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1 Thorsten Gromes Vorlesung Politische Ordnungen 11. Juni 2010 Friedens- und Konfliktforschung II: Frieden

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Thorsten Gromes

VorlesungPolitische Ordnungen

11. Juni 2010

Friedens- und Konfliktforschung II:

Frieden

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Rückblick auf die letzte Sitzung

Krieg / bewaffneter Konflikt

Kriegstypen

Kriegsursachen

Völkermord

2

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Kriegsdefinition der AKUF

Krieg ist ein gewaltsamer Massenkonflikt, der alle

folgenden Merkmale aufweist:

1. An den Kämpfen beteiligen sich zwei oder mehr

Streitkräfte, bei denen es sich zumindest auf einer

Seite um Truppen der Regierung handelt.

2. Auf allen Seiten gibt es ein Mindestmaß zentral

organisierter Kriegsführung.

3. Die bewaffneten Operationen ereignen sich mit

gewisser Kontinuität.

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Bewaffnete Konflikte nach AKUF

Bewaffnete Konflikte erfüllen die Kriterien der

Kriegsdefinition nicht im vollen Umfang.

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Definitionenim Uppsala Conflict Data Program

Ein bewaffneter Konflikt / Krieg liegt vor,

• wenn zwei Parteien, darunter mindestens die Regierung

eines Staates,

• eine Inkompatibilität mit Waffen austragen.

• Kommen so mindestens 25 Menschen im Kalenderjahr

ums Lebens, liegt ein bewaffneter Konflikt vor,

• sterben dadurch mind. 1.000 Menschen im Kalenderjahr,

handelt es sich um einen Krieg.

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Kriegstypen nach AKUF

A) Anti-Regime-Kriege,

B) Autonomie- oder Sezessionskriege,

C) Zwischenstaatliche Kriege,

D) Dekolonisationskriege,

E) sonstige Kriege,

1) mit Fremdbeteiligung,

2) ohne Fremdbeteiligung

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Das Kriegsgeschehen nach 1945

Verteilung auf der Zeitachse

• fast kontinuierlicher Anstieg bis zum Höhepunkt 1992,

danach Rückgang

Verteilung nach Kriegstypen

• innerstaatliche Kriege überwiegen

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Kriegsursachentheorien

Allgemeine Ansätze

Natur des Menschen,

nach außen geleiteter Zerstörungstrieb,

Frustration und aggressiver Hinweisreiz,

Ungleichgewicht der Kräfte,

Gleichgewicht der Kräfte

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Kriegsursachentheorien

Zwischenstaatliche Kriege

Internationale Anarchie

Staat und Militär

Innerstaatliche Kriege

Relative Deprivation…

Anokratie / Demokratisierung

Machbarkeit

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Definition von Völkermord

Eine Handlung mit der Absicht,

eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe

ganz oder teilweise zu vernichten.

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Muster in Völkermordennach Ben Kiernan

1. Überhöhung des Ackerbaus,

2. Rassismus,

3. Expansionsstreben,

4. Beschwörung eines vergangenen Goldenen Zeitalters

oder einer verheißenden Zukunft.

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Themen heute

Friedensbegriffe

Friedensursachen

Friedens- und Konfliktforschung

in Deutschland

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Geltungsbereich des Friedensbegriffs

• In der Friedensforschung geht es nicht

• um den „inneren Frieden“ einer Person,

• den „Frieden“ innerhalb der Familie,

• den „Frieden“ zwischen Mensch und Natur oder

• den himmlischen „Frieden.“

Der Begriff „Frieden“ scheint hier stets unangemessen.

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Geltungsbereich des Friedensbegriffs

Frieden bezieht sich nicht

• auf ein Individuum oder

• auf die Beziehung zwischen Individuen,

• sondern auf die Beziehung zwischen sozialen und

politischen Kollektiven.

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Helmuth von Moltke:Kampf dem Frieden

„Der ewige Frieden ist ein Traum, und nicht einmal ein

schöner, und der Krieg ein Glied in Gottes Weltordnung.

In ihm entfalten sich die edelsten Tugenden des

Menschen, Mut und Entsagung, Pflichttreue und

Opferwilligkeit mit Einsetzung des Lebens.

Ohne den Krieg würde die Welt im Materialismus

versumpfen.“

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Konflikte um den Friedensbegriff

• Heute gilt Frieden als gut und erstrebenswert.

