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04/2011 Soziallehre – in Bewegung Rerum novarum – aktuell Soziallehre – antizyklisch Vermächtnis Johannes Pauls II. Ökumene Interreligiöser Dialog Katholische Sozialakademie Österreichs Nachrichten und Stellungnahmen der Katholischen Sozialakademie Österreichs Euro 5,00 60 Jahre KABÖ 25 Jahre Papst Leo-Stiftung Jugendarbeit – Schulen Unternehmen Parteien Zivilgesellschaft >> 120 Jahre Soziallehre

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04/2011

Soziallehre –in Bewegung

Rerum novarum – aktuell

Soziallehre – antizyklisch

Vermächtnis Johannes Pauls II.

Ökumene

Interreligiöser Dialog

KatholischeSozialakademieÖsterreichs

Nachrichten und Stellungnahmen derKatholischen Sozialakademie Österreichs

Euro 5,00

60 Jahre KABÖ

25 Jahre Papst Leo-Stiftung

Jugendarbeit – Schulen

Unternehmen

Parteien

Zivilgesellschaft

>>

120 Jahre Soziallehre

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120 Jahre Katholische Soziallehre13./14. Mai 2011, Horn/Stift Altenburg

Festakt – Verleihung der Papst Leo-Preise 2011 – Studientag

13.5. „Veränderungen braucheneinen langen Atem“(Festakt und Preisverleihung)

Zeit: Fr, 13. 5. 2011, 19.00 UhrOrt: Vereinshaus Horn, Robert-Hamerling-Straße 9

PROGRAMM: Eröffnung: Abt Christian Haidinger (Stift Altenburg,Vorsitzender Papst Leo-Stiftung) – Statements der Ehrengäste

Festvortrag „Soziallehre in Bewegung“: P. Alois Riedlsperger SJ (Leiter der Katholischen SozialakademieÖsterreichs) – Statements der Ehrengäste

Kurzdokumentation in BildernFestansprache „KAB der Zukunft – Zukunft der KAB“:Reinhold Grausam (Bundesvorsitzender der KABÖ)

Laudatio für das Integrationshaus Innsbruck (Initiator JosefWindischer): Sepp Winklmayr (Direktor der Pastoralen Dienste,Diözese St. Pölten)Laudatio für Alois Reisenbichler: Franz Sieder (GeistlicherAssistent der KAB der Diözese St. Pölten)Preisüberreichung – Kurzinterviews mit den Preisträgern –Empfang durch Diözesanbischof Klaus Küng

Moderation: Christine Haiden (Chefredakteurin Welt der Frau), Musikalische Umrahmung: St. Georgs-Chor Horn, Leitung: Katalin Babos

14.5. „Solidarität in Bedrängnis“(Studientag)

Zeit: Sa, 14. 5. 2011, 9.00–15.30 UhrOrt: Stift Altenburg

Begrüßung: Reinhold Grausam (Vorsitzender KABÖ) Moderation: Maria Etl (Bundessekretärin KABÖ)

Referat „Solidarität in Bedrängnis“: Markus Schlagnitweit(Theologe und Sozialwissenschafter, ksoe)

Gesprächsgruppen zu aktuellen Themen: * Arbeitslosigkeit/Jugendarbeitslosigkeit* Armut in Österreich* Globale Verantwortung/Ökologie und Wirtschaft* „mehr wert“ Solidarität bringt´s* „Waldviertler“-Regionalwährung* Arbeitszeit/Überstunden/Arbeitsfreier Sonntag* Altersvorsorge/Gesundheitsvorsorge

16.00 Uhr: Festgottesdienst in der Stiftskir che17.30 Uhr: Führung durch den „Garten der Religionen“19.00 Uhr: Abendessen – Abschluss in Mold

Sonntag 15.5.: Frühstück, Abreise

Weitere Informationen zu Übernachtung, Anreise, Kostenund Anmeldung:KABÖ, Spiegelgasse 3/2, 1010 Wien, 01/51552-3350,eMail: [email protected]

Papst Leo-Preisträger 2011:

Das von Dr. Josef Windischer ins Leben gerufene Integrationshaus Innsbruck bietet Unterkunft für Aidskranke,Drogenabhängige, AsylantInnen und Obdachlose an, versorgt sich dennoch selbst. Das Zusammenleben mit gesell-schaftlich gut integrierten MitbewohnerInnen ermöglicht, Konflikte zu bearbeiten und abzubauen. W er die Miete nichtbezahlen kann, erbringt hausinterne Arbeiten. Angeboten wer den auch Beratung durch SozialarbeiterInnen undWeitervermittlung, darüber hinaus werden soziale Initiativen in ganz Tirol gesetzt.

Alois Reisenbichler bemüht sich seit Jahrzehnten nach seinen Möglichkeiten um eine Dialog zwischen Kir chen undArbeiterInnenbewegungen, versteht sich aber auch als Brückenbauer zwischen Kath. Kir che und Sozialdemokratie. Dabeibedient er sich immer wieder der Katholischen Soziallehr e. Sein unermüdlicher Einsatz für soziale Gerechtigkeit und seinEngagement in der Friedens- und Hiroshima-Bewegung überzeugen sogar SkeptikerInnen.

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Inhalt

Soziallehre – in Bewegung 03

Einleitendes04 Markus Schlagnitweit_Soziallehre in Bewegung – in mehrfacher Hinsicht

Sichtweisen

06 Markus Demele_Rerum novarum – der erste Schritt fürmenschenwürdige Arbeit heute

09 Markus Schlagnitweit_Katholische Soziallehre – ein antizyklisches Konzept12 Paloma Fernández de la Hoz_Die soziale Dimension des Glaubens

Zum Vermächtnis Johannes Pauls II.15 Ulrich H. J. Körtner_Katholische Soziallehre aus evangelischer Sicht16 Radu Preda_Die Orthodoxie und die Zeichen der Zeit

Hat die Ostkirche eine Sozialethik?19 Carla Amina Baghajati_Christliche Soziallehre und -praxis aus muslimischer Sicht

Orte20 Maria Etl_60 Jahre KABÖ – Katholische Arbeitnehmer/innen

Bewegung Österreich22 Roman Fröhlich_25 Jahre Papst Leo-Stiftung24 Magdalena Reinthaler_Wer, wenn nicht wir!

Soziales Engagement in der kirchlichen Jugendarbeit26 Johann Hisch_Das Modell der PILGRIM-Schule28 Maria Strutz-Winkler_Als UnternehmerIn christlich handeln29 Rainer Kinast_Kulinario – Gastronomiebetrieb mit sozialer Verantwortung30 Gespräch mit Franz Sieder_ACUS – Arbeitsgemeinschaft Christentum

und Sozialdemokratie31 Lukas Mandl_ÖAAB – Österreichischer Arbeiter und Angestellten Bund:

Prinzipien stets neu ausloten31 Stefan Wallner_Die Grünen – Revoultionäre Soziallehre

und Grüne Basisdemokratie32 Markus Blümel_10 Jahre Allianz für den freien Sonntag Österreich

Ausblick33 Alois Riedlsperger_Soziallehre braucht Bewegung

Bilder:Titelblatt: Karoline BlodererSeite 4, 5: ksoeSeite 7, 21: Karoline BlodererSeite 8: Nikolaus WalterSeite 13: Antonio NeriSeite 18: Markus SchlagnitweitSeite 18: www.bolnberger.at

Seite 22: Roman FröhlichSeite 25: Katholische Jugend ÖsterreichSeite 27: De La Salle-SchuleSeite 28: Winkler-MarktSeite 29: VinzenzgruppeSeite 32: Philip Büttner

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DossierEinleitendes

Soziallehre in Bewegung –in mehrfacher Hinsicht

Die Katholische Soziallehre (KSL) istkein statisches, in sich abgeschlossenesLehrgebäude, sondern will als zeitge-mäß-zeitgerechte Antwort auf gesell-schaftspolitische Fragen in einemjeweiligen sozialgeschichtlichen Kon-text verstanden werden. Um diesesAnspruchs willen muss sie deshalbselbst dauerhaft in Bewegung bleiben,also ihre Gewichtungen und Akzent-setzungen jeweils aktuellen Herausfor-derungen anpassen und ihre Themen-felder erweitern. Um tatsächliche Wir-kung entfalten zu können, ist die KSLseit Rerum novarum, dem ersten Sozi-alrundschreiben Leos XIII., aber immerauch angewiesen auf Menschen undPersonengruppen, die sich von ihrinspirieren und bewegen lassen, umselbst gesellschaftliche Entwicklungs-prozesse und Bewegungen anzusto-ßen, mitzugestalten und in Bewegungzu halten. Schon früh hat sich dabeiim Sinne dieser Erfordernis einesbeständigen „aggiornamento“ die Tra-dition etabliert, den Anlass „runder“Gedenkjahre zu nutzen für kritischeStandortbestimmung und Fortschrei-bung durch Stellungnahmen zu aktu-ellen Herausforderungen – angefan-gen von Quadragesimo anno Pius’ XI.bis Caritas in veritate Benedikts XVI.

2011 ist in dieser Hinsicht gleich inmehrfacher Weise ein „rundes“Gedenkjahr für die KSL in Österr eich:Vor 120 Jahren legte Leo XIII. mit seiner Enzyklika Rerum novarum denGrundstein zur Entwicklung einerkirchlichen Soziallehre für die Moder-ne. 60 Jahre später initiierten Aktivis-ten der Katholischen Arbeiterjugend(KAJ) mit der Katholischen Arbeitneh-mer/innen Bewegung Österreich(KABÖ) eine soziale Bewegung imGeist der Katholischen Aktion, die sichdezidiert der Weitergabe und Umset-

zung der KSL in der Arbeitswelt ver-schrieben hat. Und auf eine 25jährigeGeschichte kann nunmehr die PapstLeo-Stiftung mit Sitz in Horn/NÖzurückblicken. Sie hat es sich zur Auf-gabe gemacht, Einzelpersonen, aberauch Gruppen und Organisationen miteinem Preis zu würdigen und so insLicht der Öffentlichkeit zu stellen, diesich in vorbildlicher Weise um dieinhaltliche Weiterentwicklung sowiekonkrete Umsetzung der kirchlichenSozialverkündigung verdient gemachthaben. Dieses dreifache Jubeljahr istfür die ksoe willkommener Anlass zudiesem Dossier „Soziallehre in Bewe-gung“.

Sichtweisen

Im ersten Beitrag der Rubrik „Sicht-weisen“ fragt Markus Demele nachder bleibenden Aktualität der Enzykli-ka Rerum novarum bzw. nach jenenImpulsen, welche die kirchliche Aus-einandersetzung mit sozialen Fragender Gegenwart daraus gewinnen kann– sowohl im Blick auf die Gesellschaftin Österreich als auch im globalenKontext.

Auf die Notwendigkeit, die gesamteKSL und v.a. ihre klassischen Grund-prinzipien immer wieder neu als anti-zyklisches Konzept zu lesen und inAnwendung zu bringen, verweist derBeitrag von Markus Schlagnitweit.Findet dieser antizyklische Ansatz unddie daraus zu gewinnende Lesart keineausreichende Beachtung, droht derkirchlichen Sozialverkündigung die ein-seitige ideologische Vereinnahmungund Verzweckung zur Rechtfertigunggesellschaftspolitischer Interessen.

Dem reichhaltigen sozialen Vermächt-nis Johannes Pauls II. ist der Beitrag

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Einleitendes

Soziallehre – in Bewegung 05

von Paloma Fernández de la Hozgewidmet, sein aktueller Anlass dieSeligsprechung dieses Papstes, andessen profilierter Amtsführung sichbis heute die Geister scheiden. DerArtikel kann als Positionierung gegeneine selektive Wahrnehmung dieserkirchen- wie weltpolitisch bedeuten-den Persönlichkeit gelesen werdenund legt überzeugend den zentralenStellenwert der KSL in der Lehrtätig-keit Johannes Pauls II. dar.

Hohen Stellenwert hat Johannes PaulII. dem ökumenischen und interreli-giösen Dialog beigemessen – auchund gerade in Zusammenhang mitFragen der Gesellschaftsentwicklung.Daher liegt es nahe, die KSL selbstzum Gegenstand dieses Dialogsmachen: Ulrich Körtner wirft in sei-nem Beitrag einen kritisch-konstrukti-ven Blick auf die KSL aus evangeli-scher Perspektive. Über den langenund mühevollen Weg der orthodo-xen Kirchen zu einem eigenständigen(sozial-)ethischen Profil reflektiert derrumänische Theologe Radu Preda.Schließlich verweist die Sprecherinder Islamischen Glaubensgemein-schaft in Österreich Carla AminaBaghajati auf die Beteiligung derReligionen an der Auseinanderset-zung mit sozialen Fragen und beziehtsich dabei auf positive Erfahrungeninterkonfessioneller Zusammenarbeit.

Orte

Die ersten beiden Beiträge der Rubrik„Orte“ sind den bereits oben ange-sprochenen „Mit-Jubilaren“ gewid-met: Maria Etl, Bundessekretärin derKABÖ, beschränkt sich in ihrem Bei-trag keineswegs auf einen Rückblicküber die Geschichte „ihrer“ Bewe-gung, sondern wirft auch einen Blickauf aktuelle Arbeitsschwerpunkte.

Roman Fröhlich stellt ebenfalls nichtnur „seine“ Papst Leo-Stiftung vor,sondern zeichnet mit einer exempla-rischen Auswahl ihrer PreisträgerIn-

nen auch ein buntes Bild der V ielfalt ansozialem Engagement, das sich an derKSL inspiriert und orientiert.

Ergänzend wird mit dem Tiroler P. Gapp-Preis sowie dem WER-Preisder Industriellenvereinigung auf zweiweitere Formen der Würdigung kon-kreter Arbeit mit bzw. im Dienst derKSL hingewiesen.

Auf welch vielfältige Weise die KSL inder kirchlichen Jugendarbeit auffruchtbaren Boden fällt bzw. wie diesesich mit Themen der KSL auseinander-setzt und sie sich aneignet, schildert dieDarstellung von Magdalena Reinthaler.Dass die KSL nicht nur Grundlage undNahrung für soziales Engagement inArbeitswelt und Zivilgesellschaft ist,sondern auch Inspirationsquelle fürschulische Bildungskonzepte sein kann,belegt Johann Hischs Beitrag über diemittlerweile fast 100 zertifizierten „PIL-RIM-Schulen“ in ganz Österreich.

