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http://www.josefleisen.de/download-lehrenlernen 1 Was Lehrkräfte brauchen – Ein praktikables Lehr-Lern-Modell Josef Leisen Stand: 2.5.2018 Welches Wissen aktivieren Lehrkräfte, welches Wissen zapfen sie an, welches Wissen ist für Lehrkräfte handlungsleitend, wenn sie eine Unterrichtsstunde planen, gestalten und „halten“? Wie bewusst ist ihnen das Wissen? Brauchen sie das Wissen, greifen sie wirklich darauf zurück? Wie ist es entstanden, wie hat es sich sedimentiert, wie ist es zur Erfahrung geronnen und worin liegt dessen handlungsleitendes Geheimnis? Das Geheimnis liegt oftmals in unbewusstem Hintergrundwissen. Das Handeln von Lehrkräften Handeln auf der Oberfläche wird durch eine Hintergrundfolie – auch subjektive Lehrertheorien genannt – bestimmt. Der Unterricht einer Lehrkraft findet stets auf der Hintergrundfolie von Vorstellungen, Grundeinstellungen und Grundprinzipen zum Lehren und Lernen statt. Diese Einstellungen sind oft biografisch erworben, durch Ausbildung überformt, angepasst, umgedeutet, erweitert, ergänzt, begründet. Oft sind sie sogar gegenüber der Ausbildung resistent und brechen immer wieder hervor. Auf jeden Fall wirken sie sich maßgeblich auf die materiale und personale Steuerung der Lernschritte aus, getreu dem oft gehörten Diktum von H. Altman: „Teachers teach as they were taught, not as they were thaught to teach.“ Lehrkräfte brauchen nicht noch mehr vom selben, sie brauchen drei Dinge: Lehrkräfte brauchen mehr Klarheit. Die „Welt des Unterrichtes und Erziehens“ wird zunehmend weitläufiger, komplexer und komplizierter, zunehmend diffuser, obwohl die Studien immer mehr Ergebnisse und mehr Wissen hervorbringen. Zuviel unverdautes Wissen macht wissenstrunken, vernebelt den aufmerksamen Geist, macht handlungsunfähig, wo es doch handlungsfähig machen soll. Lehrkräfte brauchen Einfachheit. „Komplexe Probleme haben keine einfachen Lösungen!“ Wohl wahr, komplexe Probleme haben nämlich gar keine Lösung. „Lösungen“ sind bestenfalls verantwortungsvolle, passende Formen des Damit- Umgehens. Soviel Einfachheit wie möglich und sowenig wie nötig. Lehrkräfte brauchen Praktikabilität. Die beste Theorie, das umfangsreichste Wissen, das schönste Modell ist nur so gut, wie es praktikabel, handhabbar, durchführbar ist und wie es sich im unterrichtlichen Feld bewährt. Lehrkräfte brauchen ein Modell des Lehrens und Lernens, das die genannten Bedingungen erfüllt. Es muss klar, einfach und praktikabel sein. Es kommen noch zwei Bedingungen hinzu: Es muss theorieabgesichert und erfahrungsgesättigt sein, m.a.W., es darf den Ergebnissen aus der Unterrichtsforschung, der didaktischen, lern- und kognitionstheoretischen sowie der neurobiologischen Forschung nicht widersprechen, sondern dadurch bestätigt und begründet sein. Es muss zweitens an den Erfahrungen von Lehrkräften anknüpfen, muss Assoziationen zu erlebten Situationen herstellen, muss die Vorstellungswelt der Lehrkräfte anregen und muss deren limbisches System für eine (mäßig) andere Sehweise öffnen.

1 Was Lehrkräfte brauchen Was... · 2018-06-06 · den Lernvorgang und materialisieren die Lernumgebungen. Steuerung 2: Lernmaterialien, Methoden und Medien In der Mitte des Lernens

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WasLehrkräftebrauchen–EinpraktikablesLehr-Lern-ModellJosefLeisen

Stand:2.5.2018

WelchesWissenaktivierenLehrkräfte,welchesWissenzapfensiean,welchesWissenistfürLehrkräfte handlungsleitend, wenn sie eine Unterrichtsstunde planen, gestalten und„halten“?Wiebewusst ist ihnendasWissen?BrauchensiedasWissen,greifensiewirklichdaraufzurück?Wieistesentstanden,wiehatessichsedimentiert,wieisteszurErfahrunggeronnen und worin liegt dessen handlungsleitendes Geheimnis? Das Geheimnis liegtoftmalsinunbewusstemHintergrundwissen.DasHandelnvonLehrkräftenHandelnaufderOberfläche wird durch eine Hintergrundfolie – auch subjektive Lehrertheorien genannt –bestimmt.Der Unterricht einer Lehrkraft findet stets auf der Hintergrundfolie von Vorstellungen,GrundeinstellungenundGrundprinzipen zumLehrenundLernenstatt.DieseEinstellungensind oft biografisch erworben, durch Ausbildung überformt, angepasst, umgedeutet,erweitert, ergänzt, begründet. Oft sind sie sogar gegenüber der Ausbildung resistent undbrechen immerwiederhervor.Auf jedenFallwirkensiesichmaßgeblichaufdiematerialeund personale Steuerung der Lernschritte aus, getreu dem oft gehörten Diktum von H.Altman:„Teachersteachastheyweretaught,notastheywerethaughttoteach.“Lehrkräftebrauchennichtnochmehrvomselben,siebrauchendreiDinge:• Lehrkräfte brauchen mehr Klarheit. Die „Welt des Unterrichtes und Erziehens“ wird

zunehmendweitläufiger,komplexerundkomplizierter,zunehmenddiffuser,obwohldieStudien immer mehr Ergebnisse und mehr Wissen hervorbringen. Zuviel unverdautesWissen macht wissenstrunken, vernebelt den aufmerksamen Geist, machthandlungsunfähig,woesdochhandlungsfähigmachensoll.

• Lehrkräfte brauchen Einfachheit. „Komplexe Probleme haben keine einfachenLösungen!“ Wohl wahr, komplexe Probleme haben nämlich gar keine Lösung.„Lösungen“ sind bestenfalls verantwortungsvolle, passende Formen des Damit-Umgehens.SovielEinfachheitwiemöglichundsowenigwienötig.

• LehrkräftebrauchenPraktikabilität.DiebesteTheorie,dasumfangsreichsteWissen,dasschönsteModellistnursogut,wieespraktikabel,handhabbar,durchführbaristundwieessichimunterrichtlichenFeldbewährt.

LehrkräftebraucheneinModelldesLehrensundLernens,dasdiegenanntenBedingungenerfüllt.Esmussklar,einfachundpraktikabelsein.EskommennochzweiBedingungenhinzu:Esmuss theorieabgesichert underfahrungsgesättigt sein,m.a.W., es darf denErgebnissenausderUnterrichtsforschung,derdidaktischen,lern-undkognitionstheoretischensowiederneurobiologischen Forschung nicht widersprechen, sondern dadurch bestätigt undbegründet sein. Es muss zweitens an den Erfahrungen von Lehrkräften anknüpfen, mussAssoziationenzuerlebtenSituationenherstellen,mussdieVorstellungsweltderLehrkräfteanregenundmussderenlimbischesSystemfüreine(mäßig)andereSehweiseöffnen.

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DasLehr-Lern-ModellimgrobenUmriss

LehrendebrauchenModellefürLehr-Lern-Prozesse;LehrendehabenModellefürLehr-Lern-Prozesse, denn niemand unterrichtet „modelllos“. Die Frage ist, wie implizit oder explizitdiese Modelle das jeweilige Lehren bestimmen und wie öffentlich und transparent dieModelleundVorstellungensind.

Ein Lehr-Lern-Modell ist ein von Lehr-Lern-Experten geschaffenes theoretisches Konstruktzur Professionalisierung des Lehrens mit dem Ziel, dass Lerner wirksam und gut lernen.Modellesindobjekthafte,bildhafte,symbolischeoderbegrifflicheDarstellungen,dieunsereBegegnungenmitderWeltordnen,strukturieren,kategorisieren.ModellesindDenkräumeauf Probe und Hilfsmittel der Theorieentwicklung und sind ein Kommunikationsmittel.Modelle...

• vereinfachen,verkürzen,idealisieren,• sindvorläufig,• sindnichtwahr,sondernpassend,• sindverhandelbar,• habenGrenzen,• geltenfüreinenAusschnitt/Bereich,• habeneinenbestimmtenZweck.

VielegängigeLehr-Lern-ModellesindjedochbloßeLehr-Modelle,d.h.siefokussierenaufdasLehren,alsoaufdas,wasdieLehrkrafttut.EinLehr-Lern-ModellmussaberaufdasLernenundaufdasWirkungsverhältnisvonLehrernundLernenzentrieren.GuteLehrprozessealleinbringennichtzwingendguteLernprozessehervor.DasisteineWarnungvordemLehr-Lern-Kurzschluss:Was gelehrtwird,wird auch gelernt. Die Frage ist also,wie die LernprozesseunddieLehrprozessezusammenspielen.DaszeigtdasfolgendeLehr-Lern-Modell.

