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www.stuttgart.de Lebensräume gestalten 125 Jahre TIEFBAUAMT

125 Jahre TIEFBAUAMT · 2020. 4. 18. · Sind die vielfältigen Aufgabenfelder umrissen, gibt Ka - pitel fünf konkrete Einblicke in die Arbeitsweise der Mitarbeiter vor Ort. Am Anfang

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    Lebensräume gestalten

    125 Jahre TIEFBAUAMT

    01_68_Tiefbauamt_125Jahre.qxp_Layout 1 13.04.16 16:19 Seite U4

  • Unsere Entwicklung seit 1891

    1891 Tiefbauamt wird gegründet

    Straßenbauinspektion

    Kanalbauinspektion

    Straßenreinigung

    1995

    Tiefbauamt

    1933 Tiefbauamt Fuhramt (heute AWS)

    Fachabteilungen („Technisches Bureau“) Straßenreinigung

    Stadtbauinspektoren Kraftfahramt

    EigenbetriebStadtentwässerungStuttgart (SES)

    Literatur und Quellen(1) Berichte über die Verwaltung und den Stand der Gemeindeangelegenheiten

    der Haupt- und Residenzstadt Stuttgart aus den Jahren 1881 bis 1912.(2) Geschichte der Stadt Stuttgart – Zur Einweihung des neuen Rathauses,

    herausgegeben von den bürgerlichen Kollegien Stuttgart, 1905.(3) Haupt- und Residenzstadt Stuttgart, Jahresbericht des Städtischen

    Tiefbauamts für das Rechnungsjahr 1902.(4) Führer durch die Anstalten zur Förderung der öffentlichen Gesundheitspflege

    in der Haupt- und Residenzstadt Stuttgart, 1895.(5) Die Stuttgarter Stadterweiterung mit volkswirtschaftlichen, hygienischen und

    künstlerischen Gutachten, herausgegeben vom Stadtschultheissenamt Stuttgart, 1901.

    Herausgeberin: Landeshauptstadt Stuttgart, Tiefbauamt in Verbindung mit der Abteilung Kommunika-tion; Projektleitung: Christopher Schmid, Andrea Walz; Text: Cornelia Villani; Redaktion: Olaf Nägele;Gestaltung: Uli Schellenberger, Ellena Krämer; Fotos: entnommen aus der Publikation „Das Reini-gungswesen der Stadt Stuttgart, Hrsg.: Städtisches Reinigungsamt, 1930 (Seite 8), Tiefbauamt (Seite 3,10, 11, 17, 18, 19, 20, 21, 22/Neckarbrücke Mühlhausen, 29/Wegweisung, 31, 35, 38, 41, 46, 47/Nesen-bach, 48, 49, 51, 52, 53, 54/Asphaltierarbeiten heute, 56, 61, 62/Aufzug Stadtbahnhaltestelle, 63, 64, 67,68, 69), Stadtarchiv (Seite 6, 54 /Asphaltierarbeiten früher, 60), Abteilung Kommunikation (Seite 39, 60,62, 66), Amt für Stadtplanung und Erneuerung (Seite 34), Netze BW (Seite 36, 37), StadtentwässerungStuttgart (Seite 42, 44, 45, 58, 59), Pressefoto Kraufmann & Kraufmann GmbH (Seite 10, 14, 15, 23, 25 ,26, 27, 29, 30, 40, 60/Parkscheinautomat, 62), Peter Horn Architekturfotografie (Seite 16), Thomas Herrmann Photography (Titel und Seite 24, 32), Leif Piechowski (Seite 33), HIC Holzhäuser (Seite 12), ISAS (Seite 47), Fa. Uhrig (Seite 50), TÜV Rheinland Schniering GmbH (Seite 57), Thomas Schlegel (Seite 39)

    März 2016

  • Lebensräume gestalten

    125 Jahre TIEFBAUAMT

  • 3

    In den letzten 125 Jahren hat sich in der Landeshauptstadt Stuttgart viel verändert. Ein Blick ins Jahr 1891 beweist das eindrucksvoll. Damals lebten hier etwa 150 000 Men-schen, in den Straßen brannten Gaslaternen und die Hanglagen waren unbebaut. Würt-temberg hatte noch einen König und steckte mitten in der Industrialisierung. Fünf Gene-rationen später ist die Welt eine andere, in vielerlei Hinsicht. Diese Broschüre zeigt, wiesehr das städtische Tiefbauamt am Fortschritt und Wandel in Stuttgart beteiligt war.

    Straßen, Tunnel, Brücken, Beleuchtung, Kanalisation, Bachläufe, Stäffele – das Tiefbau-amt und die Infrastruktur der Stadt sind eng miteinander verwoben. Die Aufgabenfelderbetreffen annähernd jeden Bereich des öffentlichen Lebens. Dadurch erlangt die Arbeitder rund 840 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine immense Bedeutung für die Landes-hauptstadt. Wer die folgenden Seiten liest, erhält deswegen nicht nur Einblicke in denAlltag eines städtischen Amts. Unweigerlich zeichnen die Erzählungen ein lebendigesBild von Stuttgart, aus heutigen als auch aus vergangenen Zeiten.

    Die Rede wird von Großprojekten sein, etwa vom Heslacher Tunnel in den 1980er-Jahrenoder vom im Bau befindlichen Rosensteintunnel. Planungsingenieure berichten vomideologischen Wandel, nach welchem heute Ästhetik und Lebensqualität der Funktiona-lität gleichgestellt, wenn nicht sogar übergeordnet sind. Aktuelle Themen wie Barriere-freiheit, Verkehrssteuerung und Bürgerbeteiligung werden beleuchtet. Ein ganzes Kapitelwidmet sich der Stadtentwässerung, wodurch der Bedeutung unserer LebensgrundlageWasser Rechnung getragen wird. Sind die vielfältigen Aufgabenfelder umrissen, gibt Ka-pitel fünf konkrete Einblicke in die Arbeitsweise der Mitarbeiter vor Ort.

    Am Anfang steht jedoch der Blick zurück. In das Stuttgart im Jahr 1891 und in die da-rauffolgenden Jahrzehnte. Die Stadt im engen Talkessel wuchs und mit ihr die Heraus-forderungen an die Infrastruktur. Heute drehen sich die Aufgaben weniger ums Weiter-wachsen als darum, das Vorhandene neu zu gestalten. Wie sich das Stadtleben in Zu-kunft weiterentwickelt, bleibt spannend. Das Tiefbauamt ist auf jeden Fall gut gerüstet.

    Dirk ThürnauBürgermeister, Technisches Referat

    Wolfgang SchanzLeiter des Tiefbauamts

    Lebensräume gestalten

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    InhaltsverzeichnisGrußwort Bürgermeister Dirk Thürnau und Amtsleiter Wolfgang Schanz 3

    Historie, Gegenwart und AusblickEine Stadt wächst – das Tiefbauamt entsteht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Interview mit Herbert Hiller, Bezirkstechniker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10Aufgaben im Wandel der Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11Infrastruktur – fit für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

    Straßen und Brücken verbindenVerkehr bündeln, Wohnbezirke entlasten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15Stuttgart – Stadt des Tunnelbaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18Brücken zeitlos gestalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21Mit Technik in Bewegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23Fließender Verkehr statt Wartezeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27Fest im Sattel durch die Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28Interview mit Jasmin Hueber, Ingenieurin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30Lärmschutz für Wohngebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

    Die Stadt als LebensraumFußgänger erobern die Straßen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33Neue Lebensräume erschließen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34Treppauf, treppab auf Stuttgarts Stäffele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35Von der Gaslaterne zur LED-Leuchte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36Graffiti als Teil der Stadtkultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38Wenn alle Brünnlein fließen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39Barrierefreiheit für alle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40Bewegung auf sicheren Belägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41

    Sauberes Wasser, saubere UmweltDie Stadtentwässerung im Eigenbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43Klares Wasser erwünscht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44Filtern, reinigen und analysieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46Durch das Kanalnetz zum Klärwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47Sauberes Regenwasser ins Gewässer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49Energiegewinnung aus Abwasser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50Beseitigen von Altlasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51Natur in der Stadt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

    Stets kontrolliert, Sicherheit garantiertDie Servicestelle für Straßen, Wege und Plätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55Bauwerke und Straßen auf dem Prüfstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56Durch die Rohre mit modernster Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58Zehn Pfennig für die halbe Stunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60Bei Ampelausfall heißt es: Schnell schalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61Interview mit Ralf Renaux, Fahrtreppenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62Für ein störungsfreies Auf und Ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63Tunnel im Blick. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65Gelbe Karte erwünscht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66Per Mausklick zu geografischen Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67

    125 Jahre im Überblick 68

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    In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundertsentwickelte sich die Haupt- und Residenz-stadt Stuttgart zu einer Großstadt und zurindustriellen Metropole im damaligen König-reich Württemberg. So verdreifachte sichdie Einwohnerzahl von 60 000 im Jahr 1860auf 177 000 im Jahr 1900. Das brachte großeAufgaben für die Bauverwaltung mit sich:Zahlreiche neue Baugebiete mussten mitder nötigen Infrastruktur ausgewiesen wer-den. Die Stadt verfügte damals über eineAbteilung für das Bauwesen. Sie bestandaus dem Stadtvorstand und acht Mitglie-dern des Gemeinderats. Ihre Aufgabe wares, die Arbeit der Baubehörden zu steuernund zu überwachen.

    Straßen- und KanalbauDer Bau und die Unterhaltung der Infra-struktur oblagen der städtischen Straßen-bauinspektion. Mit den wachsenden Auf-gaben der Stadtentwässerung nach 1880wurde zusätzlich eine Kanalbauinspektioneingerichtet. Im Jahr 1891 wurden dieStraßenbau- und die Kanalbauinspektionim neu gegründeten Tiefbauamt zusam-mengefasst. Zeitgleich wurde ihm auch dieStraßenreinigung zugeordnet. Diese wurdebis dahin an private Unternehmer vergebenund nun durch Beschluss des Gemeinderatsin eigener Regie übernommen.

    Das Tiefbauamt gliederte sich in den Vor-stand (Stadtbaurat Karl Kölle), das techni-sche „Bureau“ sowie die Unterabteilungen,

    die jeweils von einem Bauinspektor gelei-tet wurden (Straßenbauinspektion, Stra-ßenreinigungsamt, Kanalbauinspektion).Dazu waren die mit Vermessungsarbeitenbetrauten „Geometer und Hilfsgeometer“unterstellt. Neben den klassischen Ar-beiten einer Tiefbauverwaltung war es damals auch Aufgabe, Bebauungspläneauszuarbeiten, die Straßenbahnen zu be-aufsichtigen, das städtische Beleuchtungs-wesen zu überwachen und die Einführungder Elektrizität zu fördern.

    Zu hügelig für AsphaltIn den ersten Jahren nach der Gründung des Tiefbauamts wurden vor allem Straßenim Westen, Süden und Osten der Stadt ge-baut, um dringend benötigten Wohnraumzu errichten. Von großer Bedeutung warder Bau des Schwabtunnels. Er verbanddie westlichen und südlichen Stadtteile undkonnte im Jahr 1896 als der damals größteStraßentunnel Europas feierlich eingeweihtwerden.

    Die meisten Straßen waren „chaussiert“,das heißt mit einer Deckschicht aus Por-phyr- oder Kalksteinschotter versehen. Al-lerdings nahm der Anteil der gepflastertenStraßen (Pflaster aus Granit, Porphyr oderaus Holz) stetig zu. Asphaltstraßen gab esdamals nicht. Es hieß, sie „eignen sichkaum für die hiesigen koupierten (hügeligen)Verhältnisse und die hierdurch bedingtenschweren Hufbeschläge.“ (1)

    7

    Eine Stadt wächst – das Tiefbauamt entsteht

    Schwabtunnel 1925

    Historie und Ausblick

    Schwabtunnel, Elektrizität und Halbhöhenlage:

    Karl KölleVorstand des Straßen- und Kanalwesens von 1890 bis 1900 *1857 in Stuttgart, † 1927 in Münster/Westfalen

    Stadtbaurat Karl Kölle war von April 1890bis September 1900 Vorstand des Straßen-und Kanalwesens und dann erster Leiterdes 1891 gegründeten Tiefbauamts. Nachverschiedenen Posten bei der Wasserver-sorgung hatte Kölle seit 1887 bei der städ-tischen Straßenbauinspektion gearbeitet.Unter seiner Leitung wurde der Schwab-tunnel gebaut, die städtische Straßenreini-gung entwickelt, die Versorgung mit elek-trischer Energie gefördert und ein Stadt-entwicklungsplan für die Bebauung der

    Halbhöhenlagen aufgestellt. Im Jahr 1900wechselte er nach Frankfurt/Main und wardort in gleicher Position tätig. Im Sommer1909 schied er aus dem Dienst der StadtFrankfurt aus und trat als Vorstand in dieBaufirma Holzmann ein. Hier realisierteKölle große Bauprojekte, vor allem in Süd-amerika. Für seine Leistungen verlieh ihmdie Technische Hochschule Stuttgart 1917die Ehrendoktorwürde. 1928 wurde imStuttgarter Westen eine Hangstraße nachihm benannt.