Weiters kommen zwei Beispiele für dieVerankerung und Umsetzung von Prin-zipien und Werten der KSL in wirt-schaftlichen Betrieben zu Wort: MariaStrutz-Winkler, Co-Geschäftsführerinder Winkler Märkte im Großraum Linz,legt Zeugnis ab über den gewissherausfordernden, aber auch lohnen-den und erfolgreichen Versuch, diekontinuierliche Führung und Weiterent-wicklung eines selbständigen, unab-hängigen Familienbetriebs mit mittler-weile über 100jähriger Traditionbewusst auf die Grundlage der KSL zustellen und sich immer wieder neu undzeitgemäß mit ihr auseinander zu set-zen. In großer Offenheit schildert auchRainer Kinast den keineswegs einfa-chen Weg der Umsetzung von KSL-Prinzipien und -Werten in einem zwarnicht gewinnorientierten, aber dennochin der Konkurrenz des freien Marktesstehenden Gastronomie-Betriebs – undist überzeugt, „dass das Setzen vonZeichen immer noch mehr ist, als einenWert gänzlich über Bord zu werfen“.

Auf welche Weise die KSL auchGegenstand der Reflexion und Ausei-nandersetzung in politischen Parteienbzw. innerparteilichen Gruppen ist,haben wir VertreterInnen derselbengefragt und Antworten aus SPÖ, ÖVPund Grünen erhalten.

Wie Anliegen der KSL über die Gr en-zen von Parteien und Interessengrup-pen hinweg in den politischen Prozesseingebracht werden, zeigt die „Allianzfür den freien Sonntag“ , die in Öster-reich von der ksoe koordiniert wird,und für die eine Gründung auf eur o-päischer Ebene bevorsteht.

ksoe-Direktor Alois Riedlspergerbeschließt das Dossier mit einem Aus-blick auf den bleibenden Zusammen-hang von Soziallehre und Sozialpraxis,damit die KSL auch in Zukunft inBewegung bleibt.

MLS

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DossierSichtweisen

Rerum novarum – der erste Schrittfür menschenwürdige Arbeit heute

Sozialenzykliken unterscheiden sichvon anderen lehramtlichen Textenzumeist durch ein höheres Maß ansozialwissenschaftlicher Analyse undhaben ihren „Sitz im Leben“ somitstärker als etwa christologische Texteder Päpste in der Zeit und demUmfeld, in dem sie verfasst wurden.Was mag also die erste systematischeSozialenzyklika Rerum novarum (RN)von Leo XIII. uns heute sagen, wodoch die damals adressierten „neuenDinge“ 2011 bereits 120 Jahre altsind? Ein Blick auf die Situation, in dieRerum novarum geschrieben ist, zeigtjedoch die hohe Aktualität des dortangesprochenen Grundkonflikts zwi-schen Arbeit und Kapital für das kapi-talistische Europa der Nachkrisenzeit.Im Nachfolgenden sollen die heuterelevanten Kernaussagen der Enzyklikaherausgearbeitet und auf Herausforde-rungen, aber auch bestehende Initiati-ven und wichtige Akteure angewendetwerden.

Bleibende Aktualität der Arbeiterfrage

Rerum novarum kann als Antwort derKirche auf die neuen Verhältnisse derindustriellen Revolution gelesen wer-den. Die Ständeordnung ist in Auflö-sung begriffen, und entlang der Fakto-ren Arbeit und Kapital bilden sichgesellschaftliche Schichten neu. DerPauperismus der LohnarbeiterInnen inden Städten nimmt zu, während diekleine Gruppe der BesitzbürgerInnen,

in deren Händen Kapital und dasEigentum an den Produktionsmittelnliegen, in zunehmendem Luxus undaugenscheinlicher Dekadenz lebt.Diesen Umstand bezeichnet Rerumnovarum als die Arbeiterfrage: „dasKapital ist in den Händen einer gerin-gen Zahl angehäuft, während diegroße Menge verarmt“ (RN 1).Soziale Konflikte sind auf dem Vor-marsch, und ein sozialistisches Arbei-termilieu wird auch für katholischeArbeitnehmerInnen attraktiv.

Als Reaktion stellt Leo XIII. jedochnicht das kapitalistische System ansich in Frage, sondern verteidigt –anders als seine Nachfolger – mitneoscholastischen Argumenten dasabsolute Recht auf Privateigentum,auf einen „Sonderbesitz“ (RN 8).Doch auch die sog. Sozialfunktiondes Eigentums klingt in Rerum nova-rum bereits an: Die Erde ist „demganzen Menschengeschlecht“ zuNutzung und Gebrauch übergeben(RN 7), jedoch nicht in Formen sozia-listischer Kollektivwirtschaft, diejeden Ansporn zum Fleiß zunichtemachen würde (RN 19), sonderndurch eine gerechte Gestaltung derLohnarbeitsverhältnisse. Um dies zuerlangen, formuliert Leo XIII. dengöttlichen Anspruch an die Arbeitge-berInnen, ihren ArbeiterInnen einenangemessenen Lohn zu zahlen (RN17), mit dem sie nicht nur sich, son-dern ihre Familien „anständig zuerhalten“ vermögen (RN 19).

Autor:Markus Demele, Diplomtheologeund Betriebswirt, ist wissenschaftli-cher Mitarbeiter am Oswald v. Nell-Breuning-Institut für Wirtschafts-und Gesellschaftsethik an der Philo-sophisch-Theologischen HochschuleSt. Georgen – Frankfurt/M.

ArbeitnehmerInnen dürfen kein unverhältnismäßiges Arbeitsleid erfahren und müssen einen gerechtenLohn sowie die Chance zur Eigentumsbildung erhalten. Dieser Dreiklang einer gerechteren Gestaltungder systemischen Machtasymmetrien in der Arbeitswelt hat auch 120 Jahre nach dem Erscheinen von

nichts an Aktualität eingebüßt. Staatliche Politik und kollektive Interessenvertretungensind heute nicht weniger als damals gefordert - weltweit, auch in Europa.

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Sichtweisen

Soziallehre – in Bewegung 07

Darüber hinaus muss der Lohn sohoch sein, dass die ArbeiterInnen beiangemessener Sparsamkeit „zu einerkleinen Habe gelangen“ und soselbst Eigentum akkumulierenkönnen.

Auf diesem Weg sucht Rerum nova-rum, den sozialen Klassenkonflikt zuentschärfen. Der Enzyklika geht esnicht um gesellschaftlichen Egalitaris-mus, sondern um das angemesseneZueinander von Arbeitseinsatz undKapitalbereitstellung, die zur Leis-tungserstellung wechselseitig so auf-einander angewiesen sind wie dieGlieder eines Leibes (RN 15). DieseGleichrangigkeit von Arbeit undKapital wird in der Katholischen Sozi-allehre jedoch 100 Jahre später vonJohannes Paul II. zugunsten eines„Vorrangs der Arbeit vor dem Kapi-tal“, des Menschen vor dem Mehr-wert, überholt. Im Kern bleibt dieForderung Leos XIII., dass die Arbei-terInnen kein unverhältnismäßigesArbeitsleid erfahren dürfen, einengerechten Lohn erlangen und dieChance zur Eigentumsbildung erhal-ten müssen – drei Anliegen, die ineiner globalen Perspektive nur füreinen kleinen Teil der Arbeitnehmer-Innen realisiert sind. Aber auch Euro-pa entfernt sich zunehmend wiedervon diesem Dreiklang einer gerechte-ren Gestaltung der systemischenMachtasymmetrien in der Arbeits-welt.

Wachsende Ungleichheit – in Europa und in der Welt

In allen drei Bereichen mussten arbei-tende Menschen in den letzten JahrenVerschlechterungen hinnehmen, undentfernten sich die meisten Gesell-schaften von den skizzierten Gerech-tigkeitsvorstellungen von Rerum nova-rum aus dem 19. Jahrhundert. LautÖsterreichischem Sozialbericht 2009-2010 verfügen zwei Drittel der Öster-reicherInnen über kein nennenswertesVermögen. Werden die Personen nachder Höhe ihres Nettovermögensgeordnet und dann in zehn gleichgroße Gruppen (Dezile) eingeteilt, sozeigt sich, dass die Haushalte im 5.Dezil rund 20.000 Euro Geldvermögenhalten, im 8. Dezil sind es rund 50.000Euro, im obersten Dezil hingegen ver-fügen die Personen im Durchschnittüber 300.000 Euro. Diese oberstenzehn Prozent verfügen über mehr alsdie Hälfte der Geldvermögen Öster-reichs. In Deutschland ist die Un-gleichverteilung noch frappanter. Dortverfügte nach Berechnungen desDeutschen Instituts für Wirtschaftsfor-schung in Berlin das reichste Dezil imJahr 2007 über 61 Prozent des gesam-ten Vermögens, die obersten fünf Pro-zent sogar über 46 Prozent.

Eine Folge dieser Ungleichverteilungist die Zunahme von Unsicherheiten inden weniger vermögenden Schichten.Die Abhängigkeit von regelmäßigenEinkommen aus unselbständiger Arbeitwächst und damit der Druck, auchschlechtere Arbeitsbedingungen zuakzeptieren, wenn man nicht in diestaatliche Mindestsicherung abrut-schen will. Naturgemäß korreliert dieHöhe des Vermögens mit dem Ein-kommen. Allerdings sind die Einkom-men der ErwerbsarbeiterInnen gegen-über den Kapitalerträgen fast überallgesunken. Die Möglichkeiten derArbeitnehmerInnen, einen „Sparpfen-nig“ (RN 19) zur Seite zu legen, wer-den also zunehmend geringer. DasStatistische Bundesamt in Deutschland

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DossierSichtweisen

keit, die ArbeitnehmerInnen geradein Ländern mit schwacher Staatlich-keit vor der Ausbeutung durchmächtige Weltkonzerne schützt. DieKernarbeitsnormen der ILO habendabei als normative Mindeststan-dards zu gelten.

Zentrale Bedeutung zur Erlangungfundamentaler Arbeitnehmerrechtehaben und hatten die Vereinigungenvon ArbeitnehmerInnen, die denUnternehmen gemeinsam als Ver-handlungspartner begegnen können.Rerum novarum sieht diese kollektiveInteressenvertretung als unabdingbarund sogar naturrechtlich begründetan (RN 36 u. 38). Die Verletzung sol-cher Gewerkschaftsrechte ist jedochnicht nur ein Problem von Entwick-lungsländern. Auch in Europa gibt eseine Reihe prominenter Unterneh-men, die die Assoziation und Organi-sation ihrer ArbeitnehmerInnenstrukturell unterdrücken und behin-dern. Möglicherweise ist dies einesder zentralen Vermächtnisse der ers-ten Sozialenzyklika: Kirche undGewerkschaften ziehen am gleichenStrang.

Das Miteinander von Arbeit undKapital im Wertschöpfungsprozessmuss dergestalt sein, dass die Würdeder Menschen geachtet wird. Dies istder basale erste Schritt hin zu men-schenwürdiger Arbeit im vollen

Sinne, wiees viele dernachfol-gendenSozialenzy-kliken inden ver-gangenen120 Jahrenkonkreti-siert haben.

te der Machtverhältnisse unserer Zeitkann Rerum novarum aber auch heutenoch Richtschnur für die Gestaltungvon Erwerbsarbeitsbeziehungen sein,die sich dem Geist der Frohen Bot-schaft verpflichtet wissen. Wie LeoXIII. muss die Kirche auch heute dasElend der Arbeiterschaft weltweitwahr- und die zunehmenden Unsi-cherheiten der Menschen in den Län-dern des Nordens ernstnehmen. Auchheute noch kann der soziale Konfliktzwischen den abgehängten Prekaria-ten und der steigenden Zahl der Top-VerdienerInnen als Klassenkonfliktgedeutet werden, der nach gesell-schaftlicher Solidarität verlangt.

Schon Rerum novarum fordert interve-nierendes Eingreifen des Staates (RN29), um Menschen vor Armut zuschützen. Angesichts der besonderenDeregulierungen, die auf den europäi-schen Arbeitsmärkten im Bereich desKündigungsschutzes oder der Leih-und Zeitarbeit vorgenommen wurden,ist eine Rückkehr zum Politikprimatnotwendig. In dem Maße wie privat-wirtschaftliche Akteure heute nichtmehr an nationalstaatliche Territoriengebunden sind, müssen sich auchstaatliche Regelungskompetenzeninternationalisieren. Auf europäischerEbene gibt es etwa mit dem Gesetzüber Europäische Betriebsräte bereitserste Ansätze dafür. Aber auch globalbedarf es z.B. einer Arbeitsgerichtsbar-

sah bis 2003 eine weitgehende Ent-wicklung im Gleichklang von Arbeit-nehmerentgelten sowie Unterneh-mens- und Vermögenseinkommen.In den letzten Jahren ist die Lohn-quote, also der prozentuale Anteilder Löhne und Gehälter am Volksein-kommen, aber stetig kleiner gewor-den. In Österreich etwa sank sie seit1978 von rund 79 Prozent bis auf 67Prozent in 2007.

Zu dieser Abwertung des FaktorsArbeit gegenüber dem Kapitalkommt noch eine wachsendeUngleichheit innerhalb der Erwerbs-einkommen, die eine aggregierteBetrachtung verzerren. Die Gehälterder besser Verdienenden sind in denletzten Jahren laut OECD-Bericht2011 stärker gestiegen als die dermittel oder geringer bezahltenArbeitnehmerInnen. Am deutlichstenwar diese Entwicklung in Japan undItalien. Das oft beschworene Ausein-anderklaffen der Einkommensschere,also eine polarisierte Gesellschaft mitwachsendem Reichtum bei gleichzei-tig wachsender Armut, ist eine glo-bale Realität des 21. Jahrhunderts.

Auch hinsichtlich der Beschäftigungs-qualität werden heute viele Arbeitge-berInnen den Forderungen Leos XIII.nicht gerecht. Arbeitende Menschenwerden zur „Annahme von Bedin-gungen [genötigt], die der persönli-chen Würde und den Menschenrech-ten zuwiderlaufen“ (RN 29). DieInternationale Arbeitsorganisation(ILO) kritisiert mangelnde Arbeits-schutzrechte sowie die billigendeInkaufnahme von Zwangs- und Kin-derarbeit durch multinationale Kon-zerne auch aus Europa.