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LernertretenmitVorwissen,mitVorerfahrungenundmiteinemBestandanKompetenzenindieLernumgebungdesUnterrichtseinundverlassendieseLernumgebungmitmehrWissen,mehrKönnenundmiterweitertenundverbessertenKompetenzen(Kompetenzorientierung).DasLernenfindetineinerLernlinie(Lernerorientierung),alsoineinerzeitlichenAbfolgevonLernschritten,statt.DieLernerbearbeitenanpassenderStelleLernmaterialien,indemsiekalkuliertherausfordernde,adaptierteAufgabenstellungen(kalkulierteHerausforderung,Adaptivität)bearbeiten,Informationenauswerten,sichmitdenfachlichenInhaltenauseinandersetzenunddabeiKompetenzenentwickeln.DabeientstehenLernprodukte(Lernproduktorientierung)materialerArt(z.B.Tabelle,Mindmap,Text,Skizze,Bild,Diagramm,Experiment,…)oderauchimmateriellerArtinFormvonErkenntnissen,kognitivenStrukturen,UrteilenundWerthaltungen.DasistderzentraleLernschrittundallevorgängigenführendahin,allenachfolgendenbauendaraufauf.DieerstelltenLernproduktetrageneinepersönlicheHandschrift(Personalisierung)bzw.diederGruppeundwerdenimPlenumdiskutiertundverhandelt(Ko-Konstruktion).EinLernschritt,indemvernetztundtransferiertwird,schließtdieLernlinieab(Leisen2010,72-110).

DieeinzelnenLernschritteinderLernlinieDerLernprozessineinerLerneinheit(nichtnotwendigerweiseeine45Minuten-Stunde)findetineinerbegründetenSchrittfolgestatt,diekonsequentaneinerKompetenz-undLernerorientierungausgerichtetist.1.Lernschritt:ImLernkontextankommen/Problemstellungentdecken(Personalisierung) DieLernerwerdenindenKontextdesLernszenariosintegriertundentdeckenundentfaltendieProblemstellung(Fragestellung,Thema,Aufgabe,Relevanz,…).2.Lernschritt:Vorstellungenentwickeln(Personalisierung) IneinemzweitenSchrittentwickelndieLernerHypothesen,Deutungsansätze,BearbeitungsideenundindividuelleVorstellungenzurProblemstellung,dieggf.insPlenumgebrachtunddortverhandeltwerden.DazuwerdenauchVorerfahrungen,Vorwissen,Meinungen,Einstellungenetc.eingebracht.DerErfahrungs-undWissensstandwirdbewusstundöffentlichgemacht.3.Lernschritt:Lernmaterialbearbeiten/Lernprodukterstellen(Adaptivität,Lernproduktorientierung,Ko-Konstruktion) DieLernerbrauchenneueInformationen,Daten,Erfahrungen,Anstößevonaußenumweiterzukommen.DieseerhaltensiedurchLernmaterialien(Texte,Arbeitsblätter,Bilder,Experimentiermaterialien,Datenmaterial,...),direktdurchdieLehrkraft(Lehrervortrag,Erklärvideos,Infoinput)oderdurchMethoden-Werkzeugebegleitet.ZentralsindAufgabenstellungennachdemPrinzipderkalkuliertenHerausforderung,diezuLernproduktenmateriellerArt(z.B.Tabelle,Mindmap,Text,Skizze,Bild,Diagramm,Experiment,…)oderauchimmateriellerArtinFormvonErkenntnissen,kognitivenStrukturen,UrteilenundWerthaltungenführen.DieLernproduktewerdeningeeignetenSozialformenunterAuswertungundNutzungderInformationenundLernmaterialienerstellt.HierfindetderwesentlicheLernzuwachsstatt.DerLernzuwachs,derVerstehenshorizont,derErkenntniszuwachs,dieKompetenzerweiterungistoftnochinderSchwebeundineinemlabilenZustandundmusssichstabilisierenundverfestigen.DazudienendiefolgendenLernschritte.4.Lernschritt:Lernproduktdiskutierenundverhandeln(Ko-Konstruktion)

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BeiderBearbeitungderLernmaterialienundbeimErstellendesLernprodukteswerdenneueVorstellungengebildet,altewerdenerweitertoderausgeschärftundpräzisiert.DieseindividuellenneuenVorstellungenwerdenimviertenSchrittartikuliert,verbalisiert,umgewälztundmitdenenandererLernerabgeglichenundverhandelt.IndiesemSchrittwirdsichdieLerngruppeaufgemeinsameErkenntnisseimSinneeines„gemeinsamenKerns“verständigen.IndemdieLernproduktediskutiertundverhandeltwerden,verfestigensiesichzuErkenntnissenundLernzuwächsen.DieerstelltenLernprodukteenthalteninderRegeleinendidaktischenMehrwert,dergenutztwerdenmuss.DiediskursiveVerhandlungderLernprodukteimLernprozessisteinezentraleLern-undLehrphase.AlsLernphaserundetsiedendidaktischenMehrwertab,derinderVielfaltderentwickeltenLernprodukteschlummert.AlsLehrphasefordertsiedieLehrkraftinderanspruchsvollenTätigkeitderdiskursivenVerhandlungsführung(personaleSteuerung)heraus.DiediskursiveVerhandlungistfürdieLernerwiefürdieLehrkraftausgesprochenanspruchsvollundherausfordernd.DiskursivitätimLehr-Lern-Prozessbedeutet,dassdievorhandenenLernproduktekontrastierend,abwägendundgewichtendverglichenunddiskutiertwerden,dasssichkognitivundsprachlichgemeinsamringenddamitauseinandergesetztwird.5.Lernschritt:Sichernundvernetzen(Personalisierung) ImfünftenSchrittwirddasbislanginderLernlinieGelerntegesichert.ErgebnissewerdenfestgehaltenunddieLernendenermittelndeneigenenLernzuwachsdurchdenVergleichmitdenim2.SchrittentwickeltenVorstellungen.DasneueWissenmussmitdemvorgängigenWissenvernetztwerden.DieLernendenhabendasneueWissenevtl.ineinembestimmtenKontextgelernt.Damitesaberverfügbarwird,müssensiesichvondemKontextlösen(Dekontextualisierung)undesimsechstenLernschrittineinemanderenKontextanwenden.DieDekontextualisierungistdadurchbegründet,dassdasEinspeichernindasGedächtnisgehirnphysiologischeinenanderenWegnimmtalsdasAbrufenausdemGedächtnis.NachhaltigesWissenwirdinBegriffs-undWissensnetzenverankert.DarüberhinauswirdindiesemSchrittLernbewusstheithergestellt,indemderLernzuwachsdemLernerdeutlichundbewusstwird.6.Lernschritt:Transferierenundfestigen(Personalisierung) ImsechstenSchrittwirdderLernzuwachsnachhaltigimLangzeitgedächtnisverankert.DieLernermüssendasGelernteaufneueAufgabenstellungenevtl.ineinemneuenKontext(Rekontextualisierung)anwenden.Sowirderprobt,obderKompetenzzuwachseinemerfolgreichenhandelndenUmgangstandhält.DasGelerntemussgefestigtunddurchÜbungverfügbargemachtwerden.DiebeschriebeneSchrittfolgetaugtfüreineLerneinheit.Dasmussundkannnichtimmereine45-Minuten-Stundesein.DieSchrittfolgenverteilensichoftübermehrereUnterrichtsstunden,könnensichaberauchaufeinekurzeLernsequenzbeziehen.Zubedenkenistauch,dassdieLernschrittfolgenichtzwingendsolinearist.DasModelllässtzu,dassesVerzweigungengibt,dassSchrittewiederholtoderübersprungenwerden.AbereinigePhasensindfürdenkompetenzorientiertenUnterrichtunverzichtbar:DieErstellungeinesLernproduktesunddieVerhandlungdesselbensowiedieSicherungundFestigungdesGelernten.SoentwickelnsichnämlichWissenundHandelnnachhaltigimSinnedesVerständnissesvonKompetenzals„handelnderUmgangmitWissenundWerten.“

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DiematerialeundpersonaleSteuerungvonLernprozesseninderLernlinieDasLehr-Lern-ModellunterscheidetdieFunktionenvonLehrenundLernen,weistLehrernundLernernihreentsprechendenRollenundAufgabenzuundmodelliertdasVerhältnisvonLehr-undLernprozessen.DieLehrerleistungenbestehenindenSteuerungenderLernprozesse.Steuerung1:Aufgabenstellungen GuteAufgabenstellungensindderMotorförderlicherLernumgebungen.AufgabenstellungenbeinhaltenArbeitsaufträge,LernmaterialienundMethoden.LetzteresteuernmaßgeblichdenLernvorgangundmaterialisierendieLernumgebungen.Steuerung2:Lernmaterialien,MethodenundMedien InderMittedesLernensbearbeitendieLernendenLernmaterialien,stellenLernprodukteherunddiskutierendieselben.MitdenLernmaterialien(z.B.Gegenstände,Experimentiermaterialien,Bilder,Zeichnungen,Texte,Hörtexte,Filme,Comics,Sprechblasen,Berichte,…),dievonMethodenundMedien(z.B.Lehrervortrag,Experiment,Film,Sachtext,Unterrichtsgespräch,multimedialeLernumgebung,Internetrecherche,Podcast,Experteninterview,…)begleitetsind,steuertdieLehrkraftdieLernprozessematerial.Die Steuerungen 1 und 2 sind meistens „Schreibtischprodukte“ der Lehrkraft, sindvorbereitetundhabenmaterialenCharakter.DieSteuerungen3und4sind immersituativundhabenpersonalenCharakter.Steuerung3:Moderation Der Lernprozess wird von der Lehrkraft lernschrittgerecht verbal begleitet und personalgesteuert.IhremprofessionellenGeschickobliegtes,dieLernmaterialienundLernerbeiträgemoderierendindenLernprozesseinzubindenundimDiskurszuverhandeln.DieModerationist immer persönlich geprägt, muss aber unabhängig von der LehrerpersönlichkeitprofessionellenStandardsgenügen.Steuerung4:Rückmeldung Von der Lehrkraft angeleitete Reflexionen über die Lernvorgänge (Metareflexionen) undqualifizierte Rückmeldungen durch die Lehrkraft sind im Lernprozess wichtig, umKönnensbewusstsein, Lernerpersönlichkeit und Selbstvertrauen zu entwickeln. DieRückmeldungengehenandieeinzelnenLerner,aberauchandiegesamteLerngruppe.DieLehrkraft holt bei den Lernern Feedback ein, um Bewusstheit über die Wirksamkeit deseigenenLehrenszuerhalten.Lernproduktesinddas„Herzstück“desLehr-Lern-ModellsundGarantderPersonalisierungundDifferenzierungDen Prinzipien der kalkulierten Herausforderung und der Adaptivität wird durch dieAufgabenstellung und die Materialien/Methoden Rechnung getragen. Diese können sogestaltetsein,dasssie fürdieLernerpassen.Besonderswirksam istdiemeistkooperativeErstellung der Lernprodukte. So werden die Lernenden in den handelnden Umgang mit