    Historie und Ausblick

  • Bebauung der Halbhöhen beginntFür die rasch wachsende Bevölkerung Stuttgarts mussten ständig neue Bauflä-chen ausgewiesen werden. Da Ende des19. Jahrhunderts die Flächen im Talkesselfast vollständig genutzt waren, diskutierteman die Vorgaben für eine Bebauung deransteigenden Hänge. Karl Kölle, der Vor-stand des Tiefbauamts, stellte 1895 einenStadtentwicklungsplan auf, in dem er fürdas Hanggelände eine aufgelockerte Be-bauung und Panoramastraßen mit Häu-sern nur an der Bergseite vorschlug.

    Dies wurde sehr kontrovers diskutiert. VonStadtplanern und der Öffentlichkeit erhieltder Vorschlag viel Zuspruch. Dagegen wa-ren der Stadtspitze und dem Gemeinderatdie von Kölle vorgeschlagenen Beschrän-kungen zu weitgehend. Sie wollten, dass dieHänge intensiver genutzt werden.

    Dennoch wirkt sich Kölles Leitbild bis heu-te positiv auf die Bebauung der Halbhöhen-lagen aus: „Durch das Anbauen an unserenBerghängen wird allerdings unserem Thalesein bisheriger landschaftlicher Reiz teil-weise benommen, allein es wird seitensder Stadtverwaltung allem aufgeboten wer-den, um den landschaftlichen Charakter un-seres Thales und unserer Stadt möglichst zuerhalten.“ (3)

    Elektrizitätswerk und WasserkraftanlageUm die Bereitstellung von elektrischemStrom in Stuttgart hat sich StadtbauratKölle sehr verdient gemacht. Durch seinWirken konnte neben dem ersten Elektrizi-tätswerk in der Marienstraße eine Wasser-kraftanlage in Marbach für den StuttgarterStrombedarf vertraglich gesichert und bis1900 fertig gestellt werden. So wurden vomAmt die Bauarbeiten in Marbach geleitetund die erforderliche Fernleitung für denStrom nach Stuttgart hergestellt.

    Im Jahr 1895 waren im Tiefbauamt ins-gesamt „25 ständige Beamte“ und „neununständige Beamte“ (1) beschäftigt. Ge-messen an den umfangreichen Aufgaben erscheint aus heutiger Sicht ein zeitge-nössischer Bericht, dem Gemeinderat unterstehe „ein Heer von Beamten“ (4),reichlich übertrieben.

    Das Tiefbauamt hatte in diesen Jahren dengrößten Einzeletat im städtischen Haushalt.Im Zeitraum 1898/1899 waren dies Aufwen-dungen von 2,4 Millionen Mark, etwa 27Prozent der städtischen Gesamtausgaben.Ein wichtiger Einschnitt war der Wechselvon Karl Kölle im Jahr 1900 zur Stadt Frank-furt. Sein Nachfolger wurde der Leiter undVorstand des städtischen Wasserwerks,Stadtbaurat Hermann Zobel, der seine bis-herige Aufgabe ins Amt mitnahm.

    Neugliederung wirkt bis heuteVerschiedene Arbeitsbereiche wurden inspäteren Jahren aus dem Tiefbauamt aus-gegliedert. Hierfür entstanden neue Ämter:das Vermessungsamt im Jahr 1911 unddas Stadterweiterungsamt für die Aufstel-lung der Stadtbaupläne im Jahr 1914. DerBereich des Reinigungsamts wurde 1933mit dem Kraftfahramt zu dem neu gegrün-deten Fuhramt zusammengefasst.

    Im Jahr 1912 wurden unter Zobels Nach-folger, Stadtbaurat Dr. Emil Maier, organi-satorische Änderungen vorgenommen. Eintechnisches Bureau mit fünf Abteilungenfür die Fachgebiete wurde gebildet, das sogenannte „Tiefbauamt im engeren Sinn“.Außerdem wurde das Stadtgebiet in dreiBezirke eingeteilt, in denen jeweils eineStadtbauinspektion die Straßen- und Ka-nalbauarbeiten ausführte. Damit war eineAufgabeneinteilung geschaffen, die im We-sentlichen bis heute Grundlage der Organi-sation des Tiefbauamts in Stuttgart ist.

    Die „Schlauchartillerie“ rückt anDie Umsetzung des allgemeinen Entwäs-serungsplans für Stuttgart, des Gordon-Plans von 1874, sollte vor allem der Rein-haltung des Bodens und der Abführungdes Regenwassers dienen. In den erstenJahren kam der Ausbau nur zögerlich voran. Erst ab 1886 konnten mit zusätzli-chen Mitteln jährlich neue Kanäle mit übersechs Kilometern Länge gebaut werden.

    In den Verwaltungsberichten aus diesenJahren wird dem Kapitel „Kanalisation“stets vorausgeschickt, dass die Kanälenicht zur Einleitung von Fäkalien bestimmtwaren. Von einer Abwasserreinigung warman damals noch weit entfernt. Die me-chanisierte Leerung und Abfuhr der Fäkal-stoffe durch die „Schlauchartillerie“ war für die Stadt ein einträgliches Geschäft.Große Einzelprojekte der ersten Jahre desTiefbauamts waren die Überdeckung desNesenbachs von Heslach bis zum Neckar-

    tor und ein über 400 Meter langer Kanal-Stollen unter dem Güterbahnhof zur Ablei-tung des Wassers aus dem Bereich Kriegs-bergstraße.

    Kehrwoche kostet Geld Im Jahr 1891 übernahm die Stadt die Ab-fuhr der Hausabfälle und des Kehrichts vonden Straßen, die bisher an private Unter-nehmer „verakkordiert“, also in Akkordar-beit vergeben war. Auch die Reinigung dergepflasterten Straßenflächen mit den Geh-wegen, bislang Aufgabe der Hausbesitzer,erledigte nun die städtische Straßenreini-gung gegen ein jährliches Entgelt von 25Pfennigen pro Quadratmeter Fläche. Be-merkenswert ist, dass die tägliche Abfuhrvon Hausabfällen für die Bürger kostenloswar. Um die neuen Aufgaben erledigen zukönnen, wurde beim Tiefbauamt „ein klei-ner Marstall mit einem Park von 35 Wagenund fünf Kehrmaschinen“ (2) beschafft.

    8 9

    Wagen der Schlauch-artillerie

    Historie und Ausblick

  • 11

    Die Aufgaben des Tiefbauamtes haben sich in den vergangenen 125 Jahren immer wieder verändert. Maßgeblich hierfür wa-ren die Anforderungen, die sich aus dentechnischen und gesellschaftspolitischenEntwicklungen ergeben haben. Ende des19. Jahrhunderts lag der Schwerpunkt derArbeit darauf, in allen neuen Stadtteilenden nötigen Raum für Abwasserkanäle undStraßen zu schaffen. Dabei musste Rück-sicht auf den Ausbau des Bahnnetzes so-wie die mit Gas betriebene Beleuchtunggenommen werden.

    Der Anspruch, Straßenbauten an das Land-schaftsbild anzupassen, galt auch für denSchwabtunnel von 1896, die Brücken überden Neckar und das Klärwerk in Mühlhau-sen, welches 1916 noch auf fremder Ge-markung entstanden war.

    Der Siegeszug des AutomobilsZwischen dem Ersten und Zweiten Weltkriegstellte die schnelle Verbreitung des Automo-bils das Tiefbauamt vor neue Aufgaben. DasThema Verkehr rückte weiter in den Mittel-punkt. Um der höheren Beanspruchung ge-recht zu werden, wurden flächendeckendAsphalt und Teerbeläge auf das bestehendePflaster aufgebracht. So konnte eine allzurasche Abnutzung und Ausspülung derFahrbahnen vermieden werden.

    Auch viele Verkehrsstraßen und Kreuzun-gen waren dem dichten Verkehr nicht mehrgewachsen. So wurde die Schillerstraße1929 zwischen dem Hauptbahnhof und derNeckarstraße vierspurig mit in der Fahr-bahnmitte liegenden Straßenbahngleisenausgebaut. Für den vierspurigen Ausbauder Heilbronner Straße war im Bereich desdamaligen Güterbahnhofs die Errichtungeiner Stahlbetonkonstruktion auf einerLänge von 350 Metern erforderlich. Indiese Zeit fällt auch die Errichtung der

    ersten Ampel in Stuttgart. Um die Sicher-heit der Fußgänger zu erhöhen, wurden inzunehmendem Maße gut beleuchtete Stra-ßenbahninseln, Unterführungen und Geh-wegabschrankungen erstellt.

    Heute steht im Mittelpunkt der planeri-schen Überlegungen, wie der öffentlicheStraßenraum als Lebensraum genutztwerden kann. Er soll von allen Verkehrs-teilnehmern, von Kraftfahrzeugen, Fußgän-gern, Radfahrern oder Bussen und Bahnenmöglichst gleichberechtigt verwendet wer-den können. Aufgrund der Kessellage istdieser Raum in Stuttgart begrenzt.

    Neueste Technik nutzenBei der Umsetzung der spannenden Auf-gaben nutzen die Mitarbeitenden des Tief-bauamts neueste technische Entwicklungen.Mit dem Einsatz moderner LED-Technikbei der Straßenbeleuchtung, lärmmindern-den Asphaltbelägen, der Wärmenutzungin Abwasserkanälen oder intelligenterVerkehrssteuerung wurden in den vergan-genen Jahren innovative Projekte realisiert.

    Aufgaben im Wandel der Zeit

    Aus Straßenraum wird Lebensraum: Lautenschlagerstraße

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    2014auf 2 Einwohner 1 Kraffahrzeug

    Herbert Hiller63 Jahre, Bezirkstechniker, seit 40 Jahren bei der Bauabteilung Neckar/Filder, Bezirk Möhringen, Sonnenberg, Degerloch

    Welche Aufgaben haben Sie täglich zu erledigen? Zu meinen Aufgaben gehören die Abwick-lung von Baumaßnahmen von der Aus-schreibung bis zur Abrechnung, die Be-treuung der von uns eingesetzten Inge-nieurbüros und von Investorenbaustellen,Stellungnahmen zu Anfragen von Bürgernund Ämtern und vieles mehr.

    Was wollen die Bürger denn wissen?Zum Beispiel bemängelte ein Anrufer:„Herr Hiller, Sie haben „das falscheSchwarz“ für den neuen Gehwegbelag verwendet. Das sieht aus wie eine Patch-workdecke.“ Ich konnte ihn beruhigen, der neu eingebaute Asphalt hat immer einen anderen Farbton und verändert sichdurch Abnutzung und Umwelteinflüsse.

    Wie wichtig ist Ihnen der Kontakt mit den Stuttgartern?Der persönliche Kontakt ist heute wie da-mals wichtig, um die Anliegen lösen zukönnen. Weil ich schon lange im gleichenBezirk arbeite, bin ich bei vielen alteinge-sessenen Bürgern bekannt und konnte ihr

    Vertrauen in meine Arbeit gewinnen. Aller-dings rückt das persönliche Gespräch im-mer weiter in den Hintergrund. Kontaktefinden über die elektronischen Medien statt.Zudem nimmt der Anspruch der Bürgerstetig zu. Zu einfachen Problemen folgenteilweise aufwändige Schriftwechsel.

    Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit?Der Kontakt zu den Bürgern und die viel-seitigen Tätigkeiten. Ich weiß morgens nie, was mich an diesem Tag erwartet.

    Hat sich in den 40 Jahren etwas verändert?Am Anfang gab es ein Telefon für drei Personen, eine Rechenmaschine und ein Schreibzimmer, das die Briefe ver-fasste. Heute bin ich mit einem Handy, einem Telefon und einem Computer ausgestattet.

    Ihr Fazit zum Tiefbauamt?40 Jahre beim Tiefbauamt und immer noch gerne dabei. Das liegt neben meinerinteressanten Arbeit auch an meinen sehrnetten Kolleginnen und Kollegen.

    Entwicklung der Kfz-Zahlenseit 1938

    1955auf 9 Einwohner 1 Kraffahrzeug

    1938auf 15 Einwohner 1 Kraffahrzeug

    Historie und Ausblick

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    Infrastruktur – fit für die Zukunft

    13

    3-D Visualisierung Rosensteintunnel zeigt die Zukunft.

