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11.04.23
Berufsorientierung unter erschwerten Bedingungen
Übergangsgestaltung im Förderschwerpunkt Lernen
Dr. Marc Thielen
Institut für Sonderpädagogik
211.04.23
Einführung
Berufsorientierung im Förderschwerpunkt Lernen –
hoch relevant und viel kritisiert
311.04.23
Gliederung
1. Berufsorientierung ohne Beruf? Das Dilemma begrenzter
Chancen
2. Alles Arbeit oder was? Die Gefahr eines verkürzten Verständnisses von Berufsorientierung
3. Kurzfristig integriert – langfristig exkludiert? Das Problem der
Nachhaltigkeit
4. Berufsorientierung quo vadis? Perspektiven und Grenzen des
Pädagogischen
411.04.23
1. Berufsorientierung ohne Beruf?
Das Dilemma begrenzter Chancen
511.04.23
1. Berufsorientierung ohne Beruf?
• Lebenslauf von Thorsten Meierhoff (37J.) (vgl. Bindl/Schroeder/Thielen 2011)
Zeitraum Tätigkeit
1. 3 Jahre Ausbildung 1 (Holzspielzeughersteller)
2. 1 Jahr arbeitslos
3. 1 Jahr Berufsvorbereitungsjahr (BVJ)
4. 2 Jahre Ausbildung 2 (Hauswirtschaftshelfer)
5. 5 Jahre Reinigungskraft „Verwalter“
6. ca. 1 Jahr Küchenhilfe in einem Hotel
7. ca. 1 Jahr Reinigungskraft Toilettenanlage
8. 1 Jahr Hauswirtschafter (Altenpflege)
9. 2 bis 3 Jahre arbeitslos
10. 1 Jahr Ein-Euro-Job (KITA)
11. 1 Jahr Leiharbeiter (Abfallwirtschaft)
12. Seit 6 Monaten Leiharbeiter in neuer ZAF
11.04.23
1. Berufsorientierung ohne Beruf? (BMBF 2010)
Aktuelle Herausforderungen:
711.04.23
2. Alles Arbeit oder was ?
Die Gefahr eines verkürzten Verständnisses
von Berufsorientierung
811.04.23
2. Alles Arbeit oder was?
Quelle: Hurrelmann 2004
911.04.23
2. Alles Arbeit oder was?
Quelle: IRIS 2001
1011.04.23
2. Alles Arbeit oder was?
Marktbenachteiligung
RechtsbenachteiligungSymbolische
Benachteiligung
Pädagogische Benachteiligung
Soziale Benachteiligung
Individuelle Beeinträchtigungen
„ausbildungsunfreif?“
1111.04.23
2. Alles Arbeit oder was? (vgl. Hiller 2006)
Teilkarriere Themen
1. Ausbildung, Arbeit Was passt für wen? Berufsvorbereitung, Ausbildung, Job, Werkstätten, notwendige Hilfen (abH. etc.)
2. Finanzen Sicherung des Lebensunterhalts, Schuldnerberatung, Risikoschutz
3. Soziales Netz Vertrauenspersonen im familiären und persönlichen Umfeld?
4. Zivilkompetenz Handlungsstrategien und Kompetenzen im Umgang mit Behörden
5. Zeitmanagement Strukturierung des Alltags, sinnvolle Freizeitgestaltung, „Doppelbelastung“
6. Gesundheit Prävention und Rehabilitation, Umgang mit Drogen, Sexualität
7. Legalität Konflikte mit dem Gesetz, Unterstützung in Strafverfahren und Zivilprozessen
8. Wohnung Sicherung von Grundbedürfnissen (Rückzug, Ruhe, Intimität etc.)
1211.04.23
3. Kurzfristige integriert – langfristig exkludiert?
Das Problem der Nachhaltigkeit
1311.04.23
3. Kurzfristig integriert – langfristig exkludiert?
ggg Nachschulischer Verlauf von Teilnehmenden an „SchuB“ (N = 39)*
Übergangskarriere Befragte
1. Verzögerter Einstieg in berufliche Qualifizierung 10
2. Diskontinuierlich-prekäre Verläufe 8
3. Originelle Gelegenheitsverläufe 6
4. Unsichere berufliche Qualifizierung u. Integration 6
5. Stabile berufliche Qualifizierung und Integration 4
6. Weiterführende Bildungs- und Berufsqualifizierung 4
*vgl. Bindl/Thielen (2011): Nachschulische Übergänge. Karrieren und Biografien von Absolventinnen und Absolventen der SchuB-Maßnahme. In: Thielen (Hrsg.): Pädagogik am Übergang (S. 189-215)
1411.04.23
3. Kurzfristig integriert – langfristig exkludiert?
Stabile berufliche Qualifizierung und Integration (N = 4)
Weiterführende Bildungs- und Berufsqualifizierung (N = 4)
Martin (18 Jahre)
HASA Ausbildung Gießereimechaniker
Übernahme- Angebot
Kamil (20 Jahre)
HASA Ausbildung Kfz-Servicemechaniker
Ausbildung Kfz-Mechatroniker
1511.04.23
3. Kurzfristig integriert – langfristig exkludiert?
Unsichere berufliche Qualifizierung und Integration (N = 6)
Samir (21 Jahre)
HASA Ausbildung Metzger
Gescheiterte Prüfung
Andreas (18 Jahre)
HASA Ausbildung (überbetrieblich) Schreiner (BBW)
Arbeitslos
1611.04.23
3. Kurzfristig integriert – langfristig exkludiert?
Verzögerter Einstieg in eine berufliche Qualifizierung (N = 10)
Oliver (19 Jahre)
HASA Berufsgrundbildungs-jahr (BGJ)
Ausbildung Metallbauer
Jonas (19 Jahre)
HASA Bezahltes Praktikum
Schulische Ausbildung Altenpflegehelfer
Berufstätigkeit
1711.04.23
3. Kurzfristig integriert – langfristig exkludiert?
Diskontinuierlich-prekäre Verläufe (N = 8)
Benjamin (20 Jahre)
HASA Ausbildung Koch
Abbruch Ausbildung Restaurantfachmann
Betriebs-wechsel
Unterbrechung Wegen Insolvenz
Arbeitslos Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB)
Laura (18 Jahre)
HASA Schulische Ausbildung Altenpflegehelferin
Prüfungs-wiederholung
Abschluss
Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ)
Abbruch Krankheit Job Kellnerin
1811.04.23
3. Kurzfristig integriert – langfristig exkludiert?
Originelle Gelegenheitsverläufe (N = 6)
Nabil (20 Jahre)
HASA Berufs-Fachschule
BvB & Zeitarbeit
Job Friseur
Arbeitslos Saison-Arbeiter
Philipp (21 Jahre)
HASA Job Recyclingfirma
Bund Arbeitslos Job Dachdecker
Ausbildung Spengler
1911.04.23
4. Berufsorientierung quo vadis?
Perspektiven und Grenzen des Pädagogischen
2011.04.23
4. Berufsorientierung quo vadis?
(1) Berufsorientierung muss die Komplexität an Anforderungen und Lebenslagen im Übergang berücksichtigen.
(2) Nachbetreuung durch die Vermittlung verlässlicher Erwachsener (z.B. Paten) ist in vielen Fällen notwendig und muss frühzeitig angebahnt werden.
(3) Schulen müssen intensive Kontakte und Kooperationen mit
anderen Akteuren im Feld des Übergangs pflegen.
(4) Berufsorientierung muss der Vielfalt der nachschulischen Realität gerecht werden und darf nicht einseitig auf das Leben mit einem Beruf vorbereiten.
2111.04.23
4. Berufsorientierung quo vadis?
(5) Berufsorientierung beinhaltet die stetige und systematische Suche nach individuell passenden Lehrstellen UND
Nischenarbeitsplätzen.
(6) Der Unterricht sollte stärker als bislang an den realen Anforderungen im Bereich von einfachen Dienstleistungen orientiert sein.
(7) Praktika und Betriebserkundungen im Niedriglohnsektor können auch für Lehrkräfte hilfreich sein, um die dortigen Verhältnisse am eigenen Leib zu erfahren.
(8) Berufsorientierung ist politisch und setzt sich dafür ein, dass sich auch gering qualifizierte Arbeit wieder lohnt und ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht (Stichwort: „working poor“).