Politik für menschenwürdige Arbeit

Das Evangelium will für die arbeiten-den Menschen mehr als nur einen„sozial temperierten Kapitalismus“(Oswald von Nell-Breuning). Im Lich-

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Sichtweisen

Soziallehre – in Bewegung 09

Eine nachhaltige Entwicklung vonGesellschaften, die in hohem Maßdurch das Marktprinzip geprägt sind,benötigt das stetige Korrektiv antizy-klisch wirkender Kräfte. Das wurde inden letzten Jahren v.a. am Beispiel deswiederholten Platzens von Blasen aufden internationalen Finanzmärkteneindrucksvoll sichtbar: Diese Blasenbil-dungen sind im Wesentlichen auf pro-zyklisch, also selbstverstärkend wir-kende Mechanismen und Verhaltens-weisen der Marktakteure zurückzu-führen. Auch auf weltpolitischer Ebeneist in den vergangenen zwei Jahrzehn-ten seit dem Zusammenbruch dessowjet-sozialistischen Machtblocksund angesichts der daraufhin weitge-hend ungehemmten Militär-Super-macht-Politik der USA (v.a. unter derBush-Administration) deutlich zutagegetreten, dass wirtschaftliche, sozialeund politische Macht immer auch kon-trollierender und allenfalls auch korri-gierender Gegenmacht bedarf, umnicht einseitig aus dem Ruder zu lau-fen.

zeitgerecht – zeitbedingt

Blickt man auf die 120jährigeGeschichte der Katholischen Sozialleh-re (KSL), wird deutlich, dass sich dieKSL von Anfang an genau als einsolch antizyklisches Korrektiv zu domi-nanten gesellschaftspolitischen Ten-denzen bzw. Ideologien ihrer jeweili-gen Gegenwart verstanden wissenwollte. Von Beginn weg ist die KSLnicht – wie manch andere Äußerun-gen des kirchlichen Lehramts – mit

dem Impetus eines unverrückbaren,ewig gültigen und in sich abgeschlos-senen Lehrgebäudes aufgetreten,sondern sie will als zeitgemäße Ant-wort auf soziale Fragen in einem jespezifischen zeitgeschichtlichen Kon-text verstanden werden oder – wiees der Titel von Johannes N. Scha-schings Studie zur SozialenzyklikaQuadragesimo anno (1931) treffendbenennt – als „zeitgerecht – zeitbe-dingt“.1

Diese zeitgeschichtliche Bedingtheitgilt aber nicht nur für die formaleEntstehung und Weiterentwicklungder KSL. Selbstverständlich sind auchihre Inhalte in dieser sozialgeschicht-lichen Kontextualität und Dynamikzu lesen, zu interpretieren und inAnwendung zu bringen. Auch siesind – einmal formuliert und nieder-geschrieben – nicht als kontextlos-abstrakte bzw. ewig gültige Wahrhei-ten zu verstehen. Andernfalls würdedie KSL der Gefahr preisgegeben, nurzu einer weiteren unter anderengesellschaftspolitischen Ideologien zu„verkommen“ bzw. ideologisch ver-einnahmt zu werden.

Ich möchte das Gesagte beispielhaftanhand eines zentralen Themas der„Gründungsenzyklika“ Rerumnovarum (RN, 1891) veranschauli-chen – der Frage nach dem Rechtauf Privateigentum: Die besagteEnzyklika, die sich bekanntlich dieBehandlung der Arbeiterfrage desspäten 19. Jahrhunderts zum Gegen-stand gemacht hat, greift – im Kon-

Katholische Soziallehre –ein antizyklisches Konzept

Autor:Dr. Markus Schlagnitweit, Theolo-ge und Sozialwissenschaftler, istHochschulseelsorger der DiözeseLinz und Mitarbeiter der ksoe.

Wer sich auf Aussagen der Katholischen Soziallehre beruft, ohne ihren zeit- und ideologiegeschicht -lichen Kontext sowie ihre korrektiv-antizyklische Konzeption zu beachten, verkennt und missbrauchtsie im Sinne ideologischer Vereinnahmung.

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DossierSichtweisen

Kontextuell-antizyklische Entstehungsgeschichte

Bei genauerer Betrachtung fällt näm-lich auf, dass auch die Ausformulie-rung dieser Grundprinzipien immer ineinem ganz bestimmten zeitgeschicht-lichen und gesellschaftspolitischenKontext geschieht – und zwar in geiel-ter Opposition zu einer zeitgeschicht-lich gerade besonders stark auftreten-den ideologischen Strömung. So istdas Personalitätsprinzip v.a. als Gegen-position zu einem gesellschaftspoliti-schen Kollektivismus zu verstehen, dasSolidaritätsprinzip hingegen zum Indi-vidualismus; das Subsidiaritätsprinzipwird formuliert gegen einen über-mächtig-obrigkeitlichen Staatsdirigis-mus, das Gemeinwohlprinzip wieder-um gegen die liberale Verabsolutie-rung des freien Marktprinzips.

Ich halte dafür, dass das reichhaltigesoziale Lehramt Johannes Pauls II. mitder „Option für die Armen“ ein fünf-tes Grundprinzip in die KSL eingeführthat – wiederum nicht kontextlos: V.a.in seiner Enzyklika Sollicitudo reisocialis (SRS, 1987) wendet sich derPapst gegen einen gesellschaftspoliti-schen „Mechanizismus“, der bestimm-ten Machtverhältnissen und Mecha-nismen in Wirtschaft, Gesellschaft undPolitik quasi naturgesetzliche Autoritätund Unabänderlichkeit zuschreibt unddamit moralische Verantwortung indiesen Handlungsfeldern zurückdrängtoder überhaupt negiert. (Vgl. etwaSRS 16) Die Enzyklika spricht dagegenklar von „Strukturen der Sünde“ (SRS36) und benennt damit deutlich diemenschliche Verantwortung, die hinterder Entstehung und dem Fortbestandderartiger Machtstrukturen steht. Diein SRS besonders prononcierte Hervor-hebung und Forderung einer „Optionund vorrangigen Liebe für die Armen“v.a. seitens der Verantwortungsträger-Innen in Politik und Wirtschaft (vgl.etwa SRS 42) ist vor diesem Hinter-grund wieder als bewusste Gegenposi-tion zur dominierenden sozialmechani-

Recht aber niemals absolut verstan-den: Das Recht auf Privateigentumgilt stets nur unter Maßgabe des vor-rangigen Grundprinzips der univer-sellen Bestimmung der Güter für alleMenschen. Im Klartext: Wo durchdas Privateigentum Einzelner anderenMenschen das zu einem menschen-würdigen Leben Notwendige vorent-halten wird, verliert das Privateigen-tum auch seine Unantastbarkeit. DasRecht auf Privateigentum begründetalso niemals einen absoluten, unan-tastbaren Besitzanspruch, sonderngilt immer nur, sofern es eine unab-dingbare Bedingung der Möglichkeitsittlichen Handelns darstellt und aufdiese Weise der Entfaltung der Per-sonenwürde dient. Wo es dieseDienstfunktion hingegen nicht(mehr) erfüllt oder ihr sogar entge-gen steht, hat auch sein Geltungsbe-reich klare Grenzen.

Ähnliches ist auch hinsichtlich desUmgangs mit den klassischen Grund-prinzipien der KSL – Personalität,Solidarität, Subsidiarität und Gemein-wohl – zu beobachten und festzuhal-ten. Nicht selten hat es denAnschein, dass manche gesellschafts-politischen Kräfte sich einfach einzel-ner dieser Grundprinzipien bedienen,um mit Berufung auf einschlägige,zumeist aus dem Kontext gerissenePassagen päpstlicher Dokumenteeigene Positionen „abzusegnen“.Auf christlich-sozialer Seite hält manes diesbezüglich besonders gerne mitder Subsidiarität (auch unter demverkürzenden Schlagwort „PrinzipEigenverantwortung“), auf sozialde-mokratischer Seite mit der Solidarität.Gelegentlich gewinnt man regelrechtden Eindruck, man bediene sich ander KSL nach Art eines Steinbruchs,aus dem man sich nach Belieben diepassenden Brocken heraus klaubt.Tatsächlich verkennt so ein Umgangden kontextuell-antizyklischen Cha-rakter der gesamten KSL, der sichauch im Ensemble ihrer Grundprinzi-pien widerspiegelt:

text der gesamten sozialen Proble-matik jener Zeit einigermaßen über-raschend – gleich zu Beginn dieEigentumsfrage auf und bestätigt inweiterer Folge eindeutig ein Rechtauf Privateigentum. Die prominenteFokussierung auf dieses Thema ist inihrem zeitgeschichtlichen Kontexteigentlich nur zu verstehen, wennman sie als Ausdruck dafür liest, dassLeo XIII. seine Enzyklika zwar alsklare gesellschaftspolitische Positio-nierung auf Seiten der Arbeiterschaftverstanden wissen wollte – allerdingsin bewusster Opposition zur soziali-stischen Arbeiterbewegung jenerZeit, welche ein Recht auf Privatei-gentum grundsätzlich bestritt. (Vgl.RN 3)

Ideologischer Missbrauch

Es ist in weiterer Folge freilich nichtausgeblieben, dass bestimmte gesell-schaftspolitische Kräfte, welchen v.a.an der rechtlichen Tabuisierung desPrivateigentums gelegen war, mein-ten, dieses Interesse mit Berufungauf die päpstliche Enzyklika unter-mauern zu können, und einzelneihrer Abschnitte einfach im Sinneeiner Absolutsetzung des Rechts aufPrivateigentum lasen. Zu Unrecht!Tatsächlich affirmierten Rerumnovarum und spätere Dokumentedes kirchlichen Lehramts das Rechtauf Privateigentum zwar mit derBegründung, dass Privatbesitz allein„den unbedingt nötigen Raum füreigenverantwortliche Gestaltung despersönlichen Lebens … als eine ArtVerlängerung der menschlichen Frei-heit“2 vermittle. Ein Recht auf Privat-eigentum wäre demnach also alsnotwendige Bedingung der Möglich-keit eigenverantwortlichen – und d.h.sittlichen – Handelns unbedingtanzuerkennen. Allerdings sind dieseAffirmationen eben immer als Wider-spruch zu Positionen zu lesen, wel-che ein Privateigentumsrecht über-haupt negieren! Tatsächlich wurde inder kirchlichen Sozialtradition dieses

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Soziallehre – in Bewegung 11

1 Johannes N. SCHASCHING, zeit-gerecht - zeitbedingt. Nell-Breuningund die Sozialenzyklika Quadrage-simo anno nach dem VatikanischenGeheimarchiv, Bornheim (Ketteler-Verlag) 1994.

2 II. Vatikan. Konzil, Pastoralkonsti-tution Gaudium et spes, 71: AAS58 (1966) 1092-1093.

3 Man denke besonders an MargretThatcher's ideologisches Leitwort"There is no alternative!", späterals TINA-Ideologie im politischenDiskurs verankert.

sonalitäts- und Subsidiaritätsprinzip v.a.dort in Anschlag zu bringen wären, wodie legitimen Lebensinteressen undGestaltungsspielräume der einzelnenGesellschaftsglieder kollektiven Interes-sen geopfert zu werden drohen.

Schließlich muss man sogar sagen, dassdie Grundprinzipien der KSL – ein jedesfür sich genommen – selbst ein ihnenjeweils entsprechendes Gegen-überbenötigen, um nicht durch einseitigeÜberbetonung in ideologische Gräbenabzugleiten: Personalität braucht Ori-entierung auf Solidarität, SubsidiaritätAusrichtung auf Gemeinwohl hin – undjeweils umgekehrt! Einzig die Optionfür die Armen nimmt hier eine Sonder-stellung ein. Aber gerade in diesemPunkt ist das Christentum auf Grundla-ge des Evangeliums vom Gottesreichohnehin zu einer Parteilichkeit ohneAbstriche verpflichtet. Ein ideologischerGraben ist hier nirgendwo in Sicht, undwenn es ihn denn endlich gäbe, wär eunsere Welt wohl um vieles gerechter –zumindest in einem biblischen Sinn.

zistischen Ideologie der 1980er Jahre3

zu lesen.

Kontextuell-antizyklischeAnwendung

Der zeitbedingt-antizyklische Charakterder KSL-Prinzipien fordert klarer Weiseauch ihre kontextbezogene Anwen-dung: Nicht zu jeder Zeit und nicht injeder sozialgeschichtlichen Situation sindsie in jeweils gleicher Gewichtung auf-zurufen und umzusetzen. Man verkenntschlichtweg die Korrektiv-Funktion derKSL, wenn man z.B. in einer hochgradigindividualisierten und desintegriertenGesellschaft auch noch das Persona-litäts- und Subsidiaritätsprinzip beson-ders bemüht. Ein solches Vorgehen setztsich dem Verdacht aus, faktische Ver-hältnisse bzw. Trends auch noch„päpstlich“ rechtfertigen und absegnenzu wollen. Nein, in einer solchen Situati-on wäre das Gewicht vielmehr aufgesellschaftspolitische Maßnahmen zulegen, welche Solidarität und Gemein-wohlorientierung stärken, während Per-

Grafik: Die Katholische Soziallehre im ideologischen Kontext:

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Zeit und Raum prägen das Lebenjedes Menschen. Deshalb ist die Hori-zontlinie jeder Existenz nicht nur inihrer Dauer, sondern auch in ihren gei-stigen Perspektiven unweigerlichbegrenzt. Was eine Persönlichkeitgroßartig macht, ist gerade dieserUmgang mit den eigenen Gegeben-heiten, was sie daraus lernt, wie siedadurch in Menschlichkeit wachsen.Aus christlicher Sicht sind großartigeMenschen jene, die alles daran setzen,in Einklang mit Jesus und dem Evan-gelium zu leben. Die katholische Kir-che erkennt einige von ihnen als heiligund fordert alle KatholikInnen auf, sienicht nur in der Liturgie zu würdigen,sondern sich auch im ganz normalenAlltag ein Beispiel an ihnen zu neh-men.