    Das Infrastrukturvermögen im Bereich desTiefbauamts ist das Rückgrat für die Mobi-lität in Stuttgart. Straßen, Tunnel und Brü-cken sichern eine hohe Verkehrsqualitätund damit die ökonomischen Entwicklungs-chancen der Wirtschaft. Sie dienen vor al-lem der Lebensqualität der Bürgerinnenund Bürger, unabhängig davon, ob sie sichzu Fuß, mit dem Fahrrad, mit den öffent-lichen Nahverkehrsmitteln oder motorisiertfortbewegen. Gleichzeitig muss die vorhan-dene Infrastruktur an die nachhaltigen gesellschaftlichen Veränderungen, zumBeispiel an die Schaffung barrierefreierVerkehrsräume, angepasst werden.

    Substanzverzehr schreitet voranGemessen an ihren Herstellungskosten verlieren Stuttgarts Tunnel, Brücken undStraßen von Jahr zu Jahr 60 Millionen Euroan Wert. Sofern nicht ausreichend in den Erhalt investiert wird, schreitet der beste-hende Substanzverzehr immer schneller voran. Hierbei handelt es sich um kein städtisches Phänomen. Auch Bund undLand haben massive Finanzierungsproble-me. Um dem Verfall der Verkehrsinfrastruk-tur Einhalt zu gebieten, ist ein gezieltes Er-haltungs- und Kostenmanagement nötig.

    Kommunikation mit dem BürgerGroße Infrastrukturprojekte umsetzen,ohne die betroffenen Anwohner zu infor-mieren? Heutzutage undenkbar. Das Tief-bauamt pflegt seit Jahren eine Öffentlich-keitsarbeit, die Bürger und Politik gleicher-maßen einbindet. Ein aktuelles Beispiel istdas Projekt Rosensteintunnel. Ziele undUmsetzung des bis 2020 angelegten Bau-vorhabens wurden frühzeitig über die

    Presse kommuniziert. Zusätzlich brachtedas Amt Informationsbroschüren auf denMarkt, um insbesondere die anliegendenBewohner vorzubereiten.

    Im September 2014 wurde eine eigene In-ternetseite aufgebaut. Hier können aus-führliche Informationen gebündelt abgeru-fen werden. Außerdem dient das Portaldazu, die neuesten Verkehrsmeldungen sowie Termine, etwa für Informationsver-anstaltungen, die regelmäßig stattfinden,zu veröffentlichen. Dazu gehören sowohl Vortrags- und Diskussionsrunden als auchBaustellenbesichtigungen.

    Die Internetseite informiert zudem über diePartner des Projekts. Diese sind in ersterLinie die angrenzenden Institutionen wieWilhelma, die Mineralbäder Leuze und BadBerg, das Naturkundemuseum und derNeckar Käpt'n. Ihnen steht im Amt ein per-sönlicher Ansprechpartner zur Verfügung.

    Telefon, E-Mail und SprechstundeAuch für die Bürger existiert eine geson-derte Telefonnummer sowie eine Email-Adresse, über die Experten Rede und Ant-wort stehen. Seit August 2014 finden imBaubüro Neckartalstraße außerdem jedenersten und dritten Mittwoch im Monat Bürgersprechstunden statt.

    Verkehrsteilnehmer vor Ort werden überLED-Anzeigetafeln über Sperrungen, ver-änderte Verkehrsführung und Staus infor-miert. Federführend dabei sind die Mitar-beiter in der Integrierten Verkehrsleit-zentrale (IVLZ), die alle Informationensammeln, aufarbeiten und weitergeben.

    Historie und Ausblick

  • 14 15

    Verkehr bündeln, Wohnbezirke entlasten

    Kreuzung Heilbronner-/Wolframstraße

    In der Landeshauptstadt Stuttgart treffensich die vier Bundesstraßen 10, 14, 27 und295, deren Trassen in den Jahrzehnten nachdem Krieg festgelegt wurden. Die Enge desTalkessels ist der Grund dafür, dass diemehrspurigen Straßen mitten durch die Innenstadt führen. Heute sind Lösungen ge-fragt, mit denen die trennende Wirkung derVerkehrsschneisen gemindert werden undder Verkehr besser fließen kann.

    Das Tiefbauamt koordiniert die Projekte,kümmert sich um die Finanzierung undsorgt für die Ausführung. Dabei wird nebender Einhaltung der Kosten, der Termine undder Qualität besonders darauf geachtet,dass Behinderungen für die Verkehrsteil-nehmer während der Bauzeit so gering wiemöglich sind. Mit angepasster Signalsteue-rung und gezielter Information der Ver-kehrsteilnehmer wird dieses Ziel erreicht.

    Straßen und Brücken verbinden

    Oben Radfahrer und Fußgänger, unten Autos: die Nesenbachtalbrücke in Stuttgart-Vaihingen

  • Bildunterschriftenvon den schönenBildern

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    Ausbau der B 10 Die Achse B 10 zwischen Zuffenhausenund Stuttgart-Ost wurde in den letztenJahren ausgebaut. Das Ziel lautete, denVerkehr zu bündeln und so die Stadtbe-zirke Bad Cannstatt, Zuffenhausen undStuttgart-Ost vom Durchgangsverkehr zuentlasten. Wesentliche Bausteine sind derPragsatteltunnel, der sechsspurige Aus-bau der Heilbronner Straße zwischenPragsattel und Zuffenhausen sowie derRosenstein-Leuze-Tunnel, der 2013 begon-nen wurde und 2020 fertiggestellt seinwird. In der Folge dieses Projekts könnenin angrenzenden Stadtteilen viele Straßen-züge zurückgebaut und zu Gunsten besse-rer städtebaulicher Lösungen und desWohnumfelds neu gestaltet werden.

    Verlegung der B 295In Feuerbach ist eine Entlastung von Wohn-gebieten durch die Verlegung der B 295 geplant. In Zukunft soll der Verkehr nichtmehr durch die Siemensstraße und dieTunnelstraße rollen, sondern auf die Heil-bronner Straße und die Borsigstraße ver-legt werden. Der notwendige Ausbaudieser beiden Straßen ist bereits erfolgt.

    Das Verbindungsstück zur BregenzerStraße wird nach Abschluss der Arbeitenvon Stuttgart 21 in Feuerbach hergestellt.Der letzte Baustein auf dieser Achse ist derDirektanschluss an der Friedrichswahl inZuffenhausen durch den Abbruch der B 10/B 27-Auffahrtsrampe.

    Perspektiven für das BahnhofsumfeldDie Konzeption des heutigen City-Ringsschuf in den 60er- und 70er-Jahren die Voraussetzung für eine zukunftsweisendeInnenstadtentwicklung mit dem Bau zahlrei-cher Fußgängerzonen. Im Zuge der Erschlie-ßung des Europaviertels wird mit dem Aus-bau der Heilbronner-/Wolframstraße im Jahr2015 ein wichtiger Schritt für die Erweite-rung des City-Rings von der Schillerstraße in die Wolframstraße gemacht.

    In der Zukunft bieten sich neue Möglichkei-ten für eine Neugestaltung des gesamtenBahnhofvorfelds an. Hierfür muss vorher dervollständige Ausbau von der Wolframstraßezur Cannstatter Straße nach Fertigstellungvon Stuttgart 21 erfolgen.

    Fußweg-Verbindungen in die CityIm Zusammenhang mit der Verkehrsbün-delung auf den Hauptverkehrsstraßensteht seit Jahren der Wunsch, sichere Que-rungsmöglichkeiten für Fußgänger undRadfahrer zu schaffen. Erste Verbesserun-gen wurden durch umgebaute Flächen fürFußgänger und Fußgängerüberwege wieam Charlottenplatz, an der Sophienstraße,der Leonhardskirche und am Hauptbahn-hof erzielt. Stadtquartiere wie das Heu-steig- und das Bohnenviertel können mitder City zusammenwachsen. In Zukunftwird es für die Fußgänger auch im Bereichdes Gebhard-Müller-Platzes möglich seinoberirdisch die Straße zu queren. Durcheine Überdeckelung soll die Unterfahrungdes Platzes verlängert werden, so dasskünftig auch das Kernerviertel enger andie City und den neuen Bahnhof angebun-den wird.

    17

    Einer der Verkehrsknotenpunkte Stuttgarts: der Pragsattel

    Straßen und Brücken verbinden

    Neue Verbindun-gen für Fußgän-ger und Rad-fahrer am Charlottenplatz

  • Bild links: Der HeslacherTunnel verbindet das Stadtzen-trum mit demAutobahnkreuz Stuttgart.

    Bild rechts:Betonierarbeitenim Rosenstein-tunnel

    im Stadtzentrum. Dort treffen sich dieStadtbahnen, die auf den Tallängslinien undden Talquerlinien verkehren. Der Charlot-tenplatz war Anfang der 1960er-Jahredeutschlandweit die erste Baustelle des öf-fentlichen Nahverkehrs. Diese Baustellemarkierte den Beginn der bis heute andau-ernden, engen und erfolgreichen Zusam-menarbeit zwischen dem Tiefbauamt undder Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB AG).

    Diese Zusammenarbeit hat sich sehr posi-tiv auf den Ausbau des Stadtbahnnetzes inStuttgart ausgewirkt. Das Tiefbauamt istzum einen als Dienstleister für die SSB AGtätig, indem es den Tunnel-, Straßen- undKanalbau für die Stadtbahnprojekte erledigt.Zum anderen hat es auch die Funktion des

    Straßenbaulastträgers inne und damit dieVerantwortung für das Funktionieren derInfrastrukturanlagen. Dass der bergmänni-sche Tunnelbau große Bedeutung hat, zeigenzwei große Projekte aus den 1980er-Jahren:der Stadtbahntunnel an der Neuen Wein-steige und der Heslacher Tunnel. Letztererist mit 2,3 Kilometern Länge und der un-terirdischen Anschlussstelle an der Karl-Kloß-Straße der größte StraßentunnelStuttgarts.

    Zudem war der Heslacher Tunnel auch bau-technisch ein sehr anspruchsvolles Projekt.Die beiden bergmännischen Abschnitte füh-ren durch quellfähiges Gebirge. Und der ver-kehrsreiche Marienplatz musste umgebautund verkehrstechnisch angepasst werden.

    1918

    Stuttgart – Stadt des TunnelbausStuttgart hat eine lange Tradition im Tun-nelbau. Die frühen Verkehrstunnel wurdenfür die Eisenbahn gebaut, wie beispiels-weise der erste Rosensteintunnel sowieder Pragtunnel. Der erste städtische Ver-kehrstunnel war der Schwabtunnel, der1896 in Betrieb ging und noch heute demIndividual- als auch dem öffentlichen Nah-verkehr dient. Der Wagenburgtunnel wurdeschon während des Zweiten Weltkriegs begonnen und in dieser Zeit auch als Luft-schutzstollen genutzt. Er wurde 1958 demVerkehr übergeben.

    Früher wurden Tunnel für die Unterque-rung von Bergrücken gebaut und verkürz-ten damit auch Verkehrswege. Heute wer-den Straßen und Gleise oft unter die Erde

    verlegt, um die Lebensqualität an derOberfläche für Fußgänger und Radfahrerim öffentlichen Straßenraum zu verbes-sern und ihnen mehr Freiräume zur Ver-fügung zu stellen. Ein großer Tunnelbau-boom setzte wie in vielen anderen StädtenDeutschlands in den 1960er-Jahren ein.Damals begann der kontinuierliche Aus-bau des öffentlichen Nahverkehrs, der Straßenbahn und der heutigen Stadtbahn.

    Tiefbauamt als Dienstleister für die SSBIm Jahr 1962 wurde am Charlottenplatz mit dem ersten kombinierten Verkehrsbau-werk für Straße, Stadtbahn und Fußgängerbegonnen. Das Bauwerk ist Teil des City-Rings und zugleich wichtiger Verknüp-fungspunkt des öffentlichen Nahverkehrs

    Straßen und Brücken verbinden

  • Fuß- und Radwegbrückeüber den Neckar beimMax-Eyth-See

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    Durch den Tunnel fahren heute täglich 50 000 Fahrzeuge, im Jahr etwa 18 Millio-nen. Seit der Inbetriebnahme 1991 habenüber 350 Millionen Kraftfahrer das Bauwerkgenutzt. Dadurch hat sich der Verkehr in denWohngebieten deutlich reduziert.

    Ostumfahrung VaihingenBei der Planung der Ostumfahrung Vaihin-gen gab man sich besondere Mühe mit derEinbindung der neuen Straße in die Umge-bung und bei der Gestaltung der Bauwerke.Außergewöhnlich an der Brücke über dasNesenbachtal ist der über der Fahrbahnliegende Geh- und Radweg. Dieser erleich-tert Fußgängern und Radfahrern die Tal-querung, ohne zusätzliche Höhenmeterüberwinden zu müssen. Der Österfeld-tunnel wurde mit Hilfe eines „gläsernen“Teilstücks verlängert. Dieser dient demSchallschutz gegenüber der darüber lie-genden Wohnbebauung.