• Eine Ordnung als Frieden oder friedlich zu bezeichnen,

verleiht dieser Legitimation.

• Die einen hängen daher den Friedensbegriff sehr tief,

um eine bestehende Ordnung zu rechtfertigen und zu

stabilisieren.

• Andere laden den Friedensbegriff auf, um eine

bestehende Ordnung als veränderungsbedürftig zu

kritisieren.

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Der enge Friedensbegriff

Frieden ist die Abwesenheit von Krieg.

Selbst wenn man die bestehende Ordnung nicht ablehnt,

stellt sich folgendes Problem:

Lebt man in der Minute vor Beginn eines Krieges noch im

Frieden?

„Frieden ist mehr als die bloße Abwesenheit von Krieg.“

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Der breite Friedensbegriff

Worin besteht dieses „Mehr“?

Populäre Antwort: In der Gerechtigkeit!

Aber:

• es gibt viele Vorstellungen von Gerechtigkeit,

• gegensätzliche Gerechtigkeitsvorstellungen können zu

Krieg führen,

• Kriege werden im Namen der Gerechtigkeit geführt.

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Hin zu den Friedensdefinitionen vonJohan Galtung

Ausgangspunkt: Gewaltbegriff

Gewalt ist die Ursache der Differenz von Potenzialität und

Aktualität.

Gewalt beeinflusst einen Menschen so, dass seine

tatsächliche körperliche und geistige Verwirklichung

geringer ausfällt als seine potenzielle…

… und der betroffene Menschen dadurch zu Schaden

kommt.

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Formen der Gewaltnach Johan Galtung

1. Personale Gewalt

• geht von einem Akteur aus, der schaden will.

2. Strukturelle Gewalt

• geschieht ohne einen solchen Akteur,

• äußert sich in ungleichen Machtverhältnissen und

Lebenschancen,

• lässt sich als soziale Ungerechtigkeit bezeichnen.

3. Kulturelle / symbolische Gewalt

• legitimiert personale und / oder strukturelle Gewalt.

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Negativer Frieden nach Johan Galtung

Negativer Frieden =

Abwesenheit personaler Gewalt

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Arbeit in den Nachbarschaftsgruppen

Diskutieren Sie,

was vom Begriff des negativen Friedens

nach Johan Galtung zu halten ist.

Negativer Frieden = Abwesenheit personaler Gewalt.

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Negativer Frieden nach Johan Galtung

Kritik:

• Die Rede vom „negativen Frieden“ qualifiziert die

Abwesenheit von Krieg oder Gewalt als unzureichend

oder schlecht ab.

• Diesen „negativen Frieden“ halten Menschen in

Kriegsgebieten aber für sehr erstrebenswert.

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Negativer Frieden nach Johan Galtung

Kritik:

• Frieden bezieht sich nicht unbedingt auf eine Beziehung

zwischen Kollektiven.

• Die Abwesenheit (jeder) personaler Gewalt macht

Frieden zu einem unerreichten Ideal.

• Es scheint unangemessen, Köln und Kabul, Berlin und

Bagdad in dieselbe Kategorie „unfriedlich“ zu stecken.

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Positiver Friedennach Johan Galtung

Abwesenheit personaler, struktureller

und kultureller Gewalt.

Kritik:

Positiver Frieden noch utopischer als negativer Frieden.

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Friedensdefinition vonHarald Müller

„Frieden ist ein Zustand

• zwischen bestimmten sozialen und politischen

Kollektiven,

• der gekennzeichnet ist durch die Abwesenheit direkter,

verletzender physischer Gewalt

• und in dem deren möglicher Gebrauch in den Diskursen

der Kollektive keinen Platz hat.“

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Unfrieden nach Harald Müller

• Das Gegenteil von Frieden ist nicht Krieg, sondern

Unfrieden.

• Unfrieden = Gewalthaltigkeit von Handlungen und / oder

Diskursen.

• Schwelle von Frieden zu Unfrieden: Repräsentanten

eines Kollektiv äußern wiederholt die Möglichkeit von

Gewalt.

• Krieg ist eine extreme Erscheinungsform von Unfrieden.

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Kritik des Begriffs „Unfrieden“ von Harald Müller

• Drohen sich Anhänger vom 1.FC Köln und von Hertha

BSC Berlin Gewalt an, so handelt es sich um Unfrieden.

