aussage bildet, und daher als wahr oder falsch beurteilt werden kann. Propositionen sind sprachübergreifende Beschreibungen der Bedeutung eines Sachverhalts. Sie besteht aus Argumenten und Relationen (Prädikate).

z.B. die Proposition „Das Buch liegt auf dem Tisch“.

lässt sich darstellen als auf (Buch, Tisch)

allg.: Relation (Argument 1, Argument 2, …) Propositionen können durch Relationen zweiter Ordnung verknüpft werden.

z.B.: „Maria traf John mit dem Stock, so dass er verletzt wurde.“

lässt sich darstellen als verursachen [treffen (Maria, John, Stock),

verletzen (Maria, John)] allg.: Relationen 1. Ordnung haben Objekte als Argumente, Relationen 2. Ordnung haben (auch) Propositionen als Argumente. Relationen zwischen Propositionen lassen sich auch als propositionales Netz darstellen (Agent, Relation, Objekt).

Analoge Repräsentation Analoge Repräsentationen eines Gegenstandes sind Vorstellungen, die der tatsächlichen Wahrnehmung eines Gegenstandes ähneln (der Wahrnehmung analog sind). Sie sind daher modalitätsspezifisch (visuell, auditiv, taktil…), je nachdem durch welchen Wahrnehmungskanal der Gegenstand (oder das Ereignis) encodiert wird. Evidenz: Mentale Rotation: Vpn drehen Objekte mental, analog der realen Drehung eines physischen Objekts. Die Reaktionszeit bei der Aufgabe, zu erkennen, ob ein Buchstabe gespiegelt ist oder nicht, nimmt mit steigendem Rotationswinkel zu. Image scanning: Die Zeit für das mentale „Wandern“ von einem Ort einer vorgestellten Landkarte zu einem anderen Ort, ist proportional zur Entfernung der Orte auf der Karte. Problem/ Gegenevidenz: Der Distanzeffekt verschwindet, wenn die Vpn sich vorstellen sollen, den Blick so schnell wie möglich von einem Ort zum anderen zu wechseln. Propositionale vs. analoge Repräsentation

Wissensrepräsentation Unser Wissen ist nicht nur durch Objekte und deren Relationen gekennzeichnet, sondern in komplexerer Art und Weise strukturiert. Für diese Repräsentationsart von Wissen sind die Begriffe „Schemata“ und „Skripte“ zentral. Schema Ein Schema ist eine strukturierte Zusammenfassung von (begrifflichen) Vorstellungen, für das eine bestimmte Form von Weltwissen eine Rolle spielt. Schemata werden benutzt, um Ereignisse, Folgen von Ereignissen, Auffassungen, Situationen, Relationen und Einzelgegenstände zu repräsentieren.

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UNTERSUCHUNG VON BARTLETT Barlett vertrat die These, dass Schemata eine wichtige Rolle dabei spielen, was wir von einer Geschichte/einem Text erinnern. Beim Textlesen wird die inhaltliche Struktur des Textes mit dem Vorwissen der Schemata verknüpft. Britischen Probanden wurde eine nord- amerikanischen Indianer- Geschichte präsentiert (The War of the Ghosts), die viele Merkmale und kausale Strukturen enthielt, die „den“ westlichen Erwartungen widersprachen.

Beim Erinnern an den Text wurde in Richtung der Schemata verzerrt, und zwar umso mehr je länger das Lesen zurücklag. Außerdem neigten die dazu, die ihnen unbekannten Schemata (der anderen Kultur) beim Erinnern zugunsten von ihnen bekannten (westlichen) zu verfremden. Skript Skripte sind Wissensstrukturen, die eine stereotype Abfolge von Handlungen in Alltagssituationen encodieren. Beispiel: Wenn man oft in einem Restaurant gegessen hat, verfügt man über ein Skript: „Restaurantbesuch“. Dieses Skript würde die typischen Handlungen, Gegenstände und Akteure dieser Situation encodieren: Eintreten, Bestellen, Essen, Bezahlen, Aufbrechen – sowie Tische, evtl. Bar, Kellner, andere Gäste etc….

Dual coding Theorie (Allan Paivios)

Hauptaussagen Informationen werden in zwei verschiedenen Systemen kodiert, eines enthält Logogene, eines Imagene. Ein und dieselbe Information (z.B. Schnee) kann sowohl sprachlich als auch anschaulich (analog) repräsentiert werden. Dabei kann eine durch einen bildlichen Stimuli erzeugte analoge Repräsentation eine sprachliche Repräsentation erzeugen und umgekehrt.