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WissenundWertengebracht (Kompetenzorientierung).DieHerstellungwiederAustauschüberdiepräsentiertenLernproduktefindetimmerinderInteraktionmitanderenstatt(Ko-Konstruktion). Interaktion und Austausch in der Gruppe und zwischen den Gruppen sindselbstregulatorisch lernwirksam und klärend. Darin liegt der große Vorteil gegenüber derIndividualisierung.LernproduktetragenimmerdiepersönlicheHandschriftdesLernersbzw.der Gruppe. Lernprodukte unterscheiden sich hinsichtlich Kreativität, Herstellungsweg,Gestaltung, Qualität, Umfang, Richtigkeit, Attraktivität, ... In den verschiedenenLernprodukten liegteinMehrwert,der inderPräsentationund imAustauschherausgeholtwerdenmuss.

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Abb.:BeispielefürFormatevonLernproduktenDie Lernprodukte sind das „Herzstück“ des Lehr-Lern-Modells und dieArbeit zu ihnen, anihnenundmit ihnenermöglichenallenSchülerinnenundSchülernmitunterschiedlichstenVoraussetzungen und Potenzialen die Mitwirkung und Mitgestaltung. GroßeDifferenzierungen erübrigen sich und somit ist das Lehr-Lern-Modell für Lehrkräftepraktikabel und nicht überfordernd. An der Professionalität der materialen Steuerung(Aufgabenstellungen,Materialien/Methoden) und der personalen Steuerung (Moderation,Rückmeldung)führtkeinWegvorbei.AberdasistundbleibtderKerndesLehrerberufs.

ZurProfessionalitätgehörteineguteDiagnose

EineguteVorabdiagnosederLernvoraussetzungenundeinemitlaufendeDiagnostikimSinneeines„Lehr-Lern-Radars“sindunabdingbarfürgelingendenUnterricht.WiewillmaneinemSchülereineRückmeldunggeben,wennmannichtumseineVorstellungen,seineKonzepte,sein Vorwissen weiß? Wie will man einen Kompetenzzuwachs erreichen, wenn man dieLernvoraussetzungen nicht beachtet, wenn man das Potenzial, das in den verschiedenenLernproduktenliegtundwennmandasPotenzialderLerngruppenichtwahrnimmt?

DieErgebnisseeinerVorabdiagnostikgehenindieErstellungvonAufgabenundMaterialien(materialeSteuerung)ein.Inwieweitwerdensprachlicheund/oderfachlicheHilfengegeben(Scaffolding), inwieweit werden binnendifferenzierte Aufgaben und Materialien erstellt(UmgangmitHeterogenität).

DiemitlaufendeDiagnostikbestimmtmaßgeblichdieModerationunddasFeedbackunddieRückmeldung an die Lernenden.Welche Ideen sind für dasWeiterlernen bedeutsam undwerden wann und wie aufgegriffen? Welche Rückmeldung erhält welcher Schüler überseinen Beitrag, die Lerngruppe über ihr Arbeiten?Wo tun sich Lernschwierigkeiten und –hemmnisse auf, die in welcher Form und wann ausgeräumt werden?Wo tun sich in derAufgabenstellungProblemeaufundwiewerdendiesesituativgelöst?

EinenachlaufendeDiagnostikbestimmtmaßgeblichdieRückmeldungandieLernendenunddieMetareflexion.Welche Lernproduktewurden inwelcherQualitäterstellt?Wiewurden

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dieLernprodukteerstellt,welcheSchwierigkeitentratenauf?WelcheErkenntnissewurdenerreichtundwelcheRückmeldungerhältwelcherSchüler?WiewerdendieLernergebnissegenutztundwelcheKompetenzenwurdenentwickelt?

EineentscheidendeGelingensbedingungdiesesUnterrichtsinheterogenenLerngruppenistdie permanente Diagnose des Lernstandes, der Lernfortschritte und Lernhemmnisse. Der„Diagnoseradar“musspermanentinBetriebsein.

Abb.2:DerDiagnose-Radar

KonstitutiveElementedesLehr-Lern-Modells

DiekonstitutivenElementedesLehr-Lern-Modellssind:

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Abb.3:KonstitutiveElementedesLehr-Lern-Modells

1.Lernerperspektive:IstdieherkömmlicheUnterrichtsstrukturamLehren,anLehrprozessenorientiert,soistdieLernlinie am Lernen, an den Lernhandlungen der Lerner orientiert. Lernen wird in denHandlungen und mit den Augen der Lernenden gesehen (Lernerperspektive stattLehrerperspektive)2.Kompetenzorientierung:DieKompetenzorientierunggibtderLernlinieeineRichtungundeinZielvor.DieKlarheitdesBlickswirddurchdasLehr-Lern-Modellgeschärft.3.DenkenineinerLernlinie:Die Lernlinie bestimmt, wann Phasen der Instruktion zwingend sind und wann Schülerselbstständig in einer Phase der Konstruktion Lernprodukte in passenden Sozialformenerstellen.4.Rollentrennung:Lerner lernen, Lehrer lehren. Indem die Rollen von Lehren und Lernen getrennt werden,werden die Verantwortlichkeiten aufgezeigt. Aufgabe der Lehrkraft ist es, professionelleLernumgebungenzugestaltenundLernprozesseprofessionellzusteuern.5.SteuerungvonLernprozessen:

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DiesteuerndeWirkungvonAufgabestellungenundMaterialien/MethodenfürLernprozessewerdenindenFokusgerückt.IhnenwirdgegenüberanderenSteuerungselementeneinhoheBedeutsamkeitundWirkmächtigkeitzugeschrieben.ModerationistnichtgleichModeration.Diesemussphasengerechterfolgen.DaserfordertdenspezifischenBlickaufdieLernphasemit handwerklichen Konsequenzen, z.B. Zurückhaltung, Impulssetzung, Diskursleitung,Bündelung,...

6.Lernproduktals„Herzstück“:In Phasen der Konstruktion erstellen die Lerner Lernprodukte. Hier sind verschiedensteSozialformenmöglichunddieLernproduktesollenimErgebnisvielfältigsein.(vgl.mehrdazua.a.O.)

7.DasVerhältnisvonInstruktionundKonstruktion:

Zeit imUnterrichtisteinkostbaresundknappesGut.LernenbrauchtZeit,vielZeit.Phasender Erstellung von Lernprodukten haben einen hohen Zeitverbrauch. Unterricht brauchtdichte Inputphasen und Phasen der intensiven eigenen Auseinandersetzung. Nur in dempassendenZusammenspielwirddieUnterrichtszeitoptimalalsLernzeitgenutzt.

Abb.4:VerhältnisvonInstruktionundKonstruktion

BegründungendesLehr-Lern-Modells

DreiFragenzurBegründungdesLehr-Lern-Modellswerdenoftgestellt:1. IstdasLehr-Lern-Modellneurobiologischabgesichertundbegründet?2. GibtesevidenzbasierteempirischeBelegefürdieGütedesLehr-Lern-Modells?3. Ist das Lehr-Lern-Modell erfahrungsbasiert undmit der Lehr-Lern-Praxis vereinbar und

damitakzeptanzfähig?DasLehr-Lern-ModellstehtimSchnittpunktdesBegründungsdreiecks.

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Abb.5:DasLehr-Lern-ModellimSchnittpunktdesBegründungsdreiecks

1. NeurobiologischeBegründungdesLehr-Lern-Modells

Die Neurobiologie ist in gewissem Sinne die Quantenphysik desWahrnehmens, Denkens,Empfindens, Lernens, ... So wie alle Phänomene des Universums letztlich auf derQuantenphysikbasieren,sobasiertdasLernenletztlichaufderNeurobiologie.Ausderüber100-jährigen Geschichte der Quantenphysik wissen wir, dass sich die Phänomene wederdurchReduktionaufquantenphysikalischeElementarprozesse rückführen lassen,nochausdenselben erklärt werden können. Emergenz und Dekohärenz machen beideUnternehmungenzunichte.DasselbewiderfährtderNeurobiologie.

HirnforscherhabenbishernichtsWeltbewegendNeuesentdeckt,wasgutePädagogennichtauch schonwussten und in ihremUnterricht beachtet haben. Allerdings können jetztmitHilfederneurobiologischenErkenntnisseKonzepteunddidaktischeTheorienbeurteiltundbewertet werden. Dem Lehr-Lern-Modell liegen neurobiologische und lernpsychologischeErkenntnisse zugrunde. Hiervon abgeleitet wurde die Lernschrittfolge entwickelt. ImFolgenden wird dargelegt, inwieweit das Lehr-Lern-Modell dem heutigen ErkenntnisstandderKognitionspsychologieentspricht.