• In Kabul und Bagdad herrscht ebenfalls Unfrieden.

• Kriegsgeplagte und vergleichsweise gewaltlose Orte

stehen damit in der gleichen Kategorie!

• Der Unterschied zwischen dem Unfrieden der

Fußballfans und dem Unfrieden in Afghanistan ist größer

als die Differenz zwischen dem Fußball-Unfrieden und

Frieden.

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Arten von Friedensursachen

Dimension Raum:

• allgemeine Ursachen

• Ursachen zwischenstaatlichen Friedens

• Ursachen innerstaatlichen Friedens

Dimension Zeit:

• Ursachen dafür, dass Frieden erhalten bleibt

(Schwerpunkt der weiteren Folien)

• Ursachen dafür, dass Frieden geschaffen wird

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Frieden als rationale Wahl

Frieden bleibt bestehen oder wird geschaffen, wenn

• die Entscheidungsträger eines Kollektivs das Kosten-

Nutzen-Verhältnis von Frieden als günstiger einschätzen

als das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Krieg oder

Unfrieden

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Abschreckung als Folgerung aus der Theorie der rationalen Wahl

„Wenn Du den Frieden willst, bereite den Krieg vor.“

Den potenziellen Feind abschrecken, indem man ihm

deutlich macht, dass er von einem Krieg hohe Kosten

bei geringem Nutzen erwarten muss.

Aber:

• Alfred Nobel hoffte, Dynamit würde Kriege unführbar

machen,

• 1983 kam es trotz gesicherter atomarer

Zweitschlagskapazitäten beinahe zum Atomkrieg.

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Frieden durch Institutionen

Institutionen

• strukturieren die Situation, die Perspektiven und

Präferenzen der Akteure,

• prägen die Selektion von Handlungsoptionen,

• aggregieren Handlungen.

Aus institutionalistischer Sicht ergeben sich Krieg und

Frieden wesentlich aus dem institutionellen Umfeld.

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Zwischenstaatlicher Frieden durch internationale Organisationen

• Grundproblem: internationale Anarchie;

• Fehlen eines internationalen Leviathans führt zum

Sicherheitsdilemma,

• Organisationen kollektiver Sicherheit mildern die Effekte

internationale Sicherheit und erhalten so Frieden.

Thema der nächsten Sitzung

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Zwischenstaatlicher Frieden durch Demokratie

Monadische Theorien:

Demokratien führen weniger zwischenstaatliche Kriege als

Nicht-Demokratien.

Gründe:

• Bürger scheuen Risiken und Kosten eines Krieges,

• auch aus normativen Gründen lehnen sie Krieg ab,

• demokratische Institutionen setzen die Präferenzen der

Bürger in politische Entscheidungen um

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Zwischenstaatlicher Frieden durch Demokratie

Gründe:

• Demokratie sind eher bereit, internationalen

Organisationen beizutreten und sich in wechselseitige

Abhängigkeiten zu begeben. Diese gelten ebenfalls als

förderlich für den Frieden.

Problem:

Demokratie führen nicht weniger Kriege als Nicht-

Demokratien!

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Zwischenstaatlicher Frieden durch Demokratie

Dyadische Theorien:

Demokratien führen gegeneinander keinen Krieg.

Gründe:

• wie bei monadischen Theorien plus

• Demokratien erkennen sich gegenseitig als solche und

sehen die Friedenseffekte der monadischen Theorie am

Werk,

• daher entwickeln sie wechselseitiges Vertrauen und die

Norm des gegenseitigen Gewaltverbots.

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Innerstaatlicher Friedendurch den Leviathan

• Die hoch überlegene Gewalt des Ungetüms Staat

beendet den Naturzustand und damit den Krieg aller

gegen alle.

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Die Gefahr innerstaatlicher Kriege in der Auto-, Ano- und Demokratie

Zahl der

Kriege

Autokratie Anokratie Demokratie

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Innerstaatlicher Frieden durch Autokratie

• extreme Marginalisierung bewirkt, dass sich die

Menschen aufs bloße Überleben konzentrieren müssen;

• indoktrinierende Medien verhindern relative Deprivation;

• aufgrund von Überwachung und Unterdrückung können

relativ deprivierte Menschen die Hürden des kollektiven

Handelns nicht überwinden;

• das ungezügelte Gewaltmonopol schreckt davor ab,

offen für die eigenen Anliegen einzutreten.