    Stadtbahntunnel ZuffenhausenEine besondere Herausforderung war derBau des Stadtbahntunnels in Zuffenhausen.Der Tunnel wurde in der Unterländer Straße,der Hauptgeschäftsstraße in Zuffenhausen,im Zeitraum von zweieinhalb Jahren herge-stellt. Die Arbeiten erforderten den intensi-

    ven Dialog mit den Gewerbetreibenden unddem Bezirksbeirat. Nun hat Zuffenhausenmit dem Emil-Schuler-Platz und der Un-terländer Straße eine attraktiv gestalteteOrtsmitte.

    Das Großprojekt RosensteintunnelDerzeit realisiert das Tiefbauamt mit demRosensteintunnel die größte städtische In-frastrukturmaßnahme im Verkehrsbereich.Die Maßnahme wird in zwei Abschnittengebaut. Der erste umfasst den Umbau derKreuzung von B 10 und B 14 am Mineral-bad Leuze. Im zweiten Abschnitt entstehtder eigentliche B 10-Rosensteintunnel, dermit zwei Röhren den Rosensteinpark undTeile der Wilhelma unterquert.

    Mit diesem Projekt und den begleitendenlenkenden Maßnahmen wird der Verkehrauf der B 10 gebündelt. Die deutlich zurück-gehende Verkehrsbelastung in der Prag-und Neckartalstraße lassen den zoologisch-botanischen Garten der Wilhema förmlichaufatmen. Verkehrsflächen können zurück-gebaut werden und schaffen so Platz fürGrünflächen, Bäume, Fuß- und Radwege.So kann das Neckarufer neu geplant werden.

    Um die Öffentlichkeit zu informieren, wurdeeine eigene Internetseite eingerichtet. Sieinformiert über den aktuellen Projektstand.Der Rosensteintunnel soll 2020 in Betriebgehen.

    Schloßplatz und KönigstraßeGemeinsam mit der Königstraße bildet derSchloßplatz das Herzstück der attraktiven Innenstadt Stuttgarts. Die Verkehrsinfra-struktur liegt dank der Aktivitäten der Verkehrsplaner und Tunnelbauer seit den1970er-Jahren unter der Oberfläche.

    In den vergangenen 40 Jahren konnte eineVielzahl von vergleichbaren Projekten reali-siert werden, die dauerhaft einen entschei-denden Beitrag zur Entwicklung einer le-benswerten und lebendigen Stadt leisten.

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    Brücken gehören zur städtischen Infra-struktur und bestimmen das natürliche so-wie das urbane Umfeld. Eine Brücke wirdfür viele Jahre gebaut. Beim Entwurf einessolchen Bauwerks geht es nicht nur umdie Verbindung zweier Orte, sondern auchum die Einpassung und Wirkung im Umfeld.

    Malerische Stege für GartenschauenVerschiedene Ingenieurwettbewerbe führtenin der Vergangenheit zu anspruchsvollen undkreativ gestalteten Brückenbauwerken. Ins-besondere für die Bundesgartenschauen1961 und 1977 sowie für die InternationaleGartenschauausstellung 1993 entstandenviele attraktive Fußgängerstege. Heuteverfügt Stuttgart über eine durchgehendeFuß- und Radwegeverbindung der Grünan-lagen vom Schlossplatz bis zum HöhenparkKillesberg, das so genannte „Grüne U“.

    Beispielhaft für die gelungene Einfügungsei hier der im Jahr 1961 erstellte Ferdi-nand-Leitner-Steg über die Schillerstraßeerwähnt, der die oberen und die mittlerenSchloßgartenanlagen miteinander verbindet.

    Harmonischer Einklang mit der NaturHier gibt die Fuß- und Radwegbrücke amHagelsbrunnenweg im Dürrlewanger Wald,eine einfache Einfeldbrücke, die durch einharmonisch ausgebildetes Geländer er-gänzt wurde, ein gutes Beispiel.

    Bei der Fuß- und Radwegbrücke über denNeckar beim Max-Eyth-See wird das Trag-verhalten einer Hängebrücke sichtbar. Zusätzlich bietet sie einen schönen Blicküber die Steillagen des Neckars. Die Wegefügen sich harmonisch in das Erholungs-gebiet am See ein. Der La-Ferté-Steg inZuffenhausen verbindet das Wohngebietmit den innerstädtischen Angeboten wie Einkaufen, öffentlicher Nahverkehr und Freizeit.

    „Stuttgarter Schule“ und PreisträgerDass in Stuttgart mittlerweile eine Vielzahlgut gestalteter Brückenbauwerke existie-ren, ist auch den ansässigen Hochschulen,der sogenannten „Stuttgarter Schule“, zuverdanken. Daraus sind eine Reihe nam-hafter Ingenieurbüros entstanden, dieweltweit tätig sind.

    Brücken zeitlos gestalten

    Österfeldtunnelmit Glasver-längerung zumSchallschutz

    Straßen und Brücken verbinden

  • Neue Parkleit-systeme lenkenden Verkehr.

    Mit Technik in Bewegung

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    Dieser Entwicklung und der guten Zusam-menarbeit von Ingenieurbüros mit demTiefbauamt ist es zu verdanken, dass vieleStuttgarter Brücken ausgezeichnet wur-den: Die Fuß- und Radwegbrücke über denNeckar beim Max-Eyth-See erhielt 1991den Hugo-Häring-Preis, der traffic designaward ging im Jahr 2000 an die Brückeüber das Nesenbachtal.

    2006 wurde der La-Ferté-Steg mit demDeutschen Brückenbaupreis ausgezeich-net und 2015 gewann die Fuß- und Rad-wegbrücke Hagelsbrunnenweg im Dürrle-wanger Wald den Ingenieurbaupreis desDeutschen Stahlbaus.

    Fuß- und Rad-wegbrücke Hagelsbrun-nenweg

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    Mehr als 800 Ampeln steuern in Stuttgartden Verkehr. Lichtsignalanlagen, wie derFachmann sie nennt, dienen der Sicherheitund dem fließenden Verkehr. Alle Bürgermüssen sich den knappen Straßenraumteilen. Dank der Signalanlagen könnenFußgänger stark befahrene Straßen sicherqueren, Stadtbahnen und Busse bekom-men Vorrecht und Autofahrer fahren emis-sionsarm in Grüner Welle, sofern die Interessen konkurrierender Verkehrsteil-nehmer dies zulassen.

    Erste Ampel an der Königstraße 1939Die erste Lichtsignalanlage in Stuttgartwurde am 30. Juli 1939 an der Marquardt-ecke, heute König-/Bolzstraße in Betriebgenommen. Erst Anfang der 1950er-Jahrefolgten weitere Anlagen, teilweise mit soge-nannten Heuer-Ampeln mit sich drehendenZeigern – ein System, das es heute nichtmehr gibt. Am Anfang wurden die Ampelnvon der Polizei per Hand weitergeschaltet.Erst später folgten automatisch arbeitendeSignalprogramme.

    Start der Grünen WelleIm Jahr 1955 ging in Stuttgart die ersteGrüne Welle in Betrieb. Dafür mussten alleSignalanlagen durch einen neu aufgebautenRechner im Rathaus zentral gesteuert wer-den. Schon damals wurden Klagen überlange Wartezeiten laut. Mit dem stark zu-nehmenden Autoverkehr wurden immermehr Lichtsignalanlagen gebaut. In nur 20Jahren, von 1960 bis 1980, erhöhte sich dieAnzahl auf über 500. Seit rund zehn Jahrenliegt sie bei etwas über 800 Anlagen.

    Heute bestehen die Steuergeräte aus sehrleistungsfähigen Computern, die zahlreicheMeldungen in komplexen Signalprogram-men verarbeiten können, um den sich dau-ernd ändernden Verkehrsverhältnissen gerecht zu werden. 72 Grüne Wellen sollen

    in Stuttgart ein möglichst gleichmäßigesFahren erlauben. Acht Verkehrsrechnerkoordinieren die Signalanlagen untereinan-der und melden Ausfälle an eine Störmel-dezentrale.

    Dynamische Park- und VerkehrslenkungNeben den Lichtsignalanlagen betreibt dasTiefbauamt zahlreiche weitere komplexetechnische Anlagen zur Verkehrslenkung.Das älteste System ist das Parkleitsystem Innenstadt. In den kommenden Jahren wird es vollständig modernisiert und an neue verkehrliche Anforderungen an-gepasst.

    Anlässlich der Fußballweltmeisterschaftwurde 2006 der Veranstaltungsbereich NeckarPark ausgebaut. Um den Verkehrgezielt auf die Parkflächen der einzelnenVeranstaltungsstätten lenken zu können,wurde ein dynamisches Park- und Ver-kehrsleitsystem aufgebaut. Über LED-Anzeigen erhalten die Autofahrer aktuelleInformationen.

    NeckarbrückeMühlhausen

    Straßen und Brücken verbinden

  • 24

    72 Grüne Wellen ermöglichen ein gleichmäßiges Fahren im Stadtgebiet.

    Verkehrs-situation amBerliner Platz

    Um den hohen Verkehrsbelastungen wäh-rend der An- und Abfahrt bei Großveran-staltungen im NeckarPark gerecht zu wer-den, erhielt die Talstraße eine Fahrstreifen-signalsierung. Bei der Anfahrt werden biszu drei Fahrstreifen für den zufließendenVerkehr freigeschaltet. Bei der Abfahrtwerden einzelne Fahrrichtungen umge-dreht und bis zu drei Fahrstreifen für dieGegenrichtung freigegeben.

    Umleitung im BedarfsfallViele der zwölf Straßentunnel, wie etwa derHeslacher Tunnel oder der Tunnel am Prag-sattel können gesperrt und der Verkehrumgeleitet werden. LED-Anzeigetafelnweisen den Autofahrer auf die geänderteRoutenführung hin. Mit der gleichen Tech-nik wird der Verkehr bei Unfällen und hohem Verkehrsaufkommen von der B 10 bei Zuffenhausen auf die B 295 bei Weil-imdorf umgeleitet. Auch im Bereich derWilhelma ist ein solches System entlangder B 10 installiert.

    Stau und Feinstaub vermeidenBaustellen, Unfälle, Veranstaltungen odereinfach zu viel Verkehr Richtung Innenstadt:Um den Verkehrsteilnehmern die richtigenInformationen zum richtigen Zeitpunkt zugeben, setzt das Tiefbauamt auf Technikund auf die Einsicht der Verkehrsteilneh-mer. In den letzten Jahren wurden entlangstark befahrener Hauptstraßen Informati-onstafeln aufgebaut. Texte und Grafiken in-formieren den Autofahrer über die aktuelleVerkehrslage, warnen vor Staus oder Un-fällen.

    Für den Feinstaub-Alarm, den die Stadtseit Januar 2016 ausrufen kann, wurdenweitere dynamische Informationstafeln installiert. So werden Autofahrer bei Feinstaub-Alarm zu umweltgerechtem Verhalten aufgefordert.

    Stuttgarts Straßen sind mit viel Technik zur Verkehrsteuerung und -lenkung aus-gestattet. Diese funktioniert nur dank gut ausgebildeter Mitarbeiter, Ingenieure,Techniker und Meister.

    Manche Situationen verlangen jedoch mehrals Detektoren und komplexe Programm-strukturen. Im Frühjahr 2006 ging deshalbdie Integrierte Verkehrsleitzentrale (IVLZ)in Betrieb. Hier sitzen Fachleute an denGeräten, die bei Bedarf steuernd eingreifen.

    Anpassung an das VerkehrsaufkommenAn rund 300 Stellen im Hauptstraßennetzbefinden sich Induktionsschleifen imAsphalt, die den Verkehrsfluss messen.Die Ingenieure können sich über Kamerasein Bild über wichtige Kreuzungen undStraßenabschnitte verschaffen.

    Die Technik dient dazu, in der IVLZ denÜberblick zu behalten und steuernd aufdas Verkehrsgeschehen eingreifen zu können.

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    Straßen und Brücken verbinden

  • Kreisverkehram Ostendplatz

    Der Bau von Kreisverkehrsplätzen nahm seit den 1990er-Jahren in Stutt-gart enorm zu. Zählte man im Jahr 1990 noch acht Anlagen, stieg die Zahl bis heute kontinuierlich auf 62.

    Die Einrichtung eines Kreisverkehrs istimmer dann möglich, wenn moderateVerkehrsbelastungen herrschen und aus-reichend Fläche im Straßenraum zur Verfügung steht.

    Die Vorteile liegen dann auf der Hand:Der Verkehr fließt stetig und Wartezeiten,wie sonst an einer signalisierten Kreu-zung, entfallen. Besonders steht dabei dieVerkehrssicherheit im Vordergrund. DieGeschwindigkeit der Fahrzeuge nimmtab, und für die Fußgänger sorgen Zebra-streifen für ein sicheres Überqueren der

    Fahrbahn. Die Mittelinseln von Kreisver-kehren bieten außerdem Möglichkeitenzur künstlerischen Gestaltung oder fürstädtebauliche Akzente im Straßenraum.

