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7/17/2019 100 German Poems http://slidepdf.com/reader/full/100-german-poems 1/229  !"# $%&%'()* +")*#",#-%$). Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832) Wandrers Nachtlied ( !"#!$%  &'(!)  (*+$!!,-$  = &'(!)  !$  !"#) : die Nacht – !"#$  + das Lied – %&'!$) Über allen Gipfeln (!$. /('0, /'+1,!$0,: der Gipfel Ist Ruh (&"-"2: die Ruhe), In allen Wipfeln (/" /('3 /'+341-$3: der Wipfel Spürest du (#4/(*/4'1) *5Kaum einen Hauch ( './$  = &"#*,  !,-$-"6"  .4!"/'!,% , .53$!,% ); Die Vögelein (&*,#-,: das Vög(e)lein; der Vogel – %()*+schweigen im Walde (0"7#$* / 7'(4: der Wald ). Warte nur (&"."8., *"7)-"), balde ((-"+": bald Ruhest du auch (*5 *"8' "*."3!'1), "9+'*'1) &"-"2). Wandrers Nachtlied Über allen Gipfeln Ist Ruh, In allen Wipfeln Spürest du Kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur, balde Ruhest du auch. An den Mond ( 74!') Füllest (!$&"7!%'1), :$&"7!%'1)wieder ((!"/$Busch (-4(*5, -4(*$+!,- : der Buschund Tal (."7,!4: das Tal Still (*,3"mit Nebelglanz (*40$!!50 97'(-"0, (,%!,'0; der Nebel – (,-+! ), Lösest ("(/"9"8.$'1), +$:/%:5/$'1)endlich (!$-"!';auch (*$-8'einmal (".,! +$:) = ("(/"9"8.$'1) !$-"!';-*"

100 German Poems

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100 German poems annotated in russian

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!"# $%&%'()* +")*#",#-%$). 

Johann Wolfgang Goethe (1749 – 1832) 

Wandrers Nachtlied (!"#!$% &'(!) (*+$!!,-$ = &'(!) !$ !"#): die Nacht – !"#$ + dasLied – %&'!$)

Über allen Gipfeln (!$. /('0, /'+1,!$0,: der Gipfel ) 

Ist Ruh (&"-"2: die Ruhe),

In allen Wipfeln (/" /('3 /'+341-$3: der Wipfel ) 

Spürest du (#4/(*/4'1) *5) 

Kaum einen Hauch ('./$ = &"#*, !,-$-"6" .4!"/'!,%, .53$!,%);Die Vögelein (&*,#-,: das Vög(e)lein; der Vogel – %()*+) schweigen im Walde (0"7#$* / 

7'(4: der Wald ).

Warte nur (&"."8., *"7)-"), balde ((-"+": bald ) 

Ruhest du auch (*5 *"8' "*."3!'1), "9+'*'1) &"-"2).

Wandrers Nachtlied

Über allen Gipfeln

Ist Ruh,

In allen Wipfeln

Spürest du

Kaum einen Hauch;

Die Vögelein schweigen im Walde.

Warte nur, balde

Ruhest du auch.

An den Mond (-  74!')

Füllest (!$&"7!%'1), :$&"7!%'1)) wieder ((!"/$) Busch (-4(*5, -4(*$+!,- : der Busch) 

und Tal (."7,!4: das Tal ) 

Still (*,3") mit Nebelglanz (*40$!!50 97'(-"0, (,%!,'0; der Nebel – (,-+! ),

Lösest ("(/"9"8.$'1), +$:/%:5/$'1))  endlich (!$-"!';)  auch (*$-8')  einmal (".,! 

+$:) = ("(/"9"8.$'1) !$-"!';-*") 

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Meine Seele (0"< .414) ganz (&"7!"(*)<, ;'7,-"0);

Breitest (+$(&+"(*+$!%'1), +$((*,7$'1)) über mein Gefild (!$. 0"'2 +$/!,!"2, &"7'0,

!,/"2: das Gefilde) 

Lindernd ((0%6#$%, 4(&"-$,/$%  / ."/$, (0&1"2,  / ) deinen Blick (*/"2 /:"+),Wie des Freundes Auge (-$-   .+46$  67$:: das Auge)  mild (0%6-,2, ."9+52,

("(*+$.$*'7)!52) 

Über mein Geschick (!$. 0"'2 (4.)9"2, 4#$(*)<: das Geschick ).

Jeden Nachklang (-$8.52 "*:/4- , &+"."78'!,'  :/4#$!,%; klingen – 31,#+($; nach –

1'/&4) fühlt mein Herz (#4/(*/4'* 0"' ('+.;': das Herz ) 

Froh- und trüber Zeit (+$."(*!"6" , 0+$#!"6" /+'0'!,),Wandle (9+'.4, 9+"84: wandeln)  zwischen Freud und Schmerz (0'8.4  +$."(*)<  , 

9"7)<: die Freude; der Schmerz ) 

In der Einsamkeit (/ ".,!"#'(*/').

Fließe (*'-,), fließe, lieber Fluss (0,7$% +'-$)!

Nimmer (!,-"6.$) werd ich froh (/!'/ (*$!4 % +$."(*!50),

So verrauschte (*$-   "*140'7,, (*,37,: «"*1'7'(*'7,»; rauschen – 5&/&'(&($) 

Scherz (14*-$, :$9$/$: der Scherz ) und Kuss (&";'742: der Kuss),

Und die Treue (/'+!"(*)) so.

Ich besaß es (% /7$.'7, "97$.$7 =*,0: besitzen) doch ( 8') einmal (".!$8.5),

Was so köstlich ist (/*'0,/ #*" *$-  /"(3,*,*'7)!")!

Dass (*$- , #*") man doch zu seiner Qual (!$ (/"< 04-4: «-  (/"'2 04-'») 

Nimmer es vergisst (!,-"6.$  =*"6"  !'  :$94.'1): vergessen) = (,  !$."  8', *$-"'  !' 

:$95/$'*(%)!

Rausche (1'7'(*,,  84+#,), Fluss, das Tal entlang (/."7) ."7,!5 = &" ."7,!'),

Ohne Rast (9': &'+'.51-,, "(*$!"/-,: die Rast ) und Ruh (, &"-"%: die Ruh),

Rausche, flüstre (1'&#,: flüstern) meinem Sang (0"'2 &'(!': der Sang ) 

Melodien (0'7".,,: die Melodie) zu (!$1'&*5/$2, &".(-$:5/$2: zuflüstern),

Wenn du in der Winternacht (-"6.$ *5 :,0!'2 !"#)<: der Winter + die Nacht ) 

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Wütend (%+"(*!", %+%())  überschwillst (&'+'&"7!%'1)(%, !$943$'1)  = /53".,1)  ,: 

9'+'6"/: überschwellen),

Oder (,7,) um (/"-+46) die Frühlingspracht (/'('!!'6" /'7,-"7'&,%: der Frühling + die

Pracht ) 

Junger Knospen (0"7".53  &"#'- , 94*"!"/: die Knospe)  quillst (&+"9,/$'1)(%,&+"($#,/$'1)(%, !$943$'1): quellen) = ("05/$'1), &+"9,/$%(), &+"($#,/$%()).

Selig (97$8'!), wer sich (-*" ('9%) vor der Welt ("* 0,+$: «&'+'. 0,+"0») 

Ohne Hass (9': !'!$/,(*,: der Hass; hassen – !&!+1)4&($) verschließt (:$&,+$'*) =

(:$&,+$'*(%),

Einen Freund (.+46$) am Busen (4 6+4.,: der Busen) hält (.'+8,*: halten) 

Und mit dem (( !,0) genießt (!$(7$8.$'*(% /*'0/, /-41$'* /*"/),

Was (#*"), von Menschen (7<.)0,) nicht gewusst (!' :!$'0"; wissen – 3!+($) = (#*" 

7<.%0 !',:/'(*!") 

Oder nicht bedacht (,7, " #'0 !' &".40$7,, #*" !' &+,!%7, /" /!,0$!,'; bedenken –

".4,-61+($, %0)!)-+($ 1" 1!)-+!)&),

Durch das Labyrinth (#'+': 7$9,+,!* = &" 7$9,+,!*4) der Brust (6+4.,) 

Wandelt (9+'.'*, ./,8'*(%) in der Nacht (/ !"#,, !"#)<).

An den Mond

Füllest wieder Busch und Tal

Still mit Nebelglanz,

Lösest endlich auch einmal

Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefild

Lindernd deinen Blick,

Wie des Freundes Auge mild

Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz

Froh- und trüber Zeit,

Wandle zwischen Freud und Schmerz

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In der Einsamkeit.

Fließe, fließe, lieber Fluss!

Nimmer werd ich froh,

So verrauschte Scherz und Kuss,Und die Treue so.

Ich besaß es doch einmal,

Was so köstlich ist!

Dass man doch zu seiner Qual

Nimmer es vergisst!

Rausche, Fluss, das Tal entlang,

Ohne Rast und Ruh,

Rausche, flüstre meinem Sang

Melodien zu,

Wenn du in der Winternacht

Wütend überschwillst,

Oder um die Frühlingspracht

Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt

Ohne Hass verschließt,

Einen Freund am Busen hält

Und mit dem genießt,

Was, von Menschen nicht gewusst

Oder nicht bedacht,

Durch das Labyrinth der Brust

Wandelt in der Nacht.

Mignon (7)!$"!+  – %&0'"!+8    0"-+!+  9:(&  «Wilhelm Meister» – 4&1"#;+,

%0)'"&4)!)15+<'<  ;  (0,%%& '(0+!'(1,=>)?  +;(&0"1.  @)1<  1 (,-+!!"A 9&0-+!)),

"!+ -&#(+&( "  <0;"A '"/!&#!"A '(0+!&, 24& %0"5/" &&  0+!!&& 4&('(1".)

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Kennst du das Land (:!$'1)  /7,/ *5  (*+$!4), wo die Zitronen blühn (6.'  ;/'*4*,

+$(;/'*$<* 7,0"!!5' .'+'/)%; die Zitrone –  /)-"! ),

Im dunkeln Laub (/  *'0!"2 7,(*/': das Laub) die Goldorangen (:"7"*5' $&'7)(,!5:

das Gold – 3"/"("  + die Orange – +%&/$')! )  glühn (+.'<*, &7$0'!'<*; glühen –!+;+/<($'< , 2"0&($, %6/+($),

Ein sanfter Wind (*,3,2 /'*'+: sanft – ;0"(;)A, -<2;)A, !&8!6A) vom blauen Himmel

weht (/''* ( 6"749"6" !'9$: der Himmel ),

Die Myrte still (0,+* *,3", 9':0"7/!") und hoch der Lorbeer steht ($ 7$/+ /5("-" (*",*),

Kennst du es wohl (:!$'1) 7, *5 '' /(*+$!4/)?

Dahin (*4.$), dahin

Möcht ich mit dir (3"*'7$ 95 % ( *"9"2), o mein Geliebter (" 0"2 /":7<97'!!52), ziehn("*&+$/,*)(%, 42*,, 4'3$*)).

Kennst du das Haus (."0)? Auf Säulen ruht sein Dach (!$ -"7"!!$3 &"-",*(% '6" -+51$:

die Säule; das Dach),

Es glänzt der Saal (97,(*$'*  :$7), es schimmert das Gemach ((/'*,*(%  &"-"2:

schimmern – -&0*+($, %"./&';)1+($, '/+."  '1&()($'< ;  das Gemach – ."/$5+<  

 / %+0+4!+<  / ;"-!+(+, %";"A / ,'(./ ),

Und Marmorbilder (, 0+$0"+!5' (*$*4,: der Marmor – -0+-"0 + das Bild – ;+0()!+,

)3".0+8&!)&) stehn und sehn mich an ((*"%* , (0"*+%* !$ 0'!%):

Was hat man dir (#*" ( *"9"2: «*'9'»), du armes Kind (9'.!"' .,*%), getan ((.'7$7,:

tun)? – 

Kennst du es wohl?

Dahin, dahin

Möcht ich mit dir, o mein Beschützer ("  0"2  :$>,*!,- , &"-+"/,*'7); beschützen –

3+>)>+($, ".&0&2+($), ziehn.

Kennst du den Berg (6"+4)  und seinen Wolkensteg (,  '': «'6"» "97$#!4<  *+"&4: die

Wolke – "./+;" + der Steg – (0"%)!;+)?

Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg (047 ,>'* / *40$!' (/"2 &4*): der Nebel ),

In Höhlen (/ &'>'+$3: die Höhle) wohnt der Drachen alte Brut ( 8,/'* .+$-"!"/ (*$+"' 

('0%: der Drache – 40+;"! ; die Brut – 161"4"; ; brüten – 16')8)1+($ %(&!*"1),

Es stürzt der Fels ("*/'(!" !,(&$.$'* (-$7$: stürzen – %+4+($, '1+/)($'< ) und über

ihn die Flut ($ #'+': !'': «#'+': !'6"», &" !'2  – &"*"- );

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Kennst du ihn wohl?

Dahin, dahin

Geht unser Weg (,.'*  = 7'8,*  !$1  &4*))! o Vater ("  "*';), lass uns ziehn (.$/$2 

"*&+$/,0(%: lassen – "'(+1/<($; %,';+($; uns – !+' )!

Mignon

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,

Im dunkeln Laub die Goldorangen glühn,

Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,

Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,

Kennst du es wohl?Dahin, dahin

Möcht ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.

Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,

Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,

Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:

Was hat man dir, du armes Kind, getan? – 

Kennst du es wohl?

Dahin, dahin

Möcht ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.

Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?

Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg,

In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut,

Es stürzt der Fels und über ihn die Flut;

Kennst du ihn wohl?

Dahin, dahin

Geht unser Weg! o Vater, lass uns ziehn!

Erlkönig ("7)3"/52 -"+"7); die Erle – "/$?+)

Wer reitet so spät (-*" (-$#'* *$-  &":.!") durch Nacht und Wind ((-/":) !"#) , /'*'+:

die Nacht; der Wind )?

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Es ist der Vater mit seinem Kind (=*" "*'; (" (/",0 +'9'!-"0, .,*%*'2: das Kind );

Er hat den Knaben wohl in dem Arm ("! -+'&-" "93/$*,7 0$7)#,-$: der Knabe; der Arm

 –  0,;+; wohl –  ?"0"5"),

Er fasst ihn sicher (.'+8,*  '6"  !$.'8!": fassen –  ?1+(+($, "?1+()($), er hält ihn

warm (.'+8,* '6" / *'&7', 6+''* (/",0 *'7"0: halten – 4&08+($; warm – (&%/6A).

Mein Sohn ((5! 0"2), was birgst du (#*"  8' *5 &+%#'1), 4-+5/$'1): bergen) so bang

(*$-  ,(&46$!!") dein Gesicht ((/"' 7,;")? – 

Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht (+$:/' *5 !' /,.,1), "*';, "7)3"/"6" -"+"7%)?

Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif ((  -"+"!"2 ,  3/"(*"0; der Schweif – 4/)!!6A,

%65!6A  ?1"'()? – 

Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif (=*" &"7"($ *40$!$: der Nebel – (,-+!  + der Streif –%"/"'+). – 

«Du liebes Kind (0,7"' .,*%), komm (,., /(<.$/), geh mit mir (&"2.'0 (" 0!"2)!

Gar schöne Spiele (/  /'()0$, (*"7)  &+'-+$(!5'  ,6+5: das Spiel )  spiel ich mit dir

(&",6+$< % ( *"9"2);

Manch bunte Blumen (0!"6" +$:!";/'*!53 ;/'*"/: die Blume; manche – !&;"("06&;

-!"2)&) sind an dem Strand (!$ /0"+(-"0/ 9'+'64: der Strand ),

Meine Mutter hat manch gülden Gewand (4 0"'2 0$*'+, 0!"6" 1,*53 :"7"*"0 ".'%!,2:

das Gewand; gülden / ,'(., 16'"; ./ = golden – 3"/"("A).»

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht (+$:/' *5 !' (751,1)),

Was Erlenkönig mir leise verspricht (#*" 0!' *,3" "9'>$'* "7)3"/52 -"+"7))? – 

Sei ruhig (94.) (&"-"'! = 4(&"-"2(%), bleibe ruhig ("(*$/$2(% (&"-"'!), mein Kind;

In dürren Blättern (/ (43,3, /5("31,3 7,(*)%3: das Blatt )  säuselt der Wind (1'7'(*,* 

/'*'+). – 

«Willst (3"#'1) 7,), feiner Knabe (#4.!52 0$7)#,- ), du mit mir gehn ((" 0!"2 &"2*,)?

Meine Töchter (0", ."#'+,: die Tochter ) sollen dich warten schön (."78!5 94.4* " *'9' 

&+'-+$(!" &":$9"*,*)(%, 94.4* *'9' (*$+$*'7)!" &+,(748,/$*));

Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn («/'.4* !"#!"2 3"+"/".»),

Und wiegen und tanzen und singen dich ein (, 49$<-$<*: «4-$#$<*», , «4*$!;4<*», , 

«:$&"<*» *'9%: einwiegen – ,.+=;+($; wiegen – ;+#+($, .+=;+($).»

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Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort (+$:/' *5 !' /,.,1) *$0) 

Erlkönigs Töchter am düstern Ort (."#'+'2 "7)3"/"6" -"+"7% !$ /*"0/ 0+$#!"0 0'(*':

düster; der Ort )? – 

Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau (% /,84 =*" *"#!" = /,84 "*#'*7,/"):

Es scheinen die alten Weiden so grau (=*"  (*$+5'  ,/5  -$84*(%, /,.%*(%  *$-,0, ('+50,: die Weide). – 

«Ich liebe dich (% 7<97< *'9%), mich reizt deine schöne Gestalt (0'!% &+'7)>$'* */"2 

&+'-+$(!52 "97,- ; reizen –  0+340+8+($  / !+%0)-&0, ;"8,  /; 1"3.,84+($, 16361+($;

%0)1/&;+($; die Gestalt – B"0-+, 1)4, ".0+3);

Und bist du nicht willig ($  '(7,  *5  !'  ("67$('!, !'  3"#'1); willig – '"2/+'!6A,

%"'/,5!6A), so brauch ich Gewalt (*"6.$  %  4&"*+'97<  (,74: die Gewalt – 1/+'($,!+')/)&).»

Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an (*'&'+) "! 0'!% 3/$*$'*; anfassen)!

Erlkönig hat mir ein Leids getan (&+,#,!,7 0!'  :7", "9,.'7 0'!%: das Leid – 2"0&,

'(0+4+!)&; ein Leid /an/tun – %0)#)!<($ ."/$)! – 

Dem Vater grauset's (("*;4 (*$!"/,*(% (*+$1!",  84*-"), er reitet geschwind ("! (-$#'* 

95(*+"),

Er hält in den Armen ("!  .'+8,*  /  +4-$3) das ächzende Kind ((*"!4>'6"  +'9'!-$;

ächzen – "?+($, '("!+($),

Erreicht den Hof (."9,+$'*(%  ."  ./"+$  = ."  (/"'6"  &"0'(*)%, /7$.'!,%, ."0$;

erreichen – 4"'()2+($) mit Mühe und Not (( 9"7)1,0 *+4."0; die Mühe – ,')/)&; die

Not – (0,4!"'($, (0,4!"& %"/"8&!)&, .&4+);

In seinen Armen das Kind war tot (/ '6" +4-$3 +'9'!"-  957 0'+*/).

Erlkönig

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

Es ist der Vater mit seinem Kind;

Er hat den Knaben wohl in dem Arm,

Er fasst ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? – 

Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

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Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? – 

Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif. – 

«Du liebes Kind, komm, geh mit mir!

Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;Manch bunte Blumen sind an dem Strand,

Meine Mutter hat manch gülden Gewand.»

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,

Was Erlenkönig mir leise verspricht? – 

Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind;

In dürren Blättern säuselt der Wind. – 

«Willst, feiner Knabe, du mit mir gehn?

Meine Töchter sollen dich warten schön;

Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn,

Und wiegen und tanzen und singen dich ein.»

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort

Erlkönigs Töchter am düstern Ort? – 

Mein Sohn, mein Sohn, ich seh es genau:

Es scheinen die alten Weiden so grau. – 

«Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;

Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt.»

Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!

Erlkönig hat mir ein Leids getan! – 

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,

Er hält in den Armen das ächzende Kind,

Erreicht den Hof mit Mühe und Not;

In seinen Armen das Kind war tot.

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Selige Sehnsucht (97$8'!!$%  *"(-$: sich nach etwas sehnen – '(0+'(!"  8&/+($ 

#&2"- /).", ("-)($'<   %"  #&-, - /)."  + die Sucht – ."/&3!&!!+<   '(0+'($,

."/&3!&!!"& 1/&#&!)&)

Sagt es niemand (!'  6"/"+,*'  =*"6"  !,-"04), nur den Weisen (*"7)-"  04.+50,04.+';$0: der Weise),

Weil die Menge (&"*"04  #*"  *"7&$: die Menge – -!"8&'(1", ."/$5"&  ;"/)#&'(1",

-+''+; ("/%+) gleich verhöhnet ((+$:4 (*$!'* !$(0'3$*)(%, ,:.'/$*)(%),

Das Lebend’ge will ich preisen (*"   8,/"'  3"#4  %  /"((7$/,*): lebendig –  8)1"A;

"8)1/&!!6A, %"/!6A  8)3!)),

Das nach Flammentod sich sehnet (#*"  *"(-4'*  &"  &7$0'!!"2  (0'+*,, #*"  (*+$(*!" 

(*+'0,*(% 40'+'*) / &7$0'!,: die Flamme – %/+-<  + der Tod – '-&0($).

In der Liebensnächte Kühlung (/ &+"37$.' 7<9"/!53 !"#'2, !"#'2 7<9/,: die Liebe –

 /=."1$; die Nacht – !"#$; kühl – %0"?/+4!6A; die Kühlung – "?/+84&!)&; %0"?/+4+),

Die dich zeugte (-"*"+$% *'9% :$#$7$, &"+".,7$), wo du zeugtest (6.' = / -"*"+"2 *5 

:$#,!$7, &"+"8.$7),

Überfällt dich fremde Fühlung (/!'"8,.$!!"/ "3/$*5/$'*  *'9%  (*+$!!"': «#48"'»

">4>'!,', #4/(*/": überfallen – !+%+4+($; "?1+()($  / "  #,1'(1& /; fühlen –

#,1'(1"1+($),

Wenn die stille Kerze leuchtet (-"6.$ (/'*,*(% *,3$% (/'#$).

Nicht mehr bleibest du umfangen (*5 9"7)1' !' "(*$'1)(% "3/$#'!!50: umfangen –

"?1+(61+($, ".1)1+($; ";0,8+($ / 16'"; ./; fangen –  /"1)($) 

In der Finsternis Beschattung (/  :$*'!'!,, 0+$-$: die Beschattung – 3+(&!&!)&; der

Schatten – (&!$; beschatten – 3+>)>+($  "(  '"/!*+, 3+(&!<($; "-0+#+($; die

Finsternis – -0+; , ($-+; finster – (&-!6A, -0+#!6A),

Und dich reißet neu Verlangen (,  *'9%  /7'#'*, "3/$*5/$'*  !"/"'  8'7$!,': reißen –

 01+($; nach etwas verlangen – (0&."1+($ #&2"- /)."; ;0+A!& !,84+($'<  1 #&- - /).") 

 Auf zu höherer Begattung (//'+3, -   /5(1'04  ("<:4, ("'.,!'!,<; die Begattung –

'"1";,%/&!)&; begatten – "%/"4"(1"0<($; sich begatten – '"1";,%/<($'<   / " 

 8)1"(!6? , %()*+?  /; hoch – 16'";)A).

Keine Ferne macht dich schwierig (!,-$-$% .$7) !' &46$'* *'9%: schwierig – (<8&/6A,

'/"8!6A; fern – 4+/&;", 4+/&;)A).

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Kommst geflogen (&+,7'*$'1): «&+,95/$'1), &+,7'*'/»: fliegen)  und gebannt (, 

&7'!'!, "#$+"/$!: bannen – )32"!<($, ''6/+($; %0);"161+($, "#+0"161+($,

%/&!<($),

Und zuletzt (, !$-"!';, / -"!;' -"!;"/), des Lichts begierig ( 8$8.4>,2 (/'*$: das Licht;

begehren –  8&/+($,  8+84+($ / 16'"; ./ ),Bist du Schmetterling verbrannt (*5, 0"*57'- , "-$:5/$'1)(%  ("88'!!50: der

Schmetterling – .+."#;+, -"(6/&; ; brennen – 2"0&($; verbrennen – '8)2+($).

Und so lang du das nicht hast (, &"-$ 4 *'9% =*"6" !'*),

Dieses (/"* =*"6"): Stirb und werde (40+, , (*$!), &+'/+$*,(): sterben)!

Bist du nur ein trüber Gast (*5 7,1) 0+$#!52, &'#$7)!52, 304+52 6"(*)) 

 Auf der dunklen Erde (!$ /=*"2/ *'0!"2 :'07').

Selige Sehnsucht

Sagt es niemand, nur den Weisen,

Weil die Menge gleich verhöhnet,

Das Lebend’ge will ich preisen,

Das nach Flammentod sich sehnet.

In der Liebensnächte Kühlung,

Die dich zeugte, wo du zeugtest,

Überfällt dich fremde Fühlung,

Wenn die stille Kerze leuchtet.

Nicht mehr bleibest du umfangen

In der Finsternis Beschattung,

Und dich reißet neu Verlangen

Auf zu höherer Begattung.

Keine Ferne macht dich schwierig.

Kommst geflogen und gebannt,

Und zuletzt, des Lichts begierig,

Bist du Schmetterling verbrannt.

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Und so lang du das nicht hast,

Dieses: Stirb und werde!

Bist du nur ein trüber Gast

Auf der dunklen Erde.

Prometheus

Bedecke deinen Himmel, Zeus (:$-+"2, &"-+"2 */"' !'9", ?'/(),

Mit Wolkendunst ("97$#!"2 .50-"2 = :$/"7"-, *4#$0,: die Wolke – "./+;", (,#+; der

Dunst – )'%+0&!)< , %+0; 46-;+) 

Und übe, Knaben gleich (, 4&+$8!%2(%, &"."9!" 0$7)#,1-': der Knabe – -+/$#); ),

Der Disteln köpft (-"*"+52 (9,/$'* 6"7"/-, #'+*"&"7"3$: die Distel; der Kopf ), An Eichen dich und Bergeshöhn (!$ .49$3 , 6"+!53 /'+1,!$3: die Eiche – 4,. ; der Berg

 – 2"0+; die Höhe – 1&05)!+)!

Musst mir meine Erde (*5 ."78'! 0!' 0"< :'07<) 

Doch lassen stehn (/('  8' "(*$/,*) / &"-"': «(*"%*)»),

Und meine Hütte (, 0"< 3,8,!4),

Die du nicht gebaut (-"*"+4< *5 !' (*+",7, !' *5 (*+",7),

Und meinen Herd (, 0"2 "#$6),

Um dessen Glut (,:-:$  8$+$ -"*"+"6": die Glut – 3!"A,  8+0) 

Du mich beneidest (*5 0!' :$/,.4'1); der Neid – 3+1)'($).

Ich kenne nichts Ärmer’s (% !' :!$< !,#'6" 9"7'' 9'.!"6": arm – .&4!6A) 

Unter der Sonn’ als euch Götter (&". !'9"0, #'0 /$(, 9"6,)!

Ihr nähret kümmerlich (/5 (-4.!" &,*$'*': kümmerlich –  8+/;)A, ';,4!6A; der Kummer

 – 2"0&; "2"0#&!)&, 3+."(6 ) 

Von Opfersteuern ( 8'+*/"&+,!"1'!,%0,; das Opfer –  8&0(1+; die Steuer – !+/"2) 

Und Gebetshauch (, .4!"/'!,'0 0"7,*/; das Gebet – -"/)(1+; beten – -"/)($'< ;

der Hauch – 46?+!)&, 4,!"1&!)&) 

Eure Majestät (/$1' /'7,#,', /'7,#'(*/") 

Und darbtet, wären (, 9'.(*/"/$7, 95, *'+&'7, 95 !48.4, '(7, 95 !' 957,) 

Nicht Kinder und Bettler (.'*,  ,  !,>,': «&+"(%>,'  0,7"(*5!<, &"9,+$<>,'(%»;

betteln – %0"')($ -)/"'(6!=) 

Hoffnungsvolle Toren (&,*$<>,0,  !$.'8.4: «,(&"7!'!!50,  !$.'8.» 674&;$0,: der

Tor; die Hoffnung – !+4&84+; hoffen – !+4&<($'< ).

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Da ich ein Kind war (-"6.$ % 957 +'9'!-"0),

Nicht wusste, wo aus, wo ein (, !,#'6" !' &"!,0$7: «!' :!$7, 6.' ,:, 6.' / = 6.' /53".,

6.' /3".»),

Kehrt ich mein verirrtes Aug’ ("9+$>$7  %  (/"2  +$(*'+%!!52  /:"+: kehren –%"1"0+#)1+($; sich verirren – 3+./,4)($'< ; irren – ./,84+($) 

Zur Sonne, als wenn drüber wär (-  ("7!;4, (7"/!" 95 *$0 !$/'+34 957") 

Ein Ohr, zu hören meine Klage (43", #*"95 4(751$*) 0"<  8$7"94, 0"64>'' 4(751$*) 

0"<  8$7"94),

Ein Herz wie meins (('+.;', &"."9!"' 0"'04),

Sich des Bedrängten zu erbarmen ((&"("9!"'  (8$7,*)(%  !$.  «*'(!,050» =

"9,8'!!50  ,  46!'*'!!50; drängen – (&'!)($, !+%)0+($; bedrängen –%0&'/&4"1+($, (&'!)($; 4";,#+($; (<2"()($, ,2!&(+($).

Wer half mir wider (-*" &"0"6 0!' &+"*,/: helfen-half-geholfen) 

Der Titanen Übermut (/5("-"0'+,% *,+$!"/: der Übermut; der Mut – -,8&'(1")?

Wer rettete vom Tode mich (-*" (&$( 0'!% "* (0'+*,: der Tod ),

Von Sklaverei ("* +$9(*/$: die Sklaverei; der Sklave –  0+. )?

Hast du's nicht alles selbst vollendet (+$:/'  *5  =*"  !'  ($0"  /('  ("/'+1,7"; voll –

%"/!6A; das Ende – ;"!&*),

Heilig glühend Herz ((/%>'!!" &57$<>'' ('+.;' = &57$<>'' (/%>'!!50 "6!'0)?

Und glühtest jung und gut (, #*"95 /*5 '>'/ &57$7", 0"7"."' , &+'-+$(!"'),

Betrogen ("90$!4*"': betrügen-betrog-betrogen), Rettungsdank (/&57$7"/

97$6".$+!"(*)< :$ (&$('!,'; die Rettung – '%+'&!)&; der Dank – ./+2"4+0!"'($) 

Dem Schlafenden dadroben ((&%>'04 *$0 !$/'+34)?

Ich dich ehren (% *'9% #*,*))? Wofür (:$ #*")?

Hast du die Schmerzen gelindert (/+$:/'/ *5 (0%6#,7 (*+$.$!,%: der Schmerz – ."/$) 

Je des Beladenen (-"6.$-7,9" 4.+4#'!!"6"; beladen – 20,3)($, !+20,8+($)?

Hast du die Tränen gestillet (/+$:/'/ *5 4*,1,7, 4*"7,7 (7':5: die Träne) 

Je des Geängsteten (-"6.$-7,9" ,(&46$!!"6", (*+$1$>'6"(%; die Angst – '(0+? )?

Hat nicht mich zum Manne geschmiedet (+$:/'  !'  "*7,7", !'  /5-"/$7"  ,:  0'!% 

048#,!4) 

Die allmächtige Zeit (/('0"64>'' /+'0%) 

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Und das ewige Schicksal (, /'#!$% (4.)9$),

Meine Herrn und deine (0", 6"(&".$, &"/'7,*'7, – , */",)?

Wähntest du etwa (48 !' 0!,1) 7,  *5; der Wahn – 3+./,84&!)&, '+-"".-+! ; .0&4,

-+!)< ),Ich sollte das Leben hassen (#*"  %  ."78'  95  !'!$/,.'*)  8,:!)  = #*"  %  !'!$/,84 

 8,:!)),

In Wüsten fliehn (9'8$*), (&$($*)(% 9'6(*/"0 / &4(*5!,: die Wüste),

Weil nicht alle Knabenmorgen-

Blütenträume reiften (,:-:$  *"6", #*"  !'  /('  0$7)#,1'(-,-4*+'!!'-;/'*"#!5'  (!5 

(957,(): «(":+'7,»)?

Hier sitz ich, forme Menschen (/"* % (,84, 7'&7< 7<.'2) 

Nach meinem Bilde (&" 0"'04 "9+$:4 , &"."9,<: das Bild – ".0+3),

Ein Geschlecht, das mir gleich sei (&7'0%, #*"95 957" &"3"8' !$ 0'!%: das Geschlecht ),

Zu leiden, zu weinen (/#*"95 40'7", 0"67"/ (*+$.$*), &7$-$*)),

Zu genießen und zu freuen sich (!$(7$8.$*)(% , +$."/$*)(%),

Und dein nicht zu achten (, *'9% /Gen./ !' #*,*), , *'9% !' 9+$*) / +$((#'*),

Wie ich (-$-  %)!

Prometheus

Bedecke deinen Himmel, Zeus,

Mit Wolkendunst

Und übe, Knaben gleich,

Der Disteln köpft,

An Eichen dich und Bergeshöhn!

Musst mir meine Erde

Doch lassen stehn,

Und meine Hütte,

Die du nicht gebaut,

Und meinen Herd,

Um dessen Glut

Du mich beneidest.

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Ich kenne nichts Ärmer’s

Unter der Sonn’ als euch Götter!

Ihr nähret kümmerlich

Von Opfersteuern

Und GebetshauchEure Majestät

Und darbtet, wären

Nicht Kinder und Bettler

Hoffnungsvolle Toren.

Da ich ein Kind war,

Nicht wusste, wo aus, wo ein,Kehrt ich mein verirrtes Aug’

Zur Sonne, als wenn drüber wär

Ein Ohr, zu hören meine Klage,

Ein Herz wie meins,

Sich des Bedrängten zu erbarmen.

Wer half mir wider

Der Titanen Übermut?

Wer rettete vom Tode mich,

Von Sklaverei?

Hast du's nicht alles selbst vollendet,

Heilig glühend Herz?

Und glühtest jung und gut,

Betrogen, Rettungsdank

Dem Schlafenden dadroben?

Ich dich ehren? Wofür?

Hast du die Schmerzen gelindert

Je des Beladenen?

Hast du die Tränen gestillet

Je des Geängsteten?

Hat nicht mich zum Manne geschmiedet

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Die allmächtige Zeit

Und das ewige Schicksal,

Meine Herrn und deine?

Wähntest du etwa,Ich sollte das Leben hassen,

In Wüsten fliehn,

Weil nicht alle Knabenmorgen-

Blütenträume reiften?

Hier sitz ich, forme Menschen

Nach meinem Bilde,Ein Geschlecht, das mir gleich sei,

Zu leiden, zu weinen,

Zu genießen und zu freuen sich,

Und dein nicht zu achten,

Wie ich!

Harfenspieler ($+@,(*: die Harfe – +0B+ + der Spieler – )20+=>)A)

Wer nie sein Brot (-*" !,-"6.$ (/"2 37'9) mit Tränen ((" (7':$0,: die Träne) aß (/!'/ '7:

essen),

Wer nie die kummervollen (&"7!5'  6"+%, (-"+9!5': der Kummer )  Nächte (!"#,: die

Nacht ) 

 Auf seinem Bette (!$ (/"'2 &"(*'7,: das Bett ) weinend (&7$#$) saß (/!'/ (,.'7: sitzen),

Der kennt euch nicht (*"* !' :!$'* /$(), ihr himmlischen Mächte (/5, !'9'(!5' (,75:

die Macht ).

Ihr führt (/5 /'.'*')  ins Leben uns (/  8,:!) !$() hinein (*4.$-/!4*+)) = (/5 //".,*' 

!$( /  8,:!)),

Ihr lasst (&4(-$'*', &":/"7%'*', &"948.$'*')  den Armen (9'.!"6", 9'.!%64)  schuldig

werden (&+"/,!,*)(%: «(*$*) /,!"/$*50»),

Dann (&"*"0, :$*'0) überlasst (&+'."(*$/7%'*' /5 '6", &'+'.$'*', 4(*4&$'*')  ihr ihn

der Pein (04-', 04#'!,<):

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Denn (*$-  -$- ) alle Schuld (/(%-$% /,!$) rächt sich (0(*,*(%, "*0>$'*(%) auf Erden (!$ 

:'07': die Erde).

Harfenspieler

Wer nie sein Brot mit Tränen aß,

Wer nie die kummervollen Nächte

Auf seinem Bette weinend saß,

Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte.

Ihr führt ins Leben uns hinein,

Ihr lasst den Armen schuldig werden,Dann überlasst ihr ihn der Pein:

Denn alle Schuld rächt sich auf Erden.

Eins und alles (".!" , /(A = '.,!,#!"' , ;'7"')

Im Grenzenlosen sich zu finden (#*"95 "-$:$*)(%: «!$2*, ('9%» / 9':6+$!,#!"0»; die

Grenze – 20+!)*+),

Wird gern der einzelne verschwinden ('.,!,#!52 "3"*!" 95 ,(#':),

Da löst sich aller Überdruss (*$0 (!,0$'*(%, +$(*/"+%'*(% /(%-"' &+'(5>'!,', /(%-$% 

(-4-$);

Statt heißem Wünschen (/0'(*"  8$+-"6" = (*+$(*!"6"  8'7$!,%), wildem Wollen (.,-"6" 

= !'"94:.$!!"6" 3"*'!,%),

Statt läst’gem Fordern (/0'(*"  ."($8.$<>'6"  *+'9"/$!,%, !$/%:#,/"2 

*+'9"/$*'7)!"(*,; fordern – (0&."1+($, 4".)1+($'< ), strengem Sollen ((*+"6"6" 

."78'!(*/"/$!,%) 

Sich aufzugeben ist Genuss ("*.$*)(%, (.$*)(%  '(*)  !$(7$8.'!,': der Genuss;

genießen – !+'/+84+($'< ).

Weltseele, komm, uns zu durchdringen (0,+"/$% .41$, &+,.,, #*"95 !$( &+"!,:$*),

&+"&,*$*); durchdringen – %0"!);+($; die Welt – -)0; die Seele – 4,5+)!

Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen (*"6.$ 9"+"*)(% ( ($0,0 0,+"/50 .43"0: der

Geist – 4,? ),

Wird unsrer Kräfte Hochberuf ((*$!'*  /5(1,0  &+,:/$!,'0  !$1,3  (,7: die Kraft; der

Beruf; berufen – %0)361+($).

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Teilnehmend führen gute Geister (&+,!,0$%  // !$(/ 4#$(*,', 4#$(*7,/" /'.4* ."9+5' 

.43,; teilnehmen – %0)!)-+($ ,#+'()&),

Gelinde leitend höchste Meister (0%6-", (7'6-$ !$&+$/7%% – /5("#$21,' 0$(*'+$) 

Zu dem, der alles schafft und schuf (-  B"04, -*" /(' */"+,* , ("*/"+,7: schaffen-schuf-

geschaffen).Und umzuschauen das Geschaffne (, #*"95 "(0"*+'*), "-,!4*) /:67%."0 (":.$!!"'),

Damit sich’s nicht zum Starren waffne (#*"95  "!"  !'  4-+'&,7"()  /  :$(*57"(*,, !' 

:$!%7"  "9"+"!4: starr – 3+'(615)A, !&%"41)8!6A, ";"'(&!&15)A; sich waffnen –

1""0,8+($'< ; 2"("1)($'<  ;  #&-, - /)." / (0,4!"-, , ;  ;+;"A-!).,4$ ."0$.& /; die Waffe

 – "0,8)&),

Wirkt ewiges, lebendiges Tun (.'2(*/4'* /'#!$%,  8,/$% .'%*'7)!"(*); tun – 4&/+($).

Und was nicht war, nun will es werden (, *", #*" !' 957", *'&'+) 3"#'* &+'/+$*,*)(%:«(*$*)») 

Zu reinen Sonnen, farbigen Erden (/ #,(*"' ("7!;', &'(*+4<, +$:!";/'*!4< :'07<: die

Sonne; die Erde; die Farbe – *1&(, ;0+';+);

In keinem Falle darf es ruhn (!, / -"'0 (74#$' !' ."78!" "!" &"-",*)(%, !'7):% '04 

&+'95/$*) / &"-"': der Fall ).

Es soll sich regen ("!" ."78!" 1'/'7,*)(%, ./,6$*)(%), schaffend handeln (*/"+#'(-,:

«*/"+%» .'2(*/"/$*)),

Erst sich gestalten ((!$#$7$  @"+0,+"/$*)(%, (-7$.5/$*)(%; die Gestalt – B"0-+,

".0+3), dann verwandeln (:$*'0 ,:0'!%*)(%);

Nur scheinbar steht’s Momente still (7,1)  ,!"6.$  -$8'*(%, #*"  "!"  !$  06!"/'!,% 

"(*$!$/7,/$'*(%: scheinbar – ;+8,>)A'< ; )//=3"0!"; scheinen – ;+3+($'< ).

Das Ewige regt sich fort in allen (/'#!"'  &+"."78$'* ./,6$*)(%, 1'/'7,*(%  /"  /('3 

/=7'0'!*$3/: fort – %0"#$; 4+/&&):

Denn alles muss in Nichts zerfallen (,9" /(' ."78!" +$(&$*)(% / !,#*" = !',:9'8!" 

"9+$*,*(% / !,#*"),

Wenn es im Sein beharren will ('(7,  "!"  3"#'*  4*/'+.,*)(%  /  95*,,: beharren –

,%"0'(1"1+($, !+'(+)1+($).

Eins und alles

Im Grenzenlosen sich zu finden,

Wird gern der einzelne verschwinden,

Da löst sich aller Überdruss;

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Statt heißem Wünschen, wildem Wollen,

Statt läst’gem Fordern, strengem Sollen

Sich aufzugeben ist Genuss.

Weltseele, komm, uns zu durchdringen!

Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen,Wird unsrer Kräfte Hochberuf.

Teilnehmend führen gute Geister,

Gelinde leitend höchste Meister

Zu dem, der alles schafft und schuf.

Und umzuschauen das Geschaffne,

Damit sich’s nicht zum Starren waffne,

Wirkt ewiges, lebendiges Tun.Und was nicht war, nun will es werden

Zu reinen Sonnen, farbigen Erden;

In keinem Falle darf es ruhn.

Es soll sich regen, schaffend handeln,

Erst sich gestalten, dann verwandeln;

Nur scheinbar steht’s Momente still.

Das Ewige regt sich fort in allen:

Denn alles muss in Nichts zerfallen,

Wenn es im Sein beharren will.

Dämmrung senkte sich von oben

Dämmrung senkte sich von oben ((40'+-, "&4(*,7,() (/'+34; dämmern – '-&0;+($'< ),

Schon ist alle Nähe fern (48' /(' 97,:-"' .$7'-": «/(% 97,:) .$7'-$»);

Doch zuerst emporgehoben (!" (!$#$7$ «&".!%*$ //5()»: empór – 11&0? ; heben-hob-

gehoben – %"4!)-+($) 

Holden Lichts der Abendstern (/(,%<>$%/ #4.!50 (/'*"0 /'#'+!%% :/':.$ = &7$!'*$ 

C'!'+$ //,.!$ / :$&$.!"2 #$(*, !'9$/: hold – -)/6A, %0&/&'(!6A; das Licht – '1&()!

 Alles schwankt ins Ungewisse (/('  ,(#':$'*, &'+'3".,*  /  !'"&+'.'7'!!"(*): «/ 

!'"&+'.'7'!!"'»: schwanken – ;+#+($'< , ;"/&.+($'< ; )3-&!<($'< ; gewiss –

"%0&4&/&!!6A, )31&'(!6A; wissen – 3!+($),

Nebel schleichen in die Höh (*40$!5 «-+$.4*(% //5()»: der Nebel – (,-+! ; die Höhe –

165)!+; hoch – 16'";)A);

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Schwarzvertiefte Finsternisse (#'+!"-467497'!!5' (40+$-,; tief – 2/,.";)A; vertiefen –

,2/,./<($; die Finsternis – -0+; , ($-+; finster – (&-!6A, -0+#!6A) 

Widerspiegelnd ruht der See ("*+$8$%, &"-",*(% ":'+"; der Spiegel – 3&0;+/"; wider –

%0"()1, 1"%0&;); widerspiegeln – "(0+8+($).

Nun im östlichen Bereiche (*'&'+) / /"(*"#!"2 "97$(*,  /!'9$/: der Bereich; reichen –%0"'()0+($'< ) 

 Ahnd ich Mondenglanz und -glut (&+'.#4/(*/4<, "8,.$< % 97'(-  ,  8$+, 6"+'!,' 74!5:

der Mond –  /,!+; der Glanz – ./&'; ; glänzen – ./&'(&($; die Glut – 3!"A,  8+0, !+;+/ ;

glühen – %6/+($,  0+';+/<($'< ; ahnden = ahnen),

Schlanker Weiden Haargezweige ((*+"2!53, ,:%>!53 ,/ /"7"(5-/'*/,: die Weide; das

Haar – 1"/"'6 ; der Zweig – 1&(1$; das Gezweige – 1&(1)) 

Scherzen auf der nächsten Flut (/'('7" ,6+$<* !$ 97,8$21'0  /-  !,0/ &"*"-'  //".5/:scherzen – 5,()($; / %&01"!+#+/$!" / 1&'&/" %062+($, 1&'&/)($'< ,  0+31/&;+($'< ).

Durch bewegter Schatten Spiele ((-/":) &"./,8!53 *'!'2 ,6+5: bewegen – 41)2+($;

der Schatten – (&!$; das Spiel – )20+) 

Zittert Lunas Zauberschein (.+"8,* /"71'9!52 (/'* 74!5: der Zauber – ;"/4"1'(1";

der Schein – '1&(, ')<!)&),

Und durchs Auge schleicht die Kühle (,  #'+':  :+'!,', (-/":)  67$:$  &+"-+$.5/$'*(% 

&+"37$.$; kühl – %0"?/+4!6A) 

Sänftigend ins Herz hinein ((0%6#$%, (0%6#$<>'  /6749)  ('+.;$: «/  ('+.;'  *4.$-

/!4*+)»; sanft – ;0"(;)A, -<2;)A, !&8!6A).

Dämmrung senkte sich von oben

Dämmrung senkte sich von oben,

Schon ist alle Nähe fern;

Doch zuerst emporgehoben

Holden Lichts der Abendstern!

Alles schwankt ins Ungewisse,

Nebel schleichen in die Höh;

Schwarzvertiefte Finsternisse

Widerspiegelnd ruht der See.

Nun im östlichen Bereiche

Ahnd ich Mondenglanz und -glut,

Schlanker Weiden Haargezweige

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Scherzen auf der nächsten Flut.

Durch bewegter Schatten Spiele

Zittert Lunas Zauberschein,

Und durchs Auge schleicht die Kühle

Sänftigend ins Herz hinein.

Aussöhnung (&+,0,+'!,'; sich aussöhnen)

Die Leidenschaft bringt Leiden (c*+$(*)  &+,!"(,*  (*+$.$!,%; leiden – '(0+4+($)! –

Wer beschwichtigt (-*" 4(&"-",*, &+,0,+,*),

Beklommnes Herz ((*'(!'!!"' ('+.;'; beklemmen – '(&'!<($, '8)-+($), dich, das

zu viel verloren (*'9%, #*" (7,1-"0 0!"6" &"*'+%7": verlieren-verlor-verloren)?Wo sind die Stunden, überschnell verflüchtigt (6.' #$(5, (/'+395(*+" 47'*4#,/1,'(%)?

Vergebens war das Schönste dir erkoren (*>'*!" 957" *'9' &+'.!$:!$#'!": «,:9+$!"»

&+'-+$(!"': erkiesen-erkor-erkoren – )3.)0+($, %0&4!+3!+#+($)!

Trüb ist der Geist (0+$#'! .43), verworren das Beginnen (:$&4*$!" !$#$7": verwirren –

'%,(61+($; %0)1"4)($ 1 3+-&5+(&/$'(1");

Die hehre Welt, wie schwindet sie den Sinnen (/":/51'!!52  0,+, -$-   ,(#':$'*,

495/$'* "! .7% #4/(*/  //"(&+,%*,%/: die Sinne – #,1'(1+; hehr – 1&/)#&'(1&!!6A,

'1<>&!!6A, 1"3165&!!6A)!

Da schwebt hervor Musik mit Engelsschwingen (*4*  &+,7'*$'*  /&$+%/ 04:5-$  !$ 

$!6'7)(-,3  -+57)%3; schwingen – -+?+($,  0+3-+?)1+($; 13/&(+($; die Schwinge –

;06/" / ;0,%!"A %()*6  / ),

Verflicht zu Millionen Tön’ um Töne ((&7'*$'* 0,77,"!$0,  *"!$  (  *"!$0,, :/4-,  (" 

:/4-$0,),

Des Menschen Wesen durch und durch zu dringen (#*"95  (4>'(*/"  #'7"/'-$ 

&+"!,:$*) !$(-/":)),

Zu überfüllen ihn mit ew’ger Schöne (#*"95 &'+'&"7!,*) '6" /'#!" &+'-+$(!50; füllen –

!+%"/!<($):

Das Auge netzt sich (67$:  = 67$:$, :+'!,'  4/7$8!%'*(%), fühlt im höhern Sehnen

(">4>$'* / /5(1'0 (*+'07'!,,, / /5(1'2 *"(-') 

Den Götter-Wert der Töne wie der Tränen (9"8'(*/'!!4< ;'!4 -$-  :/4-"/, *$-  , (7':).

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Und so das Herz erleichtert merkt behende (,  *$-   ('+.;', "97'6#'!!"', 95(*+" 

:$0'#$'*),

Dass es noch lebt und schlägt und möchte schlagen (#*"  "!"  '>'  8,/'*  , 9)'*(%  , 

3"*'7" 95 9,*)(%),

Zum reinsten Dank der überreichen Spende (/  #,(*'214<  97$6".$+!"(*) (/'+39"6$*"6"  .$+$  = :$  (/'+39"6$*52  .$+: die Spende – %"8&0(1"1+!)&,

 / 4".0"1"/$!6A / 13!"' , 4+0) 

Sich selbst erwidernd willig darzutragen (#*"95 ('9% ($0"6" / "*/'*: «"*/'#$%» "3"*!",

."9+"/"7)!" &+'&".!'(*,).

Da fühlte sich – o dass es ewig bliebe (*4*  &"#4/(*/"/$7"()  – "  &4(*)  95  =*"  *$-  

"(*$/$7"() /'#!": bleiben-blieb-geblieben; bliebe – "('+1+/"'$ .6 )!

Das Doppel-Glück der Töne wie der Liebe (./"2!"' (#$(*)' -$-  :/4-"/, *$-  , 7<9/,).

Aussöhnung

Die Leidenschaft bringt Leiden! – Wer beschwichtigt,

Beklommnes Herz, dich, das zu viel verloren?

Wo sind die Stunden, überschnell verflüchtigt?

Vergebens war das Schönste dir erkoren!

Trüb ist der Geist, verworren das Beginnen;

Die hehre Welt, wie schwindet sie den Sinnen!

Da schwebt hervor Musik mit Engelsschwingen,

Verflicht zu Millionen Tön’ um Töne,

Des Menschen Wesen durch und durch zu dringen,

Zu überfüllen ihn mit ew’ger Schöne:

Das Auge netzt sich, fühlt im höhern Sehnen

Den Götter-Wert der Töne wie der Tränen.

Und so das Herz erleichtert merkt behende,

Dass es noch lebt und schlägt und möchte schlagen,

Zum reinsten Dank der überreichen Spende

Sich selbst erwidernd willig darzutragen.

Da fühlte sich – o dass es ewig bliebe!

Das Doppel-Glück der Töne wie der Liebe.

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Friedrich Hölderlin (1770 – 1843) 

Da ich ein Knabe war

Da ich ein Knabe war (-"6.$ % 957 0$7)#,-"0),

Rettet' ein Gott mich oft (9"6 #$(*" (&$($7 0'!%) 

Vom Geschrei und der Rute der Menschen ("*  /"/-+,-$ , +":6, 7<.'2; schreien –

;0)#+($; die Rute – %0,(;  0"32+),

Da spielt ich sicher und gut (*"6.$ ,6+$7 % (&"-"2!"  // 9':"&$(!"(*,/ , 3"+"1":

sicher – !+4&8!6A, .&3"%+'!6A) 

Mit den Blumen des Hains (/(/ ;/'*$0, +">,: die Blume; der Hain),Und die Lüftchen des Himmels (, /'*'+-, !'9$, !'9'(!5' /'*'+-,; die Luft –

1"34,? ) 

Spielten mit mir (,6+$7, (" 0!"2).

Und wie du das Herz (, /*$-   8'/ -$-  *5 ('+.;') 

Der Pflanzen erfreust (+$(*'!,2 +$.4'1): die Pflanze),

Wenn sie entgegen dir (-"6.$ "!, !$/(*+'#4 *'9') 

Die zarten Arme strecken (&+"*%6,/$<* !'8!5' +4-,: der Arm),

So hast du mein Herz erfreut (*$-   8' *5 "9+$."/$7 0"' ('+.;') 

Vater Helios ("*'; D'7,"()! und, wie Endymion (,, -$-  E!.,0,"!),

War ich dein Liebling (957 % */",0 7<9,0;'0, /":7<97'!!50),

Heilige Luna ((/%>'!!$% F4!$)!

Oh all ihr treuen (" /5, /(' /'+!5') 

Freundlichen Götter (.+48'(*/'!!5', .+48'7<9!5' 9"6,)!

Dass ihr wüsstet ('(7, 95 /5 :!$7,),

Wie euch meine Seele geliebt (-$-  7<9,7$ /$( 0"% .41$)!

Zwar damals rief ich noch nicht (&+$/.$, *"6.$ '>' % !' &+,:5/$7: rufen-rief-gerufen) 

Euch mit Namen, auch ihr (/$( &" ,0'!$0, .$ , /5) 

Nanntet mich nie, wie die Menschen sich nennen (!,-"6.$ !' !$:5/$7, 0'!%, -$-  7<., 

.+46 .+46$ !$:5/$<*: nennen-nannte-genannt ) 

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 Als kennten sie sich ((7"/!", -$-  94.*" 95 "!, :!$<* .+46 .+46$; kennten – 3!+/) .6 ).

Doch kannt ich euch besser (".!$-" % :!$7 /$( 74#1': kennen-kannte-gekannt ),

 Als ich je die Menschen gekannt (#'0 -"6.$-7,9" % :!$7 7<.'2),

Ich verstand die Stille des Äthers (%  &"!,0$7  *,1,!4  =@,+$: verstehen-verstand-verstanden),

Der Menschen Worte verstand ich nie ((7"/$, +'#, 7<.'2 % !,-"6.$ !' &"!,0$7: das

Wort – '/"1"; die Worte – '/"1+ / 1 '-6'/& '1<3!"A  0&#) / ).

Mich erzog der Wohllaut (0'!% /"(&,*$7$  6$+"0"!,%, 97$6":/4#,': wohl –  ?"0"5"  +

der Laut – 31,; ) 

Des säuselnden Hains (1'7'(*%>'2 +">,, .49+$/5) Und lieben lernt ich (, 7<9,*) 4#,7(% %) 

Unter den Blumen ((+'., ;/'*"/).

Im Arme der Götter wuchs ich groß (/ "9G%*,%3: «/ +4-'» 9"6"/ % /5+"().

Da ich ein Knabe war

Da ich ein Knabe war,

Rettet' ein Gott mich oft

Vom Geschrei und der Rute der Menschen,

Da spielt ich sicher und gut

Mit den Blumen des Hains,

Und die Lüftchen des Himmels

Spielten mit mir.

Und wie du das Herz

Der Pflanzen erfreust,

Wenn sie entgegen dir

Die zarten Arme strecken,

So hast du mein Herz erfreut

Vater Helios! und, wie Endymion,

War ich dein Liebling,

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Heilige Luna!

Oh all ihr treuen

Freundlichen Götter!

Dass ihr wüsstet,Wie euch meine Seele geliebt!

Zwar damals rief ich noch nicht

Euch mit Namen, auch ihr

Nanntet mich nie, wie die Menschen sich nennen

Als kennten sie sich.

Doch kannt ich euch besser,

Als ich je die Menschen gekannt,

Ich verstand die Stille des Äthers,

Der Menschen Worte verstand ich nie.

Mich erzog der Wohllaut

Des säuselnden Hains

Und lieben lernt ich

Unter den Blumen.

Im Arme der Götter wuchs ich groß.

Die Eichbäume

 Aus den Gärten komm ich zu euch (,: ($."/ &+,3"84, &+,1'7 % -  /$0: der Garten), ihr

Söhne des Berges (/5, (5!5, (5!"/)% 6"+5: der Sohn; der Berg )!

 Aus den Gärten, da lebt die Natur geduldig (*$0  8,/'* &+,+".$ *'+&'7,/"; die Geduld –

(&0%&!)&) und häuslich (, &"-."0$1!'04, ."0"/,*"),

Pflegend (:$9"*%(), &"..'+8,/$%, +$:/,/$%:  pflegen – ,?+8)1+($, 3+."()($'< ) und

wieder gepflegt (, (!"/$ = / (/"< "#'+'.) &"..'+8,/$e0$%, &"7):4<>$%(% :$9"*"2,

43"."0) mit den fleißigen Menschen zusammen (( *+4."7<9,/50, 7<.)0, ("/0'(*!").

 Aber ihr, ihr Herrlichen (!"  /5, /5, /'7,-"7'&!5')! steht, wie ein Volk von Titanen

((*",*', -$-  !$+". = &7'0% *,*$!"/: das Volk ) 

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In der zahmeren Welt (/  9"7''  -+"*-"0  /&"  (+$/!'!,<  (  !,0,/, &"(741!"0,

&+,+4#'!!"0 0,+': zahm –  0,#!"A, 4"-+5!)A; ;0"(;)A, %"'/,5!6A) und gehört nur

euch und dem Himmel (, &+,!$.7'8,*' *"7)-" /$0 = ('9' ($0,0 , !'94: der Himmel ),

Der euch nährt’ (-"*"+"' /$( /(-"+0,7", &,*$7") und erzog (, /"(&,*$7", /:+$(*,7":

erziehen), und der Erde (,  :'07': die Erde), die euch geboren (-"*"+$%  /$(  +".,7$:gebären).

Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen (!, ".!$: «!, ".,!» ,: 

/$( '>' !' 3".,7 / 1-"74 7<.'2, / 1-"74 -  7<.%0, / #'7"/'#'(-4< 1-"74),

Und ihr drängt euch (, /5  *%!'*'(); drängen – !+%)0+($, (&'!)($)  fröhlich und frei

(+$."(*!"  ,  (/"9".!"), aus der kräftigen Wurzel (,:  (,7)!"6", 0">!"6"  -"+!%: die

Wurzel; die Kraft – ')/+),

Untereinander (0'8.4 ("9"2  = !$3".%() 7,1)  (+'.,  ('9' &"."9!53)  herauf (//'+3) und ergreift (, "3/$*5/$'*', (3/$*5/$'*'), wie der Adler die Beute (-$-  "+'7 ."95#4),

Mit gewaltigem Arme (0">!"2  +4-"2; die Gewalt – 1/+'($; !+')/)&)  den Raum

(&+"(*+$!(*/") , und gegen die Wolken (, -  "97$-$0: die Wolke) 

Ist euch (/$0 = 4 /$() heiter und groß (/'('7" , 6+"0$.!": heiter – 1&'&/6A;  <'!6A  / " 

%"2"4& / ) die sonnige Krone gerichtet (!$&+$/7'!$, 4(*+'07'!$ ("7!'#!$% -+"!$).

Eine Welt ist jeder von euch (0,+"0  %/7%'*(%  -$8.52  ,:  /$(), wie die Sterne des

Himmels (-$-  :/':.5 !'9$: der Stern) 

Lebt ihr ( 8,/'*'  /5), jeder ein Gott (-$8.52  – H"6), in freiem Bunde zusammen (/ 

(/"9".!"0 ("<:' /0'(*': der Bund ).

Könnt’ ich die Knechtschaft nur erdulden ('(7,  95  %  *"7)-" 0"6  /(/*'+&'*)  +$9(*/",

-$9$74; der Knecht – c  /,2+,  0+."(!); , .+(0+; ,  ?"/"% ), ich neidete nimmer

Diesen Wald (% 95 !,-"6.$ !'  :$/,."/$7  =*"04 7'(4)  und schmiegte mich gern ans

gesellige Leben (,  (*+'0,7(%  95: «7)!47» -    8,:!,  (  7<.)0,: «-   *"/$+,>'(-"2,

"9>'(*/'!!"2  8,:!,»; der Geselle – %"4-+'(&0$&; %+0&!$).

Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich ('(7, 95 *"7)-" ('+.;' !' 

&+,/%:5/$7" 0'!% -   8,:!, (+'., 7<.'2: fesseln – 3+;"161+($ 1 ;+!4+/6 , !+4&1+($ 

!+0,#!);); 3+?1+(61+($, ,1/&;+($; die Fesseln – ;+!4+/6 ; %,(6  / 4/<   /"5+4)),

Das von Liebe nicht lässt (-"*"+"'  !'  0"8'*  "*-$:$*)(%  "*  7<9/,: lassen –

"'(+1/<($), wie gern würd’ ich unter euch wohnen (-$-  "3"*!" %  8,7 95 (+'., /$()!

Die Eichbäume

Aus den Gärten komm ich zu euch, ihr Söhne des Berges!

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Aus den Gärten, da lebt die Natur geduldig und häuslich,

Pflegend und wieder gepflegt mit den fleißigen Menschen zusammen.

Aber ihr, ihr Herrlichen! steht, wie ein Volk von Titanen

In der zahmeren Welt und gehört nur euch und dem Himmel,

Der euch nährt’ und erzog, und der Erde, die euch geboren.Keiner von euch ist noch in die Schule der Menschen gegangen,

Und ihr drängt euch fröhlich und frei, aus der kräftigen Wurzel,

Untereinander herauf und ergreift, wie der Adler die Beute,

Mit gewaltigem Arme den Raum, und gegen die Wolken

Ist euch heiter und groß die sonnige Krone gerichtet.

Eine Welt ist jeder von euch, wie die Sterne des Himmels

Lebt ihr, jeder ein Gott, in freiem Bunde zusammen.Könnt’ ich die Knechtschaft nur erdulden, ich neidete nimmer

Diesen Wald und schmiegte mich gern ans gesellige Leben.

Fesselte nur nicht mehr ans gesellige Leben das Herz mich,

Das von Liebe nicht lässt, wie gern würd’ ich unter euch wohnen!

Der Zeitgeist (.43 /+'0'!,: die Zeit + der Geist )

Zu lang schon waltest über dem Haupte mir (c7,1-"0 ."76"  6"(&".(*/"/$7 !$. 0"'2 

67$/"2: «!$.  67$/"2  0!'»: das Haupt; walten – 2"'%"4'(1"1+($, ,%0+1/<($,

 0+'%"0<8+($'< ) 

Du in der dunkeln Wolke (*5, / *'0!"0 "97$-', / *4#'), du Gott der Zeit (*5, 9"6 

/+'0'!,)!

Zu wild ((7,1-"0  .,-", 942!"), zu bang ist's ringsum, und es ((7,1-"0 

*+'/"8!" /"-+46, ,) 

Trümmert und wankt ja, wohin ich blicke (+41,*(%/"(5&$'*(%  , 

-"7'97'*(% /'.), -4.$ % !, &"(0"*+<; die Trümmer – "./"-;),  0+31+/)!6 ).

 Ach! wie ein Knabe ((7"/!" 0$7)#,- ), seh' ich zu Boden oft (#$(*" (0"*+< %  //!,:/ !$ 

:'07<, "&4(-$< /:"+ -  :'07': der Boden – 3&-/< , %"#1+),

Such' in der Höhle Rettung von dir (,>4 / &'>'+' (&$('!,% "* *'9%), und möcht

(, 3"*'7 95) 

Ich Blöder (%, 674&52), eine Stelle finden (!$2*, 0'(*"),

 Alleserschüttrer (/"/ /(A-&"*+%($<>,2; erschüttern – '"(0<'+($,

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%"(0<'())! wo du nicht wärest (6.' 95 *5 !' 957, 6.' 95 *'9% !' 957"; du warst – (6  

.6/ ).

Lass endlich (&":/"7)  8' !$-"!';), Vater (/"/ "*';)! offenen Augs mich dir (/(/ "*-+5*50 

/:"+"0 0!' *'9%: «/."/&4(*, 0'!% *'9' I»: das Auge – 2/+3) Begegnen (/(*+'*,*))! hast denn du nicht zuerst den Geist (+$:/' *5 !' &'+/52:

«(&'+/$» .43) 

Mit deinem Strahl aus mir geweckt (*/",0  74#"0  /"  0!': «,:  0'!%»

&+"94.,7)? mich (0'!%) 

Herrlich ans Leben gebracht (/'7,-"7'&!"  &+,/'7  = &+,"9>,7  -  

 8,:!,: bringen-brachte-gebracht – %0)!"')($, %0)1"4)($), o Vater! –

Wohl keimt aus jungen Reben uns heil'ge Kraft (/",(*,!4 &+"+$(*$'* ,: 0"7".53 7": 

!$0 = .7% !$( (/%*$%, (/%>'!!$% (,7$: die Rebe – / 1)!"20+4!+<  /  /"3+);

In milder Luft begegnet den Sterblichen (/ 0%6-"0, *'&7"0 /":.43' /(*+'#$'*(% 

(0'+*!50, /(*+'#$'* (0'+*!53; sterben – ,-)0+($),

Und wenn sie still im Haine wandeln (, -"6.$ "!, *,3" &+"3".%* / +">', / 

.49+$/': der Hain),

Heiternd ein Gott (+$.4%, /'('7%  /,3/ 9"6 = +$.4<>,2, /'('7%>,3 

,3 9"6; heiter – 1&'&/6A,  0+4"'(!6A; .&3"./+#!6A); doch allmächt'ger weckst du (!" 

«/('0"64>'(*/'!!''» 94.,1)  *5; die Macht – 1/+'($, ')/+; mächtig –

-"2,>&'(1&!!6A) 

Die reine Seele Jünglingen auf (#,(*4<  .414 <!"1$0  = 4 <!"1'2: aufwecken), und

lehrst (, !$4#$'1)) 

Die Alten weise Künste ((*$+;'/ 04.+50, ,(-4((*/$0: die Kunst ); der Schlimme

nur (*"7)-" &7"3"2, !'3"+"1,2) 

Wird schlimmer ((*$!"/,*(%  348': werden), dass er bälder ende ((  *'0,

#*"95 "! (-"+'', ."/"7)!" (-"+" «-"!#,7(%» = #*"95 &+,1'7 '04 -"!';),

Wenn du, Erschütterer! ihn ergreifest (-"6.$  *5, ("*+%($<>,2,

&"*+%($*'7), '6" :$3/$*,1), (3/$*,1); greifen –  ?1+(+($).

Der Zeitgeist

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Zu lang schon waltest über dem Haupte mir

Du in der dunkeln Wolke, du Gott der Zeit!

Zu wild, zu bang ist's ringsum, und es

Trümmert und wankt ja, wohin ich blicke.