1. Phase:„ImLernkontextankommen/Problemstellungentdecken“• Verwunderung,Interesse,Fragen,Widerspruch,kognitiverKonflikt,Fragehaltung

aufbauen• DaslimbischeSystembewertetdasErlebteundWahrgenommene,wirktalsFilter,

ergänztGefühleundderHippocampusfungiertalsNeuigkeitsdetektor.2. Phase:„Vorstellungenentwickeln“

• VorwissenundWissensbestandfürIdeenVermutungen,Vorstellungen,Lösungsansätzeaktivieren

• DaslimbischeSystemfungiertalsArbeitsgedächtnis,schafftAssoziationen,führtMusterabgleichedurchundNeuronennetzefeuern

3. Phase:„Lernmaterialienbearbeiten/Lernprodukterstellen“

Neurobiologie

EmpirischeLehr-Lern-Forschung

Erfahrungswissen

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• NeuesWissenerwerbenundnutzen,VerstehensinselnundVerstehenslückenerkunden,mitaltemundneuemWissenhandelnundverstehen

• AktivierteNeuronennetzewerdenergänzt,komplexerverschaltet,NeueswirdimArbeitsgedächtnisgehalten

4. Phase:„Lernproduktdiskutieren“

• GemeinsamkeitenundUnterschiedeaufdecken,verbalisieren,Lernprodukte,ErgebnisseundErkenntnisseinderGruppeverhandeln,Fehlernutzen

• DerHippocampusfungiertalsZwischenspeicher,dieAktivitätsmusterkreisen,SpracheundVerbalisierungsindunabdingbarfürdieVerstehensprozesse

5. Phase:„Lernzugewinnsichernunderproben/GelerntesVernetzen“

• Dekontextualisieren,neuesWisseneinordnen,Wissenszuwachsbewusstmachen,verbalisieren

• DerHippocampusbietetdemKortexAktivitätsmusterzumSpeicherninder1.Tiefschlafphasean

6. Phase:„Transferierenundfestigenundüben“

• Rekontextualisieren,Wissennutzen,Routinenerwerben,üben,Wissenanwenden,erweitern

• DerLerninhaltvomZwischenspeicher(Hippocampus)gelangtinsLangzeitgedächtnis(Hirnrinde,Kortex),erinnern,nutzenderLerninhalteverstärktdieSynaptischenVerbindungen

Nach Durchlaufen einer Lernlinie ist es neurobiologisch unerlässlich, dass das Gelerntealsbald wieder abgerufen und genutzt wird. Andernfalls werden Neuronennetze undneuronaleKontakte,dienicht ausreichendbenutztwerden. geschwächtDurchÜbungundwiederholendes Abrufen werden die Zugriffszeiten verkürzt, der Energieverbrauch wirdgesenkt,die„Denkpfade“verhärtenjedochauchzunehmendunddasDenkenwird„starrer“.Festigen und Erinnern gehen Hand in Hand. Bemerkenswert ist noch, dass mit jedemReaktivierenvonGedächtnisinhaltendiesedadurchabgewandeltwerden.Es ist möglich ist, dass Inhalte zwar verstanden und auch abgespeichert wurden, abertrotzdem aufNachfragen nicht verfügbar sind,was als „Vergessen“ bezeichnetwird. DerrZugriff ist gestört oder aber noch nicht ausreichend geübt. Das Erinnern ist uns nicht alseigenständiger Lernprozess bewusst, da mit dem erfolgreichen Zugriff sich sogleich dasGefühl des (Wieder)Verstehens einstellt. Schlagartig ist „alles wieder da“. Sichern undErinnerngehenHandinHand.EmpirischeBegründungdesLehr-Lern-Modells

Vorneweggesagt:EsgibtnochkeineempirischenStudien,welchedieWirksamkeitdesLehr-Lern-Modells in der dargelegten Form empirisch bestätigen oder widerlegen. DieBegründungen beziehen sich darauf, inwieweit das Lehr-Lern-Modell die evidenzbasiertenErgebnisse der Lehr-Lern-Forschung zur Wirksamkeit von Lehren und in demBeziehungsgefüge von Lehrer und Lernen berücksichtigt. Im Folgenden werden Studienaufgeführt,dieMerkmalegutenUnterrichtsuntersuchen,belegen,erklärenunderläutern.MerkmalegutenUnterrichtsnachKlieme(Drei-Faktoren-Modell)

• Unterrichts-undKlassenführung

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– RegelklarheitundUmgangmitStörungen– StrukturundKlarheitdesUnterrichts

• SchülerorientierungundUnterstützung– EingehenaufindividuellePotenzialeundBedürfnisse– UnterstützendesKlassenklima(motivationalerAspekt)

• KognitiveAktivierung– Angebotefürselbständiges,eigenverantwortlichesLernen– AnregungzuvertieftemNachdenken

MerkmaleKlarheitundStrukturierungnachLipowsky(Lipowsky,2006)

• ErkennbarerRoterFaden• StrukturierungdesUnterrichtsinklarerkennbarePhasen• KlareAufgabenstellungen/SicherungdesVerständnisses• Verständliche,prägnanteSprache• StrukturierendeHinweise(Vorschau,Rückschau,AdvancedOrganizer,informierende

Einstiege,Zusammenfassungen)• Fachlich,inhaltlicheKorrektheit

Merkmale für Mathematikunterricht nach Baumert und Klieme (Klieme, Schüme, Knoll2001):

• HerausforderndeAufgaben• AnspruchsvolleSchülerarbeitsphasen(SelbständigesErarbeiten)• ArgumentationenderSchülerundDiskussion• VernetzungvonWissen• EinbeziehungvonVorwissen• Grundlage:Zielklarheit,Strukturierung

SCHOLASTIK-Studie vonWeinertundHelmke(1997,S.250):IndieserStudiewurden54GrundschulklassenzweiJahre langbegleitet.DieEingangs-undSchlussleistungenwurdengemessenundmitUnterrichtsmerkmalenkorreliert.DannwurdendieMerkmale undUnterrichtsprofile vonKlassen, die besonders gute Lernerfolge zeigten,sog.Optimalklassen,untersucht.

Abb.6:ErgebnissederSCHOLASTIK-Studie

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Das überraschende Ergebnis der SCHOLASTIK-Studie: Gerade in den sechs Optimalklassengab es eine erhebliche Streuung imAusprägungsgrad einzelnerMerkmaleundeinige sehrdeutliche "Ausrutscher". Daraus folgt, dass für hohe Lernerfolge nicht unbedingt alleMerkmalepositivausgeprägt seinmüssen. Gute LehrpersonenkönnenbeimUnterrichtenSchwächenimeinenBereichdurchStärkeninanderenBereichenkompensieren. InderStudievonBabuundMendrowurdefestgestellt,dassvorallemschwächereSchülervongutemUnterricht(Babu&Mendro2003)profitieren.COACTIV-Studie(MaxPlanckInstitutfürBildungsforschung2006):DieCOACTIV-StudieuntersuchtdieKompetenzvonLehrkräftenalseinewichtigeBedingungfürdieUnterrichtsqualitätamBeispieldesFachsMathematik.DiezentralenAkteurebeiderGestaltung des Unterrichts sind die Lehrkräfte. Die Studie untersucht welcheVoraussetzungenLehrkräfteerfüllenmüssen,umUnterrichtsozugestalten,dasserLernernGelegenheitenzuverständnisvollemLernenbietet.WirksamsindLehrkräfte,dieübereine„adaptiveLehrkompetenz“verfügen.EineLehrkraftmitadaptiverLehrkompetenz...

• verfügtübereinreichhaltiges,flexibelnutzbareseigenesSachwissen,indemsichdieLehrpersonleichtundraschgeistigbewegenkann(Sachkompetenz),

• kann die Lernenden bezüglich ihrer Lernvoraussetzungen und -bedingungen(Vorwissen, Lernweisen, Lerntempo, Lernschwächen) sowie ihrer Lernergebnissezutreffendeinschätzen(diagnostischeKompetenz),

• verfügt über reichhaltiges methodisch-didaktisches Wissen und Können, zueinsetzbarendidaktischenMöglichkeitenundderenBedingungen,unterdenendieseErfolgversprechendeingesetztwerdenkönnen(didaktischeKompetenz),

• kanneineKlassesoführen,dasssichdieLerneraktiv,anhaltendundohnestörendeNebenaktivitäten (hohe time-on-task-Werte) mit dem Unterrichtsgegenstandauseinandersetzen(Klassenführungskompetenz).