Lebensgeschichtliche Prägung

Am 1. Mai wird Johannes Paul II. inRom selig gesprochen - ein Anlass, umüber Persönlichkeit und VermächtnisKarol Wojtylas (1920-2005) zu reflek-tieren. Unmittelbar nach seinem Todhuldigten ihm Cartoonisten aus allerWelt. Bei diesen Bildern zeigt sich eineausgeprägte Konvergenz darin, wasdie KünstlerInnen – nicht unbedingtreligiöse Menschen – in diesem Papstgesehen haben: einen Hirten, einentiefgläubigen Menschen, eine außeror-dentliche Persönlichkeit, einen uner-müdlichen Pilger und Friedensstifter.1

Dabei geht es nicht um eine Idealisie-rung post mortem, sondern vielmehr

um die Anerkennung einer Persönlich-keit, die ebenso kontrovers – alle klardefinierten Menschen sind dies – wieaußerordentlich ist und große Schat-ten wirft. Kardinal Roger Etchegaray,langjähriger Präsident des päpstlichenRates für Gerechtigkeit und Frieden,sagte von ihm: „Sein Maß? DieMaßlosigkeit!“ Keiner seiner Vorgän-ger hat so viel geschrieben, ist so vielgereist, hat so viele Kardinäle kreiertund Bischöfe ernannt. Er war einerjener Verantwortlichen, die den Falldes Eisernen Vorhangs ermöglichten. Was aber an Johannes Paul II. beson-ders beeindruckt, ist seine nichtimmer konfliktfreie religiöse Geradli-nigkeit. Als Kind leidvoller Zeitenbrachte er seine radikale Erfahrungdes Glaubens in der Devise seinesPontifikats - „Totus tuus“ (ganz derDeine) - zum Ausdruck. Daher seinestrikten Richtlinien dort, wo er denGlauben anderer KatholikInnen fürunecht oder abwegig gehalten hat(Rolle der Frauen in der Kir che, Miss-trauen gegenüber der Befreiungstheo-logie, Kritik des Liberalismus). Kon-frontiert mit dieser Persönlichkeit lau-fen Menschen von heute Gefahr,Johannes Paul II. selektiv wahrzuneh-men, sozusagen nur den „passenden“Teil seines Werkes hervorzuheben,statt sich mit diesem Vermächtnis aus-einanderzusetzen. Oder bloß die Fuß-spuren von Johannes Paul II. in Hul-digung zu verwischen: „Man applau-diert dem Sänger, hört aber nicht seinLied.“2

Die soziale Dimension des GlaubensZum Vermächtnis Johannes Pauls II.

Autorin:Dr.in Paloma Fernández de la Hoz,Sozialhistorikerin und Pädagogin,ist Mitarbeiterin der ksoe.

Die kirchen- wie weltpolitisch äußerst wirkmächtige Persönlichkeit Johannes Pauls II. mag kontroversdiskutiert werden. Unbestritten sind die zentrale Bedeutung, die er der Katholischen Soziallehre alsintegralem und zentralem Bestandteil der kirchlichen Verkündigung und Praxis beigemessen hat, unddie maßgeblichen Impulse, mit der er sie selbst weiterentwickelt hat.

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haben ihn beide Systeme verstärkt, dabeide einem zweifachen fundamenta-len Irrtum verfallen sind: Ökonomis-mus und Materialismus. Ersterer misstdie menschliche Arbeit ausschließlichnach ihrer wirtschaftlichen Nützlich-keit, Zweiterer ordnet das Wirken desMenschen der materiellen Wirklichkeitunter. (Vgl. LE 13)

Johannes Paul II. leistet mit seinersymmetrischen Kritik beider Wirt-schaftssysteme einen besonderen Bei-trag zur KSL, die sich bis dahin ehermit den Unterschieden zwischen denbeiden befasst hatte.5 Auswege ausdem genannten Gegensatz zwischenArbeit und Kapital sieht er in der Parti-zipation der Menschen, die sich alsSubjekte am Produktionsprozess betei-ligen sollen. Menschen sind Rechtsträ-ger: Sie haben ein Recht auf Arbeit,auf einen gerechten Lohn sowie aufsoziale Sicherheit. Das sind die prakti-schen Konsequenzen des Primats derArbeit vor das Kapital, der einzigeWeg zur Überwindung des Gegensat-zes zwischen beiden. Aufgabe der Kir-che ist es, durch eine Spiritualität derArbeit Menschen zu helfen, den ech-ten Sinn der Arbeit zu entdecken,bewusst am Werk der Schöpfung mit-zuwirken.

Die „beständige Entschlossenheit“

Wiederum aus einem bestimmtenAnlass – nämlich des 20. Jahrestagesder Veröffentlichung von Populorumprogressio – schrieb Johannes Paul II.sein zweites soziales Rundschreiben,das dem Konflikt zwischen den Indu-strie- und den sogenannten Entwick-lungsländern gewidmet ist. Das Kern-stück des Dokuments findet sich inKapitel 4, wo der Papst die wahr eNatur der Entwicklung darlegt. Dieseumfasst viel mehr als bloß wirtschaftli-ches Wachstum. Sie besteht darin,dass Menschen als Kinder Gottes inWürde leben können. Johannes PaulII. erkennt Prozesse, die dieser Ent-

Alltagsleben anzuwenden, um diesoziale Realität hier und jetzt somenschlich wie möglich zu gestalten.(Vgl. SRS 41) Dies ist eine wesentlicheAufgabe der Kirche, da Diesseits undJenseits eng verbunden sind: Die Kir-che weiß, dass sich die Welt selbstnicht retten kann, und gleichzeitigweiß sie, dass Gott in der Geschichteder Menschen präsent ist.4

Arbeit vor Kapital

Aus Anlass des 90. Jahrestages derEnzyklika Rerum novarum schriebJohannes Paul II. 1981 sein erstes

soziales Rundschreiben, das dermenschlichen Arbeit gewidmet ist.Arbeit ist nicht nur wegen ihrer objek-tiven Dimension (d. h. was dur chArbeit produziert wird) bedeutsam,sondern vor allem wegen ihrer sub-jektiven Dimension (d.h. wer Arbeitleistet): Hinter jeder Arbeit steht einMensch. Daraus folgt das ethischePrinzip des Primats der Person vorSachen. In modernen Industriegesell-schaften aber kommt es zu einemGegensatz zwischen Arbeit und Kapi-tal. Sowohl der Kapitalismus als auchder Kommunismus haben sich bisdato als unfähig erwiesen, diesenGegensatz zu überwinden. Vielmehr

Soziallehre – wesentlicher Teilder Evangelisierung

Zum Vermächtnis Johannes Pauls II.gehört die unmissverständlicheBedeutung, die er der Soziallehre derKirche (KSL) beigemessen und derenWeiterentwicklung er maßgeblichgefördert hat. In der ersten Hälfte sei-nes Pontifikats schrieb er drei sozialeRundschreiben: Laborem exercens(1981), Sollicitudo rei socialis (1987)und Centesimus annus (1991) undwidmete sich kontinuierlich der Ver-tiefung der KSL. Dies zeigen seineapostolischen Schreiben und seineBotschaften – insbesondere zu denWeltfriedenstagen, zum Welttag derMigrantInnen sowie zum Welt-ernährungstag. 1999 veranlassteJohannes Paul II. die Herausgabeeines Sozialkompendiums, das 2004 -ein Jahr vor seinem Tod - erschien.Der Papst versuchte damit, das sozia-le Engagement der ChristInnen zubestärken, eine Orientierungshilfe fürsoziales Engagement und eine Anre-gung zum Dialog mit Andersdenken-den zu bieten.

Karol Wojtylas Zugangsweise zur KSList alles andere als theoretisch. Erselbst erklärte 1978, wie ihm dieseLehre als jungem Arbeiter währendder Nazi-Besatzung, später als Pries-ter während der kommunistischenDiktatur sowie in der jahrelangenPastoralpraxis Halt gegeben hat. Sokam er zu der tiefen Überzeugung:„Es kann nicht sein, dass die Kir chekeine Soziallehre hat“3, da diese Sozi-allehre aus der Mission der Kir cheresultiert und wesentlicher Bestandteilder Evangelisierung ist. Für KarolWojtyla, der selbst KSL unterrichtethat, ist diese ein Element der Moral-theologie und als solches ein notwen-diges Instrument für moralischesUrteilen über gesellschaftliche Vor-gänge. Es geht darum, die immer-währenden Prinzipien des Glaubens(wie etwa die Würde des Menschen)mithilfe des Verstandes im konkreten

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wicklung aller Menschen und desganzen Menschen im Wege stehen,und nennt sie „Strukturen derSünde“. Durch diesen neuen theolo-gischen Begriff verweist er auf diemoralische Notwendigkeit, nicht nurunsere Absichten zu prüfen, sonderndarüber hinaus auch die Folgenunseres Handelns zu bedenken.

Neue Akzente beinhaltet auch seineReflexion über die Völker. Diesehaben nicht nur ein Recht auf mate-rielle Entwicklung, sondern auf ihrespezifisch eigene volle Entwicklung:Niemand kann anderen den eigenenLebensstil oder den eigenen religiö-sen Glauben aufzwingen. (Vgl. SRS 32)

Solidarität ist die Antwort auf welt-weite strukturelle Ungerechtigkeiten:„Diese ist nicht ein Gefühl vagenMitleids oder oberflächlicherRührung wegen der Leiden so vielerMenschen nah oder fern. Im Gegen-teil, sie ist die feste und beständigeEntschlossenheit, sich für das‚Gemeinwohl‘ einzusetzen, das heißt,für das Wohl aller und eines jeden,weil wir alle für alle verantwortlichsind.“(SRS 38)

Freiheit – Imperativ und Falle

Centesimus annus, das dritte Sozial-schreiben Johannes Pauls II., erschien1991, d. h. 100 Jahre nach Rerumnovarum. Der Fall des Eisernen Vor-hangs ist für den Papst Anlass,erneut über die beiden großen Wirt-schaftssysteme zu reflektieren. Wie-derum betont der Papst ihre Ähnlich-keiten. Beide Systeme weisen eineökonomische, eine politische undeine ethisch-kulturelle Dimensionauf.6 Und gerade auf dieser drittenEbene zeigen sich ihre Defizite: DerKommunismus ist gefallen, weil erdie Freiheit der Menschen unter-drückt hat. Der Kapitalismus als Wirt-schaftssystem mit der Förderung vonPrivatinitiative und Privatbesitz ist

positiv. Problematisch wird die die-sem System innewohnende Kultur:eine wirtschaftliche Freiheit, die dazutendiert, sich aus einer festen Rechts-ordnung zu lösen, der blinde Glaubean die Selbstregelung der Märkte,der Primat der Logik des Marktesüber alle Lebensbereiche.(Vgl. CA 42)

Interreligiöser Dialog

Diese drei sozialen Rundschreibenzeigen deutlich, inwieweit die Aus-einandersetzung mit den sozialenGegebenheiten und konsequentesHandeln für Johannes Paul II. Sachedes Glaubens waren. Seine Sorge umdie Säkularisierung der Kirche erklärtu. a. seine Vorbehalte gegenüber derBefreiungstheologie (die er im Übri-gen nie verurteilt hat), ist jede Befrei-ung auf Erden doch immer mangel-haft und provisorisch.

Als tief religiöser Mensch sah Johan-nes Paul II. in den Gläubigen ander erReligionen vor allem Weggefährten.7

Er trieb den interreligiösen Dialogvoran und berief sich dabei auf dasII. Vatikanische Konzil.8 Anlässlichdes Jubiläumsjahres 2000 forderte erdie Kirche auf, Mut zu einer „Reini-gung des Gedächtnisses“ aufzubrin-gen und um Verzeihung für das Leidund die Ungerechtigkeiten zu bitten,die anderen im Laufe der Geschichtezugefügt wurden.

Fest überzeugt von der Krise derherrschenden Zivilisation, forderteJohannes Paul II auf, dieser Krise„mit der Zivilisation der Liebe zubegegnen, die sich auf die universa-len Werte des Friedens, der Solida-rität, der Gerechtigkeit und der Frei-heit gründet, die in Christus ihrevolle Verwirklichung finden“.9 EineZivilisation, in der die Menschen nieaufhören sich zu mühen, diesegroßen Orientierungswerte in die Tatumzusetzen: „Weil wir alle für alleverantwortlich sind.“

1 http://www.cagle.com/news/PopeMemorial/main.asp: 1.3.2011.

2 Zizola, Giancarlo (2005): L‘altroWojtyla. Milano: Sperling & Kupfer,S. 9.

3 Wojtila, Karol (2003): La dottrinasoziale della Chiesa. Roma: Univ.Lateranense, S. 18.

4 a.a.O., S. 97.

5 Camacho S.J., Ildefonso (2005),El pensamiento social de Juan PabloII. Líneas básicas de sus tr es encícli-cas sociales, in: Revista de FomentoSocial nº 238 (abril-junio 2005), S.189-218, S. 192. Siehe auch Wojti-la, Karol (2003) S. 25 f., 31.

6 a.a.O., S. 202.

7 Johannes Paul II.: IncarnationisMysterium, 2000, 2.

8 Johannes Paul II.: Tertio MillenioAdvenientente, 2000, 19.

9 a.a.O., 52

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Soziallehre – in Bewegung 15

Katholische Soziallehreaus evangelischer Sicht

100 Jahre nach Rerum novarum, derEnzyklika Leos XIII., die den Grund-stein der modernen Katholischen Sozi-allehre (KSL) gelegt hat, besteht aufsozialethischem Gebiet ein erfreulichhohes Maß an ökumenischer Gemein-samkeit. Bestes Beispiel dafür ist dasgemeinsame Sozialwort des Ökumeni-schen Rates der Kirchen in Österreichaus dem Jahr 2003. Auch das prakti-sche sozialpolitische Engagement derKirchen, die gemeinsam betonte Opti-on für die Armen und der Einsatz fürMenschen am Rande der Gesellschaftunterstreichen die heute bestehendenÜbereinstimmungen. Sie sind freilichnicht die unmittelbare Frucht jenererwähnten Sozialenzyklika, die heuerihren 120. Geburtstag feiert. Entschei-dend war vielmehr der Wandelrömisch-katholischer Soziallehre, dersich seit dem II. Vatikanischen Konzilvollzog.

Rerum novarum war zwar ein weg-weisendes Dokument, mit dem dierömische Kirche auf die soziale Fragedes 19. Jahrhunderts, die gesellschaft-lichen Verwerfungen infolge der Indu-strialisierung und das Elend der Arbei-terschaft eine Antwort zu geben ver-suchte. Das katholische Gesellschafts-modell fußt jedoch auf einer neuscho-lastischen Naturrechtslehre, die keinegeeignete Basis für eine ökumenischeSoziallehre bildet. Sie propagiert bisheute eine vermeintlich natürlicheOrdnung der Gesellschaft, die zeitloseStrukturen hat und für gottgegebengehalten wird, faktisch aber dasErgebnis menschlicher Setzungen undkultureller Entwicklungen ist. Dassabweichende Positionen für vernunft-widrig erklärt werden, ist und bleibthoch problematisch. Letztlich maßtsich das kirchliche Lehramt auch wei-

ter an zu bestimmen, was wahrhaftvernünftig ist und was nicht. Evange-lische Theologie muss in diesemPunkt freundlich, aber bestimmtwidersprechen.