Ach! wie ein Knabe, seh' ich zu Boden oft,

Such' in der Höhle Rettung von dir, und möcht

Ich Blöder, eine Stelle finden,

Alleserschüttrer! wo du nicht wärest.

Lass endlich, Vater! offenen Augs mich dir

Begegnen! hast denn du nicht zuerst den GeistMit deinem Strahl aus mir geweckt? mich

Herrlich ans Leben gebracht, o Vater! –

Wohl keimt aus jungen Reben uns heil'ge Kraft;

In milder Luft begegnet den Sterblichen,

Und wenn sie still im Haine wandeln,

Heiternd ein Gott; doch allmächt'ger weckst du

Die reine Seele Jünglingen auf, und lehrst

Die Alten weise Künste; der Schlimme nur

Wird schlimmer, dass er bälder ende,

Wenn du, Erschütterer! ihn ergreifest.

Lebenslauf (9,"6+$@,%, «3".  8,:!,»)

Größers wolltest auch du (9"7)1'6", 9"7'' /'7,-"6" 3"*'7 , *5 *"8'), aber die Liebe

zwingt (!" 7<9"/) &+,!48.$'*, *'(!,*) 

 All uns nieder (/('3 !$( /!,: = &+,6,9$'* !$(, :$(*$/7%'* (&4(*,*)(%), das Leid

beuget gewaltiger ((*+$.$!,' 6!'*, (6,9$'* 0">!''),

Doch es kehret umsonst nicht (!" !' (74#$2!" /":/+$>$'*(%) 

Unser Bogen (!$1$ «.46$» = !$1 "-+48!"2 &4*): der Bogen), woher

er kommt ("*-4.$ "! &+,3".,* = "*-4.$ /51'7).

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 Aufwärts oder hinab (//'+3 ,7, /!,:  /!$&+,0'+, ,.% &"  6"+'/)! wehet in heilger Nacht

(/+$:/' !'/ /''* / (/%>'!!"2 !"#,),

Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt (6.'  = -"6.$  !'0$%  &+,+".$ 

:$0517%'* (*$!"/%>,'(% .!,, &"6+48'!$ / +$:0517'!,' " 6+%.4>,3 .!%3),

Weht im nüchternen Orkus (/!'/ /''* / *+':/"0 = "*+':/7%<>'0, 37$.!"0 J+-') 

Nicht ein liebender Othem auch (*$-8' , 7<9%>'' .53$!,')?

Dies erfuhr ich (=*"  4:!$7  %: erfahren). Denn nie (,9"  !,-"6.$), sterblichen Meistern

gleich ((0'+*!50 !$(*$/!,-$0 &"."9!"),

Habt ihr Himmlischen (/5, !'9'(!5'; der Himmel – !&."), ihr Alleserhaltenden (/5,

/('("3+$!%<>,'),Das ich wüsste (!$(-"7)-"  %  :!$7  95  = !$(-"7)-"  0!'  ,:/'(*!"), mit

Vorsicht (( "(*"+"8!"(*)<: die Vorsicht ) 

Mich des ebenen Pfads geführt (/!'/ /'7, 0'!% +"/!"2 *+"&"2: der

Pfad ).

 Alles prüfe der Mensch (&4(*)  /('  &"&+"94'*, &+"/'+,*  #'7"/'- ), sagen die

Himmlischen (6"/"+%* !'9'(!5'),

Dass er, kräftig genährt (#*"95 "!, 0">!" = -$-  (7'.4'* !$&,*$!; die Kraft – ')/+;

nähren – %)(+($), danken für alles lern (!$4#,7(%  97$6".$+,*)  :$  /('; lerne – / "!  /

!+,#)/'<  .6  = %,'($ !+,#)('< ),

Und verstehe die Freiheit (, &"!,0$7 95 (/"9".4),

 Aufzubrechen ("*&+$/7%*)(%  //  &4*)/), wohin er will (-4.$  "! 

/:$/3"#'*).

Lebenslauf

Größers wolltest auch du, aber die Liebe zwingt

All uns nieder, das Leid beuget gewaltiger,

Doch es kehret umsonst nicht

Unser Bogen, woher er kommt.

Aufwärts oder hinab! wehet in heilger Nacht,

Wo die stumme Natur werdende Tage sinnt,

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Weht im nüchternen Orkus

Nicht ein liebender Othem auch?

Dies erfuhr ich. Denn nie, sterblichen Meistern gleich,

Habt ihr Himmlischen, ihr Alleserhaltenden,Das ich wüsste, mit Vorsicht

Mich des ebenen Pfads geführt.

Alles prüfe der Mensch, sagen die Himmlischen,

Dass er, kräftig genährt, danken für alles lern,

Und verstehe die Freiheit,

Aufzubrechen, wohin er will.

An Diotima (-  K,"*,0')

Komm und besänftige mir (&+,., , (0%6#,, 4(&"-"2 0!' = .7% 0'!%, &" 0"'2 &+"()9';

sanft – -<2;)A, ()?)A), die du einst Elemente versöhntest (*5, -"*"+$%  -"6.$-*" 

&+,0,+%7$ /0'8.4 ("9"2/ (*,3,,: das Element ),

Wonne der himmlischen Muse (97$8'!(*/", "*+$.$ !'9'(!"2 04:5: die Wonne), das

Chaos der Zeit (3$"( /=*"6"/ /+'0'!,)!

Ordne den tobenden Kampf (&+,/'., / &"+%."-  = &+'-+$*, 9'(!4<>4<(%, 9414<>4< 

9"+)94, 9,*/4: ordnen – ,%"0<4"#)1+($)  mit Friedenstönen des Himmels (0,+!50,,

0,+"*/"+%>,0, :/4-$0, !'9$: der Friede; der Ton; der Himmel ),

Bis in der sterblichen Brust (&"-$  /  (0'+*!"2  6+4.,  = /  6+4.,  (0'+*!"6"; sterben –

40,+$*)) sich das Entzweite vereint (/!'/ ("'.,!,*(% +$:./"'!!"', +$:"9>'!!"'),

Bis der Menschen alte Natur (&"-$ (*$+$% &+,+".$, !$*4+$ 7<.'2), die ruhige, große

((&"-"2!$%, /'7,#'(*/'!!$%),

 Aus der gärenden Zeit (,:  9+".%>'6"  /+'0'!,: gären – .0"4)($  / "  1)!&  )  (.% ./ ) 

mächtig und heiter sich hebt (0">!" , +$."(*!", /'('7" &".!,0'*(%)!

Kehr in die dürftigen Herzen des Volks (/'+!,(), /"2.,  /  (-4.!5'  ('+.;$  !$+".$),

lebendige Schönheit ( 8,/$% -+$("*$),

Kehr an den gastlichen Tisch (/'+!,() -  6"(*'&+,,0!"04 (*"74; der Gast – 2"'($), kehr

in die Tempel zurück (/'+!,() "9+$*!" / 3+$05: der Tempel )!

Denn Diotima lebt (&"(-"7)-4  K,"*,0$  8,/'*), wie die zarten Blüten im Winter (-$-  

!'8!5' ;/'*5 :,0"<: die Blüte – *1&(&!)&; *1&(),

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Reich an eigenem Geist (9"6$*$% ("9(*/'!!50 .43"0: der Geist ), sucht sie die Sonne

doch auch (/('  8' ,>'* "!$ *$-8' , ("7!;').

 Aber die Sonne des Geists (!"  ("7!;'  .43$), die schönere Welt (9"7''  &+'-+$(!52 

0,+), ist hinunter (:$-$*,7"(), :$17": hinuntergehen; hinunter – (,4+-1!)3),

Und in frostiger Nacht (, / 0"+":!"2 !"#,; der Frost – -"0"3) zanken Orkane sich nur((751!$ 7,1) &'+'9+$!-$ 4+$6$!"/: sich zanken – .0+!)($'< , ''"0)($'< ; der Orkán).

An Diotima

Komm und besänftige mir, die du einst Elemente versöhntest,

Wonne der himmlischen Muse, das Chaos der Zeit!

Ordne den tobenden Kampf mit Friedenstönen des Himmels,Bis in der sterblichen Brust sich das Entzweite vereint,

Bis der Menschen alte Natur, die ruhige, große,

Aus der gärenden Zeit mächtig und heiter sich hebt!

Kehr in die dürftigen Herzen des Volks, lebendige Schönheit,

Kehr an den gastlichen Tisch, kehr in die Tempel zurück!

Denn Diotima lebt, wie die zarten Blüten im Winter,

Reich an eigenem Geist, sucht sie die Sonne doch auch.

Aber die Sonne des Geists, die schönere Welt, ist hinunter,

Und in frostiger Nacht zanken Orkane sich nur.

Der Tod fürs Vaterland ((0'+*) :$ +".,!4)

Du kömmst, o Schlacht (*5  6+%.'1), 9,*/$: die Schlacht )! schon wogen die Jünglinge

(48' 4(*+'07%<*(% <!"1,: wogen – 1"/!"1+($'< , .,5&1+($, ;+()($ 1"/!6 ) 

Hinab von ihren Hügeln (/!,:  ("  (/",3  3"70"/: der Hügel ), hinab ins Tal (/!,:, / 

."7,!4),

Wo keck herauf die Würger dringen (6.'  .'+:-"  !$/'+3, !$  !,3  !$&,+$<*  /+$6,;

würgen – 4+1)($, 4,5)($; der Würger – 4,5)(&/$, ,.)A*+),

Sicher der Kunst und des Arms (4/'+'!!5' / /(/"'0/ ,(-4((*/' = 40'!,, , / (/"'2 

+4-' = (,7': die Kunst; der Arm), doch sichrer (!" 4/'+'!!'2) 

Kömmt über sie die Seele der Jünglinge (!$(*4&$'*  !$  !,3, &+'/":0"6$'*  ,3  .41$ 

<!"1'2),

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Denn die Gerechten schlagen, wie Zauberer (,9"  &+$/'.!5', (&+$/'.7,/5'  9)<*,

+$:%* -$-  /"71'9!,-,; der Zauber – 1"/5&.'(1"),

Und ihre Vaterlandsgesänge (, ,3  6,0!5 "*#,:!', "*'#'(-,'  6,0!5: der Gesang –

%&'!$; singen – %&($) 

Lähmen die Kniee den Ehrelosen ("9'((,7,/$<*  -"7'!, 9'(#'(*!50: das Knie –;"/&!"; die Ehre – #&'($; lähmen – %+0+/)3"1+($).

O nimmt mich, nimmt mich mit in die Reihen auf (&+,0,*' 0'!% ( ("9"2 / //$1,/ +%.5:

aufnehmen; die Reihe),

Damit ich einst nicht sterbe gemeinen Tods (#*"95 % -"6.$-!,94.) !' 40'+ "95#!"2 

(0'+*)<: der Tod )!

Umsonst zu sterben, lieb ich nicht, doch (!$&+$(!" 40'+'*) % 95 !' 3"*'7, 0!' !' 7<9", ".!$-") 

Lieb ich, zu fallen am Opferhügel (3"*'7 95 % &$(*) 4  8'+*/'!!"6" 3"70$; das Opfer

 –  8&0(1+) 

Fürs Vaterland, zu bluten des Herzens Blut (:$ +".,!4, ,(*'#) -+"/)< ('+.;$: das Blut;

das Herz ) 

Fürs Vaterland – und bald ist’s geschehn (, (-"+" =*" (74#,*(%)! Zu euch (-  /$0),

Ihr Teuern (/5, ."+"6,')! komm ich (&+,.4 %), die mich leben (-"*"+5' 0'!%  8,*)) 

Lehrten und sterben (4#,7,  ,  40,+$*)), zu euch hinunter (-   /$0  *4.$-/!,: 

/(&4>4()/)!

Wie oft im Lichte dürstet ich euch zu sehn (-$-  #$(*" !$ (/'*4 = !$%/4  8$8.$7 % /$( 

4/,.'*): das Licht – '1&(; der Durst –  8+84+),

Ihr Helden und ihr Dichter aus alter Zeit (/5, 6'+",, , /5, &"=*5 /,:/ (*$+"6" /+'0'!,:

der Held )!

Nun grüßt ihr freundlich den geringen (*'&'+)  &+,/'*(*/42*'  .+48'7<9!", &"-

.+48'(-, !,#*"8!"6": gering – -+/6A, !&3!+#)(&/$!6A) 

Fremdling (#48':'0;$; fremd – #,8"A) und brüderlich ist's hier unten (, &"-9+$*(-, 

:.'() /!,:4);

Und Siegesboten kommen herab (, /'(*!,-, &"9'.5 (&4(-$<*(% (<.$-/!,:: der Sieg –

%".&4+; der Bote – %"'/+!!); ): Die Schlacht (9,*/$) 

Ist unser (!$1$)! Lebe droben, o Vaterland ( 8,/, *$0 !$/'+34, " +".,!$),

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Und zähle nicht die Toten (, !' (#,*$2 0'+*/53)! Dir ist (*'9' = +$., *'9%),

Liebes (7<9,0$%)! nicht einer zu viel gefallen (!,  ".,!  !'  &$7  (7,1-"0  = (/'+3 

!'"93".,0"6" = «05 :$ ;'!"2 !' &"(*",0»: fallen – %+4+($, %+'($).

Der Tod fürs Vaterland

Du kömmst, o Schlacht! schon wogen die Jünglinge

Hinab von ihren Hügeln, hinab ins Tal,

Wo keck herauf die Würger dringen,

Sicher der Kunst und des Arms, doch sichrer

Kömmt über sie die Seele der Jünglinge,Denn die Gerechten schlagen, wie Zauberer,

Und ihre Vaterlandsgesänge

Lähmen die Kniee den Ehrelosen.

O nimmt mich, nimmt mich mit in die Reihen auf,

Damit ich einst nicht sterbe gemeinen Tods!

Umsonst zu sterben, lieb ich nicht, doch

Lieb ich, zu fallen am Opferhügel

Fürs Vaterland, zu bluten des Herzens Blut

Fürs Vaterland – und bald ist’s geschehn! Zu euch,

Ihr Teuern! komm ich, die mich leben

Lehrten und sterben, zu euch hinunter!

Wie oft im Lichte dürstet ich euch zu sehn,

Ihr Helden und ihr Dichter aus alter Zeit!

Nun grüßt ihr freundlich den geringen

Fremdling und brüderlich ist's hier unten;

Und Siegesboten kommen herab: Die Schlacht

Ist unser! Lebe droben, o Vaterland,

Und zähle nicht die Toten! Dir ist,

Liebes! nicht einer zu viel gefallen.

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Hyperions Schicksalslied (D,&'+,"!"/$ &'(!) (4.)95; das Schicksal; das Lied )

Ihr wandelt droben im Licht (/5 &+"3".,*', 1'(*/4'*' *$0 !$/'+34 / (/'*' = / (,%!,, 

(/'*$: das Licht )  Auf weichem Boden, selige Genien (&" 0%6-"2 &"#/' = &" *+$/', 97$8'!!5' 6'!,, =

.43,)!

Glänzende Götterlüfte (97'(*%>,', (,%<>,'  9"8'(*/'!!5'  .4!"/'!,%, &"*"-, 

/":.43$: die Luft – 1"34,? ) 

Rühren euch leicht (-$($<*(% /$( 7'6-"),

Wie die Finger der Künstlerin ((7"/!" &'+(*5 04:5-$!*1,; der Finger; die Kunst

 – )';,''(1"; der Künstler –  ?,4"8!);  / #&/"1&;  )';,''(1+ / ) Heilige Saiten ((/%>'!!53 (*+4!: die Saite).

Schicksallos, wie der schlafende (c/"9".!5' "* (4.)95, (7"/!" (&%>,2) 

Säugling, atmen die Himmlischen (07$.'!';, .51$* !'9'(!5'; saugen – '"'+($; der

Säugling – '"',!"; );

Keusch bewahrt (;'7"04.+'!!" ("3+$!%'05') 

In bescheidener Knospe (/ (-+"0!"2 &"#-'),

Blühet ewig (;/'*'* /'#!") 

Ihnen der Geist (,0 = .7% !,3 .43),

Und die seligen Augen (, 97$8'!!5' 67$:$) 

Blicken in stiller ((0"*+%* / *,3"2) 

Ewiger Klarheit (/'#!"2 %(!"(*, = ,(&"7!'!!5' 9':0"7/!"2, /'#!"2 

%(!"(*,).

Doch uns ist gegeben (!" !$0 /!'/ .$!"),

 Auf keiner Stätte zu ruhn (!,6.': «!, !$ ".!"0 0'(*'» &"-",*)(%, "*."3!4*)),

Es schwinden, es fallen (&+"&$.$<*, &$.$<*; schwinden – ,-&!$5+($'< ; )'#&3+($) 

Die leidenden Menschen ((*+$.$<>,' 7<.,) 

Blindlings von einer ((7'&", !$46$. "* ".!"6") 

Stunde zur andern (#$($ -  .+46"04 = ( -$8.50 #$("0),

Wie Wasser von Klippe (-$-  /".$ ( 4*'($, (" (-$75) 

Zu Klippe geworfen (!$  (-$74  9+"1'!!$%, 9+"($'0$%: werfen-warf-

geworfen),

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Jahr lang ins Ungewisse hinab (/'() 6".: «/ *'#'!,' //('6"/ 6".$» /!,:,

/ !',:/'(*!"').

Hyperions Schicksalslied

Ihr wandelt droben im Licht

Auf weichem Boden, selige Genien!

Glänzende Götterlüfte

Rühren euch leicht,

Wie die Finger der Künstlerin

Heilige Saiten.

Schicksallos, wie der schlafende

Säugling, atmen die Himmlischen;

Keusch bewahrt

In bescheidener Knospe,

Blühet ewig

Ihnen der Geist,

Und die seligen Augen

Blicken in stiller

Ewiger Klarheit.

Doch uns ist gegeben,

Auf keiner Stätte zu ruhn,

Es schwinden, es fallen

Die leidenden Menschen

Blindlings von einer

Stunde zur andern,

Wie Wasser von Klippe

Zu Klippe geworfen,

Jahr lang ins Ungewisse hinab.

Hälfte des Lebens (&"7"/,!$  8,:!,)

Mit gelben Birnen hänget (/(/  8'7*50,/ 6+41$0, c/,($'*: die Birne) 

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Und voll mit wilden Rosen (&"7!$% .,-,3 +":) 

Das Land in den See (:'07%/0'(*!"(*) – / ":'+"),

Ihr holden Schwäne (" /5, 0,75', #4.!5' 7'9'.,: der Schwan),

Und trunken von Küssen (, "&)%!'!!5' &";'74%0,: der Kuss; küssen – *&/"1+($) 

Tunkt ihr das Haupt ("-4!$'*' /5 67$/4: tunken – ";,!+($, -+;+($) Ins heilignüchterne Wasser (/ (/%>'!!"-*+':/'!!4< /".4; heilig; nüchtern).

Weh mir (6"+' 0!'), wo nehm ich (6.' % /":)04), wenn (-"6.$) 

Es Winter ist (94.'* :,0$), die Blumen (;/'*5: die Blume), und wo (, 6.') 

Den Sonnenschein (("7!'#!52 (/'*: die Sonne + der Schein; scheinen – '1&()($),

Und Schatten der Erde (, *'!, :'07,: der Schatten)?

Die Mauern stehn ((*'!5 (*"%*: die Mauer – '(&!+ / 2"0"4';+<  /, "20+4+) 

Sprachlos (9'((7"/'(!", !'0"  = !'05'; die Sprache –  0&#$)  und kalt (,  3"7".!", , 3"7".!5'), im Winde (!$ /'*+4: der Wind ) 

Klirren die Fahnen (c-+,&%*  @7<6'+$: die Fahne – 3!+-< , B/+2; B/=2&0  = die

Wetterfahne – B/=2&0).

Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget

Und voll mit wilden Rosen

Das Land in den See,

Ihr holden Schwäne,

Und trunken von Küssen

Tunkt ihr das Haupt

Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

Den Sonnenschein,

Und Schatten der Erde?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.

Clemens Brentano (1778 – 1842) 

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Es leben die Soldaten

Es leben die Soldaten ( 8,/4* ('9' ("7.$*5),

So recht von Gottes Gnaden (*$-  /"*, &" H"8)'2 0,7"(*,: die Gnade; recht – %0+16A;

1%"/!&),Der Himmel ist ihr Zelt (!'9" – ,3 1$*'+, &$7$*-$: das Zelt ),

Ihr Tisch das grüne Feld (,3 (*"7 – :'7'!"' &"7': der Tisch).

Ihr Bette ist der Rasen (,3 &"(*'7)  – *+$/$: der Rasen – (0+1+,  /,8+A;+, 3+0"'5+<  

(0+1"A; 2+3"! ),

Trompeter müssen blasen (*+49$#, ."78!5 *+49,*): «.4*)»; die Trompete – (0,.+),

Guten Morgen (."9+"' 4*+"), gute Nacht ((&"-"2!"2 !"#,),

Dass man mit Lust erwacht (#*"95  &+"(!4*)(%, #*"95  &+"(5&$7,()  (   8'7$!,'0 /&+"8,*) !"/52 .'!)/: die Lust –  8&/+!)&, "?"(+; wach – ."40'(1,=>)A).

Ihr Wirtsschild ist die Sonne (,3  *+$-*,+!$%  /5/'(-$  – ("7!;': der Wirt –  ?"3<)!  

 / (0+;()0+ / + das Schild; die Wirtschaft –  ?"3<A'(1"; (0+;()0),

Ihr Freund die volle Tonne (,3 .+46 – &"7!$% 9"#-$),

Ihr Schlafbuhl ist der Mond (,3 7<9"/!,-  = /":7<97'!!$% – 74!$, 0'(%;; der Schlaf –

'"!  + der Buhle – 1"3/=./&!!6A; die Buhle – 1"3/=./&!!+<  / %&01"!+#+/$!": 4&(';"& 

'/"1", "."3!+#+=>&& ./)3;"2" #&/"1&;+ / ),

Der in der Sternschanz wohnt (-"*"+52   8,/'*  /  :/':.!"0  "-"&': der Stern + die

Schanze – 5+!&*, 3&-/<!"& ,;0&%/&!)&, ";"% ).

Die Sterne haben Stunden (4 :/':. '(*) #$(5: die Stunde – #+' ),

Die Sterne haben Runden (-+46,: die Runde – ;0,2 / 10+>&!)<  /; %+(0,/$, 4"3"0) 

Und werden abgelöst (,  ,3  (0'!%<*: «(0'!%<*(%»; lösen – "'1"."84+($,

 0+31<361+($; ablösen – '-&!<($ / !+ %"'(,  / ),

Drum Schildwacht sei getröst (&"=*"04, &"(*"/"2, !'  /"7!42(%: «94.)  4*'1'!»: der

Schild – >)( + die Wacht – ;+0+,/ , "?0+!+, 1+?(+; trösten – ,(&5+($).

Wir richten mit dem Schwerte (05  //('/ 47$8,/$'0  0'#"0: das Schwert; richten –

!+%0+1/<($; %0)1"4)($ 1 %"0<4"; ; ',4)($; ;+3!)($),

Der Leib gehört der Erde (*'7" &+,!$.7'8,* :'07'),

Die Seel’ dem Himmelszelt (.41$  – !'9'(!"04  1$*+4, !'9"(/".4: die Seele; der

Himmel + das Zelt ),

Der Rock bleibt in der Welt (04!.,+ "(*$'*(% / 0,+', / 0,+4).

Wer fällt (-*" &$.$'*, -*" &$.'*), der bleibet liegen (*"* "(*$'*(% 7'8$*)),

Wer steht (-*" (*",*), der kann noch siegen (*"* 0"8'* '>' &"9'.,*)),

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Wer übrig bleibt (-*"  4;'7''*: «"(*$!'*(%  /  ,:7,1-'»; übrig – / )3 /  /)5!)A,

"'(+15)A'< ), hat Recht (*"* &+$/: das Recht – %0+1"),

Und wer entflieht ($ -*" (&$($'*(% 9'6(*/"0), ist schlecht (*"* &7"3).

Zum Hassen oder Lieben (-  !'!$/,(*, ,7, 7<9/,) 

Ist alle Welt getrieben (6"!,0, !$&+$/7%'0  /'() 0,+: treiben – 2!+($, %0)1"4)($  1 41)8&!)&; getrieben sein – .6($ 2"!)-6- , %"2"!<&-6- ),

Es bleibet keine Wahl (!' "(*$'*(% /59"+$),

Der Teufel ist neutral (/$/ #'+*  – !'2*+$7'!, ("97<.$'*  !'2*+$7,*'*, #'+*4  /(' 

9':+$:7,#!").

Bedienet uns ein Bauer ('(7, !$( "9(748,/$'*, !$0 &+,(748,/$'* -+'(*)%!,!; dienen

 – '/,8)($),

So schmeckt der Wein fast sauer (*"  /,!" !$0  -$8'*(%  &"#*,  -,(750: schmecken –)-&($ 1;,' ; .6($ 1;,'!6- ) 

Doch ist's ein schöner Schatz (!" '(7, =*" -+$("*-$; der Schatz – '";0"1)>&;  /=.)-+< ) 

So kriegt sie einen Schmatz (*"  "!$  &"74#,*  &";'742: der Schmatz – / 31"!;)A,

'-+#!6A / %"*&/,A).

Es leben die Soldaten

Es leben die Soldaten,

So recht von Gottes Gnaden,

Der Himmel ist ihr Zelt,

Ihr Tisch das grüne Feld.

Ihr Bette ist der Rasen,

Trompeter müssen blasen,

Guten Morgen, gute Nacht,

Dass man mit Lust erwacht.

Ihr Wirtsschild ist die Sonne,

Ihr Freund die volle Tonne,

Ihr Schlafbuhl ist der Mond,

Der in der Sternschanz wohnt.

Die Sterne haben Stunden,

Die Sterne haben Runden

Und werden abgelöst,

Drum Schildwacht sei getröst.

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Wir richten mit dem Schwerte,

Der Leib gehört der Erde,

Die Seel’ dem Himmelszelt,

Der Rock bleibt in der Welt.

Wer fällt, der bleibet liegen,Wer steht, der kann noch siegen,

Wer übrig bleibt, hat Recht,

Und wer entflieht, ist schlecht.

Zum Hassen oder Lieben

Ist alle Welt getrieben,

Es bleibet keine Wahl,

Der Teufel ist neutral.Bedienet uns ein Bauer,

So schmeckt der Wein fast sauer

Doch ist's ein schöner Schatz

So kriegt sie einen Schmatz.

Die Abendwinde wehen

Die Abendwinde wehen (/'#'+!,' /'*+5 .4<*, /'<*: der Wind ),

Ich muss zur Linde gehen (0!' !48!" ,.*, = ,.4 &"!'/"7', !'3"*% -  7,&'),

Muss einsam weinend stehen (."78'! ".,!"-" &7$#$ (*"%*)),

Es kommt kein Sternenschein (!' &+,3".,* (/'* :/':. = !' (/'*%* :/':.5: der Stern –

31&34+; der Schein – '1&();

Die kleinen Vöglein sehen (0$7'!)-,' &*,#-, (0"*+%*: der Vogel – %()*+) 

Betrübt zu mir und flehen (6"+'(*!", ":$9"#'!!" !$ 0'!%: «-" 0!'» , 0"7%* =  8$7"9!" 

&"<*, (7"/!" 40"7%<*; trübe – -0+#!6A; %+'-,0!6A),

Und wenn sie schlafen gehen ($ -"6.$ "!, ,.4* (&$*) = :$(5&$<*, (0"7-$<*),

Dann wein’ ich ganz allein (*"6.$ % &7$#4 ("/('0 ".,!)!

»Ich hör’ ein Sichlein rauschen (%  (7514, -$-  140,*, 1'7'(*,*  ('+&; die Sichel –

'&0% ),

Wohl rauschen durch den Klee (&"  -7'/'+4; wohl – ,(1&04)(&/$!+<   ) 

,')/)(&/$!+<  #+'()*+, «1")'()!, »),

Ich hör’ ein Mägdlein klagen ((7514, -$-   8$74'*(%, &+,#,*$'* .'/41-$) 

Von Weh, von bitterm Weh (" 04-', " 6"+)-"2 04-': das Weh)!«

Page 41: 100 German Poems

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Ich soll ein Lied dir singen (% ."78'! (&'*) *'9' &'(!<),

Ich muss die Hände ringen (0!' &+,3".,*(% = "(*$'*(% *"7)-" 7"0$*) +4-,: die Hand;

ringen – ."0"($'< ; 16;0,#)1+($, 168)-+($ / .&/$& – die Wäsche/; die Hände ringen –

 /"-+($ / 1 "(#+<!)) /  0,;)),Das Herz will mir zerspringen (('.;' 3"#'* 4 0'!%: «0!'» +$(-"7"*)(%, +$:"+/$*)(%) 

In bittrer Tränenflut (/  6"+)-"0  &"*"-'  (7':: die Träne – '/&3+; die Flut – %"("; ,

!+1"4!&!)&),

Ich sing’ und möchte weinen (% &"<, $ 3"#4 &7$-$*)),

So lang der Mond mag scheinen (." *'3 &"+, &"-$ '>' (/'*,*: «0"8'* (/'*,*)» 74!$),

Sehn’ ich mich nach der Einen (% *"(-4< &" J.!"2),

Bei der mein Leiden ruht (&".7' -"*"+"2 0"' (*+$.$!,' &"-",*(% = 4(&"-$,/$'*(%)!»Ich hör ein Sichlein rauschen etc .«

Mein Herz muss nun vollenden (0"'  ('+.;'  ."78!"  *'&'+), ('2#$(  :$/'+1,*),

,(&"7!,*): vollenden = zu vollem Ende bringen; voll – %"/!6A + das Ende – ;"!&*),

Da sich die Zeit will wenden (&"(-"7)-4  /+'0%  3"#'*, ("9,+$'*(%  &"/'+!4*)  =

&"(-"7)-4 /+'0% /"*-/"* ,:0'!,*(%),

Es fällt mir aus den Händen (4 0'!% ,: +4-  /5&$.$'*) 

Der letzte Lebenstraum (&"(7'.!,2  8,:!'!!52 ("!; 0'#*$ 0"'2  8,:!,).

Entsetzliches Verschwenden (48$(!"' +$(*"#,*'7)(*/") 

In allen Elementen (/" /('0; das Element – '()?)< ),

Musst’ ich den Geist verpfänden (0!'  &+,17"()  :$7"8,*), "*.$*)  /  :$7"6  .43; das

Pfand – 3+/"2),

Und alles war nur Schaum (, /(' 957" 7,1) &'!"2: der Schaum)!

»Ich hör ein Sichlein rauschen etc .«

Was du mir hast gegeben (*"6", #*" *5 0!' .$7$),

Genügt ein ganzes Leben (."(*$*"#!", #*"95 /(<: «;'74<»  8,:!)) 

Zum Himmel zu erheben (-  !'94 /":!'(*,; heben – %"4!)-+($; der Himmel );

O sage, ich sei dein (" (-$8,, #*" % */"2)!

Da kehrt sie sich mit Schweigen (*4* "!$ "*/"+$#,/$'*(% / 0"7#$!,,) 

Und gibt kein Lebenszeichen (, !' &".$'* &+,:!$-$  8,:!,: das Leben –  8)3!$ + das

Zeichen – 3!+; ),

Da musste ich erbleichen (*4* % !'/"7)!" &"97'.!'7; bleich – ./&4!6A),

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Mein Herz ward wie ein Stein (0"' ('+.;' (*$7" -$-  -$0'!), &"."9!" -$0!<: der Stein;

ward = wurde).

»Ich hör ein Sichlein rauschen etc .«

Heb Frühling jetzt die Schwingen (/:0$3!,, /'(!$, (/",0,  -+57$0,; die Schwinge –;06/" / ."/$5"A %()*6  /; heben – %"4!)-+($),

Lass kleine Vöglein singen (&4(*) 0$7'!)-,' &*,#-, &"<*; &+,-$8,, &":/"7) ,0 &'*)),

Lass Blümlein aufwärts dringen (&4(*) ;/'*"#-, &+"9,/$<*(% //'+3: «/&'+'.»),

Süß Lieb geht durch den Hain (0,7$%: «(7$."(*!$% 7<9"/)» ,.'* &" +">').

Ich musst’ mein Herz bezwingen (0!'  &+,17"()  4(0,+,*)  ('+.;'; zwingen –

%0)!,84+($),

Muss alles niederringen (&+,3".,*(% /(' &".$/7%*)),Darf nichts zu Tage bringen (!,#'6" !'7):% "9!$+48,/$*)),

Wir waren nicht allein (05 957, !' ".!,)!

»Ich hör ein Sichlein rauschen etc .«

Wie soll ich mich im Freien (-$-  % ."78'! /95/ !$ /"7') 

 Am Sonnenleben freuen (+$."/$*)(%  ("7!'#!"2   8,:!,, !$(7$8.$*)(%  ("7!'#!"2 

 8,:!)<),

Ich möchte laut aufschreien (0!' 3"*'7"() 95 6+"0-" /(-+,-!4*), :$-+,#$*); schreien –

;0)#+($),

Mein Herz vergeht vor Weh (0"' ('+.;' ,:!5/$'*, 6,9!'* "* 9"7,, 04-,)!

Dass ich muss alle Tränen (#*" 0!' &+,3".,*(% /(' (7':5),

 All Seufzen und all Sehnen (/(' /:."3,: «/(' /:.53$!,'» , /(< *"(-4, /(' /(*+$(*!"'/

(*+'07'!,') 

Von diesem Bild entlehnen (".$78,/$*), :$,0(*/"/$*) 4 =*"2 -$+*,!5, =*"6" "9+$:$:

das Bild ),

Dem ich zur Seite geh’ (/":7' -"*"+"6" % ,.4; die Seite – ."; , '("0"!+)!

»Ich hör ein Sichlein rauschen etc .«

Wenn du von deiner Schwelle (-"6.$ *5 "* (/"'6" &"+"6$) 

Mit deinen Augen helle (*/",0, (/'*750, 67$:$0, = */",0 (/'*750 /:"+"0: das Auge),

Wie letzte Lebenswelle (c7"/!" &"(7'.!%% /"7!$  8,:!,: die Welle) 

Zum Strom der Nacht mich treibst (-  &"*"-4 !"#, 0'!% 6"!,1): der Strom),

Da weiß ich, dass sie Schmerzen (*"6.$ % :!$<, #*" "!, 04-,: der Schmerz – ."/$) 

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Gebären meinem Herzen (+"8.$<* .7% 0"'6" ('+.;$: «0"'04 ('+.;4»: das Herz ) 

Und löschen alle Kerzen (, 6$(%* /(' (/'#,: die Kerze),

Dass du mir leuchtend bleibst (#*"95  *5  "(*$/$7$()  .7% 0'!%  (,%<>'2; leuchten –

'1&()($'< , ')<($)!

»Ich hör’ ein Sichlein rauschen,Wohl rauschen durch den Klee,

Ich hör’ ein Mägdlein klagen

Von Weh, von bitterm Weh!«

Die Abendwinde wehen

Die Abendwinde wehen,Ich muss zur Linde gehen,

Muss einsam weinend stehen,

Es kommt kein Sternenschein;

Die kleinen Vöglein sehen

Betrübt zu mir und flehen,

Und wenn sie schlafen gehen,

Dann wein’ ich ganz allein!

»Ich hör’ ein Sichlein rauschen,

Wohl rauschen durch den Klee,

Ich hör’ ein Mägdlein klagen

Von Weh, von bitterm Weh!«

Ich soll ein Lied dir singen,

Ich muss die Hände ringen,

Das Herz will mir zerspringen

In bittrer Tränenflut,

Ich sing’ und möchte weinen,

So lang der Mond mag scheinen,

Sehn’ ich mich nach der Einen,

Bei der mein Leiden ruht!

»Ich hör ein Sichlein rauschen etc .«

Mein Herz muss nun vollenden,

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Da sich die Zeit will wenden,

Es fällt mir aus den Händen

Der letzte Lebenstraum.

Entsetzliches Verschwenden

In allen Elementen,Musst’ ich den Geist verpfänden,

Und alles war nur Schaum!

»Ich hör ein Sichlein rauschen etc .«

Was du mir hast gegeben,

Genügt ein ganzes Leben

Zum Himmel zu erheben;O sage, ich sei dein!

Da kehrt sie sich mit Schweigen

Und gibt kein Lebenszeichen,

Da musste ich erbleichen,

Mein Herz ward wie ein Stein.

»Ich hör ein Sichlein rauschen etc .«

Heb Frühling jetzt die Schwingen,

Lass kleine Vöglein singen,

Lass Blümlein aufwärts dringen,

Süß Lieb geht durch den Hain.

Ich musst’ mein Herz bezwingen,

Muss alles niederringen,

Darf nichts zu Tage bringen,

Wir waren nicht allein!

»Ich hör ein Sichlein rauschen etc .«

Wie soll ich mich im Freien

Am Sonnenleben freuen,

Ich möchte laut aufschreien,

Mein Herz vergeht vor Weh!

Dass ich muss alle Tränen,

All Seufzen und all Sehnen

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Von diesem Bild entlehnen,

Dem ich zur Seite geh’!

»Ich hör ein Sichlein rauschen etc .«

Wenn du von deiner SchwelleMit deinen Augen helle,

Wie letzte Lebenswelle

Zum Strom der Nacht mich treibst,

Da weiß ich, dass sie Schmerzen

Gebären meinem Herzen

Und löschen alle Kerzen,

Dass du mir leuchtend bleibst!»Ich hör’ ein Sichlein rauschen,

Wohl rauschen durch den Klee,

Ich hör’ ein Mägdlein klagen

Von Weh, von bitterm Weh!«

Sprich aus der Ferne

Sprich aus der Ferne (6"/"+, ,: .$7,, ,:.$7,) 

Heimliche Welt (*$,!(*/'!!52 0,+),

Die sich so gerne (-"*"+52 (*"7) "3"*!") 

Zu mir gesellt (-"  0!'  &+,("'.,!%'*(%, ("  0!"2  "9>$'*(%, «("(*$/7%'*  0!' 

"9>'(*/"»).

Wenn das Abendrot niedergesunken (-"6.$  :$-$*  "&4(*,7(%, -$!47; nieder – 1!)3;

sinken-sank-gesunken – "%,';+($'< , ("!,($, 3+?"4)($ / " '1&()/+?  / ),

Keine freudige Farbe mehr spricht (!,-$-$% +$."(*!$% -+$(-$ 9"7)1' !' 6"/"+,*),

Und die Kränze still leuchtender Funken (, /'!-, /,:/ *,3" /9'(140!"/ (/'*%>,3(% ,(-+:

der Kranz; der Funke) 

Die Nacht um die schattigte Stirne flicht (!"#) &7'*'* /"-+46 :$*'!'!!"6" 79$: flechten-

flocht-geflochten; der Schatten – (&!$):

Wehet der Sterne (/''*, ."!"(,*(% .4!"/'!,'0 :/':.I) 

Heiliger Sinn (I(/%>'!!52 (05(7) 

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Leis durch die Ferne (*,3"  (-/":)  .$7); leise – ()?"  / !&20"-;" /; still – ()?" 

 / .&'5,-!" / ) 

Bis zu mir hin (-" 0!': «/&7"*) ." 0'!%»).

Wenn des Mondes still lindernde Tränen (-"6.$ 74!5  *,3" (0%6#$<>,'  /9"7)/ (7':5:der Mond; die Träne; lind – -<2;)A, (&%/6A; ;0"(;)A, !&8!6A; lindern – '-<2#+($) 

Lösen der Nächte verborgenes Weh (+$:+'1$<*  !"#'2  4*$'!!4<  9"7): lösen –

 0+31<361+($,  0+30&5+($; verbergen-verbarg-verborgen – ';061+($);

Dann wehet Friede (*"6.$ /''* 0,+/&"-"2: der Friede). In goldenen Kähnen (/ :"7"*53 

#'7!$3: der Kahn) 

Schiffen die Geister im himmlischen See (&75/4* .43, / !'9'(!"0 ":'+': der See).

Glänzender Lieder (97,(*$<>,3 &'('!: das Lied ) 

Klingender Lauf (:/4#$>,2 /:/"!-,2/ 9'6) 

Ringelt sich nieder (/-"7'#-$0,/ (&4(-$'*(%, /)'*(%  /!,:: der Ringel – ;0,8"; ,

;"/&#;", 3+1)("; ; der Ring – ;"/$*"),

Wallet hinauf (/:0'*$'*(% //'+3; wallen – .,0/)($, ;)%&($, 1"/!"1+($'< ).

Wenn der Mitternacht heiliges Grauen (-"6.$ &"7!"#, (/%>'!!52 (40+$- : «('+"(*)») 

Bang durch die dunklen Wälder hinschleicht (&467,/" -+$.'*(% (-/":) *'0!5' 7'($: der

Wald ),

Und die Büsche gar wundersam schauen (,  -4(*5 /'()0$  /(*"7)/ #4.'(!", !'"95#!" 

(0"*+%*: der Busch),

 Alles sich finster tiefsinnig bezeugt (/(' /5-$:5/$'* ('9% «0+$#!"-6749"-"05(7'!!50»

= 0+$#!50 , ,(&"7!'!!50  6749"-"6"  (05(7$; der Zeuge – '1)4&(&/$; bezeugen –

'1)4&(&/$'(1"1+($, %"4(1&084+($, ,4"'("1&0<($; tief – 2/,.";)A):

Wandelt im Dunkeln (9+'.'*, 1'(*/4'* / *'0!"*') 

Freundliches Spiel (.+48'(*/'!!$%, .+48'7<9!$% ,6+$),

Still Lichter funkeln (9':0"7/!" ,(-+%*(% "6!,: das Licht – '1&() 

Schimmerndes Ziel (/4-$:5/$%/ 0'+;$<>4< ;'7)).

 Alles ist freundlich wohlwollend verbunden (/(' .+48'7<9!" 97$6"8'7$*'7)!" (/%:$!":

verbinden-verband-verbunden; wohl –  ?"0"5"),

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Bietet sich tröstend und traurend die Hand (&+'.7$6$'*  4*'1$<>'  ,  &'#$7%() 

/("#4/(*/4%/ +4-4; traurig – %&#+/$!6A; trauern – %&#+/)($'< ),

Sind durch die Nächte die Lichter gewunden ('(7, (-/":) !"#, (&7'*'!5 "6!,: winden-

wand-gewunden – -"(+($, !+-+(61+($; '%/&(+($),

 Alles ist ewig im Innern verwandt (/(' /'#!"  «/" /!4*+'!!'0» = / (/"'2 /!4*+'!!'2 (4>!"(*, +".(*/'!!" /verwandt – "( winden/ ).

Sprich aus der Ferne

Heimliche Welt,

Die sich so gerne

Zu mir gesellt.

Sprich aus der Ferne

Sprich aus der Ferne

Heimliche Welt,

Die sich so gerne

Zu mir gesellt.

Wenn das Abendrot niedergesunken,

Keine freudige Farbe mehr spricht,

Und die Kränze still leuchtender Funken

Die Nacht um die schattigte Stirne flicht:

Wehet der Sterne

Heiliger Sinn

Leis durch die Ferne

Bis zu mir hin.

Wenn des Mondes still lindernde Tränen

Lösen der Nächte verborgenes Weh;

Dann wehet Friede. In goldenen Kähnen

Schiffen die Geister im himmlischen See.

Glänzender Lieder

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Klingender Lauf

Ringelt sich nieder,

Wallet hinauf.

Wenn der Mitternacht heiliges GrauenBang durch die dunklen Wälder hinschleicht,

Und die Büsche gar wundersam schauen,

Alles sich finster tiefsinnig bezeugt:

Wandelt im Dunkeln

Freundliches Spiel,

Still Lichter funkelnSchimmerndes Ziel.

Alles ist freundlich wohlwollend verbunden,

Bietet sich tröstend und traurend die Hand,

Sind durch die Nächte die Lichter gewunden,

Alles ist ewig im Innern verwandt.

Sprich aus der Ferne

Heimliche Welt,

Die sich so gerne

Zu mir gesellt.

Schwanenlied (7'9'.,!$% &'(!%: der Schwan + das Lied )

Wenn die Augen brechen (-"6.$ 67$:$ :$-$*5/$<*(%: das Auge; brechen –  /"-+($'< ,

 0+3.)1+($'< ; ,2+'+($, '(&;/&!&($ / " 132/<4& / ),

Wenn die Lippen nicht mehr sprechen (-"6.$ 4(*$: «6495» 9"7)1' !' 6"/"+%*),

Wenn das pochende Herz sich stillet (-"6.$ (*4#$>'' ('+.;' (*,3$'*, 4(&"-$,/$'*(%) 

Und der warme Blutstrom nicht mehr quillet (,  6"+%#,2  &"*"-   -+"/,  9"7)1'  !'  9)'* 

-7<#"0, !'  &+"9,/$'*(%; das Blut – ;0"1$; quillen – .)($  ;/=#"- ; %0".)1+($'< ,

%0"'+#)1+($'< ; !+.,?+($):

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O dann sinkt der Traum zum Spiegel nieder (", *"6.$  (!"/,.'!,'  (!"/$  !,-!'*:

«"&4(-$'*(%  /!,:» -   :'+-$74  /":'+$/: der Spiegel; sinken – "%,';+($'< ; ("!,($;

3+?"4)($ / " '1&()/+?  / ),

Und ich hör’ der Engel Lieder wieder (, % (7514 $!6'7"/ &'(!, (!"/$),

Die das Leben mir vorüber trugen (-"*"+5'  &+"!'(7, 0,0" 0'!%  8,:!): tragen-trug-getragen),

Die so selig mit den Flügeln schlugen (-"*"+5' *$-  97$8'!!" 9,7, -+57$0,: der Flügel;

schlagen-schlug-geschlagen) 

 Ans Geläut der keuschen Maiesglocken (&"  -"7"-"7$0  !'/,!!53  0$2(-,3 

-"7"-"7)#,-"/; die Glocke – ;"/";"/ ; läuten – 31"!)($; 31&!&($; der Laut – 31,; ; das

Geläut – 31"! ; ;"/";"/+),

Dass sie all die Vöglein in den Tempel locken (#*" "!, :$0$!,7, /('3 &*,; / 3+$0: derVogel ),

Die so süße wildentbrannte Psalmen sangen (-"*"+5' &'7, (*"7) (7$."(*!5'  «.,-"-

/(&53!4/1,'» = ,:  ('+.;$  !'/"7)!"  /5+/$/1,'(%  &($705: wild – 4);)A, .,A!6A,

!&%";"0!6A; brennen-brannte-gebrannt – 2"0&($; entbrennen – 3+2"0+($'< ,

1'%6?)1+($; singen-sang-gesungen – %&($):

Dass die Liebe und die Lust so brünstig rangen (*$-   #*"  7<9"/)  ,   8'7$!,'  (*"7) 

(*+$(*!", &57-"  9"+"7,(): ringen-rang-gerungen; die Brunst – '(0+'($, %"?"($;

 / ,'(./ %"8+0),

Bis das Leben war gefangen und empfangen (&"-$  8,:!)  /!'/ 957$ &"20$!$ , :$#$*$:

«&+,!%*$»: fangen-fing-gefangen –  /"1)($, %"A-+($; empfingen – %0)!)-+($,

%"/,#+($; 3+#+($);

Bis die Blumen blühten (&"-$ /!'/ :$;/'7, ;/'*5);

Bis die Früchte glühten (&"-$ /!'/ :$+.'7, &7".5: die Frucht; glühen – %6/+($),

Und gereift zum Schoß der Erde fielen (, (":+'/, (":+'/1,', /!'/ 4&$7, !$ 7"!" :'07,;

reif – 30&/6A; der Schoß –  /"!"; fallen-fiel-gefallen – %+4+($),

Rund und bunt zum Spielen (-+4675'  ,  &'(*+5', +$:!";/'*!5'  – .7%  ,6+5  = 3"*) 

,6+$2 ,0,; -$-  /'('75' 1$+,-,);

Bis die goldnen Blätter an der Erde rauschten (&"-$ :"7"*5' 7,(*)%  /!'/ :$14+1$7, 4 

/($0"2/ :'07,: das Blatt ),

Und die Wintersterne sinnend lauschten (, :,0!,' :/':.5 :$.40#,/" /!'/ :$(741$7,(),

/!'/ (*$7, &+,(741,/$*)(%),

Wo der stürmende Sämann hin sie säet (-4.$ 94+!52 ('%*'7) ,3 /&"/(''*; der Sturm –

.,0< ; 5("0- ; stürmen – !+.0+'61+($'< , +(+;"1+($; !&'()'$, ,'(0&-/<($'< ),

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Dass ein neuer Frühling schön erstehet (#*"95  &+'-+$(!"  /":!,-7$, #*"95  3"+"1" 

0"67$ /":+".,*)(% !"/$% /'(!$: erstehen – 1"3!);+($, %"<1/<($'< ; 1"30"84+($'< ,

1"';0&'+($).

Stille wird’s, es glänzt der Schnee am Hügel (*,3" (*$!"/,*(%, !$ 3"70' 97'(*,* (!'6:

der Hügel ) Und ich kühl’ im Silberreif den schwülen Flügel (,  %  "37$8.$<  /  ('+'9+%!"0  ,!'' 

 8$+-"' -+57" =  8$+-,' -+57)%: der Reif – )!&A; schwül –  8+0;)A, 4,5!6A),

Möcht’ ihn hin nach neuem Frühling zücken (3"*'7 95 '6" 4(*+'0,*): «.'+!4*)» -  !"/"2 

/'(!'),

Da erstarret mich ein kalt Entzücken (/!"/ *4* ;'&'!,* 0'!% 37$.!52 /"(*"+6; starr –

3+'(615)A, !&%"41)8!6A, "*&%&!&15)A) –

Es erfriert mein Herz, ein See voll Wonne (:$0'+:$'* 0"' ('+.;', ":'+" 97$8'!(*/$)  Auf ihm gleitet still der Mond und sanft die Sonne (&"  !'04: «!$  !'0» 9':0"7/!" 

(-"7):,* 0'(%; , !'8!", 0%6-", &7$/!" – c"7!;') 

Unter den sinnenden, denkenden, klugen Sternen (&".  :$.40#,/50,, 05(7%>,0,,

40!50, :/':.$0,) 

Schau’ ich mein Sternbild an in Himmelsfernen (% (0"*+< !$ (/"' (":/':.,'/:/':.!"' 

"*+$8'!,'  /  !'9'(!53  .$7%3; die Ferne – 4+/$; fern – 4+/&;"; das Sternbild –

'"31&34)&; das Spiegelbild – "(0+8&!)&);

 Alle Leiden sind Freuden, alle Schmerzen scherzen (/(' (*+$.$!,% (4*) +$."(*,, /(' 

9"7, 14*%* = ,6+$<*; das Leid; die Freude; der Schmerz ) 

Und das ganze Leben singt aus meinem Herzen (,  /(%  8,:!),  8,:!)  /  ;'7"0  &"'*,

,(3".,* &'(!'2 ,: 0"'6" ('+.;$: das Herz ):

Süßer Tod, süßer Tod ((7$."(*!$% (0'+*)) 

Zwischen dem Morgen- und Abendrot (0'8.4 4*+'!!'2 , /'#'+!'2 :$+'2).

Schwanenlied

Wenn die Augen brechen,

Wenn die Lippen nicht mehr sprechen,

Wenn das pochende Herz sich stillet

Und der warme Blutstrom nicht mehr quillet:

O dann sinkt der Traum zum Spiegel nieder,

Und ich hör’ der Engel Lieder wieder,

Die das Leben mir vorüber trugen,

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Die so selig mit den Flügeln schlugen

Ans Geläut der keuschen Maiesglocken,

Dass sie all die Vöglein in den Tempel locken,

Die so süße wildentbrannte Psalmen sangen:

Dass die Liebe und die Lust so brünstig rangen,Bis das Leben war gefangen und empfangen;

Bis die Blumen blühten;

Bis die Früchte glühten,

Und gereift zum Schoß der Erde fielen,

Rund und bunt zum Spielen;

Bis die goldnen Blätter an der Erde rauschten,

Und die Wintersterne sinnend lauschten,Wo der stürmende Sämann hin sie säet,

Dass ein neuer Frühling schön erstehet.

Stille wird’s, es glänzt der Schnee am Hügel

Und ich kühl’ im Silberreif den schwülen Flügel,

Möcht’ ihn hin nach neuem Frühling zücken,

Da erstarret mich ein kalt Entzücken –

Es erfriert mein Herz, ein See voll Wonne

Auf ihm gleitet still der Mond und sanft die Sonne

Unter den sinnenden, denkenden, klugen Sternen

Schau’ ich mein Sternbild an in Himmelsfernen;

Alle Leiden sind Freuden, alle Schmerzen scherzen

Und das ganze Leben singt aus meinem Herzen:

Süßer Tod, süßer Tod

Zwischen dem Morgen- und Abendrot.

Adelbert von Chamisso (1781 – 1838) 

Die alte Waschfrau ((*$+$% &+$#-$; waschen – -6($; '()0+($)

Du siehst geschäftig bei den Linnen (*5  /,.,1)  37"&"#4>4<  4  9'7)%: das Linnen

 / %"C(./ = das Leinen –  ?"/'(, %"/"(!"; .&/$&; schaffen – 4&/+($; das Geschäft –

4&/"; geschäftig – 3+!<(6A / 4&/"-  / ) 

Die Alte dort in weißem Haar ((*$+434 *$0 ( 9'750, = ('.50, /"7"($0,: das Haar ),

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Die rüstigste der Wäscherinnen (($0$%  9".+$%, -+'&-$%  ,:  &+$#'- : rüstig – / &>& /

."406A, 34"0"16A, ;0&%;)A / " %"8)/"-  #&/"1&;& /; rüsten – '!+0<8+($, 2"("1)($) 

Im sechsundsiebenzigsten Jahr (!$  ('0).'(%*  1'(*"0  6".4   8,:!,, -"*"+"2  48' 

('0).'(%* 1'(*)).

So hat sie stets mit saurem Schweiß (*$-  "!$ &"(*"%!!" ( «-,(750» &"*"0: der Schweiß) Ihr Brot in Ehr und Zucht gegessen (c/"2 37'9 '7$ ( #'(*)< , (0,+'!,'0: die Ehre –

#&'($; die Zucht – 4)'*)%/)!+, %"1)!"1&!)&; essen) 

Und ausgefüllt mit treuem Fleiß (!$&"7!,7$, ,(&"7!,7$  &+'.$!!50  (*$+$!,'0: der

Fleiß; treu – 1&0!6A, %0&4+!!6A) 

Den Kreis, den Gott ihr zugemessen (/*"*/ -+46, -"*"+52  '2  "*0'+,7 H"6; messen –

-&0)($).

Sie hat in ihren jungen Tagen ("!$ / (/", <!5' .!,) Geliebt, gehofft und sich vermählt (7<9,7$, !$.'%7$() , /517$ :$048: sich vermählen

 – '"#&(+($'<  .0+;"- ; der Gemahl – ',%0,2);

Sie hat des Weibes Los getragen ("!$ !'(7$  8'!(-4< ."7<, ."7<  8'!>,!5: das Weib;

das Los –  80&.)A; ,#+'($; tragen),

Die Sorgen haben nicht gefehlt (:$9"*5 !' "*(4*(*/"/$7,, ,3 !' !'."(*$/$7" = :$9"* 

3/$*$7": die Sorge);

Sie hat den kranken Mann gepflegt ("!$ 43$8,/$7$ :$ 9"7)!50 048'0);

Sie hat drei Kinder ihm geboren ("!$ +".,7$ '04 *+",3 .'*'2: gebären);

Sie hat ihn in das Grab gelegt ("!$ &"7"8,7$ '6" / 0"6,74) 

Und Glaub und Hoffnung nicht verloren ($ /'+4 , !$.'8.4 !' &"*'+%7$, !' 4*+$*,7$:

der Glaube; die Hoffnung; verlieren).

Da galt's (*4* !$." 957", ($050 !$(4>!50 957": gelten – .6($ 4&A'(1)(&/$!6- ;

.6($ !&"?"4)-6- ), die Kinder zu ernähren (.'*'2 &+"-"+0,*));

Sie griff es an mit heiterm Mut ("!$ /:%7$() :$ .'7" ( /'('750, 9".+50 .43"0: etwas

angreifen – 13<($'<   3+  #("- /)."; greifen –  ?1+(+($; der Mut – -,8&'(1", ."406A 

4,? ),

Sie zog sie auf in Zucht und Ehren ("!$ /5+$(*,7$ ,3 / (0,+'!,, , / #'(*,: aufziehen),

Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut (*+4."7<9,', &"+%."-  – //"*/ ,3 9"6$*(*/": «."9+"»:

das Gut ).

Zu suchen ihren Unterhalt (,(-$*) ,3 &+"&,*$!,' = #*"95 "!, ,(-$7, (/"' &+"&,*$!,';

halten – 4&08+($; unterhalten – %"44&08)1+($, '"4&08+($),

Entließ sie segnend ihre Lieben ("*&4(*,7$  "!$, 97$6"(7$/7%%, (/",3  7<9,053:

entlassen; der Segen – ./+2"'/"1&!)&);

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So stand sie nun allein und alt (*$-  (*"%7$ = "(*$7$() "!$ *'&'+), ".,!"-$% , (*$+$%:

stehen),

Ihr war ihr heitrer Mut geblieben (4 !'' "(*$7(% '' 9".+52 .43).

Sie hat gespart ("!$ =-"!"0,7$, (9'+'6$7$) und hat gesonnen (, +$:0517%7$, 957$ 

/ +$:.40)%3: sinnen) Und Flachs gekauft (,  7'!  &"-4&$7$: der Flachs)  und nachts gewacht (,  &"  !"#$0 

9".+(*/"/$7$),

Den Flachs zu feinem Garn gesponnen (7'! (&+%7$ / *"!-4< &+%84: das Garn – !)(;),

%0<8+),

Das Garn dem Weber hingebracht (&+%84 "*!'(7$ *-$#4: hinbringen; weben – (;+($);

Der hat's gewebt zu Leinewand (*"* ("*-$7 ,: !'' &"7"*!": die Leinwand ).

Die Schere brauchte sie (!"8!,;5 ,(&"7):"/$7$ "!$ = ( &"0">)< !"8!,;), die Nadel(,6"7-4) 

Und nähte sich mit eigner Hand (,  (1,7$  ('9'  ("9(*/'!!50,  +4-$0,: eigen –

'".'(1&!!6A) 

Ihr Sterbehemde sonder Tadel (9':4&+'#!4< «&"(0'+*!4< +49$34» = #4.!4< +49$34, / 

-"*"+"2  ''  ."78!5  &"3"+"!,*), ($/$!: «+49$34, ($/$!  9':  4&+'-$»: sterben –

,-&0&($ + das Hemd –  0,.+?+; der Tadel – %"0)*+!)&; tadeln – %"0)*+($).

Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es ("!$ ;'!,* '6", ."+"8,* '<),

Verwahrt's im Schrein am Ehrenplatz (3+$!,*  ''  /  7$+;'  !$  &"#'*!"0  0'(*': der

Schrein; der Platz – -&'(");

Es ist ihr Erstes und ihr Letztes (=*" '' /($0"'/ &'+/"' , &"(7'.!''),

Ihr Kleinod (''  .+$6";'!!"(*): das Kleinod – 40+2"*&!!"&  ,;0+5&!)&), ihr ersparter

Schatz ('' (9'+'8'!!"' ("-+"/,>').

Sie legt es an (!$.'/$'*: anlegen; legen – ;/+'($), des Herren Wort (/#*"95/ (7"/" 

D"(&".$) 

 Am Sonntag früh sich einzuprägen (+$!!,0  4*+"0  /  /"(-+'('!)'  /"(&+,!%*): «('9' 

:$&'#$*7'*)»: einprägen – #&;+!)($; 1!,5+($; sich einprägen – 3+%&#+(/&($'< ),

Dann legt sie's wohlgefällig fort (:$*'0  "!$  (!,0$'*  '', ."/"7)!$%  ("9"2: wohl +

gefallen – !0+1)($'< ),

Bis sie darin zur Ruh sie legen (&"-$ "!$ / !'2 !' 7%8'* -  &"-"< = !' 4&"-",*(%).

Und ich, an meinem Abend, wollte (, %, / 0"2 /'#'+, 3"*'7 95) 

Ich hätte diesem Weibe gleich (#*"95 %, &"."9!" =*"2  8'!>,!'),

Erfüllt, was ich erfüllen sollte (,(&"7!,7 95, #*" % ."78'! 957 ,(&"7!,*)) 

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In meinen Grenzen und Bereich (/ 0",3  6+$!,;$3 , / 0"'2 "97$(*,: die Grenze; der

Bereich; reichen – %0"'()0+($'< , (<!,($'< );

Ich wollt, ich hätte so gewusst (% 3"*'7 95, #*"95 % *$-   8' (0"6 95: wissen – 3!+($;

-"#$),

 Am Kelch des Lebens mich zu laben (!$(7$.,*)(% -49-"0  8,:!,: der Kelch; das Leben;laben – %"4;0&%/<($, "'1&8+($; (&5)($ / 16'"; ./ ),

Und könnt am Ende gleiche Lust (, (0"6 95 / -"!;', &". -"!'; *$-4<  8' "*+$.4: das

Ende) 

 An meinem Sterbehemde haben (&"74#$*) "* 0"'2 &"(0'+*!"2 +49$3,).

Die alte Waschfrau

Du siehst geschäftig bei den Linnen

Die Alte dort in weißem Haar,

Die rüstigste der Wäscherinnen

Im sechsundsiebenzigsten Jahr.

So hat sie stets mit saurem Schweiß

Ihr Brot in Ehr und Zucht gegessen

Und ausgefüllt mit treuem Fleiß

Den Kreis, den Gott ihr zugemessen.

Sie hat in ihren jungen Tagen

Geliebt, gehofft und sich vermählt;

Sie hat des Weibes Los getragen,

Die Sorgen haben nicht gefehlt;

Sie hat den kranken Mann gepflegt;

Sie hat drei Kinder ihm geboren;

Sie hat ihn in das Grab gelegt

Und Glaub und Hoffnung nicht verloren.

Da galt's, die Kinder zu ernähren;

Sie griff es an mit heiterm Mut,

Sie zog sie auf in Zucht und Ehren,

Der Fleiß, die Ordnung sind ihr Gut.

Zu suchen ihren Unterhalt,

Entließ sie segnend ihre Lieben;

So stand sie nun allein und alt,

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Ihr war ihr heitrer Mut geblieben.

Sie hat gespart und hat gesonnen

Und Flachs gekauft und nachts gewacht,

Den Flachs zu feinem Garn gesponnen,

Das Garn dem Weber hingebracht;Der hat's gewebt zu Leinewand.

Die Schere brauchte sie, die Nadel

Und nähte sich mit eigner Hand

Ihr Sterbehemde sonder Tadel.

Ihr Hemd, ihr Sterbehemd, sie schätzt es,

Verwahrt's im Schrein am Ehrenplatz;

Es ist ihr Erstes und ihr Letztes,Ihr Kleinod, ihr ersparter Schatz.

Sie legt es an, des Herren Wort

Am Sonntag früh sich einzuprägen,

Dann legt sie's wohlgefällig fort,

Bis sie darin zur Ruh sie legen.

Und ich, an meinem Abend, wollte

Ich hätte, diesem Weibe gleich,

Erfüllt, was ich erfüllen sollte

In meinen Grenzen und Bereich;

Ich wollt, ich hätte so gewusst,

Am Kelch des Lebens mich zu laben,

Und könnt am Ende gleiche Lust

An meinem Sterbehemde haben.

Joseph von Eichendorff (1788 – 1857) 

Abschied (&+">$!,', +$((*$/$!,': der Abschied; scheiden –  0+34&/<($; sich scheiden

 –  0+3/,#+($c  < ,  0+''(+1+($'< ,  0+'?"4)($'< )

O Täler weit (" .$7'-,' = 1,+"-" +$(-,!4/1,'(% ."7,!5: das Tal ), o Höhen (" /5("*5,

/":/51'!!"(*,, 3"705: die Höhe – 16'"(+; hoch – 16'";)A),

O schöner, grüner Wald (" &+'-+$(!52, :'7'!52 7'(),

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Du meiner Lust und Wehen (*5, 0"'2  "*+$.5  , 0",3  &'#$7'2: das Weh – %&#+/$,

';"0.$, 2"0&) 

 Andächt’ger Aufenthalt (*,3,2, 97$6"6"/'2!52  &+,<*: andächtig – !+."8!6A;

'"'0&4"("#&!!6A; ./+2"2"1&A!6A, ("08&'(1&!!6A; der Aufenthalt – %0&.61+!)&,

!+?"84&!)&; aufhalten – 3+4&08)1+($, "'(+!+1/)1+($; sich aufhalten –3+4&08)1+($'< , %0&.61+($)!

Da draußen (*$0, (!$+48,), stets betrogen (&"(*"%!!"  "90$!4*52: betrügen –

".-+!61+($),

Saust die geschäft’ge Welt (140,*, (4'*,*(%  .'7"/"2, 37"&"*7,/52  0,+: sausen –

5,-&($, '1)'(&($  / "  1&(0& /; -#+($'< , !&'()'$  / !+%0)-&0, "  #&/"1&;& /; das

Geschäft – 4&/", .)3!&' ; schaffen – 4&/+($),

Schlag noch einmal die Bogen (+$(-,!): «+$:9'2» '>' +$: (/".5, $+-,: der Bogen –4,2+; +0;+, '1"4) 

Um mich (/"-+46 0'!%), du grünes Zelt (*5, :'7'!52 1$*'+)!

Wenn es beginnt zu tagen (-"6.$ !$#,!$'* (/'*$*)),

Die Erde dampft (:'07% .50,*(% = "* :'07, ,.'* &$+: der Dampf ) und blinkt (, 97'(*,*,

0'+;$'*),

Die Vögel lustig schlagen (&*,;5 /'('7" :$7,/$<*(%: der Vogel; schlagen – .)($; %&($ 

 / " %()*+?  / ),

Dass dir dein Herz erklingt (*$-  #*" 4 *'9% !$#,!$'* :/4#$*) ('+.;': klingen – 31,#+($;

erklingen – 3+31,#+($):

Da mag vergehn (*4* 0"8'* &+"2*,), verwehen (+$:/'%*)(%; wehen – 1&<($) 

Das trübe Erdenleid (0+$#!"' :'0!"' (*+$.$!,': die Erde + das Leid ),

Da sollst du auferstehen (*4* *5 ."78'! /"((*$*), /":+".,*)(%) 

In junger Herrlichkeit (/ <!"0 /'7,-"7'&,,; herrlich – 1&/);"/&%!6A)!

Da steht im Wald geschrieben (*4*  :$&'#$*7'!": «(*",*  !$&,($!!50»; schreiben –

%)'+($) 

Ein stilles, ernstes Wort (*,3"', ('+)':!"' (7"/") 

Von rechtem Tun (" /'+!"0, ,(*,!!"0, &+$/,7)!"0 .'%!,,) und Lieben (, 7<9/,),

Und was des Menschen Hort (, #*" /%/7%'*(%/ ("-+"/,>'0 #'7"/'-$: der Hort – ;/+4,

'";0"1)>&; "%/"( / %"C(./ ).

Ich habe treu gelesen (% /'+!" = /!,0$*'7)!", 97$6"6"/'2!" #,*$7) 

Die Worte schlicht und wahr ((7"/$ &+"(*5' , &+$/.,/5' = =*, &+"(*5' , &+$/.,/5' 

(7"/$: das Wort ),

Und durch mein ganzes Wesen (, #'+':, (-/":) /(' 0"' (4>'(*/") 

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Ward’s unaussprechlich klar ((*$7" 0!' !'/5+$:,0", !'(-$:$!!" %(!", &+"(/'*7'!!";

etwas aussprechen – 16';+3+($, 160+3)($ #("- /).").