Die „adaptive Lehrkompetenz“ fasst alle wünschenswerten Kompetenzen zusammen undbeschreibteineIdeallehrkraft.VieleStudienbelegendieBedeutungderkognitivenAktivierungfürdiezweiPunktewichtigsind:1. Die „Passung“, nämlich der herausfordernde Charakter in Abhängigkeit von den

Lernenden, ein angemessenes Anspruchsniveau, (n+1)-Niveau, kalkulierteHerausforderung

2. Umfangreiche Phasen ‚subjektiver‘ Aneignung im Unterricht, sowie Sprech- undSchreibgelegenheiten(nachdemSandwich-Prinzip)

a. Anderenetwaserklären,aktivesZuhören(Slavin1983)b. Wechselseitiges Lehren und Lernen (Wahl 2005) durch Schüler-Schüler-

Interaktion,z.B.reciprocalteaching,Gruppenpuzzle…c. SymmetrischesUnterrichtsgespräch(Diskurs)d. Sichselbstetwaslautoderleiseerklären(Selbsterklärungen)(Chietal.1988)

FazitüberdieForschungslagezugutemUnterricht„WährendbisherigeKatalogevonQualitätskriteriengutenUnterrichtsgerneindiebiblischeAnzahl Zehn mündeten, kommt Köller (2012) nun in einem Resümee Hatties mit einerweitausirdischerenBilanzaus:

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• DieLehrkraftmussHerrdesUnterrichtsgeschehenssein.• KognitiveAktivierungderSchüleristdasHauptkriteriumfürLernerfolg.• StrukturierungunterstütztLernprozesseenorm.• Feedback,Feedback,Feedback.“(PÄDAGOGIK,1(2014),S.20)

Terhart (2011) resümiertdie Lagewie folgt: „DieBefundevon „visible learning“bedeuten»eine Absage an eine naiv- oder pseudokonstruktivistische Ausrichtung desLehrerbewusstseins,dassicheherinderBeobachter-alsinderAktivatorrollegefällt.Durchdieses aktive, herausfordernde Lehrerbild rehabilitiert Hattie den dominanten, redendenLehrer-deraberebensoauchgenauweiß,wannerzurücktretenundschweigenmuss.DiePerspektive auf den Unterricht ist: lehrerzentriert. Im Zentrum steht ein Lehrer, für denallerdings seine Schüler im Zentrum stehen. Er muss ihr Lernen sehen können, um seinLehrendaranorientierenzukönnen.“(zitiertnachPÄDAGOGIK,1(2014),S.20)KohärenzdesLehr-Lern-ModellsmitdenForschungsergebnissenDie zentralen Elemente aus der Wirksamkeitsforschung charakterisieren das Lehr-Lern-ModellundbestätigendiekonstitutivenElementedesModells(vgl.S.xx).• Strukturierung des Lernprozesses in einer lern- und kognitionspsychologisch

abgesichertenLernlinie.

• Kognitive Aktivierung in Aufgabenstellungen mit lernanregenden Materialien undMethoden (materiale Steuerung) in passendem Anspruchsniveau (kalkulierteHerausforderung)

• Kompetenzorientierung durch den handelndenUmgangmitWissen in Lernphasen derKonstruktionmitErstellungvonLernprodukteninanspruchsvollenSchülerarbeitsphasen.

• HerstellungvonDiskursivitätdurcheinemoderierendeLehrkraft(personaleSteuerung),die als „Anwalt des Lernens“ bei effizienter Klassenführung Transparenz schafft,Lernpotenzialeentfaltet,individuelleUnterstützungundFeedbackgibt.

KongruenzdesLehr-Lern-ModellsmitLehr-Lern-ErfahrungeninderPraxisDie Akzeptanz undWirkung eines Lehr-Lern-Modells entscheidet sich im Klassenraum, imunterrichtlichenFeldundnichtimakademischenDiskurs.DieReichweiteendetdort,woeinModell den Erfahrungen widerspricht, ihnen zuwiderläuft, diese diskreditiert oderkonterkariert oder gar der Lächerlichkeit preisgibt. Ein Lehr-Lern-Modell muss anBekanntem, an Vertrautem, an Traditionen anknüpfen und gleichzeitig ein gewissesMaßNeues bieten, sei es ein anderer Blick, eine Erkenntnis, eine vermutete Wirkung, ... DieLerngesetzegeltenfüralleLerner,seienesSchüler,seienesLehrer.

AnknüpfenanBekanntem BlickaufNeuesDieLernliniedesLehr-Lern-ModellshateineSchrittfolge,dieÄhnlichkeitenmiteinerherkömmlichenUnterrichtsstrukturzeigt:1.Einleitung,2.Problemstellung,3.Erarbeitung,

Lernerperspektive:IstdieherkömmlicheUnterrichtsstrukturamLehren,anLehrprozessenorientiert,soistdieLernlinieamLernen,andenLernhandlungenderLernerorientiert,vgl.FormulierunginSchülerhandlungen.Lernen

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4.Auswertung,5.Sicherung,6.Übung.

wirdindenHandlungenundmitdenAugenderLernendengesehen(LernerperspektivestattLehrerperspektive)

SelbstredendentwickeltjederUnterrichtvielfältigsteKompetenzen.

Kompetenzorientierung:DieKompetenzorientierunggibtderLernlinieeineRichtungundeinZielvor.DieKlarheitdesBlicksaufdasLernproduktwirddurchdasLehr-Lern-Modellgeschärft.

PhasenderInstruktionundderKonstruktionsindselbstverständlichimUnterricht.

DenkenineinerLernlinie:DieLernliniebestimmt,wannPhasenderInstruktionzwingendsindundwannSchülerselbstständigLernprodukteineinerPhasederKonstruktioninpassendenSozialformenerstellen.

LehrenundLernensindengmiteinanderverknüpftundstehenineinemBedingungs-undWirkungsgefüge.

TrennungvonLehrenundLernen:Lernerlernen,Lehrerlehren.DieklareTrennungvonLehrenundLernenzeigtdieVerantwortlichkeitenauf.AufgabederLehrkraftistes,professionelleLernumgebungenzugestaltenundLernprozesseprofessionellzusteuern.

AufgabenstellungenundMaterialien/MethodensindselbstverständlicheElementeeinesUnterrichts.

MaterialeSteuerungvonLernprozessen:DiesteuerndeWirkungvonAufgabestellungenundMaterialien/MethodenfürLernprozessewerdenindenFokusgerückt.IhnenwirdgegenüberanderenSteuerungselementeneinhoheBedeutsamkeitundWirkmächtigkeitzugeschrieben.

Moderation(Gesprächsführung)undRückmeldungsindselbstverständlicheElementeeinesUnterrichts.

PersonaleSteuerungvonLernprozessen:ModerationistnichtgleichModeration.Diesemussphasengerechterfolgen.DaserfordertdenspezifischenBlickaufdieLernphasemithandwerklichenKonsequenzen,z.B.Zurückhaltung,Impulssetzung,Diskursleitung,Bündelung,...DerDiskursivitätwirdeinhoherStellenwertzugeschrieben,z.B.diskursiveVerhandlungderLernprodukte.

Unterrichtistoftmalshandlungs-undproduktorientiert.SchülerbearbeitenetwasundstellenProdukteher.

Lernprodukteals„Herzstück“:

Zuwissen,wasimUnterrichtpassiert,werwasschonkannodernochnichtistimUnterrichtunerlässlichundselbstverständlich.

VorauslaufendemitlaufendeundnachlaufendeDiagnose:BeiderErstellungderAufgabenundMaterialienwerdendieLernvoraussetzungendiagnostiziertundeinmitlaufender„Lehr-Lern-Radar“

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diagnostiziertdenLernprozessundsteuertnach.

EinLehr-Lern-Modell,dasformalbedientwird,machtnochnichteinenbesserenUnterricht.UmgekehrtkanneinUnterricht,dernichtformalnachdemLehr-Lern-Modellvorgeht,genauimGeiste des Lehr-Lern-Modells hoheWirkung entfalten,wenn implizit in einer Lernlinie,mit den Augen der Lernenden, gelernt wird, wenn mit großem Gespür die Passung vonLernvoraussetzungen und Anspruchsniveau adaptiv erfolgt, wenn die Lehrkraftgestaltungsmächtig material und personal passend steuert. Das Lehr-Lern-Modell kreiertnicht durch bloße Anwendung haufenweise gute Lehrer und guten Unterricht, sondernermöglichtjenen,dieohnehinschonfürdasDenkenausderLernerperspektivesensibelsind,einenErkenntnissprungundeineKlarheit fürdasTunundLassen.Nicht zuletzt vermagesBeschleunigungseffektinderProfessionalisierungdesLehrenserzeugen.FragenundAntwortenzumLehr-Lern-Modell

„UndwoistdieLehrerpersönlichkeitindemModell?“

NiemandbestreitetdenEinflussder„Lehrerpersönlichkeit“fürdenLernerfolg.Werjeerlebthat, wie motivierend es ist, von einem Lehrer unterrichtet zu werden, der den „Stoff“durchdrungen hat, der sich selbst für das Thema begeistern kann,weiß das. Auch für diegegenteiligeSituationlassensichschnellBespielefinden:WoeinLehrerseineGegenständenicht versteht und wo die eigene Begeisterung für das Thema nicht spürbar wird, wirdUnterricht dröge und belanglos. Die Feststellung, die Lehrerpersönlichkeit mache einenGroßteil gelingenden Unterrichts aus, muss weder durch den Verweis auf theoretischeKonzeptenochdurchdieEmpirieabgesichertwerden.SiewirdwederinFragegestelltundbestritten. Also - möchte man schlussfolgern - muss ein Lehr-Lern-Modell die„Lehrerpersönlichkeit“ als zentrales Element enthalten. Nein! Eine Vorstellung vonUnterrichtsplanung und –steuerung, die vermeintlich angeborene Merkmale wie"Persönlichkeit", "Talent" oder "Charisma" als wesentliche Faktoren zur qualitativanspruchsvollen Bewältigung der beruflichen Herausforderungen eines Lehrers postuliert,greiftzukurz.WarumsollteausgerechnetderLehrerberufeinBerufsein,indemnichtdurchdieErweiterungvonPerspektivenundHandwerkstechnikeneineProfessionerreichtwerdenkann,diezueinerangemessenenQualitätinderAusübungdesBerufsführt?WarumsolltedieHandlungsprofessioneinesLehrersnichterlernbarbzw.ausbildbarsein?OhnealsodenEinflussderLehrerpersönlichkeit inFragezustellen,transportiertdasLehr-Lern-ModelleinKonzept von gelingendem Unterricht, die den gründlichen und differenzierten Blick aufdiejenigen Faktoren deutlich macht, die erlernbar und professionalisierbar sind. EsbeschreibtMöglichkeitenzurMikro-undMakrophasierungdesUnterrichtsundgehtaufdieMöglichkeiten ein, Unterrichts- und Lernprozesse durch Aufgabenstellung, Material,Moderation, Rückmeldungen auf der Basis guter Diagnostik zu steuern. Nichtmehr, aberauchnichtweniger.