Die ökumenische Gesprächslage hatsich durch das II. Vatikanum insoferngeändert, als an die Stelle neuschola-stischer Sozialphilosophie eine mehrbiblisch-theologisch geprägte und denDialog suchende Sozialverkündigunggetreten ist. Die katholische Theologienutzte die neu entstandenen Freiräu-me und öffnete sich dem Gesprächmit unterschiedlichen philosophischenDenkrichtungen. Intensiv wurde nunauch das Gespräch mit dem Marxis-mus geführt. Die neue politischeTheologie der Schule von JohannBaptist Metz und die lateinamerikani-sche Theologie der Befreiung habennicht nur innerkatholisch viel bewegt,sondern auch der Ökumene wegwei-sende Impulse gegeben.

Die Theologie der Befreiung ist heutefreilich weitgehend Geschichte. Auchsonst versucht das katholische Lehr-amt, die Pluralisierung katholischerSozialethik und Soziallehre zurückzu-drängen. Der ökumenische Dialogwird dadurch teilweise erschwert, istdoch ein Pluralismus auf der Grundla-ge gemeinsamer Glaubensüberzeu-gungen für die evangelischen Kirchenkennzeichnend. Ein verengtes Natur-rechtsdenken zeigt sich katholischer-seits insbesondere auf den Feldernder modernen Biomedizin und derSexualethik.

Die Grundprinzipien der KSL sind aberauch für evangelische Sozialethikanschlussfähig: das Personalitäts-, dasSolidaritäts- und das Subsidiaritäts-

Autor:Univ.-Prof. Dr. Ulrich H. J. Körtner ,Theologe, Ordinarius für Systemati-sche Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Univer-sität Wien.

prinzip. Auch evangelische Theologiedeutet die Menschenwürde als Per-sonwürde und setzt Menschsein undPersonsein gleich, statt die Personalitätvon bestimmten intellektuellen Fähig-keiten wie Bewusstsein und Erinne-rungsvermögen abhängig zu machen.Der Subsidiaritätsgedanke entsprichtbester evangelischer Tradition und derpresbyterial-synodalen Grundstrukturevangelischer Kirchen. Und auch dasModell einer sozialen Marktwirtschaft,die heute als öko-soziale Marktwirt-schaft weiterzuentwickeln ist, hatkatholische wie evangelische Wurzeln.

Beide Traditionen setzen die Akzentejedoch ein wenig anders: Während dieKSL die Forderung nach Gerechtigkeitin den Vordergrund stellt, betontevangelische Soziallehre die Bedeu-tung von Freiheit und Verantwortung.Freiheit und Gerechtigkeit bildenjedoch kein Gegensatzpaar, sondernstehen nach christlichem Verständnisin einem inneren Zusammenhang. Daszu betonen und zu vertiefen, ist einewichtige Aufgabe auf dem Weg zueiner wahrhaft ökumenischen Sozial-lehre.

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Die Orthodoxie und die Zeichen der ZeitHat die Ostkirche eine Sozialethik?

Das Bild der Orthodoxie im Westenist für lange Zeit unter anderem vonder Annahme geprägt worden, dassdie Kirche byzantinischer Traditionkeine Sozialethik besitzt. Das Fehleneiner artikulierten Theorie über dasSoziale bedeutete folgerichtig, dasses dann auch mit der diakonischenPraxis der lokalen orthodoxen Kir-chen nicht besonders gut bestellt sei.Manche nicht-orthodoxe TheologIn-nen gingen sogar so weit zu behaup-ten, dass die innerste Substanz derOrthodoxie überhaupt inkompatibelmit einer Sozialethik sei. Sie hattendabei sogar Recht, wenn damit nurdie westliche Art von Auffassung undBegründung einer theologischenEthik gemeint war. Diese Sichtweise– verbunden mit dem nicht zu leug-nenden kontemplativen Charakterder morgenländischen Kirche –schien in der Tat kein gesellschaftli-ches Engagement zuzulassen. Es wirddabei jedoch vergessen, dass die hierzur Debatte stehende christliche Tra-dition, die sich selbst als apostolischansieht, auf eine zweitausendjährigeGeschichte zurückblickt, dass sie vieleVölker nachhaltig geprägt und eben-so viele Kulturen hervorgebracht hat.Allein diese Pluralität an historischenErfahrungen schließt von vornhereinjede pauschale Beurteilung aus.

Eine „theologische Moral”

Unabhänging von evidenten oderunterstellten Missverständnissen,welche die Wahrnehmung der

Orthodoxie nach außen begleitethaben und zum Teil immer nochbegleiten, ist die grundsätzliche Frageder Beziehung zwischen der Kircheund der Welt aus orthodoxer Sichtmehr als berechtigt. John Meyendorffhält dazu am Schluss seiner großarti-gen und knappen Synthese derbyzantinischen Theologie fest, dassdie orthodoxe Tradition keine syste-matische Behandlung der moralischenbzw. ethischen Regeln anbietet. WieChristInnen sich zu verhalten haben,stellen die Exegese der biblischenTexte oder die asketischen Traktateder Kirchenväter dar, aber kein eige-nes System oder Handbuch als sol-ches.

Die byzantinische Moral/Ethik – blei-ben wir bei diesem Begriffspaar – istlaut Meyendorff eine „theologischeMoral“. Das bedeutet ganz konkret,dass die Moral/Ethik als persönlicheUmsetzung der Nachfolge Christibetrachtet wird und keine Notwen-digkeit dazu besteht, eine solche fürdie nicht-christlichen Menschen zuerstellen, also eine „profane“ Varian-te, die für alle Welt gelten würde. DieByzantiner spürten keinen Drang, ihremoralische/ethische Vorstellung mitanderen Argumenten zu untermauernals mit den aus dem kir chlichen Lebenresultierenden Prinzipien. Das ohne-hin eschatologisch ausgerichteteGesellschaftsbild der Byzantiner, diesich stets bemüht haben, ein Abglanzdes himmlischen Reichs zu sein, wardurch eine ebenfalls eschatologische

Autor:Prof. Dr. Radu Preda ist Inhaberdes Lehrstuhls für Sozialtheologiean der Fakultät für OrthodoxeTheologie der „Babes-Bolyai”-Uni-versität zu Cluj-Napoca/Klausen-burg, Rumänien.

Die Orthodoxe Kirche ist immer noch nicht wirklich Teil der europäischen sozialethischen Debatte –und dies trotz der Tatsache, dass von den weltweit 16 kanonischen autokephalen und autonomenOrthodoxen Kirchen sich 12 in Europa und davon 8 in EU-Ländern befinden. Der „EU-Orthodoxie“mangelt es an einem ethischen Profil – ein Umstand, der sich nur langsam zu ändern beginnt.

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Soziallehre – in Bewegung 17

Theologie der Geschichte geprägt, sodass allein Gott über seine eigeneSchöpfung und über die darin enthal-tene Vielfalt entscheidet.

Die Orthodoxie – in Gestalt ihrer imZuge der Moderne verselbständigtenautonomen und autokephalen Kir-chen – lebt aber längst nicht mehr ineinem einheitlichen byzantinischenParadigma, selbst wenn dieses sichrhetorisch immer noch als wirkungs-voll zeigen will. Spätestens seit demFall Konstantinopels 1453 unter türki-sche Herrschaft haben sich die einzel-nen orthodoxen Lokalkirchen konse-quent der Artikulierung ihrer eigenen„Marke“ gewidmet. Russland ist beiweitem am wenigsten byzantinisch –von imperialen Träumen einmal abge-sehen. Die rumänischen Länder, Ser-bien oder die kaukasische Orthodoxiein Georgien sind ebenso postbyzanti-nisch, was ihre Stylistik und sogar ihretheologische Ausrichtung angeht.Byzanz spielt seit einem halben Mille-nium nur noch eine sehr oft in Fragegestellte Integrationsrolle. Das Bildder alten, goldenen Zeiten, inkarniertin der Person des ÖkumenischenPatriarchen – primus inter pares inder Weltorthodoxie –, fungiert gewis-sermaßen als gemeinsamer Nennerfür stark ethnozentrische Kirchen, dietrotz gemeinsamen Glaubens unter-schiedlicher kaum sein könnten, unddie sich nicht selten gegenseitig kano-nisch bekriegten – eine Situation, dieleider bis heute da und dort anzutr ef-fen ist. Der mühevolle Weg zum Hei-ligen und Großen Synod der gesam-ten Orthodoxie dokumentiert ambesten die innere Widersprüchlichkeitund Zerissenheit einer Kirche, diezwar dem Zentralismus eine Absageerteilt hat, sich dafür aber noch aufder Suche nach einer funktionieren-den Synodalität befindet.

Orthodoxie und Moderne

Gesellschaftlich und kulturhistorischist die anthropologisch-theologische

Grundannahme, die ein „christlichesReich“ prägte, weitreichend durchdie säkularen Menschenrechte ersetztworden. Und die Pluralitäten ethni-scher und/oder religiöser Art zählenheute auch in den mehrheitlichorthodoxen Ländern zum Alltag. Ausder ambivalenten Begegnung derOrthodoxie mit der Moderne – aus-gedrückt unter anderem in der Über-nahme und Aneignung der nationa-len Emanzipation (Nationalstaat) undder damit verbundenen Ideologie –haben sich mehrere Herausforderun-gen ergeben: Eine der größten bleibtdie „Verstaatlichung“ der Orthodo-xie durch eine nicht immer näherpräzisierte und geregelte Beziehungzwischen Staat und Kirche.

Die jüngste Provokation stellt ohneZweifel aber die traumatische Erfah-rung der orthodoxen Kirchen Osteu-ropas während des Kommunismusdar – eine Periode der Verfolgungund des Überlebens, der Kompromis-se und des Martyrertums zugleich,die unübersehbare Folgen hinterlas-sen hat und deren Bedeutung theo-logisch immer noch nicht genügendreflektiert worden ist. Neben den ausdem eigenen historischen Kontextresultierenden Dilemmata kommendabei die im Postkommunismus auf-tretenden Phänomene hinzu: ange-fangen von den Auswirkungen derGlobalisierung bis hin zur ökologi-schen Problematik, von der Demo-kratisierung als durchaus schwieri-gem Lernprozess bis hin zu einemvorsichtigen Wiedererwachen vonzivilgesellschaftlichen Tugenden,nicht zuletzt durch die und in der Kir-che.

Kurzum: Die Welt, in deren Mittesich die Orthodoxie Osteuropasheute findet, das Evangelium verkün-det und die Mysterien feiert, hat sichso umfassend und unumkehrbar ver-ändert, dass die Frage nach einerverständlichen und annehmbaren„sozialen” Botschaft der Kirche an

die heutige Gesellschaft immer drän-gender gestellt wird.

Orthodoxie und Sozialethik

In den letzten Jahren konnte dieethische Stimme der Ostkirche des-halb schon etwas klarer vernommenwerden. Vielfach wird hier auf dasbeachtliche Engagement des Ökume-nischen Patriarchen Bartolomaios I.für die Erhaltung der Schöpfung ver-wiesen. Am Rande sei dazu ange-merkt, dass der panorthodox einge-führte Tag der Schöpfung (der 1.September, der auch Beginn desorthodoxen liturgischen Jahreskalen-ders ist) in den einzelnen orthodoxenLokalkirchen kaum Beachtung findet.Seit dem Jahr 2000 gilt das Moskau-er Patriarchat als Sprachrohr derorthodoxen Ethik. In diesem Jahrwurde die Soziale Konzeption derRussischen Orthodoxen Kirche veröf-fentlicht. 2008 bestätigte sich dieserEindruck durch die Veröffentlichungeines Dokuments über die Men-schenrechte und die darauf folgendePolemik. Nicht zuletzt die wiederhol-ten Botschaften der GriechischenOrthodoxen Kirche an das eigeneVolk über die ethischen Herausforde-rungen der jüngsten Krise, welchedieses Land tief erschüttert hat,beweisen ein aktuelles Gespür für diesoziale Verantwortung der Kirche.Dabei sei auch auf die Selbstkritik dergriechischen Bischöfe hingewiesen.

Kurzum: Es gibt Anzeichen dafür,dass die Orthodoxie, vor allem dieeuropäische, mit der Zeit Teil dersozialethischen Debatte in der EUwerden kann. Die wichtigste Vor-raussetzung dafür aber ist, mit einerkanonischen Stimme sprechen zu ler-nen. Dazu sind interne Debattenunumgänglich.

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DossierSichtweisen

Literaturhinweise

Radu Preda, Sozialtheologie. EineHerausforderung für die orthodoxeKirche am Beispiel Rumäniens, in:Ingeborg Gabriel / Franz Gassner(Hgg.), Solidarität und Gerechtig-keit. Ökumenische Perspektiven,Ostfildern (Matthias Grünewald)2007, S. 109–133.

Ders., Zwischen Tradition und Tran-sition. Zwanzig Jahre Postkommu-nismus am Beispiel Rumäniens, in:Mirolslav Polzer / Karl W. Schwarz/ Vincenc Rajsp / Johann Marte(Hgg.), Religion und Wende in Ostmittel- und Südosteuropa 1989–2009 (= Pro Oriente 33),Innsbruck/Wien (Tyrolia) 2010, S. 320–346.

Ders., Kommunismus als theologi-sche Anfrage. Die Skizze einerorthodoxen Antwort, in: IngeborgGabriel / Cornelia Bystricky (Hgg.),Kommunismus im Rückblick. Ökumenische Perspektiven aus Ost und West (1989–2009), Ostfildern(Matthias Grünewald) 2010, S. 167–191.

Ökumenische Begegnung in der Ukraine: Studenten mit Mönchen

Interreligiöser Gebets- und Begegnungsabend, Wien 12. Bezirk

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Sichtweisen

Soziallehre – in Bewegung 19

„Niemals werdet ihr Frömmigkeiterlangen, ehe ihr nicht von dem spen-det, was ihr liebt….“ (Koran 3:29)

In ihrem Anspruch, religiösen Glaubenmit tätigem Wirken für das Allgemein-wohl zu verbinden, sind sich Christen-tum und Islam sehr nahe. Dienst fürGott kann so nicht losgelöst stehenvom Dienst am Menschen. Für Musli-me ist dieses Prinzip gespiegelt in denfünf Säulen des Islam. Ob es nun umdas Gebet geht, bei dem auch ander ergedacht werden soll und das zur spiri-tuellen Kraftquelle für sozial verträgli-ches Handeln wird, oder um diePflichtabgabe Zakat, die einenbestimmten Teil des jährlichen Vermö-gens als „Reinigung“ an Bedürftigeabführt – Friede in Gott ist nur zuerreichen, wenn auch Friede mit Mit-menschen und Umwelt angestrebtund hergestellt wird.