Bald werd ich dich verlassen ((-"+" % *'9% &"-,!4, "(*$/7<),

Fremd in der Fremde gehn (#48,0, #48$-"0 42.4 !$ #489,!4),

 Auf buntbewegten Gassen (!$  &'(*+"-0!"6"7<.!53  47,;$3: die Gasse – -+/&!$;+<  ,/)*+, %&0&,/"; ; bunt – %&'(06A; sich bewegen – 41)2+($'< ) 

Des Lebens Schauspiel sehn ((0"*+'*) !$, !$97<.$*) ,6+4  8,:!,, *'$*+  8,:!,: das

Schauspiel – (&+(0+/$!+<  %$&'+, %"'(+!"1;+: schauen – '-"(0&($  + das Spiel –

)20+);

Und mitten in dem Leben (, / 64>'  8,:!,: «&"(+'., /  8,:!,») 

Wird deines Ernsts Gewalt ((,7$, /7$(*) */"'2 ('+)':!"(*,: die Gewalt – 1/+'($, ')/+;

der Ernst – '&0$&3!"'($; ernst – '&0$&3!6A) Mich Einsamen erheben (0'!%, ".,!"-", &".!,0'*, &+,&".!,0'*; heben – %"4!)-+($;

erheben – %0)%"4!)-+($),

So wird mein Herz nicht alt (*$-  #*" 0"' ('+.;' !' ("(*$+,*(%: «*$-  0"' ('+.;' !' 

(*$!'* (*$+50»: das Herz ).

Abschied

O Täler weit, o Höhen,

O schöner, grüner Wald,

Du meiner Lust und Wehen

Andächt’ger Aufenthalt!

Da draußen, stets betrogen,

Saust die geschäft’ge Welt,

Schlag noch einmal die Bogen

Um mich, du grünes Zelt!

Wenn es beginnt zu tagen,

Die Erde dampft und blinkt,

Die Vögel lustig schlagen,

Dass dir dein Herz erklingt:

Da mag vergehn, verwehen

Das trübe Erdenleid,

Da sollst du auferstehen

In junger Herrlichkeit!

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Da steht im Wald geschrieben

Ein stilles, ernstes Wort

Von rechtem Tun und Lieben,

Und was des Menschen Hort.

Ich habe treu gelesenDie Worte schlicht und wahr,

Und durch mein ganzes Wesen

Ward’s unaussprechlich klar.

Bald werd ich dich verlassen,

Fremd in der Fremde gehn,

Auf buntbewegten Gassen

Des Lebens Schauspiel sehn;Und mitten in dem Leben

Wird deines Ernsts Gewalt

Mich Einsamen erheben,

So wird mein Herz nicht alt.

Frische Fahrt (9".+"': «(/'8''» &4*'1'(*/,'; fahren – &?+($; die Fahrt – %"&34;+) 

Laue Luft kommt blau geflossen (*'&752 /":.43 (*+4,*(%  6"749"2 (*+4'2: «&+,3".,*,

&"-6"749"04 (*+4%()»: fließen – (&#$),

Frühling, Frühling soll es sein (=*", ."78!" 95*), /'(!$: der Frühling )!

Waldwärts (&" !$&+$/7'!,< -  7'(4: der Wald ) Hörnerklang geschossen (+$:.$7(% :/4-  

/"3"*!,#),3/ +"8-"/; das Horn –  0"2; / -,3./  0"8"; , 2"0! ),

Mutger Augen ((0'753 67$:: mutig – '-&/6A, -,8&'(1&!!6A)  lichter Schein ((/'*7"' 

(,%!,', (/'*752 97'(- );

Und das Wirren (, (40$*"3$, (04*$, 9'(&"+%."- ; wirr – 3+%,(+!!6A,  0+'(0&%+!!6A) 

bunt und bunter (/(' «&'(*+'' , &'(*+''»: bunt – %&'(06A,  0+3!"*1&(!6A) 

Wird ein magisch wilder Fluss ((*$!"/,*(%  0$6,#'(-"2  = /"71'9!"2  9':4.'+8!"2:

«.,-"2» +'-"2, 9':4.'+8!50 &"*"-"0),

In die schöne Welt (/ &+'-+$(!52 0,+) hinunter («*4.$-/!,:») 

Lockt dich (0$!,* *'9%) dieses Stromes Gruß (=*"6" &"*"-$ &+,/'*(*/,': der Strom; der

Gruß; grüßen – %0)1&'(1"1+($).

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Und ich mag mich nicht bewahren (,  %  !'  3"#4, !'  /  ("(*"%!,,  ('9%  ("3+$!%*),

"9'+'6$*))!

Weit von euch treibt mich der Wind (.$7'-" "* /$( 6"!,* 0'!% /'*'+),

 Auf dem Strome will ich fahren (( &"*"-"0: «!$ &"*"-'» % 3"#4 4(*+'07%*)(%, !'(*,()),

Von dem Glanze selig blind (97'(-"0  97$8'!!"  "(7'&7'!!52, "*  97'(-$  97$8'!!" (7'&"2: der Glanz; glänzen – ./&'(&($, ')%*))!

Tausend Stimmen lockend schlagen (*5(%#,  6"7"("/, 0$!%, +$:.$<*(%: die Stimme;

schlagen – .)($; >&/;+($, 3+/)1+($'<  (0&/<-) / " %()*+?  / ),

Hoch Aurora flammend weht (/  /51,!'  &7$0'!!"  +$:/'/$'*(%, /''*  / L/+"+$  =

4*+'!!%% :$+%/),

Fahre zu (&"':8$2  8', "*&+$/7%2(%  8' // &4*)/)! Ich mag nicht fragen (% !' (&+"14, !' 

3"#4 (&+$1,/$*)),Wo die Fahrt zu Ende geht (6.'  "-"!#,*(%  &"':.-$, &4*'1'(*/,', &4*); das Ende –

;"!&*; zu Ende gehen – ";+!#)1+($'< )!

Frische Fahrt

Laue Luft kommt blau geflossen,

Frühling, Frühling soll es sein!

Waldwärts Hörnerklang geschossen,

Mutger Augen lichter Schein;

Und das Wirren bunt und bunter

Wird ein magisch wilder Fluss,

In die schöne Welt hinunter

Lockt dich dieses Stromes Gruß.

Und ich mag mich nicht bewahren!

Weit von euch treibt mich der Wind,

Auf dem Strome will ich fahren,

Von dem Glanze selig blind!

Tausend Stimmen lockend schlagen,

Hoch Aurora flammend weht,

Fahre zu! Ich mag nicht fragen,

Wo die Fahrt zu Ende geht!

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Der Unbekannte (!',:/'(*!52, !':!$-"0';; bekannt – )31&'(!6A)

Vom Dorfe schon ("* .'+'/!,, (" (*"+"!5 .'+'/!, 48': das Dorf ) die Abendglocken

(/'#'+!,' -"7"-"7$: der Abend + die Glocke) klangen (/:$/:/'!'7,: klingen),

Die müden Vöglein (4(*$75' &*,#-,, &*$1-,; der Vogel – %()*$) gingen auch zur Ruh(*$-8' "*&+$/,7,() !$ &"-"2 = 46"0"!,7,(), (*,37,; gehen),

Nur auf den Wiesen noch (7,1) !$ 746$3 '>': die Wiese) die Heimchen sangen (&'7, 

-4:!'#,-,: das Heimchen – '1&0#"; ; singen),

Und von den Bergen ($ "* 6"+, ( 6"+: der Berg ) rauscht’ der Wald (1'7'(*'7 7'() dazu (-  

=*"04 //."9$/"- /, -  *"04  8');

Da kam ein Wandrer (*4*  &+,1'7  &4*!,- , (*+$!!,- : kommen; wandern –

%,(&5&'(1"1+($ %&5;"- , '"1&05+($ %"?"4, .0&'()) durch die Ährenwogen ((-/":),#'+': /"7!5 &1'!,;5: die Ähre – ;"/"'  + die Woge – 1"/!+ / 16'"; ./ ),

 Aus fernen Landen (,:  .$7)!,3  (*+$!)  schien er hergezogen (-$:$7"(), "!  &+,957 

(<.$: «-$:$7(%  &+,95/1,0  (<.$»: scheinen – ;+3+($'< ; herziehen – %0).61+($ 

 / '=4$/).

Vor seinem Hause (&'+'.  (/",0  ."0"0: das Haus), unter blühnden Lauben (&". 

;/'*4>,0, -+"!$0,: das Laub –  /)'(1+; blühen – *1&'()) 

Lud ihn ein Mann zum fr öhl’chen Rasten ein (&+,67$(,7 '6" ".,! #'7"/'- , 048#,!$ -  

+$."(*!"04  = ."76"8.$!!"04, &+,%*!"04  "*.534; rasten – 4&/+($  %0)1+/ ,

%&0&465;, ),

Die junge Frau bracht Wein (0"7".$%  8'!>,!$,  8'!$ &+,!'(7$  /,!": der Wein)  und

Brot (,  37'9: das Brot )  und Trauben (,  /,!"6+$.: die Traube – 20"34$  1)!"20+4+;

1)!"20+4),

Setzt’ dann (('7$ :$*'0), umspielt vom letzten Abendschein ("(/'>$'0$%: «"05/$'0$%,

"-$207'!!$%  /,6+"2 (/'*"*'!,/» &"(7'.!,3 :$-$*!53 74#'2: der Abendschein –  /,#) 

3+?"4<>&2" '"/!*+ / 16'"; ./; der Schein – '1&(, ')<!)&; scheinen – '1&()($ / '<  / ),

Sich neben ihn (/":7'  !'6")  und blickt halb scheu (,  &"67%.5/$'*  «!$&"7"/,!4» =

"*#$(*, +"9-", :$(*'!#,/"), halb lose ("*#$(*, 1$7"/7,/"),

Ein lockig Knäblein lächelnd (/.'+8$/ 4759$<>'6"(% -4.+%/"6" 0$7)#46$!$; die Locke –

 /";"! , 3+1)("; ; die Locken – ;,40); der Knabe – -+/$#); ; lächeln – ,/6.+($'< ) auf

dem Schoße (!$ -"7'!%3: der Schoß –  /"!"; ;"/&!) / ')4<>&2" #&/"1&;+ / ).

Page 61: 100 German Poems

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Ihr dünkt’ ('2 &"-$:$7"()), er wär schon einst im Dorf gewesen (#*" "! 48' -"6.$-*" 957 

/ =*"2 .'+'/!': das Dorf ),

Und doch so fremd und seltsam war die Tracht (,  ".!$-"  *$-,0  #48':'0!50  , 

(*+$!!50, !'"95#!50 957" '6" ".'%!,', '6" -"(*<0),

In seinen Mienen (/  /5+$8'!,,, / 0,0,-'  '6"  7,;$)  feur’ge Schrift zu lesen (0"8!" 957" &+"#'(*) "6!'!!4<, &7$0'!!4< !$.&,(); das Feuer – "2"!$; feurig – "2!&!!6A) 

Gleich Wetterleuchten fern (&"."9!4< .$7'-"2 :$+!,;': das Wetterleuchten; leuchten –

'1&()($'< , ')<($; fern – 4+/&;") bei stiller Nacht (*,3"2 !"#)<),

Und traf sein Auge sie ($ -"6.$ '6" /:67%.: «67$:» "9+$>$7(% -  !'2: treffen – %"%+4+($ 

 / 1 *&/$ / ), wollt ihr fast grauen ('' &"#*, "3/$*5/$7 (*+$3; '0+1!)(&: mir graut es davor

 – C(" !+1"4)( !+ -&!<  ,8+' ),

Denn’s war (*$-  -$-  =*" 957"), wie in den Himmelsgrund zu schauen ((7"/!" (0"*+'*) / !'9'(!4< 6749,!4: der Himmel + der Grund ).

Und wie (,, &" 0'+' *"6", -$- ) sich kühler nun die Schatten breiten (&+"37$.!'' *'&'+) 

+$(&+"(*+$!%7,() = 7"8,7,() *'!,: der Schatten):

Vom Berg Vesuv ("  6"+' C':4/,2), der über Tr ümmern raucht (-"*"+$% .50,*(%  !$. 

+4,!$0,),

Vom blauen Meer (" 6"749"0 0"+': das Meer ), wo Schwäne singend gleiten (6.' 7'9'., 

(-"7):%* , &"<* &+, =*"0 &'(!,: der Schwan; gleiten – ';"/$3)($),

Kristallnen Inseln (3+4(*$7)!53 "(*+"/$3: die Insel ), blühend (;/'*4>'  = / ;/'*'!,,) 

draus getaucht ("**4.$  /,:  0"+%/ /(&75/$<>,0,; tauchen – !60<($; auftauchen –

1'%/61+($),

Und Glocken (,  /"/ -"7"-"7$3), die im Meeresgrunde schlagen (-"*"+5'  :/4#$*,

+$:.$<*(% / 0"+(-"2 6749,!'; schlagen – .)($),

Wusst wunderbar (0"6, 40'7: «:!$7» #4.'(!") der schöne Gast zu sagen (&+'-+$(!52 

6"(*) &"/'.$*): wissen – 3!+($).

«Hast viel erfahren (*5 0!"6"'  4:!$7, ,:/'.$7: erfahren), willst du ewig wandern (*5 

3"#'1), !$0'+'! /'#!" (*+$!(*/"/$*))?»

Sprach drauf sein Wirt ((-$:$7 !$ =*"  /'6"/ 3":%,!) mit herzlichem Vertraun (('+.'#!"-

."/'+,*'7)!": das Vertrauen – 4"1&0)&; vertrauen – 4"1&0<($; '0+1!)(&: im

Vertrauen gesagt – %" '&;0&(, , -&84,  !+-) 2"1"0< ).

«Hier kannst du froh genießen (:.'() *5 0"8'1) +$."(*!" !$(7$8.$*)(% / 8,:!)</) wie

die andern (-$-  .+46,'),

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 Am eignen Herd (4  ("9(*/'!!"6"  "#$6$: der Herd )  dein kleines Gärtchen baun

(/":.'75/$*) (/"2 0$7'!)-,2 ($.,- ; der Garten – '+4),

Des Nachbars Töchter haben reiche Truhen (4 ."#'+'2 ("('.$ 9"6$*5' 7$+,, (4!.4-, =

9"6$*"' &+,.$!"': die Tochter; die Truhe),

Ruh endlich aus ("*."3!,  !$-"!';, "9+'*,  &"-"2: ausruhen), brauchst nicht allein zuruhen (, !'  !48!", !'  (*",*  *'9' !$(7$8.$*)(%  &"-"'0  / ".,!"#'(*/'; brauchen –

!,84+($'<  / 1 #&-   /)." /; allein – "4)! , "4)!";)A).»

Da stand der Wandrer auf (*4*  (*+$!!,-   /(*$7: aufstehen), es blühten Sterne

(+$(;/'*$7, = !$#,!$7, (,%*) :/':.5: der Stern) 

Schon aus dem Dunkel (48'  ,:  *'0!"*5: das Dunkel )  überm stillen Land (!$  *,3"2 

(*+$!"2, 0'(*!"(*)<: das Land ),«Gesegn euch Gott (97$6"(7"/,  /$( H"6: gesegnen = segnen)! Mein Heimatland liegt

ferne (0"% +".,!$ /7'8,*/ .$7'-"; die Heimat –  0"4)!+). – «

Und als er von den beiden sich gewandt (, -"6.$ "! "* "9",3 "*/'+!47(%, &"/'+!47(% 

&+"#) /43".%/),

Kam himmlisch Klingen (+$:.$7(%: «&+,1'7» !'9'(!52 :/"!) von der Waldeswiese (( 

7'(!"6" 746$, ( &"7%!5: der Wald + die Wiese)  – 

So sternklar war noch keine Nacht wie diese (!, ".!$ !"#) !' 957$ '>' (*"7) :/':.!"2,

-$-  =*$; klar –  <'!6A, %0"30+#!6A, '1&(/6A).

Der Unbekannte

Vom Dorfe schon die Abendglocken klangen,

Die müden Vöglein gingen auch zur Ruh,

Nur auf den Wiesen noch die Heimchen sangen,

Und von den Bergen rauscht’ der Wald dazu;

Da kam ein Wandrer durch die Ährenwogen,

Aus fernen Landen schien er hergezogen.

Vor seinem Hause, unter blühnden Lauben

Lud ihn ein Mann zum fr öhl’chen Rasten ein,

Die junge Frau bracht Wein und Brot und Trauben,

Setzt’ dann, umspielt vom letzten Abendschein,

Sich neben ihn und blickt halb scheu, halb lose,

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Ein lockig Knäblein lächelnd auf dem Schoße.

Ihr dünkt’, er wär schon einst im Dorf gewesen,

Und doch so fremd und seltsam war die Tracht,

In seinen Mienen feur’ge Schrift zu lesenGleich Wetterleuchten fern bei stiller Nacht,

Und traf sein Auge sie, wollt ihr fast grauen,

Denn’s war, wie in den Himmelsgrund zu schauen.

Und wie sich kühler nun die Schatten breiten:

Vom Berg Vesuv, der über Tr ümmern raucht,

Vom blauen Meer, wo Schwäne singend gleiten,

Kristallnen Inseln, blühend draus getaucht,

Und Glocken, die im Meeresgrunde schlagen,

Wusst wunderbar der schöne Gast zu sagen.

«Hast viel erfahren, willst du ewig wandern?»

Sprach drauf sein Wirt mit herzlichem Vertraun.

«Hier kannst du froh genießen wie die andern,

Am eignen Herd dein kleines Gärtchen baun,

Des Nachbars Töchter haben reiche Truhen,

Ruh endlich aus, brauchst nicht allein zu ruhen.»

Da stand der Wandrer auf, es blühten Sterne

Schon aus dem Dunkel überm stillen Land,

«Gesegn euch Gott! Mein Heimatland liegt ferne. – «

Und als er von den beiden sich gewandt,

Kam himmlisch Klingen von der Waldeswiese – 

So sternklar war noch keine Nacht wie diese.

Mondnacht

Es war (957" /*$- /), als hätt' der Himmel (-$-  94.*" !'9") 

Die Erde still geküsst (*,3" &";'7"/$7" :'07<),

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Dass sie im Blütenschimmer (*$-  #*" "!$ / ;/'*"#!"0 (/'#'!,,: die Blüte – *1&("; ;

*1&(&!)& + der Schimmer – '/+.6A '1&(, -&0*+!)&, ./&'; ; schimmern – -&0*+($,

'1&()($'< ) 

Von ihm nun träumen müsst’ (" !'0 *'&'+) ."78!$ 957$ 95 0'#*$*), /,.'*) (!5).

Die Luft ging durch die Felder (/":.43 &+"1'7 &" &"7%0: das Feld ),Die Ähren wogten sacht (-"7"()% *,3", './$ -$#$7,(): die Ähre),

Es rauschten leis' die Wälder (*,3" 1'7'(*'7, 7'($: der Wald ),

So sternklar war die Nacht (*$-"2  :/':.!"2: «:/':.!"-%(!"2» 957$ !"#); der Stern –

31&34+).

Und meine Seele spannte (,  0"%  .41$  +$(&+$/,7$: ausspannen; spannen –

!+(<2)1+($, !+%0<2+($) 

Weit ihre Flügel aus (1,+"-" (/", -+57)%: der Flügel ),Flog durch die stillen Lande (7'*'7$, &"7'*'7$ #'+': *,3,' :'07,: fliegen),

 Als flöge sie nach Haus (-$-  94.*" 95 "!$ 7'*'7$ ."0"2).

Mondnacht

Es war, als hätt' der Himmel

Die Erde still geküsst,

Dass sie im Blütenschimmer

Von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,

Die Ähren wogten sacht,

Es rauschten leis' die Wälder,

So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte

Weit ihre Flügel aus,

Flog durch die stillen Lande,

Als flöge sie nach Haus.

Der Einsiedler ("*1'7)!,- )

Komm (&+,.,), Trost der Welt (4*'1'!,' 0,+$; der Trost – ,(&5&!)&), du stille Nacht

(*5, *,3$% !"#): die Nacht )!

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Wie steigst du (-$-  *5 &".!,0$'1)(%) von den Bergen ((  6"+, "*  6"+: der Berg ) sacht

(7'6-", './$ :$0'*!", *,3", 0'.7'!!"),

Die Lüfte (/":.43,: die Luft ) alle schlafen (/(' (&%*),

Ein Schiffer (#'7"/'- , &75/4>,2 !$ -"+$97', /'.4>,2 -"+$97)) nur noch (*"7)-" '>'),

wandermüd (&4*'1'(*/,'0  4*"07'!!52: wandern – %,(&5&'(1"1+($; müde –,'(+15)A),

Singt übers Meer (&"'*  !$.  0"+'0: «#'+':  0"+', &"  &"/'+3!"(*,  0"+%»)  sein

 Abendlied ((/"< /'#'+!<< &'(!<) 

Zu Gottes Lob (-  3/$7' H"6$: das Lob) im Hafen (/ &"+*4: der Hafen).

Die Jahre (6".5: das Jahr ) wie die Wolken (-$-  "97$-$: die Wolke) gehn (,.4*, 43".%*) 

Und lassen mich ("(*$/7%<* 0'!%) hier einsam stehn (:.'() ".,!"-" (*"%*)),Die Welt hat mich vergessen (0,+ 0'!% :$957),

Da (*4*  = *"6.$)  tratst du (&".(*4&$7$, &".(*4&,7$  *5: treten)  wunderbar (#4.'(!",

#4.'(!50 "9+$:"0) zu mir (-" 0!'),

Wenn ich (-"6.$ %) beim Waldesrauschen (&+, 1'7'(*' 7'($; das Rauschen – 5&/&'(;

rauschen – 5&/&'(&($) hier

Gedankenvoll (.40 &"7!52; der Gedanke – -6'/$, 4,-+) gesessen ((,.'7: sitzen).

O Trost der Welt, du stille Nacht!

Der Tag hat mich so müd gemacht (.'!) 0'!% *$-,0 4(*$/1,0 (.'7$7 = *$-  4*"0,7),

Das weite Meer (.$7)!''  0"+'  = 1,+"-"'  0"+', 0"+'  /.$7,)  schon dunkelt (48' 

*'0!''*),

Lass ausruhn mich (.$2 0!' "*."3!4*): «&4(*, 0'!% "*."3!4*)») von Lust ("*  8'7$!,%;

4."/"7)(*/,%: die Lust ) und Not (9'.5, 9'.(*/'!!"6" &"7"8'!,%, :$9"* , 37"&"*: die

Not ),

Bis dass (." *'3 &"+, &"-$) das ew’ge (/'#!$%: ewig ) Morgenrot (4*+'!!%% :$+%) 

Den stillen Wald durchfunkelt (*,3,2 7'( ":$+,* !$(-/":), &+"!,8'* ,(-+$0,).

Der Einsiedler

Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!

Wie steigst du von den Bergen sacht,

Die Lüfte alle schlafen,

Ein Schiffer nur noch, wandermüd,

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Singt übers Meer sein Abendlied

Zu Gottes Lob im Hafen.

Die Jahre wie die Wolken gehn

Und lassen mich hier einsam stehn,Die Welt hat mich vergessen,

Da tratst du wunderbar zu mir,

Wenn ich beim Waldesrauschen hier

Gedankenvoll gesessen.

O Trost der Welt, du stille Nacht!

Der Tag hat mich so müd gemacht,Das weite Meer schon dunkelt,

Lass ausruhn mich von Lust und Not,

Bis dass das ew’ge Morgenrot

Den stillen Wald durchfunkelt.

O Herbst, in linden Tagen

O Herbst, in linden Tagen ("  "('!), /  *'&75', &"6"8,' .!,: lind – (&%/6A, -<2;)A,

!&8!6A / %"C(./ ) 

Wie hast du rings dein Reich (-$-  *5 -+46"0 (/"' ;$+(*/") 

Phantastisch aufgeschlagen (@$!*$(*,#'(-,  +$:7"8,7$, +$(-+57$: ein Lager,

'0+1!)(&: ein Zelt aufschlagen –  0+3.)1+($ /  /+2&0$, %+/+(;,  /; ein Bett aufschlagen –

%0)2"("1)($ %"'(&/$),

So bunt und doch so bleich ((*"7) &'(*+"' , /('  8' /&+, =*"0/ (*"7) 97'.!"')!

Wie öde, ohne Brüder (c-"7) &4(*5!!", 9': 9+$*)'/: der Bruder ),

Mein Tal so weit und breit (0"% ."7,!$  – (*"7) .$7'-$ , 1,+"-$  = -4.$ !,  -,!'1) 

/:"+),

Ich kenne dich kaum wieder (% *'9% &"#*, !' 4:!$<: «!' :!$< (!"/$») 

In dieser Einsamkeit (/ =*"0 ".,!"#'(*/': einsam – "4)!";)A).

So wunderbare Weise (*$-4< #4.!4<, #4.'(!4< 0'7".,<, (*"7) !'"95#!52 !$&'/) 

Singt nun dein bleicher Mund (&"<* ('2#$( */", 97'.!5' 4(*$),

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Es ist, als öffnet’ leise (*$- , (7"/!" 95 "*-+5/$7$(), +$:/'+:$7$() *,3") 

Sich unter mir der Grund (&"." 0!"2 :'07%).

Und ich ruht überwoben (,  %  95  &"-",7(%, "&4*$!!52, &"-+5*52  /:'07'2, *+$/"2/;

weben – (;+($, %/&'()),Du sängest immerzu (/$/ *5 &'7$ 95 /(' /+'0%, 9'(&+'(*$!!"),

Die Linde schüttelt’ oben (7,&$ *+%3!47$ 95 !$/'+34) 

Ihr Laub und deckt’ mich zu ((/"'2  7,(*/"2  ,  &"-+57$  95, :$(5&$7$  95  0'!%:

zudecken).

O Herbst, in linden Tagen

O Herbst, in linden Tagen

Wie hast du rings dein Reich

Phantastisch aufgeschlagen,

So bunt und doch so bleich!

Wie öde, ohne Brüder,

Mein Tal so weit und breit,

Ich kenne dich kaum wieder

In dieser Einsamkeit.

So wunderbare Weise

Singt nun dein bleicher Mund,

Es ist, als öffnet’ leise

Sich unter mir der Grund.

Und ich ruht überwoben,

Du sängest immerzu,

Die Linde schüttelt’ oben

Ihr Laub und deckt’ mich zu.

Mir träumt, ich ruhte wieder

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Mir träumt, ich ruhte wieder (0!' /,.'7"() /" (!', &+,(!,7"(), 94.*" % (!"/$ "*.53$<,

(&"-"2!" (,84) 

Vor meines Vaters Haus (&'+'. ."0"0 0"'6" "*;$) 

Und schaute fröhlich nieder (, ( +$."(*!50 #4/(*/"0 (0"*+< /!,:) 

Ins alte Tal hinaus (/ .+'/!<< ."7,!4 «*4.$-!$+484»),Die Luft mit lindem Spielen (/":.43 = /'*'+"-  «( 0%6-"2, !'8!"2 ,6+"2» = 0%6-", !'8!" 

,6+$%: lind – -<2;)A, ;0"(;)A, (&%/6A, !&8!6A / %"C(./ ) 

Ging durch das Frühlingslaub (&+"3".,7 (-/":) /'('!!<< 7,(*/4),

Und Blütenflocken fielen (,  7'&'(*-,, -$-   (!'8,!-,, &$.$7,: die Blüte – *1&(&!)&;

*1&("; ; die Flocke – %,5)!;+; die Flocken –  ?/"%$<  / '!&2+ /; fallen – %+4+($) 

Mir über Brust und Haupt (0!' !$ 6+4.) , 67$/4: die Brust; das Haupt ).

 Als ich erwacht (-"6.$ % &+"94.,7(%: erwachen; wach – ."40'(1,=>)A), da schimmert

(*4* /(7$9"/ (/'*,7$(), 0'+;$7$) 

Der Mond vom Waldesrand (74!$ «( -+$% 7'($» = !$. /'+141-$0, .'+'/)'/: der Rand

 – ;0+A, "."4"; , ;+A-+),

Im falben Scheine flimmert (/ 97'-7"0 (/'*' 0'+;$7$: der Schein) 

Um mich ein fremdes Land (/"-+46 0'!% #48$% :'07%, (*+$!$),

Und wie ich ringsher sehe (, -$-  % &"(0"*+'7 /"-+46):

Die Flocken waren Eis (37"&)% = "&$.$<>,' 7'&'(*-, 957, 7)."0: das Eis),

Die Gegend war vom Schnee ((0'(*!"(*) 957$ "* (!'6$: der Schnee),

Mein Haar vom Alter weiß (/$/ 0", /"7"(5 "* /":+$(*$ 9'750,: das Haar; das Alter ).

Mir träumt, ich ruhte wieder

Mir träumt, ich ruhte wieder

Vor meines Vaters Haus

Und schaute fröhlich nieder

Ins alte Tal hinaus,

Die Luft mit lindem Spielen

Ging durch das Frühlingslaub,

Und Blütenflocken fielen

Mir über Brust und Haupt.

Als ich erwacht, da schimmert

Page 69: 100 German Poems

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Der Mond vom Waldesrand,

Im falben Scheine flimmert

Um mich ein fremdes Land,

Und wie ich ringsher sehe:

Die Flocken waren Eis,Die Gegend war vom Schnee,

Mein Haar vom Alter weiß.

Eldorado

Es ist von Klang und Düften (=*" "*  :/4-$  = :/4-"/  , $+"0$*"/: der Klang; der Duft;

klingen-klang-geklungen – 31,#+($) Ein wunderbarer Ort (#4.'(!"' 0'(*"),

Umrankt von stillen Klüften ("-$207'!!"' 9':0"7/!50, &+"&$(*%0,, +$(>'7,!$0,: die

Kluft; die Ranke – ,');  /  0+'(&!)& /; 1$=>&&'<   0+'(&!)&),

Wir alle spielten dort (/(' 05 ,6+$7, *$0).

Wir alle sind verirret (05 /(' :$974.,7,(); irren – ./,84+($),

Seitdem so weit hinaus (( *'3 &"+ *$-  .$7'-"; hinaus – «(,4+-!+0,8, ») 

Unkraut die Welt verwirret (("+!$%  *+$/$  (&4*$7$  0,+; das Kraut – (0+1+ 

 /  0+3!"(0+1$& /; wirr – 3+%,(+!!6A),

Findt keiner mehr nach Haus (!,-*" 9"7)1' !' !$3".,* &4*, ."0"2).

Doch manchmal taucht’s aus Träumen (!"  ,!"6.$  "!"  /E7)."+$."  – 7'6'!.$+!$% 

:"7"*$% (*+$!$/ /":!,-$'*: «/5!5+,/$'*» ,: (!"/,.'!,2: der Traum),

 Als läg es weit im Meer (c7"/!" "!" 7'8$7" 95 = !$3".,7"() 95 .$7'-" / 0"+': das

Meer; liegen-lag-gelegen),

Und früh noch in den Bäumen (, +$!" '>' = , 4*+'!!'2 +$!)< / .'+'/)%3: der Baum) 

Rauscht’s wie ein Grüßen her ("!" 1'7'(*,*, (7"/!" &+,/'*(*/,'; her – '=4+).

Ich hört den Gruß verfliegen (% (7514, -$-  47'*$'*, &+"7'*$'* &+,/'*),

Ich folgt ihm über Land (% (7'.4< :$ !,0 &" "-+'(*!"(*,, &" 0'(*!"(*,),

Und hatte mich verstiegen (,  :$7': ($0 !'  :!$<  -4.$, :$9+'7  //  6"+5/; steigen-stieg-

gestiegen – %"4!)-+($'< ) 

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 Auf hoher Felsenwand (!$ /5("-4<, "*/'(!4<  (-$74: der Fels – ';+/+  + die Wand –

'(&!+).

Mein Herz ward mir so munter (0"' ('+.;' (*$7" 0!' = /" 0!' (*"7) "*/$8!50: ward

= wurde),Weit hinten alle Not (.$7'-" &":$., /"(*$7$()/ /(%-$% !48.$, 9'.$: die Not ),

 Als ginge jenseits unter ((7"/!" 95  *$0 .$7'-": «&"  *4  (*"+"!5» (&4(*,7(%, :$1'7,

:$-$*,7(%: untergehen – '+4)($'<  / " '1&()/+?  /; %"2).+($ / " -)0&, *)1)/)3+*)) / ) 

Die Welt in Morgenrot (0,+ / +$((/'*!4< :$+<).

Der Wind spielt’ in den Locken (/'*'+ ,6+$7 / /"7"($3: «/ 7"-"!$3»),

Da blitzt’ es drunten weit (*4* .$7'-" /!,:4 (/'+-!47" = (/'+-!47$ 0"7!,%),Und ich erkannt erschrocken (,  %  4:!$7  ,(&46$!!", (  ,(&46"0: erschrecken-erschrak-

erschrocken – %,2+($'< ; erkennen-erkannte-erkannt ) 

Die alte Einsamkeit ((*$+"' ".,!"#'(*/"; einsam – "4)!";)A).

Nun jeden Morgenschimmer (*'&'+) ( -$8."2 4*+'!!'2 :$+'2; schimmern – -&0*+($,

'/+." '1&()($'< ) 

Steig ich ins Blütenmeer (% &".!,0$<() / ;/'*"#!"', / 0"+' ;/'*"/: die Blüte – *1&(,

*1&(&!)&),

Bis ich Glücksel’ger nimmer (&"-$ %, (#$(*7,/52, !,-"6.$ 9"7''  = ("/('0 48 9"7'':

nimmer = nie mehr; das Glück – '#+'($&; selig – ./+8&!!6A) 

Von dorten wiederkehr ("**4.$ /!'/ /'+!4()).

Eldorado

Es ist von Klang und Düften

Ein wunderbarer Ort,

Umrankt von stillen Klüften,

Wir alle spielten dort.

Wir alle sind verirret,

Seitdem so weit hinaus

Unkraut die Welt verwirret,

Findt keiner mehr nach Haus.

Page 71: 100 German Poems

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Doch manchmal taucht’s aus Träumen,

Als läg es weit im Meer,

Und früh noch in den Bäumen

Rauscht’s wie ein Grüßen her.

Ich hört den Gruß verfliegen,

Ich folgt ihm über Land,

Und hatte mich verstiegen

Auf hoher Felsenwand.

Mein Herz ward mir so munter,Weit hinten alle Not,

Als ginge jenseits unter

Die Welt in Morgenrot.

Der Wind spielt’ in den Locken,

Da blitzt’ es drunten weit,

Und ich erkannt erschrocken

Die alte Einsamkeit.

Nun jeden Morgenschimmer

Steig ich ins Blütenmeer,

Bis ich Glücksel’ger nimmer

Von dorten wiederkehr.

Wilhelm Müller (1794 – 1827) 

Der Lindenbaum (7,&$: „7,&"/"' .'+'/"»)

 Am Brunnen (4 -"7".;$: der Brunnen) vor dem Tore (&'+'. /"+"*$0,: das Tor ) 

Da steht (*4*/*$0 (*",*) ein Lindenbaum.

Ich tr äumt (0'#*$7, /,.'7 ("!) in seinem Schatten (/ '6" *'!,: der Schatten) 

So manchen (!'0$7": „*$-  !'-"*"+52, !'-"*"+"' -"7,#'(*/"») süßen Traum ((7$.-,2 

("! = (7$."(*!4< 0'#*4).

Page 72: 100 German Poems

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Ich schnitt (/5+':$7: schneiden) in seine Rinde (/ '6" -"+4) 

So manches liebe Wort (!'0$7" 0,753 (7"/),

Es zog (*%!47": ziehen)  in Freud (/ +$."(*,: die Freude) und Leide (, (*+$.$!,,: das

Leid ) Zu ihm (-  !'04) mich (0'!%) immer fort (&"(*"%!!": „/('6.$ &+"#), .$7)1'»).

Ich musst (= musste – 957 ."78'! = *$-  &"74#,7"()) auch heute (, ('6".!%) wandern

(&+"2*, &'1-"0, &+"9+'(*,, &+"&4*'1'(*/"/$*)) 

Vorbei (0,0") in tiefer Nacht (/ 6749"-"2 !"#,, 6749"-"2 !"#)<),

Da (*4* = / =*"2 (,*4$;,,, &+, =*"0) hab ich noch im Dunkel (/ *'0!"*': das Dunkel ) 

Die Augen zugemacht (67$:$ :$-+57: das Auge).

Und seine Zweige rauschten ('6" /'*/, 1'7'(*'7,: der Zweig ),

 Als riefen sie mir zu (-$-  94.*" -+,#$7, 0!', :/$7, 0'!%: rufen):

Komm her (,.,  (<.$)  zu mir (-"  0!'), Geselle (&$+'!), &+,%*'7), (*+$!(*/4<>,2 

&".0$(*'+)'),

Hier findst du deine Ruh (:.'() !$2.'1) *5 */"2 &"-"2)!

Die kalten Winde bliesen (3"7".!5' /'*+5 .47,: der Wind; blasen) 

Mir grad ins Angesicht (0!' &+%0" / 7,;": gerade – %0<-"),

Der Hut flog (17%&$ (7'*'7$: fliegen) mir (0!' = 4 0'!%) vom Kopfe (( 6"7"/5: der Kopf ),

Ich wendete mich nicht (% !' "9'+!47(%).

Nun (*'&'+)) bin ich manche Stunde (!$ !'-"*"+' -"7,#'(*/", !'0$7" #$("/) 

Entfernt ("*.$7'!) von jenem Ort ("* *"6" 0'(*$: der Ort ),

Und immer (, /(' /+'0%) hör ich’s ((7514 %, -$-  =*") rauschen (1'7'(*,*):

Du f ändest (*5 !$1'7 95: finden) Ruhe dort (&"-"2 *$0)!

Der Lindenbaum

Am Brunnen vor dem Tore

Da steht ein Lindenbaum.

Ich träumt in seinem Schatten

So manchen süßen Traum.

Page 73: 100 German Poems

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Ich schnitt in seine Rinde

So manches liebe Wort,

Es zog in Freud und Leide

Zu ihm mich immer fort.

Ich musst auch heute wandern

Vorbei in tiefer Nacht,

Da hab ich noch im Dunkel

Die Augen zugemacht.

Und seine Zweige rauschten,Als riefen sie mir zu:

Komm her zu mir, Geselle,

Hier findst du deine Ruh!

Die kalten Winde bliesen

Mir grad ins Angesicht,

Der Hut flog mir vom Kopfe,

Ich wendete mich nicht.

Nun bin ich manche Stunde

Entfernt von jenem Ort,

Und immer hör ich’s rauschen:

Du fändest Ruhe dort!

Nikolaus Lenau (1802 – 1850) 

An ihren bunten Liedern klettert

 An ihren bunten Liedern klettert (&"  (/",0 +$:!";/'*!50, &'(*+50 &'(!%0  /= -$-  &" 

7'(*!,;'/ /:9,+$'*(%: klettern –  /+3+($, ;+0+.;+($'< ; das Lied – %&'!< ) 

Die Lerche selig in die Luft ( 8$/"+"!"-  97$8'!!" / /":.43);

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Ein Jubelchor von Sängern schmettert (7,-4<>,2  3"+  &'/;"/  6+'0,*;  jubeln –

 /);"1+($; der Chor; schmettern – '   ')/"A  .0"'+($, 5160<($; 20"-;"  %&($,

3+/)1+($'< ) 

Im Walde ( / 7'(4: der Wald ), voller Blüt und Duft (!$&"7!'!!"6" ;/'*'!,'0 , $+"0$*"0:

die Blüte; der Duft; blühen – *1&'()).Da sind, so weit die Blicke gleiten (*$0, !$(-"7)-" .$7'-" (-"7):%* /:"+5 = -4.$ *"7)-" 

&+"(*,+$'*(% /:"+),

 Altäre festlich aufgebaut (&+$:.!,#!" 4(*+"'!5, /":/'.'!5 $7*$+,: der Altar; aufbauen;

das Fest – %0+34!); ),

Und all die tausend Herzen läuten (,  /('  *5(%#,  ('+.';  :/"!%*  /&+,:5/$%, &"."9!" 

-"7"-"7$0/: das Herz; läuten – 31"!)($; '0+1!)(&: die Glocken läuten – 31"!<( 

;"/";"/+) Zur Liebesfeier (-  &+$:.!'(*/4 7<9/,: die Liebe –  /=."1$; die Feier – %0+34!&'(1";

feiern – %0+34!"1+($)  dringend laut (!$(*"%*'7)!"  6+"0-"; dringen – %0"!);+($;

!+'(+)1+($, ,%0+5)1+($).

Der Lenz hat Rosen angezündet (/'(!$ :$867$, &"."867$ +":5) 

 An Leuchtern von Smaragd im Dom (!$ (0$+$6."/53 (/'*,7)!,-$3 / ("9"+': der Dom);

Und jede Seele schwillt (,  -$8.$%  .41$  /:.50$'*(%: schwellen – 13.,?+($;

1346-+($'<  / " 1"4& /) und mündet ( ) 1%+4+&(, 1/)1+&('<  / '/"1!" ,'($&-  /; der Mund

 –  0"() 

Hinüber (*4.$: «*4.$-#'+':»)  in den Opferstrom (/  8'+*/'!!52 &"*"- , / &"*"-   8'+*/:

das Opfer –  8&0(1+ + der Strom – %"("; ).

An ihren bunten Liedern klettert

An ihren bunten Liedern klettert

Die Lerche selig in die Luft;

Ein Jubelchor von Sängern schmettert

Im Walde, voller Blüt und Duft.

Da sind, so weit die Blicke gleiten,

Altäre festlich aufgebaut,

Und all die tausend Herzen läuten

Zur Liebesfeier dringend laut.

Der Lenz hat Rosen angezündet

An Leuchtern von Smaragd im Dom;

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Und jede Seele schwillt und mündet

Hinüber in den Opferstrom.

Frühlings Tod ((0'+*) /'(!5: der Frühling; der Tod )

Warum, o Lüfte, flüstert ihr so bang (&"#'04, "  (*+4,  /":.43$, 1'&#'*'  /5  (*"7) 

*+'/"8!"; die Luft – 1"34,? )?

Durch alle Haine weht die Trauerkunde (#'+':, (-/":) /(' +">, = &" /('0 +">$0 /''*,

+$:!"(,*(% (-"+9!$% /'(*): der Hain; die Trauer – ';"0.$; die Kunde – 1&'($),

Und störrisch klagt der trüben Welle Gang (,  4&+%0"   8$74'*(%, &+,#,*$'*  3".,

./,8'!,' 0+$#!"2, *'0!"2 /"7!5: der Gang ):

Das ist des holden Frühlings Todesstunde (=*" 0,7"2 /'(!5 (0'+*!52 #$()!

Der Himmel, finster und gewitterschwül (!'9", 0+$#!"'  ,  .41!"-&$(04+!"'  /&'+'. 

6+":"2/; das Gewitter – 20"3+),

Umhüllt sich tief (4-4*5/$'*(%, "9/"7$-,/$'*(%  6749"-"), dass er sein Leid verhehle

(#*"95 (-+5*) (/"' (*+$.$!,'),

Und an des Lenzes grünem Sterbepfühl (, 4 :'7'!"6" (0'+*!"6" 7"8$ /'(!5: der Lenz

 – 1&'!+ / %"C(./; sterben – ,-)0+($; der Pfühl – %,?"1); , %&0)!+ / %"C(./ ) 

Weint noch sein Kind, sein liebstes, Philomele (&7$#'* '>' '': «'6"» .,*%, '' 7<9,0"',

M,7"0'7$ /("7"/'2/).

Wenn so der Lenz frohlocket (-"6.$ *$-  7,-4'* /'(!$; froh –  0+4"'(!6A), schmerzlich

ahnt (9"7':!'!!" &+'.#4/(*/4'*, &+'./,.,*) 

Das Herz sein Paradies (('+.;' (/"2 +$2), das uns verloren (-"*"+52 .7% !$( 4*+$#'!:

«!$0 &"*'+%!»: verlieren-verlor-verloren),

Und weil er uns zu laut daran gemahnt (, &"(-"7)-4 "! /= "!$ – /'(!$: der Lenz/ (7,1-" 

6+"0-" !$&"0!,7 !$0 "9 =*"0: mahnen – !+%"-)!+($, %0&4"'(&0&2+($),

Musst ihn der heiße Sonnenpfeil durchbohren ('6" ."78!$ &+"!:,*), &+"!,:$*) 6"+%#$% 

("7!'#!$% (*+'7$: der Pfeil; bohren – '1&0/)($, .,0)($).

Der Himmel blitzt (!'9" (/'+-$'*), und Donnerwolken fliehn (, 9'64* 6+":"/5' *4#,; der

Donner – 20"- ; die Wolke – "./+;"),

Die lauten Stürme durch die Haine tosen (6+"0-,' &"+5/5 /'*+$ 9414<* &" +">$0: der

Sturm – .,0< ):

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Doch lächelnd stirbt der holde Lenz dahin (!", 4759$%(), 40,+$'*  0,7$%  /'(!$:

dahinsterben; dahin – (,4+++, %0"#$),

Sein Herzblut still verströmend, seine Rosen (*,3"  ,(*'-$%  -+"/)<  (/"'6"  ('+.;$,

(/",0, +":$0,: das Herz – '&04*&; das Blut – ;0"1$; der Strom – %"("; ).

Frühlings Tod

Warum, o Lüfte, flüstert ihr so bang?

Durch alle Haine weht die Trauerkunde,

Und störrisch klagt der trüben Welle Gang:

Das ist des holden Frühlings Todesstunde!

Der Himmel, finster und gewitterschwül,

Umhüllt sich tief, dass er sein Leid verhehle,

Und an des Lenzes grünem Sterbepfühl

Weint noch sein Kind, sein liebstes, Philomele.

Wenn so der Lenz frohlocket, schmerzlich ahnt

Das Herz sein Paradies, das uns verloren,

Und weil er uns zu laut daran gemahnt,

Musst ihn der heiße Sonnenpfeil durchbohren.

Der Himmel blitzt, und Donnerwolken fliehn,

Die lauten Stürme durch die Haine tosen:

Doch lächelnd stirbt der holde Lenz dahin,

Sein Herzblut still verströmend, seine Rosen.

An den Frühling (/- / /'(!')

Noch immer, Frühling, bist du nicht (/(' '>', /'(!$, *5 !') 

Gekommen in mein Tal (&+,17$ / 0"< ."7,!4),

Wo ich dein liebes Angesicht (6.' % */"2 0,752 7,- ) 

Begrüßt das letztemal (&+,/'*(*/"/$7 &"(7'.!,2 +$:, &+"1752 +$:).

Noch stehn die Bäume dürr und bar ('>' (*"%* .'+'/)% (43,' , "9!$8'!!5': der Baum) 

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Um deinen Weg herum (/"-+46 */"'6" &4*, = "-$207%% */"2 &4*)) 

Und strecken (,  &+"*%6,/$<*), eine Bettlerschar (*"7&$  !,>,3: der Bettler – !)>)A;

betteln – %".)0+($'< ; die Schar – ("/%+, '(+< ),

Nach dir die Arme stumm (-  *'9' 0"7#$: «!'0"» +4-,: der Arm).

Frühblumen wähnten dich schon hier (+$!!,0 ;/'*$0 &"-$:$7"()  48', #*"  *5  :.'():

früh –  0+!"; die Blume – *1&("; ; wähnen – -!)($, 1"".0+8+($, / "5)."#!" /

%0&4%"/+2+($; der Wahn – 3+./,84&!)&, '+-"".-+! , 20&3+),

Frost bringt sie um ihr Glück (0"+": 7,1$'* ,3 ,3 (#$(*)%: der Frost; frieren – -"0"3)($;

-&03!,($),

Sie sehnten sich heraus nach dir ("!,  «*"0,7,()  !$+484  -   *'9'» = (*+'0,7,() 

/5(/"9".,*)(%, +$(&4(*,*)(% !$/(*+'#4 *'9') Und können nicht zurück (, !' 0"64* //'+!4*)(%/ "9+$*!").

Die Schwalbe fliegt bestürzt umher (7$(*"#-$ 7'*$'* +$(*'+%!!" /"-+46) 

Und ruft nach dir voll Gram (, -7,#'* *'9%, ,(&"7!'!!$% (-"+9,, *"(-,: der Gram),

Bereut schon (("8$7''*, +$(-$,/$'*(% 48'; die Reue –  0+';+<!)&, '"8+/&!)&), dass

sie übers Meer (#*" "!$ #'+': 0"+') 

Zu früh herüberkam ((7,1-"0 +$!" (<.$ &+,7'*'7$; herüber – «'=4+-#&0&3»).

An den Frühling

Noch immer, Frühling, bist du nicht

Gekommen in mein Tal,

Wo ich dein liebes Angesicht

Begrüßt das letztemal.

Noch stehn die Bäume dürr und bar

Um deinen Weg herum

Und strecken, eine Bettlerschar,

Nach dir die Arme stumm.

Frühblumen wähnten dich schon hier,

Frost bringt sie um ihr Glück,

Sie sehnten sich heraus nach dir

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Und können nicht zurück.

Die Schwalbe fliegt bestürzt umher

Und ruft nach dir voll Gram,

Bereut schon, dass sie übers MeerZu früh herüberkam.

An die Melancholie (-  0'7$!3"7,,)

Du geleitest mich durchs Leben (*5 ("&+"/"8.$'1) 0'!% &"  8,:!,: «#'+':  8,:!)»),

Sinnende (:$.40#,/$%, :$.405/$<>$%(%, &"6+48'!!$% / ('9%; sinnen – %"20,3)($'<  

1 / '".'(1&!!6& / -6'/)) Melancholie!Mag mein Stern sich strahlend heben (&".!,0$'*(% 7,: «0"8'* &".!,0$*)(%», (,%%,

0"% :/':.$; strahlen –  /,#)($'< ; der Strahl –  /,# ),

Mag er sinken ("&4(-$'*(%, &"6+48$'*(%  7,)  – weichest nie (!'  "*(*4&$'1), !' 

49'6$'1), !' (.$'1)(% = !' "(*$/7%'1) 0'!% !,-"6.$)!

Führst mich oft in Felsenklüfte (#$(*" /'.'1), &+,/".,1) 0'!% / +$(('7,!5 (-$7: der

Fels – ';+/+ + die Kluft – ,>&/$&,  0+''&/)!+, %0"%+'($),

Wo der Adler einsam haust (6.' ".,!"-" 6!':.,*(% "+'7),

Tannen starren in die Lüfte ('7, /!'&"./,8!"/ 67%.%* / /":.43: die Tanne) 

Und der Waldstrom (, 7'(!"2 &"*"- ) donnernd (6+'0% = -$-  6+"0; der Donner – 20"- ) 

braust (94+7,*, 140,*).

Meiner Toten dann gedenk ich (0",3 0'+*/53, 40'+1,3 *"6.$ % /(&"0,!$<),

Wild hervor die Träne bricht (!'/"7)!" :$7,/$<() (7':$0,: «.,-" !$+484 &+"9,/$'*(% 

(7':$»: hervorbrechen),

Und an deinen Busen senk ich (, !$ */"< 6+4.) % "&4(-$<, (-7"!%<) 

Mein umnachtet Angesicht (0"'  "9':40'/1''  7,;"; umnachten – %0)1&'()  1 

'"'("<!)& 4,5&1!"2"  0+''(0"A'(1+: «";0,8)($, ";,(+($ !"#$=»).

An die Melancholie

Du geleitest mich durchs Leben,

Sinnende Melancholie!

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Mag mein Stern sich strahlend heben,

Mag er sinken – weichest nie!

Führst mich oft in Felsenklüfte,

Wo der Adler einsam haust,Tannen starren in die Lüfte

Und der Waldstrom donnernd braust.

Meiner Toten dann gedenk ich,

Wild hervor die Träne bricht,

Und an deinen Busen senk ich

Mein umnachtet Angesicht.

Himmelstrauer (!'9'(!$% &'#$7), (-"+9) !'9$: der Himmel + die Trauer )

 Am Himmelsantlitz (&" 7,;4 !'9$: das Antlitz ) wandelt ein Gedanke (9+'.'*, ./,8'*(% 

05(7): der Gedanke; denken – 4,-+($),

Die düstre Wolke dort (/"! *" 0+$#!"' "97$-": «0+$#!"' "97$-" *$0»: düster ), so bang

(*$-  ,(&46$!!", +"9-"), so schwer (*$-  *%8'7");

Wie auf dem Lager (-$-  !$ 7"8': das Lager; liegen –  /&8+($)  sich der Seelenkranke

(.41'/!"9"7)!"2: die Seele – 4,5+ + krank – ."/$!"A),

Wirft sich (0'#'*(%, 9+"($'*(%: werfen – .0"'+($) der Strauch im Winde (-4(* !$ /'*+4:

der Wind ) hin und her (*4.$-(<.$) = (9'(&"-"2!" /"+"#$'*(%).

Vom Himmel tönt (( !'9$ :/4#,*) ein schwermutmattes Grollen (*"(-7,/"' 6+"053$!,';

grollen – 20"-6?+($  / " 20"-& /; die Schwermut – ,!6!)&, ("';+, -&/+!?"/)< ; matt –

'/+.6A, 1</6A; (,';/6A, -+("16A),

Die dunkle Wimper (*'0!$% +'(!,;$: dunkel ) blinzet (0,6$'*, &"97'(-,/$'*) manches

Mal (,!"6.$, /+'0% "* /+'0'!,: «!'-"*"+52 +$:»),

 – So blinzen Augen (*$-   0,6$<*, &"97'(-,/$<*  67$:$: das Auge), wenn sie weinen

wollen (-"6.$ "!, 3"*%* &7$-$*))  –,

Und aus der Wimper zuckt ein schwacher Strahl (,  ,:-&".  +'(!,;5  (/'+-$'*,

/(&53,/$'*  (7$952  74#: zucken – 1340+2)1+($, %"4&02)1+($'< ; '1&0;+($,

1'%6?)1+($: Blitze zucken – '1&0;+=( -"/!))). – 

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Nun (*'&'+), ,  /"*)  schleichen aus dem Moore (-+$.4*(%, &".-+$.5/$<*(%  ,:, ( 

9"7"*$: das Moor – / ("0B<!"& / ."/"(")  kühle Schauer («&+"37$.!5'  ":!"95» =

&+"9,+$<>,2 ." -"(*'2 3"7".: der Schauer = der Schauder – 40"8$, "3!". ) 

Und leise Nebel (,  *,3,'  *40$!5: der Nebel )  übers Heideland (!$.  746$0,: «!$. 

746"/"2 :'07'2»: die Heide – 1&0&';"1+<  %,'("5$);Der Himmel ließ (!'9"  &4(*,7", "*&4(*,7": lassen), nachsinnend seiner Trauer

(&"6+48'!!"' / (/"< &'#$7), / (/"' 4!5!,': über etwas /oder + Gen./ nachsinnen –

 0+3-65/<($,  0+34,-61+($ " #&- - /)." / 16'"; ./ ),

Die Sonne lässig fallen aus der Hand (("7!;' /%7" !'9+'8!" 4&$(*) ,: +4-,) = (/%7" 

/5+"!,7" ,: +4-  ("7!;').

Himmelstrauer

Am Himmelsantlitz wandelt ein Gedanke,

Die düstre Wolke dort, so bang, so schwer;

Wie auf dem Lager sich der Seelenkranke,

Wirft sich der Strauch im Winde hin und her.

Vom Himmel tönt ein schwermutmattes Grollen,

Die dunkle Wimper blinzet manches Mal,

 – So blinzen Augen, wenn sie weinen wollen –,

Und aus der Wimper zuckt ein schwacher Strahl. – 

Nun schleichen aus dem Moore kühle Schauer

Und leise Nebel übers Heideland;

Der Himmel ließ, nachsinnend seiner Trauer,

Die Sonne lässig fallen aus der Hand.

Nebel (*40$!)

Du, trüber Nebel (*5, (40+$#!52, 04*!52  &$(04+!52  *40$!), hüllest mir (-4*$'1),

&"-+5/$'1) 0!') 

Das Tal mit seinem Fluss (."7,!4 ( '': «'6"» +'-"2: der Fluss),

Den Berg mit seinem Waldrevier (6"+4 ( '' 7'(!50 46".)'0 = &"+"(14< 7'("0 6"+4:

der Wald –  /&'  + das Revier – 2"0!6A  0+A"! ,  /&'!)#&'(1") 

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Und jeden Sonnengruß (, -$8."' &+,/'*(*/,' ("7!;$, -$8.52 ("7!'#!52 &+,/'*: die

Sonne + der Gruß; grüßen – %0)1&('(1"1+($).

Nimm fort in deine graue Nacht (/":)0, &+"#) / */"< ('+4< !"#): nehmen) 

Die Erde weit und breit (/(< //,.,04< 0!"</ :'0!4< 1,+), /(< =*4 :'07<: «:'07< –.$7'-" , 1,+"-"»: weit und breit – %"1'=4, , 1" 1'&A ";0,2&)!

Nimm fort, was mich so traurig macht (#*" .'7$'* 0'!% *$-,0 &'#$7)!50),

 Auch die Vergangenheit ($  *$-8'  &+"17"', &+"1'.1''; vergehen – %0"?"4)($,

%0"(&;+($ / " 10&-&!) / )!

Nebel

Du, trüber Nebel, hüllest mir

Das Tal mit seinem Fluss,

Den Berg mit seinem Waldrevier

Und jeden Sonnengruß.

Nimm fort in deine graue Nacht

Die Erde weit und breit!

Nimm fort, was mich so traurig macht,

Auch die Vergangenheit!

Das Posthorn (+"8"-  &"#*$7)"!$)

Still ist schon das ganze Dorf (48' *,3$ = (*,37$ /(% .'+'/!%),

 Alles schlafen gangen (/(' &"17, (&$*): gehen),

 Auch die Vöglein im Gezweig (*$-8' , &*,#-, / /'*/%3: der Vögel; der Zweig – 1&(1$;

das Gezweig – 1&(1)),

Die so lieblich sangen (-"*"+5' *$-  0,7", &+'7'(*!" &'7,).

Dort in seiner Einsamkeit (*$0, / (/"'0 ".,!"#'(*/') 

Kommt der Mond nun wieder (*'&'+) (!"/$ &+,3".,* 74!$, 0'(%;),

Und er lächelt still und bleich (, "! 4759$'*(% *,3" = 0"7#$ , 97'.!") 

Seinen Gruß hernieder (/&"(57$%/ &+,/'* (<.$-/!,:);

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Nur der Bach, der nimmer ruht (*"7)-" +4#'2, -"*"+52 !,-"6.$ !' &"-",*(%),

Hat ihn gleich vernommen ('6"  (+$:4  /"(&+,!%7: vernehmen-vernahm-vernommen –

,'/65+($),

Lächelt ihm den Gruß zurück (4759$'*(% '04 / "*/'*),

Flüstert ihm (1'&#'* '04): «Willkommen (."9+" &"8$7"/$*))!»

Mich auch findest du noch wach (0'!%  *"8'  *5  !$2.'1)  = :$(*$!'1)  '>' 

9".+(*/4<>,0),

Lieber Mond (0,752 0'(%;), wie diesen (-$-  , '6": «=*"6"»),

Denn auf immer hat die Ruh (&"(-"7)-4 !$/('6.$ &"-"2) 

Mich auch fortgewiesen (0'!%  *"8'  &+"6!$7, "*/'+6; /den Weg/ weisen – ,;+361+($ 

 / 4"0"2,  /; fort – %0"#$, 1"! ).

Mich umschlingt kein holder Traum (0'!% !' "&4*5/$'* !,-$-"2 0,752 ("!: der Traum

 – '!"1)4&!)&; schlingen – ".1)1+($, ".?1+()($; die Schlinge – %&(/< ) 

Mit den Zauberfäden (/"71'9!50,  !,*%0,: der Zauber – ;"/4"1'(1", 1"/5&.'(1";

der Faden – !)($),

Hab mit meinem Schmerze noch (0!' !48!" '>' ( 0"'2 9"7)<, (/",0 (*+$.$!,'0: der

Schmerz ) 

Manches Wort zu reden («&"6"/"+,*)  !'-"*"+"'  (7"/"» = !48!", &+'.(*",*  '>' 

&'+'-,!4*)(% (7"/'#-"0 ( 0"'2 9"7)<). –

Ferne, leise hör ich dort (.$7'-" = / .$7,, *,3" (7514 % *$0) 

Eines Posthorns Klänge (:/4-, &"#*"/"6" +"8-$: der Klang; klingen – 31,#+($),

Plötzlich wird mir um das Herz (/.+46 0!' (*$!"/,*(% «/"-+46 ('+.;$» = !$ ('+.;') 

Nun noch eins so enge (('2#$( /"* /.+46 *$-  *'(!": eins = einmal; plötzlich).

Töne, Wandermelodei (:/4-,, 0'7".,%  (*+$!(*/,2: der Ton; wandern –

'(0+!'(1"1+($),

Durch die öden Straßen (&" &4(*5!!50 47,;$0: «(-/":) &4(*5!!5' 47,;5»: öde);

Wie so leicht einander doch (-$-   8' 7'6-" .+46 .+46$) 

Menschen sich verlassen (&"-,.$<* 7<.,)!

Lustig rollt der Wagen fort (/'('7" -$*,* .$7)1' /&"#*"/$%/ -$+'*$) 

Über Stein' und Brücken (&" -$0!%0 , 0"(*$0: der Stein; die Brücke);

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Stand nicht wer an seinem Schlag (/+$:/'/ !'  (*"%7  -*"-*"  4  ''  /-$+'*5/ ./'+;5:

stehen-stand-gestanden; der Schlag – 41&0*+ / ;+0&(6  / ) 

Mit verweinten Blicken (( :$&7$-$!!50, /:"+$0,: der Blick; weinen – %/+;+($)?

Mag er stehn (/!4/ , &4(*) (*",*: «0"8'* (*"%*)» = .$ 3"*) 95 "! , (*"%7)! die Tränekann ((7':$ !' 0"8'*) 

Nicht die Rosse halten (4.'+8$*) -"!'2: das Ross);

Mag der rauhe Geißelschwung (&4(*)  .$8'  6+4952,  8'(*-,2  /:0$3  9,#$: die Geißel;

schwingen – -+?+($,  0+3-+?)1+($) 

Ihm die Seele spalten (+$(('#'* '04 .414)!

Schon verhallt des Hornes Klang (48' "*:/4#$7 :/4-  +"8-$) Ferne meinem Lauschen (/.$7,  «0"'04 (7434, &+,(741,/$!,<»; lauschen /+ Dat./ –

%0)'/,5)1+($'<  / ;  #&-, - /)." / ),

Und ich höre wieder nur (, % (7514 (!"/$ 7,1)) 

Hier das Bächlein rauschen (-$-   :.'()  140,*  +4#''- : rauschen – 5,05+($,

5&/&'(&($).

Ich gedenke bang und schwer (%  /(&"0,!$<  *+'/"8!"  ,  *%8'7"  = (  *+'/"6"2  , 

*%8'(*)< !$ .41') 

 Aller meiner Lieben (/('3 0",3  7<9,053: gedenken /+ Gen./ – %"-)!+($,  ?0+!)($ 

%+-<($ / 16'"; ./ ),

Die in ferner Heimat mir (-"*"+5' 4 0'!% !$ .$7'-"2 +".,!') 

Sind zurückgeblieben ("(*$7,(): bleiben-blieb-geblieben);

Diese schöne Sommernacht (=*$ &+'-+$(!$% 7'*!%% !"#)) 

Muss vorübergehen (."78!$ &+"2*,, 0,!4*); vorüber – -)-") 

Und mein Leben ohne sie (, 0"<  8,:!) 9': !'') 

Einsamkeit verwehen (/."78!"/ +$:/'%*), (.4*) ".,!"#'(*/").

Mahnend ruft die Mitternacht (&+'.4&+'8.$<>'  -7,#'*  &"7!"#): mahnen –

!+%"-)!+($; %0&4"'(&0&2+($) 

Mir herab vom Turme (0'!% /!,: ( 9$1!,: der Turm).

Ferne (/*', -*"/ .$7'-")! denket mein (&".40$2*'  "9" 0!': denken + Gen.)! die Zeit

(/+'0%) 

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Eilt dahin im Sturme ((&'1,*, 4!"(,*(% &+"#) (*+'0,*'7)!": der Sturm – .,0< )!

Unsre Gräber, denket mein (!$1, 0"6,75, &"0!,*' "9" 0!': das Grab)!

Sind schon ungeduldig (/"!,/ 48'  !'*'+&'7,/5; dulden – (&0%&($; die Geduld –

(&0%&!)&)! –Dass wir nicht beisammen sind (// *"0/, #*" 05 !' /0'(*'),

Bin ich selber schuldig (% ($0 /,!"/$*; die Schuld – 1)!+).

Das Posthorn

Still ist schon das ganze Dorf,

Alles schlafen gangen,Auch die Vöglein im Gezweig,

Die so lieblich sangen.

Dort in seiner Einsamkeit

Kommt der Mond nun wieder,

Und er lächelt still und bleich

Seinen Gruß hernieder;

Nur der Bach, der nimmer ruht,

Hat ihn gleich vernommen,

Lächelt ihm den Gruß zurück,

Flüstert ihm: «Willkommen!»

Mich auch findest du noch wach,

Lieber Mond, wie diesen,

Denn auf immer hat die Ruh

Mich auch fortgewiesen.

Mich umschlingt kein holder Traum

Mit den Zauberfäden,

Hab mit meinem Schmerze noch

Manches Wort zu reden. –

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Ferne, leise hör ich dort

Eines Posthorns Klänge,

Plötzlich wird mir um das Herz

Nun noch eins so enge.

Töne, Wandermelodei,

Durch die öden Straßen;

Wie so leicht einander doch

Menschen sich verlassen!

Lustig rollt der Wagen fort

Über Stein' und Brücken;Stand nicht wer an seinem Schlag

Mit verweinten Blicken?

Mag er stehn! die Träne kann

Nicht die Rosse halten;

Mag der rauhe Geißelschwung

Ihm die Seele spalten!

Schon verhallt des Hornes Klang

Ferne meinem Lauschen,

Und ich höre wieder nur

Hier das Bächlein rauschen.

Ich gedenke bang und schwer

Aller meiner Lieben,

Die in ferner Heimat mir

Sind zurückgeblieben;

Diese schöne Sommernacht

Muss vorübergehen

Und mein Leben ohne sie

Einsamkeit verwehen.

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Mahnend ruft die Mitternacht

Mir herab vom Turme.

Ferne! denket mein! die Zeit

Eilt dahin im Sturme!

Unsre Gräber, denket mein!

Sind schon ungeduldig! –

Dass wir nicht beisammen sind,

Bin ich selber schuldig.

Herbstgefühl ("('!!''  #4/(*/", ">4>'!,': der Herbst + das Gefühl; fühlen –

#,1'(1"1+($)

Mürrisch braust der Eichenwald (/"+#7,/"  9414'*, 140,*  .49"/52  7'(; murren –

1"0#+($,  0"%(+($; die Eiche – 4,. ),

 Aller Himmel ist umzogen (/('  !'9"  "97"8'!"  /*4#$0,/: umziehen – ";0,8+($,

"%"<'61+($; ".;/+461+($ / " (,#+?  / ),

Und dem Wandrer rauh und kalt (,  &4*!,-4  +':-"/+':-,2: «6+49", (4+"/"» , 

3"7".!"/3"7".!52: rauh – 5&0"?"1+(6A; 20,.6A; ',0"16A / !+%0)-&0, " ;/)-+(& / ) 

Kommt der Herbstwind nachgeflogen (7'*,*  /(7'.: «&+,3".,*, &+,7'*'/  /(7'.»