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Innerstaatlicher Frieden durch Demokratie

• Demokratische Partizipation verschafft den

friedensorientierten Neigungen der Bürger Geltung.

• Da die Regierenden von den Regierten abhängen,

können sie deren Interessen nicht ignorieren. Das

verhindert extreme relative Deprivation.

• Demokratie bietet Kanäle, gewaltlos für die eigenen

Anliegen einzutreten, und damit eine kostengünstigere

Alternative zum bewaffneten Aufstand.

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Innerstaatlicher Frieden durch Demokratie

Demokratie setzt zentrale Prinzipien der Konfliktregelung

um. So teilt sie den zentralen Konfliktgegenstand

„Regierungsmacht“ gleich mehrfach:

• zeitlich: Regierung nur für begrenzte Dauer,

• vertikal: Staat, föderale Einheiten, Gemeinden,

• horizontal:

- Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit

- Machtteilung in der Regierung

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Arbeit in den Nachbarschaftsgruppen

Diskutieren Sie,

ob die Demokratisierung autokratischer und anokratischer

Staaten eine sinnvolle Friedensstrategie ist.

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Das zivilisatorische Hexagon von Dieter Senghaas

• Entstand aus der Analyse von Gesellschaften mit einem

stabilen innerstaatlichen Frieden nach 1950.

• Die einzelnen Elemente fand Senghaas dort mehr oder

weniger ausgeprägt vor, aber fürs Hexagon nimmt er sie

jeweils als voll entwickelt an.

• Das Hexagon bündelt zum einen historische

Erfahrungen, zum anderen zeichnet es ein Idealbild.

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44

Das zivilisatorische Hexagon

1. Staatliches Gewaltmonopol

Die Bürger werden entwaffnet und einem legitimen

Gewaltmonopol untergeordnet, das in aller Regel der

Staat besitzt.

2. Rechtsstaatlichkeit

Rechtsstaatliche Prinzipien hegen das Gewaltmonopol ein

und verschaffen ihm die Anerkennung als legitim.

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45

Das zivilisatorische Hexagon

3. Interdependenzen und Affektkontrolle

• Affektkontrolle meint Selbstbeherrschung.

• Sie geht auf die Interdependenzen langer

Handlungsketten zurück.

• Diese resultieren aus der funktionalen Differenzierung

• und fordern von den Menschen ein höheres Maß an

Berechenbarkeit.

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46Das zivilisatorische Hexagon

4. Demokratische Beteiligung

Kontrolliert und begrenzt das Gewaltmonopol.

Bietet Rahmen für gewaltlosen Konfliktaustrag.

5. Soziale Gerechtigkeit

Aktive Politik der Chancen- und Verteilungsgerechtigkeit

erfüllt unter anderem die Grundbedürfnisse.

6. Konstruktive Konfliktkultur

Bereitschaft, andere Standpunkte zu tolerieren und

Kompromisse einzugehen.

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47

Das zivilisatorische Hexagon

• Man darf nicht einzelne Bausteine herausgreifen,

sondern muss das Hexagon aufgrund von

Wechselwirkungen zwischen den Elementen als

Ganzes sehen.

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48

Das zivilisatorische Hexagon vonDieter Senghaas

staatliches Gewaltmonopol

Rechtsstaat-lichkeit

soziale Gerechtigkeit

demokratische Partizipation

Interdependenzen und Affektkontrolle

konstruktive Konfliktkultur

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Kritik am Hexagon

• Ignorante Kritiker greifen einzelne Bausteine heraus und

bestreiten deren Friedenswirkung, z.B. verweisen sie

darauf, dass monopolisierte Gewalt enorme

Gewaltentfaltung nach innen und außen ermöglicht.

• Viele fordern weitere Ecken wie ökologische

Nachhaltigkeit, Vertrauen oder eine aktive

Zivilgesellschaft.

• Senghaas gibt keine Schwellenwerte für die einzelnen

Bausteine an, ab denen sie Frieden bewirken.