In der Außensicht werden Religionsge-meinschaften in den Taten ihrer Gläu-bigen gemessen. Nachhaltig positivesHandeln für Menschen am Rand derGesellschaft ist so nicht nur einGewinn im Sinne des Strebens nachsozialer Gerechtigkeit, sondern auchein wichtiger Imageträger. Gerade instürmischen Zeiten innerer Konflikteeiner Religionsgemeinschaft odernegativer öffentlicher Wahrnehmungbietet der Bereich des sozialen Enga-gements so eine wichtige und verläss-liche Konstante, authentisch die Men-schen zugute kommende, aus derGlaubenspraxis gespeiste Ethik desEinsatzes für andere erlebbar zumachen.

Als Muslime sind uns beide Kompo-nenten wichtig. Wir schätzen die zahl-reichen, über Jahre an Erfahrung

gereiften sozialen Einrichtungen derkatholischen Kirche, an ihrer Spitzedie CARITAS, als wesentlichen Teildes sozialen Lebens in Österreich.Und wir begrüßen es, wenn dieGlaubwürdigkeit und der Nutzen fürdie Allgemeinheit einer religiös inspi-rierten und verankerten Lebensweiseauf diese Weise sichtbar werden. AlsGläubige sehen wir uns schließlichkonfrontiert mit der gemeinsamenHerausforderung, gesellschaftlicheWertschätzung gegenüber unsererreligiösen Orientierung in Zeiteneines wachsenden „atheistischenFundamentalismus“ zu erhalten.

Respekt gebührt den katholischensozialen Einrichtungen für die Ent-wicklung, die sie in ihrer Herange-hensweise genommen haben. AmBeispiel der gemeinnützigen Einrich-tungen für Frauen sei dies kurz auf-gezeigt: Kamen Hilfsangebote, etwafür unverheiratete Schwangere, vorJahrzehnten noch sehr moralinsauerdaher, und wurde Frauen dort „dieHölle heiß gemacht“, so braucht sicheine Frau, die heute eine Beratungs-stelle der „Aktion Leben“ aufsucht,keiner peinlichen Gewissenserfor-schung mehr zu stellen, sondern wirdwertfrei kompetente Unterstützungerhalten.

Parteinahme für sozial Schwache undimmer die jedem einzelnen Men-schen von Gott verliehene Men-schenwürde als Motor des Handelnsim Blick – ein solcher Zugang könnteChristInnen und Muslime in einemDialog des Handelns zusammenbrin-gen. Sehr vielversprechend durfte ichdies bei der interkonfessionellenZusammenarbeit im Rahmen derinterreligiösen Vorkonferenz zur gro-

ßen Aids-Tagung 2010 in Wienerfahren.

Glauben bedeutet, sich in sozialeProzesse einzumischen. Soziale Pro-zesse können und müssen politischvernünftig und zum Wohle allergesteuert werden. Häufig ist es eineGratwanderung für Glaubensgemein-schaften, einerseits pointiert Stellungzu beziehen und somit am Prozessder demokratischen Meinungsbil-dung teilzuhaben, und andererseitsdas säkulare Modell der Trennungkirchlicher und staatlicher Machtnicht in Frage zu stellen. AktuelleDiskurse nehmen hier Muslime in diePflicht – und verraten zugleich vielvon in der europäischen Geschichtewurzelnden Befindlichkeiten. In die-sem Licht erscheint eine dialogischeBeschäftigung mit den katholischenTexten zur sozialen Frage im Wandelder Zeit als spannend und könnte somanchen Erkenntnisgewinn bringen,wenn das „Eigene“ im „Anderen“zutage tritt.

Christliche Soziallehre und -praxisaus muslimischer Sicht

Autorin:Carla Amina Baghajati, Sprecherinder Islamischen Glaubensgemein-schaft in Österreich

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DossierOrte

Dem Jugendalter entwachsene Aktivis-ten der Katholischen Arbeiterjugend(KAJ) und engagierte Seelsorger warenfür die Geburtsstunde der KatholischenArbeiterbewegung (KAB) im Mai 1951verantwortlich. Sie wurde als eine mis-sionarisch-apostolische und sozial ori-entierte Bewegung gegründet, die dasEvangelium den der Kirche meist fernstehenden Arbeitern nahe bringenwollte. „Ihr seid keine Sklaven, ihr seidkeine Maschinen, ihr seid Söhne undTöchter Gottes“, jener für die Arbeiter-schaft ungewohnte, wertschätzendeAusspruch Joseph Cardijns war Motiva-tion, sich auf ein Leben mit Gott einzu-lassen. Cardijns Methode „Sehen –Urteilen – Handeln“ ermöglichte derKAB den Zugang zur analytischen Aus-einandersetzung, sowohl mit dem eige-nen Leben als auch der gesellschaftli-chen Situation.

Dem patriarchalischen Verständnis der50er Jahre des vorigen Jahrhundertsentsprechend, setzte sich die Leitungzu Beginn ausschließlich aus Männernzusammen. Im Gründungsprotokollwird festgestellt: „Die Frage, ob undinwieweit die Frauen von der KABerfasst werden sollen, wird vorerst ver-schoben”. Erst 1982 wird erstmals eineFrau als stellvertretende Bundesvorsit-zende in die ehrenamtliche Bundeslei-tung gewählt.

Die Hinführung zu einer christlichgeformten Persönlichkeit war Schwer-punkt in der Bildungsarbeit; aber auchals ChristIn in der Arbeitswelt Zeugniszu geben, zur Vermenschlichung desbetrieblichen Lebens beizutragen, dieGesellschaft nach den Prinzipien derKatholischen Soziallehre mitzugestal-ten, wurde als Auftrag verstanden:„...Unser Ziel ist die Überwindung desKapitalismus und Materialismus als

gesellschaftliche Ordnung...“(1. Grundsatzpapier, 1955).

Gesellschaftspolitisches Engagement

Um den Mitgestaltungsauftrag aktivverwirklichen zu können, wurde dieEinbindung in vorhandene gesellschaft-liche Strukturen angestrebt. 1956 leg-ten KAJ und KAB bei einer gemeinsa-men Tagung die Grundsätze ihrer Mit-arbeit im Österreichischen Gewerk-schaftsbund (ÖGB) und in der Fraktionchristlicher Gewerkschafter (FCG) fest.Die Mitarbeit im als „sozialistisch domi-niert“ geltenden ÖGB war für manchekatholische Kreise keine Selbstverständ-lichkeit. Kardinal Königs Bemühungen,das historisch begründete negativeVerhältnis von Kirche und Arbeiter-schaft zu entlasten, trug zweifellosauch zur Akzeptanz der KAB im nicht-kirchlichen Bereich bei. Seit 1962 ist dieKAB mit einem Mandat im Bundesvor-stand des ÖGB vertreten.

Der Sendungsauftrag Cardijns, „Dieersten und unmittelbaren Apostel derArbeiter müssen die Arbeiterinnen undArbeiter selbst sein“, stärkte das Selbst-bewusstsein und hat bis heute Gültig-keit. Das Selbstverständnis der KAB,„Kirche in der Arbeitswelt und Stimmeder ArbeitnehmerInnen in der Kirche“zu sein, ist nicht von Hochmut getra-gen, sondern konsequent durchdachtesApostolatsverständnis. Die KAB willsowohl im inner- als auch im außer-kirchlichen Bereich „Salz der Erde“ sein(Mt 5).

Aktuelle Kampagnen

Gemeinsam mit der Gewerkschaft derPrivatangestellten/Sektion Handel wardie KAB Initiatorin und maßgeblich für

60 Jahre KABÖ – Katholische Arbeit-nehmer/innen Bewegung Österreich

„Wir sprechen viele konkrete Fragender heutigen Arbeitswelt an, von derSituation der Lehrlinge über dieBenachteiligung der Frauen bis zurBildungsdebatte.“

Reinhold Grausam, Bundesvorsitzender der KatholischenArbeitnehmer/innen BewegungÖsterreich über ZeitZeichen, dasMagazin der kabÖsterreich

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Orte

Soziallehre – in Bewegung 21

Gesellschaftssystem, das dem Wohlder Menschen dient. Damit ein würdi-ges Leben für alle Wirklichkeit werdenkann, ist ein Demokratieverständniserforderlich, das allen Menschen glei-che Teilhabechancen und Mitbestim-mungsrechte garantiert. Ebenso nötigist ein Wirtschaftssystem, das dieBefriedigung von Grundbedürfnissen,globale Solidarität, ökologische Nach-haltigkeit, Ressourcen- und Klimage-rechtigkeit zum Ziel hat.

Die Wirtschaft muss dem Menschen dienen

Die Globalisierung mit ihren weltwei-ten Verflechtungen hat zu einem tiefgreifenden Strukturwandel mit zuneh-

mend verschlechterten Arbeitsbedin-gungen geführt. Die ständig steigendeZahl prekärer oder atypischer Arbeits-verhältnisse setzt ArbeitnehmerInnenzusehends unter Druck. Eine (halb-wegs) gesicherte Lebensplanung wirdimmer schwieriger. Gesetzliche Rege-lungen auf nationaler Ebene, die denHerrschaftsanspruch des Kapitals überdie Arbeit zügeln sollen, laufen Gefahr,dem Globalisierungswettbewerb geop-fert zu werden. Die Mechanismen derGlobalisierung verhindern, dass „derMensch ... Träger, Schöpfer und ... Zielaller gesellschaftlichen Einrichtungen“(Johannes XXIII.) ist.

Die Veränderungen in der Arbeitswelt

die Gründung der „Allianz für denfreien Sonntag“ im Oktober 2001 ver-antwortlich. Unter dem Vorsitz vonBischof Maximilian Aichern wurde eingemeinsamer Text aller Mitgliederüber die Bedeutung und den grund-sätzlichen Wert des arbeitsfreien Sonn-tags in einer säkularisierten Gesell-schaft verabschiedet. Den Sonntagnicht dem Konsumismus zu opfern,findet die Unterstützung aller Gewerk-schaften im ÖGB. Die österreichischeAllianz wurde Vorbild für Allianzgrün-dungen in Deutschland, Südtirol, derSlowakei und Polen.

Im Mai 2002 startete die Kampagne„Gute Arbeit“. Gute Arbeit garantiertdie Würde des Menschen, sorgt fürgerechtes Ein-kommen (d.h.sie sichert dieExistenz derArbeitendenund ihrer zuversorgendenAngehörigen)und trägt Ver-antwortung fürdie Umwelt.

Gemeinsam mitdem Forum„Arbeit, Wirt-schaft & Sozia-les“ der KAÖ wurde im Herbst 2008ein Positionspapier zur „Steuergerech-tigkeit“ erarbeitet. Im Anschluss daranwurde ein kleines Büchlein „Märchenübers Steuerzahlen“ in Zusammenar-beit mit der KAÖ, KMB, kfb und ksoeentwickelt, das mit Mythen und Mär-chen, die an Stammtischen diskutiertwerden, aufräumen soll. In Kooperati-on mit den Arbeiterkammern Ober-österreich und Tirol sowie dem ÖGBwurden davon in 3 Auflagen insge-samt 450.000 Stück gedruckt.

Seit November 2009 arbeitet die KABmit sozialpolitisch engagierten NGOsim Rahmen der Kampagne „Wege ausder Krise“ an einem Entwurf für ein

provozieren drängende Fragen nachder künftigen Ausgestaltung vonGesellschaft und Wirtschaft im Lichtedes Evangeliums und in Verbindungmit konkreten Forderungen, wie

- Sicherung des Sozial- und Wohl-fahrtsstaates

- Bekämpfung der Armut- soziale Grundsicherung- menschenwürdige Arbeitsbedingun-

gen und gerechte Entlohnung- partnerschaftliche Arbeitsteilung - Gleichbehandlung der Geschlechter

in Familie und Gesellschaft - Vereinbarkeit von Beruf und Familie- Schließung der Einkommensschere

zwischen Frauen und Männern- Einbindung der Finanzmärkte in die

gesellschaftliche Verantwortungdurch Besteuerung

- Weiterentwicklung der EU zu einer„Sozial-Union“

- Rahmenbedingungen für die Globa-lisierung

Nach Antworten auf die aktuellen Fra-gen der Zeit zu suchen, ist herausfor-dernder Auftrag für die KAB von mor-gen.

Autorin:Maria Etl, Bundessekretärin der Katholischen ArbeitnehmerInnenBewegung Österreichs

www.freiersonntag.atwww.gutearbeit.atwww.wege-aus-der-krise.at

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Auf Grundlage der Enzyklika Rerumnovarum entstand weltweit eine Viel-zahl von regionalen und lokalen Initia-tiven. In Österreich bewirkte sie unteranderem die Gründung von Christli-chen Arbeitervereinen. Einer davonwurde 1906 in Horn gegründet, derzwei Jahre später unter großen finanzi-ellen Anstrengungen ein katholischesVereinshaus errichtete. 1985 sah sichder Verein gezwungen, den Gebäude-komplex zu verkaufen. Der Großteilder Kaufsumme diente der Abdeckungvon Schulden. Der verbleibende Restwurde als Grundkapital für die PapstLeo-Stiftung verwen-det. Auf diese Weisesollte die einstigeIntention, die Katholi-sche Soziallehre (KSL)zu fördern, weiterle-ben. Am 1. 8. 1985wurde die Stiftungdurch Bischof FranzŽak genehmigt.

Seit 1987 werden inzweijährigem Abstandnach öffentlicher Aus-schreibung zwei„Papst Leo-Preise“vergeben. Von Anfangan wurde das Stiftungs-Kuratorium von der Vielzahl an Einrei-chungen überrascht. Das macht esnicht leicht, die PreisträgerInnen ingeheimer Abstimmung auszuwählen.Der Preis ist derzeit nur mit 1.800 Eur odotiert, will aber vorrangig eine öffent-liche Anerkennung sein – auch alsAnsporn zur Nachahmung.

Die Einreichungen spiegeln eindrucks-voll wider, wie vielschichtig sich die KSLheute darstellt. Der Bogen reicht vonPolitik, Wissenschaft und Bildung überSozialeinrichtungen, betriebswirtschaft-liche Modelle, persönliches und institu-tionalisiertes Sozialengagement bis hin

zu Projekten internationaler Solidaritätund Entwicklungshilfe.

Obwohl die Vergabe an die österreichi-sche Staatsbürgerschaft gebunden ist,langen auch immer wieder Einreichun-gen aus dem Ausland ein. Nur inZusammenhang mit der grenzüber-schreitenden NÖ Landesausstellungwurde eine Ausnahme beschlossen:2009 erhielt Prof. Dr. Bedrich Vyme-talík den Preis für den Aufbau einerChristlichen Gewerkschaft und derkatholischen Laienbewegung „Christund Arbeit“ in Tschechien.