"('!!,2 /'*'+: fliegen –  /&(&($).

Wie der Wind zu Herbsteszeit (-$-  /'*'+ / "('!!'' /+'0%: die Zeit ) 

Mordend hinsaust in den Wäldern (49,2(*/'!!" 140,*, (/,(*,*  /  7'($3: morden –

'"1&05+($ ,.)A'(1" /der Mord/; sausen – 5,-&($, '1)'(&($ / " 1&(0& /; der Wald ),

Weht mir die Vergangenheit (/''* 0!' &+"17"'; vergehen – %0"?"4)($ / " 10&-&!) / ) 

Von des Glückes Stoppelfeldern (("  (8$*53  &"7'2  (#$(*)%, ("  (*'+!,  (#$(*)%: die

Stoppel –  8!)1$&, '(&0!< ; das Feld – %"/&; das Glück – '#+'($&).

 An den Bäumen, welk und matt (!$ .'+'/)%3, 4/%.1,2 , 97'.!52),

Schwebt des Laubes letzte Neige (/,(,*  7,(*/5  &"(7'.!,2  "(*$*"- : schweben –

1)'&($ 1 1"34,?&, %+0)($; das Laub  –  /)'(1+; neigen – ';/"!<($'< , ;/"!)($'<  1!)3 

die Neige – "'(+("; , ,.6/$; '0+1!)(&: zur Neige gehen – )4() !+ ,.6/$),

Niedertaumelt Blatt auf Blatt (/$7,*(% /!,: 7,(* !$ 7,(*: das Blatt ) 

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Und verhüllt die Waldessteige (,  4-+5/$'*, "-4*5/$'*  7'(!5'  *+"&,!-,, (*'8-,: der

Steig; die Hülle – "."/"#;+, %";0"1);

Immer dichter fällt es, will (/(' &7"*!'', 64>' &$.$'* "!$ /7,(*/$/, 3"#'*) 

Mir den Reisepfad verderben (,(&"+*,*)  0!'  ."+"8-4, &"  -"*"+"2  9+'.4: «*+"&4 &4*'1'(*/,%»: die Reise + der Pfad )»,

Dass ich lieber halte still (/*$- / #*"95 % 74#1' "(*$!"/,7(%, :$0'+),

Gleich am Orte hier zu sterben (/#*"95/ *4*  8'  !$  0'(*'  :.'()  40'+'*): der Ort –

-&'(").

Herbstgefühl

Mürrisch braust der Eichenwald,

Aller Himmel ist umzogen,

Und dem Wandrer rauh und kalt

Kommt der Herbstwind nachgeflogen.

Wie der Wind zu Herbsteszeit

Mordend hinsaust in den Wäldern,

Weht mir die Vergangenheit

Von des Glückes Stoppelfeldern.

An den Bäumen, welk und matt,

Schwebt des Laubes letzte Neige,

Niedertaumelt Blatt auf Blatt

Und verhüllt die Waldessteige;

Immer dichter fällt es, will

Mir den Reisepfad verderben,

Dass ich lieber halte still,

Gleich am Orte hier zu sterben.

Herbstgefühl ("('!!''  #4/(*/", ">4>'!,': der Herbst + das Gefühl; fühlen –

#,1'(1"1+($)

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Der Buchenwald ist herbstlich schon gerötet (94-"/52 7'( 48' &"-"('!!'04 &"-+$(!'7:

die Buche – .,; ),

So wie ein Kranker ((7"/!" 9"7)!"2  /#'7"/'- /), der sich neigt zum Sterben (-"*"+52 

-7"!,*(% -  40,+$!,<, -  (0'+*,),

Wenn flüchtig noch sich seine Wangen färben (-"6.$  0,0"7'*!"  '>'  '6"  >'-, "-+$1,/$<*(%; die Flucht – .&2'(1"; die Wange – >&;+; die Farbe – *1&(, ;0+';+);

Doch Rosen sind’s (!" =*" +":5), wobei kein Lied mehr flötet (&+,  -"*"+53 !'  :/4#,* 

9"7)1' &'(!%: das Lied; die Flöte – B/&A(+).

Das Bächlein zieht und rieselt, kaum zu hören (+4#''-  *'#'* , (*+4,*(%, './$ (751!52,

'./$ 0"8!" (751$*); der Bach –  0,#&A; ziehen – (<!,($ / '<  / ),

Das Tal hinab (//!,:/ &" ."7,!'), und seine Wellen gleiten (, '6" /"7!5 (-"7):%*: dieWelle),

Wie durch das Sterbgemach die Freunde schreiten (&"."9!"  *"04, -$-   #'+':  &"-"2 

40,+$<>'6" &+"3".%* /'6"/ .+4:)%: schreiten – 5+2+($; 5&'(1"1+($),

Den letzten Traum des Lebens nicht zu stören (/*,3"/ #*"95 !' (&46!4*), !' !$+41,*) 

&"(7'.!,2 ("!, &"(7'.!'' (!"/,.'!,'  8,:!,: stören – -&5+($, '.)1+($; das Leben

 –  8)3!$).

Ein trüber Wandrer findet hier Genossen (&'#$7)!52, 0+$#!52 &4*!,-  !$3".,*  :.'() 

&+,%*'7'2, *"/$+,>'2: der Genosse),

Es ist Natur, der auch die Freuden schwanden (=*" &+,+".$, -"*"+$% *$-8' 4*+$*,7$ 

+$."(*,, 4(7$.5: «/4/ -"*"+"2  ,(#':7,, 4957,, &"6,97,  +$."(*,»: schwinden-

schwand-geschwunden; die Freude),

Mit seiner ganzen Schwermut einverstanden (("  /('2  '6"  0'7$!3"7,'2, *"(-"2 

("67$(!$ /&+,+".$/),

Er ist in ihre Klagen eingeschlossen ("! :$-7<#'!, /-7<#'! / ''  8$7"95, &+,#,*$!,%:

die Klage; klagen –  8+/"1+($'< ; einschließen-schloss ein-eingeschlossen).

Herbstgefühl

Der Buchenwald ist herbstlich schon gerötet,

So wie ein Kranker, der sich neigt zum Sterben,

Wenn flüchtig noch sich seine Wangen färben;

Doch Rosen sind’s, wobei kein Lied mehr flötet.

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Das Bächlein zieht und rieselt, kaum zu hören,

Das Tal hinab, und seine Wellen gleiten,

Wie durch das Sterbgemach die Freunde schreiten,

Den letzten Traum des Lebens nicht zu stören.

Ein trüber Wandrer findet hier Genossen,

Es ist Natur, der auch die Freuden schwanden,

Mit seiner ganzen Schwermut einverstanden,

Er ist in ihre Klagen eingeschlossen.

Herbstlied ("('!!%% &'(!%: der Herbst + das Lied )

Rings trauern die Entlaubten (/"-+46  6+4(*%* 7,1'!!5' 7,(*/5  /.'+'/)%/; das Laub –

 /)'(1+),

Vom kalten Wind durchweht (&+"!,:$!!5' 3"7".!50 /'*+"0: der Wind; wehen – 4,($,

1&<($),

Die Tannen nur behaupten ('7, 7,1) ("3+$!%<*: «4*/'+8.$<*»: die Tanne) 

Ihr dunkles Grün so spät ((/"< *'0!4< :'7'!) (*"7) &":.!").

Wenn’s Vöglein baut sein Lager (-"6.$ &*,#-$ (*+",* (/"' 7"8': das Vöglein; der Vogel

 – %()*+),

So grünt das Tannenreis (*"6.$ :'7'!''* '7"/$% /'*"#-$: das Reis – "(0"'("; , %".&2) 

Und grünt, wenn’s Wild sich hager (, /*"6.$/ :'7'!''*, -"6.$ .,#), .,-,' :/'+,, 34.5' 

= ,(*">'!!5') 

Scharrt Wurzeln aus dem Eis (+"'*, /5(-+'9$'*  -"+'!)% ,:-&"." 7).$: die Wurzel –

;"0&!$; das Eis –  /&4).

Die Buche sehe ich schwinden (% /,84, -$-  495/$'*, &"6,9$'* 94- ) 

Im Froste (!$ 0"+":': der Frost ), lebenssatt (&+'(5>'!!52  8,:!)<, 4(*$752 "*  8,:!,:

das Leben –  8)3!$; satt – '6(6A),

Wie sie den kalten Winden (-$-  "!: «"!$» 3"7".!50 /'*+$0) 

Hinwirft das letzte Blatt (9+"($'* &"(7'.!,2 7,(*; werfen – .0"'+($).

Zu meiner Seele Trauer (-  &'#$7, 0"'2 .41,: die Seele – 4,5+; die Trauer – %&#+/$) 

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Die Buche besser stimmt (94-  9"7)1' &".3".,*, 9"7)1' (""*/'*(*/4'* /&'#$7,/),

Dass sie den Winterschauer (*", #*" "! 48$( :,05) 

Sich so zu Herzen nimmt (*$-  /97,:-"/ &+,!,0$'* -  ('+.;4).

Herbstlied

Rings trauern die Entlaubten,

Vom kalten Wind durchweht,

Die Tannen nur behaupten

Ihr dunkles Grün so spät.

Wenn’s Vöglein baut sein Lager,So grünt das Tannenreis

Und grünt, wenn’s Wild sich hager

Scharrt Wurzeln aus dem Eis.

Die Buche sehe ich schwinden

Im Froste, lebenssatt,

Wie sie den kalten Winden

Hinwirft das letzte Blatt.

Zu meiner Seele Trauer

Die Buche besser stimmt,

Dass sie den Winterschauer

Sich so zu Herzen nimmt.

Winternacht

1

Vor Kälte ist die Luft erstarrt ("*  3"7".$  :$(*57, :$0'+  /":.43: die Kälte; kalt –

 ?"/"4!6A; starr – !&%"41)8!6A, 3+'(615)A, ";+-&!&15)A),

Es kracht der Schnee von meinen Tritten ((-+,&,* (!'6 "* 0",3 1$6"/: der Tritt; treten –

'(,%+($),

Es dampft mein Hauch (,:" +*$ ,.'* &$+: der Hauch – 46?+!)&, 164"? ; der Dampf –

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%+0), es klirrt mein Bart (:/'!,* 0"% 9"+".$: der Bart );

Nur fort (!4  .$/$2  8', /&'+'.: «*"7)-"  .$7)1'»), nur immer fortgeschritten (/!48!" 

7,1)/ &+"."78$*)  ./,8'!,': immer – 1'&  10&-< , %"-%0&8!&-, ; fortschreiten –

5+2+($ 4+/$5&; schreiten-schritt-geschritten – 5+2+($)!

Wie feierlich die Gegend schweigt (-$-  *"+8'(*/'!!" 0"7#,*, 9':0"7/(*/4'* 0'(*!"(*);

feiern – %0+34!"1+($)!

Der Mond bescheint die alten Fichten (74!$  "(/'>$'*  (*$+5'  ("(!5: die Fichte;

scheinen – '1&()($),

Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt (-"*"+5', ,(&"7!'!!5' *"07'!,%, (-7"!,/1,() -  

(0'+*,: der Tod; die Sehnsucht – ("';+. ("-/&!)&; sich nach etwas, jemandem sehnen

 – / '(0+'(!" / ("-)($'<  %" #&-, - /).", ;"-, - /)."),Den Zweig zurück zur Erde richten (/'*/) !$&+$/7%<* "9+$*!" -  :'07').

Frost (0"+":: der Frost )! friere mir ins Herz hinein (&+"0"+":) 0!'  ('+.;', &+"!,-!, 

0!' / ('+.;': hinein – (,4+-1!,(0$),

Tief in das heißbewegte, wilde (6749"-" /  8$+-"-&"./,8!"', .,-"' = 942!"')!

Dass einmal Ruh mag drinnen sein (#*"95 !$-"!'; /!4*+, 0"6 95*) &"-"2: die Ruhe),

Wie hier im nächtlichen Gefilde (-$-   :.'()  /  !"#!"0  &"7', !$  !"#!"2  +$/!,!': das

Gefilde –  0+1!)!+, -&'(!"'($; %"/& / %"C(./; das Feld – %"/&)!

1

Vor Kälte ist die Luft erstarrt,

Es kracht der Schnee von meinen Tritten,

Es dampft mein Hauch, es klirrt mein Bart;

Nur fort, nur immer fortgeschritten!

Wie feierlich die Gegend schweigt!

Der Mond bescheint die alten Fichten,

Die, sehnsuchtsvoll zum Tod geneigt,

Den Zweig zurück zur Erde richten.

Frost! friere mir ins Herz hinein,

Tief in das heißbewegte, wilde!

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Dass einmal Ruh mag drinnen sein,

Wie hier im nächtlichen Gefilde!

2

Dort heult im tiefen Waldesraum (*$0  /"'*  /  6749,!'  7'($: «/  6749"-"0  7'(!"0 

&+"(*+$!(*/'»: tief – 2/,.";)A; der Wald –  /&' ; der Raum – %0"'(0+!'(1") 

Ein Wolf (/"7- : der Wolf ); wie's Kind aufweckt die Mutter (-$-  +'9'!"-  94.,* 0$*)),

Schreit er die Nacht aus ihrem Traum ("!$ 94.,* !"#) "* '' (!$: «-+,#,* !"#) ,: '' 

(!$»: schreien – ;0)#+($; der Traum – '"! , '!"1)4&!)&) 

Und heischt von ihr sein blutig Futter (, *+'94'* "* !'' (/"< -+"/$/4< &,>4: das Futter

 – ;"0- ; füttern – ;"0-)($; das Blut – ;0"1$).

Nun brausen über Schnee und Eis (*'&'+), /"* 9414<* = (" (/,(*"0 &+"!"(%*(% !$. 

(!'6"0 , 7)."0: der Schnee; das Eis) 

Die Winde fort mit tollem Jagen (/'*+$ ( 9'1'!50 6"!"0: der Wind; fort – 4+/&&, %0"#$;

 jagen – 2!+($, 3+2"!<($ / 31&0<  / ),

 Als wollten sie sich rennen heiß ((7"/!"  "!,  3"*'7,  95  +$:6"+%#,*)(%, "*"6+'*)(% 

9'6"0: rennen – .&8+($; heiß –  8+0;)A):

Wach auf (&+"(!,(): aufwachen), o Herz (('+.;': das Herz ), zu wildem Klagen (.7% 

.,-"2 = "*#$%!!"2  8$7"95: «-  .,-"2  8$7"9'»)!

Lass deine Toten auferstehn (&4(*)  /"((*$!4*, /"(-+'(!4*  */",  0'+*/5', */", 

0'+*/';5; tot – -&0(16A; lass sie auferstehen – «4+A )-  1"';0&'!,($») 

Und deiner Qualen dunkle Horden (,  */",3 04- , 04#'!,2  *'0!5' "+.5: die Qual; die

Horde)!

Und lass sie mit den Stürmen gehn (,  &4(*)  "!,  &"2.4*, 42.4*  /0'(*'  (  94+%0,,

&"+5/$0, /'*+$: der Sturm),

Dem rauhen Spielgesind aus Norden (c =*,0  6+4950 (9+"."0 ,6+"-"/, /'('7%>,0(% 

(9+"."0, /&+,1'.1,0/ (  ('/'+$; das Gesinde – .+(0+;), #&/<4$; das Gesindel –

'.0"4, "(0&.$&; rauh – 20,.6A,  0&3;)A,  8&'(;)A; ')%/6A  / "  2"/"'& /: die rauhe

Stimme; spielen – )20+($)!

2

Page 93: 100 German Poems

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Dort heult im tiefen Waldesraum

Ein Wolf; wie's Kind aufweckt die Mutter,

Schreit er die Nacht aus ihrem Traum

Und heischt von ihr sein blutig Futter.

Nun brausen über Schnee und Eis

Die Winde fort mit tollem Jagen,

Als wollten sie sich rennen heiß:

Wach auf, o Herz, zu wildem Klagen!

Lass deine Toten auferstehn

Und deiner Qualen dunkle Horden!Und lass sie mit den Stürmen gehn,

Dem rauhen Spielgesind aus Norden!

Die drei Zigeuner

Drei Zigeuner fand ich einmal (*+'3 ;56$! !$1'7, "9!$+48,7 % ".!$8.5: finden-fand-

gefunden) 

Liegen an einer Weide (7'8$>,0,: «7'8$*)» 4 ,/5),

 Als mein Fuhrwerk mit müder Qual (-"6.$ 0"% &"/":-$ ( 4(*$7"2 04-"2 = 04#,*'7)!",

'7'-'7': das Fuhrwerk – %"1"3;+, C;)%+8 ) 

Schlich durch sandige Heide (*$>,7$()  &"  &'(#$!"2  /&"#/'/ &4(*"1,: schleichen-

schlich-geschlichen – ;0+'($'< ; der Sand – %&'"; ).

Hielt der eine für sich allein (".,!  .'+8$7  «.7%  ('9%  ".!"6"» = 7,1)  .7%  (/"'6" 

4."/"7)(*/,%: halten-hielt-gehalten) 

In den Händen die Fiedel (/ +4-$3 (-+,&"#-4: die Hand; die Fiedel – ';0)%;+ / 4&5&1+< ,

%0&!&.0./ ),

Spielte, umglüht vom Abendschein (,6+$7, ":$+'!!52  :$-$*!50: «/'#'+!,0» (/'*"0:

glühen –  0+';+/)($'< ; %6/+($, 2"0&($),

Sich ein feuriges Liedel (('9' = .7% ('9% "6!'!!4< = :$8,6$*'7)!4< &'('!-4; das Lied

 – %&'!< ; das Feuer – "2"!$).

Page 94: 100 German Poems

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Hielt der zweite die Pfeif im Mund (/*"+"2  8'  .'+8$7  *+49-4  /"  +*4: die Pfeife; der

Mund ),

Blickte nach seinem Rauche (67%.'7, 4(*+'07%7  /:67%.  /(7'.  :$  (/",0  .50"0,

.50-"0: der Rauch; rauchen – 46-)($'< ),

Froh, als ob er vom Erdenrund (+$."(*!52, (7"/!" '04  "*  /('6"  :'0!"6" 0,+$: dasErdenrund ) 

Nichts zum Glücke mehr brauche (!,#'6"  9"7)1'  !'  !48!"  957"  .7%  (#$(*)%: das

Glück ).

Und der dritte behaglich schlief ($ *+'*,2, 4<*!" 4(*+",/1,(), (&$7: schlafen; es behagt

mir – -!& !0+1)('< , %0)<(!" / ;!)8! ./ ),

Und sein Zimbal am Baum hing ($ '6" ;,09$75 /,('7, !$ .'+'/': der Baum; hängen-hing-gehangen),

Über die Saiten der Windhauch lief (&" (*+4!$0 &+"9'6$7" .53$!,' /'*+$: die Saite; der

Wind; der Hauch),

Über sein Herz ein Traum ging (&" '6" ('+.;4 &+"3".,7 ("! = (!"/,.'!,': der Traum).

 An den Kleidern trugen die drei (!$  ".'8.$3  ,0'7,: «!"(,7,» /('  *+"': das Kleid;

tragen-trug-getragen) 

Löcher und bunte Flicken (.5+-, , &'(*+5' :$&7$*-,: das Loch; der Flicken; flicken –

#)!)($, 5("%+($, '(+1)($ 3+%/+(6 ) 

 Aber sie boten (!" "!, /5+$8$7,, &"-$:5/$7,: bieten-bot-geboten) trotzig frei (4&+%0",

!'&"-"+!"-(/"9".!"; der Trotz – ,%0<-'(1") 

Spott den Erdengeschicken (!$(0'1-4, &+':+'!,' :'0!50 (4.)9$0, &" "*!"1'!,< -  

:'0!"2 (4.)9': der Spott; das Geschick ).

Dreifach haben sie mir gezeigt (*+,8.5 "!, &"-$:$7, 0!'),

Wenn das Leben uns nachtet (-"6.$ *)0$  8,:!, /"-+46 !$( (64>$'*(%),

Wie man’s verraucht, verschläft, vergeigt (-$-  0"8!" '' &+"-4+,*), &+"(&$*), &+",6+$*) 

/!$ (-+,&-'/; die Geige – ';0)%;+) 

Und es dreimal verachtet (,  *+,8.5  ''  &+':,+$*), *+,8.5  "*!'(*,()  -   !'2  ( 

&+':+'!,'0; achten – %"#)(+($, ,1+8+($).

Nach den Zigeunern lang noch schaun (."76" '>' % "67%.5/$7(%: «(0"*+'7» !$ ;56$!) 

Musst’ ich im Weiterfahren (!'/"7)!": «."78'! 957 % /"67%.5/$*)(%/», '.4#, .$7)1'),

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Nach den Gesichtern dunklebraun (!$ ,3 *'0!5', :$6"+'75' 7,;$: dunkel – (&-!6A +

braun – ;"0)#!&16A),

Den schwarzlockigen Haaren (!$  #'+!"--4.+%/5'  /"7"(5: das Haar – die Haare; die

Locke –  /";"! , 3+1)("; ; die Locken – ;,40), 1$=>)&'<  1"/"'6 ).

Die drei Zigeuner

Drei Zigeuner fand ich einmal

Liegen an einer Weide,

Als mein Fuhrwerk mit müder Qual

Schlich durch sandige Heide.

Hielt der eine für sich allein

In den Händen die Fiedel,

Spielte, umglüht vom Abendschein,

Sich ein feuriges Liedel.

Hielt der zweite die Pfeif im Mund,

Blickte nach seinem Rauche,

Froh, als ob er vom Erdenrund

Nichts zum Glücke mehr brauche.

Und der dritte behaglich schlief,

Und sein Zimbal am Baum hing,

Über die Saiten der Windhauch lief,

Über sein Herz ein Traum ging.

An den Kleidern trugen die drei

Löcher und bunte Flicken,

Aber sie boten trotzig frei

Spott den Erdengeschicken.

Dreifach haben sie mir gezeigt,

Wenn das Leben uns nachtet,

Wie man’s verraucht, verschläft, vergeigt

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Und es dreimal verachtet.

Nach den Zigeunern lang noch schaun

Musst’ ich im Weiterfahren,

Nach den Gesichtern dunklebraun,Den schwarzlockigen Haaren.

Am Kirchhof dort bin ich gestanden

 Am Kirchhof dort bin ich gestanden (4 ;'+-"/!"6" -7$.9,>$ *$0 % (*"%7: stehen-stand-

gestanden; der Kirchhof: die Kirche – *&0;"1$ + der Hof – 41"0),

Wo unten still das Rätsel modert (6.' /!,:4 9':0"7/!" 6!,'*, *7''* :$6$.-$ = *$2!$) Und auf den Grabesrosen lodert (, &57$'*, &"753$'* !$ 0"6,7)!53 +":$3; das Grab –

-"2)/+);

Es blüht die Welt in Todesbanden (;/'*'* 0,+ / 4:$3 (0'+*,: der Tod – '-&0($; das

Band –  /&!(+, (&'$-+; die Bande – ,36 ).

Dort lächelt auf die Gräber nieder (*$0 /:,+$'* /!,: ( 4759-"2: lächeln – ,/6.+($'< ) 

Mit himmlisch duldender Gebärde ((  !'9'(!"-*'+&'7,/50, *'+&%>,0  = &+">$<>,0 

 8'(*"0 = /5+$8'!,'0; dulden – (&0%&($) 

Vom Kreuz das höchste Bild der Erde ((  -+'(*$  ($0"'  /":/51'!!"'  ,:"9+$8'!,' 

:'07,: das Kreuz );

Ein Vogel drauf sang seine Lieder (&*,;$ !$ !'0 &'7$ (/", &'(!,: der Vogel; das Lied;

singen-sang-gesungen).

Doch kaum dass sie geklungen hatten (".!$-", './$  "!,  "*:/4#$7,: klingen-klang-

geklungen – 31,#+($),

Flog scheu zum Wald zurück der Wilde (,(&46$!!"  47'*'7$  "9+$*!"  /  7'(  .,-$+-$:

scheu –  0".;)A; fliegen-flog-geflogen);

Ich sang, wie er, ein Lied dem Bilde (% (&'7, -$-  , "!$: «"!», &'(!) ,:"9+$8'!,<) 

Und kehrte heim in meine Schatten (, /'+!47(% ."0"2 / (/", *'!,: der Schatten).

Natur! will dir ans Herz mich legen (&+,+".$! 3"#4 &+,&$(*) -  */"'2 6+4.,: «&+,7'#) -  

*/"'04 ('+.;4»)!

Verzeih, dass ich dich konnte meiden (&+"(*,, #*" % 0"6 *'9% ,:9'6$*)),

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Dass Heilung ich gesucht für Leiden (#*"  %  ,(-$7  ,(;'7'!,%  "*  (*+$.$!,2; heilen –

)'*&/<($; leiden – '(0+4+($),

Die du mir gabst zum herben Segen (-"*"+5' *5 0!' .$/$7$, .$7$ .7% *'+&-"6" 97$6$,

97$6"(7"/'!,%, /  -$#'(*/'  *'+&-"6"  97$6"(7"/'!,%: der Segen; segnen –

./+2"'/"1/<($).

In deinen Waldesfinsternissen (/  */",3  7'(!53  (40+$-$3: der Wald + die Finsternis;

finster – -0+#!6A) 

Hab ich von mancher tiefen Ritze (%  (" 0!"6,3  6749"-,3 +$!: «( !'-"*"+"2  6749"-"2 

+$!5»: die Ritze – >&/$, *+0+%)!+),

Durch die mir leuchten deine Blitze ((-/":)  -"*"+5'  0!'  (/'+-$7,, (/'*,7,  */", 

0"7!,,, &+"97'(-,: der Blitz ),Den trüglichen Verband gerissen (c"+/$7  "90$!#,/4<, //".%>4<  /  :$9748.'!,' 

&"/%:-4, &'+'/%:-4, 9,!*: reißen-riss-gerissen –  01+($; verbinden-verband-verbunden –

'1<361+($; %&0&1<361+($ /  0+!,  / ).

Am Kirchhof dort bin ich gestanden

Am Kirchhof dort bin ich gestanden,

Wo unten still das Rätsel modert

Und auf den Grabesrosen lodert;

Es blüht die Welt in Todesbanden.

Dort lächelt auf die Gräber nieder

Mit himmlisch duldender Gebärde

Vom Kreuz das höchste Bild der Erde;

Ein Vogel drauf sang seine Lieder.

Doch kaum dass sie geklungen hatten,

Flog scheu zum Wald zurück der Wilde;

Ich sang, wie er, ein Lied dem Bilde

Und kehrte heim in meine Schatten.

Natur! will dir ans Herz mich legen!

Verzeih, dass ich dich konnte meiden,

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Dass Heilung ich gesucht für Leiden,

Die du mir gabst zum herben Segen.

In deinen Waldesfinsternissen

Hab ich von mancher tiefen Ritze,Durch die mir leuchten deine Blitze,

Den trüglichen Verband gerissen.

Bist fremd du eingedrungen

Bist fremd du eingedrungen ('(7, *5 &+"!,-   /(<.$/ #48,0, #48.50: eindringen-drang

ein-eingedrungen),So fürcht’ Erinnerungen (*", *"6.$  9"2(%  /"(&"0,!$!,2; sich an etwas erinnern –

1'%"-)!+($, %"-!)($ #("- /)."),

Sie stürzen auf Waldwegen ("!, 9+"($<*(%, 94.4* 9+"($*)(% !$ 7'(!53 ."+"8-$3: der

Wald + der Weg ) 

Wie Räuber dir entgegen (-$-  +$:9"2!,-,, *'9' !$/(*+'#4).

Willst du im Walde weilen ('(7, *5 3"#'1) &"95*) / 7'(4),

Um deine Brust zu heilen (#*"95 ,(;'7,*) (/"< 6+4.) = #*"95 "*."3!4*) .41"2),

So muss dein Herz verstehen (*"6.$ */"' ('+.;' ."78!" &"!,0$*)) 

Die Stimmen, die dort wehen (6"7"($, -"*"+5' *$0 /'<*: die Stimme).

In froher Kinder Kreise (/ -+464 +$."(*!53 .'*'2: der Kreis – ;0,2) 

Verjüngen sich die Greise ((*$+,-, 0"7".'<*),

Und Grambeladne werden (, "*%6#'!!5', 4.+4#'!!5'  6"+'0, *"(-"2 (*$!"/%*(%: der

Gram; beladen – !+20,8&!!6A; laden – 20,3)($) 

Noch einmal froh auf Erden ('>' ".,! +$: +$."(*!50, !$ :'07').

Verjüngender doch wirken (/'.) 0"7".%>', "0"7$8,/$<>' .'2(*/4<*) 

In heimlichen Bezirken (/ *$2!53 "97$(*%3, / *$,!(*/'!!53 &+'.'7$3: der Bezirk ),

Im Schoß der Waldesnächte (/ 6749,: «/ 7"!'» 7'(!53 !"#'2 = 7'(!"6" (40+$-$: der

Schoß; die Nacht ) 

Natur und ihre Mächte (&+,+".$ , '' (,75: die Natur; die Macht – 1/+'($, -">$, ')/+).

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Hier quillt die träumerische (:.'()  9)'*  -7<#"0  0'#*$*'7)!$%: quellen; träumen –

-&#(+($, 1)4&($ '"! ),

Urjugendliche Frische (,(-"!!"-0"7".$% (/'8'(*); ur- – %0+-, )';"!!"),

In ahndungsvoller Hülle (/ &"7!"2 &+'.#4/(*/,% "9"7"#-': die Ahndung = die Ahnung –

%0&4#,1'(1)&; ahnden = ahnen – %0&4#,1'(1"1+($) Die ganze Lebensfülle (/(% &"7!"*$  8,:!,).

Es rauschet wie in Träumen (1'7'(*,*, -$-  / (!"/,.'!,%3: der Traum) 

Von Liedern in den Bäumen ("* &'('!, &'(!%0, / .'+'/)%3: das Lied – die Lieder; der

Baum – die Bäume),

Und mit den Wellen ziehen (, ( /"7!$0, &+"!"(%*(%, &+"&75/$<*: «&"3".%*, *%!4*(%»:

die Welle) Verhüllte Melodien ((-+5*5' 0'7".,,: verhüllen – %";061+($, ';061+($; die Hülle –

"."/"#;+).

Im Herzen wird es helle (/ ('+.;', !$ ('+.;' (*$!"/,*(% (/'*7": das Herz ),

Und heim zum ew’gen Quelle (, ."0"2, !$:$. -  /'#!"04 ,(*"#!,-4, +".!,-4: ewig ) 

Der Jugend darfst du sinken (<!"(*,  0"8'1)  *5  = *'9'  .":/"7'!"  &"6+4:,*)(%,

(&4(*,*)(%),

Dich frisch und selig trinken (,  !$&",*)  ('9%  «(/'8'  ,  97$8'!!"» = ."  ("(*"%!,% 

(/'8'(*, , (#$(*)%).

Sehnsüchtig zieht entgegen ((  *"07'!,'0,  8$8.4>'  ,.'* !$/(*+'#4; die Sehsucht –

("';+, ("-/&!)&, '(0+'(!"&   8&/+!)&; sich sehnen nach etwas – ("-)($'<   %" 

#&-, - /).") 

Natur auf allen Wegen (&+,+".$ !$ /('3 &4*%3),

 Als schöne Braut im Schleier (-$-   &+'-+$(!$%  !'/'(*$  /  &"-+5/$7': der Schleier –

%";061+/", 1,+/$),

Dem Geiste, ihrem Freier (/!$/(*+'#4/ .434, ''  8'!,34: der Geist ).

Tautropfen auf den Spitzen (-$&7, +"(5 !$ /'+341-$3: der Tau –  0"'+; der Tropfen –

;+%/< ; die Spitze) 

Der dunklen Halme blitzen (*'0!53 -"7"()'/ (/'+-$<*, 97'>4*: der Halm) 

Wie helle Liebeszähren (-$-  (/'*75' (7':5 7<9/,: die Liebe + die Zähre),

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Ein süß nach ihm Begehren (".!" 7,1) (7$."(*!"' (*+'07'!,'  -  !&-, ; begehren –

 8&/+($,  8+84+($).

Sie schweigt, in Sehnsucht lauschend ("!$  0"7#,*, &+,(741,/$%()  /  *"07'!,,, / 

*"(-');Dann plötzlich, freudig rauschend (:$*'0  /.+46, +$."(*!"  1'7'(*%; die Freude –

 0+4"'($),

Scheint selig sie zu spüren ("!$, -$8'*(%, 97$8'!!" = ( 97$8'!(*/"0 #4/(*/4'*, #4'*),

Dass er sie heim wird führen (#*" "! "*/'.'* '' ."0"2).

 All ihre Pulse beben (/(' «'' &47)(5»,  8,7-, .+"8$*, (".+"6$<*(%),

In ihm, in ihm zu leben (/4(*+'07%%()/ / !'0, / !'0  8,*)),Von ihm dahinzusinken ("* !'6" &"6+4:,*)(%, :$2*, /-$-  ("7!;'/),

Den Todeskuss zu trinken (,(&,*)  &";'742  (0'+*,: der Tod + der Kuss; küssen –

*&/"1+($).

So lauscht und rauscht die Seele (*$-  &+,(741,/$'*(% , 1'7'(*,* .41$),

Dass Gott sich ihr vermähle (/ 8'7$%/ #*"95 H"6 ( !'2 "9/'!#$7(%),

Fühlt schon den Odem wehen (#4/(*/4'* 48', -$-  /''* .53$!,', .4!"/'!,'),

In dem sie wird vergehen (/  -"*"+"0  "!$  ,(#':!'*, &+"&$.'*, 40+'*: vergehen –

%0"?"4)($ / " 10&-&!) /; %0"%+4+($, ,-)0+($).

Bist fremd du eingedrungen

Bist fremd du eingedrungen,

So fürcht Erinnerungen,

Sie stürzen auf Waldwegen

Wie Räuber dir entgegen.

Willst du im Walde weilen,

Um deine Brust zu heilen,

So muss dein Herz verstehen

Die Stimmen, die dort wehen.

In froher Kinder Kreise

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Verjüngen sich die Greise,

Und Grambeladne werden

Noch einmal froh auf Erden.

Verjüngender doch wirkenIn heimlichen Bezirken,

Im Schoß der Waldesnächte

Natur und ihre Mächte.

Hier quillt die träumerische,

Urjugendliche Frische,

In ahndungsvoller HülleDie ganze Lebensfülle.

Es rauschet wie in Träumen

Von Liedern in den Bäumen,

Und mit den Wellen ziehen

Verhüllte Melodien.

Im Herzen wird es helle,

Und heim zum ew’gen Quelle

Der Jugend darfst du sinken,

Dich frisch und selig trinken.

Sehnsüchtig zieht entgegen

Natur auf allen Wegen,

Als schöne Braut im Schleier,

Dem Geiste, ihrem Freier.

Tautropfen auf den Spitzen

Der dunklen Halme blitzen

Wie helle Liebeszähren,

Ein süß nach ihm Begehren.

Sie schweigt, in Sehnsucht lauschend;

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Dann plötzlich, freudig rauschend,

Scheint selig sie zu spüren,

Dass er sie heim wird führen.

All ihre Pulse beben,In ihm, in ihm zu leben,

Von ihm dahinzusinken,

Den Todeskuss zu trinken.

So lauscht und rauscht die Seele,

Dass Gott sich ihr vermähle,

Fühlt schon den Odem wehen,In dem sie wird vergehen.

Rings ein Verstummen, ein Entfärben

Rings ein Verstummen (/"-+46, -+46"0  "!'0'!,', :$*,1)'; stumm – !&-"A;

verstummen – ,-"/;+($), ein Entfärben (&"*'+% -+$("- , "9'(;/'#,/$!,'; &"8'7*'!,';

die Farbe – *1&(, ;0+';+; entfärben – ".&'*1&#)1+($, sich entfärben – ./&4!&($;

 8&/(&($ / " 4&0&1$<?  / );

Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln (-$- , (-"7) 0%6-", !'8!" 7'(  «67$.%*» (*+4, 

/":.43$: die Luft ),

Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln (/#*"95/ 7'(*)<, 7$(-"2  /5&+"(,*)  '6" 

4/%.14<  7,(*/4, :$(*$/,*)  '6"  +$((*$*)(%  (  4/%.1'2  7,(*/"2; schmeicheln –

 /$'()($);

Ich liebe dieses milde Sterben (% 7<97< =*" 0%6-"', *,3"' 40,+$!,').

Von hinnen geht die stille Reise ("*(<.$ !$#,!$'*(%, 9'+'* !$#$7" *,3"' &4*'1'(*/,':

von hinnen = von hier weg ),

Die Zeit der Liebe ist verklungen (/+'0%  7<9/,  "*:/4#$7": verklingen; klingen-klang-

geklungen – 31,#+($),

Die Vögel haben ausgesungen (&*,;5 "*&'7,, &'+'(*$7, &'*): der Vogel; singen-sang-

gesungen – %&($),

Und dürre Blätter sinken leise (,  (43,', /5("31,'  7,(*)%  0'.7'!!"  "&4(-$<*(%  =

&$.$<*: das Blatt; sinken – %"20,8+($'< , "%,';+($'< ).

Page 103: 100 German Poems

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Die Vögel zogen nach dem Süden (&*,;5  47'*'7,  !$  <6: ziehen – (<!,($ / '<  /,

%&0&&38+($, %&0&/&(+($),

 Aus dem Verfall des Laubes (,:  «4&$.-$ 7,(*/5» = ,:  8$7-,3 "(*$*-"/ 7,(*/5: der

Verfall ) tauchen («/5!5+,/$<*» = &"%/7%<*(%, /,.!'<*(% &"+"2) Die Nester (6!':.$: das Nest ), die nicht Schutz mehr brauchen (-"*"+5'  9"7)1'  !' 

!48.$<*(% / :$>,*': der Schutz ),

Die Blätter fallen stets (7,(*)% &$.$<* &"(*"%!!"), die müden (4(*$75').

In dieses Waldes leisem Rauschen (/ =*"6" 7'($ 7'6-"0 1'7'(*': der Wald; rauschen –

5&/&'(&($) 

Ist mir (0!' = 4 0'!% *$-"' #4/(*/", ">4>'!,'; 0!' -$8'*(%), als hör' ich Kunde wehen((7"/!" % (7514, -$-  «/''*», ."!"(,*(% //'*+"0/ /'(*)),

dass alles Sterben und Vergehen (#*" /(', /(%-"' 40,+$!,' , ,(#':!"/'!,'; vergehen

 – %0"?"4)($, %0"(&;+($ / " 10&-&!) / ) 

Nur heimlichstill (/'(*)/ 7,1) *$,!(*/'!!"-*,3,2: heimlich; still ) vergnügtes (."/"7)!52,

+$."(*!52; genug – 4"'(+("#!6A)  Tauschen ("90'!: tauschen – -&!<($,

".-&!)1+($).

Rings ein Verstummen, ein Entfärben

Rings ein Verstummen, ein Entfärben;

Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln,

Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln;

Ich liebe dieses milde Sterben.

Von hinnen geht die stille Reise,

Die Zeit der Liebe ist verklungen,

Die Vögel haben ausgesungen,

Und dürre Blätter sinken leise.

Die Vögel zogen nach dem Süden,

Aus dem Verfall des Laubes tauchen

Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen,

Die Blätter fallen stets, die müden.

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In dieses Waldes leisem Rauschen

Ist mir, als hör' ich Kunde wehen,

dass alles Sterben und Vergehen

Nur heimlichstill vergnügtes Tauschen.

Meeresstille (*,1,!$ 0"+%: das Meer + die Stille)

Sturm mit seinen Donnerschlägen (94+% (" (/",0,  6+"0"/50, +$(-$*$0,: der Sturm;

der Donner – 20"- ; der Schlag – ,4+0) 

Kann mir nicht wie du (!' 0"8'* 0!' -$-  *5) 

So das tiefste Herz bewegen (*$-  :$*+"!4*) 6749"#$21'' ('+.;': bewegen – 41)2+($),Tiefe Meeresruh (/"/ 6749"-,2 0"+(-"2 &"-"2: die Ruhe)!

Du allein nur konntest lehren (*5 ".,! 7,1) 0"6 !$4#,*)) 

Uns den schönen Wahn (!$( &+'-+$(!"04 9':40,<) 

Seliger Musik der Sphären (97$8'!!"2 04:5-, (@'+),

Stiller Ozean (/"/ *,3,2, 9':0"7/!52 "-'$!)!

Nächtlich Meer, nun ist dein Schweigen (/"/ !"#!"' 0"+', *'&'+) */"' 0"7#$!,') 

So tief ungestört ((*"7) 6749ó-" 9':0%*'8!"; stören – -&5+($, .&'%";")($),

Dass die Seele wohl ihr eigen (/*$- / #*" .41$ /&"7!' (/", ("9(*/'!!5') 

Träumen klingen hört ((!"/,.'!,%  :/4#$*)  (751,*  = (751,*, -$-   :/4#$*  '' 

("9(*/'!!5' (!5: das Träumen – '!"1)4&!)<  / %0"*&''  / );

Dass im Schutz geschlossnen Mundes (/*$- / #*" &". "3+$!"2 ("0-!4*53 4(*: der Schutz;

schützen – "?0+!<($, 3+>)>+($; der Mund –  0"(; schließen-schloss-geschlossen –

3+;061+($) 

Doch mein Herz erschrickt (/('  8' 0"' ('+.;' &46$'*(%: das Herz; erschrecken),

Das Geheimnis heil’gen Bundes (/,/ *$2!4  (/%>'!!"6"  ("<:$: der Bund; binden –

'1<361+($) 

Fester an sich drückt (-+'&#' -  ('9' &+,8,0$'*).

Meeresstille

Page 105: 100 German Poems

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Sturm mit seinen Donnerschlägen

Kann mir nicht wie du

So das tiefste Herz bewegen,

Tiefe Meeresruh!

Du allein nur konntest lehren

Uns den schönen Wahn

Seliger Musik der Sphären,

Stiller Ozean!

Nächtlich Meer, nun ist dein Schweigen

So tief ungestört,Dass die Seele wohl ihr eigen

Träumen klingen hört;

Dass im Schutz geschlossnen Mundes

Doch mein Herz erschrickt,

Das Geheimnis heil’gen Bundes

Fester an sich drückt.

Die Seejungfrauen (+4($7-,: die See – -"0& + die Jungfrau – 4&1+)

Freundlich wehn die Abendwinde (.+48'(*/'!!" /'<*, .4<* /'#'+!,' /'*+5; der Wind ),

Schimmern Mond und Sterne ((/'*%*, 0'+;$<* 74!$ , :/':.5: der Mond; der Stern);

Und das Schiff, so leicht und linde (, -"+$97), *$-"2 7'6-,2 , «!'8!52»; lind – -<2;)A,

(&%/6A, ;0"(;)A, !&8!6A),

Trägt mich nach der Ferne (!'('*, 4!"(,* 0'!% / .$7)).

Fried und Liebe, hold verbunden (0,+ , 7<9"/), #4.!" (/%:$!!5': der Friede; die Liebe;

verbinden-verband-verbunden; hold – -)/6A, %0&/&'(!6A),

Schweben auf der Tiefe (&$+%* !$. 6749,!"2),

Ob der Tod mit seinen Wunden (94.*" 95 (0'+*) ( '' +$!$0,: die Wunde) 

Nun auf immer schliefe (*'&'+) !$/('6.$ 4(!47$: schlafen-schlief-geschlafen – '%+($).

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Sinnend (:$.40#,/", &"6+4:,/1,() / +$:0517'!,') starr’ ich (&+,(*$7)!" (0"*+< %) 

nach dem hellen (!$ (/'*7"'),

Grenzenlosen Meere (9':6+$!,#!"' 0"+': das Meer; die Grenze – 20+!)*+),

Nach des Mondes und der Wellen (!$ 74!5 , /"7!: die Welle) 

Heimlichem Verkehre (*$2!"'  "9>'!,': der Verkehr; verkehren – ;,0')0"1+($,'"1&05+($  0&A'6 ; mit jemandem verkehren – ".>+($'< , 1"4)($ 3!+;"-'(1" '  ;&- -

 /).");

Plötzlich seh' ich rasche Wogen (!'"8,.$!!"  %  /,84, -$-   95(*+5'  /".!5'  &"*"-,,

/"7!5: die Woge) 

 Aus der Tiefe springen (4(*+'07%<*(%: «/5&+56,/$<*» ,: 6749,!5),

Die da kommen hergezogen (-"*"+5'  /7'-4*(%  (<.$: «&+,3".%*  &+,/7'#'!!50,»;ziehen-zog-gezogen – (<!,($; 5&'(1"1+($, %0"41)2+($'< ),

Einen Gruß zu bringen (#*"95 &+,!'(*, &+,/'*).

Ists ein Gruß von Tiefverbannten (&+,/'* 7, =*" "* ,:6!$!!53 /  6749,!4; der Bann –

)32!+!)&, ''6/;+) 

 An die Sternenlichter (/- / :/':.!50 (/'*,7$0; das Licht – '1&()?

Gilt das Grüßen dem verwandten (/,7,/ &+,/'*(*/,' &+'.!$:!$#'!" +".(*/'!!"04) 

 Ahnungsvollen Dichter (&"7!"04  &+'.#4/(*/,2  &"=*4; die Ahnung – %0&4#,1'(1)&;

ahnen – %0&4#,1'(1"1+($; 4"2+461+($'< )?

Tiefewärts mit süßem Zwange (/  6749,!4  ("  (7$."(*!50  &+,!48.'!,'0: der Zwang;

zwingen-zwang-gezwungen – %0)!,84+($) 

Zieht es mich zu schauen (*%!'*, :$*%6,/$'* 0'!% &"(0"*+'*)),

Mit geheimnisvollem Drange ((  *$,!(*/'!!"2: «,(&"7!'!!"2  *$2!5» *%6"2,

(*+'07'!,'0: der Drang; drängen – (&'!)($, !+%)0+($; !+'(+)1+($; das Geheimnis

 – (+A!+; drängen) 

Zu den Seejungfrauen (-  +4($7-$0 = !$ *$!'; +4($7"- ).

Ja, von euch, ihr Rätselhaften (.$, "* /$(, " :$6$."#!5'; das Rätsel – 3+2+4;+),

Kam dies volle Rauschen (&+",(3".,7"  =*"*  6$+0"!,#!"': «&"7!"'»  84+#$!,';

rauschen – 5&/&'(&($;  8,0#+($),

Dran die Seele sehnend haften (-   -"*"+"04  &"!'/"7': «."78!$», *"(-4%, &+,7,&$'* 

.41$) 

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Muss und niederlauschen (, &+,(741,/$'*(% «/!,:» = (-7"!,/1,() /-  6749,!$0/).

Ward euch ahnend eine Kunde (957$ 7, /$0 / &+'.#4/(*/,, /'(*)) 

Im Korallenhage (/ -"+$77"/"2 +">': der Hag –  8)1+<  )32"0"4$; ;,'(+0!); ,  0">)*+),

Dass ein warmes Herz zur Stunde (#*" *'&7"' ('+.;' / .$!!52 #$() Euch vorüberschlage (0,0" /$( 9)'*(% = 9)'*(%, &+"&75/$% 0,0" /$()?

Glücklich die Piloten waren ((#$(*7,/5 957, *' 0"+'&7$/$*'7,),

Denen ihr erschienen (-"*"+50  /5  %/7%7,(), &"-$:5/$7,(): erscheinen-erschien-

erschienen; scheinen – ;+3+($'< ) 

Mit den schönen, wunderbaren (( &+'-+$(!50,, #4.'(!50,),

Lieblich fremden Mienen (0,7"-#48.50,, !'"95#!50, /5+$8'!,%0, 7,;$: die Miene)!

Könnt ich tauchen nieder, nieder ('(7, 95 % 0"6 !5+!4*) /!,:, /!,:) 

Bis in eure Nähen (." /$1'2 97,:"(*, = #*"95 ("/('0 &+,97,:,*)(% -  /$0: die Nähe –

./)3"'($; nah – ./)3;)A)!

Könnt ich eurer schlanken Glieder ('(7, 95 % 0"6 /$1,3 (*+"2!53, 6+$;,":!53 #7'!"/:

das Glied ) 

Leisen Wandel sehen (*,3"' ./,8'!,' /,.'*): der Wandel – %&0&-&!+, )3-&!&!)&)!

Sehen euch den Reigen üben (/,.'*), -$-   /5  /'.'*'  3"+"/".: üben – ,%0+8!<($,

%0+;();"1+($),

Schwesterlich verschlungen (&"-('(*+,!(-,  "9!%/1,(); verschlingen – '1<361+($ 

 / ,3/"-  /; sich verschlingen – '%/&(+($'< , %&0&%/&(+($'< ; die Schlinge – %&(/< ),

Schweigend in den ewig trüben (0"7#$ / /'#!" (04*!53, 0+$#!53) 

Meeresdämmerungen (0"+(-,3  (40'+-$3; die Dämmerung; dämmern – '-&0;+($'< ;

 0+''1&(+($)!

Die Seejungfrauen

Freundlich wehn die Abendwinde,

Schimmern Mond und Sterne;

Und das Schiff, so leicht und linde,

Trägt mich nach der Ferne.

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Fried und Liebe, hold verbunden,

Schweben auf der Tiefe,

Ob der Tod mit seinen Wunden

Nun auf immer schliefe.

Sinnend starr’ ich nach dem hellen,

Grenzenlosen Meere,

Nach des Mondes und der Wellen

Heimlichem Verkehre;

Plötzlich seh' ich rasche Wogen

Aus der Tiefe springen,Die da kommen hergezogen,

Einen Gruß zu bringen.

Ists ein Gruß von Tiefverbannten

An die Sternenlichter?

Gilt das Grüßen dem verwandten

Ahnungsvollen Dichter?

Tiefewärts mit süßem Zwange

Zieht es mich zu schauen,

Mit geheimnisvollem Drange

Zu den Seejungfrauen.

Ja, von euch, ihr Rätselhaften,

Kam dies volle Rauschen,

Dran die Seele sehnend haften

Muss und niederlauschen.

Ward euch ahnend eine Kunde

Im Korallenhage,

Dass ein warmes Herz zur Stunde

Euch vorüberschlage?

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Glücklich die Piloten waren,

Denen ihr erschienen

Mit den schönen, wunderbaren,

Lieblich fremden Mienen!

Könnt ich tauchen nieder, nieder

Bis in eure Nähen!

Könnt ich eurer schlanken Glieder

Leisen Wandel sehen!

Sehen euch den Reigen üben,

Schwesterlich verschlungen,Schweigend in den ewig trüben

Meeresdämmerungen!

In Schlummer ist der dunkle Wald gesunken

In Schlummer ist der dunkle Wald gesunken (/ .+'0"*4 &"6+4:,7(% *'0!52 7'(: sinken-

sank-gesunken; der Schlummer; schlummern – 40&-+($),

Zu träge ist die Luft, ein Blatt zu neigen ((7,1-"0 7'!,/ /":.43, #*"95 (-7"!,*) 7,(*),

Den Blütenduft zu tragen (#*"95 !'(*, $+"0$* ;/'*"/; die Blüte – *1&(&!)&; blüten –

*1&'()), und es schweigen (, 9':0"7/(*/4<*) 

Im Laub die Vögel (/ 7,(*/' &*,;5: das Laub; der Vogel ) und im Teich die Unken (, / 

&+4.4  8'+7%!-,: der Teich; die Unke –  8&0/<!;+ / 1)4  8+.6  /; %0&41&'(!);  .&46 ).

Leuchtkäfer nur (7,1) (/'*7%#-,: leuchten – '1&()($'<  + der Käfer –  8,; ), wie stille

Traumesfunken ((7"/!"  *,3,'  ,(-+5  (!$, (!"/,.'!,%: der Traum – '!"1)4&!)&; der

Funke – )';0+) 

Den Schlaf durchgaukelnd (&+"7'*$%  (-/":)  ("!; gaukeln –  /&2;"  %+0)($,

%";+#)1+<'$), schimmern in den Zweigen (0'+;$<* / /'*/%3: der Zweig ),

Und süßer Träume ungestörtem Reigen (, (7$."(*!53 (!"/ !'!$+41$'0"04 3"+"/".4:

der Reigen; stören – -&5+($, !+0,5+($) 

Ergibt sich meine Seele ("*.$'*(%  0"%  .41$), schweigenstrunken ("&)%!'!!$% 

9':0"7/,'0).

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Horch (!" #4! &+,(741$2(%; horchen – %0)'/,5)1+($'< )! überraschend saust es in den

Bäumen (!'"8,.$!!"  1'7'(*,*, 14+1,*  /  .'+'/)%3: überraschen – 3+'()2!,($ 

10+'%/"? ; %"0+8+($; der Baum) 

Und ruft mich ab von meinen lieben Träumen (, :"/'* 0'!% &+"#), "*:5/$'* 0'!% "* 

0",0 0,753 (!"/),Ich höre plötzlich ernste Stimme sprechen (%  /.+46  (7514, -$-   6"/"+,*  ('+)':!52 

6"7"();

Die aufgeschreckte Seele lauscht dem Winde (/(&46!4*$%  .41$  &+,(741,/$'*(%  -  

/'*+4: der Wind ) 

Wie Worten ihres Vaters (-$-  /- / (7"/$0 '' "*;$), der dem Kinde (-"*"+52 +'9'!-4) 

Zuruft (9+"($'*  :"/  = -"*"+52  -7,#'*  +'9'!-$), vom Spiele heimwärts aufzubrechen

(/"*"+/$/1,()/ "* ,6+5 "*&+$/,*)(% ."0"2: das Spiel; heimwärts – %" !+%0+1/&!)= ;  4"-, : aufbrechen – "(%0+1/<($'<  1 %,($).

In Schlummer ist der dunkle Wald gesunken

In Schlummer ist der dunkle Wald gesunken,

Zu träge ist die Luft, ein Blatt zu neigen,

Den Blütenduft zu tragen, und es schweigen

Im Laub die Vögel und im Teich die Unken.

Leuchtkäfer nur, wie stille Traumesfunken

Den Schlaf durchgaukelnd, schimmern in den Zweigen,

Und süßer Träume ungestörtem Reigen

Ergibt sich meine Seele, schweigenstrunken.

Horch! überraschend saust es in den Bäumen

Und ruft mich ab von meinen lieben Träumen,

Ich höre plötzlich ernste Stimme sprechen;

Die aufgeschreckte Seele lauscht dem Winde

Wie Worten ihres Vaters, der dem Kinde

Zuruft, vom Spiele heimwärts aufzubrechen.

Blick in den Strom (/:67%. / &"*"- , !$ &"*"- : der Blick )

Sahst du ein Glück vorübergehn ('(7, *5 /,.'7, -$-  &+"17" 0,0" (#$(*)': sehen),

Das nie sich wiederfindet (-"*"+"' !,-"6.$ !' !$2.'1) (!"/$: «!' !$3".,*(% (!"/$»),

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Ist’s gut in einen Strom zu sehn (/*"6.$/ 3"+"1"  &"(0"*+'*), 4(*+'0,*)  /:67%.  !$ 

&"*"- ),

Wo alles wogt und schwindet (6.' /(' /"7!4'*(% , ,(#':$'*: wogen – 1"/!"1+($'< ,

.,5&1+($, ;+()($ 1"/!6  / 16'"; ., %"C()# ./ ).

Oh! starre nur hinein, hinein (*$-   (0"*+,   8': «*"7)-"», 4(*+'0,   8'  !'&"./,8!52,

&+,(*$7)!52 /:"+ *4.$: «*4.$-/!4*+)»: starren – '-"(0&($ !&%"41)8!", %0)'(+/$!";

starr – 3+'(615)A, 3+;"'(&!&/6A),

Du wirst es leichter missen (*5  7'6#'  &'+'8,/'1)  =*4  4*+$*4: missen – .6($ 

 /)5&!!6-  #&2"- /).", ".?"4)($'<  .&3 #&2"- /)."),

Was dir (*", /#*"/ *'9'), und soll’s dein Liebstes sein (&4(*) =*" .$8' 957" */"' ($0"' 

7<9,0"', ."+"6"': «, ."78!" =*" 95*) I»),Vom Herzen ward gerissen ("* ('+.;$ 957" "*"+/$!": ward = wurde – '(+/"; das Herz;

reißen-riss-gerissen –  01+($).

Blick unverwandt hinab zum Fluss (/:,+$2 !'"(*4&!", !' "*/".% /:67%.$, /!,: -  +'-':

der Fluss; wenden-wandte-gewandt – %"1"0+#)1+($; ".0+>+($),

Bis deine Tränen fallen (&"-$ !' &"*'-4*: «!' !$#!4* &$.$*)» */", (7':5: die Träne),

Und sieh durch ihren warmen Guss (,  (0"*+,  (-/":)  ,3  *'&7"'  ,:7,%!,'; gießen –

(&#$) 

Die Flut hinunterwallen (-$-   &"*"-   4(*+'07%'*(%  /!,:: wallen – .,0/)($, ;)%&($,

1"/!"1+($'< ).

Hinträumend (&"6+4:,/1,()  /  6+':5  /!$%/4/: träumen – 1)4&($  '!6 ; -&#(+($)  wird

Vergessenheit (:$95*,'; vergessen – 3+.61+($) 

Des Herzens Wunde schließen (:$-+"'* +$!4 ('+.;$: die Wunde);

Die Seele sieht mit ihrem Leid (.41$ /,.,*, -$-  ( '' (*+$.$!,'0: das Leid ) 

Sich selbst vorüberfließen (/"!$/ ($0$ &+"*'-$'* 0,0" ('9% /($0"2/).

Blick in den Strom

Sahst du ein Glück vorübergehn,

Das nie sich wiederfindet,

Ist’s gut in einen Strom zu sehn,

Wo alles wogt und schwindet.

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Oh! starre nur hinein, hinein,

Du wirst es leichter missen,

Was dir, und soll’s dein Liebstes sein,

Vom Herzen ward gerissen.

Blick unverwandt hinab zum Fluss,Bis deine Tränen fallen,

Und sieh durch ihren warmen Guss

Die Flut hinunterwallen.

Hinträumend wird Vergessenheit

Des Herzens Wunde schließen;

Die Seele sieht mit ihrem Leid

Sich selbst vorüberfließen.

Der Kranich ( 84+$/7))

Stoppelfeld ((8$*"'  &"7': die Stoppel –  8!)1$&, '(&0!< ; das Feld ), die Wälder leer

(7'($ &4(*5 = "&4(*'7,: der Wald ),

Und es irrt der Wind verlassen (,  9748.$'*  /'*'+  9'(&+,<*!": verlassen –

"'(+1/&!!6A, %";)!,(6A: verlassen-verließ-verlassen),

Weil kein Laub zu finden mehr (&"*"04 #*" 9"7)1' !' !$3".,*(% 7,(*/5: das Laub),

Rauschend seinen Gruß zu fassen (#*"95, 1'7'(*%, 1'7'(*"0  &+,!%*): «(3/$*,*),

&"(*,#)» '6" &+,/'*/(*/,'/).

Kranich scheidet von der Flur ( 84+$/7) &"-,.$'* &"7', !,/4),

Von der kühlen, lebensmüden (&+"37$.!4<, «4(*$/14< "*  8,:!,»: das Leben; müde),

Freudig ruft er’s (+$."(*!" /5-+,-,/$'* "! /=*"/), dass die Spur (#*" (7'. = &4*)) 

Er gefunden nach dem Süden ("! !$1'7 !$ <6: der Süden; finden-fand-gefunden).

Mitten durch den Herbstesfrost (&"(+'.,  "('!!,3  :$0"+":-"/, (-/":)  "('!!,' 

:$0"+":-,: der Herbst; der Frost – -"0"3) 

Schickt der Lenz aus fernen Landen (/'(!$ /&"=*./ 17'* ,: .$7)!,3 (*+$!: das Land ) 

Dem Zugvogel seinen Trost (&'+'7'*!"2 &*,;' (/"' 4*'1'!,'; ziehen-zog-gezogen –

(<!,($ / '<  /; ,/&(+($ 1 (&%/6& ;0+< ; der Zug – '(+<  / %&0&/&(!6?  %()* / ),

Heimlich mit ihm einverstanden (*$2!" ( !'<: «( !,0» ("67$(!$% = / (6"/"+' ( !'2).

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O wie mag dem Vogel sein (", -$-"/" &*,;': «0"8'* 95*) &*,;'»: der Vogel ),

Wenn ihm durch das Nebeldüster (-"6.$ '2 /!$/(*+'#4/ (-/":) 0+$-  *40$!$: der Nebel;

düster – -0+#!6A; das Düster – -0+; , ',-0+#!"'($) 

Zückt ins Herz der warme Schein (/(&53,/$'*, &+"!,-$% / ('+.;', *'&752 (/'*: zücken

 – 1340+2)1+($; 1'%6?)1+($) Und das ferne Waldgeflüster (, .$7)!,2 7'(!"2 1'&"*; flüstern – 5&%(+($)!

Hoch im Fluge übers Meer (/5("-" / &"7'*' !$. 0"+'0: «#'+': 0"+'») 

Stärket ihn der Duft der Auen ('6"  &".-+'&7%'*, &,*$'*  $+"0$*  746"/: die Aue –

 / %"A-&!!6A /  /,2;  0&#!+<  4"/)!+);

O wie süß empfindet er (", -$-  (7$."(*!" /"(&+,!,0$'*, ">4>$'* "!) 

 Ahnung, Sehnsucht und Vertrauen (&+'.#4/(*/,', *"(-4  ,  ."/'+,': die Ahnung; dieSehnsucht; das Vertrauen)!

Nebel auf die Stoppeln taut (*40$! *$'* !$  8!,/)');

Dürr der Wald ((43 7'( = /5("31,2) – ich duld es gerne (% (!"14, *'+&7< =*" "3"*!" =

6"*"/ *'+&'*)),

Seit gegeben seinen Laut (( *'3 &"+ -$-  &".$7 = ,:.$7 (/"2 :/4- : geben-gab-gegeben) 

Kranich, wandernd in die Ferne ( 84+$/7), "*&+$/7%<>,2(%  /  .$7): wandern –

'"1&05+($ %,(&5&'(1)&).

Hab’ ich gleich, als ich so sacht (, % (+$:4, *4*  8', -"6.$ % (*"7) *,3", 0'.7'!!": sachte) 

Durch die Stoppeln hingeschritten (1$6$7 &"  8!,/)<; schreiten-schritt-geschritten),

 Aller Sensen auch gedacht (&".40$7 = /(&"0!,7 " /('3 ('+&$3: die Sense),

Die ins Leben mir geschnitten (-"*"+5' /+':$7,() 0!' /  8,:!) = -"*"+5' +':$7, 0"< 

 8,:!): schneiden-schnitt-geschnitten);

Hab ich gleich am dürren Strauch (, !$ /5("31'0 -4(*': der Strauch) 

 Andres Welk bedauern müssen (&+,3".,7"() 0!' " .+46"0 4/%.$!,, ("8$7'*); welk –

1</6A, 3+1<45)A / "  0+'(&!)<?  / ),

 Als das Laub, vom Windeshauch (#'0 *$ 7,(*/$, #*" .53$!,'0 /'*+$: der Wind + der

Hauch) 

 Aufgewirbelt mir zu Füßen (/:/,3+'!$ 4 0'!% /":7' !"6: wirbeln – ;0,8)($, %"4!)-+($ 

1 1"34,? ):

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 Aber ohne Gram und Groll (!" 9': (-"+9, , "9,.5: der Gram; der Groll; mit jemandem

grollen – (+)($ 3/".,  !+ ;"2"- /).") 

Blick ich nach den Freudengrüften (4(*+'07%< % /:67%. -  0"6,7$0 +$."(*'2: die Gruft –

';/&% ; die Freude –  0+4"'($),

Denn das Herz im Busen scholl (&"*"04 #*" ('+.;' :$:/'!'7" / 6+4.,: schellen-scholl-geschollen; der Busen) 

Wie der Vogel in den Lüften (-$-  &*,;$ / !'9'($3; die Luft – 1"34,? );

Ja, das Herz in meiner Brust (.$, ('+.;' / 0"'2 6+4.,) 

Ist dem Kranich gleich geartet (&"."9!"  84+$/7<, 4(*+"'!" !$ &"."9,'  84+$/7%; die

 Art – 1)4, 0"4, '%"'". ),

Und ihm ist das Land bewusst (, "!" (":!$'*, &"0!,* (*+$!4),Wo mein Frühling mich erwartet (6.' 0'!% "8,.$'* 0"% /'(!$: der Frühling; warten –

 84+($).

Der Kranich

Stoppelfeld, die Wälder leer,

Und es irrt der Wind verlassen,

Weil kein Laub zu finden mehr,

Rauschend seinen Gruß zu fassen.

Kranich scheidet von der Flur,

Von der kühlen, lebensmüden,

Freudig ruft er’s, dass die Spur

Er gefunden nach dem Süden.

Mitten durch den Herbstesfrost

Schickt der Lenz aus fernen Landen

Dem Zugvogel seinen Trost,

Heimlich mit ihm einverstanden.

O wie mag dem Vogel sein,

Wenn ihm durch das Nebeldüster

Zückt ins Herz der warme Schein

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Und das ferne Waldgeflüster!

Hoch im Fluge übers Meer

Stärket ihn der Duft der Auen;

O wie süß empfindet erAhnung, Sehnsucht und Vertrauen!

Nebel auf die Stoppeln taut;

Dürr der Wald – ich duld es gerne,

Seit gegeben seinen Laut

Kranich, wandernd in die Ferne.

Hab’ ich gleich, als ich so sacht

Durch die Stoppeln hingeschritten,

Aller Sensen auch gedacht,

Die ins Leben mir geschnitten;

Hab ich gleich am dürren Strauch

Andres Welk bedauern müssen,

Als das Laub, vom Windeshauch

Aufgewirbelt mir zu Füßen:

Aber ohne Gram und Groll

Blick ich nach den Freudengrüften,

Denn das Herz im Busen scholl

Wie der Vogel in den Lüften;

Ja, das Herz in meiner Brust

Ist dem Kranich gleich geartet,

Und ihm ist das Land bewusst,

Wo mein Frühling mich erwartet.

Eduard Mörike (1804 – 1875) 

Mein Fluss (0"% +'-$: der Fluss)

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Du eilst so sehr (*5  *$-   (&'1,1): sehr – "#&!$)  und läufst so sehr (,  *$-   9'8,1):

laufen),

 Als müsstest du (-$-  94.*" 95  *5 ."78'!)  im Land umher (/  (*+$!'  /"-+46  = :.'() 

&"/(<.4; das Land – 3&-/< , '(0+!+),

Man weiß nicht wen (!',:/'(*!"  -"6", !,-*"  !'  :!$'*, -"6"  = H"6  :!$'*  -"6"), drumfragen ("9 =*"0 (&+"(,*), +$((&+"(,*): drum = darum).