    Zahlreiche Kreisverkehre realisiertIn den zurückliegenden Jahren konntenzahlreiche Kreisverkehre auch im Zusam-menhang mit dem Ausbau des Stadt-bahnnetzes realisiert werden.

    So wurden im Jahr 2013 mit dem Bau derStadtbahnlinie U12 Hallschlag entlangder Löwentorstraße drei neue Kreisver-kehre gebaut. Drei weitere Kreisverkehresind im Jahr 2016 in Dürrlewang, eben-falls im Rahmen der Stadtbahnverlänge-rung U12, entstanden.

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    Fließender Verkehr statt Wartezeiten

    Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derIntegrierten Verkehrsleitzentrale (IVLZ) ar-beiten im Schichtbetrieb sieben Tage in derWoche. Über die LED-Tafeln informieren siedie Verkehrsteilnehmer über die aktuelleLage auf den Straßen. In Sekundenschnelle

    können sie mit Texten und Grafiken aufStaus durch Unfälle, Baustellen oder hohesVerkehrsaufkommen hinweisen sowie Um-leitungsrouten empfehlen. Auch auf vorher-sehbare Beeinträchtigungen machen dieIngenieure bereits Tage zuvor aufmerksam.

    Bild oben:Arbeitsplatz inder IntegriertenVerkehrsleit-zentrale

    Bild unten:Variotafel amWilhelmsplatz

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    Straßen und Brücken verbinden

  • Die Landeshauptstadt Stuttgart wird gerneals „Autostadt“ bezeichnet. Doch seitmittlerweile einem Jahrzehnt hat die För-derung des Radverkehrs hohe Priorität.Hierzu wird ein umfangreiches Konzeptverfolgt, das hauptsächlich den Ausbau derRadinfrastruktur entlang von 38 Achsen,den sogenannten Hauptradrouten, beinhal-tet. Dadurch konnten bis heute Radwegemit einer Länge von 160 Kilometern reali-siert werden, unter anderem die Hauptrad-route 1 zwischen Vaihingen und Fellbach. Standen dem Tiefbauamt im Jahr 2005

    noch weniger als eine halbe Million Euroim Jahr für den Radwegebau zur Verfü-gung, werden heute fast drei MillionenEuro in solche Maßnahmen investiert. Bei aktuellen Großprojekten werden große Bereiche auch unter dem Gesichtspunktdes Radverkehrs umgestaltet, etwa beimBau des Rosensteintunnels. Ziel ist es, dasRadfahren in Stuttgart attraktiver zu machen.Die seit 2012 vorhandenen Radzählstellen,welche sukzessiv im Stadtgebiet eingerich-tet werden, ermöglichen eine Einschätzungzur Entwicklung der Radverkehrsmengen.

    Radfahrstreifen in der Tübinger Straße

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    Fest im Sattel durch die Stadt

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    Zudem sind E-Bikes immer häufiger anzu-treffen. Elektrisch unterstützt radelt es sichin Stuttgarts Kessellage erheblich einfacher.

    Verbesserte RadwegführungEin Schwerpunkt für den Ausbau derHauptradrouten verläuft entlang des Neckars. Zahlreiche Abschnitte konntenhier schon fertiggestellt werden. Die der-zeit beste Lösung ist es, Radwege auf einem separaten Fahrradstreifen auf Fahrbahnniveau zu führen.

    Wo dies nicht möglich ist, werden von derFahrbahn getrennte Radwege erstellt.Wenn es der Verkehr zulässt, werden hier-für auch Fahrspuren des Kfz-Verkehrs ge-nutzt, wie zum Beispiel entlang der Böblin-ger Straße aus Richtung Kaltental oderentlang der Neckartalstraße in RichtungMünster.

    Zur besseren Orientierung für die Rad-fahrer werden die Hauptradrouten mit einer durchgängigen Wegweisung ent-sprechend den aktuellen Empfehlungenausgerüstet. Durchgängig fertiggestellt ist die Hauptradroute 1.

    Bild links:Radwegweisungim Schloßgarten

    Bild rechts:Zweirichtungs-radweg in der Neckartalstraße

    Straßen und Brücken verbinden

  • 30

    Lärmschutz-wand entlangder B 10/B 27 inZuffenhausen

    Seit über 50 Jahren plant und baut dasTiefbauamt in Stuttgart spezielle Einrich-tungen wie Lärmschutzwände oder -wälle.Die Wände bestehen aus schallabsorbie-renden Materialien. Der Einbau von lärm-mindernden Asphaltbelägen hat sich inStuttgart ebenfalls bewährt. Im Bereich vonHauptverkehrsstraßen wird bei Umgestal-tungen oder Erneuerungen meist ein sol-cher lärmarmer Belag verwendet.

    Lärmschutzwand in ZuffenhausenEin Beispiel für die fortlaufende Anpassungsolcher Maßnahmen ist die Lärmschutz-wand an der B 10/B 27 in Zuffenhausen. Durch die Umgehungsstraße konnte derOrtskern in Zuffenhausen von Verkehrentlastet werden.

    Der Schutz der Wohnbebauung erfolgte im Zuge einer Bauwerkssanierung zwi-schen der Unterländer und der KnittlingerStraße. Die Lärmschutzwand wurde auf610 Meter Länge um rund 2,5 Meter erhöht.

    Bei den umliegenden Häusern erreichteman dadurch im Erdgeschoss und in denFreibereichen eine wesentliche Verbesse-rung der Lärmbeeinträchtigung um etwadrei Dezibel. Für die Anwohner wirkt das,als hätte sich die Verkehrsmenge halbiert.

    Im Rahmen der Erschließung des GebietsNeckarPark wurde im Jahr 2015 ebenfallseine Lärmschutzwand entlang der Gleisegebaut.

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    Lärmschutz für Wohngebiete

    Lärmschutzwand im Neckarpark

    Jasmin HueberIngenieurin Fachrichtung Infrastrukturmanagement, seit 2014 bei der Abteilung Straßen und Verkehr

    Warum haben Sie sich entschieden, beimTiefbauamt zu arbeiten? Nach meinem Studium hatte ich mich aufverschiedene Stellen beworben. Die Stel-lenanzeige des Tiefbauamts sprach michsofort an. Und auch nach dem Vorstel-lungsgespräch hatte ich ein gutes Gefühl.Die Konditionen wie Gehalt, Gleitzeit undJobticket haben für mich einfach gepasst.

    Wie haben Sie Ihre Einarbeitung empfunden?Ich fand es sehr hilfreich, dass mir ein Patezugeteilt wurde, an den ich mich jederzeitmit allen Fragen um die Arbeit wenden konn-te. Die Einarbeitung verlief sehr organisiert.Alle Kollegen kümmerten sich ebenfallssehr gut um mich.

    Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit? Ich bin für die Abrechnung von gefördertenBauvorhaben mit den Zuschussgebern und die Antragskoordination zuständig.

    Dadurch bekomme ich einen Einblick in viele stadtinterne Vorgänge und habe zuden unterschiedlichsten Kolleginnen undKollegen im Amt und in der Stadtverwal-tung Kontakt. Die Aufgaben sind sehr abwechslungsreich und beinhalten auch viele interessante Recherchen.

    Wie wichtig ist die Teamarbeit im Tiefbauamt?Meine Arbeit kann ich teilweise selbständigerledigen, teilweise arbeite ich eng mit verschiedenen Kollegen zusammen. Ichgehe gern ins Büro und fühle mich in meinem Team sehr wohl. Meine Arbeit wird geschätzt, und ich kann mich jeder-zeit bei Fragen an die Kollegen und die Vorgesetzte wenden.

    Ihr Fazit zum Tiefbauamt?Mir gefiel es von Anfang an sehr gut. Dasliegt vor allem an der Arbeitsvielfalt und am Team.

    Straßen und Brücken verbinden

  • Der Hospital-platz wurde zurFußgängerzone.

    1953 wurde in der Schulstraße die ersteFußgängerzone Stuttgarts eröffnet und inden 1970er-Jahren begann der Wandel inder Innenstadt. Vormals wichtige Verkehrs-achsen, die von Straßenbahn und Kraftver-kehr geprägt waren, wurden Schritt fürSchritt zu großzügigen Fußgängerzonenund Plätzen umgebaut.

    Prominente Beispiele hierfür sind die Kö-nigstraße bis hin zur Querspange. DasTiefbauamt hat maßgeblich Anteil, dass mit der Tieferlegung der Straßenbahn,dem Bau des Planietunnels und mit derVerkehrsführung über den City-Ring dieser Wandel vollzogen werden konnte.Heute ist die Königstraße eine der meistfrequentierten Einkaufsmeilen deutsch-landweit. Im Bereich des Schloßplatzes laden Straßencafes zum Verweilen ein, an die damalige Situation als Verkehrs-knotenpunkt möchte heute niemand mehr denken.

    Die Königstraße wurde zuletzt in den Jah-ren 2004 bis 2009 saniert und neu gestal-tet. Die Querspange, die Marienstraße, die Tübinger Straße sowie die Straßen um das„Gerber“ konnten in den Jahren 2011 bis2014 umgebaut werden. Auch das aktu-ellste Projekt, der Hospitalplatz, reiht sichein in die Baumaßnahmen, die für den Wandel der Innenstadt stehen. Ein neuergroßzügiger Platz ist entstanden, Straßen,

    Parkplätze und historische Straßenbahn-gleise, die an vergangene Verkehrsachsenerinnerten, sind der neuen Fußgängerzonegewichen. Auch außerhalb der Innenstadtsind in den vergangenen Jahren neuePlätze entstanden. Der Marktplatz in Uhl-bach wurde im Jahre 2008 umgebaut. ImJahr 2013 konnte der Ernst-Reuter-Platzin Weilimdorf fertiggestellt werden. Diesebeiden Projekte stehen für eine Reihe vonUmgestaltungen, die eine neue Identitätfür den Stadtteil schaffen und die Aufent-haltsqualität deutlich erhöhen.

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    Die Stadt alsLebensraum

    Königstraße – Einkaufsmeile im Herzen der Stadt

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    Fußgänger erobern die Straßen

  • SünderstaffelStuttgart ist die Stadt der Stäffele. Durchdie Topographie der Stadt gibt es über 400Treppen der unterschiedlichsten Art. FürFußgänger sind sie eine willkommene Ab-kürzung und eine Verbindung zwischenTalkessel und Höhenlagen. Außerdem sindsie eine touristische Attraktion, und sowerden zahlreiche Führungen angeboten,um die Stäffele selbst und die Ausblickeauf die Stadt erleben zu können.

    Aufwendige SanierungDas Tiefbauamt hält die Stäffele instandund sorgt dafür, dass sie nicht nur ihreFunktion erfüllen, sondern dass auch ihrhistorischer Charakter erhalten bleibt. Sowurden in den letzten Jahren viele Treppenerfolgreich saniert, was insbesonderedurch ein Sonderprogramm des Gemein-

    derats möglich war. Neben dem Budget fürdie Erhaltung der Straßen und Gehwege,stehen für die Stäffele bis zu 300 000 EURpro Jahr zur Verfügung. Das Geld wird be-nötigt, denn die historisch korrekte Sanie-rung kostet mehr als das bei rein funktio-nalen Anlagen der Fall ist.

    Natursteinmauern sind zu sanieren, teil-weise müssen die Steine mit dem gleichenMaterial ersetzt werden. Gusseiserne Ge-länder werden zum Teil nachgebaut, wenndie Substanz eine Sanierung unmöglichmacht. Nicht zuletzt erschwert oft die Zu-gänglichkeit die Arbeiten. Parallel mit derRenovierung der baulichen Substanz wirdauch die Beleuchtung auf den neuestenStand gebracht und so die Treppe anspre-chend in Szene gesetzt.

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    Neue Lebensräume erschließen

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    Auch für die Erschließung von Grundstü-cken ist das Tiefbauamt zuständig. Straßen,Kanäle und Leitungen werden verlegt. Da-bei ist die enge Zusammenarbeit bei Pla-nung, Vermessung und Bauausführung dieVoraussetzung für ein gutes Ergebnis. An-fang des 19. Jahrhunderts stand in Stuttgartnoch die grundsätzliche Erschließung vonneuem Bauland im Vordergrund. Heutzu-tage hat die Aufsiedelung von Bestands-flächen oder der endgültige Ausbau vonsogenannten Altstraßen Priorität.