Es gibt zwei unabhängige aber verbundene Verarbeitungssysteme. Evidenz 1. Bildüberlegenheit: Bilder werden spontan benannt, Wörter meist nicht spontan. visualisiert. Wenn zwei Repräsentationen vorhanden sind, steigt Wahrscheinlichkeit für die Erinnerung um 50%. 2. Konkretheitseffekt: Konkrete (Anschaulich vorstellbare Wörter, z.B. Hund) werden besser erinnert als abstrakte (Mitleid). 3. Duale Instruktion: Die Instruktion, sich Wörter bildlich vorzustellen, verbessert das Erinnerungsvermögen. (Problem: Ähnliche Instruktionen, die aber keine bildliche Vorstellung beinhalten, z.B. dass man Sätze zu dem Wort bilden solle, haben ähnliche leistungsstärkende Effekte)

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Theorie visueller Vorstellungen (Kosslyn) Hauptaussagen Es gibt eine starke Ähnlichkeit zwischen dem Vorgang visueller Wahrnehmung und der visuellen Vorstellung. Für die imaginäre Bildgenerierung sind folgende Komponenten notwendig:

1. Räumliches Medium, in dem das Objekt repräsentiert wird. Eigenschaften dieses räumlichen Mediums sind: limitierte Größe, Bereich höchster Auflösung im Zentrum, limitiertes Auflösungsvermögen, Bilder zerfallen, so bald sie generiert worden sind und bedürfen einer Reaktivierung.

2. Bild- Ordner (image files): in denen charakteristische Merkmale des Objekts (skeletal image) gespeichert sind, die dann punktuell in dem räumlichen Medium repräsentiert werden können.

3. Propositions- Ordner (proposional files): Listet die Merkmale des Objekts auf und deren Relationen zueinander, enthält Informationen über die Objektsgröße. 2. + 3. sind miteinander verbunden.

4. Bildgenerierung: Informationen aus image files und proposional files werden koordiniert und in das räumliche Medium abgebildet.

Evidenz für Kosslyns Theorie 1. Schwierigkeit der Beurteilung eines Objektdetails einer Vorstellung hängt mit der Größe der Vorstellung zusammen. (Vgl. Hasennase: Bild von Hase und Elefant/Fliege)

spricht für begrenzte Auflösung der visuellen Vorstellung. 2. An ein kleines visuell vorgestelltes Objekt kann man näher heranrücken als an ein großen, bis man es nicht mehr ganz sehen kann. (Tier vorstellen. Rangehen bis Sichtfeld komplett ausgefüllt. Distanz abschätzen) Bei großen Objekten (Elefant – Maus) Abstand höher Gesichtsfeld einer visuellen Vorstellung wird genauso durch geringen Abstand überschritten wie bei visueller Wahrnehmung.

Eigenschaften natürlicher Begriffe TYPIKALITÄT Verschiedene Begriffe sind unterschiedlich typisch für ihre Kategorien. (Spatz ist typischer für die Kategorie Vogel als Pinguin). HIERARCHISCHE ORDNUNG Basisbegriff: Vogel Übergeordnet: Tier Untergeordnet: Meise BASISBEGRIFFE Basisbegriffen kommt eine Sonderstellung zu. Objekte werden zum einen spontan mit ihnen benannt, zum anderen sind sie die Begriffe, die von Kindern zuerst gelernt werden. Das Basisniveau ist der höchstmögliche Abstraktionsgrad, auf dem noch ein „gemeinsamer motorischer Umgang“ mit den Kategoriemitgliedern möglich ist (Stuhl => hinsetzen). Basisbegriffe werden schneller verarbeitet als über- oder untergeordnete Begriffe. INSTABILITÄT VON KATEGORIEN Natürliche Kategorien haben keine klaren Grenzen: je nach Personengruppe oder Situation können natürliche Objekte einer anderen Kategorie zugeordnet werden. THEORIEN ZUR BEGRIFFSBILDUNG Theorie definierender Merkmale • Ein Begriff besteht aus einer Menge von

definierenden Merkmalen (z.B. Spatz = lebendig, klein, gefiedert)

• Ein Objekt gehört zum Begriff, wenn es alle definierenden Merkmale besitzt

• Es lässt sich daher eindeutig sagen, ob ein Objekt dem Begriff zugeordnet werden kann oder nicht

• Jedes Kategoriemitglied ist gleichermaßen repräsentativ.