Der Himmel, blau und kinderrein (!'9", 6"749"' , &"-.'*(-, #,(*"'; rein – #)'(6A),

Worin die Wellen singen (/ -"*"+"0 &"<* /"7!5: die Welle),

Der Himmel ist die Seele dein (/'(*)/ */"% .41$):

O lass mich (.$2, &":/"7) 0!': «&4(*, 0'!%») ihn durchdringen (/ !'6" &+"!,-!4*), '6" 

&+"!,:$*); dringen – %0"!);+($; durch – ';1"3$)!Ich tauche mich (% !5+%<, &"6+48$<()) mit Geist und Sinn (( .43"0 , #4/(*/"0: der

Geist – 4,? ; der Sinn – #,1'(1", %"!)-+!)&; die Sinne – "02+!6  #,1'(1) 

Durch die vertiefte Bläue hin ((-/":) 467497'!!4< 6"749,:!4; tief – 2/,.";)A; vertiefen –

,2/,./<($),

Und kann sie nicht erschwingen (,  !'  0"64  ''  ."(*,#):  erschwingen – 4".61+($,

4".)1+($'<  / #&2"- /)." *&!!"2" /; schwingen – -+?+($,  0+3-+?)1+($;  0+';+#)1+($'< ;

%&0&';+;)1+($)!

Was ist so tief, so tief wie sie (#*" *$-  6749"-", -$-  "!$)?

Die Liebe nur alleine (*"7)-" ".!$ 7<9"/): allein – "4)! ; ("/$;",  /)5$).

Sie wird nicht satt (!'  (*$!"/,*(%  (5*"2  = !'  !$(5>$'*(%)  und sättigt nie (,  !' 

!$(5>$'* !,-"6.$) 

Mit ihrem Wechselscheine ((/",0  &'+'0'!!50  (/'*"0, (/'*"/"2  ,6+"2:  wechseln –

-&!<($, ".-&!)1+($; der Schein – '1&(, ./&'; ; 1)4)-"'($).

 –  Schwill an (/:.50$2(%, 94+7,: anschwellen, schwellen – %,?!,($, 134,1+($'< ;

%0).61+($ / " 1"4& / ), mein Fluss, und hebe dich (, &".!,0$2(%, &".!,0,())!

Mit Grausen übergieße mich (48$("0,  84*)< "97'2, "-$*, 0'!%: das Grausen – ,8+' ,

'(0+? ; gießen –  /)($)!

Mein Leben um das deine (0"<  8,:!) – :$ */"<)!

Du weisest schmeichelnd mich zurück (*5 0'!% 0%6-": «7)(*%» /":/+$>$'1)  !$:$.,

"*(*+$!%'1): schmeicheln –  /$'()($; weisen – ,;+361+($; zurückweisen –

1"310+>+($ !+3+4; "(;/"!<($; "(;+361+($) 

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7/17/2019 100 German Poems

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Zu deiner Blumenschwelle (-  */"'04 ;/'*"#!"04 &"+"64: die Blume + die Schwelle).

So trage denn allein dein Glück (*$-  !'(,  8' ".!$ (/"' (#$(*)'),

Und wieg auf deiner Welle (, -$#$2 !$ (/"'2 /"7!') 

Der Sonne Pracht (+"(-"1), /'7,-"7'&,' ("7!;$: die Pracht ), des Mondes Ruh (&"-"2 

74!5: der Mond –  /,!+; die Ruhe – %";"A):Nach tausend Irren (&"(7'  *5(%#,  9748.$!,2; irren – ./,84+($)  kehrest du

(/":/+$*,1)(% *5) 

Zur ew’gen Mutterquelle (-  /'#!"04 0$*'+,!(-"04 ,(*"-4: die Quelle; ewig )!

Mein Fluss

O Fluss, mein Fluss im Morgenstrahl!Empfange nun, empfange

Den sehnsuchtsvollen Leib einmal,

Und küsse Brust und Wange!

 – Er fühlt mir schon herauf die Brust,

Er kühlt mit Liebesschauerlust

Und jauchzendem Gesange.

Es schlüpft der goldne Sonnenschein

In Tropfen an mir nieder,

Die Woge wieget aus und ein

Die hingegebnen Glieder;

Die Arme hab ich ausgespannt,

Sie kommt auf mich herzugerannt,

Sie fasst und lässt mich wieder.

Du murmelst so, mein Fluss, warum?

Du trägst seit alten Tagen

Ein seltsam Märchen mit dir um,

Und mühst dich, es zu sagen;

Du eilst so sehr und läufst so sehr,

Als müsstest du im Land umher,

Man weiß nicht wen, drum fragen.

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Der Himmel, blau und kinderrein,

Worin die Wellen singen,

Der Himmel ist die Seele dein:

O lass mich ihn durchdringen!

Ich tauche mich mit Geist und SinnDurch die vertiefte Bläue hin,

Und kann sie nicht erschwingen!

Was ist so tief, so tief wie sie?

Die Liebe nur alleine.

Sie wird nicht satt und sättigt nie

Mit ihrem Wechselscheine. – Schwill an, mein Fluss, und hebe dich!

Mit Grausen übergieße mich!

Mein Leben um das deine!

Du weisest schmeichelnd mich zurück

Zu deiner Blumenschwelle.

So trage denn allein dein Glück,

Und wieg auf deiner Welle

Der Sonne Pracht, des Mondes Ruh:

Nach tausend Irren kehrest du

Zur ew’gen Mutterquelle!

Er ist's

Frühling lässt sein blaues Band (/'(!$ &4(-$'* (/"< 6"7494< 7'!*4: der Frühling ) 

Wieder flattern ((!"/$  +$:/'/$*)(%, &"+3$*))  durch die Lüfte (&"  /":.434: «#'+': 

/":.43,»: die Luft );

Süße ((7$.-,'  = (7$."(*!5'), wohlbekannte Düfte (3"+"1"  :!$-"05'  $+"0$*5;

bekannt – 3!+;"-6A; der Duft ) 

Streifen (-$($<*(%, :$.'/$<*; 9+".%*, &+"!"(%*(%  !$.)  ahnungsvoll (&"7!5' 

&+'.#4/(*/,%; die Ahnung – %0&4#,1'(1)&; ahnen – %0&4#,1'(1"1+($)  das Land

(:'07< = 0'(*!"(*)).

Veilchen träumen schon (@,$7-, 48' /,.%* ("!; der Traum – '!"1)4&!)&; -&#(+),

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Wollen balde kommen (3"*%* (-"+" &+,2*, = &"%/,*)(%).

 – Horch (&+,(741$2(%), von fern (,:.$7'-$) ein leiser Harfenton (*,3,2 :/4-  $+@5; die

Harfe)!

Frühling, ja du bist's (.$, =*" *5: «*5 '(*) =*"»)!

Dich hab ich vernommen (*'9% % 4(753$7: vernehmen)!

Er ist's

Frühling lässt sein blaues Band

Wieder flattern durch die Lüfte;

Süße, wohlbekannte Düfte

Streifen ahnungsvoll das Land.Veilchen träumen schon,

Wollen balde kommen.

 – Horch, von fern ein leiser Harfenton!

Frühling, ja du bist's!

Dich hab ich vernommen!

Im Frühling (/'(!"2: der Frühling )

Hier lieg ich auf dem Frühlingshügel (:.'() = /"* 7'84 % !$ /'('!!'0 3"70': der Hügel ):

Die Wolke wird mein Flügel ("97$-" (*$!"/,*(% 0",0 -+57"0 = "97$-" – (7"/!" 0"' 

-+57": der Flügel ),

Ein Vogel fliegt mir voraus (&*,;$ 7'*,* &'+'." 0!"2, /&'+'., 0'!%: der Vogel ).

 Ach, sag mir ((-$8,  0!'), all-einzige Liebe ('.,!(*/'!!'21$%  7<9"/); einzig –

&4)!'(1&!!6A),

Wo du bleibst (6.' *5 &+'95/$'1)), dass ich bei dir bliebe (*$-  #*" % 95 ( *"9"2: «&+, 

*'9'» &+'95/$7, "(*$/$7(%)!

Doch du und die Lüfte (!" *5 , .4!"/'!,% /":.43$: die Luft – 1"34,? ), ihr habt kein Haus

(4 /$( !'* ."0$).

Der Sonnenblume gleich (&"."9!" &".("7!434: «("7!'#!"04 ;/'*-4»: die Sonne + die

Blume) steht mein Gemüte offen («(*",*», &+'95/$'* 0"% .41$ "*-+5*"2, +$(-+5*"2),

Sehnend (*"(-4% /&" #'04-*"/),

Sich dehnend («+$(*%6,/$%()», +$(1,+%%()) 

In Liebe und Hoffen (/ 7<9/, , !$.'8.').

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Frühling, was bist du gewillt (#*" *5 3"#'1) /"* 0'!%/, -$-"/5 */", !$0'+'!,%)?

Wann werd ich gestillt (-"6.$ 0"%  8$8.$ 94.'* 4*"7'!$: «-"6.$ % 94.4 !$&"'!»; stillen –

;"0-)($ / 20,4$= /; ,("/<($: den Hunger stillen – ,("/)($ 2"/"4)?

Die Wolke seh ich wandeln und den Fluss (%  /,84, -$-  &75/'* "97$-" ,  *'#'* +'-$:wandeln – 5&'(1"1+($, .0&'(), %0"?"4)($ / 16'"; ./ ),

Es dringt der Sonne goldner Kuss (&+"!,-$'*  ("7!;$  :"7"*"2  &";'742: die Sonne;

golden; das Gold – 3"/"(") 

Mir tief (0!' 6749"-") bis ins Geblüt hinein (/ ($0"' !4*+", / ($04< ('+.;'/,!4, / .414:

das Geblüt – 1'<  ;0"1$ 1 "02+!)3-&; 4,5&1!"& '"'("<!)&);

Die Augen (67$:$: das Auge), wunderbar berauschet (#4.'(!50  "9+$:"0, #4.!" 

".4+0$!'!!5', "&)%!'!!5', 4&"'!!5': berauschen – "%$<!<($, "4,0-+!)1+($; derRausch – "%$<!&!)&; ,%"&!)&),

Tun, als schliefen sie ein («.'7$<*  *$- , (7"/!"  :$(5&$<*» = 94.*"  95  :$(5&$<*:

einschlafen; schlafen – '%+($),

Nur noch das Ohr (*"7)-" '>' 43", (743) dem Ton der Biene lauschet (&+,(741,/$'*(% 

-  :/4#$!,< &#'75: der Ton; die Biene).

Ich denke dies und denke das (% .40$< " *"0, " ('0),

Ich sehne mich (*"(-4<, (*+$(*!" (*+'07<() /-  #'04-*"/: sich sehnen nach etwas), und

weiß nicht recht (,  !'  :!$<  &"-!$(*"%>'04, !$  ($0"0  .'7'), nach was (-   #'04 

/(*+'07<()/):

Halb ist es Lust ("*#$(*,: «!$&"7"/,!4» =*" "*+$.$: die Lust ), halb ist es Klage ("*#$(*, 

 8$7"9$: die Klage; klagen – '(&!+($, %0)#)(+($;  8+/"1+($'< );

Mein Herz, o sage (('+.;' 0"', (-$8,: das Herz ),

Was webst du für Erinnerung (#*" :$ /"(&"0,!$!,' *5 *-'1), &7'*'1): die Erinnerung; 

sich erinnern an etwas – 1'%"-)!+($ #("- /).") 

In golden grüner Zweige Dämmerung (/  :"7"*53  (40'+-$3  = /  :"7"*,(*"2  &"74*)0' 

:'7'!53 /'*/'2: der Zweig – 1&(;+; die Dämmerung – ',-&0;);  0+''1&(; dämmern –

'-&0;+($'< ;  0+''1&(+($)?

 – Alte unnennbare Tage ((*$+5' = 41'.1,' !'(-$:$!!5' .!,; nennen – !+361+($)!

Im Frühling

Hier lieg ich auf dem Frühlingshügel:

Die Wolke wird mein Flügel,

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Ein Vogel fliegt mir voraus.

Ach, sag mir, all-einzige Liebe,

Wo du  bleibst, dass ich bei dir bliebe!

Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus.

Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüte offen,Sehnend,

Sich dehnend

In Liebe und Hoffen.

Frühling, was bist du gewillt?

Wann werd ich gestillt?

Die Wolke seh ich wandeln und den Fluss,Es dringt der Sonne goldner Kuss

Mir tief bis ins Geblüt hinein;

Die Augen, wunderbar berauschet,

Tun, als schliefen sie ein,

Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet.

Ich denke dies und denke das,

Ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was:

Halb ist es Lust, halb ist es Klage;

Mein Herz, o sage,

Was webst du für Erinnerung

In golden grüner Zweige Dämmerung?

 – Alte unnennbare Tage!

In der Frühe (+$!!,0 4*+"0: «/ +$!,»)

Kein Schlaf noch kühlt das Auge mir (("!: «!,-$-"2 ("!» '>' !' "(/'8$'* 0!' "-"; kühl

 – %0"?/+4!6A; kühlen – "?/+84+($; der Schlaf; schlafen – '%+($),

Dort gehet schon der Tag herfür (/$/ *$0 /53".,* 48' .'!) !$+484; herfür = hervor ) 

 An meinem Kammerfenster (4 "-!$ 0"'2 -"0!$*5: die Kammer + das Fenster ).

Es wühlet (0'#'*(%, -"&$'*(%: wühlen – ;"%+($'< ,  06($'< ; -&(+($'< , 1"0"#+($'< ) 

mein verstörter Sinn (0"2  +$(*'+%!!52, ,(&46$!!52, !$3".%>,2(%  /  (0%*'!,, 

+$((4."- ; stören – -&5+($, .&'%";")($) 

Noch zwischen Zweifeln ('>' 0'8 ("0!'!,%0,: der Zweifel ) her und hin ((<.$ , *4.$) 

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Und schaffet Nachtgespenster (,  (":.$'*, */"+,*  !"#!5'  &+,:+$-,: die Nacht + das

Gespenst ).

 – Ängste, quäle

Dich nicht länger (!' 9"2(%, !' 04#$2 ('9% 9"7)1': lange – 4"/2"; die Angst – '(0+? ;

sich ängsten = sich ängstigen – ."<($'< , '(0+5)($'< ), meine Seele (0"% .41$)!Freu dich (+$.42(%)! schon sind da und dorten (48' *" *4*, *" *$0: «*4* , *$0») 

Morgenglocken (4*+'!!,'  -"7"-"7$: der Morgen + die Glocke)  wach geworden

(&+"94.,7,(): wach werden – «'(+!"1)('<  ."40'(1,=>)- »).

In der Frühe

Kein Schlaf noch kühlt das Auge mir,Dort gehet schon der Tag herfür

An meinem Kammerfenster.

Es wühlet mein verstörter Sinn

Noch zwischen Zweifeln her und hin

Und schaffet Nachtgespenster.

 – Ängste, quäle

Dich nicht länger, meine Seele!

Freu dich! schon sind da und dorten

Morgenglocken wach geworden.

Verborgenheit (("-+"/'!!"(*), 4*$'!!"(*): die Verborgenheit )

Lass ("(*$/), &":/"7)), o Welt (0,+: die Welt ), o lass mich sein ("(*$/) 0'!%, &":/"7) 

0!' 95*) /($0"04 &" ('9', ($0,0 ("9"2/)!

Locket nicht (!' &+,/7'-$2, !' /50$!,/$2) mit Liebesgaben (.$+$0, 7<9/,: die Liebe

+ die Gabe),

Lasst (&":/"7)*', &4(*)) dies Herz (=*" ('+.;': das Herz ) alleine (".!", ($0" &" ('9') 

haben (,0''*, #*"95 ,0'7") 

Seine Wonne ((/"' 97$8'!(*/"), seine Pein ((/"< 04-4)!

Was ich traure (#*" % 6+4>4), weiß ich nicht (!' :!$< %),

Es ist unbekanntes Wehe (=*" !',:/'(*!$% (-"+9), &'#$7));

Immerdar (/('6.$, &"(*"%!!") durch Tränen ((-/":) (7':5: die Träne) sehe (/,84) 

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Ich der Sonne liebes Licht (% ("7!;$ 0,752 (/'*).

Oft (#$(*") bin ich mir (% 0!' = ('9') kaum ('./$, '7'-'7', &+$-*,#'(-, !') bewusst

("(":!$!) = (#$(*" './$ 0"64 .$*) ('9' "*#'*  // (/",3 ">4>'!,%3/; #$(*" ($0 ('9% 

'./$ (":!$<),Und die helle Freude ((/'*7$%  +$."(*))  zücket (+':-"  &+"9,/$'*(%: zücken –  0&3;" 

16?1+()($ #("- /)." !+0,8, , !+%0)-&0, -&# ) 

Durch die Schwere ((-/":) *%8'(*)), so (*$-  #*") mich drücket (0'!% .$/,*, *'(!,*) 

Wonniglich in meiner Brust (97$8'!!" / 0"'2  6+4.,) = (*$- , #*" #4/(*/4< 97$8'!!"' 

(*'(!'!,' / 6+4.,).

Lass, o Welt, o lass mich sein!Locket nicht mit Liebesgaben,

Lasst dies Herz alleine haben

Seine Wonne, seine Pein!

Verborgenheit

Lass, o Welt, o lass mich sein!

Locket nicht mit Liebesgaben,

Lasst dies Herz alleine haben

Seine Wonne, seine Pein!

Was ich traure, weiß ich nicht,

Es ist unbekanntes Wehe;

Immerdar durch Tränen sehe

Ich der Sonne liebes Licht.

Oft bin ich mir kaum bewusst,

Und die helle Freude zücket

Durch die Schwere, so mich drücket

Wonniglich in meiner Brust.

Lass, o Welt, o lass mich sein!

Locket nicht mit Liebesgaben,

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Lasst dies Herz alleine haben

Seine Wonne, seine Pein!

Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848) 

Der Weiher (&+4.)

Er liegt so still im Morgenlicht ("! 7'8,* (*"7) *,3", !'&"./,8!" / 4*+'!!'0 (/'*'; das

Licht – '1&(),

So friedlich (*$-   0,+!", 40,+"*/"+'!!"; der Friede – -)0, %";"A), wie ein fromm

Gewissen (-$-  #,(*$% ("/'(*): das Gewissen; fromm – ./+2"#&'()16A);

Wenn Weste seinen Spiegel küssen (-"6.$  /:$&$.!5'/ /'*'+-, ;'74<* '6" :'+-$7" =&"/'+3!"(*): der West ),

Des Ufers Blume fühlt es nicht (;/'*"-  9'+'6$ = &+,9+'8!5' ;/'*5 =*"6" !' #4/(*/4<*:

das Ufer – .&0&2);

Libellen zittern über ihn ((*+'-":5 .+"8$* /&+"7'*$%/ !$. !,0, &+"!"(%*(% !$. !,0: die

Libélle),

Blaugoldne Stäbchen ((,!'-:"7"*5'  &$7"#-,; der Stab – %+/;+; golden – 3"/"("A,

3"/"()'(6A) und Karmin,

Und auf des Sonnenbildes Glanz ($  !$  97'(-'  ("7!'#!"6"  "*+$8'!,%; die Sonne –

'"/!*&; das Bild – ;+0()!+, ".0+3; der Glanz – ./&'; ; glänzen – ./&'(&($) 

Die Wasserspinne führt den Tanz (/"."0'+-$ ("/'+1$'*: «/'.'*» *$!';: das Wasser –

1"4+ + die Spinne – %+,; );

Schwertlilienkranz am Ufer steht (/'!"-  "(*+"7,(*"2 7,7,, (*",* 4 9'+'6$: das Schwert

 – -&#  + die Lilie –  /)/)<  + der Kranz – 1&!"; , 1&!&*; die Schwertlilie – ;+'+();  / ."(./ ) 

Und horcht des Schilfes Schlummerliede (, (741$'*, &+,(741,/$'*(%  -   -"759'7)!"2 

&'(!' *+"(*!,-$: das Schilf – ;+-65 ; schlummern – 40&-+($; das Lied – %&'!< );

Ein lindes Säuseln kommt und geht (!'8!52, *,3,2 1'7'(* &+,3".,* , 43".,*),

 Als flüstre's ((7"/!" 1'&#'* "!: flüstern): Friede (0,+, &"-"2)! Friede! Friede! –

Der Weiher

Er liegt so still im Morgenlicht,

So friedlich, wie ein fromm Gewissen;

Wenn Weste seinen Spiegel küssen,

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Des Ufers Blume fühlt es nicht;

Libellen zittern über ihn,

Blaugoldne Stäbchen und Karmin,

Und auf des Sonnenbildes Glanz

Die Wasserspinne führt den Tanz;Schwertlilienkranz am Ufer steht

Und horcht des Schilfes Schlummerliede;

Ein lindes Säuseln kommt und geht,

Als flüstre's: Friede! Friede! Friede! –

Am Weiher (4 &+4.$: der Weiher )

Ein milder Wintertag ( -<2;)A = .&31&(0&!!6A, !&?"/"4!6A 3)-!)A 4&!$) 

 An jenes Waldes Enden (4 &+'.'7"/ *"6" 7'($: der Wald; das Ende – ;"!&*),

Wo still der Weiher liegt (6.' 9':0"7/!" 7'8,* &+4.) 

Und längs den Fichtenwänden (, /."7) ("(!"/53 (*'!: die Fichte + die Wand ) 

Sich lind Gemurmel wiegt (4-$#,/$'* ('9% !'8!"' 9"+0"*$!,': lind – -<2;)A, ;0"(;)A,

!&8!6A; murmeln – ."0-"(+($);

Wo in der Sonnenhelle (6.'  !$  ("7!'#!"0  (/'*4: die Sonne – '"/!*&  + die Helle –

"'1&>&!!"'($; hell – '1&(/6A),

So matt und kalt sie ist (-$-  95 !, 957$ "!$ (7$9$ , 3"7".!$: matt – '/+.6A, 1</6A,

,("-/&!!6A; -+("16A),

Doch immerfort die Welle (".!$-" &"(*"%!!", 9'(&+'(*$!!" /"7!$; immer – 1'&24+; fort

 – 1%&0&4, 4+/$5&) 

Das Ufer flimmernd küsst (;'74'*, &"97'(-,/$%, 9'+'6):

Da weiß ich, schön zum Malen (*$0  :!$<  %, /*$-4</ &+'-+$(!4<  – #*"  3"*)  &,1,  –

-$+*,!4; malen –  0)'"1+($ / ;0+';+-) / ),

Noch eine schmale Schlucht ('>' :!$< = &"0!< ".!" 4:-"' 4>'7)', *'(!,!4),

Wo all die kleinen Strahlen (6.' /(' *' 0$7'!)-,' = (7$95' 74#,: der Strahl ) 

Sich fangen in der Bucht ("(*$<*(% / 943*', 47$/7,/$<*(% 943*"2: fangen – %"A-+($);

Ein trocken, windstill Eckchen ((43"2, 9':/'*+'!!52 46"7"- ; die Ecke – ,2"/ ),

Und so an Grüne reich (, !$(*"7)-" 9"6$*52 :'7'!)<),

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Dass auf dem ganzen Fleckchen (#*" !$ /('0 0'(*'#-': der Fleck/en/ – -&'(") 

Mich kränkt kein dürrer Zweig (0'!%  !'  :$.'/$'*, !'  -"+"9,*  !,  ".!$  (43$%  /'*-$:

kränken – ".)8+($).

Will ich den Mantel dichte ('(7, % /:$/3"#4 &$7)*", &7$> &7"*!") Nun legen übers Moos (('2#$( +$((*'7,*) !$ 034: legen – ;/+'($),

Mich lehnen an die Fichte (&+,(7"!,*)(% -  ("(!') 

Und dann auf meinen Schoß ($ :$*'0 !$ 0",3 -"7'!%3: «!$ 0"' 7"!"») 

Gezweig und Kräuter breiten (/'*-,  ,  *+$/5  +$:7"8,*): das Kraut – (0+1+ 

 /  0+3!"(0+1$& / ),

So gut ich's finden mag (!$(-"7)-" 3"+"1" % (0"64 =*" !$2*, = *$- , -$-  0!' !+$/,*(%):Wer will mir's übel deuten (-*" 0'!% :$ =*" 4-"+,*: «-*" 0!' =*" .4+!" ,(*"7-4'*»: übel

 – %/"?", 4,0!"; deuten – ("/;"1+($, )'("/;"161+($)),

Spiel’ ich den Sommertag ('(7, % &",6+$< / 7'*!,2 .'!), '(7, % &+'.(*$/7< ('9', #*" 

('2#$( 7'*")?

Will nicht die Grille hallen ('(7,  .$8'  (/'+#"- , -4:!'#,-   ,  !'  3"#'*  &'*): hallen –

31,#+($),

So säuselt doch das Ried (*" /('  8' 1'7'(*,*, 7'&'#'* *+"(*!,- );

Sind stumm die Nachtigallen (3"*) , 9':0"7/!5 ("7"/),: die Nachtigall ),

So sing' ich selbst ein Lied (:$*" % (&"< ($0$ &'(!<).

Und hat Natur zum Feste (, &4(*) &+,+".$ .7% &+$:.!,-$: das Fest ) 

Nur wenig dargebracht (7,1) 0$7"/'/ &+,!'(7$, &+'."(*$/,7$: darbringen):

Die Lust ist stets die beste ("*+$.$ /('6.$: «&"(*"%!!"» 74#1$% *$),

Die man sich selber macht (-"*"+4< .'7$'1) = ."(*$/7%'1) ($0 ('9').

Am Weiher

Ein milder Wintertag

An jenes Waldes Enden,

Wo still der Weiher liegt

Und längs den Fichtenwänden

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Sich lind Gemurmel wiegt;

Wo in der Sonnenhelle,

So matt und kalt sie ist,

Doch immerfort die WelleDas Ufer flimmernd küsst:

Da weiß ich, schön zum Malen,

Noch eine schmale Schlucht,

Wo all die kleinen Strahlen

Sich fangen in der Bucht;

Ein trocken, windstill Eckchen,

Und so an Grüne reich,

Dass auf dem ganzen Fleckchen

Mich kränkt kein dürrer Zweig.

Will ich den Mantel dichte

Nun legen übers Moos,

Mich lehnen an die Fichte

Und dann auf meinen Schoß

Gezweig und Kräuter breiten,

So gut ich's finden mag:

Wer will mir's übel deuten,

Spiel’ ich den Sommertag?

Will nicht die Grille hallen,

So säuselt doch das Ried;

Sind stumm die Nachtigallen,

So sing' ich selbst ein Lied.

Und hat Natur zum Feste

Nur wenig dargebracht:

Die Lust ist stets die beste,

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Die man sich selber macht.

Blumentod ((0'+*) ;/'*"/, ;/'*"#!$% (0'+*): die Blume – *1&("; ; der Tod – '-&0($)

Wie sind meine Finger so grün (-$-   8' :'7'!5 0", &$7);5: der Finger ),Blumen hab' ich zerrissen (%  &"+/$7$: «+$:"+/$7$» ;/'*5: zerreißen; reißen-riss-

gerissen –  01+($, %"01+($);

Sie wollten für mich blühn ("!, 3"*'7, .7% 0'!% ;/'(*,) 

Und haben sterben müssen ($ ."78!5 957, 40'+'*), $ ,0 &+,17"() 40'+'*)).

Wie neigten sie um mein Angesicht (-$-  "!, (-7"!%7,() 4 0"'6" 7,;$: «/"-+46 0"'6" 

7,;$») 

Wie fromme schüchterne Lider (&"."9!" +"9-,0 +'(!,;$0: das Lid ),Ich war in Gedanken (% 957$ &+"6+48'!$ / 05(7,: «957$ / 05(7%3»: der Gedanke), ich

achtet's nicht (%  !'  "9+$>$7$  /!,0$!,'  !$  =*": achten – ,1+8+($; ".0+>+($ 

1!)-+!)&) 

Und bog sie zu mir nieder (, &+,6!47$ ,3 -  ('9': biegen-bog-gebogen – 2!,($, '2).+($;

nieder – 1!)3),

Zerriss die lieben Glieder (+$:"+/$7$  «0,75' #7'!5, ("#7'!'!,%»: das Glied – #/&!  

 / !+%0)-&0, (&/+ / ) 

In sorgenlosem Mut (/ 9'::$9"*!"2 &+,3"*,; die Sorge – 3+."(+; der Mut – -,8&'(1";

!+'(0"&!)&, / 34&'$ / %0)?"($; '0.: das Gemüt – 4,5&1!"& '"'("<!)&).

Da floss ihr grünes Blut (*4*  :$(*+4,7$()  ,3  :'7'!$%  -+"/): fließen-floss-geflossen –

(&#$) 

Um meine Finger nieder (/!,: &" 0",0 &$7);$0);

Sie weinten nicht, sie klagten nicht ("!, !' &7$-$7,, "!, !'  8$7"/$7,()),

Sie starben sonder Laut ("!,  40'+7,  9':  :/4-$, 9'::/4#!": der Laut; sterben-starb-

gestorben),

Nur dunkel ward ihr Angesicht (7,1)  *'0!50  (*$7"  = &"*'0!'7"  ,3  7,;": ward =

wurde),

Wie wenn der Himmel graut (-$-  95/$'*, -"6.$ (0'+-$'*(% !'9"; grau – '&06A).

Sie konnten mir's nicht ersparen ("!,  !'  (0"67,  "*  =*"6"  0'!%  ,:9$/,*), 49'+'#);

sparen – '.&0&2+($),

Sonst hätten sie's wohl getan (,!$#' "!, 95 =*", -"!'#!", (.'7$7,: tun-tat-getan);

Wohin bin ich gefahren (-4.$ 0'!% :$!'(7") 

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In trüben Sinnes Wahn (/ 9':40,, &"0+$#'!!"6" +$:40$, #4/(*/$: der Sinn –  0+3,- ;

#,1'(1"; der Wahn – 3+./,84&!)&, '+-"".-+! , )//=3)< )?

O töricht Kinderspiel ("  674&$%, !'+$:40!$% .'*(-$% ,6+$: das Spiel – )20+; der Tor –

2/,%&*),O schuldlos Blutvergießen (9':/,!!"' &+"7,*,' -+"/,; die Schuld – 1)!+; vergießen –

%0"/)1+($)!

Und gleicht's dem Leben viel (,  /3"*%/ =*"  "#'!)  &"3"8'  !$  8,:!); gleich –  0+1!6A,

 0"1!6A; gleichen – %"?"4)($; das Leben),

Lasst mich die Augen schließen (.$2*' 0!' :$-+5*) 67$:$: das Auge),

Denn was geschehn ist, ist geschehn (,9" #*" (74#,7"(), (74#,7"()),

Und wer kann für die Zukunft stehn (, -*" 0"8'* "*/'#$*) :$ 94.4>'', 95*) 4/'+'!!50 / 94.4>'0)?

Blumentod

Wie sind meine Finger so grün,

Blumen hab' ich zerrissen;

Sie wollten für mich blühn

Und haben sterben müssen.

Wie neigten sie um mein Angesicht

Wie fromme schüchterne Lider,

Ich war in Gedanken, ich achtet's nicht

Und bog sie zu mir nieder,

Zerriss die lieben Glieder

In sorgenlosem Mut.

Da floss ihr grünes Blut

Um meine Finger nieder;

Sie weinten nicht, sie klagten nicht,

Sie starben sonder Laut,

Nur dunkel ward ihr Angesicht,

Wie wenn der Himmel graut.

Sie konnten mir's nicht ersparen,

Sonst hätten sie's wohl getan;

Wohin bin ich gefahren

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In trüben Sinnes Wahn?

O töricht Kinderspiel,

O schuldlos Blutvergießen!

Und gleicht's dem Leben viel,Lasst mich die Augen schließen,

Denn was geschehn ist, ist geschehn,

Und wer kann für die Zukunft stehn?

Am Turme (!$ 9$1!')

Ich steh' (% (*"<) auf hohem Balkone (!$ /5("-"0 9$7-"!': der Balkon) am Turm (!$ 9$1!', &+, 9$1!': der Turm),

Umstrichen (-$($'0$%, "/'/$'0$%: umstreichen – ;+'+($'< , "1&1+($) vom schreienden

Stare (-+,#$>,0 (-/"+;"0: der Star ),

Und lass' (&4(-$<, &":/"7%<)  gleich einer Mänade (&"."9!"  0'!$.')  den Sturm

(/&4(-$</ /'*'+,/&":/"7%</ /'*+4) 

Mir wühlen (0!' '+"1,*): «+5*)») im flatternden Haare (/ +$:/'/$<>,3(% /"7"($3);

O wilder Geselle (.,-,2, 942!52  &$+'!): «&".0$(*'+)'»), o toller Fant (9'1'!52,

(40$(1'.1,2 <!';),

Ich möchte dich (%  3"*'7$  95  *'9%)  kräftig ((,7)!", -+'&-")  umschlingen ("9/,*),

"93/$*,*)),

Und, Sehne ((43"8,7,': die Sehne)  an Sehne ( 8,7-"<  -   8,7-'), zwei Schritte (./$ 

1$6$ = / ./43 1$6$3: der Schritt ) vom Rand ("* -+$%: der Rand ) 

 Auf Tod und Leben (!$  (0'+*)  ,   8,:!): der Tod; das Leben)  dann ringen (*"6.$ 

9"+"*)(%)!

Und drunten (*$0 /!,:4) seh' ich (/,84 %) am Strand (!$ &"9'+'8)', !$ 0"+(-"0 9'+'64:

der Strand ), so frisch (*$-,' 9".+5',  8,/5': «(/'8,'»») 

Wie spielende Doggen (-$-  ,6+$<>,' ."6,: die Dogge), die Wellen (/"7!5: die Welle) 

Sich tummeln (+':/,*)(% = -$-  "!, +':/%*(%) rings (/"-+46) mit Geklaff (( !$:"27,/50 

7$'0, *%/-$!)'0: das Geklaff; klaffen – (<1;+($)  und Gezisch ((  1,&'!,'0,

46+"8$<>,0 4+#$!,'0 = "6+5:$%(); das Gezisch; zischen – 5)%&($) 

Und glänzende Flocken (,  //,84, -$- / 97'(*%>,'  37"&)%: die Flocke)  schnellen

((*+'0,*'7)!" /:7'*$<*, &".(-$-,/$<*).

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O, springen (&+56!4*)) möcht' ich hinein (*4.$: «*4.$-/!4*+)») alsbald (*"*#$(  8'),

Recht in die tobende Meute (&+%0" / 9414<>4<, !',(*"/(*/4<>4< (/"+4) 

Und jagen ("3"*,*)(%  /!$  -"6"-7,9"/, 6!$*))  durch den korallenen Wald (#'+': 

-"+$77"/52 7'() 

Das Walross (0"+8$), die lustige Beute (/'('74< ."95#4)!

Und drüben (/"! *$0) seh' ich ein Wimpel (@7$8"- , /50&'7) wehn (+$:/'/$*)(% = -$-  

+$:/'/$'*(%) 

So keck (*$-  7,3", .'+:-") wie eine Standarte (-$-  1*$!.$+*, @7$6),

Seh' auf (//'+3)  und nieder (/!,:)  den Kiel (-,7))  sich drehn (&"/"+$#,/$*)(%  = -$-  

&"/"+$#,/$'*(% /-,7)/) 

Von meiner luftigen Warte (0"'2  /":.41!"2  (*"+"8'/"2  9$1!,, !$97<.$*'7)!"2 /51-,);

O, sitzen möcht' ich im kämpfenden Schiff ((,.'*) 3"*'7$ 95 % / (+$8$<>'0(% -"+$97':

das Schiff ),

Das Steuerruder (1*4+/$7)!"' /'(7": steuern –  0,/)($, !+%0+1/<($  + das Ruder –

1&'/") ergreifen ((3/$*,*), 43/$*,*)) 

Und zischend (1,&%, (  1,&'!,'0)  über das brandende Riff (#'+':  :$7,/$'052 

&+,9"'0, 94+7%>,2 +,@) 

Wie eine Seemöve (-$-   0"+(-$%  #$2-$)  streifen (-$($*)(%, &+"7'*'*)  (  -$($!,'0,

-"(!4/1,()).

Wär' ich (957$ 95 %) ein Jäger ("3"*!,-"0) auf freier Flur («!$ (/"9".!"0 &"7'» = / 

#,(*"0 &"7'),

Ein Stück («".!"2 1*4-"2»: das Stück ) nur (*"7)-") von einem Soldaten («"* ("7.$*$»)

= (3"*% 95 ".!,0 ,: ("7.$*"/, -$-,0-!,94.) ("7.$*,-"0),

Wär' ich ein Mann (048#,!"2)  doch ( 8'  = &4(*)  8')  mindestens (&" 0'!)1'2 0'+',

($0"' 0'!)1'' = 3"*% 95) nur (*"7)-"),

So (*"6.$, *$-  / =*"0 (74#$') würde der Himmel mir raten (!'9" 0!' 95 ("/'*"/$7",

.$/$7" ("/'*5);

Nun ($ *'&'+)) muss ich sitzen (."78!$ % (,.'*)) so fein (*$-  ,:%>!", 0,7" (7$/!") 

und klar (%(!" = *,3", (&"-"2!"),

Gleich einem artigen Kinde (&"."9!" &+,0'+!"04, (0,+!"04 +'9'!-4: das Kind ) 

Und darf (0"64, 0!' +$:+'1'!") nur heimlich (7,1) *$2!") lösen mein Haar (+$(&4(-$*) 

0", /"7"(5) 

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Und lassen es (&4(-$*)  /,3/, &":/"7%*)  /,0/)  flattern im Winde (+$:/'/$*)(% !$ /'*+4:

der Wind )!

Am Turme

Ich steh' auf hohem Balkone am Turm,

Umstrichen vom schreienden Stare,

Und lass' gleich einer Mänade den Sturm

Mir wühlen im flatternden Haare;

O wilder Geselle, o toller Fant,

Ich möchte dich kräftig umschlingen,

Und, Sehne an Sehne, zwei Schritte vom RandAuf Tod und Leben dann ringen!

Und drunten seh' ich am Strand, so frisch

Wie spielende Doggen, die Wellen

Sich tummeln rings mit Geklaff und Gezisch

Und glänzende Flocken schnellen.

O, springen möcht' ich hinein alsbald,

Recht in die tobende Meute

Und jagen durch den korallenen Wald

Das Walross, die lustige Beute!

Und drüben seh' ich ein Wimpel wehn

So keck wie eine Standarte,

Seh' auf und nieder den Kiel sich drehn

Von meiner luftigen Warte;

O, sitzen möcht' ich im kämpfenden Schiff,

Das Steuerruder ergreifen

Und zischend über das brandende Riff

Wie eine Seemöve streifen.

Wär' ich ein Jäger auf freier Flur,

Ein Stück nur von einem Soldaten,

Wär' ich ein Mann doch mindestens nur,

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So würde der Himmel mir raten;

Nun muss ich sitzen so fein und klar,

Gleich einem artigen Kinde

Und darf nur heimlich lösen mein Haar

Und lassen es flattern im Winde!

Das Spiegelbild ("*+$8'!,': der Spiegel – 3&0;+/" + das Bild – )3".0+8&!)&, ;+0()!+)

Schaust du mich an aus dem Kristall (/-"6.$/ *5 (0"*+,1) !$ 0'!% ,: 3+4(*$7%: das

Kristall –  ?0,'(+/$) 

Mit deiner Augen Nebelball («*/",3 67$: *40$!!50 (64(*-"0, *40$!!50, 1$+$0,»: das

 Auge; der Nebel; der Ball –5+0; ;"-"; ),Kometen gleich (&"."9!50 -"0'*$0: der Komét ), die im Verbleichen (-"*"+5', 97'.!'% 

= !$#,!$% 0'+-!4*), 97'-!4*); bleich – ./&4!6A);

Mit Zügen, worin wunderlich (( #'+*$0,, / -"*"+53 &+,#4.7,/", (*+$!!"; das Wunder –

#,4"; der Zug ) 

Zwei Seelen wie Spione sich (./' .41,, -$-  /./$/ 1&,"!$: die Seele) 

Umschleichen (-+$.4#,()  3".%*  /"-+46  .+46  .+46$; schleichen – ;0+'($'< ), ja, dann

flüstre ich (.$, *"6.$ % 1'&#4):

Phantom, du bist nicht meinesgleichen (@$!*"0, &+,/,.'!,', *5 !' &"3"8' !$ 0'!%; *5 

!' *$-"', -$-  %; gleich –  0+1!6A; gleichen – %"?"4)($)!

Bist nur entschlüpft der Träume Hut (/*5/ 7,1)  4(-"7):!47"  "*  "3+$!5  (!"/  = "* 

(*'+'64>,3 *'9% (!"/: der Traum – '!"1)4&!)&; die Hut – "?0+!+; hüten – "?0+!<($,

'(&0&#$; %+'(); schlüpfen – ';"/$3!,($),

Zu eisen mir das warme Blut (#*"95 7'.'!,*) 0!' *'&74< = 6"+%#4< -+"/); das Eis –

 /&4),

Die dunkle Locke mir zu blassen (#*"95  /&"/9'7,*)  0!'  *'0!52  7"-"!  = *'0!5' 

7"-"!5: dunkel; blass – ./&4!6A, ./:;/6A);

Und dennoch, dämmerndes Gesicht (, /('  8', 9+':8$>'', (04*!"' 7,;": dämmern –

'-&0;+($'< ; /  0+'  / '1&(+($),

Drin seltsam spielt ein Doppellicht (/  -"*"+"0  (*+$!!"  ,6+$'*  (/'*"*'!): «./"2!"2 

(/'*»; das Licht – '1&(),

Trätest du vor ('(7,  95  *5  /5(*4&,7"  /&'+'.  /,:  :'+-$7$/; treten-trat-getreten –

'(,%+($), ich weiß es nicht (% /*"6"/ !' :!$<),

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Würd’ ich dich lieben oder hassen (7<9,7$ 95 % *'9% ,7, !'!$/,.'7$, &"7<9,7$ 95 % 

*'9% ,7, /":!'!$/,.'7$)?

Zu deiner Stirne Herrscherthron (//  !$&+$/7'!,,/ 6"(&".(-"6"  *+"!$  */"'6"  79$: die

Stirn; der Herrscher – %"1&/)(&/$),Wo die Gedanken leisten Fron (6.'  ("/'+1$<*, "*&+$/7%<*  9$+>,!4  05(7,: der

Gedanke – -6'/$; denken – 4,-+($; die Fron – .+0>)!+, (<2/"; %"4!&1"/$!6A,

%0)!,4)(&/$!6A (0,4) 

Wie Knechte (-$-   (746,, 3"7"&5), würd ich schüchtern blicken (%  95  /:67%!47$,

&"(0"*+'7$ (04>'!!", +"9-");

Doch von des Auges kaltem Glast (!" "* 3"7".!"6" 97'(-$ /*/"'6"/ /:67%.$: der Glast =

der Glanz / %"C(./ ),Voll toten Lichts (&"7!"6"  0'+*/50  (/'*"0), gebrochen fast (&"#*,  :$-$*,/1'6"(%;

brechen-brach-gebrochen –  /"-+($),

Gespenstig (&+,:+$#!"6": das Gespenst – %0)1)4&!)&), würd’, ein scheuer Gast (% 95,

+"9-,2 6"(*)),

Weit, weit ich meinen Schemel rücken (.$7'-", .$7'-" 95 "*"./,!47$ 0"2 *$94+'*).

Und was den Mund umspielt so lind ($ *", #*" *$-  !'8!", -+"*-" "/'/$'* +"*, 6!':.,*(% 

4 +*$),

So weich und hülflos wie ein Kind (*$-   0%6-"  ,  9'(&"0">!", -$-   +'9'!"- ; helfen –

%"-"2+($; die Hülfe = die Hilfe – %"-">$),

Das möcht’ in treue Hut ich bergen (=*" % 3"*'7$ 95 4-+5*) &". /'+!4< :$>,*4: bergen

 – ,;061+($ / 1 .&3"%+'!"-  -&'(& /; '%+'+($ / %0) ;+(+'(0"B+?  / );

Und wieder (, (!"/$, "&%*)  8'), wenn er höhnend spielt (-"6.$ "!  /+"*/ !$(0'17,/" 

,6+$'*; der Hohn – !+'-&5;+),

Wie von gespanntem Bogen zielt (0'*,*(%, -$-  ,: !$*%!4*"6" 74-$: der Bogen; spannen),

Wenn leis es durch die Züge wühlt (-"6.$ =*" = !'#*" -"&$'*(%, +"'* *,3" (-/":) #'+*5 

/7,;$/: der Zug ),

Dann möcht’ ich fliehen wie vor Schergen (*"6.$  %  3"#4  9'8$*), (&$(*,()  9'6(*/"0,

(7"/!"  "*  &$7$#'2: der Scherge – / )'(./ )'%"/!)(&/$  ',4&.!"2"  %0)2"1"0+ 

 / '(0+8!); , %+/+#  ) (.% ./ ).

Es ist gewiss (=*" "&+'.'7'!!" /*$- /), du bist nicht ich (*5 – !' %),

Ein fremdes Dasein (#48."' (4>'(*/"/$!,'), dem ich mich (-  -"*"+"04 %) 

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Wie Moses nahe (-$-  N",('2 &+,97,8$<(): sich nahen; nah – ./)3;"), unbeschuhet

(+$:4*$%, (!%/ "94/); der Schuh – .+5-+; ),

Voll Kräfte (&"7!"'  /*$2!53/ (,7: die Kraft ), die mir nicht bewusst (-"*"+5'  0!' 

!'/'."05, -"*"+53 % !' (":!$<),

Voll fremden Leides (&"7!"' #48."6" /0!'/ (*+$.$!,%: das Leid ), fremder Lust (#48."2 "*+$.5; #48."6"  8'7$!,%, (*+'07'!,%: die Lust );

Gnade mir Gott (.$  (0,7"(*,/,*(%  !$." 0!"2 H"6: gnaden;  die Gnade – -)/"'($),

wenn in der Brust ('(7, / 6+4.,) 

Mir schlummernd deine Seele ruhet (4 0'!%: «0!'» .+'07<>'  &"-",*(%  */"%  .41$:

schlummern – 40&-+($; der Schlummer – 40&-"(+, %"/,'"!  / 16'"; ./ )!

Und dennoch fühl’ ich (, /('  8', ".!$-" % #4/(*/4<), wie verwandt ((7"/!" +".(*/'!!$ = (7"/!" 05 (+".!,, +".(*/'!!,-,),

Zu deinen Schauern mich gebannt (-   */",0  (".+"6$!,%0  = -   */"'04  *+'&'*4  ('9% 

&+,/%:$!!"2 #$+$0,: der Schauer – ./+2"2"1&!)&, (0&%&(; 40"8$; 1"'("02, C;'(+3 

 / 16'"; ./; bannen – %0);"161+($, "#+0"161+($, %/&!<($),

Und Liebe muss der Furcht sich einen (, 7<9"/) ."78!$ &+,("'.,!,*)(%  -  (*+$34  =

."9$/,*)(% -  (*+$34).

Ja, trätest aus Kristalles Rund ('(7, 95 /5(*4&,7" ,: "9+$07'!,% 3+4(*$7%: das Rund

 – ";0,2/"'($ /  /)*+ /; '1"4 / !&.+ / / 16'"; ./ ),

Phantom, du lebend auf den Grund (*5  8,/50 !$ :'07<),

Nur leise zittern würd’ ich, und (% 95 *"7)-" *,3" = (7'6-$ :$.+"8$7$ ,) 

Mich dünkt (0!'  -$8'*(%) – ich würde um dich weinen (% 95  :$&7$-$7$ !$.  *"9"2, " 

*'9')!

Das Spiegelbild

Schaust du mich an aus dem Kristall

Mit deiner Augen Nebelball,

Kometen gleich, die im Verbleichen;

Mit Zügen, worin wunderlich

Zwei Seelen wie Spione sich

Umschleichen, ja, dann flüstre ich:

Phantom, du bist nicht meinesgleichen!

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Bist nur entschlüpft der Träume Hut,

Zu eisen mir das warme Blut,

Die dunkle Locke mir zu blassen;

Und dennoch, dämmerndes Gesicht,

Drin seltsam spielt ein Doppellicht,Trätest du vor, ich weiß es nicht,

Würd’ ich dich lieben oder hassen?

Zu deiner Stirne Herrscherthron,

Wo die Gedanken leisten Fron

Wie Knechte, würd ich schüchtern blicken;

Doch von des Auges kaltem Glast,Voll toten Lichts, gebrochen fast,

Gespenstig, würd, ein scheuer Gast,

Weit, weit ich meinen Schemel rücken.

Und was den Mund umspielt so lind,

So weich und hülflos wie ein Kind,

Das möcht’ in treue Hut ich bergen;

Und wieder, wenn er höhnend spielt,

Wie von gespanntem Bogen zielt,

Wenn leis es durch die Züge wühlt,

Dann möcht’ ich fliehen wie vor Schergen.

Es ist gewiss, du bist nicht ich,

Ein fremdes Dasein, dem ich mich

Wie Moses nahe, unbeschuhet,

Voll Kräfte, die mir nicht bewusst,

Voll fremden Leides, fremder Lust;

Gnade mir Gott, wenn in der Brust

Mir schlummernd deine Seele ruhet!

Und dennoch fühl’ ich, wie verwandt,

Zu deinen Schauern mich gebannt,

Und Liebe muss der Furcht sich einen.

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Ja, trätest aus Kristalles Rund,

Phantom, du lebend auf den Grund,

Nur leise zittern würd’ ich, und

Mich dünkt – ich würde um dich weinen!

Am Bodensee (4 ":'+$ H".'!:'')

Über Gelände (!$. 0'(*!"(*)<, &+"(*+$!(*/"0: das Gelände), matt gedehnt («0$*"/" 

+$(*%!4*$%, +$(*%!4/1,()»),

Hat Nebelrauch sich wimmelnd gelegt (47'67$(), -749%(), *40$!!$% .50-$: der Nebel –

(,-+! ; der Rauch – 46- ; wimmeln – ;)5&($),

Müde, müde die Luft am Strande stöhnt (4(*$7", 4(*$7"  (*"!'*  /":.43  4 9'+'6$: derStrand – %0).0&8!+<  %"/"'+; %/<8 ),

Wie ein Ross, das den schlafenden Reiter trägt ((7"/!" -"!), -"*"+52 !'('* (&%>'6" 

/($.!,-$: tragen);

Im Fischerhause kein Lämpchen brennt (/  ."0'  +59$-$  !'  6"+,*  7$0&"#-$, !'* 

!,-$-"6" "6"!)-$),

Im öden Turme kein Heimchen schrillt (/  &4(*5!!"2 9$1!'  !'  (*+'-"#'*, !'  *+'>,* 

(/'+#"- : der Turm; schrill –  0&3;)A, %0"!3)(&/$!6A),

Nur langsam rollend (7,1)  0'.7'!!"  -$*%(), +$(-$*5/$%())  der Pulsschlag schwillt

(/:.50$'*(%, -"7'97'*(%  9,'!,'  &47)($: der Schlag – ,4+0; schlagen – .)($;

schwellen – !+.,?+($; %0).61+($ / " 1"4& / ) 

In dem zitternden Element (/ .+"8$>'2 (*,3,,: das Elemént ).

Ich hör’ es wühlen am feuchten Strand (%  (7514, -$-   "!$  +"'*  /7$8!"'  &"9'+'8)',

+"'*(% 4 /7$8!"6" &"9'+'8)%),

Mir unterm Fuße es wühlen fort (-$-  4 0'!%: «0!'» &". !"6"2 "!$ &".+5/$'* '6": fort –

%0"#$),

Die Kiesel knistern (6$7)-$  *+'>,*, &"*+'(-,/$'*: der Kiesel ), es rauscht der Sand

(14+1,* &'("- ),

Und Stein an Stein entbröckelt dem Bord (, -$0'!) :$ -$0!'0 -+"1,*(%, "*7$05/$'*(% 

"* -+$%: der Stein; der Bord; der Brocken – ;,'"; , "./"-"; , 2/6.+).

 An meiner Sohle zerfährt der Schaum (4 0"'2 &"."1/5 +$(&$.$'*(% &'!$),

Eine Stimme klaget im hohlen Grund (6"7"(  8$74'*(%,  8$7"9!" :/4#,* / &4(*"2, &"7"2 

6749,!': der Grund – 20,!(, %"#1+; 4!"),

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Gedämpft (&+,6741'!!"; der Dampf – %+0; dämpfen – %0)2/,5+($), mit

halbgeschlossenem Mund ((  &"74:$-+5*50  +*"0: der Mund;  schließen – schloss –

geschlossen – 3+;061+($),

Wie des grollenden Wetters Traum ((7"/!" ("!, (!"/,.'!,' 6+"053$<>'2 6+":5: der

Traum; das Wetter – %"2"4+; grollen – '&04)($'< ; 20"-6?+($ / " 20"3& / ).

Ich beuge mich lauschend am Turme her (% (-7$!%<() 4 9$1!, /!,:, &+,(741,/$%()),

Sprühregenflitter fährt in die Höh (0'7-,'  9+5:6,, (/'+-$%, /:7'*$<*  /  /5(): der

Sprühregen – -"0"'<>)A 4"84$; sprühen – .0632+($,  0+3.0632)1+($,  0+'%6/<($;

der Flitter – ./&'(;+, ;+!)(&/$, -)5,0+).

Ha, meine Locke ist feucht und schwer (0", /"7"(5: «0"2 7"-"!» /7$8!5 , *%8'75)!

Was treibst du denn (#*"  8'  *5 .'7$'1), :$*'/$'1): treiben – 2!+($; 3+!)-+($'<   / #&- - /)." /; %"4&/61+($), unruhiger See (9'(&"-"2!"', !'(&"-"2!"'  ":'+"; ruhig –

'%";"A!6A; die Ruhe – %";"A)?

Kann dir der heilige Schlaf nicht nahn (/+$:/'/ !' 0"8'*  -   *'9' &+,97,:,*)(% (/%*"2 

("!)?

Doch nein, du schläfst, ich seh es genau (".!$-"  8' !'*, *5 (&,1), % =*" /,84 *"#!":

schlafen),

Dein Auge decket die Wimper grau (*/"2 67$:, /:"+ &"-+5/$'* ('+"' /'-": das Auge –

2/+3),

 Am Ufer schlummert der Kahn (4 9'+'6$ .+'07'* #'7!"- : das Ufer ).

Hast du so vieles, so vieles erlebt (*5 *$-  0!"6", *$-  0!"6" &'+'8,7"),

Dass dir im Traume es kehren muss (#*"  =*"  ."78!"  /":/+$>$*)(%  -   *'9'  / 

(!"/,.'!,,),

Dass deine gleißende Nerv erbebt (*$-   #*"  */"2  «(/'+-$<>,2, 97'(*%>,2» !'+/ 

(".+"6$'*(%: gleißen – /  <0;" / ./&'(&($),

Naht ihr am Strand eines Menschen Fuß ('(7,, -"6.$  -   !'04  &+,97,8$'*(%  !"6$ 

#'7"/'-$: der Mensch; der Fuß)?

Dahin, dahin (//('/ 417,, &+"&$7,; dahin – (,4+)! die einst so gesund (*', -*" 957, 

-"6.$-*" (*"7) :."+"/50, = -$-,0, 95 :."+"/50, "!, !, 957,),

So reich und mächtig ((*"7)  9"6$*50,  ,  0"64>'(*/'!!50,; die Macht – 1/+'($;

-"2,>&'(1"), so arm und klein ((*"7) 9'.!50, , 0$750,),

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Und nur ihr flüchtiger Spiegelschein ($  *'&'+)  7,1)  ,3  9'67"'  "*+$8'!,', 9'6752 

&+,:+$-  "*+$8'!,%: der Spiegel – 3&0;+/"; der Schein – '1&(; -!)-"'($; scheinen –

'1&()($; ;+3+($'< ) 

Liegt zerflossen auf deinem Grund (7'8,*  +$(&75/1,0(%  !$  */"'0  .!': zerfließen;

fließen-floss-geflossen – (&#$).

Der Ritter, so aus der Burg hervor (+5;$+), #*" ,: -+'&"(*, !$+484) 

Vom Hange trabte in aller Früh ((" (-7"!$ (-$-$7 +5()< +$!" 4*+"0: «/" /('2 +$!,, / 

&"7!"2 +$!,»: der Hang; hängen – 1)'&($);

 – Jetzt nickt die Esche vom grauen Tor (*'&'+) -,/$'* %('!) "* ('+53 /"+"*: das Tor ),

 Am Zwinger zeichnet die Mylady (4  (*'!5  :$0-$  +,(4'*  0,7'.,: der Zwinger –

,;0&%/&!!"&  -&'("  -&84,    01"-   )  ;0&%"'(!"A  '(&!"A; zwingen – %0)!,84+($;zeichnen –  0)'"1+($; das Zeichen – 3!+; ) –

Das arme Mütterlein (9'.!$% 0$*41-$ = (*$+41-$), das gebleicht (-"*"+$% "*9'7,/$7$;

bleich – ./&4!6A) 

Sein Leichenhemde den Strand entlang ((/"2  ($/$!  4  9'+'6$: «/."7)  9'+'6$»: die

Leiche – (0,%  + das Hemd –  0,.+?+);

Der Kranke, der seinen letzten Gang (9"7)!"2, -"*"+52 (/"< &"(7'.!<< &+"647-4: der

Gang –  ?"4; gehen – )4()) 

 An deinem Borde gekeucht (4  */"'6"  -+$%  &+".'7$7, :$.53$%(), *%8'7"  .51$:

keuchen – 3+46?+($'< ; 41)2+($'<  (<8&/" 465+);

Das spielende Kind (,6+$<>,2  +'9'!"- ), das neckend hier (-"*"+52  :.'(), 1$7%:

necken – 40+3!)($, %"45,#)1+($) 

Sein Schneckenhäuschen geschleudert hat (1/5+!47  (/"<  +$-"/,!4: die Schnecke –

,/)(;+ + das Häuschen – 4"-); );

Die glühende Braut (*"0%>$%(%  8$+"0 !'/'(*$: glühen – !+;+/<($'< , %6/+($), die

lächelnd dir (-"*"+$% *'9', 4759$%()) 

Von der Ringelblume gab Blatt um Blatt (/"*/ /;/'*-$/ -$7'!.475 .$/$7$ *'9' 7,(*"-  :$ 

7,(*-"0: der Ringel – ;0,8"; , ;"/&#;", 3+1)("; ; das Blatt );

Der Sänger, der mit trunkenem Aug (&'/';, -"*"+52, ( "&)%!'!!50 /:"+"0; singen –

%&($) 

Das Metrum geplätschert in deiner Flut (+$:0'+  «&7'(-$7» /  */"'0  &"*"-', /  */"'2 

/".!"2 (*,3,, = -"*"+52 (",:0'+%7 ( *"9"2 +$:0'+ (/",3 &'(!"&'!,2);

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Die Pilger, so am Gesteine geruht (&,7,6+,0, #*" "*.53$7: «&"-",7(%» 4 (-$75: das

Gestein – ;+-!)):

Sie alle dahin wie Rauch ("!, /(' &+"17,, ,(#':7,, (7"/!" .50)!

Bist du so fromm, alte Wasserfei (*5  (*"7)  7"/-$, (*"7)  +$(&"+%.,*'7)!$, (*$+$% /".%!$% @'%: fromm – ./+2"#&'()16A, !+."8!6A; 4&/$!6A, )30<4!6A /= tüchtig/ ),

Hältst nur umschlungen (7,1)  .'+8,1)  "93/$#'!!50  = *", #*"  *'9'  4.$'*(% 

"93/$*,*): halten; umschlingen), lässt nimmer los (!,-"6.$ 9"7)1' !' /5&4(-$'1))?

Hat sich aus dem Gebirge die Treu (+$:/' ,: 6"+ /'+!"(*): das Gebirge – 2"06 , 2"0!+<  

-&'(!"'($; der Berg – 2"0+) 

Geflüchtet in deinen heiligen Schoß ((9'8$7$, (&$(7$() 9'6(*/"0 / */"' (/%*"' 7"!")?

O, schau mich an (&"(0"*+, !$ 0'!%)! ich zergeh wie Schaum (% +$(&$.$<(), -$-  &'!$),Wenn aus dem Grabe die Distel quillt (-"6.$ ,: 0"6,75 &+"9)'*(% #'+*"&"7"3: das Grab;

quellen – %0".)1+($'< ; %0"'+#)1+($'< ; !+.,?+($),

Dann zuckt mein längst zerfallenes Bild (*"6.$  .+"6!'*, /(*+'&'!'*(%  0"2  .$/!" 

+$(&$/1,2(%, +$:7"8,/1,2(%  "9+$:: zucken – 1340+2)1+($, %"4&02)1+($'< ,

(0&%&(+($; fallen – %+4+($) 

Wohl einmal durch deinen Traum (!'&+'0'!!" '>' ".!$8.5 (-/":) */"2 ("!)!

Am Bodensee

Über Gelände, matt gedehnt,

Hat Nebelrauch sich wimmelnd gelegt,

Müde, müde die Luft am Strande stöhnt,

Wie ein Ross, das den schlafenden Reiter trägt;

Im Fischerhause kein Lämpchen brennt,

Im öden Turme kein Heimchen schrillt,

Nur langsam rollend der Pulsschlag schwillt

In dem zitternden Element.

Ich hör’ es wühlen am feuchten Strand,

Mir unterm Fuße es wühlen fort,

Die Kiesel knistern, es rauscht der Sand,

Und Stein an Stein entbröckelt dem Bord.

An meiner Sohle zerfährt der Schaum,

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Eine Stimme klaget im hohlen Grund,

Gedämpft, mit halbgeschlossenem Mund,

Wie des grollenden Wetters Traum.

Ich beuge mich lauschend am Turme her,Sprühregenflitter fährt in die Höh.

Ha, meine Locke ist feucht und schwer!

Was treibst du denn, unruhiger See?

Kann dir der heilige Schlaf nicht nahn?

Doch nein, du schläfst, ich seh es genau,

Dein Auge decket die Wimper grau,

Am Ufer schlummert der Kahn.

Hast du so vieles, so vieles erlebt,

Dass dir im Traume es kehren muss,

Dass deine gleißende Nerv erbebt,

Naht ihr am Strand eines Menschen Fuß?

Dahin, dahin! die einst so gesund,

So reich und mächtig, so arm und klein,

Und nur ihr flüchtiger Spiegelschein

Liegt zerflossen auf deinem Grund.

Der Ritter, so aus der Burg hervor

Vom Hange trabte in aller Früh;

 – Jetzt nickt die Esche vom grauen Tor,

Am Zwinger zeichnet die Mylady –

Das arme Mütterlein, das gebleicht

Sein Leichenhemde den Strand entlang;

Der Kranke, der seinen letzten Gang

An deinem Borde gekeucht;

Das spielende Kind, das neckend hier

Sein Schneckenhäuschen geschleudert hat;

Die glühende Braut, die lächelnd dir

Von der Ringelblume gab Blatt um Blatt;

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Der Sänger, der mit trunkenem Aug

Das Metrum geplätschert in deiner Flut;

Die Pilger, so am Gesteine geruht:

Sie alle dahin wie Rauch!

Bist du so fromm, alte Wasserfei,

Hältst nur umschlungen, lässt nimmer los?

Hat sich aus dem Gebirge die Treu

Geflüchtet in deinen heiligen Schoß?

O, schau mich an! ich zergeh wie Schaum,

Wenn aus dem Grabe die Distel quillt,

Dann zuckt mein längst zerfallenes BildWohl einmal durch deinen Traum!

Abschied von der Jugend (&+">$!,'  (  <!"(*)<: der Abschied; scheiden-schied-

geschieden –  0+34&/<($;  0+''(+1+($'< )

Wie der zitternde Verbannte (-$-   .+"8$>,2, *+'&'>4>,2  ((57)!52; der Bann –

)32!+!)&, ''6/;+) 

Steht an seiner Heimat Grenzen ((*",* 4 6+$!,; (/"'2 +".,!5: die Grenze – 20+!)*+),

Rückwärts er das Antlitz wendet (!$:$. "9+$>$'* "! (/"' 7,;"; der Rücken – '%)!+),

Rückwärts seine Augen glänzen (!$:$. = "67%.5/$%(), 97'(*%* '6" 67$:$: das Auge),

Winde, die hinüberstreichen (/'*+$0, &+"!"(%>,0(% 0,0": der Wind ),

Vögel in der Luft beneidet (&*,;$0, -"*"+5' / /":.43', :$/,.4'*: der Vogel; der Neid –

3+1)'($; beneiden + Akk.),

Schaudernd vor der kleinen Scholle ((".+"6$%()  /"*  48$($/ &'+'.  0$750  -7"#-"0 

:'07,; der Schauder – 40"8$, "3!". ; ,8+' ; die Scholle – 2/6.+, ;"- , %/+'(  3&-/);

'1"A /  0"4!"A / ;/"#";  3&-/)),

Die das Land vom Lande scheidet (-"*"+52  "*.'7%'*  :'07<  "*  :'07,, (*+$!4  "* 

(*+$!5);

Wie die Gräber seiner Toten (-$-  0"6,75 '6" 40'+1,3: das Grab),

Seine Lebenden ('6"  8,/5',  8,/4>,'), die süßen ((7$."(*!5'),

 Alle stehn am Horizonte (/(' (*"%* 4 6"+,:"!*$: der Horizónt ),

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Und er muss sie weinend grüßen (,  "!  ."78'!, '04  &+,3".,*(%  ,3, &7$#$,

&+,/'*(*/"/$*));

 Alle kleinen Liebesschätze (/('  0$75', 0$7'!)-,'  ("-+"/,>$  7<9/,: die Liebe –

 /=."1$ + der Schatz – ;/+4; '";0"1)>&),

Unerkannt (!'4:!$!!5', !'"&":!$!!5': erkennen-erkannte-erkannt )  und unempfunden(, !'&"#4/(*/"/$!!5', !'/"(&+,!%*5': empfinden-empfand-empfunden),

 Alle ihn wie Sünden brennen (/(' (8,6$<*, &$7%* '6", -$-  6+'3,: die Sünde) 

Und wie ewig offne Wunden (,  -$-   /'#!"  "*-+5*5', +$:/'+(*5'  +$!5: offen; die

Wunde);

So an seiner Jugend Scheide (*$-  !$ +49'8' (/"'2 <!"(*,) 

Steht ein Herz voll stolzer Träume ((*",* ('+.;', ,(&"7!'!!"' 6"+.53 (!"/: der Traum – '!"1)4&!)&),

Blickt in ihre Paradiese (67%.,*, :$67%.5/$'* / '' +$2(-,' -+$%: das Paradies –  0+A) 

Und der Zukunft öde Räume (,  &4(*5!!5'  &+"(*+$!(*/$  94.4>'6": der Raum –

%0"'(0+!'(1"; %"-&>&!)&);

Seine Neigungen – verkümmert ('6" (-7"!!"(*, – :$3,+'7,, :$3,+'/1,': die Neigung;

neigen – ';/"!<($'< ; der Kummer – .&4+, 2"0&),

Seine Hoffnungen – begraben ('6"  !$.'8.5  – &"6+'9'!5: die Hoffnung; hoffen –

!+4&<($'< ),

 Alle stehn am Horizonte (/(' (*"%* 4 6"+,:"!*$),

Wollen ihre Träne haben (3"*%* &"74#,*) (/", = &+,#,*$<>,'(% ,0 (7':5: die Träne).

Und die Jahre, die sich langsam (, 6".5, -"*"+5' 0'.7'!!": das Jahr ),

Tückisch reihten aus Minuten (-"/$+!"  (*+"%*(%  ,:  #'+'.5  0,!4*; die Tücke –

;"1+0'(1"; die Reihe –  0<4),

 Alle brechen auf im Herzen (/(' //.+46/ /(&53,/$<*, &+"+5/$<*(% = "9!$+48,/$<*(% 

/  ('+.;'; brechen –  /"-+($; aufbrechen – 1';061+($'< ,  0+';061+($'< ;

%0"061+($'<  / " !+061& / ),

 Alle nun wie Wunden bluten (/(' *'&'+) -+"/"*"#$*, (7"/!" +$!5);

Mit der armen kargen Habe (( 9'.!50 (-4.!50 ,04>'(*/"0),

 Aus dem reichem Schacht erbeutet (,: 9"6$*"2 1$3*5 ."95*50: der Schacht; die Beute

 – 4".6#+),

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Mutlos (&$/1,2  .43"0; der Mut – -,8&'(1", "(1+2+), ein gebrochner Wandrer

((7"07'!!52  &4*!,- , (*+$!!,- : brechen-brach-gebrochen –  /"-+($; wandern –

%,(&5&'(1"1+($ %&5;"- ),

In das fremde Land er schreitet (/ #484<, #48.4< (*+$!4 "! 1$6$'*).