Weitere PreisträgerInnen aus demBereich „Politik und soziales Engage-ment“ sind die ehemalige Sozialminis-terin Liese Prokop, die als Landesrätindie NÖ Familienhilfe einführte, Land-tagspräsident Mag. Edmund Freibauerfür das von ihm konzipierte NÖ Wohn-bauförderungsgesetz nach sozialen undfamilienpolitischen Kriterien, Landtags-präsident Prof. Ing. Helmut Mader(Tirol), der die Intentionen der KSL inseine politische Tätigkeit einfließen ließ,und Bischof Maximilian Aichern fürsein Sozialengagement in der DiözeseLinz, aber auch auf Ebene der österr ei-

Autor:Roman Fröhlich, bis zu seiner Pen-sionierung Schriftsetzer undBetriebsrat sowie bis 2008 Präsidentder Kath. Aktion der Diözese St.Pölten, ist Administrator der Papst-Leo-Stiftung.

25 Jahre Papst Leo-Stiftung

Bischof Maximilian Aichern erhält Papst Leo-Preis 2009

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Soziallehre – in Bewegung 23

chischen Bischofskonferenz.Aus dem Bereich „Wissenschaft, Bil-dung und Publizistik“ ragt Univ.-Prof.P. Dr. Johannes Schasching SJ heraus.Hervorhebenswert ist auch Prof. DDr.Johannes Michael Schnarrer (Wien),der durch einige Jahre unentgeltlichden Lehrstuhl für Ethik und Sozialwis-senschaften in Karlsburg (Rumänien)übernahm. Der Bildung von Arbeit-nehmerInnen widmete sich das Bil-dungshaus Betriebsseminar Linz aufGrundlage der KSL über Jahrzehnteerfolgreich. Leider musste es aus bud-getären Gründen seine Tätigkeit inzwi-schen einstellen.

Erfreulich ist, dass sich manche derausgezeichneten „Sozialprojekte“nicht nur fix etablieren, sondern ihrenAktionsradius sogar noch ausweitenkonnten. So errichtete die Emmausge-meinschaft St. Pölten, die sich um diegesellschaftliche und berufliche Wie-dereingliederung Haftentlassener,Nichtsesshafter sowie Alkohol- undDrogenabhängiger annimmt, neueSchlafstellen, Werkstätten und in Lili-enfeld eine Zweigniederlassung.

Aus dem Bereich „Soziale Modelle undExperimente“ ist Josef Lins, ehemali-ger Vorarlberger Innungsmeister derDachdecker, zu erwähnen, der in sei-nem Betrieb eine Mitarbeiterbeteili-gung erfolgreich umsetzte. Die Schuh-werkstatt Schrems führte einen inKonkurs gegangenen Betrieb inArbeitnehmer-Selbstverwaltung weiter,womit vor allem Jugendlichen ineinem wirtschaftlichen Problemgebietder Arbeitsplatz erhalten blieb.

Vielschichtig stellt sich der Bereich„Internationale Solidarität und Ent-wicklungshilfe“ dar. Herausragend derEinsatz der Salzburger Missions-schwester Sr. Maria Herlinde Moises:Sie unterstützte LandarbeiterInnen inKolumbien, sich als Bauern selbständigzu machen, und wurde deshalb vonTodesschwadronen verschleppt. Hilfezur Selbsthilfe leistete Bäckermeister

P. Jakob Gapp-Preis

Dieser von der Diözese Innsbruck jährlich ausgeschriebene Anerkennungspr eiswird an Betriebe mit Standort in T irol vergeben, die mindestens fünf Arbeit-nehmerInnen beschäftigen und sich durch ein dauerhaftes Bemühen derBetriebsleitung sowie der Belegschaft auszeichnen, die Ziele und Kriterien derKatholischen Soziallehre sowie des Ökumenischen Sozialwortes der christli-chen Kirchen in Österreich zu erfüllen. Der Preis wird heuer erstmals auchNon-Profit-Betrieben zuerkannt. Der finanziell nicht dotierte Preis wurde von Bischof Dr. Manfred Scheuer aufAnregung der Katholischen Arbeitnehmer/innen Bewegung Tirol gestiftet. Erbesteht aus einer bischöflichen Urkunde und einem Modell eines Jakob-Gapp-Denkmals, dessen Original im Bildungshaus Greisinghof in Oberöster-reich steht.Der Preis erinnert an P. Jakob Gapp aus Wattens (1897-1943). Der 1996 seliggesprochene Marianistenpater war ein in vorbildlicher Weise sozial engagier-ter Priester, der sich besonders den Anliegen der Arbeiterschaft verpflichtetfühlte und ein Mann des Widerstands gegen das NS-Regime war. 1943wurde er in Berlin hingerichtet.

Kontakt: Jodok Troy, Fachreferat "Kirche, Arbeit und Wirtschaft", Haus derBegegnung, 6020 Innsbruck, Rennweg 12, [email protected]

WER-Preis

Der „Preis für die Förderung des Dialogs von Wirtschaft, Ethik und Religion“ist eine Initiative der österreichischen Industriellenvereinigung in Kooperationmit der Katholisch-Theologischen Privatuniversität Linz.Alle zwei Jahre ausgeschrieben und mit insgesamt 7.500 Eur o in drei Katego-rien dotiert, will der Preis den wissenschaftlich fundierten Dialog zwischenWirtschaft und Religionsgemeinschaften fördern. Darüber hinaus soll er Stu-dierende bzw. junge WissenschaftlerInnen motivieren, sich mit dem Span-nungsfeld zwischen Ökonomie, Ethik, Theologie und Religion auseinander zusetzen. Ausgezeichnet werden wissenschaftliche Arbeiten, die sich im Sinne P.Johannes N. Schaschings SJ besonders der Thematik „sach-, menschen- undgesellschaftsgerechten“ Wirtschaftens widmen.

Kontakt: Industriellenvereinigung Österreichs, Bereich Gesellschaftspolitik,1031 Wien, Schwarzenbergplatz 4

Thomas Huber aus Ternitz: Mit Freun-den restaurierte er im Kongo eine Mis-sionsbäckerei, bildete einheimischeJugendliche zu BäckerInnen aus underrichtete in Kinshasa eine Konditorei.Weiter greift die Hans-Klingler-Stif-tung: Sie fördert auf Grundlage derKSL Maßnahmen, die eine Verbesse-rung der sozialen, materiellen undpolitischen Lebensbedingungen von

ArbeitnehmerInnen in aller Welt zumZiel haben. Besonders unterstützt wirdder Aufbau christlicher Gewerkschaf-ten.

Was in bunter Vielfalt allen Preisträge-rInnen gemeinsam ist, ist ihr Bezug zurKSL - allerdings in sehr unterschiedli-cher Intensität und in phantasievoller,individueller Interpretation.

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DossierOrte

Jesus sagt: „Ich bin gekommen, damitsie das Leben haben und es in Füllehaben.“ (Joh 10,10) und „Ihr seid dasSalz der Erde!“ (Mt 5,13)

Fundament und Motivation

Österreich ist eines der reichsten Län-der: Es gibt Konsumgüter im Überfluss,täglich werden Tonnen von Lebensmit-teln weggeworfen, eine Fülle vonmedialen, sportlichen und kulturellenAngeboten stehen zur Verfügung,Luxusprodukte sind an allen Ecken undEnden zu finden. Man könnte also mei-nen, ‘Leben in Fülle’ ist bei uns längstRealität. Gut für kirchliche Jugendarbeit!Sie kann sich zurücklehnen und sichendlich ihrer Kernaufgabe widmen: Ver-kündigung des Evangeliums.

Doch was sage ich Jugendlichen, dietrotz ihres materiellen Reichtums keinenSinn in ihrem Leben sehen, jungenMenschen, die ihr Leben als gar nichterfüllt wahrnehmen, weil sie keine ver-lässlichen Beziehungen erleben? Undwas ist mit den Jugendlichen, die vonmaterieller Armut betroffen sind, dieohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatzsind und nach ihrer fünfzigsten Bewer-bung wieder keine Rückmeldung erhal-ten haben? Wie begegne ich jungenMenschen mit psychischen Problemen,die ihren Alltag nicht mehr bewältigenkönnen, oder AsylwerberInnen undMigrantInnen, die Angst vor Abschie-bung und Ausgrenzung haben? Undsollten wir nicht auch an jene (jungen)Menschen denken, die in ärmeren Län-dern der Erde leben und deren Lebendurch Hunger, Krankheit, Kinderarbeitusw. existenziell bedroht ist?

Gut, man könnte entgegen: Es gibt aus-gebildete SozialarbeiterInnen, Psycholo-gInnen, PsychotherapeutInnen, ein brei-

tes Angebot an sozialen Dienstleistun-gen; die Politik verspricht eine Ausbil-dungsgarantie für alle Jugendlichen,und auch Gelder für Entwicklungszu-sammenarbeit sind im Staatsbudgetvorgesehen. Das muss doch reichen!

Doch wenn Kirche und gerade kirchli-che Jugendarbeit die Jugendlichen ernstnehmen will, kann sie nicht jenseits vonWelt und Mensch agieren, sondernimmer nur mit Blick auf die konkr etenLebenswirklichkeiten und gesellschaftli-chen Bedingungen. Sie muss Jugendli-che vor dem Hintergrund der gesell-schaftlichen, wirtschaftlichen, sozialen,politischen und kulturellen Zusammen-hänge wahrnehmen und um ihre Pro-bleme, Ängste und Sorgen Bescheidwissen.

‘Leben in Fülle’ kann dann heißen,Jugendlichen zuzuhören und sich für sieZeit zu nehmen in Zeiten, in denenStress und Hektik an der Tagesordnungstehen. Es kann heißen, JugendlichenMöglichkeiten für Engagement undMitgestaltung zu geben und ihnendamit eine Sinndimension in ihremLeben zu eröffnen. Politische Lobby-und Öffentlichkeitsarbeit für jungeMenschen, die von Armut, Ausgren-zung oder Arbeitslosigkeit betroffensind, könnte ebenso damit gemeintsein. ‘Leben in Fülle’ könnte heißen,Jugendlichen tragfähige Beziehungenanzubieten und Räume, in denen sieernst genommen und wertgeschätztwerden.

Und schon sind wir wieder mitten in derBotschaft Jesu und bei seinem Auftrag,Salz der Erde zu sein. Die zwei Bibelstel-len geben also eine klare Grundausrich-tung für jugendpastorale Arbeit vor:Verkündigung durch politisches undsoziales Engagement.

Wer, wenn nicht wir!Soziales Engagement in der kirchlichen Jugendarbeit

Autorin:Mag.a Magdalena ReinthalerTheologin, Buchautorin, Bildungs-referentin der Katholischen JugendÖsterreich

Informationen zu den Projekten:Katholische Jugend Österreich –www.katholische-jugend.at

72h ohne Kompromiss –www.72h.at

Freiwilliges Ökologisches Jahr –www.jugendumweltnetzwerk.at

Freiwilliges Soziales Jahr –www.fsj.at

Enchada – www.enchada.at

MissionarInnen auf Zeit –www.steyler.at

Jugend eine Welt –www.jugendeinewelt.at

Young Caritas –www.youngcaritas.at

Dreikönigsaktion – www.dka.at

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FreiwilligendiensteIm kirchlichen Bereich gibt es ver-schiedene Jugendorganisationen, dieFreiwilligendienste für Jugendlicheanbieten, so zum Beispiel die Katholi-sche Jugend Österreich mit dem Frei-willigen Ökologischen Jahr (FÖJ) unddem Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ).Das FSJ ist ein seit 40 Jahr enbewährtes und erprobtes Freiwilli-genprojekt. Es bietet derzeit jungenMenschen die Möglichkeit, für dieDauer von 10 bis 11 Monaten imAusmaß einer Vollzeitbeschäftigungfreiwillig in einer Sozialeinrichtungtätig zu sein. Analog dazu bietet dasFÖJ einen Umwelteinsatz in einerUmweltschutzorganisation oder auf

einen Bio-bauernhof.Darüber hin-aus bietenzum Beispiel‘Jugend eineWelt’ dieMöglichkeitzu Auslands-volontariatenin DonBosco-Pro-jekten inAfrika, Asienund Lateina-merika unddie SteylerMissionarIn-

nen in ihrem Projekt ‘MissionarIn aufZeit (MaZ)’ soziale Betätigungsfelderim Ausland.

Entwicklungspolitische ProjekteEntwicklungspolitische Bildungsarbeitfür Jugendliche und junge Erwachse-ne bietet die Dreikönigsaktion derKatholischen Jungschar und Enchada,das entwicklungspolitische Bildungs-referat der Katholischen JugendÖsterreich. Die Bandbreite der Ange-bote für Jugendliche reicht vonGrundkursen zu Fairem Handel undHIV/Aids, über Austauschprogrammeund Lern-einsätze in den sogenann-ten Entwicklungsländern bis hin zu

Projekte

Die Katholische Jugend Österreichund andere kirchliche Jugendorgani-sationen bieten Jugendlichen zahlrei-che Möglichkeiten zu sozialem Enga-gement im In- und Ausland. WichtigePunkte bei all diesen Projekten sindFreiwilligkeit, attraktive Rahmenbe-dingungen, ein Gemeinschaftsgefühlund Spaß. Im Folgenden werden eini-ge Projekte exemplarisch vorgestellt:

72 Stunden ohne KompromissBei „72 Stunden ohne Kompromiss“sind 5.000 Jugendliche in ca. 400 Ein-zelaktionen 72 Stunden lang öster-reichweit im Einsatz für einen sozia-

len, entwicklungspolitischen oderökologischen Zweck. Dabei zeigensie, dass soziales Engagement Spaßmacht, und wie einfach es ist, zu hel-fen und so ein kleines Stück Realitätzu verändern. Die Palette der Projekteist breit und reicht von der Errichtungeines Spielplatzes für ein Flüchtlings-heim über das Aufzeigen und Beseiti-gen alltäglicher Barrieren für Roll-stuhlfahrerInnen in Gemeinden bis zurRestaurierung eines jüdischen Fried-hofs. Die Aktion findet alle zwei Jahr estatt und wurde von der KatholischenJugend Österreich in Zusammenarbeitmit youngCaritas.at und Hitradio Ö3bereits fünf Mal durchgeführt.

Benefizveranstaltungen und öffentlich-keitswirksamen Aktionen.