    Das Europaviertel entstehtDurch den Abbau von ehemaligen Bahnan-lagen werden in Stuttgart große Flächenfür städtische Revitalisierungen frei. DasA1-Areal zwischen dem Hauptbahnhof undder Wolframstraße auf dem ehemaligenGelände des Zollbahnhofs, konnte bereits

    neu erschlossen und bebaut werden. Mitder Stadtbibliothek und dem MailänderPlatz als Zentrum ist ein neues Viertel entstanden. Die letzten Baulücken könnennach der Fertigstellung der neuen Stadt-bahnlinie in den nächsten Jahren ge-schlossen werden.

    Projekt NeckarPark steht bevorDer NeckarPark ist eine der größten undaktuellsten Maßnahmen Stuttgarts. Auf einer Fläche von rund 700 000 Quadrat-metern des ehemaligen Güterbahnhofswerden Wohnraum, Grünanlagen und Gewerbeflächen durch eine moderne Verkehrsführung erschlossen. Nachhalti-ges ökologisches Bauen steht im Vorder-grund.

    Neben einer innovativen Entwässerung, beider ein Großteil des Regenwassers im Ge-biet verbleibt, ist der Schutz vor Verkehrs-und Veranstaltungslärm von hoher Bedeu-tung. Die Gestaltung der Straßenräumeorientiert sich stark an den Bedürfnissendes Städtebaus und des Fußverkehrs. Ins-gesamt sollen rund 50 Millionen Euro fürdie Erschließung investiert werden.

    Mit Investoren bauenDer Impuls für eine städtebauliche Neu-ordnung kommt oft von einem privaten In-vestor. Alte Gebäude werden abgerissen,Grundstücke zusammengelegt, neue Wegeund Straßen entstehen. Von der erstenPlanung des Investors bis zur Fertigstel-lung ist das Tiefbauamt hierbei ein wesent-licher Projektpartner. So müssen die Pla-nungen, Kosten und Termine abgestimmtund vertraglich festgelegt werden. JüngsteBeispiele für solche Maßnahmen sind das„Gerber“ und das Dorotheenquartier.

    Treppauf, treppab auf Stuttgarts Stäffele

    Der MailänderPlatz bietet urbane Aufent-haltsqualität.

    Die Stadt als Lebensraum

  • Beleuchtungder Johannes-kirche

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    1902 wurde das Stuttgarter Elektrizitäts-werk Eigentum der Stadt. Damals brannten3411 Gas- und 320 Öllaternen, für die 81Anzünder, Hilfsanzünder sowie fünf männli-che und acht weibliche Öllampenanzündermit Leitern bewaffnet ihre nächtlichen Run-den drehten. Gestaltung mit künstlichemLicht hat im öffentlichen Raum der Innen-stadt Tradition. Der Stadtgarten wurde 1881als erster Bereich mit elektrischem Lichtausgestattet. 1882 folgte der Wilhelmsplatzim Zentrum.

    Die faszinierende Wirkung der Beleuchtungwar ein beliebtes Thema in den gedrucktenMedien. Die Ellwanger Jagstzeitung schil-derte im September 1882 die Illuminierungdes Wilhelmsplatzes durch eine Bogen-lampe am Haus des Elektrotechnikers Wilhelm Reißer folgendermaßen: „Ueberden Wilhelmsplatz war bis in die Mitte, überdie Hauptstätterstraße vom Anfang bis zumEnde Tageshelle verbreitet, dass man an den äußersten Punkten gut lesen konnteund die Gasflammen dagegen wie Nacht-lämpchen aussahen.“

    Um 1900 erhielt der Nachtwächterbrunnenan der Pfarrstraße als erster Brunnen Stutt-garts elektrisches Licht. 1907 erstrahlte dieKönigstraße im Bogenlicht, zwei Jahre spä-ter die Marienstraße. In den Jahren von 1948bis 1953 wurde das Beleuchtungsnetz sa-niert und erweitert, Ende 1953 waren auf673 Kilometern Straßenlänge 12 651 Lam-pen in Betrieb.

    70 000 Straßenleuchten im StadtgebietAktuell befinden sich im Stadtgebiet etwa70 000 Straßenleuchten, darunter über6000 LED-Leuchten. 75 Prozent sind Na-triumdampf-Hochdruck-Lampen, die einweiches, gelbes Licht spenden. Die Ära derQuecksilber Dampfleuchten wurde mitdem Austausch der Letzten ihrer Art Ende2015 beendet, so dass ab 2016 nur noch effiziente Lichtkörper im Einsatz sind.

    Das nächtliche Erscheinungsbild Stutt-garts ist durch die besondere Topographiegeprägt. Von den vielen Aussichtspunkten der Stadt ergeben sich immer wieder neuePerspektiven auf das nächtliche Zentrum.Neben der Grundbeleuchtung der Ver-kehrswege erhielt in den 1980er-Jahrenimmer mehr die Stadtgestaltung und damitdie Hervorhebung markanter Bauwerkewie Türme und Kirchen Bedeutung.

    Straßenbe-leuchtung amCity-Ringin der Paulinen-straße

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    Von der Gaslaterne zur LED-Leuchte

    Um diesem Trend gerecht zu werden,wurde im Jahre 2006 der LichtmasterplanInnenstadt verabschiedet. Die wichtigstenBestimmungen waren die durchgängigenächtliche Sichtbarkeit des City-Rings undder Türme von der Halbhöhenlage sowiedie Erneuerung der Innenstadtleuchtendurch effiziente Mittel mit moderner Form.

    Technologie senkt EnergieverbrauchDer Energieverbrauch der Beleuchtungs-anlage konnte durch Einsatz aktuellerTechnologien immer wieder gesenkt wer-den. 1978 lag er bei 33,5 Millionen Kilo-wattstunden, die heutige Anlage benötigtnur noch 24,7 Millionen im Jahr, etwa

    27 Prozent weniger. Und das, obwohl dieZahl der beleuchteten Gebiete gestiegenist. Im Auftrag des Tiefbauamts wird dieBeleuchtung seit 1969 von den Techni-schen Werken Stuttgart beziehungsweisedem Nachfolgeunternehmen der Netze BWbetrieben. Ein 24-Stunden Not- und Stö-rungsdienst gehört ebenso dazu wie diePlanung und Begleitung der aktuellenstädtebaulichen Großprojekte und die Ein-haltung der Richtlinien zur Betriebssicher-heit. Alle diese Arbeiten erfolgen seit Jah-ren nicht nur in enger Zusammenarbeitmit der Netze BW, sondern auch mit demAmt für Stadtplanung und Stadterneue-rung sowie dem Amt für Umweltschutz.

    Die Stadt als Lebensraum

  • In Stuttgart gibt es rund 250 Brunnen undWasserspiele, die öffentlich zugänglich sind.Das Tiefbauamt verwaltet davon etwa 150Brunnenanlagen. Die restlichen werdenvom Garten-, Friedhofs- und Forstamt, demLand und der EnBW betrieben. Bei der Be-völkerung sind Brunnen sehr beliebt, da siean heißen Tagen für Abkühlung sorgen oderTreffpunkt für Verabredungen sind. Daherwerden sie bei Neuplanungen von Quartie-ren, Plätzen und Straßen oft als zentralesGestaltungsobjekt vorgesehen. Die Anlagensind in Bezug auf ihre Größe, ihres Alters,der Wasserversorgung, dem Unterhaltungs-aufwand und den Betriebskosten sehr un-terschiedlich. Grundsätzlich wird in Quell-,Mineral- und Trinkwasserbrunnen sowieWasserspiele unterschieden.

    Vom Quellbrunnen bis zum WasserspielQuell- und Mineralwasserbrunnen werdendas ganze Jahr über betrieben. Bei ihnenfallen keine Kosten für Frischwasser undStrom an. Allerdings spielt auch hier derAufwand für Abwasser, Reinigung und Re-paraturen eine Rolle. Wasserspiele wie derPusteblumenbrunnen in der Königstraßeoder die Fontäne am Marienplatz sind tech-nisch aufwändige Anlagen, die ständig gewartet werden müssen.

    Inzwischen werden Brunnen fast alle so be-trieben, dass ihr Wasser im Umlauf geführtund nur alle vier Wochen erneuert wird.Spätestens dann ist auch eine Reinigung erforderlich. Der Stromverbrauch ist beidieser Art der Brunnen relativ hoch. Hierwurde in den letzten Jahren in intelligenteSteuerungen und stromsparende Pumpeninvestiert. Das Budget ist mit rund 700 000Euro für Betrieb und Unterhaltung derBrunnen knapp bemessen. Durch einigespezielle Patenschaften und die StiftungStuttgarter Brünnele konnten einige An-lagen in den letzten Jahren saniert und wieder in Betrieb genommen werden.

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    Wenn alle Brünnlein fließen

    Illegale Graffiti entfernen und zugleichGraffiti-Kunst fördern – das ist die Stutt-garter Philosophie. Die farbenfroh ge-sprühten Kunstwerke bringen das urbaneLebensgefühl speziell junger Künstler zumAusdruck. Allerdings können sie auch Sach-beschädigungen sein. Im Rahmen derKontrollen zur Verkehrssicherheit in Fuß-gängerunterführungen und an unterirdi-schen Stadtbahnzugängen erfassen Mitar-beiter des Tiefbauamts illegale Farbsprü-hereien und lassen diese so schnell wiemöglich entfernen.

    Saubere Wände und Treppenzugänge ver-bessern das Sicherheitsempfinden in denunterirdischen Bauwerken. Die Entfernungder illegalen, meist durch „Tags“ (Kennzei-chen der Sprayer) versehenen Graffiti-Schmierereien verursachen hohe Kosten.Daher geht das Tiefbauamt einen konse-quenten Weg und erstattet Strafanzeige.

    Graffiti ist jedoch nicht nur Vandalismus!Künstlerisch gestaltet und legal ange-bracht sind sie neben anderen Kunstwer-ken Ausdruck urbaner Kultur im öffentli-chen Raum. Das Tiefbauamt bietet gemein-sam mit der Jugendhausgesellschaft seiteinigen Jahren die Möglichkeit an, ver-schiedene Bauwerke und Unterführungen,nach Abstimmung mit dem Bezirksbeirat,neu zu gestalten.

    Beispiele hierfür sind der Bauzaun an derWilhelma, die Zufahrt zur Tiefgarage Ross-bollengässle sowie die Fußgängerunterfüh-rung Suttnerstraße/Wallensteinstraße. Unterder König-Karls-Brücke in der „Hall ofFame“ bieten die Wände einen legalen Raumfür Graffiti-Künstler. Im September 2014fand ein Event unter Beteiligung vieler Ju-gendlicher statt, die zu dem Thema „Justwriting my name“ die über 900 Quadratme-ter Fläche neu gestalteten.

    Graffiti an derZufahrt zur Tiefgarage Rossbollen-gässle

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    Graffiti als Teil der Stadtkultur

    Hans-im-Glück-Brunnen

    Galateabrunnenam Eugensplatz

    Die Stadt als Lebensraum

  • Kunstrasen-platz auf derWaldau

    Das Tiefbauamt plant und baut im Auftragdes Amts für Sport und Bewegung Sport-anlagen mit Tennen-, Kunstrasen- undKunststoffbelägen. Darüber hinaus berätund bearbeitet es die von der Stadt geför-derten vereinseigenen Baumaßnahmenwie etwa Tennisplätze. Insgesamt werdenmehr als 650 000 Quadratmeter Sport-fläche, davon elf Kunststofflaufbahnen, 44 Kunstrasenplätze, 18 Tennenplätze, 42 Kleinspielfelder und sechs Zisternen für die Platzbewässerungen betreut.

    Im Doppelhaushalt 2014/15 standen 4,3Millionen Euro für Investitionsmaßnahmenzur Verfügung. Realisiert wurden damitdrei Kunstrasenplätze, zwei Belagser-neuerungen, ein Kleinspielfeld und eine400-Meter-Kunststofflaufbahn. Der Etatbeinhaltet auch 30 bis 40 Unterhaltungs-arbeiten im Jahr wie Belags- und Zaun-instandsetzungen.

    Erste deutsche KunststofflaufbahnIm Juni 1969 hat das Tiefbauamt im dama-ligen Neckarstadion die erste Kunststoff-laufbahn in Deutschland gebaut. Bis heutewurden durch das Tiefbauamt über 200 000Quadratmeter Kunststoffflächen gebaut.Die letzte Beschichtung mit Kunststoff imGottlieb-Daimler-Stadion vor dem Umbauerfolgte 2006 für die Fußball-Weltmeister-schaft.

    Lange LebensdauerUrsprünglich ging man bei Kunststoffbelä-gen von einer Lebensdauer von zehn biszwölf Jahren aus. Bei optimalen techni-schen Voraussetzungen erreicht man heute25 bis 30 Nutzungsjahre. 2015 wurden etwadie 25 Jahre alte Kunststofflaufbahn unddie leichtathletischen Einrichtungen auf derSportanlage des LAC Degerloch im Sport-gebiet „Hohe Eiche“ in Hoffeld grundle-gend erneuert. Die speziellen Wünscheund Anregungen des Vereins wie die An-

    ordnung der einzelnen Disziplinen fürWeit- und Dreisprung, Hammer-und Dis-kuswurf, Stabhochsprung, Hochsprung sowie Kugelstoß- und Speerwurf, wurdenin der Planung berücksichtigt.