Und doch ist des Sommers Garbe (, /('  8' (!"& 7'*$: der Sommer; die Garbe) 

Nicht geringer als die Blüten (!' 0'!)1', #'0 ;/'*5 = !' 4(*4&$'* ;/'*'!,< 7'*!,2 

4+"8$2: die Blüte – *1&(&!)&; *1&(; gering – !&3!+#)(&/$!6A, -+/6A),

Und nur in der feuchten Scholle (, 7,1) /" /7$8!"2 :'07', &"#/') 

Kann der frische Keim sich hüten (0"8'* ("3+$!,*)(%, ("3+$!,*) ('9% (/'8,2 +"(*"- );

Über Fels und öde Flächen (#'+': (-$74 , &4(*5!!5' 4#$(*-,: der Fels; die Fläche –

%/"';"'($; %/">+4$ / %0"'(0+!'(1+ /; flach – %/"';)A) Muss der Strom (."78'!  &"*"-   /&+"*'#), &+"9+$*)(%/), dass er sich breite (#*"95 

/:$*'0/ +$(1,+,*)(%, +$(*'#)(%; breit – 5)0";)A),

Und es segnet Gottes Rechte (, 97$6"(7$/7%'* H"8)% .'(!,;$) 

Übermorgen so wie heute (&"(7':$/*+$1!,2 .'!) *$-   8', -$-  , ('6".!%1!,2).

Abschied von der Jugend

Wie der zitternde Verbannte

Steht an seiner Heimat Grenzen,

Rückwärts er das Antlitz wendet,

Rückwärts seine Augen glänzen,

Winde, die hinüberstreichen,

Vögel in der Luft beneidet,

Schaudernd vor der kleinen Scholle,

Die das Land vom Lande scheidet;

Wie die Gräber seiner Toten,

Seine Lebenden, die süßen,

Alle stehn am Horizonte,

Und er muss sie weinend grüßen;

Alle kleinen Liebesschätze,

Unerkannt und unempfunden,

Alle ihn wie Sünden brennen

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Und wie ewig offne Wunden;

So an seiner Jugend Scheide

Steht ein Herz voll stolzer Träume,

Blickt in ihre ParadieseUnd der Zukunft öde Räume;

Seine Neigungen – verkümmert,

Seine Hoffnungen – begraben,

Alle stehn am Horizonte,

Wollen ihre Träne haben.

Und die Jahre, die sich langsam,Tückisch reihten aus Minuten,

Alle brechen auf im Herzen,

Alle nun wie Wunden bluten;

Mit der armen kargen Habe,

Aus dem reichem Schacht erbeutet,

Mutlos, ein gebrochner Wandrer,

In das fremde Land er schreitet.

Und doch ist des Sommers Garbe

Nicht geringer als die Blüten,

Und nur in der feuchten Scholle

Kann der frische Keim sich hüten;

Über Fels und öde Flächen

Muss der Strom, dass er sich breite,

Und es segnet Gottes Rechte

Übermorgen so wie heute.

Im Moose (/" 034: das Moos)

 Als jüngst die Nacht (-"6.$, !'.$/!", !"#))  dem sonnenmüden Land (4*"07'!!"2  "* 

("7!;$ :'07', 0'(*!"(*,: das Land; die Sonne – '"/!*&; müde – ,("-/&!!6A) 

Der Dämmrung leise Boten hat gesandt ((40'+'-  *,3,3 &"(7$!;'/, /'(*!,-"/ &"(7$7$:

die Dämmerung; dämmern – '-&0;+($'< ; der Bote; senden),

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Da lag ich einsam (*"6.$ % 7'8$7$ ".!$, / ".,!"#'(*/': liegen) noch in Waldes Moose

('>' / 7'(!"0 034; der Wald –  /&' ).

Die dunklen Zweige nickten so vertraut (*'0!5'  /'*/,  -,/$7,  *$-   &"-+".(*/'!!"04:

vertraut – ./)3;)A,  0"4!"A,  ?"0"5" 3!+;"-6A; dunkel; der Zweig ),

 An meiner Wange flüsterte das Kraut (/":7' 0"'2 >'-, 1'&*$7$  *+$/$: das Kraut –D0+16 ,  0+3!"(0+1$&),

Unsichtbar (!'/,.,0$%, !':+,0"; die Sicht – 1)4)-"'($, 1)4; sehen – 1)4&($) duftete

(&$37$, ,(&4(-$7$ $+"0$*; der Duft – +0"-+() die Heiderose (746"/$% +":$; die Heide –

 / 1&0&';"1+<  / %,'("5$).

Und flimmern sah ich (, % /4/4/,.'7$, -$-  0'+;$'*) durch der Linde Raum ((-/":) -+"!4 

7,&5, (-/":) 7,&4: der Raum – %0"'(0+!'(1") Ein mattes Licht ((7$952 (/'*: matt – -+("16A, !&<0;)A), das im Gezweig der Baum

(-"*"+52 / (/",3 /'*/%3 .'+'/": das Gezweig – 1&(1) / '".)0+(./ ) 

Gleich einem mächt'gen Glühwurm schien zu tragen (&"."9!"  "6+"0!"04  (/'*7%-4,

-$:$7"(), !'(7": mächtig – -">!6A, "20"-!6A; die Macht – -">$, 1/+'($, ')/+; der

Glühwurm: glühen – %6/+($, !+;+/<($'<  + der Wurm – #&01$; scheinen – ;+3+($'< ),

Es ("! /(/'*/) sah so dämmernd (/,.'7(% *$-  (40'+'#!", !'%(!") wie ein Traumgesicht

(-$-  7,;" /" (!': der Traum – '!"1)4&!)& + das Gesicht –  /)*"),

Doch wusste ich (!", /('  8' % :!$7$: wissen), es war der Heimat Licht (/#*"/ =*" 957 

(/'* +".,!5 = 0"2 ."0$1!,2, +".!"2 (/'*: die Heimat –  0"4)!+),

In meiner eignen Kammer angeschlagen (/  0"'2  ("9(*/'!!"2  -"0!$*'  :$88'!!52:

eigen – '".'(1&!!6A; anschlagen – ,4+0<($ / -,3./: die Glocke anschlagen – ,4+0)($,

3+31"!)($ 1 ;"/";"/ ).

Ringsum so still (/"-+46  //('/ *$-  *,3", !'&"./,8!", 9'::/4#!"), dass ich vernahm im

Laub (#*" % (751$7$ / 7,(*/': vernehmen – '/65+($ / 16'"; ./; das Laub) 

Der Raupe Nagen («6+5:'!)' 64('!,;5» = -$-  6+5:'* 7,(* 64('!,;$; nagen – 2063($),

und wie grüner Staub (,, (7"/!" :'7'!$% &57)) 

Mich leise wirbelnd Blätterflöckchen trafen (/ 0'!% &"&$.$7,  = !$ 0'!% &$.$7,, *,3" 

-+48$(), «(!'8,!-,» = &41,!-,  7,(*)'/: treffen – %"%+4+($; wirbeln – ;0,8)($'<  

1)?0&".0+3!", 1 1"4"1"0"(&; der Wirbel – 1)?0$; 1"4"1"0"(; ;/,.6  / !+%0)-&0, %6/) /;

das Blatt –  /)'( / ";  /; die Flocke – '!&8)!;+, %,5)!;+).

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Ich lag und dachte (% 7'8$7$ , .40$7$: denken), ach, so manchem nach ($3, (*"7) " 

0!"6"0: nachdenken –  0+3-65/<($,  0+34,-61+($; nach – 1'/&4; manch –

!&;"("06A, -!"2)A),

Ich hörte meines eignen Herzens Schlag (%  (751$7$  9,'!,'  0"'6"  ("9(*/'!!"6" 

('+.;$; schlagen – .)($ / '<  / ),Fast war es mir (0!' &"#*, -$:$7"(): «957"»), als sei ich schon entschlafen ((7"/!" % 

48'  &"#,7$  //'#!50  (!"0/, "&"#,7$: entschlafen – 3+'6%+($; ';"!#+($'<   / 16'"; ./;

schlafen – '%+($).

Gedanken tauchten aus Gedanken auf (05(7, /":!,-$7,: «/5!5+,/$7,» ,: 05(7'2,

05(7, &"+"8.$7, .+46,' 05(7,: auftauchen – 16!60)1+($; %"<1/<($'< ; tauchen –

!60<($),Das Kinderspiel (.'*(-$% ,6+$; die Kinder – 4&(); spielen – )20+($), der frischen Jahre

Lauf (<!53: «(/'8,3» 7'* 9'6: das Jahr ),

Gesichter (7,;$), die mir lange fremd geworden (-"*"+5' .$/!" (*$7, .7% 0'!%, 0!' 

#48,0,: werden – '(+!"1)($'< );

Vergessne Töne (:$95*5' :/4-,: vergessen – 3+.61+($; der Ton – 31,; ) summten um

mein Ohr ( 8488$7, «/"-+46» = 4 0"'6" 43$),

Und endlich trat die Gegenwart hervor (, !$-"!'; /5(*4&,7$ !$+484 .'2(*/,*'7)!"(*),

/517"  /&'+'.  !$(*"%>''  /+'0%: die Gegenwart – !+'("<>)A  -"-&!(;

%0)'(,('(1)&),

Da stand die Welle (*4*, *"6.$ (*"%7$ /"7!$: stehen), wie an Ufers Borden (-$-  4 -+$'/ 

9'+'6$: das Ufer – .&0&2; der Bord – ;0+A, ."0().

Dann, gleich dem Bronnen (:$*'0, &"."9!" ,(*"#!,-4, -7<#4: der Bronnen), der verrinnt

im Schlund (-"*"+52 ,((%-$'* / &+"&$(*,: verrrinnen – 16(&;+($ / " 1"4& /; )'(&;+($ 

 / " 10&-&!) /; der Schlund – %+'($, 2/"(;+; %0"%+'($, .&34!+ / 16'"; ./ ) 

Und drüben ($ /"! *$0  // .+46"0 0'(*'/) wieder sprudelt aus dem Grund ((!"/$ 9)'* 

-7<#"0 ,: &"#/5: der Grund ),

So stand ich plötzlich in der Zukunft Lande (*$-  (*"%7$ % /.+46 = "-$:$7$() (*"%>'2 / 

(*+$!' 94.4>'6");

Ich sah mich selber (%  /4//,.'7$ ('9% ($0"'), gar gebückt (("/'+1'!!" ("6!4/14<(%;

sich bücken – !+2).+($'< ) und klein (, 0$7'!)-4<),

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Geschwächten Auges (( "(7$97'!!50 :+'!,'0: das Auge – 2/+3; schwach – '/+.6A;

schwächen – "'/+./<($), am ererbten Schrein (4 +"."/"6": «4!$(7'."/$!!"6"» 7$+;$:

der Schrein –  /+0&*; erben – !+'/&4"1+($) 

Sorgfältig ($--4+$*!", :$9"*7,/"; die Sorge – 3+."(+) ordnen (&+,/".,*) / &"+%."-  =

&+,/".%>4<  /  &"+%."- ; die Ordnung – %"0<4"; )  staub'ge Liebespfande (&57)!5' :$7"6, 7<9/, = &$0%*!5' /'>,: die Liebe + das Pfand; der Staub – %6/$).

Die Bilder meiner Lieben sah ich klar (% %(!" /,.'7$, /-$- / ,:"9+$8'!,% 0",3 7<9,053:

das Bild – ;+0()!+, )3".0+8&!)&),

In einer Tracht (/ ".'%!,,), die jetzt veraltet war (-"*"+"'  *'&'+) 957" 4(*$+'/1,0,

(*$+"0".!50; alt – '(+06A),

Mich sorgsam lösen (% :$9"*7,/", "(*"+"8!" /5!,0$<, "(/"9"8.$<: «/4/,.'7$ ('9%/"(*"+"8!" /5!,0$*)/») aus verblichnen Hüllen (,: &"*4(-!'/1,3, 97'-753 "9"7"#'- :

die Hülle; bleich – ./&4!6A; verbleichen – %"(,';!&($),

Löckchen (7"-"!5), vermorscht ("9/'*1$/1,'; morsch – 2!)/"A, (0,?/<16A, 1&(?)A;

vermorschen – '2!)($, %0&10+()($'<   1 (0,?, ), zu Staub zerfallen schier (/  &57) 

+$(&$/1,'(% &"#*,: schier – #)'(6A, .&3 %0)-&'); %"#(), %0<-"; fallen – %+4+($;

zerfallen –  0+'%+4+($'< ),

Sah über die gefurchte Wange mir (/4//,.'7$, -$-   &"  ,:9"+"8.'!!"2  /0"+>,!$0,/

>'-' 4 0'!%; die Furche – ."0"34+; -"0>)!+, ';/+4;+) 

Langsam herab (0'.7'!!" /!,:) die karge Träne quillen ((*'-$'* (-4&$% (7':$).

Und wieder an des Friedhofs Monument (, (!"/$ /":7' -7$.9,>'!(-"6" !$.6+"9,%; der

Friedhof – ;/+4.)>&: der Friede – -)0, %";"A + der Hof – 41"0),

Dran Namen standen (!$ -"*"+"0 (*"%7, = 957, !$&,($!5 ,0'!$: der Name), die mein

Lieben kennt (-"*"+5' :!$'* 0"% 7<9"/)),

Da lag ich betend (*$0  %  7'8$7$, 0"7%(): beten), mit gebrochnen Knieen (c

&".-"(,/1,0(% -"7'!%0,; brechen –  /"-+($; das Knie),

Und – horch (, – &"(741$2, #4!), die Wachtel schlug (&'+'&'7 :$&'7: schlagen – .)($;

%&($ / " %()*+?  / )! Kühl strich der Hauch (&+"37$.!"' &+"!'(7"() .4!"/'!,') –

Und noch zuletzt sah ich (,  '>'  &".  -"!';  4/,.$7$  %), gleich einem Rauch (/-$- /,

&"."9!" .504: der Rauch),

Mich leise in der Erde Poren ziehen (% *,3" ,(#':7$ / &"+$3 :'07,: ziehen – (<!,($,

%0)1/&;+($).

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Ich fuhr empor (% /(-"#,7$: emporfahren; empór – 11&0? ) und schüttelte mich dann (, 

/(*+%3!47$() :$*'0; schütteln – (0<'()),

Wie einer (-$-  ".,! = -*"-7,9"; *"*, -*"), der dem Scheintod erst entrann (-*" *"7)-" 

#*"  ,:9'8$7, 49'8$7  «-$84>'2(%  (0'+*,, 0!,0"2  (0'+*,» = 7'*$+6,,: scheinen –

;+3+($'<  + der Tod – '-&0($; entrennen – ,.&8+($, '%+'()'$ .&2'(1"- ; rennen –.&8+($),

Und taumelte (,  &"17$, 1$*$%(): taumeln – &41+  4&08+($'<   !+  !"2+? ; )4(),

5+(+<'$) entlang die dunklen Hage (/."7) *'0!"2  8,/53 ,:6"+".'2, -4(*$+!,-"/: der

Hag –  8)1+<  )32"0"4$, ;,'(+0!);  / %"C(./ ),

Noch immer zweifelnd (/(' '>' ("0!'/$%()  = !'  :!$%  *"#!"), ob der Stern am Rain

(/'(*), %/7%'*(% 7,/ =*$ :/':.$ 4 "&41-,: der Rain – -&8+; "%,5;+  /&'+) 

Sei wirklich meiner Schlummerlampe Schein ('(*)  7,  =*"  .'2(*/,*'7)!"  (/'*  0"'2 !"#!"2 7$0&5; schlummern – 40&-+($),

Oder das Ew'ge Licht am Sarkophage (,7, C'#!52 (/'* 4 6+"9!,;5: ewig ).

Im Moose

Als jüngst die Nacht dem sonnenmüden Land

Der Dämmrung leise Boten hat gesandt,

Da lag ich einsam noch in Waldes Moose.

Die dunklen Zweige nickten so vertraut,

An meiner Wange flüsterte das Kraut,

Unsichtbar duftete die Heiderose.

Und flimmern sah ich durch der Linde Raum

Ein mattes Licht, das im Gezweig der Baum

Gleich einem mächt'gen Glühwurm schien zu tragen,

Es sah so dämmernd wie ein Traumgesicht,

Doch wusste ich, es war der Heimat Licht,

In meiner eignen Kammer angeschlagen.

Ringsum so still, dass ich vernahm im Laub

Der Raupe Nagen, und wie grüner Staub

Mich leise wirbelnd Blätterflöckchen trafen.

Ich lag und dachte, ach, so manchem nach,

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Ich hörte meines eignen Herzens Schlag,

Fast war es mir, als sei ich schon entschlafen.

Gedanken tauchten aus Gedanken auf,

Das Kinderspiel, der frischen Jahre Lauf,Gesichter, die mir lange fremd geworden;

Vergessne Töne summten um mein Ohr,

Und endlich trat die Gegenwart hervor,

Da stand die Welle, wie an Ufers Borden.

Dann, gleich dem Bronnen, der verrinnt im Schlund

Und drüben wieder sprudelt aus dem Grund,So stand ich plötzlich in der Zukunft Lande;

Ich sah mich selber, gar gebückt und klein,

Geschwächten Auges, am ererbten Schrein

Sorgfältig ordnen staub'ge Liebespfande.

Die Bilder meiner Lieben sah ich klar,

In einer Tracht, die jetzt veraltet war,

Mich sorgsam lösen aus verblichnen Hüllen,

Löckchen, vermorscht, zu Staub zerfallen schier,

Sah über die gefurchte Wange mir

Langsam herab die karge Träne quillen.

Und wieder an des Friedhofs Monument,

Dran Namen standen, die mein Lieben kennt,

Da lag ich betend, mit gebrochnen Knieen,

Und – horch, die Wachtel schlug! Kühl strich der Hauch –

Und noch zuletzt sah ich, gleich einem Rauch,

Mich leise in der Erde Poren ziehen.

Ich fuhr empor und schüttelte mich dann,

Wie einer, der dem Scheintod erst entrann,

Und taumelte entlang die dunklen Hage,

Noch immer zweifelnd, ob der Stern am Rain

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Sei wirklich meiner Schlummerlampe Schein,

Oder das Ew'ge Licht am Sarkophage.

Doppeltgänger (./"2!,- ; doppelt – 41"A!"A)

Kennst du die Stunden, wo man selig ist (:!$'1) 7, *5 #$(5, -"6.$ #'7"/'-  (#$(*7,/,

-"6.$ *5 (#$(*7,/) 

In Schlaf und Wachens wunderlichem Segen (/  (!$  ,  9".+(*/"/$!,,  #4.!"0 

97$6"(7"/'!,,, 97$6')?

's war eine Nacht, vom Taue wachgeküsst (*" 957$ !"#), +$:948'!!$% &";'74%0, +"(5:

der Tau; wach – ."40'(1,=>)A),

Das Dunkel fühlt’ ich kühl wie zarten Regen (% #4/(*/"/$7$, -$-  *'0!"*$ – &+"37$.!$%,(7"/!" 7'6-,2 ."8.); zart – !&8!6A, ("!;)A,  /&2;)A, -<2;)A) 

 An meine Wange gleiten ((-"7):,* &" 0"'2 >'-'), das Gerüst ((""+48'!,', =1$@"*:

das Gerüst – '(0")(&/$!6&   /&'+; %"-"'(; C5+B"(; rüsten – 1""0,8+($'< ;

2"("1)($'< ) 

Des Vorhangs (:$!$/'($)  schien sich schaukelnd zu bewegen (-$:$7"(), -$#$%(),

./,8'*(%; scheinen-schien-geschienen – ;+3+($'< ) –

Rings tiefe Stille (-+46"0 6749"-$% *,1,!$), der das Ohr erlag (-"*"+"2 957 &"9'8.'!,

(.$7(%  (743: «43"»: erlegen-erlag-erlegen – %+4+($  / %"4  (<8&'($=  #&2"- /).",

)3!&-"2+($, %"2).+($),

Doch mir im Haupt war leises Summen wach (!" / 0"'2 67$/' 9".+(*/"/$7 *,3,2 64.;

summen –  8,88+($, 2,4&($).

Mir war so wohl und federleicht zumut (0!' 957" *$-  3"+"1" , 7'6-" /-$-  &'+51-"/ !$ 

.41'; die Feder – %&0"; der Mut – -,8&'(1"; 4,5&1!"& '"'("<!)& = das Gemüt ),

So schwimmend (*$-   «&7$/4#'»), und die Wimper halb geschlossen (,, &"74:$-+5/ 

+'(!,;5: «+'(!,;4»; schließen-schloss-geschlossen);

Verlorne Funken zuckten durch mein Blut (&"*'+%!!5'  =(74#$2!5', !'"8,.$!!5' 

,(-+5 &+"!,:5/$7, 0"<  -+"/), /(&53,/$7, / 0"'2  -+"/,; verlieren-verlor-verloren –

(&0<($; zucken – 1340+2)1+($, %"4&02)1+($'< ; 1'%6?)1+($),

Von leisen Lauten wähnt’ ich mich umflossen (0!'  #4.,7"(), 94.*"  %  "05/$'0$,

"9*'-$'0$ *,3,0, :/4-$0,: der Laut;um fließen; fließen-floss-geflossen – (&#$);

's war eine Stunde, wo der Zeiger ruht (=*" 957 #$(, -"6.$ &"-",*(% /#$("/$%/ (*+'7-$),

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Die Geisterstund verschollner Traumgenossen (#$(  %/7'!,%  .43"/  &+"&$/1,3  /9': 

/'(*,/ *"/$+,>'2  0'#*5; die Geisterstunde – (+;8&  %"/!"#$; der Geist – 4,? ;

verschollen – %0"%+15)A / .&3 1&'() /; der Genosse – ("1+0)>).

's war eine Nacht, wo man am Morgen fragt (=*" 957$ !"#), -"6.$ 4*+"0 (&+$1,/$'1)):

Hat damals, oder hat es jetzt getagt (*"6.$ 7,, ,7, ('2#$( +$((/'7", !$(*4&,7 .'!))?

Und immer heller ward der süße Klang (, /(' :/"!#' (*$!"/,7(% (7$."(*!52 :/4- : hell

 – '1&(/6A; 31"!;)A; ward = wurde),

Das liebe Lachen (0,752 (0'3); es begann zu schwimmen (!$#$7" &75*)) 

Wie Bilder von Daguerre die Deck entlang ((7"/!"  -$+*,!-, K$6'++$  = .$6'++"*,&5,

@"*"6+$@,, /."7) &"*"7-$, &" &"*"7-4: die Decke; decken – %";061+($),

Es wisperte wie jugendliche Stimmen (1'&*$7"(), (7"/!"  <!"1'(-,'  6"7"($: dieStimme; die Jugend – =!"'($),

Wie halbvergessner, ungewisser Sang ((7"/!"  &"74:$95*$%, !'"&+'.'7'!!$%  =

!'4/'+'!!$% &'(!); gewiss – "%0&4&/&!!6A, )31&'(!6A);

Gleich Feuerwürmern sah ich Augen glimmen (&"."9!" (/'*7%-$0, % /,.'7$, (/'*%*(% 

67$:$: der Feuerwurm; das Feuer – "2"!$; der Wurm – #&01$),

Dann wurden feucht sie (:$*'0 "!, 4/7$8!,7,(): «(*$7, /7$8!50,»), wurden blau und

lind (&"6"749'7, , &"*'&7'7,, (*$7, !'8!50,: lind – -<2;)A, !&8!6A, (&%/6A),

Und mir zu Füßen saß ein schönes Kind (, 4 0",3 !"6 (,.'7 &+'-+$(!52 +'9'!"- ).

Das sah zu mir empor ("! (0"*+'7 !$ 0'!% /4(*+'0,/ /:67%./ //'+3: empór – 116'$),

so ernst gespannt (*$-   ('+)':!"  ("(+'."*"#'!!52, ("(+'."*"#'!!"; spannen –

!+(<2)1+($ / !+%0)-&0  /,;  /; !+%0<2+($),

 Als quelle ihm die Seele aus den Blicken ((7"/!" 95 4 !'6" .41$ (*+4,7$() ,: /:"+$:

«/:"+"/»: der Blick ),

Bald schloss es (*" :$-+5/$7 = (8,0$7), schmerzlich zuckend, seine Hand (9"7':!'!!" 

/:.+$6,/$%, (/"< +4-4; der Schmerz – ."/$),

Bald schüttelt' es sie (*"  "!  *+%(  = 0$3$7  '<), funkelnd vor Entzücken (,(-+%()  "* 

/"(*"+6$),

Und horchend, horchend klomm es sacht heran (, &+,(741,/$%(), &+,(741,/$%() "! 

*,3"!)-" &".&"7:$7: klimmen-klomm-geklommen – ;+0+.;+($'< , 13.)0+($'< ,  /&3($) 

Zu meiner Schulter (-  0"'04 &7'#4) – und wo blieb es dann (, -4.$ "! &"*"0 ,(#':: «6.' 

"(*$7(%»: bleiben-blieb-geblieben)?

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O, wären's Geisterstimmen aus der Luft (957, 95 =*" 6"7"($ .43"/ ,: /":.43$),

Die sich wie Vogelzwitschern um mich reihten (-"*"+5', (7"/!"  &*,#)'  #,+,-$!)',

/"-+46 0'!% /,7,(); die Reihe –  0<4; reihen – '(+!"1)($'<   0<4+-))!

Wär’ Grabesbrodem nur der leise Duft (/"  '(7,/ 9  *"7)-" 957 ,(&$+'!,'0  6+"9!,;5 

=*"* *,3,2 $+"0$*; das Grab – -"2)/+; der Brodem – )'%+0&!)&, #+4; +0"-+( / 16'"; ./;leise – ()?)A / 1 '-6'/&: !&20"-;)A / ),

Der mich umseufzte aus verschollnen Zeiten (-"*"+52  /:.53$7  /"-+46  0'!%  ,: 

,(#':!4/1,3 /+'0'!; seufzen – 1346?+($)!

Doch nur mein Herz ist ihre stille Gruft (".!$-" 7,1) 0"' ('+.;' – ,3 *,3,2 (-7'&; still –

()?)A / 1 '-6'/&: .&331,#!6A, .&3-"/1!6A / ),

Und meine Heil'gen (,  0",  (/%*5': heilig ), meine einst Geweihten (0",  !'-"6.$ 

&"(/%>'!!5'; weihen – %"'1<>+($),Sie leben alle, wandeln allzumal ("!, /('  8,/4*, "!, (*+$!(*/4<* /('; allzumal – 1'& 

1-&'(&, .&3 )';/=#&!)< ) –

Vielleicht zum Segen sich (/":0"8!", ('9'  !$  97$6"), doch mir zur Qual (!" 0!'  !$ 

04-4).

Doppeltgänger

Kennst du die Stunden, wo man selig ist

In Schlaf und Wachens wunderlichem Segen?

's war eine Nacht, vom Taue wachgeküsst,

Das Dunkel fühlt’ ich kühl wie zarten Regen

An meine Wange gleiten, das Gerüst

Des Vorhangs schien sich schaukelnd zu bewegen –

Rings tiefe Stille, der das Ohr erlag,

Doch mir im Haupt war leises Summen wach.

Mir war so wohl und federleicht zumut,

So schwimmend, und die Wimper halb geschlossen;

Verlorne Funken zuckten durch mein Blut,

Von leisen Lauten wähnt’ ich mich umflossen;

's war eine Stunde, wo der Zeiger ruht,

Die Geisterstund verschollner Traumgenossen.

's war eine Nacht, wo man am Morgen fragt:

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Hat damals, oder hat es jetzt getagt?

Und immer heller ward der süße Klang,

Das liebe Lachen; es begann zu schwimmen

Wie Bilder von Daguerre die Deck entlang,Es wisperte wie jugendliche Stimmen,

Wie halbvergessner, ungewisser Sang;

Gleich Feuerwürmern sah ich Augen glimmen,

Dann wurden feucht sie, wurden blau und lind,

Und mir zu Füßen saß ein schönes Kind.

Das sah zu mir empor, so ernst gespannt,Als quelle ihm die Seele aus den Blicken,

Bald schloss es, schmerzlich zuckend, seine Hand,

Bald schüttelt' es sie, funkelnd vor Entzücken,

Und horchend, horchend klomm es sacht heran

Zu meiner Schulter – und wo blieb es dann?

O, wären's Geisterstimmen aus der Luft,

Die sich wie Vogelzwitschern um mich reihten!

Wär’ Grabesbrodem nur der leise Duft,

Der mich umseufzte aus verschollnen Zeiten!

Doch nur mein Herz ist ihre stille Gruft,

Und meine Heil'gen, meine einst Geweihten,

Sie leben alle, wandeln allzumal –

Vielleicht zum Segen sich, doch mir zur Qual.

Lebt wohl (&+">$2*')

Lebt wohl, es kann nicht anders sein (&" .+46"04 95*) !' 0"8'*)!

Spannt flatternd eure Segel aus (+$(&+$/)*'  /$1,  *+'&'>4>,'  &$+4($: spannen –

!+(<2)1+($, !+%0<2+($; flattern – (0&%&(+($ / !+ 1&(0,  /; das Segel ),

Laßt mich in meinem Schloss allein ("(*$/)*' 0'!% ".!4 / 0"'0 :$0-': das Schloss),

Im öden, geisterhaften Haus (/ &4(*5!!"0, &"7!"0 &+,:+$-"/ ."0': öde; der Geist –

4,? ).

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Lebt wohl und nehmt mein Herz mit euch (, /":)0,*' 0"' ('+.;' ( ("9"2: «( /$0,») 

Und meinen letzten Sonnenstrahl (, 0"2 &"(7'.!,2 ("7!'#!52 74#);

Er scheide, scheide nur sogleich (&4(*)  "!  43".,*  /&"6$(!'*/ *4*   8', ('2#$(   8':

scheiden –  0+34&/<($; ,?"4)($; sich scheiden –  0+''(+1+($'< ; sogleich – '&A#+' ,("(#+' , !&-&4/&!!"),

Denn scheiden muss er doch einmal (&"(-"7)-4 42*,-*" "! /'.) ."78'! /".!$8.5/).

Lasst mich an meines Sees Bord ("(*$/)*' 0'!% 4 9'+'6$ 0"'6" ":'+$: der See; der

Bord ),

Mich schaukelnd mit der Wellen Strich (-$#$*)(%: «0'!%, -$#$<>4<(%» ( !$9'6$!,'0 

/"7!: die Welle – 1"/!+; der Strich; streichen – ;+'+($'< , 3+4&1+($), Allein mit meinem Zauberwort (!$'.,!'  (  0",0  /"71'9!50  (7"/"0; der Zauber –

;"/4"1'(1"),

Dem Alpengeist und meinem Ich (( /6"+!50/ .43"0  L7)& , 0",0 O).

Verlassen, aber einsam nicht (&"-,!4*4<, !" //('  8'/ !' ".,!"-4<),

Erschüttert, aber nicht zerdrückt (&"*+%('!!4<, !" !' +$:.$/7'!!4<; drücken – 4+1)($),

Solange noch das heil’ge Licht (&"-$ '>' (/%>'!!52 (/'*) 

 Auf mich mit Liebesaugen blickt (67%.,* !$ 0'!% 67$:$0, /,(&"7!'!!50,/ 7<9/,),

Solange mir der frische Wald (&"-$ 0!' (/'8,2 7'() 

 Aus jedem Blatt Gesänge rauscht (( -$8."6" 7,(*$ 1'7'(*,* &'(!"&'!,%: der Gesang;

das Blatt ),

 Aus jeder Klippe, jedem Spalt (( -$8."2 (-$75, ( -$8."2 +$(>'7,!5: der Spalt; spalten

 –  0+';+/61+($) 

Befreundet mir der Elfe lauscht (.+48'(*/'!!" -" 0!' &+,(741,/$'*(% '7)@).

Solange noch der Arm sich frei (&"-$ '>' +4-$ (/"9".!") 

Und waltend mir zum Äther streckt (, /7$(*!" &+"(*,+$'*(% 4 0'!% -  =@,+4; walten –

,%0+1/<($, 1/+'(1"1+($) 

Und jedes wilden Geiers Schrei (,  -$8.52  -+,-   .,-"6"  6+,@$: der Geier; der Schrei;

schreien – ;0)#+($) 

In mir die wilde Muse weckt (94.,* /" 0!' .,-4< = /"7)!4<, !'&"-"+!4< 04:4).

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Lebt wohl

Lebt wohl, es kann nicht anders sein!

Spannt flatternd eure Segel aus,

Laßt mich in meinem Schloss allein,Im öden, geisterhaften Haus.

Lebt wohl und nehmt mein Herz mit euch

Und meinen letzten Sonnenstrahl;

Er scheide, scheide nur sogleich,

Denn scheiden muss er doch einmal.

Laßt mich an meines Sees Bord,

Mich schaukelnd mit der Wellen Strich,

Allein mit meinem Zauberwort,

Dem Alpengeist und meinem Ich.

Verlassen, aber einsam nicht,

Erschüttert, aber nicht zerdrückt,

Solange noch das heil’ge Licht

Auf mich mit Liebesaugen blickt,

Solange mir der frische Wald

Aus jedem Blatt Gesänge rauscht,

Aus jeder Klippe, jedem Spalt

Befreundet mir der Elfe lauscht.

Solange noch der Arm sich frei

Und waltend mir zum Äther streckt

Und jedes wilden Geiers Schrei

In mir die wilde Muse weckt.

Heinrich Heine (1797 – 1856) 

Mein Herz, mein Herz ist traurig

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Mein Herz, mein Herz ist traurig (0"' ('+.;' &'#$7)!": das Herz ),

Doch lustig leuchtet der Mai (".!$-" /'('7" (/'*,* 0$2);

Ich stehe (% (*"<), gelehnt an der Linde (&+,(7"!,/1,() -  7,&'),

Hoch auf der alten Bastei (/5("-" !$ (*$+"0 9$(*,"!').

Da drunten fließt der blaue (*$0 /!,:4 *'#'* 6"749"2) 

Stadtgraben (6"+".(-"2 +"/) in stiller Ruh (/ *,3"0 &"-"');

Ein Knabe fährt im Kahne (0$7)#,-  &75/'*: «'.'*» !$ 7".-'; der Kahn – #&/! ),

Und angelt (,  7"/,*  /4."#-"2/ +594; die Angel – ,4"#;+)  und pfeift dazu (,  (/,(*,*,

!$(/,(*5/$'* &+, =*"0: «-  *"04»).

Jenseits (( *"2 (*"+"!5) erheben sich freundlich (&".!,0$<*(% .+48'(-,, +$.41!" =

0,7"),

In winziger, bunter Gestalt («/  -+"1'#!"2, &'(*+"2  @"+0', "9+$:'» = -+"1'#!5',

&'(*+5'),

Lusthäuser (9'('.-,, &$/,7)"!5), und Gärten (($.5: der Garten), und Menschen (7<.,:

der Mensch),

Und Ochsen (/"75: der Ochse), und Wiesen (746$: die Wiese), und Wald (7'(: der Wald ).

Die Mägde bleichen Wäsche ((748$!-, "*9'7,/$<* 9'7)': die Magd; bleich – ./&4!6A),

Und springen im Gras herum (, //'('7"/ &+56$<* / *+$/': das Gras; herum – 1";0,2):

Das Mühlrad (0'7)!,#!"'  -"7'(": die Mühle + das Rad )  stäubt Diamanten ((5&'*:

«&57,*» 9+,7)%!*$0,; der Staub – %6/$),

Ich höre sein fernes Gesumm (%  (7514  '6"  .$7'-,2, .$7)!,2  140; summen –

 8,88+($, 2,4&($).

 Am alten grauen Turme (4 (*$+"2 ('+"2 9$1!,: der Turm) 

Ein Schilderhäuschen steht ((*",* -$+$47)!$% 94.-$);

Ein rotgeröckter Bursche (&$+'!) / -+$(!"0 04!.,+'; der Rock – -,!4)0) 

Dort auf und nieder geht (*$0 3".,* *4.$-(<.$).

Er spielt mit seiner Flinte ("! ,6+$'* (/",0 +48)'0),

Die funkelt im Sonnenrot ("!" ,(-+,*(%, (/'+-$'* / :$-$*!53 74#$3 ("7!;$; der Funken

 – )';0+),

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Er präsentiert («&+'.(*$/7%'*» = 9'+'*  +48)'  !$  -$+$47  = &".!,0$'*  /'+*,-$7)!" 

&'+'. ("9"2) und schultert (9'+'* !$ &7'#"; die Schulter – %/&#")  – 

Ich wollt (% 3"*'7 95), er schösse mich tot (#*"95 "! 0'!% :$(*+'7,7: «:$(*+'7,7 95 

"! 0'!% !$(0'+*)»: schießen – '(0&/<($; schoss – '(0&/</ , 16'(0&/)/ ; schösse –

16'(0&/)/  .6 ; tot – -&0(16A) 

Mein Herz, mein Herz ist traurig

Mein Herz, mein Herz ist traurig,

Doch lustig leuchtet der Mai;

Ich stehe, gelehnt an der Linde,

Hoch auf der alten Bastei.

Da drunten fließt der blaue

Stadtgraben in stiller Ruh;

Ein Knabe fährt im Kahne,

Und angelt und pfeift dazu.

Jenseits erheben sich freundlich,

In winziger, bunter Gestalt,

Lusthäuser, und Gärten, und Menschen,

Und Ochsen, und Wiesen, und Wald.

Die Mägde bleichen Wäsche,

Und springen im Gras herum:

Das Mühlrad stäubt Diamanten,

Ich höre sein fernes Gesumm.

Am alten grauen Turme

Ein Schilderhäuschen steht;

Ein rotgeröckter Bursche

Dort auf und nieder geht.

Er spielt mit seiner Flinte,

Die funkelt im Sonnenrot,

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Er präsentiert und schultert – 

Ich wollt, er schösse mich tot.

Dass ich bequem verbluten kann

Dass ich bequem verbluten kann (#*"95 % 0"6 (&"-"2!": «4."9!"» ,(*'#) -+"/)<; das

Blut – ;0"1$),

Gebt mir ein edles, weites Feld (.$2*'  0!'  97$6"+".!"', #,(*"'  &"7'; edel –

./+2"0"4!6A)!

Oh, lasst mich nicht ersticken hier (!' .$2*' 0!' :$."3!4*)(%, 40'+'*) "* 4.41)% :.'()) 

In dieser engen Krämerwelt (/  =*"0  *'(!"0 0,+'  7$/"#!,-"/: der Krämer – -&/;)A 

 /+1"#!); ; der Kram – -&/"#!"A ("1+0)!Sie essen gut, sie trinken gut ("!, 3"+"1" = /."/"7) '.%*, 3"+"1" &)<*),

Erfreun sich ihres Maulwurfglücks (!$(7$8.$<*(% (/",0 -+"*"/50 (#$(*)'0, &"74#$<* 

(/"' -+"*"/"' (#$(*)': das Glück – '#+'($&, ,4+#+; der Maulwurf – ;0"(; das Maul –

%+'($, -"04+; werfen – .0"'+($),

Und ihre Großmut ist so groß (, ,3 /'7,-".41,' (*"7) / 8'/ /'7,-") 

 Als wie das Loch der Armenbüchs (-$-  "*/'+(*,'  8'(*%!-, .7% (9"+$ &"8'+*/"/$!,2:

die Büchse –  8&'(<!;+, .+!;+, ;0,8;+; arm – .&4!6A).

Zigarren tragen sie im Maul (/" +*4: «/ &$(*,» 4 !,3 (,6$+'*5: «"!, !"(%* (,6$+'*5») 

Und in der Hosentasch die Händ (,  /  -$+0$!$3  9+<-   – +4-,: die Hose – .0=;); die

Tasche – ;+0-+! ; die Hand /die Hände/ – ;)'($  0,;));

 Auch die Verdauungskraft ist gut (&,>'/$+'!,'  4  !,3  *$-8'  /  &"+%.-'; verdauen –

%&0&1+0)1+($; die Verdauung – %&0&1+0)1+!)&; die Kraft – ')/+) –

Wer sie nur selbst verdauen könnt (-*" 95 *"7)-" (0"6 ,3 ($0,3 &'+'/$+,*))!

Sie handeln mit den Spezerein ("!, /'.4* *"+6"/7< (&';,%0,: die Spezerei ) 

Der ganzen Welt (/("/ /('6" 0,+$), doch in der Luft (!", ".!$-" / /":.43'),

Trotz allen Würzen (!'(0"*+%  !$  /('  &+%!"(*,: die Würze – %0<!"'($, %0)%0+1+),

riecht man stets ((751,1), (751,*(% &"(*"%!!") 

Den faulen Schellfischseelenduft (6!,7"2 = "(*+52 :$&$3 +59),3 .41: der Schellfisch –

%);5+; die Seele – 4,5+; der Duft – +0"-+().

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Oh, dass ich große Laster säh (#*"9 0!' 4/,.'*) /'7,-,' &"+"-,: das Laster; sehen-

sah-gesehen; sähe – ,1)4&/  .6 ),

Verbrechen (&+'(*4&7'!,%: das Verbrechen; brechen –  /"-+($; !+0,5+($), blutig,

kolossal (-+"/$/5', -"7"(($7)!5') –

Nur diese satte Tugend nicht (*"7)-" !' =*4 (5*4< ."9+".'*'7)),Und zahlungsfähige Moral (, &7$*'8'(&"("9!4< 0"+$7): zahlen – %/+()($ + fähig –

'%"'".!6A)!

Ihr Wolken droben (/5, "97$-$, *4#-,  /-"*"+5'/ !$/'+34), nehmt mich mit (/":)0,*' 

0'!% ( ("9"2),

Gleichviel nach welchem fernen Ort (/('  +$/!"  /  -$-"'  "*.$7'!!"' 0'(*"  = -$-   95 

.$7'-" /5 !, 7'*'7,: der Ort – -&'(")!Nach Lappland oder Afrika,

Und sei's nach Pommern' (, &4*) .$8' / P"0'+$!,< /,(*. "97$(*) !$ *'++. P"7)1,, !$ 

&"9'+'8)' H$7*,2(-"6" 0"+%/) – fort! nur fort (&+"#), *"7)-" &+"#) = 7,1) 95 &+"#) 

"*(<.$)!

Oh, nehmt mich mit – Sie hören nicht ("!, !' (741$<*) –

Die Wolken droben sind so klug ("97$-$ /*$0/ !$/'+34 (*"7) 40!5)!

Vorüberreisend dieser Stadt (&4*'1'(*/4% 0,0" =*"6" 6"+".$: vorüber- – -)-"; reisen –

%,(&5&'(1"1+($, &34)($),

 Ängstlich beschleun'gen sie den Flug (9"%:7,/"  4(-"+%<*  "!,  /(/"2/ &"7'*:

beschleunigen; schleunig – %"'%&5!", .6'(0", '0"#!"; die Angst – '(0+? ).

Dass ich bequem verbluten kann

Dass ich bequem verbluten kann,

Gebt mir ein edles, weites Feld!

Oh, lasst mich nicht ersticken hier

In dieser engen Krämerwelt!

Sie essen gut, sie trinken gut,

Erfreun sich ihres Maulwurfglücks,

Und ihre Großmut ist so groß

Als wie das Loch der Armenbüchs.

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Zigarren tragen sie im Maul

Und in der Hosentasch die Händ;

Auch die Verdauungskraft ist gut –

Wer sie nur selbst verdauen könnt!

Sie handeln mit den Spezerein

Der ganzen Welt, doch in der Luft,

Trotz allen Würzen, riecht man stets

Den faulen Schellfischseelenduft.

Oh, dass ich große Laster säh,Verbrechen, blutig, kolossal –

Nur diese satte Tugend nicht,

Und zahlungsfähige Moral!

Ihr Wolken droben, nehmt mich mit,

Gleichviel nach welchem fernen Ort!

Nach Lappland oder Afrika,

Und sei's nach Pommern – fort! nur fort!

Oh, nehmt mich mit – Sie hören nicht –

Die Wolken droben sind so klug!

Vorüberreisend dieser Stadt,

Ängstlich beschleun'gen sie den Flug.

Georg Herwegh (1817 – 1875) 

Ich möchte hingehn wie das Abendrot

Ich möchte hingehn wie das Abendrot (%  3"#4  42*,, 40'+'*), -$-   /'#'+!%%  :$+%:

hingehen – )4()  / 1 "%0&4&/&!!"-  !+%0+1/&!)) /; %0"?"4)($  / " 10&-&!) /; ,-&0&($,

';"!#+($'<  / 16'"; ./ ) 

Und wie der Tag in seinen letzten Gluten (, -$-  .'!) / (/"'0 &"(7'.!'0  :$+'/': die

Glut – 3!"A,  8+0; glühen – !+;+/<($'< , %6/+($) –

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O leichter, sanfter, ungefühlter Tod (" 7'6-$%, 0%6-$% = *,3$%, !'#4/(*/,*'7)!$% (0'+*) 

= -"*"+4< .$8' !' &"#4/(*/4'1); fühlen – #,1'(1"1+($)! –

Mich in den Schoß des Ewigen verbluten (,(*'#) -+"/)< / 7"!" /'#!"6": ewig – 1&#!6A;

das Blut – ;0"1$).

Ich möchte hingehn wie der heitre Stern (-$-  /'('7$%, +$."(*!$% :/':.$: heiter ),

Im vollsten Glanz (/  &"7!'21'0, /  ($0"0  &"7!"0  97'(-': der Glanz; glänzen –

./&'(&($, ./)'(+($, '1&0;+($), in ungeschwächtem Blinken (/ = ( !'"(7$97'!!50 

(/'+-$!,'0, 0'+;$!,'0; blinken – '1&0;+($, -&0*+($, %"4+1+($ '1&("16& ')2!+/6 ;

schwach – '/+.6A; schwächen – "'/+./<($);

So stille und so schmerzlos möchte gern (*$-  / 8'/ *,3" , *$-  9':9"7)!", 9':9"7':!'!!" 

3"*'7 95 %: «3"*'7 95 "3"*!"»; der Schmerz – ."/$) Ich in des Himmels blaue Tiefen sinken (% &"*"!4*), &"6+4:,*)(% / !'9$ 6"7495' 6749,:

der Himmel; die Tiefe – 2/,.$, 2/,.)!+; tief – 2/,.";").

Ich möchte hingehn wie der Blume Duft (-$-   $+"0$*  ;/'*-$: die Blume; der Duft –

+0"-+(),

Der freudig sich dem schönen Kelch entringet (-"*"+52  +$."(*!"  /5+5/$'*(%  ,: 

&+'-+$(!"2 #$1'#-,; die Freude –  0+4"'($; ringen – ."0"($'< ; sich entringen /+ Dat./

 – 16061+($'< ; der Kelch – #+5+, ;,."; ; #+5&#;+ / ."(./ ) 

Und auf dem Fittich blütenschwangrer Luft (, !$ -+57' !$&"'!!"6" ;/'*'!,'0 /":.43$:

der Fittich – ;06/" / ."/$5"A %()*6  – %"C(./; die Blüte – *1&(&!)&, *1&(; schwanger

 – .&0&-&!!+< ) 

 Als Weihrauch auf des Herren Altar schwinget (&"."9!"  7$.$!4, @,0,$04: «-$- , / 

-$#'(*/' @,0,$0$» 4(*+'07%'*(% //5()  – -  $7*$+< D"(&".$; weihen – "'1<>+($;

%"'1<>+($; der Rauch – 46- ; schwingen –  0+';+#)1+($; 13-61+($, %"4!)-+($'<  1 

1"34,? ).

Ich möchte hingehn wie der Tau im Tal (-$-  +"($ / ."7,!': das Tal ),

Wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken (-"6.$  8$8.4>' '04 0$14*, &".$<* :!$-, 

"6!, 4*+$; der Durst –  8+84+; der Morgen; das Feuer; winken – %"4+1+($ 3!+; , -+?+($ 

 /  0,;"A / );

O wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl (" '(7, 95 H"6  :$3"*'7, -$-  ''  /+"(4/: «'6"»

//5&,/$'*/ ("7!'#!52 74#: die Sonne + der Strahl ),

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 Auch meine lebensmüde Seele trinken (*$-   8'  ,  0"<  4(*$/14<  8,*), 4(*$/14<  "* 

 8,:!, .414 /5&,*): das Leben + müde)!

Ich möchte hingehn wie der bange Ton (,(&46$!!52, /(*+'/"8'!!52, *+'/"8!52 :/4- ),

Der aus den Saiten einer Harfe dringet (-"*"+52 /5+5/$'*(% ,: (*+4! $+@5: dringen –%0"!);+($, %0".)1+($'< ; die Saite),

Und, kaum dem irdischen Metall entflohn (,, './$ &"-,!4/  :'0!"2 0'*$77: entfliehen-

entfloh-entflohn – ,.&8+($; das Metáll; die Erde – 3&-/< ),

Ein Wohllaut (6$+0"!,'2, 6$+0"!,#'(-,0  :/4-"0: wohl –  ?"0"5"  + der Laut – 31,; ,

:/4#$!,') in des Schöpfers Brust erklinget (/ 6+4., B/"+;$ :$:/4#,*, &+":/4#,*: klingen

 – 31,#+($; die Brust – 20,4$).

Du wirst nicht hingehn wie das Abendrot (*5 !' &+"2.'1), !'  40+'1), -$-  /'#'+!%% 

:$+%),

Du wirst nicht stille wie der Stern versinken (*5 !' &"6+4:,1)(%, !' 4*"!'1), !' -$!'1) 

9':0"7/!", -$-  :/':.$),

Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod (*5  !'  40+'1)  7'6-"2  (0'+*)<  ;/'*-$:

sterben),

Kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken (/!,-$-"2/ 4*+'!!,2  74#  !'  /5&)'*  */"< 

.414).

Wohl wirst du hingehn (.$, *5 .'2(*/,*'7)!" 40+'1)), hingehn ohne Spur (9': (7'.$:

die Spur ),

Doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen (".!$-"  (!$#$7$  !'(#$(*)', 9'.$,

9'.(*/,' "(7$9,* */"< (,74; elend –  8+/;)A, ,."2)A);

Sanft stirbt es einzig sich in der Natur (*,3"  = 9':  04-   &+",(3".,*  40,+$!,':

«40,+$'*(%» 7,1)  /  &+,+".': sanft – ;0"(;)A; -<2;)A; !&8!6A; einzig –

&4)!'(1&!!"),

Das arme Menschenherz muss stückweis brechen (9'.!"'  #'7"/'#'(-"'  ('+.;' 

."78!", /5!48.'!"  &"  #$(*%0, &"  -4(-$0  7"0$*)(%  = "*  ('+.;$  &"(*'&'!!" 

"*7$05/$<*(%  -4(-,: das Stück – ;,'"; ; die Weise – '%"'". ; stückweise – #+'(<-),

;,';+-); der Mensch – #&/"1&; ).

Ich möchte hingehn wie das Abendrot

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Ich möchte hingehn wie das Abendrot

Und wie der Tag in seinen letzten Gluten –

O leichter, sanfter, ungefühlter Tod! –

Mich in den Schoß des Ewigen verbluten.

Ich möchte hingehn wie der heitre Stern,

Im vollsten Glanz, in ungeschwächtem Blinken;

So stille und so schmerzlos möchte gern

Ich in des Himmels blaue Tiefen sinken.

Ich möchte hingehn wie der Blume Duft,

Der freudig sich dem schönen Kelch entringetUnd auf dem Fittich blütenschwangrer Luft

Als Weihrauch auf des Herren Altar schwinget.

Ich möchte hingehn wie der Tau im Tal,

Wenn durstig ihm des Morgens Feuer winken;

O wollte Gott, wie ihn der Sonnenstrahl,

Auch meine lebensmüde Seele trinken!

Ich möchte hingehn wie der bange Ton,

Der aus den Saiten einer Harfe dringet,

Und, kaum dem irdischen Metall entflohn,

Ein Wohllaut in des Schöpfers Brust erklinget.

Du wirst nicht hingehn wie das Abendrot,

Du wirst nicht stille wie der Stern versinken,

Du stirbst nicht einer Blume leichten Tod,

Kein Morgenstrahl wird deine Seele trinken.

Wohl wirst du hingehn, hingehn ohne Spur,

Doch wird das Elend deine Kraft erst schwächen;

Sanft stirbt es einzig sich in der Natur,

Das arme Menschenherz muss stückweis brechen.

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Die Geschäftigen (.'7"/5'  /7<.,/; das Geschäft – 4&/", .)3!&' ; geschäftig –

4&<(&/$!6A;  ?/"%"(/)16A)

Nicht einen Hauch vergeuden sie (!,  ".!"6"  .53$!,%: «.4!"/'!,%» !'  *+$*%*  "!, 

/!$&+$(!"/, !' *+$!8,+%*), nicht einen (!, "4!"2" = !) &4)!"2"),Nein, alles wird gleich für den Markt geboren (!'*, /(' +"8.$'*(% (+$:4 .7% +5!-$ = !$ 

&+".$84),

Kein Herzensschlag geht ohne Zins verloren (!, ".!" 9,'!,' ('+.;$ !' *'+%'*(%: «!' 

43".,* &"*'+%!!50» 9': &+";'!*$  /( -$&,*$7$/; der Schlag – ,4+0; der Zins – "9+"- ;

&+";'!* /( -$&,*$7$/),

Die Herren machen Brot aus ihren Steinen (/=*,/ 6"(&".$  .'7$<*  37'9  ,:  -$0!'2,

&+'/+$>$<*  -$0!,  /  37'9  /*.'. .'7$<*  *", "*  #'6"  "*-$:$7(%  Q,(4(  R+,(*"(,,(-41$'052 .)%/"7"0/).

Sie machen Brot aus Lachen und aus Weinen ("!, .'7$<* 37'9 ,: (0'3$ , ,: &7$#$) –

Ich hab mir die Beschaulichkeit erkoren (% / 8'/ ,:9+$7 ('9' (":'+;$*'7)!"(*); schauen

 – '-"(0&($; die Beschaulichkeit – '"3&0*+(&/$!"'($, -&#(+(&/$!"&   0+34,-$&;

erkiesen – 16.)0+($, )3.)0+($) 

Und niemals streng gerechnet mit den Horen (, !,-"6.$ (*+"6" !' (#,*$7(% ( R"+$0, 

/*+, 6+'#'(-,' 9"6,!, &"+%.-$ , /+'0'! 6".$/ = !' &+,!,0$7 ,3 /" /!,0$!,'),

Ich denke fromm (% .40$< (0,+'!!"/!$9"8!"): „Gott gibt's im Schlaf den Seinen (H"6 

.$'* =*" /" (!' (/",0  = *'0, -*" / !'6" /'+,*, "! /(' .$'* .$8'  *"6.$, -"6.$ "!, 

!,#'6"  !'  .'7$<*  /($0  &"=*  – !'/'+4<>,2  ,  +'/"7<;,"!'+, &"=*"04  :.'() 

$&&'7%;,%  -   H"64  – !$(0'1-$  !$.  .'7"/50,  7<.)0,, "95#!"  (*$+$<>,0,(% 

&"-$:5/$*) ('9% &+,0'+!50, 3+,(*,$!$0,/)!"

Ich kann des Lebens banggeschäftig Rauschen (% /!'/ 0"64 /&"!%*)/  8,:!, ":$9"#'!!"-

.'7"/"2 140; bang – ."<3/)16A,  0".;)A, )'%"/!&!!6A (0&1"8!6?  %0&4#,1'(1)A),

Dies laute Tun und Treiben nicht verstehn (=*4 6+"0-4< .'%*'7)!"(*) , (4'*4 !' /0"64/

&"!%*)) 

Und möcht mein einsam Glück nicht drum vertauschen (,  !'  3"*'7  95  0'!%*)  0"' 

".,!"-"' (#$(*)' !$ =*").

Lass mich die stillen Pfade weiter gehn (.$2, &":/"7)  8' 0!' .$7)1' ,.*, &"  *,3,0 

*+"&$0: der Pfad ),

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Der Wolken und der Sterne Zug belauschen (/*$2!"/ (7'.,*) :$ 3"."0 "97$-"/ , :/':.:

die Wolke; der Stern; der Zug – 41)8&!)&; %&0&?"4; 5&'(1)&, %0"*&'')< ; ziehen –

(<!,($ / '<  /; %0"?"4)($; belauschen – %"4'/,5)1+($; (+A!" !+./=4+($, '/&4)($) 

Und schönen Kindern in die Augen sehn (, &+'-+$(!50 .'*%0 (0"*+'*) / 67$:$)!

Die Geschäftigen

Nicht einen Hauch vergeuden sie, nicht einen,

Nein, alles wird gleich für den Markt geboren,

Kein Herzensschlag geht ohne Zins verloren,

Die Herren machen Brot aus ihren Steinen.

Sie machen Brot aus Lachen und aus Weinen –

Ich hab mir die Beschaulichkeit erkoren

Und niemals streng gerechnet mit den Horen,

Ich denke fromm: „Gott gibt's im Schlaf den Seinen!"

Ich kann des Lebens banggeschäftig Rauschen,

Dies laute Tun und Treiben nicht verstehn

Und möcht mein einsam Glück nicht drum vertauschen.

Lass mich die stillen Pfade weiter gehn,

Der Wolken und der Sterne Zug belauschen

Und schönen Kindern in die Augen sehn!

Gottfried Keller  (1819 – 1890) 

Abendlied (/'#'+!%% &'(!%: der Abend + das Lied )

 Augen (67$:$: das Auge), meine lieben Fensterlein (0", 0,75', 7<9,05' "-"1-,; das

Fenster ),

Gebt mir (//5/ .$'*' 0!') schon so lange (48' (*"7) ."76") holden Schein (#4.!52 (/'*:

hold – -)/6A, %0&/&'(!6A / 16'"; ./ ),

Lasset freundlich (/&4(-$'*'  .+48'7<9!")  Bild um Bild herein (-$+*,!4  :$  -$+*,!"2 

/!4*+)):

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Einmal werdet ihr verdunkelt sein (".!$8.5 94.'*' /5 :$*'0!'!5 = &"6$(!'*'; dunkel –

(&-!6A)!

Fallen einst die müden Lider zu (:$-+"<*(%, (0'8$*(% ".!$8.5, -"6.$-!,94.) 4(*$75' 

/'-,: das Lid; zufallen – 3+?/"%61+($'< ),Löscht ihr aus (/5 &"6$(!'*': auslöschen), dann hat die Seele Ruh (*"6.$ .41$ "9+'*'* 

&"-"2: die Ruhe);

Tastend (">4&)<, !$  ">4&); tasten – >,%+($, !+>,%61+($)  streift sie ab ((!,0'*:

«(*$>,* ( ('9%» "!$: abstreifen – '!)-+($, '(<2)1+($) die Wanderschuh (."+"8!5' 

9$10$-,: wandern – %,(&5&'(1"1+($ %&5;"-  + der Schuh – .+5-+; ),

Legt sich auch (7%8'* *"8' = 47%8'*(% , "!$) in ihre finstre Truh (/ (/"2 0+$#!52 7$+):

finster; die Truhe – ',!4,; ,  /+0$).

Noch zwei Fünkchen ('>' ./' ,(-"+-,; der Funke – )';0+) sieht sie (/,.,*, 4/,.,* "!$) 

glimmend stehn («*7'% (*"%*)» = -$-  "!, (*"%*, *7'%, './$ 0'+;$%: glimmen – (/&($),

Wie zwei Sternlein (-$-  ./' :/':."#-,; der Stern – 31&34+) innerlich zu sehn (/,.,05' 

/!4*+'!!', -"*"+5' 0"8!" 4/,.'*) /!4*+'!!,0 "-"0; innerlich – 1!,(0&!!&, 1 4,5&;

das Innere – 1!,(0&!!<<  #+'($; 1!,(0&!!)A -)0 #&/"1&;+),

Bis sie schwanken (&"-$ "!, /!'/ :$-"7'97<*(%: schwanken – ;+#+($'< , ;"/&.+($'< ) 

und dann auch vergehn ($ :$*'0 *"8' &+"&$.4*),

Wie von eines Falters Flügelwehn (-$-   "*  /'%!,%  -+5751'-   0"*57)-$: der Falter –

-"(6/&; ; der Flügel – ;06/"; wehen – 1&<($).

Doch noch wandl’ ich (".!$-" '>' 9+"84 %: wandeln –  ?"4)($, .0"4)($, 5&'(1"1+($ 

 / 16'"; ./ ) auf dem Abendfeld (&" /'#'+!'04 &"7<; das Feld – %"/&),

Nur dem sinkenden Gestirn gesellt (/  (""9>'(*/'  7,1)  (  :$-$*!50  (/'*,7"0: das

Gestirn – / !&.&'!"& / '1&()/"; sinken – %"20,8+($'< ; 3+?"4)($ / !+%0)-&0, " '"/!*& /;

sich gesellen – %0)'"&4)!<($'<  / ;  ;"-, - /)." / );

Trinkt (&'2*'), o Augen, was die Wimper hält ((-"7)-"  4.'+8,*  +'(!,;$: halten –

4&08+($),

Von dem goldnen Überfluss der Welt ("*  :"7"*"6"  &+',:95*-$  0,+$: der Überfluss;

fließen – (&#$; überfließen – %&0&/)1+($'<  / #&0&3 ;0+A / )!

Abendlied

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7/17/2019 100 German Poems

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Augen, meine lieben Fensterlein,

Gebt mir schon so lange holden Schein,

Lasset freundlich Bild um Bild herein:

Einmal werdet ihr verdunkelt sein!

Fallen einst die müden Lider zu,

Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh;

Tastend streift sie ab die Wanderschuh,

Legt sich auch in ihre finstre Truh.

Noch zwei Fünkchen sieht sie glimmend stehn,

Wie zwei Sternlein innerlich zu sehn,Bis sie schwanken und dann auch vergehn,

Wie von eines Falters Flügelwehn.

Doch noch wandl’ ich auf dem Abendfeld,

Nur dem sinkenden Gestirn gesellt;

Trinkt, o Augen, was die Wimper hält,

Von dem goldnen Überfluss der Welt!

Conrad Ferdinand Meyer  (1825 – 1898) 

Der römische Brunnen (+,0(-,2 @"!*$!; der Brunnen – ;"/"4&*; der Springbrunnen –

B"!(+! )

 Aufsteigt der Strahl (&".!,0$'*(% 74#) und fallend (&$.$%) gießt (7)'*, !$7,/$'*) 

Er ("!) voll (&"7!", &"7!"(*)<; voll gießen – !+%"/!<($) der Marmorschale (0+$0"+!"2 

#$1,; die Schale) Rund (-+46, "-+467"(*): das Rund ),

Die (-"*"+$%), sich verschleiernd (:$-+5/$%()  /4$7)<  = &".'+!4/1,()  +%9)<; der

Schleier – %";061+/", 1,+/$), überfließt (&'+'*'-$'*; fließen – (&#$) 

In einer zweiten Schale Grund (/ 6749) /*"+"2 #$1,; der Grund );

Die zweite gibt (/*"+$% "*.$'*), sie wird zu reich ("!$ (*$!"/,*(% (7,1-"0 9"6$*"2),

Der dritten (*+'*)'2) wallend (/"7!4%(), 94+7%, (*+4%(): wallen) ihre Flut ((/"2 &"*"- ),

Und jede nimmt (, -$8.$% 9'+'*) und gibt zugleich (, .$'* ".!"/+'0'!!"),

Und strömt (, *'#'*, (*+4,*(%) und ruht (, &"-",*(%).

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Der römische Brunnen

Aufsteigt der Strahl und fallend gießt

Er voll der Marmorschale Rund,Die, sich verschleiernd, überfließt

In einer zweiten Schale Grund;

Die zweite gibt, sie wird zu reich,

Der dritten wallend ihre Flut,

Und jede nimmt und gibt zugleich,

Und strömt und ruht.

Theodor Fontane (1819 – 1898) 

Mittag

 Am Waldessaume (4  -+"0-,  7'($: der Wald + der Saum)  träumt die Föhre (0'#*$'*,

/,.,* (!5 ("(!$),

 Am Himmel weiße Wölkchen nur (!$ !'9' 7,1) 9'75' "97$#-$: der Himmel; die Wolke

 – "./+;"),

Es ist so still (*$-  *,3"), dass ich sie höre (#*" % '' (7514),

Die tiefe Stille der Natur (6749"-4< *,1,!4 &+,+".5).

Rings Sonnenschein (-+46"0 ("7!'#!52 (/'*) auf Wies' und Wegen (!$ 7464 , ."+"8-$3:

die Wiese; der Weg ),

Die Wipfel stumm (/'+341-, !'05: der Wipfel ), kein Lüftchen wach (!, .4!"/'!,%; die

Luft – 1"34,? ; wach – ."40'(1,=>)A,  0+3.,8&!!6A),

Und doch (,  /('  8'), es klingt (:/4#,*  = (751!"), als ström' ein Regen (-$-   94.*" 

(*+4,*(% ."8.): der Regen) 

Leis tönend (*,3" :/4#$, :/'!%) auf das Blätterdach (!$ 7,(*/'!!4< -+514: das Blatt +

das Dach).

Mittag

Am Waldessaume träumt die Föhre,

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Am Himmel weiße Wölkchen nur,

Es ist so still, dass ich sie höre,

Die tiefe Stille der Natur.

Rings Sonnenschein auf Wies' und Wegen,Die Wipfel stumm, kein Lüftchen wach,

Und doch, es klingt, als ström' ein Regen

Leis tönend auf das Blätterdach.

Detlev von Liliencron (1844 – 1909) 

Tod in Ähren ((0'+*) / -"7"()%3: der Tod; die Ähre)

Im Weizenfeld (!$  &1'!,#!"0  &"7': der Weizen + das Feld ), in Korn (/  37'9$3, / 

&1'!,;': das Korn – / 3&0!"1"A /  ?/&. ;  ?/&.+  / !+ %"/& /; 3&0!")und Mohn (, 0$-': der

Mohn),

liegt ein Soldat (7'8,* ("7.$*), unaufgefunden (!'!$2.'!!52; auffinden – "(6';+($,

".!+0,8)($; finden – !+A()),

zwei Tage schon (./$ .!% 48': der Tag ), zwei Nächte schon (./' !"#, 48': die Nacht ),

mit schweren Wunden ((  *%8'750,  +$!$0,, +$!'!,%0,: die Wunde), unverbunden

(!'&'+'/%:$!!52: verbinden; binden – 3+1<361+($),

durstüberquält (,:04#'!!52   8$8."2; der Durst –  8+84+; quälen – -,#)($)  und

fieberwild (9+'.%>,2 "* 7,3"+$.-,: das Fieber –  /)?"0+4;+; wild – 4);)A, "4)#+15)A),

im Todeskampf (/ 9"+)9' (" (0'+*)< = 9"+%() (" (0'+*)<: der Tod – '-&0($ + der

Kampf – ."0$.+)  den Kopf erhoben (&+,&".!%/1,2  6"7"/4; heben – %"4!)-+($;

erheben – %"4!)-+($, %0)%"4!)-+($).