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Entwicklungen der Friedens- und Konfliktforschung in Deutschland

• Emanzipation von der Friedensbewegung

• Professionalisierung

• Etablierung als Studienfach

• Expansion der Forschungseinrichtungen

• mehr Anerkennung von Politikern

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Studiengänge der Friedens- und Konfliktforschung

Uni Marburg:

MA Friedens- und Konfliktforschung

Uni Augsburg:

MA Sozialwissenschaftliche Konfliktforschung

Uni Magdeburg:

MA Friedens- und Konfliktforschung

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Studiengänge der Friedens- und Konfliktforschung

Unis Frankfurt / Darmstadt:

MA Internationale Studien /

Friedens- und Konfliktforschung

Uni Hamburg:

MA Friedensforschung und Sicherheitspolitik

Uni Tübingen:

MA Friedensforschung und Internationale Politik

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Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung

• größtes und ältestes deutsches Institut für

Friedensforschung

• ca. 70 MitarbeiterInnen

• Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft

• letztes Forschungsprogramm

„Antinomien des Demokratischen Friedens“

• aktuelles Forschungsprogramm

„Just Peace Governance“

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Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung

Wichtige Publikationen

• Schriftenreihe (wissenschaftliche Monographien)

• HSFK-Reports / PRIF Reports (max. 40 Seiten)

• HSFK-Standpunkte (max. 16 Seiten)

• Mitherausgeberin des Friedensgutachtens

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55Institut für Friedensforschung und

Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH)

• gegründet 1971

• ca. 50 MitarbeiterInnen

• Forschungsprogramm „Transnationalisierung von

Gewaltrisiken als Herausforderung europäischer

Friedens- und Sicherheitspolitik“

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Institut für Entwicklung und Frieden(an der Uni Duisburg-Essen)

• gegründet 1990

• ca. 25 MitarbeiterInnen

• übergeordnetes Thema:

„Fragile Staatlichkeit und Entwicklungsgesellschaften“

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Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung (Uni Heidelberg)

• 1991 aus einem Forschungsprojekt entstanden

• Ziel: Erforschung, Dokumentation & Auswertung

innerstaatlicher und internationaler politischer Konflikte

• Publikation: Conflict Barometer

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Berghof Forschungszentrum für konstruktive Konfliktbearbeitung

• gegründet 1993

• ca. 20 MitarbeiterInnen

• arbeitet an der Schnittstelle von Konfliktforschung und

Friedenspolitik

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Bonn International Center for Conversion (BICC)

• gegründet 1994

• ca. 25 MitarbeiterInnen

• Schwerpunkte:

– Konversion,

– Demobilisierung, Entwaffnung & Reintegration,

– Rüstungskontrolle und Rüstungsexporte,

– Ressourcen und Konflikte

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Rausschmeißer

Reaktionen auf einen Bericht auf www.tagesschau.de über

das Friedensgutachten 2010.

Thema: Stellungnahme der Herausgeber zu Afghanistan

„Sollte das alles sein was da drin steht, frage ich mich was

die Herren und Damen in den Instituten so anstellen.“

Chris777

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Rausschmeißer

„Übrigens auch eine sichere Methode,

Steuer- und Spendengelder zu verpulvern...“

h50710

„Um zu erkennen, dass wir uns in einem Dilemma

befinden, brauche ich keine (hochbezahlten)

Friedensinstitute!“

Lesevater

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Rausschmeißer

„Konkrete Lösungsvorschläge sind sowohl Opposition

(die ja das alles angezettelt hat ...) als auch

selbsternannte Friedensforscher schuldig ...“

Christian_MBP

„Die Warnung vor einem schnellen Abzug

(ohne Begründung?) läßt den Verdacht aufkommen,

dass die Forscher nicht nur dem Frieden dienen.“

Axel

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Aufgaben zur Nachbereitung

1. Suchen Sie im Internet, etwa auf den Seiten der vorgestellten Institute,

nach drei Skizzen von Projekten der Friedens- und Konfliktforschung. Auf

welches Verständnis von „Frieden“ lassen diese Skizzen schließen?

2. Theorien des Demokratischen Friedens nehmen an, dass Demokratien die

utilitaristischen, gegen den Krieg gerichteten Einstellungen der Bürger

wirksam werden lassen. Erörtern Sie, ob und wie eine Berufsarmee und

eine überlegene Bewaffnung samt effektiven Distanzwaffen diesen

Kausalmechanismus zerstören.

3. Schauen Sie auf das Zivilisatorische Hexagon und überlegen Sie,

inwiefern es dem Frieden schaden würde, wenn eine Ecke wegfällt.

Spielen Sie dies mit allen sechs Ecken durch.