UndtrotzdemwirdhartnäckigdieFragegestellt:„UndwoistdenndieLehrerpersönlichkeitindemModell?“

Die Persönlichkeit des Lehrers ist indirekt in allen vier Steuerungen des Unterrichtsenthalten: die Art der Moderation, die Bildhaftigkeit seiner Erklärungen, die eigene

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Begeisterung,derWitz inWortundSchrift,z.B.beiderGestaltungderMaterialien,dieArtundWeise,mitFehlernumzugehen,zuermuntern,zuloben,zurückzuweisen.

Die personale Steuerung (Moderation und Rückmeldung) im Modell verweist explizit aufpersonale Interventionen der Lehrkraft nach Maßgabe professioneller Standards, nichtjedochaufdiepersönlicheArtundWeise,wiedieLehrkraftdemeinpersönlichesGeprägegibtdurchCharisma,Ausstrahlung, Talent, rhetorischeKunst.DasdarfnichtTeil des Lehr-Lern-Modells sein, genauso wenig wie der Kochtopf die Persönlichkeit des Sternekochsbeinhaltet. Die persönliche Art und Weise der Handhabung entscheidet jedoch über dieWirksamkeit des Lehrens und darüber, wie das Lernangebot durch das Lehr-Lern-ModellvomLernerangenommenwird.

WassindeigentlichLernprodukte?In dem vorliegenden Lehr-Lern-Modell ist das Lernprodukt ein zentrales Element imLernprozess.LernproduktekönnenmateriellerArt (z.B.Tabelle,Skizze,Diagramm, ...)oderimmateriellerArt sein. Sie spiegelndieKonstruktionsleistungender Lernerwiderund sindindividuell, vielfältig und dürfen fehlerhaft sein. Lernprodukte enthalten Anteile eigenerÜberlegungen,Vorstellungen,Ideen,Meinungen,Vorschläge,...undgehenüberdashinaus,was im Material steckt. Das ist eine Bedingung, die Lernprodukte erfüllen müssen. Erstdadurch ermöglichen sie u.a. die Diagnose des Lernstandes, erst dadurch sind sieverhandelbar und führen zu einer gemeinsamen Vorstellung. Das Lernprodukt ist nichtEndpunkt des Lernens, sondern ein zentrales Element mittendrin. Daraus erwächst dieBedeutung des Lernschrittes „Lernprodukt diskutieren“. Lernprodukte sindnotwendigerweiseineineoffenereLernumgebungeingebunden.

MussdasLernprodukt immermaterialisiertvorliegen,sindBeiträge immündlichenDiskursLernprodukte? Lernproduktemüssennichtmaterialisiert vorliegen.Wenndas Lernproduktmaterialisiert vorliegt, z.B. in einer Darstellungsform, dann lässt sich dieses einfacherdiagnostizieren, vergleichen und es lässt in der nachfolgenden Phase einfacher darüberdiskutieren. Vorüberlegungen als Beiträge für einen Diskurs sind auch Lernprodukte.Materialisierte Lernprodukte lassen sich in verschiedenen Sozialformen gut diskutieren.Demgegenüber findet der Diskurs meistens, aber nicht zwingend, im Plenum statt.MaterialisierteLernproduktehabendenVorteil,dasssiedenindividuellenKompetenzstanddiagnosefähig machen. Lernprodukte sind also nicht nur Kommunikationsmittel, sondernauchDiagnosemittel.WeiterhinnimmtdieMaterialisierungjedenLernerindiePflicht.

SindTafelbilderundausgefüllteArbeitsblätterLernprodukte?SinddiememorisiertenInhalteeinesextensivgelesenenTexteseinLernprodukt?IsteinnaturwissenschaftlichesExperimentein Lernprodukt? Tafelbilder, die im Plenum hergestellt werden sind in der Regel keineLernprodukte,sonderndasErgebnisderDiskussiondesLernproduktes.WenndieLerner inEinzel- oder Partnerarbeit Überlegungen (z.B. eine Liste mit Merkmalen, Ideen,Stichpunkten, ...) als Lernprodukt erstellt haben, die dann in der Plenumsphasezusammengetragenwerden,dannbeschreibtdasTafelbild inderRegeldenLernzugewinn,nicht aber das Lernprodukt. Während „endgültige“ Tafelbilder fehlerfrei sein müssen,dürfen, könnenund solltendie Lernproduktenicht fehlerfrei sein, ansonstenerübrigt sichdie anschließende Lernphase. Lernprodukte sollten erfolgreich bearbeitet sein, aber nichtzwingendfehlerfrei.

Markierungen,Randnotizen,Unterstreichungen,etc.ineinerTextquellesindinderRegeldieBearbeitungsergebnisseeines(Lese)Arbeitsauftrages.DieseBearbeitungensindinderRegel

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geschlossen und liefern eindeutige Ergebnisse. Diese Bearbeitungs- undErschließungsaufträgedienenderZuarbeitzumLernproduktundsindoftmalsVoraktivitäten.DasLernproduktmussdieMöglichkeit zu individuellenZügen,dieChancezur fehlerhaftenunfertigen Bearbeitung enthalten worüber sich dann trefflich diskutieren lässt. EinLernprodukt, das bei allen Lernern identisch ist, macht die nachfolgende Phase derDiskussionobsoletundberaubtdieLernschrittfolgeentscheidenderLernchancen.ImBestfallergeben sich in der Lerngruppe hinsichtlich des Zugangs, des Bearbeitungsweges, derDarstellungsformen, des Bearbeitungsumfangs und der Bearbeitungsqualität sehrunterschiedlicheLernprodukte.DieVielfaltbietetLernchancen.Markierungen,Randnotizen,Unterstreichungen, etc. in einer Textquelle können ein Lernprodukt sein, wenn sie miteigenen Gedanken, Überlegungen, etc. verbunden sind und wenn sie in den Unterrichteingebunden werden und später daraus ein Produkt entsteht, z.B. eine Collage, derenGesamtzusammenhangspäterreorganisiertwird.

EinnaturwissenschaftlichesExperimentkanneinLernproduktsein,wennderEigenanteilamErkenntnisgang (Problemlösung), am Entwurf des Experiments (Methodenvergleich,Methodendiskussion),beiderExperimentierdurchführungentsprechendhochistundwennIdeenundVorschlägederLernereingehen,dieVariantenzulassen.WieistdieQualitätderaufgenommenen Daten (Fehlerdiskussion), wie die Art und Weise der Datenerhebung(Kommunikation),wiedieQualitätdesVersuchsprotokolls(Kommunikation)?Experimente,diewieeinKochrezeptabgearbeitetwerden,sindindemSinnekeineLernprodukte,sondernanalogzudenLeseproduktensindesExperimentierprodukte.

WasistderUnterschiedzwischeneinemLeseproduktundeinemLernprodukt?

Leseprodukt sind z.B. Markierungen, Randnotizen, Unterstreichungen in einem Text oderandereDarstellungsformendesTextes.SachtextehabenimLernprozesseineSchlüsselrolle.DieLernersetzensicherstensmitdenSachverhaltenauseinanderundzweitenserhaltensieeinen neuen „Input“, der ein Weiterlernen eröffnet. Leseaufgaben mit eingebundenenLesestrategienleitendazuanundlenkendenLernprozess.

Ziel der Leseaufgabe ist jeweils ein Produkt, das der Lehrkraft Rückschlüsse auf dieLesekompetenz des Lesers ermöglicht. Lehrkräfte machen die Erfahrung, dass Lerner imLeseprozesssteckenbleibenoderTextenurteilweisenutzenkönnen.WeilLeseproblemesoindividuell sindwiedas Lesen selbst,bedarfesder individuellenDiagnose.DazumussderLeseprozessausgewertetwerdenkönnen.Dieserwirdauswertbar,indemeineLeseaufgabegegebenwird (oft basierend auf der Strategie: Den Text in eine andere Darstellungsformübertragen), die zu einem Leseprodukt führt, z. B. Flussdiagramme, Tabellen, Mindmaps,Bildertische,Kartentische,Präsentationen,...

LeseproduktehabenmehrfacheFunktionen:

— Beschäftigungsgrad:Wenn ein Leseprodukt erstelltwerdenmuss, so beschäftigen sichdieLernerintensiverundeingehendermitdemText.

— Textumwälzung: Der Text wird durch eine entsprechende Aufgabenstellung mehrfachumgewälzt und mit verschiedenen Aufträgen aus verschiedenen Perspektivenangegangen.

— Diagnoseinstrument:DasLeseproduktistdiesichtbareunddamitauswertbareSeitedesLeseprozesses und ist damit ein diagnostisches Instrument, an dem die Lehrkraft denStandderLesekompetenzerkennenkann.

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— Anschlusskommunikation: Das individuell oder in Gruppenarbeit erstellte Leseproduktmuss im Plenum kommuniziert, verglichen, ausgewertet und bewertet werden.LeseproduktesindidealeInstrumente,umeineAnschlusskommunikationzuinitiieren.

LesetextesindoftalsInformationsinputindenUnterrichtintegriertundsinddieBasiszumErstellen von weiteren Lernprodukten, z.B. eine Textproduktion, einen Kommentar, eineExperimentbeschreibung, eine eigene Stellungnahme, eine Pro-Contra-Diskussion, einStreitgespräch,eineNarration,einVortrag,...DenUnterschiedzwischeneinemLeseproduktundeinemLernproduktzeigtdiefolgendeTabelle.