Ein letzter Traum (&"(7'.!'' (!"/,.'!,'), ein letztes Bild (&"(7'.!%% -$+*,!$),

sein brechend Auge ('6" 46$($<>,2 /:67%.: brechen –  /"-+($'< ; ,2+'+($ / " 132/<4& / ) 

schlägt nach oben (:$-$*5/$'*(%  //'+3: schlagen – .)($; %&0&-&>+($  / .6'(06-  

41)8&!)&-  / ).

Die Sense rauscht im Ährenfeld (-"($ (/,(*,*, 14+1,* / -"7"(%>'0(% &"7': rauschen

 – 5&/&'(&($, 5,05+($),

er sieht sein Dorf im Arbeitsfrieden ("!  /,.,*  (/"<  .'+'/!<  /  0,+!"0  *+4.': «/ 

*+4."/"0 0,+'»: die Arbeit + der Friede).

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 Ade (&+">$2: adé), ade du Heimatwelt (0,+ +".,!5, +".!"2 0,+: die Heimat –  0"4)!+ 

+ die Welt – -)0) –

und beugt das Haupt (,  (-7"!%'*  67$/4)  und ist verschieden (,  //"*/ "!  40'+:

verscheiden – ,-&0&($, ';"!#+($'<  / 16'"; ./ ).

Tod in Ähren

Im Weizenfeld, in Korn und Mohn,

liegt ein Soldat, unaufgefunden,

zwei Tage schon, zwei Nächte schon,

mit schweren Wunden, unverbunden,

durstüberquält und fieberwild,im Todeskampf den Kopf erhoben.

Ein letzter Traum, ein letztes Bild,

sein brechend Auge schlägt nach oben.

Die Sense rauscht im Ährenfeld,

er sieht sein Dorf im Arbeitsfrieden.

Ade, ade du Heimatwelt –

und beugt das Haupt und ist verschieden.

Stefan George (1868 – 1933) 

Komm in den totgesagten Park und schau

Komm in den totgesagten Park (&+,., / &$+- , " -"*"+"0 957" (-$:$!", #*" "! 40'+: «" 

!$:/$!!"0 0'+*/50 &$+-'»: tot – -&0(16A + gesagt – ';+3+!!6A; etwas totsagen –

"5)."#!" ,(1&084+($ " #&- - /).", #(" "!" "(8)/" '1"&) und schau (, &"(0"*+,):

Der schimmer (/(7$9"'/ (,%!,', 0'+;$!,'; schimmern – '/+." ')<($, -&0*+($) ferner

lächelnder gestade (.$7'-,3 4759$<>,3(% 9'+'6"/: das Gestade – .&0&2, %".&0&8$& 

 / %"C(./ ),

Der reinen wolken (#,(*53  "97$-"/: die Wolke)  unverhofftes blau (!'"8,.$!!$% 

6"749,:!$) 

Erhellt die weiher ("(/'>$'* &+4.5: der Weiher; hell – '1&(/6A) und die bunten pfade (, 

&'(*+5', +$:!";/'*!5' *+"&5, ."+"8-,: der Pfad ).

Page 173: 100 German Poems

7/17/2019 100 German Poems

http://slidepdf.com/reader/full/100-german-poems 173/229

 

Dort nimm das tiefe gelb (*$0 /":)0,  6749"-4<  8'7*,:!4: nehmen), das weiche grau

(0%6-,2 ('+52 ;/'*) 

Von birken und von buchs (/"*/ 9'+': , ($01,*$: die Birke; der Buchs), der wind ist lau

(/'*'+ *'&7; lau – (&%/"1+(6A, #,($ (&%/6A),

Die späten rosen welkten noch nicht ganz (&":.!,' +":5 4/%7, '>' !' ("/('0),Erlese (/59'+,, ,:9'+,) küsse sie (&";'742 ,3) und flicht den kranz (, (&7'*, /'!"- :

flechten),

Vergiss auch diese letzten astern nicht (!'  :$94.)  ,  &"(7'.!,'  $(*+5: die Aster;

vergessen),

Den purpur um die ranken wilder reben (&4+&4+  /"-+46  &"9'6"/, 4(,-"/  .,-"6" 

/,!"6+$.$: die Ranke – ,'); , 1&(1$, %".&2  / 1$=>&2"'<    0+'(&!)<  /; die Rebe – / 1)!"20+4!+<  /  /"3+),

Und auch was übrig blieb von grünem Leben ($  *$-8'  *", #*"  "(*$7"()  "*  :'7'!"2 

 8,:!,: übrig – "'(+/$!"A, / )3 /  /)5!)A; übrig bleiben – "'(+1+($'< ) 

Verwinde leicht im herbstlichen gesicht ((&7'*,  7'6-"  /  "('!!''  7,;": «/  "('!!'0 

7,;'»; verwinden1  = verdrehen – '1&0!,($, %"1&0!,($; verwinden2   – %0&"4"/&($,

3+.6($ / ."/$, ".)4,  / ).

Komm in den totgesagten Park und schau

Komm in den totgesagten Park und schau:

Der schimmer ferner lächelnder gestade,

Der reinen wolken unverhofftes blau

Erhellt die weiher und die bunten pfade.

Dort nimm das tiefe gelb, das weiche grau

Von birken und von buchs, der wind ist lau,

Die späten rosen welkten noch nicht ganz,

Erlese küsse sie und flicht den kranz,

Vergiss auch diese letzten astern nicht,

Den purpur um die ranken wilder reben,

Und auch was übrig blieb von grünem Leben

Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.

Page 174: 100 German Poems

7/17/2019 100 German Poems

http://slidepdf.com/reader/full/100-german-poems 174/229

 

Du schlank und rein wie eine flamme

Du schlank und rein (*5, (*+"2!52 , #,(*52 / (*+"2!$% , #,(*$%) wie eine flamme (-$-  

&7$0%) Du wie der morgen zart und licht (-$-  4*+" !'8!52 , (/'*752) 

Du blühend reis vom edlen stamme (;/'*4>,2 &"9'6 97$6"+".!"6" (*/"7$: das Reis;

der Stamm – '(1"/ ; %/&-< ) 

Du wie ein quell (&"."9!"  ,(*"#!,-4: der Quell )  geheim und schlicht (*$2!52,

&"*$'!!52 , (-+"0!52, !':$0'*!52) 

Begleitest mich auf sonnigen matten (("&+"/"8.$'1) 0'!%  !$  ("7!'#!53  746$3: dieMatte – +/$%)A';)A / 2"0!6A /  /,2; %+'(.)>&, 162"! ) 

Umschauerst mich (&+,/".,1) 0'!% / .+"8), :$(*$/7%'1) *+'&'*$*); der Schauer –

(0&%&(, 40"8$  / 16'"; ./ )  im abendrauch («/  /'#'+!'0  .504» = /  -749%>'0(% 

/'#'+!'0 *40$!'; der Rauch – 46- ) 

Erleuchtest meinen weg im schatten ("(/'>$'1)  0"2  &4*)  /  *'!,: der Schatten;

leuchten – '1&()($) 

Du kühler wind (&+"37$.!52 /'*'+) du heisser hauch (6"+%#'' .53$!,', .4!"/'!,') 

Du bist mein wunsch (*5 – 0"'  8'7$!,': der Wunsch; wünschen –  8&/+($) und mein

gedanke (, 0"% 05(7): der Gedanke; denken – 4,-+($) 

Ich atme dich mit jeder luft (% /.53$<, .514 *"9"2 ( -$8."2 (*+4'2 /":.43$) 

Ich schlürfe dich (% &)< *'9%) mit jedem tranke (( -$8.50 &,*)'0; der Trank – %)($&,

!+%)(";  / %"C(./ ) 

Ich küsse dich mit jedem duft (% ;'74< *'9% ( -$8.50 $+"0$*"0: der Duft ) 

Du blühend reis vom edlen stamme

Du wie ein quell geheim und schlicht

Du schlank und rein wie eine flamme

Du wie der morgen zart und licht

Du schlank und rein wie eine flamme

Du schlank und rein wie eine flamme

Page 175: 100 German Poems

7/17/2019 100 German Poems

http://slidepdf.com/reader/full/100-german-poems 175/229

 

Du wie der morgen zart und licht

Du blühend reis vom edlen stamme

Du wie ein quell geheim und schlicht

Begleitest mich auf sonnigen mattenUmschauerst mich im abendrauch

Erleuchtest meinen weg im schatten

Du kühler wind du heisser hauch

Du bist mein wunsch und mein gedanke

Ich atme dich mit jeder luft

Ich schlürfe dich mit jedem trankeIch küsse dich mit jedem duft

Du blühend reis vom edlen stamme

Du wie ein quell geheim und schlicht

Du schlank und rein wie eine flamme

Du wie der morgen zart und licht

Hugo von Hofmannsthal (1874 – 1929) 

Ballade des äußeren Lebens (9$77$.$ /!'1!'2  8,:!,: das Leben)

Und Kinder wachsen auf (,  .'*,  /5+$(*$<*: das Kind; aufwachsen – 160+'(+($;

wachsen –  0+'()) mit tiefen Augen (( 6749"-,0, 67$:$0,: das Auge),

Die von nichts wissen (-"*"+5' !, " #'0 !' :!$<*; nichts – !)#("), wachsen auf und

sterben (, 40,+$<*),

Und alle Menschen gehen ihre Wege (, /(' 7<., ,.4* (/",0, &4*%0,: der Weg ).

Und süße Früchte werden aus den herben (, (7$.-,' &7".5 (*$!"/%*(% ,: *'+&-,3: der

Frucht ) 

Und fallen nachts (, &$.$<* &" !"#$0, !"#)<) wie tote Vögel nieder (-$-  0'+*/5' &*,;5,

/!,:: der Vogel ) 

Und liegen wenig Tage (, 7'8$* !'0!"6", !'(-"7)-" .!'2; wenig – -+/") und verderben

(, &"+*%*(%, 6!,<*).

Page 176: 100 German Poems

7/17/2019 100 German Poems

http://slidepdf.com/reader/full/100-german-poems 176/229

 

Und immer (, /(' /+'0%, &"(*"%!!": «/('6.$») weht der Wind (/''* /'*'+), und immer

wieder (, /(' /+'0% (!"/$ = , (!"/$ , (!"/$) 

Vernehmen wir (/"(&+,!,0$'0, (751,0 05) und reden viele Worte (, 6"/"+,0 0!"6,' 

(7"/$, +'#,: das Wort ) Und spüren Lust (, ">4>$'0  8'7$!,') und Müdigkeit der Glieder (, 4(*$7"(*) #7'!"/:

das Glied; müde – ,'(+/6A).

Und Straßen laufen durch das Gras (, 47,;5 &+"3".%* (-/":), #'+': *+$/4: die Straße),

und Orte (, 0'(*$, !$('7'!!5' &4!-*5: der Ort ) 

Sind da und dort ('(*)  = +$(-,.$!5  *4*  ,  *$0), voll Fackeln (&"7!5' @$-'7"/: die

Fackel ), Bäumen (.'+'/)'/: der Baum), Teichen (&+4."/: der Teich),Und drohende (,  46+"8$<>,', 6+":%>,'), und totenhaft verdorrte (,  0'+*/'!!" 

,(("31,'; verdorren – 3+'6?+($ / "  0+'()(&/$!"'() / ) I 

Wozu sind diese aufgebaut (.7%  #'6"  "!,: «=*,» (""+48'!5, (":.$!5; bauen –

'(0")($)? und gleichen

Einander nie (,  !,-"6.$  !'  &"3".%*  .+46  !$  .+46$)? und sind unzählig viele (,  ,3 

9'(#,(7'!!" 0!"6": «, '(*) 9'(#,(7'!!" 0!"6,'»; die Zahl – #)'/")?

Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen (#*"  0'!%'*, (0'!%'*  = -$-$%  (,7$ 

&'+'0'!%'*  (0'3, &7$#  ,  /!':$&!4<  97'.!"(*): «&"97'.!'!,'»; erbleichen –

%"./&4!&($)?

Was frommt das alles uns und diese Spiele (-$-"2 !$0 &+"-  /" /('0 =*"0 , / =*,3 ,6+$3: 

frommen – %0)!"')($ %"/$3, , .6($ %"/&3!6- ; das Spiel – )20+),

Die wir (!$0, -"*"+5')  doch (/('  8', /'.))  groß (/'7,-,; /48'/ 9"7)1,')  und ewig

einsam sind (, /'#!" ".,!"-,) 

Und wandernd (,, (*+$!(*/4%)  nimmer suchen irgend Ziele (!,-"6.$  !'  ,>'0  -$-,3-

7,9" ;'7'2: das Ziel )?

Was frommts (#*" *"7-4, -$-"2 &+"- ), dergleichen viel gesehen haben (/#*"/ &"."9!"6" 

/05/ 0!"6" &"/,.$7,)?

Und dennoch sagt der viel (, /('  8' 0!"6" 6"/"+,* *"*), der ‘Abend’ sagt (-*" 6"/"+,* 

'/'#'+'),

Page 177: 100 German Poems

7/17/2019 100 German Poems

http://slidepdf.com/reader/full/100-german-poems 177/229

 

Ein Wort, daraus Tiefsinn ((7"/", ,:  -"*"+"6"  &+"!,-!"/'!!$%  :$.40#,/"(*);

("-+"/'!!52  (05(7: tief – 2/,.";)A  + der Sinn – '-6'/ ; #,1'(1", %"!)-+!)&)  und

Trauer (, &'#$7): die Trauer ) rinnt (/5*'-$'*, (*+4,*(%) 

Wie schwerer Honig (-$-  *%8'752 0'.) aus den hohlen Waben (,: &4(*53 ("*"/: hohl –%"/6A; die Wabe).

Ballade des äußeren Lebens

Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen,

Die von nichts wissen, wachsen auf und sterben,

Und alle Menschen gehen ihre Wege.

Und süße Früchte werden aus den herben

Und fallen nachts wie tote Vögel nieder

Und liegen wenig Tage und verderben.

Und immer weht der Wind, und immer wieder

Vernehmen wir und reden viele Worte

Und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder.

Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte

Sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen,

Und drohende, und totenhaft verdorrte / 

Wozu sind diese aufgebaut? und gleichen

Einander nie? und sind unzählig viele?

Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen?

Was frommt das alles uns und diese Spiele,

Die wir doch groß und ewig einsam sind

Und wandernd nimmer suchen irgend Ziele?

Was frommts, dergleichen viel gesehen haben?

Und dennoch sagt der viel, der ‘Abend’ sagt,

Page 178: 100 German Poems

7/17/2019 100 German Poems

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Ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt

Wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.

Manche freilich müssen drunten sterben

Manche freilich müssen (!'-"*"+5', &+$/.$, ."78!5)  drunten sterben (*$0  /!,:4 

40'+'*)),

Wo die schweren Ruder der Schiffe (6.' *%8'75' /'(7$ -"+$97'2: das Ruder; das Schiff ) 

streifen (6+'94*: «./,6$<*(% /&" /".', / /".'/»: streifen – ;+'+($'< , 3+4&1+($),

 Andre wohnen bei dem Steuer droben (.+46,'  8,/4*  = &+'95/$<*  4 1*4+/$7$  *$0 

!$/'+34: das Steuer ),Kennen Vogelflug (:!$<*, ,0 :!$-"0 &*,#,2 &"7'*, &"7'* &*,;: der Vogel – %()*+ +

der Flug – %"/&(; fliegen –  /&(+($) und die Länder der Sterne (, (*+$!5 :/':.: das

Land; der Stern).

Manche liegen immer (0!"6,'  7'8$*  &"(*"%!!": «/('6.$»)  mit schweren Gliedern (( 

*%8'750 #7'!$0,: das Glied ) 

Bei den Wurzeln (/":7', 4  -"+!'2: die Wurzel )  des verworrenen Lebens (:$&4*$!!"2 

 8,:!,; verwirren – '%,(61+($, 3+%,(61+($; wirr –  ?+"()#!6A, .&'%"0<4"#!6A,

%,(+!6A),

 Andern sind die Stühle gerichtet (.+46,0 4(*$!"/7'!5 ('.$7,>$: der Stuhl ) 

Bei den Sibyllen, den Königinnen (&".7'  (,9,77, -"+"7'/; der König – ;"0"/$; die

Königin – ;"0"/&1+),

Und da sitzen sie wie zu Hause (, *$0 (,.%* "!,, -$-  ."0$),

Leichten Hauptes (( 7'6-"2 67$/"<: das Haupt ) und leichter Hände (, 7'6-,0, +4-$0,:

die Hand – ;)'($  0,;)).

Doch ein Schatten fällt (!" &$.$'*  *'!): der Schatten; fallen) von jenen Leben ("*  *'3 

 8,:!'2: das Leben) 

In die anderen Leben (/ /*'/ .+46,'  8,:!,) hinüber («*4.$-#'+':»),

Und die leichten sind an die schweren (, 7'6-,' -  *%8'750) 

Wie an Luft und Erde gebunden (-$-  -  /":.434 , :'07' &+,/%:$!5: die Luft; die Erde;

binden an etwas – %0)1<361+($ ;  #&-, - /)."):

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Ganz vergessener Völker Müdigkeiten (("/('0 :$95*53 !$+"."/ 4(*$7"(*,: vergessen

 – 3+.61+($; das Volk – !+0"4; die Müdigkeit – ,'(+/"'($; müde – ,'(+/6A) 

Kann ich nicht abtun (% !' 0"64 "*9+"(,*), (*'+'*): etwas abtun – "(.0"')($ #("-

 /).", "(-+?!,($'<  "( #&2"- /)."; '!<($  / ;"/$*", "#;) / ) von meinen Lidern (( 0",3 

/'- : das Lid ),Noch weghalten (!, "*(*+$!,*): «4.'+8$*) &+"#)») von der erschrockenen Seele ("* 

0"'2 ,(&46$!!"2 .41,) = (!, &+'."3+$!,*) 0"< ,(&46$!!4< .414) 

Stummes Niederfallen ferner Sterne ("* 6743"6" &$.'!,% .$7'-,3 :/':.; nieder – 1!)3).

Viele Geschicke weben neben dem meinen (0!"6" (4.'9 &7'*4*(% /":7' 0"'2, !$+%.4 

( 0"'2: das Geschick; weben – (;+($, %/&'()),

Durcheinander webt sie alle das Dasein ((.+46  ( .+46"0  (&7'*$'*: «.+46  #'+': .+46$ &7'*'*» /('3 ,3 95*,'),

Und mein Teil ist mehr als dieses Lebens (, 0"% ."7% 9"7)1' #'0 =*"2  8,:!,: der Teil –

#+'($, 4"/< ) 

Schlanke Flamme ((*+"2!"' = *"!-"' &7$0%) oder schmale Leier (,7, 4:-$% 7,+$).

Manche freilich müssen drunten sterben

Manche freilich müssen drunten sterben,

Wo die schweren Ruder der Schiffe streifen,

Andre wohnen bei dem Steuer droben,

Kennen Vogelflug und die Länder der Sterne.

Manche liegen immer mit schweren Gliedern

Bei den Wurzeln des verworrenen Lebens,

Andern sind die Stühle gerichtet

Bei den Sibyllen, den Königinnen,

Und da sitzen sie wie zu Hause,

Leichten Hauptes und leichter Hände.

Doch ein Schatten fällt von jenen Leben

In die anderen Leben hinüber,

Und die leichten sind an die schweren

Wie an Luft und Erde gebunden:

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Ganz vergessener Völker Müdigkeiten

Kann ich nicht abtun von meinen Lidern,

Noch weghalten von der erschrockenen Seele

Stummes Niederfallen ferner Sterne.

Viele Geschicke weben neben dem meinen,

Durcheinander webt sie alle das Dasein,

Und mein Teil ist mehr als dieses Lebens

Schlanke Flamme oder schmale Leier.

Rainer Maria Rilke (1875 – 1926) 

Herbst ("('!): der Herbst )

Die Blätter (7,(*)%: das Blatt ) fallen (&$.$<*), fallen wie von weit (-$-  ,:.$7'-$),

als welkten (-$-  94.*" 4/%.$<*)  in den Himmeln (/ !'9'($3: der Himmel )  ferne Gärten

(.$7'-,' ($.5: der Garten);

sie fallen mit verneinender Gebärde (( "*+,;$<>,0, "*/'+6$<>,0  8'(*"0: verneinen –

"(0)*+($, "(1&02+($).

Und in den Nächten (&" !"#$0: die Nacht ) fällt die schwere Erde (&$.$'* *%8'7$% :'07%) 

aus allen Sternen (,: /('3 :/':.: der Stern) in die Einsamkeit (/ ".,!"#'(*/"; einsam –

"4)!";)A).

Wir alle fallen (05 /(' &$.$'0). Diese Hand da (/"* =*$ +4-$: «=*$ +4-$ *4*») fällt.

Und sieh dir andre an (,  &"(0"*+,  !$ .+46,3:  jemanden ansehen – %"'-"(0&($  !+ 

;"2"- /)."): es ist in allen (=*"  – /" /('3).

Und doch ist Einer (, /('  8' '(*) J.,!, S'-*"), welcher (-"*"+52) dieses Fallen (=*" 

&$.'!,') 

unendlich sanft (9'(-"!'#!" !'8!"; das Ende – ;"!&*) in seinen Händen (/ (/",3 +4-$3) 

hält (.'+8,*: halten).

Herbst

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Die Blätter fallen, fallen wie von weit,

als welkten in den Himmeln ferne Gärten;

sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde

aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.

Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallenunendlich sanft in seinen Händen hält.

Abend in Skaane (/'#'+ / T-"!')

Der Park ist hoch (&$+-  /5("- ). Und wie aus einem Haus (, -$-  ,: ."0$) 

tret ich aus seiner Dämmerung heraus (/53"84: «/5(*4&$<» %  ,:  ,:  '6"  (40'+-"/:

treten – '(,%+($; heraus – (,4+-!+0,8, ) 

in Ebene und Abend (/ ."7,!4 ,  /'#'+: die Ebene; eben –  0"1!6A). In den Wind (/ 

/'*'+),

denselben Wind (*"* ($052 /'*'+), den auch die Wolken fühlen (-"*"+52 ,: «*$-8'»

!'9'($ #4/(*/4<*),

die hellen Flüsse ((/'*75'  +'-,: der Fluss)  und die Flügelmühlen (,  /'*+%!5' 

0'7)!,;5: der Flügel – ;06/"; die Mühle – -&/$!)*+),

die langsam mahlend stehn am Himmelsrand (-"*"+5', 0'.7'!!" 0'7%, (*"%* !$ -+$< 

!'9$; der Rand – ;0+A, ;0"-;+).

Jetzt bin auch ich ein Ding in seiner Hand (('2#$( % *"8'  /".!$/ /'>) / '6" +4-': das

Ding ),

das kleinste unter diesen Himmeln (($0$% 0$7'!)-$% &".  =*,0, !'9'($0,). – Schau

(&"(0"*+,):

Ist das Ein Himmel (=*" /7,/ !'9")?:

Selig lichtes Blau (97$8'!!"-(/'*7$% 6"749,:!$),

in das sich immer reinere Wolken drängen (/  -"*"+4<  *'(!%*(%  /('  9"7''  #,(*5' 

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"97$-$: die Wolke),

und drunter alle Weiß in Übergängen ($ /!,:4  /&". !,0,/ /(' 9'7,:!$ / &'+'3".$3 =

"**'!-$3: der Übergang ),

und drüber jenes dünne, große Grau ($ (/'+34 *$ *"!-$%, 9"7)1$% ('+"(*)),

warmwallend wie auf roter Untermalung (*'&7"-/"7!,(*$%, /"7!4<>$%(%, (7"/!"  !$ -+$(!"2 &".(/'*-': «&".+,("/-'»),

und über allem diese stille Strahlung (, !$. /('0 =*" *,3"' /9':0"7/!"'/ ,:74#'!,') 

sinkender Sonne (($.%>'6"(%, :$-$*!"6" ("7!;$).

Wunderlicher Bau (4.,/,*'7)!"' (*+"'!,'),

in sich bewegt (/  ('9'  &"./,8!"')  und von sich selbst gehalten (,  ($0,0  ("9"2 

&"..'+8,/$'0"': halten-hielt-gehalten),Gestalten bildend ("9+$:4<>'' "9+$:5, @,64+5: die Gestalt ), Riesenflügel ("6+"0!5' 

-+57)%; der Riese – 1&/);+! ), Falten ((-7$.-,: die Falte) 

und Hochgebirge vor den ersten Sternen (, /5("-,' 6"+5 &'+'. &'+/50, :/':.$0,) 

und plötzlich, da (, /.+46, *4*/*$0//"*): ein Tor in solche Fernen (/"+"*$ / *$-,' .$7,:

das Tor; die Ferne),

wie sie vielleicht nur Vögel kennen (-$-,', 0"8'* 95*), :!$<* *"7)-" &*,;5: «-$-,0, ,3,

/":0"8!", 7,1) &*,;5 :!$<*: der Vogel ) ...

Abend in Skaane

Der Park ist hoch. Und wie aus einem Haus

tret ich aus seiner Dämmerung heraus

in Ebene und Abend. In den Wind,

denselben Wind, den auch die Wolken fühlen,

die hellen Flüsse und die Flügelmühlen,

die langsam mahlend stehn am Himmelsrand.

Jetzt bin auch ich ein Ding in seiner Hand,

das kleinste unter diesen Himmeln. – Schau:

Ist das Ein Himmel?:

Selig lichtes Blau,

in das sich immer reinere Wolken drängen,

und drunter alle Weiß in Übergängen,

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und drüber jenes dünne, große Grau,

warmwallend wie auf roter Untermalung,

und über allem diese stille Strahlung

sinkender Sonne.

Wunderlicher Bau,

in sich bewegt und von sich selbst gehalten,

Gestalten bildend, Riesenflügel, Falten

und Hochgebirge vor den ersten Sternen

und plötzlich, da: ein Tor in solche Fernen,

wie sie vielleicht nur Vögel kennen ...

Das Karussell

Jardin du Luxemburg (  E=;'&-.,02';)A '+4 / B0+!*./) 

Mit einem Dach und seinem Schatten dreht

sich (( -+51'2 , '' *'!)< -+48,*(%, /+$>$'*(%: das Dach; der Schatten) eine kleine

Weile (!'-"*"+"' !'."76"' /+'0%: die Weile – %0"-&8,(";  10&-&!)) der Bestand

von bunten Pferden (!$9"+, !'-"*"+"'  -"7,#'(*/"  +$:!";/'*!53  7"1$.'2: der

Bestand – 3+%+' , !+/)#!"'($; bestehen aus etwas – '"'("<($ )3 #&2"- /)."), alle aus

dem Land (/(' /"!,/, -"*"+5' /(' ,: /*"2/ (*+$!5),

das lange zögert (#*"  ."76"  -"7'97'*(%, 0'.7,*), eh es untergeht (&+'8.'  #'0 

&"6,9!'*, :$2.'* /-$-  ("7!;'/: untergehen – 3+?"4)($ / " '1&()/+?  /; ("!,($, )4() ;" 

4!, , %"2).+($).

Zwar manche (&+$/.$, 3"*%  !'-"*"+5')  sind an Wagen angespannt (:$&+%8'!5  / 

-"7%(-,, =-,&$8,; anspannen – !+%0<2+($, !+(<2)1+($; 3+%0<2+($),

doch (!", /('  8')  alle haben Mut (/('  ,0'<* 048'(*/": der Mut )  in ihren Mienen (/ 

/5+$8'!,,  (/",3  7,;: die Miene) = (4  /('3  !$  7,;'  !$&,($!"  048'(*/", 7,;$ 

/5+$8$<* 048'(*/");

ein böser roter Löwe geht mit ihnen (:7"2 -+$(!52 7'/ ./,8'*(%, ,.'* ( !,0,) 

und dann und wann (,, $ /+'0% "* /+'0'!,: «*"6.$ , -"6.$») ein weißer Elefant (9'752 

(7"!).

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Sogar ein Hirsch ist da (.$8'  "7'!)  :.'()  '(*)), ganz wie im Wald (("/'+1'!!",

("/('0 -$-  / 7'(4: der Wald ),

nur dass er einen Sattel trägt (/"* *"7)-" #*" "! !'('* /!$ ('9'/ ('.7") und drüber (, !$ 

!'0 /!$ ('.7'/, -  !'04) 

ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt (0$7'!)-$%  6"749$% .'/#41-$ &+,(*'6!4*$;die Schnalle – %0<8;+, 3+'(&8;+).

Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge ($ !$ 7)/' (-$#'* 9'752 0$7)#,- ) 

und hält sich mit der kleinen heißen Hand (, .'+8,*(% 0%6-"2 6"+%#'2 +4#-"2),

dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge (/ *" /+'0% -$-  7'/ &"-$:5/$'* :495 , %:5- :

der Zahn – 3,. ).

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und auf den Pferden kommen sie vorüber (, !$ -"!%3, 7"1$.%3 &+"3".%*, &+"!"(%*(% 

"!, 0,0"),

auch Mädchen (, .'/"#-,), helle ((/'*75'), diesem Pferdesprunge

fast schon entwachsen (=*"* -"!(-,2 (-"- , &+58"-  &"#*, 48' &'+'+"(1,', /5+"(1,' 

,: !'6"; der Sprung – %068"; ; springen – %062+($); mitten in dem Schwunge (&"(+'., 

&".G'0$, &"+5/$, +$:0$3$: der Schwung; schwingen – -+?+($, 13-+?!,($; ;+#+($'< ) 

schauen sie auf ("!,  (0"*+%*, 4(*+'07%<*  /:67%.  //'+3), irgendwohin (-4.$-*"),

herüber (*4.$) –

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und das geht hin (,  //('/ =*" &+"."78$'* ./,8'!,', 3".: ,.'*  *4.$) und eilt sich (, 

*"+"&,*(%), dass es endet (4(*+'07%%() -  -"!;4, "-"!#$!,<: «#*"95 "-"!#,7"()»),

und kreist (, -+48,*; der Kreis – ;0,2) und dreht sich nur (, /+$>$'*(% 7,1)) und hat

kein Ziel (, !' ,0''* ;'7,).

Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet (-+$(!"', :'7'!"', ('+"'  «&"(57$'05' 

0,0"» = &"-$:5/$% #'+'.4 ;/'*"/; senden – %"'6/+($),

ein kleines kaum begonnenes Profil (0$7'!)-,2, './$ !$#$*52, !$#$/1,2(% &+"@,7);

beginnen – !+#)!+($) –.

Und manchesmal ein Lächeln (,, $ ,!"6.$ 4759-$), hergewendet ("9+$>'!!$% (<.$, -  

!$0; wenden – %"1"0+#)1+($),

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ein seliges (97$8'!!$%), das blendet (#*", -"*"+$%  (7'&,*, "(7'&7%'*)  und

verschwendet (, +$(*"#$'*, "*.$'* /('9%, (/"'/) 

an dieses atemlose blinde Spiel (=*"2  6"7"/"-+48,*'7)!"2  (7'&"2  ,6+'; atemlos –

3+%6?+15)'$; '   2"/"1";0,8)(&/$!"A  .6'(0"("A; 3+(+)1  46?+!)&; der Atem –

46?+!)&; atmen – 465+($; das Spiel ) ...

Das Karussell

Jardin du Luxemburg  

Mit einem Dach und seinem Schatten dreht

sich eine kleine Weile der Bestandvon bunten Pferden, alle aus dem Land,

das lange zögert, eh es untergeht.

Zwar manche sind an Wagen angespannt,

doch alle haben Mut in ihren Mienen;

ein böser roter Löwe geht mit ihnen

und dann und wann ein weißer Elefant.

Sogar ein Hirsch ist da, ganz wie im Wald,

nur dass er einen Sattel trägt und drüber

ein kleines blaues Mädchen aufgeschnallt.

Und auf dem Löwen reitet weiß ein Junge

und hält sich mit der kleinen heißen Hand,

dieweil der Löwe Zähne zeigt und Zunge.

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Und auf den Pferden kommen sie vorüber,

auch Mädchen, helle, diesem Pferdesprunge

fast schon entwachsen; mitten in dem Schwunge

schauen sie auf, irgendwohin, herüber –

Und dann und wann ein weißer Elefant.

Page 186: 100 German Poems

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Und das geht hin und eilt sich, dass es endet,

und kreist und dreht sich nur und hat kein Ziel.

Ein Rot, ein Grün, ein Grau vorbeigesendet,

ein kleines kaum begonnenes Profil –.Und manchesmal ein Lächeln, hergewendet,

ein seliges, das blendet und verschwendet

an dieses atemlose blinde Spiel ...

Archaischer Torso Apollos ( L+3$,#'(-,2 *"+(  L&"77"!$)

Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt (!$0  "(*$7$()  !'/'."0"2  '6"  !'/'+"%*!$% 67$/$: kennen – 3!+($; unerhört – !&'/6?+!!6A),

darin die Augenäpfel reiften ((  :+'<>,0,  /  !'2  67$:!50,  %97"-$0,: «/  -"*"+"2 

:+'7, I»: das Auge + der Apfel; reif – '%&/6A). Aber

sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber (!"  '6"  *"+(  '>'  +$(-$7'!, &"."9!" 

-$!.'7%9+4: glühen – !+;+/<($'< , 2"0&($, %6/+($),

in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt (/ -"*"+"0 '6" :+'!,', 7,1) :$-7<#'!!"' 

/!4*+); die Schraube – 1)!(; schrauben – 3+1)!#)1+($),

sich hält und glänzt (.'+8,*(% , (,%'*). Sonst könnte nicht der Bug

der Brust dich blenden (,!$#' 95  *'9% !' 0"67$ "(7'&,*) '6"  6+4.), &"."9!$% !"(4 

-"+$97%: der Bug – !"'  / ;"0+./<  / ), und im leisen Drehen

der Lenden (, / 7'6-"0 &"/"+"*' #+'('7: die Lende) könnte nicht ein Lächeln gehen

zu jener Mitte (4759-$ !' 0"67$ 95 ("2*, -  *"2 ('+'.,!'), die die Zeugung trug (#*" 

.$+,7$: «!'(7$, &+,!"(,7$» :$#$*,': tragen).

Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz (,!$#' 95 =*"* -$0'!) (*"%7 9':"9+$:!50 

"9+49-"0; entstellen – ".&3".0+8)1+($, ,0"4"1+($; entstellt – ".&3".0+8&!!6A; kurz

 – ;"0"(;)A, «;,*6A»; stehen – '("<($) 

unter der Schultern durchsichtigem Sturz (&". &+":+$#!"2 &'+'05#-"2 &7'#: der Sturz –

%+4&!)& '  16'"(6 , ".1+/ ; %&0&-6#;+; stürzen – %+4+($) 

und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle (,  !'  (/'+-$7  95, -$-  1-4+5  3,>!,-"/: das

Raubtier –  ?)>!);  + das Fell – 5;,0+, -&? ; rauben – %"?)>+($, 20+.)($, das Tier –

31&0$; flimmern – -&0*+($, -)2+($);

Page 187: 100 German Poems

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und bräche nicht aus allen seinen Rändern

aus wie ein Stern (, !' /5+5/$7(% 95 ,: /('3 (/",3  6+$!'2, -$-  :/':.$: der Rand –

;0+A, "."4"; , ;+A-+; ausbrechen – 16061+($'< , 16/+-61+($): denn da ist keine

Stelle (/'.) :.'() !'* !, '.,!"6" 0'(*$),die dich nicht sieht (-"*"+"'  95  *'9%  !'  /,.'7"). Du musst dein Leben ändern (*5 

."78'! ,:0'!,*) (/"<  8,:!)).

Archaischer Torso Apollos

Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt,

darin die Augenäpfel reiften. Abersein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,

in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,

sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug

der Brust dich blenden, und im leisen Drehen

der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen

zu jener Mitte, die die Zeugung trug.

Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz

unter der Schultern durchsichtigem Sturz

und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;

und bräche nicht aus allen seinen Rändern

aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,

die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens

 Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens («/5($8'!!52» = "(*$/7'!!52, 9+"1'!!52 

!$ 6"+$3 ('+.;$: der Berg; das Herz; aussetzen – 16'+8)1+($; .0"'+($; %"41&02+($ 

"%+'!"'()). Siehe, wie klein dort ((0"*+,, (-"7) 0$7 *$0),

siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher ((0"*+,: &"(7'.!,2  &"('7"-   (7"/, $ 

/51'; die Worte – '/"1+ / 1 '-6'/& '1<3!"A  0&#) / ),

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aber wie klein auch, noch ein letztes (!" !$(-"7)-"  8' *"8' 0$7, &"(7'.!,2) 

Gehöft von Gefühl (34*"+"-  #4/(*/$; der Hof – 41"0). Erkennst du's (*5 4:!$'1) '6")?

 Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund (-$0'!!$% &"#/$: der Stein + der

Grund ) 

unter den Händen (&".  7$."!%0,: die Hand – ;)'($   0,;)). Hier blüht wohl (:.'() ;/'*'*, +$(;/'*$'*, &"8$742, /&"7!') 

einiges auf (-"'-#*"); aus stummem Absturz (,: !'0"6" "9+5/$, ,: -$0!'2 "9/$7$: der

 Absturz – %+4&!)&  1!)3  '   16'"(6 ; ".1+/ ; ".061, ;0,()3!+; stürzen – %+4+($,

1+/)($'< ) 

blüht ein unwissendes Kraut singend hervor (;/'*'* !'/'.4<>$% *+$/$, &"% = ( &'!,'0,

!$+484).

 Aber der Wissende (!" /-$-   8'/ :!$<>,2, /'.$<>,2)? Ach, der zu wissen begann (*"*,-*" !$#$7 :!$*)) 

und schweigt nun (, 0"7#,*, 9':0"7/(*/4'*  !5!#'), ausgesetzt auf den Bergen des

Herzens.

Da geht wohl, heilen Bewusstseins (*4* 3".,*, 9+".,*, &"8$742  = /"* &"8$742(*$, / 

:.+$/"0, ;'7)!"0  = (&"-"2!"0, !'/,!!"0  (":!$!,,: das Bewusstsein; bewusst –

'"3!+(&/$!"),

manches (!'-"*"+"' = !'-"*"+5', -"'--*" ,: I) umher (/"-+46; umhergehen –  ?"4)($ 

1";0,2, .0"4)($), manches gesicherte Bergtier (!'-"*"+"'  «:$>,>'!!"', 3+$!,0"' 

/(/"'2 !'/,!!"(*)</» 6"+!"'  8,/"*!"', 6"+!52  :/'+)  = /6"+!52/ 047  /das Maultier/:

das Tier – 31&0$; sicher – !+4&8!6A; ,1&0&!!6A; sichern – ".&'%&#)1+($,

2+0+!()0"1+($; %0&4"?0+!<($, 3+>)>+($),

wechselt und weilt (/(/0'!%'*(%  ,  &+'95/$'*). Und der große geborgene Vogel (, 

9"7)1$%  :$>,>'!!$%  &*,;$; bergen-barg-geborgen – '%+'+($, ,;061+($  1 

.&3"%+'!"-  -&'(&) 

kreist um der Gipfel reine Verweigerung (-+48,*  /"-+46  /'+1,!  #,(*"6"  "*-$:$: die

Verweigerung – "(;+3  / '4&/+($  #("- /)." /; jemandem etwas verweigern –

"(;+361+($ ;"-, - /)." 1 #&- - /)."; der Gipfel ). – Aber (!") 

ungeborgen (!':$>,>'!!52), hier auf den Bergen des Herzens (:.'(), !$  6"+$3 

('+.;$) ....

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Siehe, wie klein dort,

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siehe: die letzte Ortschaft der Worte, und höher,

aber wie klein auch, noch ein letztes

Gehöft von Gefühl. Erkennst du's?

Ausgesetzt auf den Bergen des Herzens. Steingrund

unter den Händen. Hier blüht wohleiniges auf; aus stummem Absturz

blüht ein unwissendes Kraut singend hervor.

Aber der Wissende? Ach, der zu wissen begann

und schweigt nun, ausgesetzt auf den Bergen des Herzens.

Da geht wohl, heilen Bewusstseins,

manches umher, manches gesicherte Bergtier,

wechselt und weilt. Und der große geborgene Vogelkreist um der Gipfel reine Verweigerung. – Aber

ungeborgen, hier auf den Bergen des Herzens....

Es winkt zu Fühling fast aus allen Dingen

Es winkt zu Fühlung fast aus allen Dingen (/#*"-*"  !$0/ 0$1'*, .'7$'*  :!$-   /+4-"2/

&"#*,  ,:  /('3  /'>'2, &+,:5/$%  /(*4&,*)  /  ("&+,-"(!"/'!,', /  -"!*$-*: «-  

("&+,-"(!"/'!,<»; fühlen – #,1'(1"1+($; die Fühlung – '"%0);"'!"1&!)&; / ,'(+0./

#,1'(1" /= das Gefühl/; das Ding – 1&>$),

aus jeder Wendung weht es her: Gedenk (,: -$8."6" "9"+"*$, &"/"+"*$,  8'(*$ /''*,

."!"(,*(%  (<.$, -   *'9': &"0!,, &+,0,  /"  /!,0$!,'; wenden – %"1"0+#)1+($,

%&0&1"0+#)1+($)!

Ein Tag, an dem wir fremd vorübergingen (.'!), 0,0" -"*"+"6" 05 &+"17, #48,0,),

entschließt im künftigen sich zum Geschenk (/ 94.41'0 +$(-+5/$'*(% -$-  &".$+"- : das

Geschenk; künftig – .,4,>)A).

Wer rechnet unseren Ertrag (-*" &".(#,*$'* !$14 &+,957), !$1 ."3".: «/5!'('!!"'»;

tragen – !&'(); ertragen – 16!&'(); der Ertrag – 160,#;+)? Wer trennt (-*" "*.'7,*) 

uns von den alten, den vergangnen Jahren (!$( "* (*$+53, &+"1'.1,3 7'*)?

Was haben wir seit Anbeginn erfahren (#*" 4:!$7, 05 ( /($0"6"/ !$#$7$: der Anbeginn),

als dass sich eins im anderen erkennt (-+"0' *"6", #*" ".!" 4:!$'* ('9% / .+46"0)?

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 Als dass an uns Gleichgültiges erwarmt (-+"0' *"6", #*" !$0,: «&+, !$(» ("6+'/$'*(% 

9':+$:7,#!"'  = !'2*+$7)!"', !'".41'/7'!!"'; gleich –  0"1!6A,  0+1!6A; gelten –

.6($ 4&A'(1)(&/$!6- ; .6($ 1+8!6- ; gültig – 4&A'(1)(&/$!6A)?

O Haus, o Wiesenhang, o Abendlicht (" ."0, " 746"/"2 (-7"!, " /'#'+!,2  /:$-$*!52/

(/'*; die Wiese –  /,2; der Hang – "(;"' , ;"'"2"0),auf einmal bringst du’s beinah zum Gesicht (/.+46, ".!$8.5 *5 &"#*, ."(*,6$'1) 7,;$ 

= (*$!"/,1)(%  &"#*,  7,;"0: das Gesicht –  /)*"; 1)4&!)&  / "(  sehen/; bringen –

%0)!"')($; zu etwas bringen – 4"'()2+($ #&2"- /)." / ;+;"2"- /)."  0&3,/$(+(+ / ) 

und stehst an uns, umarmend und umarmt (,  (*",1)  /&7"*!4<  -   !$0, "9!,0$%  , 

94.4#, "9!%*50).

Durch alle Wesen reicht der eine  Raum ((-/":)  /('  (4>'(*/$  &+"(*,+$'*(%  "4!" &+"(*+$!(*/"; reichen – %0"'()0+($'< ; %"4+1+($, %0"(<2)1+($; .6($ 

4"'(+("#!6- ):

Weltinnenraum («0,+"/"' /!4*+'!!'' /,!*,0!"', :$.41'/!"'/ &+"(*+$!(*/"» – '/"1",

;"("0"& %0)4,-+/  F)/$;&). Die Vögel fliegen still (&*,;5 &+"7'*$<* 9'::/4#!") 

durch uns hindurch (!$( !$(-/":)). O, der ich wachsen will (" %, -"*"+52 3"#'* +$(*,),

ich seh hinaus (% (0"*+< !$+484, /"/!'), und in mir wächst der Baum ($ 1" 0!' +$(*'* 

.'+'/").

Ich sorge mich, und in mir steht das Haus (% :$9"#4(), &'+'8,/$<, $ /" 0!' (*",* ."0).

Ich hüte mich, und in mir ist die Hut (% "(*'+'6$<(), 9'+'64(), $ /" 0!' "9'+'6, :$>,*$).

Geliebter, der ich wurde (/":7<97'!!52, -"*"+50  %  (*$7): an mir ruht (&+,  0!'  =

&+,&$/ -" 0!', &"-",*(%) 

der schönen Schöpfung Bild (&+'-+$(!"6" */"+'!,% "9+$:) und weint sich aus (#*"95 

/5&7$-$*)(%: «, /5&7$-,/$'*(%»: sich ausweinen).

Es winkt zu Fühling fast aus allen Dingen

Es winkt zu Fühlung fast aus allen Dingen,

aus jeder Wendung weht es her: Gedenk!

Ein Tag, an dem wir fremd vorübergingen,

entschließt im künftigen sich zum Geschenk.

Wer rechnet unseren Ertrag? Wer trennt

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uns von den alten, den vergangnen Jahren?

Was haben wir seit Anbeginn erfahren,

als dass sich eins im anderen erkennt?

Als dass an uns Gleichgültiges erwarmt?O Haus, o Wiesenhang, o Abendlicht,

auf einmal bringst du’s beinah zum Gesicht

und stehst an uns, umarmend und umarmt.

Durch alle Wesen reicht der eine Raum:

Weltinnenraum. Die Vögel fliegen still

durch uns hindurch. O, der ich wachsen will,ich seh hinaus, und in mir wächst der Baum.

Ich sorge mich, und in mir steht das Haus.

Ich hüte mich, und in mir ist die Hut.

Geliebter, der ich wurde: an mir ruht

der schönen Schöpfung Bild und weint sich aus.

Ode an Bellman (".$ -  H'770$!4 //'7,-,2 1/'.(-,2 &"=*-&'('!!,-  XVIII /'-$/)

Mir töne, Bellman, töne. Wann hat so (:/4#, 0!', H'770$!, :/4#,. U"6.$ *$- ) 

Schwere des Sommers eine Hand gewogen (*%8'(*)  7'*$  /:/'1,/$7$  +4-$: die

Schwere; wiegen-wog-gewogen)?

Wie eine Säule ihren Bogen (-$-  -"7"!!$ (/"< $+-4) 

trägst du die Freude (!'('1) *5 +$."(*)), die doch irgendwo (-"*"+$% /'.) 6.'-*") 

auch aufruht (*"8'  &"-",*(%  /!$  #'0-*"/), wenn sie unser sein soll; denn ('(7,  "!$ 

."78!$ (*$*) !$1'2 = #*"95 (*$*) !$1'2, ,9"),

Bellman, wir sind ja nicht die Schwebenden (05 /'.) !' &$+%>,' /(4>'(*/$/).

Was wir auch werden, hat Gewicht (#'0 95 05 !, (*$7,, !, (*$!"/,7,(), /=*"/ ,0''* 

/'(: das Gewicht ):

Glück, Überfülle und Verzicht ((#$(*)', &+',:95*"-  , "*-$:: das Glück; die Überfülle; der

Verzicht; auf etwas verzichten – "(;+361+($'<  "( #&2"- /).", ".?"4)($'<  .&3 #&2"-

 /).") 

sind schwer (*%8'75).

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Her mit dem Leben (.$/$2 (<.$  8,:!): «(<.$ – (  8,:!)<»: das Leben), Bellman, reiß

herein («+/, (<.$-/!4*+)» = .$/$2--$ /,3/ (<.$),

die uns umhäufen, unsre Zubehöre (*', #*" !$( "-+48$<* -4#'2, !$1, &+,!$.7'8!"(*,,

/(' !$1, /'>,: das Zubehör – %0)."0, %0)!+4/&8!"'($; gehören – %0)!+4/&8+($;der Haufen – ;,#+):

Kürbis, Fasanen und das wilde Schwein (*5-/4, @$:$!"/ , -$9$!$: «.,-4< (/,!)<»: der

Kürbis),

und mach, du königlichster der Traktöre (,  (.'7$2  /*$- /, *5, "  ;$+(*/'!!'21,2  ,: 

46">$<>,3, «*+$-*,+>,-"/»),

dass ich das Feld, das Laub, die Sterne höre (#*"95 % 4(751$7 &"7', 7,(*/4, :/':.5:

der Stern) und dann: mit einem Wink, beschwöre ($  :$*'0: /:0$3"0  /+4-,/, /5:"/,  /(7"/!"/

:$-7,!$!,'0: beschwören – 3+;/)!+($; schwören – ;/<'($'< ; winken – 4&/+($ 3!+;  

 /  0,;"A /; der Wink ),

dass er sich tiefer uns ergiebt, den Wein (#*"95 "!" 67498' !$0 "*.$7"(), /,!")!

 Ach Bellman, Bellman, und die Nachbarin ($ ("('.-$):

ich glaube, sie auch kennt, was ich empfinde (% .40$<, "!$ *"8' :!$'*, #*" % ">4>$<),

sie schaut so laut und duftet so gelinde ("!$  67%.,*  (*"7)  (0'7"  ,  &$3!'*  (*"7) 

0%6-"/!'8!");

schon fühlt sie her (/"* "!$ &+"*%6,/$'* +4-4: «#4/(*/4'*» (<.$), schon fühl ich hin (/"* 

48' % *%!4 +4-4 *4.$ / #4/(*/4< *4.$) –,

und kommt die Nacht, in der ich an ihr schwinde (, &+,3".,*, &+,.'* !"#), / -"*"+4< % 

40+4 &+, !'2 = /(7"/!"/ ,(&4>4 .43 4 !'' !$ 6+4.,: schwinden – ,.61+($, )'#&3+($,

3+-)0+($):

Bellman, ich bin (% '(0))!

Da schau, dort hustet einer, doch was tuts (/"* &"(0"*+,, *$0 -$17%'* ".,!, .$ #*" :$ 

.'7": «#*" .'7$'* =*"»),

ist nicht der Husten beinah schön, im Schwunge (+$:/' -$1'7) !' &+'-+$('! &"#*,, !$ 

/:7'*': der Schwung – 13-+? ; 1""4,5&1/&!)&, %"061)?

Was kümmert uns die Lunge (-$-"' !$0 .'7" ." 7'6-,3: «#*" :$9"*,* !$( 7'6-"'»)!

Das Leben ist ein Ding des Übermuts ( 8,:!) – =*" /"&+"(: «/'>)» :$."+$: der Übermut;

das Ding ).

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Und wenn er stürbe ($ 3"*) 95 "! , 40'+: sterben-starb-gestorben). Sterben ist so echt

(40,+$!,' (*"7) &".7,!!", (*"7) !$(*"%>').

Hat er dem Leben lang am Hals gehangen (//'.)/ "! 4  8,:!, ."76" /,('7 !$ 1'': der

Hals; hängen-hing-gehangen),

da nimmt ihn erst das Leben ans Geschlecht (*4*-*"  -$-   +$:  8,:!)  ,  9'+'*  '6"  :$ &"7"/"2 "+6$!) 

und schläft mit ihm (,  (&,*  (  !,0). So viele sind vergangen ((*"7) 0!"6,' 0,!47,  =

40'+7,: vergehen-verging-vergangen) 

und haben Recht (, &+$/5)!

Zwar ist uns nur Vergehn (&+$/.$  !$0  /(48.'!"/ 7,1)  ,(#':!"/'!,', 40,+$!,':

«&+'3".%>'(*)»),doch im Vergehn ist Abschied uns geboten (!" / 40,+$!,, !$0  :$/'>$!" &+">$!,':

der Abschied; gebieten-gebot-geboten – %0);+361+($, (0&."1+($ #&2"- /).").

 Abschiede feiern (&+$:.!"/$*) +$((*$/$!,%): Bellman, stell die Noten (+$((*$/) !"*5) 

wie Sterne, die im großen Bären stehn ((7"/!"  :/':.5, #*"  (*"%*  /  H"7)1"2 

0'./'.,;': der Bär – -&41&4$).

Wir kommen voller Fülle zu den Toten (05 &+,3".,0, ,(&"7!'!5' &"7!"*5, -  0'+*/50:

die Fülle; voll – %"/!6A):

Was haben wir gesehn (#(" 05 /,.'7,, &"/,.$7,: sehen-sah-gesehen)!

Ode an Bellman

Mir töne, Bellman, töne. Wann hat so

Schwere des Sommers eine Hand gewogen?

Wie eine Säule ihren Bogen

trägst du die Freude, die doch irgendwo

auch aufruht, wenn sie unser sein soll; denn,

Bellman, wir sind ja nicht die Schwebenden.

Was wir auch werden, hat Gewicht:

Glück, Überfülle und Verzicht

sind schwer.

Her mit dem Leben, Bellman, reiß herein,

die uns umhäufen, unsre Zubehöre:

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Kürbis, Fasanen und das wilde Schwein,

und mach, du königlichster der Traktöre,

daß ich das Feld, das Laub, die Sterne höre

und dann: mit einem Wink, beschwöre,

dass er sich tiefer uns ergiebt, den Wein!

Ach Bellman, Bellman, und die Nachbarin:

ich glaube, sie auch kennt, was ich empfinde,

sie schaut so laut und duftet so gelinde;

schon fühlt sie her, schon fühl ich hin –,

und kommt die Nacht, in der ich an ihr schwinde:

Bellman, ich bin!

Da schau, dort hustet einer, doch was tuts,

ist nicht der Husten beinah schön, im Schwunge?

Was kümmert uns die Lunge!

Das Leben ist ein Ding des Übermuts.

Und wenn er stürbe. Sterben ist so echt.

Hat er dem Leben lang am Hals gehangen,

da nimmt ihn erst das Leben ans Geschlecht

und schläft mit ihm. So viele sind vergangen

und haben Recht!

Zwar ist uns nur Vergehn,

doch im Vergehn ist Abschied uns geboten.

Abschiede feiern: Bellman, stell die Noten

wie Sterne, die im großen Bären stehn.

Wir kommen voller Fülle zu den Toten:

Was haben wir gesehn!

Komm du, du letzter, den ich anerkenne

Komm du, du letzter, den ich anerkenne (&+,., *5, &"(7'.!%%, -"*"+4< % &+,:!$<),

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heilloser Schmerz im leiblichen Geweb (48$(!$%, !',:7'#,0$% 9"7) / *'7'(!"2 *-$!,,

/ *'7'(!"0 &7'*'!)'; heil – *&/$!6A, 34"0"16A; heilen – )'*&/<($; der Leib – (&/";

weben – (;+($; das Gewebe – (;+!$ / (&;'(.; .)"/ ./ ):

wie ich im Geiste brannte, sieh, ich brenne (-$-  % 6"+'7 / .43', (0"*+,, % 6"+<: der Geist;

brennen-brannte-gebrannt ) in dir; das Holz hat lange widerstrebt (/  *'9'; .'+'/"  /.+'/'(,!$  = .+"/$/ ."76" 

("&+"*,/7%7"(); wider – %0"()1; streben – '(0&-)($'< ),

der Flamme, die du loderst, zuzustimmen ((  &7$0'!'0, -"*"+"'  *5  +$:.4/$'1),

("67$(,*)(%; «!$#$*)  &".&'/$*)  &7$0'!,»; die Stimme – 2"/"' ; lodern – %6/+($,

%"/6?+($),

nun aber nähr' ich dich und brenn in dir (*'&'+)  8' % &,*$< *'9% , 6"+< / *'9').

Mein hiesig Mildsein wird in deinem Grimmen (0"' :.'1!'' 0,7"' 95*,' (*$!"/,*(% / */"'0 *'+:$!,,: das Grimmen –  0&3$ 1  8)1"(&, ;"/);); grimmen – %0)#)!<($ ."/$;

grimm – '1)0&%6A,  <0"'(!6A) 

ein Grimm der Hölle nicht von hier (%+"(*)< $.$  – !':.'1!'2: der Grimm –  <0"'($,

2!&1).

Ganz rein, ganz planlos frei von Zukunft stieg (("/'+1'!!"  #,(*50, ("/'+1'!!" 

9':.40!", !$46$.: «9':  &7$!"/» (/"9".!50  "*  94.4>'6"  &".!%7(%: die Zukunft;

steigen-stieg-gestiegen) 

ich auf des Leidens wirren Scheiterhaufen (% !$  (*+$.$!,%  :$&4*$!!52  = 3$"*,#'(-, 

!$/$7'!!52 -"(*'+: das Leiden; leiden – '(0+4+($; wirr – '%,(+!!6A, 3+%,(+!!6A;

der Haufen – ;,#+; der Scheiterhaufen – ;"'(&0 / 4/<  '"88&!)<  %0&'(,%!);+ / ),

so sicher nirgend Künftiges zu kaufen ((*"7) 4/'+'!!52 !,6.' !'  -4&,*) 94.4>'6"  =

#*" !,6.' !' -4&7< 94.4>'6": künftig – .,4,>)A) 

um dieses Herz, darin der Vorrat schwieg (:$ =*" ('+.;' = / "90'! !$ =*" ('+.;', / 

-"*"+"0 0"7#$7 :$&$( /0"7#$7" *", #*" % &+,&$(/: schweigen-schwieg-geschwiegen).

Bin ich es noch, der da unkenntlich brennt (% 7, =*" '>', -*" *4*, !'4:!$/$'052, 6"+,*;

kennen – 3!+($)?

Erinnerungen reiß ich nicht herein (/"(&"0,!$!,2 % (<.$ !' :$3/$#4, !' &+,/7'-4: die

Erinnerung; reißen –  01+($; herein – '=4+-1!,(0$).

O Leben, Leben: Draußensein ("  8,:!),  8,:!): !$3"8.'!,'  /"/!', 95*,'  (!$+48,;

draußen – '!+0,8)).

Und ich in Lohe. Niemand der mich kennt ($ % /  //5("-"0/ &7$0'!,. S'* !,-"6", -*" 

0'!% :!$'*: die Lohe – /  <0;" %6/+=>&& / %/+-< ).

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[Val-Mont, wohl gegen Mitte Dezember 1926: letzte Eintragung im letzten Taschenbuch]  

[ 1 ;/)!);&, %"'/&4!<<  3+%)'$ 1 4!&1!);& ]  

Komm du, du letzter, den ich anerkenne

Komm du, du letzter, den ich anerkenne,

heilloser Schmerz im leiblichen Geweb:

wie ich im Geiste brannte, sieh, ich brenne

in dir; das Holz hat lange widerstrebt,

der Flamme, die du loderst, zuzustimmen,

nun aber nähr' ich dich und brenn in dir.

Mein hiesig Mildsein wird in deinem Grimmenein Grimm der Hölle nicht von hier.

Ganz rein, ganz planlos frei von Zukunft stieg

ich auf des Leidens wirren Scheiterhaufen,

so sicher nirgend Künftiges zu kaufen

um dieses Herz, darin der Vorrat schwieg.

Bin ich es noch, der da unkenntlich brennt?

Erinnerungen reiß ich nicht herein.

O Leben, Leben: Draußensein.

Und ich in Lohe. Niemand der mich kennt.

Hermann Hesse (1877 – 1962) 

Im Nebel (/ *40$!': der Nebel )

Seltsam ((*+$!!", !'"95#!"), im Nebel zu wandern (9+'(*,)!

Einsam (".,!"-,, ($0, &" ('9', "*.'7)!"  /(*"%*/)  ist jeder Busch und Stein (-$8.52 

-4(* , -$0'!)),

Kein Baum sieht den andern (!, ".!" .'+'/" !' /,.,* .+46"6"),

Jeder ist allein (-$8.52 ".,!, ".,!"- ).

Voll von Freunden (&"7"! .+4:'2: der Freund ) war mir die Welt (957 0!' = .7% 0'!% 

0,+),

 Als noch mein Leben licht war (-"6.$ '>' 0"%  8,:!) 957$ (/'*7$);

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Nun (/$/ *'&'+)), da der Nebel fällt (-"6.$ /5&$.$'* *40$!),

Ist keiner mehr sichtbar (!,-"6" 9"7)1' !' /,.!": «!,-*" 9"7)1' !' /,.,0»).

Wahrlich (/",(*,!4), keiner ist weise (!,-*" !' 04.+ = !' 04.+ *"*),

Der nicht das Dunkel kennt (-*" !' :!$'* *'0!"*5, !'&+":+$#!"(*,; dunkel – (&-!6A),Das unentrinnbar (-"*"+$%  !',:9'8!", !'0,!4'0"; entrinnen – 16(&;+($;

,';"/$3+($, )3.&2+($) und leise (, *,3") 

Von allem ihn trennt ("*" /('6" '6" "*.'7%'*).

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Leben ist Einsamsein ( 8,:!) – =*" :!$#,* 95*) ".!"04, ".,!"-,0, =*" ".,!"#'(*/").

Kein Mensch kennt den andern (!,-*", !, ".,! #'7"/'-  !' :!$'* .+46"6"),Jeder ist allein.

Im Nebel

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Einsam ist jeder Busch und Stein,

Kein Baum sieht den andern,

Jeder ist allein.

Voll von Freunden war mir die Welt,

Als noch mein Leben licht war;

Nun, da der Nebel fällt,

Ist keiner mehr sichtbar.

Wahrlich, keiner ist weise,

Der nicht das Dunkel kennt,

Das unentrinnbar und leise

Von allem ihn trennt.

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Leben ist Einsamsein.

Kein Mensch kennt den andern,

Jeder ist allein.

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Doch heimlich dürsten wir ...

 Anmutig (0,7", &+'7'(*!": die Anmut – 20+*)< , %0&/&'($), geistig (".43"*/"+'!!"; der

Geist – 4,? ), arabeskenzart ((7"/!" !'8!5' $+$9'(-,) Scheint unser Leben sich wie das von Feen (!$1$  8,:!) -$8'*(%, &"."9!"  8,:!, @'2) 

In sanften Tänzen um das Nichts zu drehen (/+$>$<>'2(% / (7$."(*!53 *$!;$3 /"-+46 

S,#*": der Tanz; sanft – -<2;)A, !&8!6A),

Dem wir geopfert Sein und Gegenwart (-"*"+"04  05  &"8'+*/"/$7,  95*,'0  , 

!$(*"%>,0  //+'0'!'0/: die Gegenwart – !+'("<>&&  / 10&-<  /; %0)',('(1)&; opfern;

das Opfer –  8&0(1+).

Schönheit der Träume (-+$("*$  (!"/,.'!,2, 0'#*$!,2: der Traum), holde Spielerei

(0,7$% :$9$/$: die Spielerei ),

So hingehaucht (c*"7)  !$/'%!!$%, &+,!'('!!$%  .4!"/'!,'0; hauchen – 46?!,($;

4,!,($), so reinlich abgestimmt (*$-   #,(*"  !$(*+"'!!$%, 6$+0"!,:,+"/$!!$%; die

Stimme – 2"/"' ),

Tief unter deiner heitern Fläche glimmt (6749"-"  &".  */"'2  /'('7"2/(/'*7"2 

&"/'+3!"(*)< *7''*, *'&7,*(%; flach – %/"';)A) 

Sehnsucht nach Nacht, nach Blut, nach Barbarei (/(*+$(*!"'/  8'7$!,'  !"#,, -+"/,,

/$+/$+(*/$: die Sehnsucht; das Blut ).

Im Leeren dreht sich (/  &4(*"0, /  &4(*"*'  /+$>$'*(%), ohne Zwang und Not (9': 

&+,!48.'!,% , !48.5: der Zwang; die Not; zwingen-zwang-gezwungen – %0)!,84+($),

Frei unser Leben ((/"9".!" !$1$  8,:!): das Leben), stets zum Spiel bereit (&"(*"%!!" 

6"*"/$% -  ,6+': das Spiel ),

Doch heimlich dürsten wir nach Wirklichkeit (!"  *$2!" 05  8$8.'0 .'2(*/,*'7)!"(*,;

wiklich – 4&A'(1)(&/$!6A; wirken – 4&A'(1"1+($),

Nach Zeugung und Geburt (:$#$*,%  ,  +"8.'!,%: die Geburt ), nach Leid und Tod

((*+$.$!,% , (0'+*,: das Leid; der Tod ).

Doch heimlich dürsten wir ...

Anmutig, geistig, arabeskenzart

Scheint unser Leben sich wie das von Feen

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In sanften Tänzen um das Nichts zu drehen,

Dem wir geopfert Sein und Gegenwart.

Schönheit der Träume, holde Spielerei,

So hingehaucht, so reinlich abgestimmt,Tief unter deiner heitern Fläche glimmt

Sehnsucht nach Nacht, nach Blut, nach Barbarei.

Im Leeren dreht sich, ohne Zwang und Not,

Frei unser Leben, stets zum Spiel bereit,

Doch heimlich dürsten wir nach Wirklichkeit,

Nach Zeugung und Geburt, nach Leid und Tod.

Georg Heym (1887 – 1912) 

Die Gefangenen (:$-7<#'!!5'; &7'!!,-,; fangen –  /"1)($)

Sie trampeln um den Hof im engen Kreis ("!, *"&$<* /"-+46 ./"+,-$ &" 4:-"04 -+464:

trampeln – '(,#+($ / !"2+-) /, ("%+($; der Kreis).

Ihr Blick schweift hin und her im kahlen Raum (,3  /:67%.  9+".,*  *4.$-(<.$  / 

"9!$8'!!"0, &4(*5!!"0 &+"(*+$!(*/': der Raum).

Er sucht nach einem Feld, nach einem Baum ("! ,>'* &"7', ,>'* .'+'/": das Feld; der

Baum),

Und prallt zurück von kahler Mauern Weiß (, "*(-$-,/$'* !$:$. "* 9'7,:!5 6"753 (*'!:

die Mauer – / ;+-&!!+< , ;)0%)#!+<  / '(&!+, "20+4+).

Wie in den Mühlen dreht der Rädergang (-$-   /  0'7)!,;$3  -+48,*/(%/ :49#$*$% 

&'+'.$#$: «3". -"7'(»; das Rad – ;"/&'"),

So dreht sich ihrer Schritte schwarze Spur (*$-   -+48,*(%  ,3 1$6"/  #'+!52  (7'.: der

Schritt; schreiten – 5+2+($).

Und wie ein Schädel mit der Mönchstonsur (,  -$-   #'+'&  = 0$-41-$  (  0"!$1'(-"2 

*"!:4+"2: der Schädel – #&0&% ; 2"/"1+; der Mönch – -"!+? ),

So liegt des Hofes Mitte kahl und blank (*$- , -$-"2 7'8,* ('+'.,!$ ./"+$ – &4(*5!!$% 

, 6"7$%; blank – ./&'(<>)A, !+#)>&!!6A / 4" ./&';+ /; 2"/6A).

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Es regnet dünn auf ihren kurzen Rock (."8.) 0"+"(,* !$ ,3 -"+"*-,' *484+-,: dünn –

("!;)A; der Rock ).

Sie schaun betrübt die graue Wand empor ("!, &".!,0$<*  46+<0"  /:67%.  !$  ('+4< 

(*'!4; ,3  46+<052  /:67%.  (-"7):,*  &"  ('+"2  (*'!'  //'+3: schauen – '-"(0&($;

empór – 11&0? ),Wo kleine Fenster sind (6.'  0$7'!)-,'  "-"1-,: das Fenster ), mit Kasten vor (( 

+'1'*-$0, &'+'. /!,0,/: der Kasten –  <>); ),

Wie schwarze Waben in dem Bienenstock (-$-  #'+!5' ("*5 / 47)'; die Biene – %#&/+).