• Alle Objekte die zu einem Begriff gehören (Spatz), besitzen automatisch die Merkmale der übergeordneten Begriffe (Vogel)

Evidenz: Sätze wie „Kann eine Meise fliegen?“ werden schneller beantwortet als Sätze wie „Frisst eine Meise Körner?“: d.h.: je weniger Hierarchiestufen für die Beurteilung gedanklich durchlaufen werden müssen, desto schneller ist die Antwortreaktion. Kritik: - Typikalität nicht erklärbar. - Kategoriemerkmale sind nicht alle gleich bedeutend

(„ist pink“ wird häufiger als Merkmal eines Lachses genannt als „hat Flossen“)

- Auf die Frage „Ist ein Huhn ein Tier?“ wird schneller geantwortet als auf die Frage „Ist ein Huhn ein Vogel?“ obwohl im letzteren Fall weniger Hierarchiestufen zwischen Huhn und Vogel liegen.

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Theorie definierender und charakterisierender Merkmale Ein Begriff wird durch zwei Arten von Merkmalen repräsentiert, definierenden Merkmale (die notwendig und hinreichend für Kategoriemitgliedschaft sind) und charakterisierende Merkmale (die bestimmen, wie typisch ein Objekt für die Kategorie ist). Kategorisierung eines Objektes (Ist ein Spatz ein Vogel?) vollzieht sich zweistufig.

1. Wieviele übereinstimmende definierende oder charakterisierende Merkmale liegen vor? - viele Überlappungen (Spatz = Vogel) schnelle ja- Antwort. - wenige Überlappungen

schnelle Nein- Antwort. 2. Bei einem unklarem Ausgang der ersten

Stufe (Pinguin = Vogel?) werden die definierenden Merkmale erneut geprüft.

Prototypentheorie Ein Prototyp eines Objekts weist eine Menge es charakterisierende, aber nicht unbedingt notwendiger Merkmale auf. Die Begriffszugehörigkeit ergibt sich aus der Ähnlichkeit mit dem Prototypen. Die Zugehörigkeit eines Objektes zu einer Kategorie variiert graduell (Typikalität). Je ähnlicher ein Objekt dem Prototyp ist, umso eindeutiger ist es Mitglied der Kategorie. Ein Objekt kann unterschiedlichen Kategorien mehr oder weniger angehören (Tomate als Gemüse oder Frucht). Evidenz: Solso & McCarthy (1981): Präsentation von Gesichtern, welche alle mehr oder weniger starke Ähnlichkeiten mit einem nie gezeigten (featuralen) Prototyp hatten. Dabei wurden Gesichter mit steigender Ähnlichkeit zum Prototyp eher wieder erkannt. Der Prototyp selber wurde am stärksten als bekannt klassifiziert, obwohl er in der Lernphase nie gezeigt wurde. Kritik: Instabilität der Kategorien mit Prototypen- Theorie nicht erklärbar.

Exemplar-basierte Begriffsrepräsentation Es gibt keine Beschreibung von Allgemeinheiten der Mitglieder einer Kategorie in Form von definierenden Merkmalen oder Prototypen. Stattdessen wird jedes einzelne, je erlebte Exemplar zusammen mit seinem Begriffsetikett gespeichert. Ein Objektiv wird bei der Kategorisierung mit allen je gesehenen Objekten verglichen und dem Begriff zugeordnet, mit dessen Exemplaren es die größte durchschnittliche Ähnlichkeit besitzt. Typikalität erklärbar durch Anzahl der gespeicherten Objekte. (Es wurden im Leben mehr Rotkehlchen als Sträuße gesehen) Evidenz:Rips & Collin (1993): Vpn bekommen Pizzas mit durchschnittlicher Länge von 30 cm aber hoher Varianz gezeigt. Außerdem Lineale auch mit 30 cm Länge aber keine Varianz. Ein neues 35 cm Objekt sollte laut Prototyptheorie 50:50 Pizza, Lineal, da gleiche Ähnlichkeit zum Prototyp. Es wird aber Variabilität der Einzelexemplare genutzt und für Pizza entschieden. Einformationen über Einzelexemplare bleiben in Begriffsrepräsentation erhalten. Kritik: Kann wirklich jedes gesehene Objekt gespeichert werden? Wie und wann werden neue Kategorien angelegt? Dazu biete die Theorie keine Hinweise.