Leseprodukte LernprodukteLeseprodukte bearbeiten den Text odergeben in einer anderen Darstellungsformwieder, z.B. Tabelle, Strukturdiagramm,Begriffsnetz, Mind-Map, Gliederung, Skizze,...

LernproduktenutzendenText,umeinneuesProdukt herzustellen, z.B. eigene Urteile,Bewertungen, Stellungnahmen, Gutachten,Leserbriefe,Kommentare,...

Leseprodukte sind richtig oder falsch,mehroder weniger präzise, knapp oderumfangreich, mehr oder wenigerüberzeugenddargestelltundausgedrückt.

Lernprodukte tragen eine individuelleHandschrift, sind ggf. das Ergebnis einerGruppendiskussion und sind in ihremErgebnis nicht eindeutig und hinsichtlichInhalt, Darstellung und Tiefe vielfältig undsehrverschieden.

DereigenekreativeAnteilistmaßvollgeringundsiesindseltendiskursiv.

Lernproduktemüssendiskursivsein.

Leseprodukte dienen demWissenszuwachs,demTextverstehen,derTextumwälzungundsindofteineVorstufefürLernprodukte.

Lernprodukte dienen dem Lernzuwachs imSinne des handelnden Umgangs mit demWissen und auf der Basis von Texten undLeseprodukten.

LeseproduktesindentwederÜbertragungendesTextesineineandereDarstellungsform,z.B.Tabelle,Graph,Skizze,Strukturdiagramm,...oderErschließungen,diedemLehrererlauben,in den Arbeitsprozess der Lerner Einblick zu nehmen. Wenn die Leseprodukte nichtmetakognitiv reflektiertwerden,sindsiealleinekeineLernprodukte imSinnedesModells.LeseproduktesinddieVorstufe,umdarausLernproduktezugestalten.

VergisstdasModellnichtdenAspekt"Erziehung"?DieerzieherischePerspektiveaufLehren,LernenundUnterrichtistwesentlichunddarfauchbei der Ausbildung und Beratung von Lehrern nicht ausgeklammert werden. Dass derUnterrichtnachdemLehr-Lern-ModellauchaffektiveEbenenberücksichtigtunddenLerneralsselbstständigagierendenMenschenernstnimmtund inseinerEntwicklungunterstützt,gehört zu den pädagogischen Grundannahmen desModells. Auf die Absicht desModellsblickend, den Schülern die Unterrichtsthemen und die Unterrichtsschritte transparent,relevantundplausibelzumachen,ihnendieSicherheitzugeben,dassindividuelleIdeeninden kollektiven Lernprozess integriert werden und einen Unterrichtsverlauf unterstützen,der intrinsischeMotivationen fördertundvondenSchülernals stringentempfundenwird,sieht sich das Modell dabei auch im Dienst eines störungsfreien Unterrichts und derProphylaxevonStörungen.

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DarüberhinausgehörtderBereichderErziehungzudenbenanntenEntwicklungsfeldern,aufdemsichdasLehr-Lern-Modellbewährenunddifferenzierenmuss.(...)WirdUnterrichtnachdemLLMnichtstereotyp?Die pragmatisch ausgerichtete Reduktion des Lehr-Lern-Modells birgt die Gefahr, dasUnterrichtgestaltung und Unterrichtsdramaturgie allzu stereotyp verstanden werden.Zwangsläufig und ausdrücklich fordert das Modell in der individuellen Adaption undWeiterentwicklungdurcheinzelneLehrkräfteAnpassungen.AlleindieGrundaussagenzudenLernlinienund-LernprogressionensowiedieprofessionelleHandhabungderverschiedenenSteuerungsinstrumente werden sich bei aller Weiterentwicklung als unverzichtbareGrundlagen eines komptenzorientierten und individualisierten Unterrichts herausstellen.Mögliche Abbildungen des Lehr-Lern-Modells auf offene Unterrichtsformen seien imFolgendenalsBeispielefürdieOffenheitundAnschlussfähigkeitdesModellsbeschrieben:IstdasLehr-Lern-ModellfürandereUnterrichtsformengeeignet?ImFolgendenwirdgezeigt,dassdasLehr-Lern-ModellfürvieleUnterrichtsformengeeignetist. Das Lehr-Lern-Modell legt geradenicht eine bestimmteUnterrichtsform fest, sondernbeschreibt diematerialen und personalen Steuerungen und deren Qualitätsmerkmale zurGestaltung von Lernprozessen in einer Lernschrittfolge, die neurobiologisch undlernpsychologisch begründet ist. Das Lehr-Lern-Modell legt nicht die Unterrichtsform fest,sondernbeschreibtwasprofessionellistundwasnicht.DasLehr-Lern-ModellisteinBezugs-,Referenz-undQualitätsrahmen.NichtderUnterrichtwirdbeschriebenundschongarnichtfestgelegt, sondern was die Lehrkraft material und personal zu tun hat, um wirksameLernprozesseunterprofessionellenStandardszugewährleisten.„DerLehrerzentrierteFrontalunterricht“imLehr-Lern-ModellDer Lehrerzentrierte Frontalunterricht korrespondiert sehr gutmit dem Lehr-Lern-Modell,stelltaberklareBedingungenandessenDurchführungundGestaltung.EntscheidendistdieHaltung, dass nicht der Lehrprozess, sondern der Lernprozess bestimmend ist. Andenfallsunterliegt die Lehrperson dem Lehr-Lern-Kurzschluss: Was gelehrt wird, ist gelernt. Imlehrerzentrierten Frontalunterricht hat die personale Steuerung eine prominente undherausragende Stellung und Funktion. Die Lehrkraft zieht sich nicht aus demUnterrichtsgeschehenheraus;sieagiertaktivalsHerrdesUnterrichtsgeschehens.KognitiveAktivierungen lassen sich gut initiieren. Aber: Der lehrerzentrierte Frontalunterricht mussgut gemacht sein, stellt extrem hohe Anforderungen an die Lehrkräfte und an dieLernenden. Alle, die diese Unterrichtsform flächendeckend propagieren, müssen sich derTatsachebewusstsein,dassnurwenigeLehrkräftediesenhohenAnforderungendauerhaftüberdiegesamteUnterrichtszeithinweggerechtwerden.Dergutgemachtehochwirksamelehrerzentrierte Frontalunterricht ist für die meisten Lehrkräfte eine Überforderung. Gutgemeinter lehrerzentrierterFrontalunterricht istnichtgenugund reichtnichtaus.Ermussprofessionelldurchgeführtwerden.Nach einer einfachen Logik benötigt Ergebnisorientierung im Unterricht dieLernprozessorientierung im Unterricht. Lernergebnisse und Lernzuwächse, bzw.Kompetenzzuwächse sind das Ziel des Lernens. Diese sind aber nur über Lernprozesse

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möglichundzwarsolche,indenensichdieLernerselbstintensivmitdenFachinhaltenundLerngegenständenauseinandersetzen.ErgebnisorientierungimSinneeinerEinfüllvorstellungvon Lernen ist fehl am Platze. Das Lehr-Lern-Modell muss, wie jedes Lernmodell, denLernprozessinsZentrumsetzen.„DirekteInstruktion“imLehr-Lern-ModellIndervielzitiertenStudieausdemJahre2009sprichtsichHattiegegenLehrpersoneninderausschließlichen Rolle als Lernbegleiter (faciliator) aus. Demgegenüber plädiert Hattie fürLehrpersonenineineraktivenRollealsUnterrichtsgestalter(activator),wieinder„DirektenInstruktion“. Die Direkte Instruktion ist jedoch nicht mit dem lehrerzentriertenFrontalunterricht(vgl.oben)gleichzusetzen.DieDirekteInstruktionistgekennzeichnetdurchfolgendesVorgeheninfünfSchritten:

1. PräsentierenneuerInhaltedurchVortragen2. DemonstrierendesVorgehensbeiderAufgabenbewältigungdurchErklären3. ÜbenuntererklärenderAnleitung(inkl.TestundFeedback)4. EigenständigesÜben5. Zusammenfassen,WiederholenundErklärenderwesentlichenLerninhalte

DieDirekteInstruktionistsehrgeeignet– zurInhaltsvermittlung(Fachwissenskompetenz),– zurEntwicklungkognitiverFähigkeiten,– zurSicherungundRoutinebildung.

DieDirekte Instruktion kann aber nicht das „ganze Lernen“ ausmachen; sie darf nicht diealleinige Vorgehensweise und die einzige Lehrform sein. Die Entwicklung andererKompetenzen (z.B. Erkenntnisgewinnung, Kommunikation, Reflexion und Bewertung)braucht– PhasenderintensiveneigenenAuseinandersetzung,– Aufgabenstellungen,dieunterschiedlicheLernproduktezulassen.

Lernen braucht „Inputphasen“, in denen Lerner neues Wissen erhalten, um sichanschließend damit eigenständig intensiv auseinanderzusetzen und dabei Lernprodukteerstellen. Der Input kann erfolgen durch Lehrervortrag, Lehrererklärungen, Texte,Infomaterialien, Videos, Internetseiten, ... Diese Inputphasen sind im Gegensatz zumlehrerzentriertenFrontalunterrichtzeitlichbegrenztaufetwazehnMinuten.Lehrkräfte, die durchgängig den lehrerzentrierten Frontalunterricht pflegen, verfolgen dieVorstellung vom gleichförmig dosierten Input und von der gleichförmigen fragend-entwickelndenErarbeitungüberdengesamten Lehrprozesshinweg.Vielpassender istdasBild von abwechselnden Steilphasen der Instruktion und Plateauphasen der Konstruktion(vgl.a.a.O.).Die Instruktionsphasen und die Konstruktionsphasen sind mehrfach im Lehr-Lern-Modellplatziert.DamitisteinverantwortbarerUmgangmitderkostbarenUnterrichtszeitmöglich:Die Instruktionsphasen,meistens als Phasen des Inputs und des Erklärens konzipiert, sinddicht und kompakt, während die Konstruktionsphasen zur Umwälzung des Wissens, derBearbeitung der Informationen und der Herstellung von Lernprodukten einen höheren

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Zeitbedarfhaben.DerInputkannpersonalüberdieLehrperson(z.B.Vortrag)odermaterialüberInformationsmaterialen(z.B.Text)erfolgen.