Man treibt sie ein (,3 :$6"!%<*), wie Schafe zu der Schur ((7"/!" "/'; !$ (*+,8-4: das

Schaf; scheren – '(0)#$).

Die grauen Rücken drängen in den Stall (('+5'  (&,!5  &+"*$7-,/$<*(%, *'(!%*(%  / (*"27", 37'/).

Und klappernd schallt heraus der Widerhall (,, (*4#$, :/4#,* !$+484 =3") 

Der Holzpantoffeln auf dem Treppenflur (.'+'/%!!53 9$10$-"/ &" 7'(*!,#!"2 -7'*-';

das Holz – 40&1&')!+; der Pantoffel – .+5-+; ; (+%"; ; die Treppe –  /&'(!)*+; der Flur

 – ;"0)4"0; /  /&'(!)#!+<  / ;/&(;+).

Die Gefangenen

Sie trampeln um den Hof im engen Kreis.

Ihr Blick schweift hin und her im kahlen Raum.

Er sucht nach einem Feld, nach einem Baum,

Und prallt zurück von kahler Mauern Weiß.

Wie in den Mühlen dreht der Rädergang,

So dreht sich ihrer Schritte schwarze Spur.

Und wie ein Schädel mit der Mönchstonsur,

So liegt des Hofes Mitte kahl und blank.

Es regnet dünn auf ihren kurzen Rock.

Sie schaun betrübt die graue Wand empor,

Wo kleine Fenster sind, mit Kasten vor,

Wie schwarze Waben in dem Bienenstock.

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Man treibt sie ein, wie Schafe zu der Schur.

Die grauen Rücken drängen in den Stall.

Und klappernd schallt heraus der Widerhall

Der Holzpantoffeln auf dem Treppenflur.

Die Dämonen der Städte (.'0"!5 6"+"."/)

Sie wandern durch die Nacht der Städte hin (".!, 9+'.4* (-/":), #'+': !"#) 6"+"."/:

die Stadt ),

Die schwarz sich ducken unter ihrem Fuß (-"*"+5', #'+!5', &+,6,9$<*(%  &".  ,3 

(*4&!'2 = (*4&!%0,: der Fuß; sich ducken – %0)2).+($'< ; 1(<2)1+($ 2"/"1,  1 %/&#)).

Wie Schifferbärte stehen um ihr Kinn ((7"/!"  9"+".5  0"+%-"/  (*"%*  /"-+46  ,3 &".9"+".-$ = &".9"+".-"/; das Schiff – ;"0+./$, ',4!"; der Schiffer – -"0<; ; der Bart

 – ."0"4+; das Kinn – %"4."0"4"; ) 

Die Wolken schwarz vom Rauch und Kohlenruß ("97$-$, *4#,, #'+!5'  "*  .50$  , 

46"7")!"2 ($8,: der Rauch – 46- ; die Kohle – ,2"/$; der Ruß – '+8+, ;"%"($).

Ihr langer Schatten schwankt im Häusermeer (,3  .7,!!$%  *'!)  (= *'!,) -$#$'*(%,

&"-$#,/$'*(% / 0"+' ."0"/; das Meer – -"0&)

Und löscht der Straßen Lichterreihen aus (, 6$(,* +%.5 47,#!53 @"!$+'2; das Licht –

'1&(; die Reihe –  0<4).

Er kriecht wie Nebel auf dem Pflaster schwer ("!$: «"!» /*'!)/ &"7:'*, (7"/!" *40$!, &" 

0"(*"/"2 *%8'7": das Pflaster – / .,/68!+<  / -"'("1+< ) 

Und tastet langsam vorwärts Haus für Haus (,  ">4&5/$'*, !$>4&5/$'*, 0'.7'!!" 

/&+"9,+$%()/ /&'+'., ."0 :$ ."0"0).

Den einen Fuß auf einen Platz gestellt (".!4 !"64 &"(*$/,/ !$ &7">$.)),

Den anderen gekniet auf einen Turm (.+464< (-7"!,/, &+'-7"!,/ !$ 9$1!<; das Knie –

;"/&!"),

Ragen sie auf ("!,  /5(%*(%, /":/51$<*(%), wo schwarz der Regen fällt (*$0, 6.' 

&$.$'* #'+!52 ."8.): fallen),

Panspfeifen blasend in den Wolkensturm (/ .4.-, = (/,+'7, P$!$ .4%, !$ .4.-$3 P$!$ 

,6+$% / 7'*%>,' *4#,; der Sturm – .,0< ; die Pfeife – '1)'("; ; 4,4;+).

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Um ihre Füße kreist das Ritornell (/"-+46  ,3  !"6  -+48,*  +,*4+!'7)  /0!"6"-+$*!" 

&"/*"+%<>$%(%  #$(*)  04:5-$7)!"6"  &+",:/'.'!,%  – "*  ,*$7. ritornare –

1"310+>+($'<  / ) 

Des Städtemeers mit trauriger Musik (6"+".(-"6"  0"+%  (  6+4(*!"2  04:5-"2  = &". 

6+4(*!4< 04:5-4),Ein großes Sterbelied (/'7,-$ &'(!) 40,+$!,%; sterben – ,-)0+($). Bald dumpf, bald

grell (*" 6743", *" &+"!:,*'7)!") 

Wechselt der Ton (0'!%'*(%  *"!, :/4- ), der in das Dunkel stieg (-"*"+52 &".!%7(% / 

*'0!"*4: steigen-stieg-gestiegen).

Sie wandern an dem Strom ("!, 9+'.4*  /."7) &"*"-$  = /."7) +'-,: der Strom), der

schwarz und breit (-"*"+52, #'+!52 , 1,+"-,2; #'+!" , 1,+"-") Wie ein Reptil ((7"/!"  +'&*,7,%, &+'(05-$<>''(%: das Reptíl ), den Rücken gelb

gefleckt (c" (&,!"<, &"-+5*"2  8'7*50, &%*!$0,; der Fleck – %<(!") 

Von den Laternen ("* @"!$+'2: die Laterne), in die Dunkelheit (/ *'0!"*4) 

Sich traurig wälzt (&'#$7)!" -$*,*(%), die schwarz den Himmel deckt (-"*"+$%, #'+!$%,

&"-+5/$'* !'9"; -"*"+$% #'+!"*"2 :$/"7"-7$ !'9").

Sie lehnen schwer auf einer Brückenwand ("!,  *%8'7"  &+,(7"!%<*(%  -   "6+$.',

&$+$&'*4 0"(*$; die Brücke – -"'(; die Wand – '(&!+) 

Und stecken ihre Hände in den Schwarm (,  (4<*, :$&4(-$<*  (/",  +4-,  /  «+"2» = / 

*"7&4) 

Der Menschen aus (7<.'2: ausstrecken – 16(<2)1+($), wie Faune, die am Rand

((7"/!" @$/!5, -"*"+5' !$ -+$<: der Rand ) 

Der Sümpfe (9"7"*: der Sumpf ) bohren (&"6+48$<*, &+"("/5/$<*: «(/'+7%*»)  in den

Schlamm (/ *,!4, ,7) den Arm (+4-4).

Einer steht auf (".,! /(*$'*). Dem weißen Monde hängt (9'7"2 74!': der Mond ) 

Er eine schwarze Larve vor ("! !$/'1,/$'* #'+!4< 0$(-4: «&'+'. 9'7"2 74!"2I»).

Die Nacht (!"#)),

Die sich wie Blei vom finstern Himmel senkt (-"*"+$%, -$-   (/,!';, "&4(-$'*(%  ( 

0+$#!"6" !'9$: das Blei ),

Drückt tief die Häuser in des Dunkels Schacht (/8,0$'* ."0$  6749"-" / 1$3*4  *)05:

das Dunkel; der Schacht ).

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Der Städte Schultern knacken (&7'#,  6"+"."/  3+4(*%*, *+'>$*: die Schulter ). Und es

birst (, *+'(-$'*(%, +$(*+'(-,/$'*(%, .$'* *+'>,!4: bersten) 

Ein Dach (-+51$: das Dach), daraus ein rotes Feuer schwemmt ("*-4.$, ,:  !'' 

!$375!47, !$-$*5/$'*(% -+$(!52 "6"!); schwemmen – '!"')($, '-61+($, !+!"')($ 

 / 1"4"A / ).Breitbeinig (1,+"-"  +$((*$/,/  !"6,; breit – 5)0";"; das Bein – !"2+)  sitzen sie auf

seinem First ("!, (,.%* !$ '': «'6"» -"!)-': der First – ;"!&;  / ;065) / ) 

Und schrein wie Katzen auf zum Firmament (, "+4*, -$-  -"1-,, / !'9"(-7"!: die Katze;

das Firmamént ).

In einer Stube voll von Finsternissen (/ -"0!$*', !$&"7!'!!"2 (40'+-$0,, &"*'0-$0,:

die Finsternis; finster – -0+#!6A) Schreit eine Wöchnerin in ihren Wehn (-+,#,* +"8'!,;$ / (/",3 04-$3: das Weh – ."/$,

-,;+).

Ihr starker Leib ragt riesig aus den Kissen ('' (,7)!"' *'7" /":/51$'*(% "6+"0!50 ,: 

&".41'- : der Kissen),

Um den herum die großen Teufel stehn (/"-+46 -"*"+"6" /*'7$/ (*"%* 9"7)1,' #'+*,).

Sie hält sich zitternd an der Wehebank ("!$ .'+8,*(%, .+"8$, :$ «9"7'/"2 (*$!"- » = :$ 

+".,7)!52 (*"7).

Das Zimmer schwankt um sie von ihrem Schrei (-"0!$*$  -$#$'*(%  /"-+46  !''  "*  '' 

-+,-$: der Schrei ),

Da kommt die Frucht (*4*, /"* &+,3".,* &7".). Ihr Schoß klafft rot und lang ('' 7"!" 

+$:/'+:$'*(%, -+$(!"' , .7,!!"': der Schoß) 

Und blutend reißt er von der Frucht entzwei (,, -+"/"*"#$, +$:+5/$'*(%  "*  &7".$,

&7"."0 !$./"'; das Blut – ;0"1$; reißen –  01+($).

Der Teufel Hälse wachsen wie Giraffen (1', #'+*'2 +$(*4*, /5*%6,/$<*(%, -$-   8,+$@5:

der Hals; die Giraffe).

Das Kind hat keinen Kopf (4 +'9'!-$ !'* 6"7"/5). Die Mutter hält (0$*) .'+8,*) 

Es vor sich hin ('6" &'+'. ("9"2  «*4.$» = "*(*+$!%%, !$ /5*%!4*53 +4-$3). In ihrem

Rücken klaffen (/ '' (&,!' :,%<*, +$:/'+:$<*(%: der Rücken) 

Des Schrecks Froschfinger (7%641$#),  &$7);5  48$($: der Schreck/en/ – ,8+' ; der

Frosch –  /<2,5;+; der Finger – %+/&*), wenn sie rückwärts fällt (-"6.$  "!$  &$.$'*,

"*-,.5/$'*(% !$ (&,!4).

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Doch die Dämonen wachsen riesengroß (!" .'0"!5 +$(*4*, /5+$(*$<* "6+"0!50,; der

Riese – 1&/);+! ).

Ihr Schläfenhorn zerreißt den Himmel rot (,3  «9"-"/"2» +"6  = +"6$  +$:+5/$<*  !'9",

(*$!"/%>''(% // 0'(*' &+"+5/$/ -+$(!50; die Schläfe – 1)'"; ; das Horn –  0"2).Erdbeben (:'07'*+%('!,': die Erde – 3&-/<  + beben – '"40"2+($'< ) donnert (6+'0,*,

6+"3"#'*; der Donner – 20"- ) durch der Städte Schoß ((-/":) 7"!" 6"+"."/) 

Um ihren Huf (/"-+46 ,3 -"&5*$ = -"&5*), den Feuer überloht (-"*"+"' "9/,/$'* "6"!):

das Feuer; lohen – %6/+($, %"/6?+($).

Die Dämonen der Städte

Sie wandern durch die Nacht der Städte hin,

Die schwarz sich ducken unter ihrem Fuß.

Wie Schifferbärte stehen um ihr Kinn

Die Wolken schwarz vom Rauch und Kohlenruß.

Ihr langer Schatten schwankt im Häusermeer

Und löscht der Straßen Lichterreihen aus.

Er kriecht wie Nebel auf dem Pflaster schwer

Und tastet langsam vorwärts Haus für Haus.

Den einen Fuß auf einen Platz gestellt,

Den anderen gekniet auf einen Turm,

Ragen sie auf, wo schwarz der Regen fällt,

Panspfeifen blasend in den Wolkensturm.

Um ihre Füße kreist das Ritornell

Des Städtemeers mit trauriger Musik,

Ein großes Sterbelied. Bald dumpf, bald grell

Wechselt der Ton, der in das Dunkel stieg.

Sie wandern an dem Strom, der schwarz und breit

Wie ein Reptil, den Rücken gelb gefleckt

Von den Laternen, in die Dunkelheit

Page 205: 100 German Poems

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Sich traurig wälzt, die schwarz den Himmel deckt.

Sie lehnen schwer auf einer Brückenwand

Und stecken ihre Hände in den Schwarm

Der Menschen aus, wie Faune, die am RandDer Sümpfe bohren in den Schlamm den Arm.

Einer steht auf. Dem weißen Monde hängt

Er eine schwarze Larve vor. Die Nacht,

Die sich wie Blei vom finstern Himmel senkt,

Drückt tief die Häuser in des Dunkels Schacht.

Der Städte Schultern knacken. Und es birst

Ein Dach, daraus ein rotes Feuer schwemmt.

Breitbeinig sitzen sie auf seinem First

Und schrein wie Katzen auf zum Firmament.

In einer Stube voll von Finsternissen

Schreit eine Wöchnerin in ihren Wehn.

Ihr starker Leib ragt riesig aus den Kissen,

Um den herum die großen Teufel stehn.

Sie hält sich zitternd an der Wehebank.

Das Zimmer schwankt um sie von ihrem Schrei,

Da kommt die Frucht. Ihr Schoß klafft rot und lang

Und blutend reißt er von der Frucht entzwei.

Der Teufel Hälse wachsen wie Giraffen.

Das Kind hat keinen Kopf. Die Mutter hält

Es vor sich hin. In ihrem Rücken klaffen

Des Schrecks Froschfinger, wenn sie rückwärts fällt.

Doch die Dämonen wachsen riesengroß.

Ihr Schläfenhorn zerreißt den Himmel rot.

Erdbeben donnert durch der Städte Schoß

Page 206: 100 German Poems

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Um ihren Huf, den Feuer überloht.

Der Schläfer im Walde ((&%>,2 / 7'(4: der Wald; schlafen – '%+($)

Seit Morgen ruht er ((  4*+$  "!  7'8,*: &"-",*(%). Da die Sonne rot (-"6.$; (  *"6" 0"0'!*$, -$-  ("7!;', -+$(!"') 

Durch Regenwolken seine Wunde traf ((-/":)  ."8.'/5'  "97$-$  &"&$7"  /  '6"  +$!4:

treffen-traf-getroffen – %"%+'($ / !+%0)-&0, " '(0&/&, %,/& /; der Regen; die Wolke).

Das Laub tropft langsam noch (( 7,(*/5 '>' 0'.7'!!" -$&$'*; der Tropfen – ;+%/< ).

Der Wald liegt tot (7'( 7'8,* 0'+*/50, (7"/!" 0'+*/52, :$0'+).

Im Baume ruft ein Vögelchen im Schlaf (!$ .'+'/'  :"/'*, -+,#,*  &*,#-$  /"  (!': der

Baum; der Schlaf ).

Der Tote schläft im ewigen Vergessen (0'+*/52  (&,*  /  /'#!"0  :$9/'!,,, :$95*),;

vergessen – 3+.61+($),

Umrauscht vom Walde (&". 1'7'(* 7'($; rauschen – 5&/&'(&($). Und die Würmer

singen (, #'+/, &"<*: der Wurm),

Die in des Schädels Höhle tief sich fressen (-"*"+5'  /  &"7"(*)  #'+'&$  6749"-" 

/6+5:$<*(%: der Schädel ),

In seine Träume ihn mit Flügelklingen (/ '6" (!5 '6" /49$<-,/$%/ /(/ 7':/,%0, -+57)'/:

der Flügel – ;06/"; die Klinge –  /&31)&).

Wie süß ist es (-$-   (7$."(*!"), zu träumen nach den Leiden (/,.'*)  ("!  &"(7' 

(*+$.$!,2: das Leid ) 

Den Traum (//,.'*)  /("!, (!"/,.'!,'/), in Licht und Erde zu zerfallen (+$(&$.$*)(%,

+$(&$(*)(% !$ (/'* , :'07<: das Licht; die Erde),

Nichts mehr zu sein (!,#'0  9"7)1'  !'  95*)), von allem abzuscheiden ("*"  /('6" 

"*.'7,*)(%; abscheiden – "(4&/<($; ,-&0&($  / 16'"; ./; scheiden –  0+34&/<($,

"(4&/<($),

Und wie ein Hauch der Nacht hinabzuwallen (,, (7"/!"  .53$!,', .4!"/'!,'  !"#,,

!'(*,()  /!,:: wallen – .,0/)($, ;)%&($  / "  '(0,<?  /; !)'%+4+($  / "  1"/"'+?  /;

'(0+!'(1"1+($),

Zum Reich der Schläfer (-  ;$+(*/4 (&%>,3: das Reich). Zu den Hetairien (-   6'*'+,%0 

/6+'#.: *$2!"' &"7,*,#. "9>'(*/", ("9+$!,'/) 

Page 207: 100 German Poems

7/17/2019 100 German Poems

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Der Toten unten (0'+*/53, /*$0/ /!,:4). Zu den hohen Palästen (-  /5("-,0 ./"+;$0:

der Palást ),

Davon die Bilder ("*+$8'!,% -"*"+53: «"9+$:5 "* -"*"+53»: das Bild )  in dem Strome

ziehen (&+"&75/$<* / &"*"-' = &" +'-': der Strom),

Zu ihren Tafeln (-  ,3 /&+$:.!,#!50/ (*"7$0: die Tafel ), zu den langen Festen (-  ."76,0,."76" .7%>,0(% &+$:.!,-$0: das Fest ).

Wo in den Schalen dunkle Flammen schwellen (6.' / #$1$3 /5943$<* *'0!5' %:5-, 

&7$0'!,: die Schale – #+5+, %)+/+; die Flamme – %/+-< ; schwellen – !+.,?+($  / " 

%"#;+?  /; %0).61+($ / " 1"4& / ),

Wo golden klingen vieler Leiern Saiten (6.' &"-:"7"*"04 :/'!%* 0!"6,3 7,+ (*+4!5: die

Leier; die Saite).Durch hohe Fenster schaun sie auf die Wellen ((-/":)  /5("-,' "-!$  (0"*+%*  "!,  !$ 

/"7!5: das Fenster; die Welle),

 Auf grüne Wiesen in den blassen Weiten (!$  :'7'!5'  &"7%!5  / 97'.!53 .$7%3: die

Wiese; die Weite).

Er scheint zu lächeln aus des Schädels Leere (-$8'*(%, #*" "! 4759$'*(% ,: &4(*"*5 

#'+'&$; leer – %,'("A),

Er schläft, ein Gott, den süßer Traum bezwang ("! (&,*, 9"6, -"*"+"6" &"-"+,7, -"*"+50 

"/7$.'7 (7$."(*!52 ("!: bezwingen; zwingen – %0)!,84+($).

Die Würmer blähen sich in seiner Schwäre (#'+/, &4#$*(%, !$.4/$<*(% / '6" %:/'),

Sie kriechen satt die rote Stirn entlang ("!, &"7:4*, (5*5', /."7) -+$(!"6" 79$).

Ein Falter kommt die Schlucht herab (0"*57'-  (&4(-$'*(% / "/+$6, 4>'7)': der Falter;

herab – (,4+-1!)3). Er ruht ("! (,.,*: «&"-",*(%») 

 Auf Blumen (!$ ;/'*$3: die Blume). Und er senkt sich müd (, "! 4(*$7" "&4(-$'*(%) 

Der Wunde zu (-   +$!', !$  +$!4), dem großen Kelch von Blut (-   9"7)1"2  #$1', -  

9"7)1"04 -49-4, &"7!"04 -+"/,: der Kelch),

Der wie die Sammetrose dunkel glüht (-"*"+52, (7"/!"  «9$+3$*!$%  +":$», «*'0!" 

&57$'*» = &57$'* *'0!50  8$+"0; der Sammet = der Samt – .+0?+(; die Samtblume –

>)0)*+ /  0+'(&!)& '   8&/("-;"0)#!&16-) *1&(+-) ) ')/$!6-  +0"-+("-  / ).

Der Schläfer im Walde

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Seit Morgen ruht er. Da die Sonne rot

Durch Regenwolken seine Wunde traf.

Das Laub tropft langsam noch. Der Wald liegt tot.

Im Baume ruft ein Vögelchen im Schlaf.

Der Tote schläft im ewigen Vergessen,

Umrauscht vom Walde. Und die Würmer singen,

Die in des Schädels Höhle tief sich fressen,

In seine Träume ihn mit Flügelklingen.

Wie süß ist es, zu träumen nach den Leiden

Den Traum, in Licht und Erde zu zerfallen,Nichts mehr zu sein, von allem abzuscheiden,

Und wie ein Hauch der Nacht hinabzuwallen,

Zum Reich der Schläfer. Zu den Hetairien

Der Toten unten. Zu den hohen Palästen,

Davon die Bilder in dem Strome ziehen,

Zu ihren Tafeln, zu den langen Festen.

Wo in den Schalen dunkle Flammen schwellen,

Wo golden klingen vieler Leiern Saiten.

Durch hohe Fenster schaun sie auf die Wellen,

Auf grüne Wiesen in den blassen Weiten.

Er scheint zu lächeln aus des Schädels Leere,

Er schläft, ein Gott, den süßer Traum bezwang.

Die Würmer blähen sich in seiner Schwäre,

Sie kriechen satt die rote Stirn entlang.

Ein Falter kommt die Schlucht herab. Er ruht

Auf Blumen. Und er senkt sich müd

Der Wunde zu, dem großen Kelch von Blut,

Der wie die Sammetrose dunkel glüht.

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Ophelia

1

Im Haar ein Nest von jungen Wasserratten (/ /"7"($3 – 6!':." 0"7".53 /".%!53 -+5(:das Nest; die Ratte),

Und die beringten Hände auf der Flut (, +4-, / -"7);$3: «"-"7);"/$!!5'» !$ /".': «!$ 

&"*"-'»; der Ring – ;"/$*") 

Wie Flossen (-$-  &7$/!,-,: die Flosse), also treibt sie durch den Schatten (*$-  /"* "!$ 

.+'2@4'*, &75/'* (-/":) *'!): der Schatten) 

Des großen Urwalds (9"7)1"6" .'/(*/'!!"6" 7'($; der Wald –  /&' ; ur- – %0+-), der im

Wasser ruht (-"*"+52 &"-",*(% / /".' = "*+$8'!,' -"*"+"6"I).

Die letzte Sonne, die im Dunkel irrt (&"(7'.!'' ("7!;', -"*"+"' 9748.$'* / &"*'0-$3:

das Dunkel; dunkel – (&-!6A),

Versenkt sich tief in ihres Hirnes Schrein (6749"-"  &"6+48$'*(%  /  7$+)  /!$&+,0'+, / 

-"*"+"0 3+$!%*(% 0">,/ '' 0":6$: der Schrein; das Hirn).

Warum sie starb (&"#'04  "!$  40'+7": sterben-starb-gestorben)? Warum sie so allein

(&"#'04 "!$ *$-  ".,!"-") 

Im Wasser treibt (.+'2@4'*  /  /".'), das Farn und Kraut verwirrt (-"*"+4<  //".4/

"&4*$7,, (&4*$7, &$&"+"*!,-, , *+$/5: der Farn – %+%"0"(!); ; das Kraut – (0+1+,

 0+3!"(0+1$&)?

Im dichten Röhricht steht der Wind (/  64(*53 :$+"(7% *+"(*!,-$ (*",* = :$0'+ /'*'+:

das Röhricht; das Rohr – (0,.;+; (0"'(!); ). Er scheucht ("! (&46,/$'*, (6"!%'*) 

Wie eine Hand die Fledermäuse auf (&"."9!" +4-', (7"/!" +4-"2, 7'*4#,3 051'2: die

Fledermaus).

Mit dunklem Fittich (/ *'0!"0 "&'+'!)': der Fittich), von dem Wasser feucht (/7$8!5' 

"* /".5) 

Stehn sie wie Rauch im dunklen Wasserlauf ((*"%*  "!,, &"."9!"  .504, /  *'0!"0 

*'#'!,, /".5: der Rauch; der Lauf –  ?"4, .&2),

Wie Nachtgewölk (&"."9!" !"#!50 *4#$0: die Nacht + das Gewölk ). Ein langer, weißer

 Aal (.7,!!52, 9'752 46"+)) 

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Schlüpft über ihre Brust (&+"(-$7):5/$'* &" '' 6+4.,). Ein Glühwurm scheint ((/'*7%#"-  

(/'*,*: glühen – %6/+($, 2"0&($ + der Wurm – #&01<; ) 

 Auf ihrer Stirn (!$ '' 794). Und eine Weide weint (, ,/$ &7$#'*) 

Das Laub auf sie und ihre stumme Qual (/(/"'2/ 7,(*/"2 !$ !'' , '' !'04< 04-4).

2

Korn (:'+!", &1'!,;$: das Korn). Saaten (&"('/5: die Saat ). Und des Mittags roter

Schweiß (, &"7.!% -+$(!52 &"*).

Der Felder gelbe Winde schlafen still ( 8'7*5' /'*+5 &"7'2 *,3" (&%*: das Feld ).

Sie kommt ("!$ &+,3".,*, &+,&75/$'*), ein Vogel, der entschlafen will (&*,;$, -"*"+$% 

3"#'* 4(!4*), *,3" 40'+'*)).Der Schwäne Fittich überdacht sie weiß ("&'+'!,'  7'9'.'2  &"-+5/$'*  ''  9'750:

«9'7"»: der Schwan).

Die blauen Lider schatten sanft herab (6"7495'  /'-,  !'8!50,  *'!%0,  (&4(-$<*(%,

"&4>'!5  /!,:: das Lid; der Schatten – (&!$; sanft – ;0"(;)A, -<2)A, !&8!6A;

%"/"2)A).

Und bei der Sensen blanken Melodien (,  &+,  (*$7)!53  !$&'/$3  -"(, &".  (*$7)!5' 

0'7".,, -"(: die Sense; blank – ./&'(<>)A, !+#)>&!!6A, 2"/6A) 

Träumt sie von eines Kusses Karmoisin ((!,*(% '2 -$+0,! &";'74%; das Karmoisin = das

Karmesin, das Karmin; der Kuss – %"*&/,A; küssen – *&/"1+($) 

Den ewigen Traum in ihrem ewigen Grab (=*"* /'#!52 ("! / '' /'#!"2 0"6,7').

Vorbei, vorbei (0,0"  /&+"&75/$'*/). Wo an das Ufer dröhnt (6.' ." 9'+'6$ ."!"(,*(%:

dröhnen – 20&-&($, 2,4&($, 20"-6?+($) 

Der Schall der Städte (:/4-   = 140  6"+"."/: die Stadt ). Wo durch Dämme zwingt (6.' 

(-/":) &7"*,!5 &+"*,(-,/$'*(%, &+"9,/$'*(%: der Damm – %/"()!+, 4+-.+) 

Der weiße Strom (9'752  &"*"- ). Der Widerhall erklingt ("*6"7"("-   !$#,!$'*  :/4#$*);

klingen – 31,#+($; erklingen – 3+31,#+($; wider – %0"()1; hallen – 31,#+($, 2,/;" 

 0+34+1+($'< ) 

Mit weitem Echo (( .$7'-,0  =3"0: das Echo). Wo herunter tönt (6.'  /!,:  /&"  47,;'/

:/4#,*) 

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Hall voller Straßen (647 &"7!53, :$&"7!'!!53 47,;). Glocken und Geläut (-"7"-"7$ , 

:/"!: die Glocke; das Geläut; läuten – 31"!)($).

Maschinenkreischen (/,:6  0$1,!, (*$!-"/; kreischen – 1)38+($, %0"!3)(&/$!" 

;0)#+($). Kampf (9"2, 9"+)9$: der Kampf; kämpfen – '0+8+($'< , ."0"($'< ). Wo

westlich droht (6.' ( :$&$.$: «:$&$.!"» 6+":,*) In blinde Scheiben dumpfes Abendrot (/  (7'&5'  "-!$ 04*!52  :$-$*: dumpf – (,%"A,

%0)2/,5&!!6A; '-,(!6A, !&<'!6A; die Scheibe – ";"!!"& '(&;/"),

In dem ein Kran mit Riesenarmen dräut (/ -"*"+"0 -+$! 6,6$!(*-,0, 7$&$0, 46+"8$'*:

der Kran; der Riese – 1&/);+! ; der Arm –  0,;+; dräuen = drohen),

Mit schwarzer Stirn (( #'+!50 79"0), ein mächtiger Tyrann (0"64#,2 *,+$!),

Ein Moloch (N"7"3), drum die schwarzen Knechte knien (/"-+46  -"*"+"6"  (*"%*  !$ -"7'!%3, &+'-7"!,7, -"7'!, #'+!5' (746,).

Last schwerer Brücken (6+4:, 9+'0% *%8'753 0"(*"/: die Last; die Brücke), die darüber

ziehn (-"*"+5' &+"*%6,/$<*(%, &+"*%!4*5 (/'+34 /!$. &"*"-"0/) 

Wie Ketten auf dem Strom (-$-  ;'&, !$ &"*"-': die Kette), und harter Bann (,  8'(*-,2 

&7'!, "-"7."/$!!"(*); der Bann – )32!+!)&, ''6/;+; %0)!,84&!)&; ".+<!)&, #+06 ).

Unsichtbar schwimmt sie in der Flut Geleit (!':+,0"  &75/'*  "!$  /  ("&+"/"8.'!,, 

&"*"-$ = !'("0$% &"*"-"0: das Geleit; leiten – 1&'(), !+%0+1/<($; das Geleit – "?0+!+,

;"!1"A).

Doch wo sie treibt (!"  *$0, 6.'  "!$  .+'2@4'*, 6.'  ''  !'('*), jagt weit den

Menschenschwarm ((6"!%'*  /(&46!4// .$7'-"  7<.(-4<  *"7&4; der Schwarm –  0"A;

';"%/&!)&) 

Mit großem Fittich auf ein dunkler Harm ("6+"0!50 "&'+'!,'0 *'0!$% (-"+9), *'0!$% 

"9,.$; der Harm – %&#+/$, ';"0.$; (<8;+<  ".)4+; auftreiben – '"2!+($),

Der schattet über beide Ufer breit (-"*"+$%  &"-+5/$'*  *'!)<  "9$  9'+'6$, !$/,($'* 

*'!)< !$. "9",0, 9'+'6$0,; breit – 5)0";)A).

Vorbei, vorbei (0,0"). Da sich dem Dunkel weiht (&"(-"7)-4 *'0!"*' &"(/%>$'* ('9%,

&+,!"(,* /  8'+*/4) 

Der westlich hohe Tag des Sommers spät (!$ :$&$.' /5("-,2 .'!) &":.!'6" 7'*$),

Wo in dem Dunkelgrün der Wiesen steht (6.' c*",* / *'0!":'7'!"0  /;/'*', "**'!-'/)

746"/: die Wiese) 

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Des fernen Abends zarte Müdigkeit (.$7)!'6" /'#'+$, :$-$*$ !'8!$% 4(*$7"(*); müde –

,'(+/6A; der Abend – 1&#&0; 3+%+4).

Der Strom trägt weit sie fort (&"*"-   4!"(,*  '' .$7)1': tragen – !&'(); fort – %0"#$;

forttragen – ,!"')($), die untertaucht (-"*"+$%  &"6+48$'*(%  &".  /".4; tauchen –!60<($),

Durch manchen Winters trauervollen Port ((-/":) ,(&"7!'!!52 &'#$7, &"+*  = (-/":) 

(-"+9!5' &+,(*$!,>$ ;'7"6" +%.$ :,0; die Trauer – %&#+/$, ';"0.$).

Die Zeit hinab (/!,: &" /+'-'/ /+'0'!,/). Durch Ewigkeiten fort ((-/":) /'#!"(*, /&+"#),

0,0"/): die Ewigkeit; ewig – 1&#!6A),

Davon ("*  -"*"+53, -"*"+50,)  der Horizont wie Feuer raucht (6"+,:"!*, -$-   "6"!),

.50,*(%: das Feuer ).

Ophelia

1

Im Haar ein Nest von jungen Wasserratten,

Und die beringten Hände auf der Flut

Wie Flossen, also treibt sie durch den Schatten

Des großen Urwalds, der im Wasser ruht.

Die letzte Sonne, die im Dunkel irrt,

Versenkt sich tief in ihres Hirnes Schrein.

Warum sie starb? Warum sie so allein

Im Wasser treibt, das Farn und Kraut verwirrt?

Im dichten Röhricht steht der Wind. Er scheucht

Wie eine Hand die Fledermäuse auf.

Mit dunklem Fittich, von dem Wasser feucht

Stehn sie wie Rauch im dunklen Wasserlauf,

Wie Nachtgewölk. Ein langer, weißer Aal

Schlüpft über ihre Brust. Ein Glühwurm scheint

Auf ihrer Stirn. Und eine Weide weint

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Das Laub auf sie und ihre stumme Qual.

2

Korn. Saaten. Und des Mittags roter Schweiß.Der Felder gelbe Winde schlafen still.

Sie kommt, ein Vogel, der entschlafen will.

Der Schwäne Fittich überdacht sie weiß.

Die blauen Lider schatten sanft herab.

Und bei der Sensen blanken Melodien

Träumt sie von eines Kusses KarmoisinDen ewigen Traum in ihrem ewigen Grab.

Vorbei, vorbei. Wo an das Ufer dröhnt

Der Schall der Städte. Wo durch Dämme zwingt

Der weiße Strom. Der Widerhall erklingt

Mit weitem Echo. Wo herunter tönt

Hall voller Straßen. Glocken und Geläut.

Maschinenkreischen. Kampf. Wo westlich droht

In blinde Scheiben dumpfes Abendrot,

In dem ein Kran mit Riesenarmen dräut,

Mit schwarzer Stirn, ein mächtiger Tyrann,

Ein Moloch, drum die schwarzen Knechte knien.

Last schwerer Brücken, die darüber ziehn

Wie Ketten auf dem Strom, und harter Bann.

Unsichtbar schwimmt sie in der Flut Geleit.

Doch wo sie treibt, jagt weit den Menschenschwarm

Mit großem Fittich auf ein dunkler Harm,

Der schattet über beide Ufer breit.

Vorbei, vorbei. Da sich dem Dunkel weiht

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Der westlich hohe Tag des Sommers spät,

Wo in dem Dunkelgrün der Wiesen steht

Des fernen Abends zarte Müdigkeit.

Der Strom trägt weit sie fort, die untertaucht,Durch manchen Winters trauervollen Port.

Die Zeit hinab. Durch Ewigkeiten fort,

Davon der Horizont wie Feuer raucht.

Georg Trakl (1889 – 1914) 

Verfall (+$(&$., +$:7"8'!,': der Verfall; fallen – %+4+($)

 Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten (/'#'+"0, -"6.$ -"7"-"7$ «:/"!%* 0,+» =

:/"!"0 &+,:5/$<* -  0,+4, &"-"<: die Glocke; der Friede),

Folg’ ich der Vögel wundervollen Flügen ((7'84 % :$ #4.'(!50,: «,(&"7!'!!50, #4.$»

&"7'*$0, &*,;: der Vogel; der Flug; das Wunder – #,4"),

Die lang geschart (-"*"+5'  .7,!!50,  -"(%-$0,, (9,/1,()  /  .7,!!5'  -"(%-,; die

Schar – ;"'<; ), gleich frommen Pilgerzügen (&"."9!"  (0,+'!!50, 97$6"#'(*,/50 

/'+'!,;$0  &$7"0!,-"/: der Pilger – %+/"-!); ; der Zug – 5&'(1)&, ;"/"!!+,

1&0&!)*+),

Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten (,(#':$<* / &"-"('!!'04 %(!53 .$7%3: die

Weite; der Herbst – "'&!$).

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten (9+'.% (-/":) (40'+'#!52 ($.; dämmern

 – '-&0;+($'< ) 

Träum’ ich nach ihren helleren Geschicken (%  0'#*"<  4!"14()  /(7'.  :$  ,3  /9"7''/

(/'*750, (4.)9$0,: das Geschick ) 

Und fühl’ der Stunden Weiser kaum mehr rücken (,  &"#*,  9"7)1'  !'  #4/(*/4<, !' 

">4>$<, -$-  ./,6$<*(%, (./,6$<*(% (*+'7-, #$("/: der Weiser; weisen – ,;+361+($).

So folg’ ich über Wolken ihren Fahrten (*$-  (7'84 % :$ ,3 7'*"0: «&"7'*$0,» !$., :$ 

"97$-$0,: die Fahrt – &34+, 41)8&!)&,  ?"4; die Wolke).

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Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern (*4*  .4!"/'!,'  +$(&$.$, 4&$.-$ 

:$(*$/7%'* 0'!%  (".+"6!4*)(%, *4*  /  .4!"/'!,, 0!'  /.+46  ">4>$'*(%  +$(&$.: der

Hauch; zittern – 40"8+($).

Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen (#'+!52 .+":.  8$7"9!" &"'* / 9':7,(*53 

/'*/%3: klagen –  8+/"1+($'< , %0)#)(+($; das Laub –  /)'(1+; der Zweig – 1&(;+).Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern (-$#$'*(% -+$(!52 /,!"6+$. = -+$(!5' 

7,(*)% /,!"6+$.$ !$ +8$/53 +'1'*-$3: das Gitter; der Rost –  08+1#)!+),

Indes wie blasser Kinder Todesreigen (/  *"  /+'0%  -$- , (7"/!"  97'.!53  .'*'2 

«(0'+*!52 3"+"/".» = 3"+"/". (0'+*,: der Tod – '-&0($; der Reigen –  ?"0"1"4) 

Um dunkle Brunnenränder (/"-+46 *'0!53 -+$'/ -"7".;$: der Brunnen – ;"/"4&*; der

Rand – ;0+A;  0+!(), die verwittern (-"*"+5' /5/'*+,/$<*(%, +$:+41$<*(%),Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen (!$ /'*+4, (7'6-$ :$0'+:$% /.+"8$ "* ":!"9$,

":%91,'/ (-7"!%<*(%, -7"!%*(% 6"7495' $(*+5: die Aster; der Frost – -"0"3; frösteln –

3<.!,($).

Verfall

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,

Folg’ ich der Vögel wundervollen Flügen,

Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,

Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten

Träum’ ich nach ihren helleren Geschicken

Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.

So folg’ ich über Wolken ihren Fahrten.

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.

Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.

Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

Indes wie blasser Kinder Todesreigen

Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,

Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

Page 216: 100 German Poems

7/17/2019 100 German Poems

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Verklärter Herbst ((,%<>$%, &+'"9+$8'!!$% "('!): klar –  <'!6A, '1&(/6A; verklären

 – %0&".0+8+($; sich verklären – %0&".0+8+($'< , %0"'1&(/&($)

Gewaltig endet so das Jahr ((*"7) 0">!"  = /'("0"  "-$!#,/$'*(%  6".; die Gewalt –-">$, ')/+) 

Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten (( :"7"*50 /,!"6+$."0 , &7".$0, ($."/: der

Wein – 1)!" / 20+4 /; der Frucht; der Garten).

Rund schweigen Wälder wunderbar (-+46"0  #4.'(!"  9':0"7/(*/4<*  7'($: der Wald;

schweigen – -"/#+($) 

Und sind des Einsamen Gefährten (,  %/7%<*(%  (&4*!,-$0,  ".,!"-"6": der Gefährte;

einsam – "4)!";)A).

Da sagt der Landmann (*4* = *"6.$ 6"/"+,* ('7%!,!): Es ist gut (=*" 3"+"1").

Ihr Abendglocken lang und leise (/5, /'#'+!,' -"7"-"7$, &+"*%8!5' , !'6+"0-,': der

 Abend + die Glocke)

Gebt noch zum Ende frohen Mut (.$+4'*': «.$'*'» '>'  &".  -"!';  +$."(*!"' 

">4>'!,', +$."(*!52 .43: das Ende).

Ein Vogelzug grüßt auf der Reise ((*$% &'+'7'*!53 &*,; &+,/'*(*/4'*, 17'* &+,/'* / 

&"7'*': «&4*'1'(*/,,», &+"7'*$% 0,0"; ziehen – (<!,($ / '<  /; %&0&&38+($).

Es ist der Liebe milde Zeit (=*" 0%6-"', *,3"' /+'0% 7<9/,).

Im Kahn den blauen Fluss hinunter (/ #'7!' /!,: &" 6"749"2 +'-') 

Wie schön sich Bild an Bildchen reiht (-$-   &+'-+$(!", #4.!"  -$+*,!$, "*+$8'!,' 

(7'.4'*, (*+",*(% :$ -$+*,!-"2: dich reihen – '(+!"1)($'<  1  0<4; die Reihe –  0<4; das

Bild – ;+0()!;+, )3".0+8&!)&) –

Das geht in Ruh und Schweigen unter (=*"  (/(') &"6+48$'*(%  /  &"-"'  ,  0"7#$!,, 

/6749): untergehen – 3+?"4)($ / " '1&()/& /; ("!,($, )4() ;" 4!, ; %"2).+($).

Verklärter Herbst

Gewaltig endet so das Jahr

Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.

Rund schweigen Wälder wunderbar

Und sind des Einsamen Gefährten.

Page 217: 100 German Poems

7/17/2019 100 German Poems

http://slidepdf.com/reader/full/100-german-poems 217/229

 

Da sagt der Landmann: Es ist gut.

Ihr Abendglocken lang und leise

Gebt noch zum Ende frohen Mut.

Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

Es ist der Liebe milde Zeit.

Im Kahn den blauen Fluss hinunter

Wie schön sich Bild an Bildchen reiht –

Das geht in Ruh und Schweigen unter.

De profundis (De profundis clamavi – ,: 6749,!5 /"::/$3 /7$*./)

Es ist ein Stoppelfeld, in das ein schwarzer Regen fällt (/=*", /"*/ (8$*"' &"7', / -"*"+"' 

&$.$'* #'+!52 ."8.); die Stoppel –  8!)1$&, '(&0!< ; das Feld – %"/&).

Es ist ein brauner Baum, der einsam dasteht (-"+,#!'/"' .'+'/", -"*"+"'  (*",*  *4* 

".,!"-").

Es ist ein Zischelwind, der leere Hütten umkreist ((/,(*%>,2, 1'&'7%/52  /'*'+,

"/'/$<>,2, .4<>,2 /"-+46 &4(*53 3,8,!: die Hütte; umkreisen – ";0,8+($; zischen –

5&%(+($; 5)%&($).

Wie traurig dieser Abend (-$-  6+4(*'! =*"* /'#'+).

 Am Weiler vorbei (0,0" .'+'/41-, /&+"3".%/: der Weiler – !&."/$5+<  / )3 !&';"/$;)?  

41"0"1 / 4&0&1!< ) 

Sammelt die sanfte Waise noch spärliche Ähren ein (("9,+$'*  *,3$%  (,+"*$  '>' 

(-4.!5'  -"7"(-,: die Ähre – ;"/"' ; sanft – -<2;)A, !&8!6A, ()?)A; sparen –

'.&0&2+($, C;"!"-)($).

Ihre Augen weiden rund und goldig in der Dämmerung (''  67$:$  (0"*+%*, -+4675'  , 

:"7"*,(*5', / (40'+-,; weiden – %+'(); sich weiden – !+'/+84+($'< ; '0+1!)(&: die

 Augenweide – 3+2/<4&!$&,  0+4"'($ 4/<  2/+3) 

Und ihr Schoß harrt des himmlischen Bräutigams ($ '' 7"!" #$'* !'9'(!"6"  8'!,3$: der

Schoß; harren –  84+($, "8)4+($ / 16'"; ./ ).

Bei ihrer Heimkehr (-"6.$ "!$ /'+!47$(): &+, '' /":/+$>'!,,; das Heim – /  0"4!"A /

4"- ; kehren – %"1"0+#)1+($, 1"310+>+($'< ) 

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7/17/2019 100 German Poems

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Fanden die Hirten den süßen Leib (&$(*43, !$17, !'8!"': «(7$.-"'» *'7") 

Verwest im Dornenbusch (+$:7"8,/1,0(%  /  -4(*'  *'+!"/!,-$; der Dorn – 5)% ,

;"/=#;+).

Ein Schatten bin ich ferne finsteren Dörfern (%  – *'!), .$7'-$%  "* 0+$#!53, *'0!53 .'+'/'!): «0+$#!50 .'+'/!%0»: das Dorf; der Schatten).

Gottes Schweigen (0"7#$!,' H"6$) 

Trank ich aus dem Brunnen des Hains (&,7  %  ,:  ,(*"#!,-$  +">,  = !$3".%>'6"(%  / 

+">': der Hain).

 Auf meine Stirne tritt kaltes Metall (!$ 0"2 7"9 (*4&$'*, !$(*4&$'* 3"7".!52 0'*$77:

treten) Spinnen suchen mein Herz (&$4-, ,>4* 0"' ('+.;': die Spinne).

Es ist ein Licht, das meinen Mund erlöscht (=*" (/'*, -"*"+52  6$(,*/&"6$(,* 0"2 +"*  /

4*"7,*  8$8.4 0"'6" +*$: das Licht; erlöschen – 2+')($; löschen – 2+')($; den Durst

löschen – ,("/<($  8+84, ).

Nachts fand ich mich auf einer Heide (!"#)< % "#4*,7(% !$ //'+'(-"/"2/ &4(*"1,),

Starrend von Unrat und Staub der Sterne (&'+'&"7!'!!"2/&'+'&"7!'!!52  ("+"0  , 

&57)< :/':.: der Unrat; der Staub; der Stern; starr – !&%"41)8!6A, 3+'(615)A; starren

 – '-"(0&($, ,'(+1)15)'$, 3+#+0"1+!!"; #&- - /)." .6($ %"/!"'($= %";06(6-   / ) 

%"("-,  ";+-&!&15)-  /, '0+1!)(&: seine Kleidung, das Zimmer starrt vor/von Schmutz;

.6($ %&0&%"/!&!!6-  #&- - /)." / (+; , #(" ;0"-& C("2" !)#&2" !& 1)4!" /, '0+1!)(&:

sie starrte von Perlen und Diamanten).

Im Haselgebüsch (/ "+'1!,-': der Haselgebüsch; die Haselnuss –  /&'!"A "0&? ) 

Klangen wieder kristallne Engel ((!"/$  /:$/:/4#$7, -+,(*$7)!5'/3+4(*$7)!5' $!6'75:

klingen-klang-geklungen).

De profundis

Es ist ein Stoppelfeld, in das ein schwarzer Regen fällt.

Es ist ein brauner Baum, der einsam dasteht.

Es ist ein Zischelwind, der leere Hütten umkreist.

Wie traurig dieser Abend.

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7/17/2019 100 German Poems

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Am Weiler vorbei

Sammelt die sanfte Waise noch spärliche Ähren ein.

Ihre Augen weiden rund und goldig in der Dämmerung

Und ihr Schoß harrt des himmlischen Bräutigams.

Bei ihrer Heimkehr

Fanden die Hirten den süßen Leib

Verwest im Dornenbusch.

Ein Schatten bin ich ferne finsteren Dörfern.

Gottes Schweigen

Trank ich aus dem Brunnen des Hains.

Auf meine Stirne tritt kaltes Metall

Spinnen suchen mein Herz.

Es ist ein Licht, das meinen Mund erlöscht.

Nachts fand ich mich auf einer Heide,

Starrend von Unrat und Staub der Sterne.

Im Haselgebüsch

Klangen wieder kristallne Engel.

Grodek

 Am Abend tönen die herbstlichen Wälder (/'#'+"0 :/4#$* "('!!,' 7'($: der Wald; der

Herbst – "'&!$) 

Von tödlichen Waffen ("* (0'+*'7)!"6", (0'+*"!"(!"6" "+48,%: die Waffe; der Tod –

'-&0($), die goldnen Ebenen (:"7"*5', :"7"*,(*5'  +$/!,!5: die Ebene; eben –

 0"1!6A) 

Und blauen Seen (, 6"7495' ":'+$: der See), darüber die Sonne (!$. -"*"+50, ("7!;') 

Düstrer hinrollt (0+$#!"  -$*,*(%; hin – (,4+); umfängt die Nacht ("3/$*5/$'*  !"#);

fangen –  /"1)($) 

Sterbende Krieger (40,+$<>,3  /",!"/: sterben – ,-)0+($; der Krieg – 1"A!+), die

wilde Klage (.,-$% = "*#$%!!$%  8$7"9$, (*+$1!5' (*'!$!,%) 

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Ihrer zerbrochenen Münder (,3  +$:"+/$!!53: «+$:9,*53» +*"/: zerbrechen –

 0+3.)1+($,  0+3/+-61+($; brechen –  /"-+($; der Mund ).

Doch stille sammelt im Weidengrund (".!$-" 0'.7'!!" ("9,+$'*(% / 746"/"2 !,:,!':

die Weide – %+'(.)>&, 162"!  + der Grund – 3&-/< , 20,!(; 4!") 

Rotes Gewölk (-+$(!"'  "97$-", -+$(!$%  .50-$; die Wolke – "./+;"), darin einzürnender Gott wohnt (/ -"*"+"0  8,/'*, "9,*$'* 6!'/!52: «6!'/$<>,2(%» 9"6; zürnen

 – 2!&1+($'< ; der Zorn – 2!&1) 

Das vergossne Blut sich (&+"7,*$%  -+"/)  /("9,+$'*(%, (-$&7,/$'*(%: sich sammeln/),

mondne Kühle (74!!$%, «74!!,(*$%» &+"37$.$; der Mond –  /,!+);

 Alle Straßen münden in schwarze Verwesung (/(' 47,;5 /&$.$<*, /7,/$<*(%, /53".%* 

/ #'+!"' +$:7"8'!,', *7'!,': münden – 1%+4+($; 16?"4)($  / ".  ,/)*& /; verwesen –

(/&($, 2!)($,  0+3/+2+($'< ).Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen (&". :"7"*50, /'*/%0, !"#, , :/':.;

der Zweig – 1&(;+; das Gezweig – 1&(1), 1&(1<>+<'<  ;0"!+; der Stern) 

Es schwankt der Schwester Schatten (&+"3".,*, -$#$%(), *'!)  ('(*+5: schwanken –

;+#+($'< , ;"/&.+($'< ) durch den schweigenden Hain ((-/":), #'+': 0"7#$>4< +">4;

schweigen – -"/#+($),

Zu grüßen die Geister der Helden (#*"95 &"&+,/'*(*/"/$*) .41,  6'+"'/: der Geist –

4,? ; der Held ), die blutenden Häupter (,(*'-$<>,' -+"/)< 67$/5: das Haupt; das Blut –

;0"1$);

Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes (,  *,3"  :/4#$*  /  *+"(*!,-' 

*'0!5' = !,:-,' @7'2*5 "('!,: das Rohr – (0,.+, (0"'(!); , 3+0"'/) (0"'(!);+;

die Flöte).

O stolzere Trauer ("  9"7''  6"+.$%  (-"+9): stolz – 2"046A)! ihr ehernen Altäre (/5,

 8'7':!5' $7*$+,: ehern –  8&/&3!6A / 16'"; ./; der Altar ),

Die heiße Flamme des Geistes ( 8$+-"' &7$0% .43$) nährt heute ein gewaltiger Schmerz

(&,*$'* !5!#' "6+"0!$% 9"7); die Gewalt – 1/+'($; !+')/)&; ')/+, -">$),

Die ungebornen Enkel (!'+"8.'!!5'  /!4-,: geboren –  0"84&! ; gebären –  0"84+($,

 0"4)($ / 16'"; ./ ).

Grodek

Am Abend tönen die herbstlichen Wälder

Von tödlichen Waffen, die goldnen Ebenen

Und blauen Seen, darüber die Sonne

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Düstrer hinrollt; umfängt die Nacht

Sterbende Krieger, die wilde Klage

Ihrer zerbrochenen Münder.

Doch stille sammelt im Weidengrund

Rotes Gewölk, darin ein zürnender Gott wohntDas vergossne Blut sich, mondne Kühle;

Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.

Unter goldnem Gezweig der Nacht und Sternen

Es schwankt der Schwester Schatten durch den schweigenden Hain,

Zu grüßen die Geister der Helden, die blutenden Häupter;

Und leise tönen im Rohr die dunkeln Flöten des Herbstes.

O stolzere Trauer! ihr ehernen Altäre,Die heiße Flamme des Geistes nährt heute ein gewaltiger Schmerz,

Die ungebornen Enkel.

Paul Celan (1920 – 1970) 

Todesfuge (@46$ (0'+*,: der Tod + die Fuge)

Schwarze Milch der Frühe (#'+!"' 0"7"-"  /4*+'!!'2/ +$!,) wir trinken sie abends (05 

&)'0 '6" /'#'+"0) 

wir trinken sie mittags (/  &"7.'!))  und morgens (,  &"  4*+$0)  wir trinken sie nachts

(!"#)<) 

wir trinken und trinken

wir schaufeln ein Grab in den Lüften (05 -"&$'0 0"6,74 / /":.41!"0 &+"(*+$!(*/', / 

!'9': «/ /":.43$3»: die Luft ) da liegt man nicht eng (*$0 7'8,1), *$0 7'8$* !' *'(!":

eng – (&'!6A, ,3;)A) 

Ein Mann wohnt im Haus (".,!  #'7"/'- , 048#,!$  8,/'*  /  ."0')  der spielt mit den

Schlangen ("! ,6+$'* (" :0'%0,: die Schlange) der schreibt ("! &,1'*) 

der schreibt wenn es dunkelt (-"6.$  *'0!''*: dunkeln; dunkel – (&-!6A)  nach

Deutschland (/  D'+0$!,<)  dein goldenes Haar (*/",  :"7"*5', :"7"*,(*5'  /"7"(5) 

Margarete

er schreibt es und tritt vor das Haus (/53".,* ,: ."0$: «(*4&$'* &+'. ."0»: treten) und

es blitzen die Sterne (,  (/'+-$<*, 97'(*%*  :/':.5: der Stern)  er pfeift seine Rüden

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herbei ("! (/,(*"0 &".:5/$'*  -  ('9' (/",3  -"9'7'2: der Rüde; pfeifen – '1)'(&($;

herbei – '=4+, ;  '&.&) 

er pfeift seine Juden hervor ((/,(*"0 /5:5/$'* (/",3 '/+''/ !$+484: der Jude; hervor –

'=4+ !+0,8, ) lässt schaufeln ein Grab in der Erde (:$(*$/7%'* -"&$*) 0"6,74 / :'07') 

er befiehlt uns ("!  &+,-$:5/$'*  !$0: befehlen)  spielt auf nun zum Tanz ((56+$2*'--$ *'&'+) -  *$!;4 = &".56+$2*' .7% *$!;$) 

Schwarze Milch der Fr ühe wir trinken dich nachts

wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends

wir trinken und trinken

Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt

der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar MargareteDein aschenes Haar (*/",  &'&'7)!5'  /"7"(5; die Asche – %&%&/ )  Sulamith wir

schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Er ruft ("!  -+,#,*, &+,:5/$'*)  stecht tiefer ins Erdreich ihr einen (/*5-$2*'  /7"&$*5/

67498'  /  &"#/4: die Erde – 3&-/<   + das Reich – *+0'(1", «%0"!);+A(&  2/,.8&  1 

%"43&-!"& *+0'(1"»; stechen – ;"/"($, 1(6;+($) ihr andern singet und spielt (/$/ /5 

.+46,', "(*$7)!5' &"2*' , ,6+$2*') 

er greift nach dem Eisen im Gurt ("! 3/$*$'*(% :$  8'7':" / &"%(' = -"*"+"' 4 !'6" :$ 

&"%("0, :$ +'0!'0: das Eisen; der Gurt –  0&-&!$, %"<' ) er schwingts ("! +$:0$3,/$'* 

,0) seine Augen sind blau (4 !'6" 6"7495' 67$:$: «'6" 67$:$ – 6"7495'») 

stecht tiefer die Spaten (7"&$*5: der Spaten) ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz

auf (&+"."78$2*' ,6+$*) *$!';, $--"0&$!,+"/$*) *$!;4) 

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts

wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends

wir trinken und trinken

ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete

dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süßer den Tod (,6+$2*' (7$>', (7$."(*!'2 (0'+*) = 0'7".,< (0'+*,) der

Tod ist ein Meister (0$(*'+) aus Deutschland

er ruft streicht dunkler die Geigen (,6+$2*' 9"7'' !,:-,0 *"!"0: «*'0!''» !$ (-+,&-$3:

streichen – 2/+4)($, %0"1"4)($  /  0,;"A /; 1"4)($  / '-6#;"-  /; die Geige streichen –

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)20+($ !+ ';0)%;& / ,'(./ ) dann steigt ihr als Rauch in die Luft (*"6.$ &".!,0'*'() /5 / 

/,.' .50$, .50"0 / /":.43: der Rauch) 

dann habt ihr ein Grab in den Wolken (*"6.$ 4 /$( 94.'* 0"6,7$ / "97$-$3: die Wolke) 

da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts

wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland

wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken

der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau ('6" 67$: – 6"749"2) 

er trifft dich mit bleierner Kugel ("! &"&$.$'* / *'9% (/,!;"/"2 &47'2: treffen; das Blei –

'1)!&*) er trifft dich genau (*"#!") 

ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margareteer hetzt seine Rüden auf uns ("! !$*+$/7,/$'* !$ !$( (/",3 -"9'7'2) er schenkt uns

(.$+,* !$0) ein Grab in der Luft

er spielt mit den Schlangen und träumet (, 0'#*$'*, /,.,* (!5) der Tod ist ein Meister

aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete

dein aschenes Haar Sulamith

Todesfuge

Schwarze Milch der Frühe wir trinken sie abends

wir trinken sie mittags und morgens wir trinken sie nachts

wir trinken und trinken

wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man nicht eng

Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt

der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete

er schreibt es und tritt vor das Haus und es blitzen die Sterne er pfeift seine Rüden

herbei

er pfeift seine Juden hervor lässt schaufeln ein Grab in der Erde

er befiehlt uns spielt auf nun zum Tanz

Schwarze Milch der Fr ühe wir trinken dich nachts

wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abends

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wir trinken und trinken

Ein Mann wohnt im Haus der spielt mit den Schlangen der schreibt

der schreibt wenn es dunkelt nach Deutschland dein goldenes Haar Margarete

Dein aschenes Haar Sulamith wir schaufeln ein Grab in den Lüften da liegt man

nicht eng

Er ruft stecht tiefer ins Erdreich ihr einen ihr andern singet und spielt

er greift nach dem Eisen im Gurt er schwingts seine Augen sind blau

stecht tiefer die Spaten ihr einen ihr andern spielt weiter zum Tanz auf

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts

wir trinken dich morgens und mittags wir trinken dich abendswir trinken und trinken

ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete

dein aschenes Haar Sulamith er spielt mit den Schlangen

Er ruft spielt süßer den Tod der Tod ist ein Meister aus Deutschland

er ruft streicht dunkler die Geigen dann steigt ihr als Rauch in die Luft

dann habt ihr ein Grab in den Wolken da liegt man nicht eng

Schwarze Milch der Frühe wir trinken dich nachts

wir trinken dich mittags der Tod ist ein Meister aus Deutschland

wir trinken dich abends und morgens wir trinken und trinken

der Tod ist ein Meister aus Deutschland sein Auge ist blau

er trifft dich mit bleierner Kugel er trifft dich genau

ein Mann wohnt im Haus dein goldenes Haar Margarete

er hetzt seine Rüden auf uns er schenkt uns ein Grab in der Luft

er spielt mit den Schlangen und träumet der Tod ist ein Meister aus Deutschland

dein goldenes Haar Margarete

dein aschenes Haar Sulamith

(1948)

Gottfried Benn (1886 – 1956) 

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Astern (!"#$%: die Aster )

 Astern – schwelende Tage (*7'<>,' .!,),

alte Beschwörung ((*$+"'  :$-7,!$!,', :$6"/"+; beschwören – 3+;/)!+($,3+2"1+0)1+($; schwören – ;/<'($'< ), Bann (#$+5: der Bann; bannen – %0);"161+($,

"#+0"161+($, %/&!<($),

die Götter halten die Waage

eine zögernde Stunde an (9"6,  4.'+8,/$<*  /'(5  ".!"  0'.7%>'', -"7'97<>''(% 

06!"/'!,': «#$(»).

Noch einmal die goldenen Herden ('>' +$: :"7"*5' (*$.$: die Herde) der Himmel (!'9'(: der Himmel – !&."), das Licht der Flor ((/'* ;/'*"#!53 ;$+(*/: der

Flor – *1&(&!)&; )3".)/)& *1&("1; der Flor – die Flore),

was brütet (#*" /5(,8,/$'*) das alte Werden ((*$+"' (*$!"/7'!,' = ,!(*,!-*, *%6$ -  

&'+'0'!$0, -  *"04, #*"95 #'0-7,9" (*$*); werden – '(+!"1)($'< ) 

unter den sterbenden Flügeln vor (,:-&". 40,+$<>,3 -+57)'/: der Flügel )?

Noch einmal das Ersehnte ( 8'7$!!"'; *", #*"  (*+$(*!"   8'7$7"(), #'6"  (*+$(*!" 

3"*'7"(); ersehnen – '(0+'(!"   8&/+($; sich sehnen nach etwas, jemandem –

("';"1+($, ';,#+($; '(0+'(!"  8&/+($),

den Rausch ("&)%!'!,'), der Rosen Du (B5 +": = +":5, 6"/"+%>,' *'9' '*5') –

der Sommer stand (7'*" (*"%7": stehen) und lehnte (, &+,(7"!,7"()) 

und sah den Schwalben zu (, (0"*+'7" !$ 7$(*"#'- : die Schwalbe; sehen),

noch einmal ein Vermuten (."6$.-$, &+'.&"7"8'!,'; vermuten – %0&4%"/+2+($;

4"2+461+($'< , %"4"30&1+($),

wo längst (6.' 48' .$/!50-.$/!") Gewissheit wacht (4/'+'!!"(*) 9".+(*/4'*; gewiss

 – "%0&4&/&!!6A, )31&'(!6A; wissen – 3!+($):

die Schwalben streifen die Fluten (7$(*"#-, -$($<*(% /"., :$.'/$<* /"7!5; die Flut –

%"(";  1"46 ; die Fluten – 1"/!6 ) 

und trinken Fahrt und Nacht (, &)<* &4*'1'(*/,' , !"#); die Fahrt – &34+, 41)8&!)&,

 ?"4; %"&34;+, %/+1+!)&; fahren – &?+($; die Nacht ).

Astern

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Astern – schwelende Tage,

alte Beschwörung, Bann,

die Götter halten die Waage

eine zögernde Stunde an.

Noch einmal die goldenen Herden

der Himmel, das Licht der Flor,

was brütet das alte Werden

unter den sterbenden Flügeln vor?

Noch einmal das Ersehnte,den Rausch, der Rosen Du –

der Sommer stand und lehnte

und sah den Schwalben zu,

noch einmal ein Vermuten,

wo längst Gewissheit wacht:

die Schwalben streifen die Fluten

und trinken Fahrt und Nacht.

Durch jede Stunde –

Durch jede Stunde (#'+':, (-/":) -$8.52 #$(),

durch jedes Wort ((-/":) -$8."' (7"/") 

blutet die Wunde (-+"/"*"#,* +$!$) 

der Schöpfung fort (*/"+'!,% .$7)1' = &+"."78$'* ,(*'-$*) -+"/)<),

verwandelnd Erde (&+'/+$>$% :'07<: die Erde) 

und tropft den Seim (, -$&$'* 64(*50 ("-"0: der Seim – -&4, %+(";+, 2,'("A '"; ) 

ans Herz dem Werde (!$ ('+.;' (*$!"/7'!,<: «!$ ('+.;' H4.)») 

und kehret heim (, /":/+$>$'*(% ."0"2).

Gab allem Flügel (.$7$ /('04 -+57)%: der Flügel; geben-gab-gegeben),

was Gott erschuf (#*" ("*/"+,7 H"6; schaffen-schuf-geschaffen – (1"0)($),

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den Skythen die Bügel ((-,@4 – (*+'0'!$: der Bügel ) 

dem Hunnen den Huf (64!!4 – -"&5*") –

nur nicht fragen (*"7)-" !' (&+$1,/$*)),

nur nicht verstehn (*"7)-" !' &"!,0$*));den Himmel tragen (!'9" !'(4*),

die weitergehn (/*'/ -*" ,.4* .$7)1', &+"."78$<* ,.*,),

nur diese Stunde (*"7)-" =*"* #$() 

ihr Sagenlicht ('6" (-$:"#!52 (/'*: die Sage – ';+3+!)&, '+2+; das Licht – '1&() 

und dann die Wunde (, &"*"0, , -+"0' =*"6" +$!$),

mehr gibt es nicht (9"7)1' /!,#'6"/ !'*).

Die Äcker bleichen (&"7% *4(-!'<*: der Acker – %"/& / %+5!<  /; bleich – ./&4!6A),

der Hirte rief (&$(*43 &":/$7, &+"-+,#$7: rufen-rief-gerufen),

das ist das Zeichen (=*" :!$- ):

tränke dich tief (&+"&,*$2(%, !$(5*)(% 6749"-"),

den Blick in Bläue (/:7%. / !'9'($, / 6"749,:!4),

ein Ferngesicht (.$7'-,2 7,- : das Gesicht –  /)*"):

das ist die Treue (=*" /'+!"(*); treu – 1&0!6A, %0&4+!!6A),

mehr gibt es nicht,

Treue den Reichen (/'+!"(*) /*'0/ ;$+(*/$0),

die alles sind (-"*"+5' %/7%<*(% /('0),

Treue dem Zeichen (/'+!"(*) :!$-4),

wie schnell es rinnt (-$-  95(*+" "! !' *'-  95),

ein Tausch, ein Reigen ("90'!, 3"+"/".: der Tausch; der Reigen; tauschen – -&!<($),

ein Sagenlicht,

ein Rausch aus Schweigen ("&)%!'!,', 4&"'!,' / 140, 1'7'(* ,: 0"7#$!,%),

mehr gibt es nicht.

Durch jede Stunde –

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Durch jede Stunde,

durch jedes Wort

blutet die Wunde

der Schöpfung fort,

verwandelnd Erde

und tropft den Seim

ans Herz dem Werde

und kehret heim.

Gab allem Flügel,

was Gott erschuf,den Skythen die Bügel

dem Hunnen den Huf –

nur nicht fragen,

nur nicht verstehn;

den Himmel tragen,

die weitergehn,

nur diese Stunde

ihr Sagenlicht

und dann die Wunde,

mehr gibt es nicht.

Die Äcker bleichen,

der Hirte rief,

das ist das Zeichen:

tränke dich tief,

den Blick in Bläue,

ein Ferngesicht:

das ist die Treue,

mehr gibt es nicht,

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Treue den Reichen,

die alles sind,

Treue dem Zeichen,

wie schnell es rinnt,

ein Tausch, ein Reigen,

ein Sagenlicht,

ein Rausch aus Schweigen,

mehr gibt es nicht.