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    Bewegung auf sicheren Belägen

    Stuttgart weist aufgrund der Topografie natürliche Barrieren auf. Technische Mög-lichkeiten haben geholfen, sie zu überwin-den. Gerade im Hinblick auf den demogra-fischen Wandel werden Maßnahmen vomTiefbauamt mit Betroffenen und Interes-sensvertretern erörtert. Hierzu finden re-gelmäßige Arbeitstreffen statt. So achtetdas Amt bei Neu- und Umbaumaßnahmenauf Bordsteinabsenkungen an Querungs-stellen, stattet Ampelanlagen mit Vibrati-onssignalen aus und realisiert Blindenleit-einrichtungen im Straßen- oder im ober-bzw. unterirdischen Haltestellenbereich.

    Gerade die jüngsten Aufwertungen etwa imEuropaviertel, Fasanenhof, Hospitalviertelund Dorotheenquartier stellen dar, dassBarrierefreiheit ein wichtiges Thema beiBauprojekten ist. Außerdem wird auch inGebieten nachgerüstet, in denen keine Sanierungmaßnahmen stattfinden. Der Gemeinderat stellte dafür in der Vergan-genheit spezielle Mittel bereit.

    Stadtbahnzugänge und BushaltestellenHydraulisch neigbare Busse ermöglichenBarrierefreiheit im öffentlichen Nahver-kehr. Sie erleichtern bei entsprechend aus-gebauten Haltestellen den Einstieg. SolcheFahrzeuge sind fast durchweg bei derStuttgarter Straßenbahnen AG (SSB AG)im Einsatz.

    Zusätzlich hat das Tiefbauamt gemeinsammit der SSB AG in den vergangenen Jahrenviele unterirdische Stadtbahnhaltestellenmit Aufzügen ausgerüstet. Finanziert durchein Sonderprogramm der Stadt werden au-ßerdem Jahr für Jahr Bushaltestellen mit18-Zentimeter-Sonderbordsteinen ausge-baut. Diese ermöglichen älteren oder be-wegungseingeschränkten Menschen einenhöhengleichen Zu- und Ausstieg. Soge-nannte Z-Überwege sollen die Sicherheitbeim Queren von Stadtbahnanlagen erhöhen.

    Aufzug an derStadtbahn-haltestelle Stadtbibliothek

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    Barrierefreiheit für alle

    Blindenleitli-nien im Europa-viertel

    Die Stadt als Lebensraum

  • Hohe Investitionen, weitergehende Vorgabendes Gesetzgebers und eine sehr schwierigeHaushaltssituation waren 1995 ausschlag-gebend für die Gründung des EigenbetriebsStadtentwässerung Stuttgart (SES). DieseGründe sind heute aktueller denn je. Auchwar es zukunftsweisend, die Aufgaben derStadtentwässerung betriebswirtschaftlichauszurichten und unter Aufsicht kommu-naler Gremien nach kaufmännischen Ge-sichtspunkten zu führen.

    Die SES wird seitdem sowohl vom städti-schen Rechnungsprüfungsamt als auchvon einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaftnach Richtlinien geprüft, wie sie auch fürKapitalgesellschaften gelten. Momentanverfügt die SES über ein Anlagevermögenvon 753 Millionen Euro und investiert jähr-lich über 47 Millionen Euro (Stand 2015).

    Der Eigenbetrieb kann heute auf die He-rausforderungen mit der notwendigen Flexibilität und Geschwindigkeit reagieren.Der Eigenbetrieb verfügt über ein sehrkompaktes und transparentes Berichts-und Steuerungssystem und ist so in derLage, aktuelle und zukünftige Risiken, aber auch Chancen zu erkennen und ge-eignete Maßnahmen zu ergreifen.

    Das Anlagevermögen der SES wuchs seit1995 um über 200 Millionen Euro, was 36 Prozent entspricht. Die Abwasserkanälehaben eine Gesamtlänge von 1685 Kilome-tern. Im Anlagevermögen sind 51 Regen-rückhaltebecken, 82 Regenüberlaufbeckenund 32 Abwasserpumpwerke enthalten.Vier Klärwerke reinigen das Abwasser. Das Hauptklärwerk Mühlhausen ist dasgrößte seiner Art in Baden-Württemberg.Hinzu kommen die Anlagen in Plieningen,Möhringen und Ditzingen. Seit 1995 wur-den über 800 Millionen Euro in sie inves-tiert. Die Schwerpunkte dabei verlagern sich deutlich vom Anlagenneubau hin zu Erhaltungs- und Ersatzmaßnahmen sowiezur Verbesserung der Energieeffizienz.

    Zukunft Stadtentwässerung 2030In der Ausarbeitung „Zukunft Stadtent-wässerung 2030“ wird der Weg der SES in den kommenden Jahren skizziert. DieAbwasserwirtschaft ist ein sehr anlagen-intensiver Bereich. Die Investitionen müs-sen dabei auf einen nachhaltig und wirt-schaftlich orientierten Erhalt und Ausbauder technischen Anlagen ausgerichtet sein. Dafür muss das notwendige Investi-tionsvolumen des Eigenbetriebs bereit gestellt werden.

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    Die Stadtentwässerung im Eigenbetrieb

    Sauberes Wasser,saubere Umwelt

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    Das Vorklärbecken des Hauptklärwerks Mühlhausen, früher und heute

  • Ein großer Schritt zu mehr Gerechtigkeitwar 2007 die Einführung der getrenntenAbwassergebühr für Schmutz- und Nieder-schlagswasser. Je mehr Regenwasserdurch Flächenentsiegelung auf demGrundstück versickern kann und nicht mitdem Schmutzwasser in die Kanalisationgeleitet werden muss, desto niedriger fal-len die Gebühren aus.

    Es gilt, die vorhandenen Reinigungspro-zesse in den Klärwerken weiter zu stabili-sieren, und dabei mit den technischen Ent-wicklungen im Bereich der Mess-, Steuer-und Regelungstechnik Schritt zu halten.Auch der Einsatz spezieller Behandlungs-verfahren für einzelne Prozessschritte wirdin Zukunft an Bedeutung gewinnen.

    Verwertung der ReststoffeWie im Bereich der Abwasserreinigungwurde in den Klärwerken auch in derSchlammbehandlung in den vergangenenJahren investiert. Moderne und umwelt-freundliche Verfahren stellen die Verwer-tung der Reststoffe langfristig sicher.Durch die Modernisierung der seit über 50Jahren bestehenden Verbrennungsanlage,einer Schlammannahmestation und einesZwischenlagers ist das Hauptklärwerkheute in der Lage, auch die Klärschlämmeder Außenklärwerke und weiterer Nach-barkommunen mit zu verbrennen.

    Eine stetig verbesserte Rauchgasreinigungmit zusätzlicher Quecksilberabscheidungsorgt dafür, dass bei der Klärschlammver-brennung alle gesetzlichen Auflagen an dieAbluftreinigung sicher eingehalten werden.Das am Zulauf zum Klärwerk herausgefil-terte grobe Material (Rechengut) wird imHauptklärwerk umweltgerecht und hygie-nisch verbrannt. Der Sand aus allen Sand-fängen wird aufbereitet und kann wiederfür andere Zwecke verwendet werden.

    Einbindung in die UmgebungIn einem Ballungsgebiet wie Stuttgartgrenzen Klärwerke häufig an Wohngebiete.Der Eigenbetrieb Stadtentwässerung stelltsich gemeinsam mit dem Tiefbauamt derAufgabe, die Einbindung der Klärwerke indie Umgebung optimal zu gestalten. Dazuzählt unter anderem die Schaffung neuerBiotope als Ausgleich für nicht vermeidbareEingriffe in Landschafts- und Naturschutz-gebiete.

    In allen Klärwerken werden Konzepte zurVerhinderung störender Gerüche umge-setzt. Bestimmte Abwasserbecken und Kanäle sind abgedeckt. Bei Neubautensind die maschinentechnischen Einrich-tungen bis hin zu ganzen Anlagen, wie beiden Rechen- und Sandfängen, konsequentin Gebäuden untergebracht. Die geruchs-beladene Luft wird über Abluftreinigungs-anlagen geführt. Daraus resultiert nahezugeruchsfreie Luft in der Umgebung derKläranlage. Die Bedürfnisse der Anwohnerwerden in Stuttgart ernst genommen undden anderen Zielen des Klärwerksbetriebsgleichgesetzt.

    Die Abwasserbeseitigung befindet sich ineinem sensiblen Spannungsfeld. Die Be-lange des Gewässer- und Umweltschutzes,die rasante Entwicklung technischer Mög-lichkeiten und nicht zuletzt die wirtschaftli-chen Aspekte, zum Beispiel der Anspruchdes Bürgers auf eine erträgliche Gebühr,spielen eine erhebliche Rolle.

    Der Stuttgarter Stadtentwässerung kommtauch regionale Bedeutung zu. Über die imStadtgebiet anfallenden Abwässer hinauswerden auch die von neun Nachbarstädtensowie vom Flughafen und der Messe Stutt-gart mit behandelt.

    Verbesserte Qualität des AbwassersAufgrund großer Anstrengungen beim Aus-bau der Klärwerke in den vergangenenJahren hat sich die Qualität des gereinigtenAbwassers ständig verbessert. So könnenheute alle gesetzlichen Anforderungen

    sicher eingehalten werden. Dies trägtmaßgeblich dazu bei, dass sich die Gewäs-sergüte des Neckars und seiner Neben-flüsse stetig verbessert. Die Kapazität fürdie biologische Abwasserreinigung dürftein den Klärwerken für die nahe Zukunftausreichend sein. Um auch in SachenPhosphorentfernung auf den neuestenStand zu kommen, betreibt die Stadtent-wässerung bauliche und betriebliche Maß-nahmen in allen vier Klärwerken.

    Bestleistung für gerechte GebührenFür den Bürger sind eine gut funktionie-rende Abwasserreinigung und die gute Qualität unserer Gewässer heute zurSelbstverständlichkeit geworden. Für die Akzeptanz der Stadtentwässerung, besonders wenn es sich um einen kom-munal geführten Betrieb handelt, ist heute eine berechenbare und zumutbareGebührenentwicklung wichtiger denn je.

    Sprudelprobe im Belebungs-becken

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    Klares Wasser erwünscht

    NeueSchlammfau-lung in Mühl-hausen

    Sauberes Wasser, saubere Umwelt

  • Abwasserinhaltsstoffe, die in kommunalenKlärwerken nicht abzubauen und zu ent-nehmen sind, müssen schon im Vorfelddem Abwasserkreislauf entzogen werden.Maßnahmen zur Vermeidung von uner-wünschten Stoffen, wie etwa Schwerme-talle und andere Stoffe aus dem gewerb-lich-industriellen Bereich, müssen vorange-trieben und dort, wo Erfolge schon sichtbarsind, beibehalten werden. Dies kann durchWeiterentwicklung von Vorbehandlungs-maßnahmen oder die Verwendung von unschädlichen Ersatzstoffen geschehen.

    Der Anspruch an sauberes Wasser ist sohoch wie nie. Gleichzeitig können mit mo-dernster Analysetechnik immer mehr pro-blematische Stoffe im Abwasser erkanntwerden. Welche Auswirkungen sie auf dieBeurteilung der Gewässergüte haben undwelche Folgerungen sich für die Abwasser-reinigung ergeben, wird derzeit noch er-forscht. Sicher ist, dass die Stadtentwässe-rung sich mit diesem Thema auch in Zu-kunft intensiv beschäftigt. Dank eines her-vorragend ausgestatteten Labors ist derEigenbetrieb in der Lage, Wasser- und Abwasserproben in kürzester Zeit auf eine umfangreiche Palette von Inhaltsstoffen zu überprüfen.

    Nicht immer ist die Chemische Industrieschuld an der Misere, jede Bürgerin und jeder Bürger trägt zum Eintrag dieserStoffe bei. Sei es in Form von Haushalts-chemikalien, Lebensmittelzusatzstoffenoder vom menschlichen Körper nicht ver-arbeiteten Arzneimitteln. Diese Stoffe giltes herauszufiltern, um möglichst wenigdavon in die Gewässer zurück zu leiten.