Abb.8:InstruktionsphasenimLehr-Lern-Modell

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„Lernaufgaben“imLehr-Lern-ModellEine Lernaufgabe ist eine material gesteuerte Lernumgebung, die den individuellenLernprozess durch eine Folge von gestuften Aufgabenstellungen mit entsprechendenLernmaterialien steuert, so dass die Lerner möglichst eigentätig die Problemstellungentdecken, Vorstellungen entwickeln und Lernmaterialien bearbeiten. Dabei erstellen unddiskutierensieeinLernprodukt,definierenundreflektierendenLernzugewinnundübensichimhandelndenUmgangmitWissen.Lernaufgaben haben eineAblaufstruktur, die lernpsychologisch begründet ist und die sichamFortgangvonLernprozessenorientiert.1. Erster Zugriff auf das Problem und Entwicklung von Vorstellungen (z.B.

Begriffsvorstellungen)2. Reaktivierung des Vorwissens und Auswertung neuer Informationen (z.B. Vorwissen,

Hypothesen,Leseprodukte,...)3. Erarbeitung des neuen Schritt für Schritt und Erstellung und Diskussion eines

Lernproduktes4. DiskussionderLernproduktemitLernpartners5. BewusstmachungdesneuErlerntenundDefinitiondesLernzugewinns6. Selbstüberprüfung,VerankerungimWissensnetzundAnwendungaufandereBeispiele.ImLehr-Lern-ModellkanndieLernaufgabesehreinfachundanschaulichdargestelltwerden.BeiderLernaufgabewirdweitgehendaufdiepersonaleSteuerungverzichtet.

Abb.9:LernaufgabenimLehr-Lern-Modell

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„Lernen-durch-Lehren“imLehr-Lern-ModellLernen durch Lehren ist eine handlungsorientierte Unterrichtsmethode, die von Jean-PolMartin1982begründetundspäterweiterentwickeltwurde.BeimLernendurchLehrenlerntder Lerner den vorgegebenen oder ausgewählten Stoff, indem er ihn lehrt, ihn alsodidaktischaufbereitet,denMitlernernaktivierendvermittelt.DerLernendeübernimmtdieAufgabendesLehrenden.

Abb.10:Lernen-durch-LehrenimLehr-Lern-Modell

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„OffenerUnterricht“imLehr-Lern-ModellOffener Unterricht ist eineOrganisationsform desUnterrichts oder ein Unterrichtsprinzip,welche,bzw.welchesesjedemSchülergestattetfreizuwählen,woundwannerinwelcherSozialform an selbstgewählten Inhalten und methodisch individuellemWeg diese Inhaltebearbeitet.DabeigibteseinemöglichsthoheMitbestimmungundMitverantwortungjedesSchülersfürdieInfrastrukturderKlasse,dieRegelfindunginnerhalbderKlassengemeinschaftsowiediegemeinsameGestaltungderSchulzeit.

Abb.11:OffenerUnterrichtimLehr-Lern-Modell

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„Projektarbeit“imLehr-Lern-ModellProjektunterrichtisteinenachaußenhinoffeneUnterrichtsform,inderdieProjektmethoderealisiert wird. Das ist ein Weg, den Lehrende und Lernende gehen, um sich zu bilden.Projektartiges Lernen stützt sich auf einige Komponenten der Projektmethode. ImProjektunterricht organisieren sich die Lernenden in einem begrenzten zeitlichen RahmenselbstundnutzendieveranschlagteZeitfürdieverschiedenenTätigkeiten.Sie informierensichgegenseitigingewissenAbständenüberAktivitäten,ArbeitsbedingungenundeventuelleZwischenergebnisse.

Abb.12:ProjektarbeitimLehr-Lern-Modell

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„Wochenplanarbeit“imLehr-Lern-Modell

DerWochenplanunterricht isteineFormdesOffenenUnterrichts.HistorischeWurzelnderWochenplanideefindensichbeidenReformpädagogenCelestinFreinet,PeterPetersenundHelenParkhurst (Dalton-Plan).DieGrundidee ist,dassdieKinder ihreArbeitsvorhaben fürdie Woche fixieren. Im offenen Unterricht handelt es sich dabei um selbstgewählteAufgaben oder selbstgewählte Themen. Dabei können die Kinder auch selbst festlegen,wannsiewas,mitwemundwoarbeitenwollen.AuchdieLerngeschwindigkeitbestimmendie Kinder selbst. Daneben gibt es eine weitere, wesentlich verbreitetere Form derWochenplanarbeit, inderdieKinderehereingeschränktselbst festlegenkönnen,wannsiewas,mitwemundwoarbeiten.

Abb.13:WochenplanarbeitimLehr-Lern-Modell

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DasLehr-Lern-ModellistfürvieleLehrertypengeeignetFürLehrerinnenundLehrerhabennachHattiebeiderGestaltungdesUnterrichts,wennsienachhaltigeWirkungenaufdieLernendenhabenwollen,nichtnureinebegleitende,sonderneine aktiv gestaltende Aufgabe. Entscheidend ist dabei weniger die jeweiligeLehrerpersönlichkeitundderLehrertyp,sondernvielmehrdaskonkreteLehrerhandelnunddessen Wirkung auf die Lernenden. Im Zentrum der Schlussfolgerungen aus seinenForschungsbefundenstehenfolgendeThemenkomplexe:

1. UnterrichtsplanunginkollegialerKooperationausderPerspektivederLernenden,2. Diagnose,Evaluation,Feedback,3. komplexe Verstehensleistungen durch die Verwendung wirksamer Lern- und

Lehrstrategiensowie4. QualitätderUnterrichtsformenunddesunterrichtlichenHandelnsderLehrpersonen.

DieLehrkrafthatdieVerantwortungfüreineanspruchsvolleundherausforderndePlanungund eine aktive Gestaltung ihres Unterrichts. Sie entwickelt ihre Planungen aus derPerspektive der Lerner heraus und erfragt aktiv deren Feedback zum Unterrichts- undLernprozess.ZugleichunterstütztsiedieLernprozessederLerner ihrerseitsdurchDiagnoseund Rückmeldung (formatives Feedback). Genau das sind die im Lehr-Lern-Modellbeschriebenen Steuerungsleistungen der Lehrperson unabhängig von ihrem Stil und ihrerLehrerpersönlichkeit. Das Lehr-Lern-Modell wird in allen Steuerungselementen von derHattie-Studienachdrücklichunterstützt.Die sogenannte Lehrerpersönlichkeit drückt sich in der Professionalität des Handelns undderen Wirksamkeit aus. Die Lehrerpersönlichkeit drückt sich in den Einstellungen, demKönnensbewusstsein, dem Ehrgeiz, dem Verantwortungsbewusstsein, der Empathie, derArbeitshaltung,etc.aus.DiesepersonaleDispositionderLehrpersonbestimmtmaßgeblichdas berufliche Lehrerhandeln und die im unterrichtlichen Handeln sichtbaren beruflichenKompetenzen. Diese zu entwickeln und schließlich zu bewerten, ist Aufgabe derLehrerausbildung. Nicht der Lehrertyp, nicht die Lehrerpersönlichkeit wird bewertet,sondern die Professionalität des Lehrerhandelns nach vorgegebenen Standards unter denunantastbarenBedingungenderpersonalenDispositionderLehrkraft.ReichtdasModellzurPlanungundGestaltunggutenUnterrichts?Nein! Natürlich reicht ein auf die basalen Beschreibungskriterien reduziertes Modell vonUnterricht nicht, um alle Phänomene undAspekte derUnterrichtsplanung zu erfassen, zubeschreibenundbewertbarzumachen.EinemLehrer,derimLaufeseinerBerufsprofessionnicht zu einer kreativenWeiterentwicklung seinerModelle gelangt, fehlt einewesentlicheQualifikation. Auch reicht es nicht, das Modell in der Planung und Durchführung desUnterrichts einfach formal zu bedienen. Die Vorgaben des Modells verstehen sich alshandwerklicheHilfensowiealsBeschreibungs-undBewertungsgrundlagefürdietechnisch-formaleEbenedesUnterrichts.DieformalenEinzelheitenzueinemüberzeugendenGanzenzu verbindenunddenUnterrichtmit konkretenmotivierendenund sinnvollen Inhalten zufüllen,obliegtdemprofessionellenLehrer.VielleichtschließtsichhierderKreisdesKapitels:DasModell stellt ein hilfreichesGerüst vor,welchem von dem einzelnen Lehrer aufgrundseinerprofessionellenLehrerpersönlichkeit"Lebeneingehaucht"werdenmuss.

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Klieme, E., Lipowsky, F., Rakoczy, K. u. Ratzka, N. (2006): Qualitätsdimensionen undWirksamkeit von Mathematikunterricht. Theoretische Grundlagen und ausgewählteErgebnisse des Projekts "Pythagoras". In: Prenzel, M. Allolio-Näcke, L. (Hrsg.),Untersuchungen zur Bildungsqualität von Schule - Abschlussbericht des DFG-Schwerpunktprogramms(S.127-146).Münster:Waxmann.