    Aus den Messergebnissen der Klärwerks-zuläufe lassen sich interessante Rück-schlüsse ziehen. Am Beispiel der Koffein-Konzentration im Zulauf des Klärwerkslässt sich das sehr anschaulich zeigen: In der Nacht bis etwa 6 Uhr tut sich zu-nächst nicht viel. Wenn dann der ersteFrühstücks-Kaffee getrunken ist und kurzvor Verlassen der Wohnung noch einmaldie Toilette aufgesucht wird, führt das imKlärwerk nach einer Stunde Verweilzeitdes Abwassers im Kanal ab 8 Uhr zu einemgewaltigen Anstieg der Koffein-Konzentra-tion. Dieses Niveau bleibt konstant und än-dert sich erst wieder zur Vesperpause um9.30 Uhr, zur Mittagspause und am frühenNachmittag, wenn der Kaffeegenuss zu-nimmt. Ab 18 Uhr geht der Gehalt dann zurück, um wieder auf das nächtliche Niveau abzusinken.

    Bild oben: Kanalsanierung im WickelrohrverfahrenBild unten: Führung im Hauptsammler Nesenbach

    Früher hatte das Kanalnetz die Aufgabe,störende Abwässer samt darin enthaltenerSchmutzfracht möglichst rasch dem nächstgelegenen Gewässer zuzuleiten. Die ältestenKanäle aus Mauerwerk stammen aus demJahr 1874. Während die Kriegsjahre deutli-che Einschnitte in der Bautätigkeit verur-sachten, gab es vor 1914 und zwischen 1920und 1940 erhebliche Netzerweiterungen.Ab den 1950er-Jahren wurde das Kanalnetzbis 1970 stark vergrößert. Bis heute wird esstrategisch weiterentwickelt.

    Kreisprofile aus Beton im EinsatzDie Kanäle bestehen zu fast 90 Prozent auseinem Kreisprofil. Im Bereich der mittlerenNennweiten findet das Eiprofil verstärktAnwendung. Als Rohrwerkstoff wird Betonam häufigsten eingesetzt. Gewässerverdo-lungen, die häufig auch als Abwassersamm-ler verwendet worden sind, wurden häufigaus Natursteinen oder Stampfbeton im Ge-wölbe- oder Maulprofil hergestellt. Es wardaher früher auch nichts Ungewöhnliches,Grundwasser- oder Mineralwasserquellenin das Kanalnetz abzuleiten, um Keller undGrundstücke trocken zu halten.

    Wo Bäche nicht verdolt wurden, leitete mansie meist in Betongerinne, um Überschwem-mungen zu vermeiden. Seit den 1970er-Jahren wird dies durch Bachrenaturierun-gen wieder rückgängig gemacht. Quell-und Niederschlagswasser wird möglichstdurch Gräben oder separate Bachwasser-leitungen den Gewässern zugeführt. So sehen Planungen vor, mit den Quellen desNesenbaches eine Rohrleitung zu speisen,um die Seen in den Schlossgartenanlagenmit frischem Wasser zu versorgen.

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    Durch das Kanalnetz zum Klärwerk

    Koffein am Klärwerks-zulauf

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    Filtern, reinigen und analysieren

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    Sauberes Wasser, saubere Umwelt

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    Bau des Regen-überlaufkanalsSchwende

    Gewässer waren immer schon Lebensadernder Besiedlung, dienten sie doch als Trink-wasserlieferant, zum Bewässern der Felderund als Verkehrsweg. Sie wurden aber auchzur Ableitung von Schmutzwasser verwen-det. Da auch viel Unrat in den Bächen lan-dete, kam es in der angrenzenden Bebau-ung insbesondere in den Sommermonatenzu üblen Gerüchen. Rattenplagen undPlatzmangel waren etwa in Feuerbach undZuffenhausen der Auslöser, dass die ver-schmutzten Bäche verdolt wurden und sodurch die Ortskerne hindurchflossen.

    Erste Mischwasserkanäle ab 1874Ab 1874 wurde in Stuttgart mit dem Bauvon Mischwasserkanälen und ab 1916 mitder Errichtung des ersten Klärwerks inMühlhausen das Ziel verfolgt, die Gewäs-serverschmutzungen zu reduzieren. Dastarker Regen im Mischwasserkanalnetzdie normale Abwassermenge um mehr alsdas Hundertfache übersteigen kann, mussdieses Abwasser in unterirdischen Regen-becken gespeichert und der Kläranlage gedrosselt zugeleitet werden. Dieser Spül-stoß bringt die meisten Verunreinigungenins Klärwerk. Das nicht reinigungsbedürf-tige Niederschlagswasser kann über Re-genüberläufe in die Flüsse und Bäche ge-leitet werden.

    Gewässer immer saubererNach dem Zweiten Weltkrieg führten For-schungen zur Verbesserungen der Gewäs-sergüte in Stuttgart zum Bau des erstenRegenüberlaufbeckens im Fasanenhof.Weitere Abwasserkanäle wurden errichtet,um die Einleitung von verschmutztem Was-ser in die Bäche wie den Feuerbach zu ver-meiden. Erst im Jahre 2014 gelang es bei-spielsweise, den Feuerbach von der letztenSchmutzwassereinleitung zu befreien. Pa-rallel wurden bis Ende 2015 im Einzugsge-biet der Stuttgarter Gewässer 82 Becken

    und Stauraumkanäle gebaut, denen bis2020 weitere sieben Bauwerke folgen sol-len, um den erforderlichen Raum für dieRegenwasserbehandlung vorzuhalten.

    Sintflutartiger Sturzregen kann überall und infolge des Klimawandels zukünftigvermehrt auftreten. Er führt dazu, dass Regenwasser innerhalb weniger Minutenungeordnet über Straßen und Grundstückeabfließt und sich an Tiefpunkten sammelt.Besonders gefährdet sind Flächen in Tal-und Muldenlagen, im Bereich von oberirdi-schen Hauptabflusswegen, an früheren oder bestehenden Gewässerläufen und aufGrundstücken unterhalb des Straßenniveaus.

    Bauweise der Gebäude bietet Schutz Einen uneingeschränkten Überflutungs-schutz kann auch das leistungsfähige Stutt-garter Kanalnetz aus wirtschaftlichen undtechnischen Gründen nicht sicherstellen.Den besten Schutz gegen Schäden bieteteine risikoangepasste Bauweise der Ge-bäude. Neben einer normgerechten Grund-stücksentwässerung mit Rückstausiche-rung gehört hierzu die zuflusshemmendeGestaltung von Zufahrten und Gebäuden mitSchwellen oder Aufkantungen.

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    Sauberes Regenwasser ins Gewässer

    Bild oben: Spülkippe im Regenüberlaufbecken am SchwanenplatzBild unten: Regenüberlaufkanal Hohlgraben

    Sauberes Wasser, saubere Umwelt

  • Altlastensanierung Diakonieklinikum

    Im Stadtgebiet gibt es viele Grundstücke,die durch Altlasten belastet sind. Die Hin-terlassenschaften von früheren Industrie-betrieben, Gaswerken und Tankstellensind noch in großer Zahl im Untergrundvorhanden. Solange die Stoffe sich nichtausbreiten und ins Grundwasser gelangen,werden die Altlasten im Boden belassen.Wenn das Grundstück neu bebaut wird, isteine Sanierung erforderlich.

    Das Amt für Umweltschutz legt zunächstfest, in welchem Umfang die Altlast besei-tigt werden soll. In aller Regel erfolgt dannein Bodenaustausch. Ergänzend dazu istoft auch eine Reinigung des Grundwasserserforderlich. In diesen Fällen plant dasTiefbaumt die Maßnahme und sorgt für dieAusführung. Die Arbeiten sind sehr kos-tenintensiv und oft nur möglich, in dem sie vom Land Baden-Württemberg ausdem Altlastenfonds gefördert werden.

    Die beiden größten Maßnahmen sind zur-zeit das Schoch Areal in Feuerbach und dieAltlastensanierung Kohlebandbrücke inStuttgart-Ost. Beide Projekte sind zusam-men auf 37 Millionen Euro veranschlagt und technisch anspruchsvoll. In beiden Fällen kann das Grundstück anschließendwieder neu bebaut werden. Die Sanierungträgt so dazu bei, dass wertvolle Flächenim Stadtgebiet wieder genutzt werden kön-nen. Weitere Bauvorhaben wie im Neckar-Park oder auf den freiwerdenden Gleisflä-chen des Stuttgart 21-Areals werden ver-mutlich weitere Sanierungsfälle mit sichbringen.

    Beim Verkauf städtischer Liegenschaften berät das Tiefbauamt das Liegenschafts-amt und die Bauherrn zu den Folgen vonAltlasten im Boden. Die anfallenden Mehr-kosten für Entsorgung und Gründung wer-den bewertet und geprüft.

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    Beseitigung von Altlasten

    Da selbst im Winter im Kanalnetz Abwasser-temperaturen von 12 bis 15 Grad Celsiusherrschen, ist es heute dank des technolo-gischen Fortschritts auf dem Gebiet derWärmetauscher möglich, ein großes Ener-giepotenzial zu erschließen, das für dieHeizung von Gebäuden und die Wasserer-wärmung eingesetzt werden kann.

    Energiekarte weist Wärmenutzung ausAls erste Stufe wurde für das gesamteStuttgarter Kanalnetz eine Energiekarteerstellt, in der die möglichen Bereiche füreine effiziente Wärmenutzung aus Abwas-ser ausgewiesen und geeignete Objektegekennzeichnet sind. Zu beachten ist, dassein zu hoher Wärmeverlust des Abwassersim Kanal den biologischen Reinigungspro-zess der Klärwerke stören kann.

    Auch die Wirtschaftlichkeit einer Abwas-serwärmenutzungsanlage muss gewähr-leistet sein. Folgende Kriterien gilt es zuerfüllen: ein Mindestabfluss im Kanal von15 Litern pro Sekunde, ein Mindestkanal-durchmesser von 800 Millimetern und einAbstand des zu versorgenden Objekts vom

    Kanal von maximal 300 Metern. Es ist vonVorteil, wenn das Objekt möglichst niedrigeHeizungsvorlauftemperaturen aufweist.

    Die erste Anlage zur Abwasserwärmenut-zung ist seit Ende 2010 auf dem ehemaligenTerrot-Gebiet an der Daimlerstraße in BadCannstatt in Betrieb. Sie versorgt den neuentstandenen Komplex „Seelberg Wohnen“,mit 160 Einheiten, der Wohnungen für Se-nioren, einen Kindergarten und ein Pflege-heim umfasst, über eine elektrische Wär-mepumpe. Diese speist sich aus einemAbwasserwärmetauscher, der in den Haupt-sammler in der Daimlerstraße eingebautwurde. Außerdem gehören ein Gas-Block-heizkraftwerk und ein Gas-Spitzenkesselzur Anlage. Sie spart langfristig 45 ProzentKohlendioxid ein. Aufgrund der guten Er-gebnisse sind weitere Projekte zum Beispielan der Hofener Straße/Wohnen am Neckar,an der Willy-Brandt-Straße/Ministeriumoder an der Konrad-Adenauer-Straße (Wil-helmspalais) in Planung.

    Energiegewinnung durch Klärgas Der optimale Energieeinsatz ist eine der Voraussetzungen für einen umweltverträg-lichen und wirtschaftlichen Klärwerksbe-trieb. Das in der Schlammfaulung erzeugteKlärgas und die bei der Schlammverbren-nung gewonnene Energie werden bereitsfür betriebliche Zwecke und die Gebäude-heizung wiederverwendet. Im Hauptklär-werk Mühlhausen sorgt eine Dampfturbinefür die weitergehende Wärmenutzung ausder Klärschlammverbrennung. In allenKlärwerken werden moderne Blockheiz-kraftwerke für die Verwertung des Faulga-ses eingesetzt. Somit muss weniger Strombezogen werden. Sie decken den Wärmebe-darf der Klärwerke sowie bis zu 40 Prozentdes Strombedarfs. Diese verbesserte Ener-gienutzung ist ein Beitrag zur Verminde-rung des Kohlendioxid-Ausstoßes.

    Einbau der Anlage zur Abwasser-wärmenutzung

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    Energiegewinnung aus Abwasser

    Sauberes Wasser, saubere Umwelt

  • Rund 150 Kilometer Bachläufe und 20 Kilo-meter des Neckars fließen auf dem Stadt-gebiet. Alle Gewässer mit Ausnahme desNeckars liegen in der Unterhaltungspflichtder Stadt. Dazu gehören die Erhaltung des Gewässerbetts und die Sicherung des(Hoch-) Wasserabflusses und der Ufer. Au-ßerdem werden vom Tiefbauamt Renatu-rierungsmaßnahmen umgesetzt. Zirka 100Kilometer der Bachläufe sind derzeit alsnatürlich oder naturnah einzuordnen.

    50 Kilometer sind verdolt oder technischverbaut. 20 Kilometer naturnahe Gewäs-serstrecken sind in den letzten Jahrzehn-ten durch Renaturierungen insbesonderean der Körsch und am Feuerbach geschaf-fen worden. Weitere Abschnitte sind ge-plant, so etwa am Feuerbach un