KampagnenAls Beispiel für zahlreiche österreich-weite Kampagnen im Bereich der kirch-lichen Jugendarbeit sei hier die Kam-pagne ‘Stellenwert – Jugend willArbeit’ erwähnt. Ziel dieser Kampagnewar es, arbeitssuchende Jugendliche zuWort kommen zu lassen und gemein-sam mit ihnen qualitative Lösungsstra-tegien zu entwickeln. Die Kampagnehat mit einer Enquete im Parlament,bei der betroffene Jugendliche einenForderungskatalog an PolitikerInnenüberreicht haben, ihr vorläufiges Endegefunden. Das Thema Jugendarbeitslo-sigkeit ist allerdings leider aktuellerdenn je.

Perspektive

„Ich finde es einfach sinnvoll, jeman-dem unter die Arme zu greifen, weilman nicht immer nur nehmen kann.Ich mache es einfach gerne und helfegerne, wo ich sehe, die brauchenmeine Hilfe.“, so eine befragte Jugend-liche in der aktuellen Sinus-Milieu-Stu-die ‘Wie ticken Jugendliche?’. Kirchli-che Jugendarbeit kann hier ein großesLern- und Erfahrungsfeld sein: JungeMenschen merken, dass sie gebrauchtwerden, dass ihr Engagement etwaswert ist und dass soziales Engagementsehr viel Spaß machen kann.

Will kirchliche Jugendarbeit ihren Auf-trag zur Verkündigung des christlichenGlaubens nach dem Vorbild Jesu ernstnehmen, kann sie nicht anders, als sichfür Gottesreich-verträgliche Lebensbe-dingungen einzusetzen, die getragensind von der Vision heilen und erfülltenLebens für alle Menschen.

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Soziallehre als Auftrag

Standen am Ende des 19. Jahrhun-derts die großen gesellschaftlichenVeränderugen, die zur EnzyklikaRerum Novarum und in weitererFolge zur Ausformulierung derKatholischen Soziallehre (KSL) führ-ten, so muss jetzt unter dem Aspektder ökologischen Krise und Bedro-hung durch den Klimawandel die KSLneu gedeutet werden. Waren es bis-her die vier Grundsäulen „Solidarität– Subsidiarität – Personalität –Gemeinwohl“, welche die KSL kon-stituierten, wurde in den letzten Jah-ren immer mehr auch das Thema derRetinität (Nachhaltigkeit) angespro-chen.

War im II. Vatikanischen Konzil(1962-65) mit Gaudium et Spes einneuer Blick auf die Welt gerichtetworden, so ging es dabei in ersterLinie um die im Licht der Theologieund des Glaubens gedeutete Weltunter dem Eindruck der wirtschaftli-chen Neuentwicklung nach demZweiten Weltkrieg. Auf dem Öku-menischen Konziliaren Prozess inBasel 1989 wurde mit den Themen„Gerechtigkeit – Friede – Bewahrungder Schöpfung“ im ökumenischenDiskurs ein gänzlich neuer undumfassender Akzent gesetzt. In den1970er Jahren war es in Folge desuneingeschränkten und ungefiltertenVerheizens von fossilen Brennstoffenin der Industrie über weite Str eckenEuropas zum Waldsterben und vielen

anderen ökologischen Schädengekommen.

In Österreich wurde durch den Öku-menischen Rat der Kirchen 2003 mitdem „Ökumenischen Sozialwort“ der14 christlichen Kirchen eine fundierteHandreichung zu allen Themen derNachhaltigkeit angeboten.

Konzept

„PILGRIM – Bewusst leben – Zukunftgeben“ lautet das Motto der mittler-weile 99 zertifizierten PILGRIM-Schulen österreichweit, davon eine inBayern. PILGRIM heißt: Wir alle sindPilgerInnen hier auf Erden und tra-gen Verantwortung für unsere Mit-menschen, die Natur und dies vorallem auch für spätere Generationen.Ausgangspunkt war 2002-03 einForschungsprojekt des BMUKK amehemaligen RPI-Wien, in dem alsErkenntnis die Ergänzung der dreiSäulen der Nachhaltigkeit „Ökologie– Ökonomie – Soziales“ um einevierte Dimension – Spiritualität –gewonnen wurde. Auch in einersäkularisierten Welt bewegen unsexistentielle Fragen, die die konkreteLebensgestaltung betreffen und des-halb nicht nur auf einen r eligiösenKontext bezogen oder religiösenMenschen vorbehalten sind:„Warum bin ich da? Wie will ichleben? Was ist gut?“ – Erst in diesemgroßen Sinnhorizont gedeiht die reli-giös-ethisch-spirituelle Grundhaltung,in der Verantwortung, Respekt und

Das Modell der PILGRIM-Schule

Autor:

HR Dr. Johann Hisch, Theologeund Religionspädagoge, war bis2007 Direktor des Religionspäda -gogischen Institutes der ErzdiözeseWien und ist derzeit Geschäfts -führer der PILGRIM-Schulen.

„Bildung muss zur Gestaltung des Lebens und zu gesellschaftlicher T eilnah-me befähigen. Gesellschaftliche und wirtschaftliche Umwälzungen werfenimmer neue politische Fragestellungen auf. Dem Bildungswesen erwachsendaraus Aufgaben, die über Erziehung und Unterricht im herkömmlichenSinn hinausgehen. Bildung soll zu verantwortungsvoller Teilnahme an derGesellschaft motivieren und befähigen.“Ökumenisches Sozialwort 2003 (25)

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Soziallehre – in Bewegung 27

Achtsamkeit in den drei Bereichender Nachhaltigkeit begründet sind.

Die Anliegen der UN-Dekade „Bil-dung für Nachhaltige Entwicklung“(2005 – 2014), das Moratorium derBildungsminister des Europaratesüber „Die religiöse Dimension ininterkultureller Bildung“ (2003)sowie das Allgemeine Bildungszielder Lehrpläne der ÖsterreichischenSchule werden auf diese Weisezusammengeführt und integriert. Spi-ritualität wird ökumenisch verstandenals die aktualisierte Auswirkung ausdem gelehrten und gelebten Glaubender Religionen. Aus diesem Projektentstand das Konzept der PILGRIM-Schule, das für alleSchulen – von derGrundschule bis zuden Höheren Schu-len, öffentliche undprivate – offensteht.

PILGRIM strebt dieZusammenarbeitaller Gegenständeund aller Konfessio-nen an, die inÖsterreich Religions-unterricht erteilen.Das Neue ist, diereligiös-ethisch-phi-losophische Bil-dungsdimension beim Thema Nach-haltigkeit in allen Gegenständenanzusprechen. Die Projekte derNachhaltigkeit sollen nicht auf sin-guläre Aktionen beschränkt bleiben,sondern kontinuierlich und auf län-gere Sicht im Schulprofil Eingang fin-den.

Bildung

Nachhaltigkeit als Thema für denFächer-übergreifenden Unterricht: ImSinne des Zusammenhanges der dreiSäulen der Nachhaltigkeit (Ökologie-Ökonomie-Soziales) mit der „viertenDimension“ der Spiritualität ist nicht

mehr nur ein Fach (z.B. Biologie)angesprochen, sondern alle Fächersind betroffen. Indem in der PIL-GRIM-Schule auch alle Religionenund Konfessionen, die in der öster-reichischen Schule Religionsunterrichterteilen, eingebunden sind, zeigt sichein integrationsfördernder Effektinnerhalb der Schule, der auch nachaußen wirkt.

Dialog

Die Möglichkeiten des ökumenischenund interreligiösen Dialogs können inder Bildung für nachhaltige Entwick-lung genutzt werden: Nicht der inter-religiöse Dialog selbst ist das Ziel,

sondern die gemeinsame Arbeit amThema wird zum verbindenden Ele-ment. Indem an einem Thema gear-beitet wird, entwickelt sich eine voll-kommen neue Situation und eineAtmosphäre des Vertrauens, das sichauf das weitere Leben der SchülerIn-nen überträgt.

Wenn öffentlich von Integrationgesprochen wird, wird zumeist damitausgedrückt, dass die Ankommendensich den Regeln der angestammtenBewohnerInnen unterordnen müs-sten. Tatsächlich müssten vielmehrconviventia (Zusammenleben) undconfidentia (Vertrauen) Ziel sein,

sodass das gemeinsame Zusammen-leben und das Vertrauen auf diegelebte Religiosität aller – auch derBewohnerInnen – gelernt werdenmüssen und alle – Ankommende undBewohnerInnen – sich ändern müs-sen. Es geht um eine Win-Win-Situa-tion.

Schulentwicklung

Die Schule selbst erlebt einen innerenWandel: Aus den vielen LehrerInnenals Einzelkämpfern wird eineGemeinschaft mit gleichen Interessenund ähnlichem Engagement. DieMotivation und Initiativen der LehrerInnen werden in einem neuen

Verständnis von Leadershipauch von Seiten der Direktio-nen wahrgenommen undgestärkt. Die Schule verän-dert sich im Verlauf diesesProzesses durch Mitverant-wortung für das schulischeGanze.

Träger der PILGRIM-Schuleist ein gemeinnütziger Verein,der mit allen bildungsrelevan-ten Institutionen in direktemKontakt steht. Die Positionie-rung im Erzbischöflichen Amtfür Unterricht und Erziehungin Wien und die Anbindungan die Kirchliche Pädagogi-

sche Hochschule Wien/Krems imKompetenzzentrum Nachhaltigkeitund Spiritualität gewährleisten diepädagogische Relevanz und Aktua-lität.

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Christliche Werte sind für uns nicht teil-bar zwischen Privat und Beruf. AlsUnternehmer-Familie bemühen wir unsauch beruflich um Wertschätzung undMenschlichkeit und achten auf respekt-vollen Umgang miteinander und mitallen, denen wir täglich begegnen: Mit-arbeiterInnen, LieferantInnen und Kund-Innen.

„Familien-Unternehmen“

Familie ist uns sehr wichtig. Darumsehen wir uns als große „WinklerMarkt-Familie“, in der Menschen mit-einander arbeiten mit all ihren Stärkenund Schwächen. Sie umfasst90 MitarbeiterInnen an dreiStandorten im Lebensmittel-einzelhandel. Es ist einegroße Herausforderung füruns, unsere MitarbeiterInnenzu fördern, zu fordern undauch Grenzen zu setzen.

Unsere Verantwortung ist es,Gewinne zu schreiben, damitwir die Arbeitsplätze unsererMitarbeiterInnen und dieunserer LieferantInnensichern. Ein Grundsatz lautet:Wir investieren unsere Gewinn wieder inuns, in unseren Betrieb und in unsereMitarbeiterInnen. Indem wir die Fähig-keiten und Stärken unserer Mitarbeite-rInnen richtig einsetzen und ihnen miteiner großen Portion Vertrauen undZutrauen Aufgaben übertragen, fördernwir die berufliche und persönliche Wei-terentwicklung. Gut ausgebildete Mitar-beiterInnen sind uns ein großes Anlie-gen, denn Kompetenz und Fachwissenfördern die Freude am Beruf.

Erfolge und gute Leistungen sind Anlässe,die bei uns gemeinsam gefeiert werden –auch in Form betrieblicher Auszeichnungen.

Integration

In Kooperation mit dem EvangelischenDiakoniewerk Gallneukirchen habendrei Personen mit Beeinträchtigung dieMöglichkeit, bei uns mitzuarbeiten undeinen normalen Berufsalltag zu erleben.Sie werden dabei von einer ausgebilde-ten Betreuerin begleitet. Die Arbeit ineinem Betrieb, der keine Behinder-teneinrichtung ist, hat für sie einenhohen Stellenwert. Unsere „besonde-ren“ MitarbeiterInnen sind gut inte-griert und werden auch von unserenKundInnen sehr geschätzt

Arbeitszeit

Unsere MitarbeiterInnen habengrundsätzlich fixe Arbeitszeiten. Urlau-be, freie Zeiten und Vertretungen wer-den in den Abteilungen selbst organi-siert.

Uns sind die gemeinsamen arbeitsfreienSonn- und Feiertage sehr wichtig. Am8. Dezember hatten wir noch nie geöf f-net. Die Rückmeldungen zeigen uns,dass wir hier von vielen KundInnenUnterstützung bekommen. Es gibt aberauch welche, die das nicht verstehen.Wir versuchen bei jeder Gelegenheit,

das Thema der Wichtigkeit gemeinsa-mer freier Zeit für Familie und Bezie-hung anzusprechen.

Kooperation

Wir verstehen uns als fairer Partnerunserer LieferantInnen. Von mehr als350 LieferantInnen werden wir direktbeliefert – von der Industrie bis zuregionalen DirektvermarkterInnen.Durch die gegenseitige Wertschätzungbemühen wir uns um eine Win-Win-Situation. Unter Partnerschaft verstehenwir verlässliche LieferantInnen mitbesonderer Qualität für unsere KundIn-nen sowie einen fairen Preis für Liefe-rantInnen, für uns und für unsere Kund-Innen.

Ökologie

Ein wichtiges Thema sind für uns immerschon nachhaltiges Wirtschaften undeffizienter Umgang mit Ressourcen. Sowird z.B. seit mehr als 25 Jahr en bei unsim Haus die Energie aus den Kühl- undTiefkühlanlagen durch Wärmerückge-winnung für die Heizung genutzt.

Christliche Werte gehören zu unseremFührungsstil und zu unserem Unterneh-menskonzept, und wir sind trotzdemoder gerade deshalb erfolgreich.

Als UnternehmerInchristlich handeln

Autorin:

Maria Strutz-Winkler, führt gemein-sam mit Josef Strutz-Winkler sowiePetra und Peter Winkler die unab-hängigen Winkler Märkte in Ober-österreich.

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Soziallehre – in Bewegung 29

Kulinario – Gastronomiebetrieb mit sozialer Verantwortung Der Ordensgemeinschaft der Barm-herzigen Schwestern war es ein Anlie-gen, bei der Ausgliederung ihrerKrankenhäuser und deren Service-Betrieben für „Werte-orientierte Ein-richtungen“ zu sorgen. In der VinzenzGruppe wurden dafür Strukturengeschaffen und als Zielrichtung fürdie Entwicklungsarbeit „Das christli-che Profil“ definiert.

Zeichen setzen

Kulinario, ein Tochterbetrieb der Vin-zenz Gruppe Service GmbH , versorg-te die Häuser der Vinzenz Gruppeund andere Einrichtungen gastrono-misch auf dem freien Markt. Derharte Konkurrenz-kampf und die einfa-chen, meist schlechtDeutsch sprechen-den Mit-arbeiterIn-nen erschwerten denProzess.

Um das Unterneh-men und damit dieArbeitsplätze zusichern, musste manvon manchen nichtleistbaren Idealen(Ökologie, regionalerEinkauf, soziale Arbeitsplätze) Ab -striche machen. Hilfreich war derGedanke, dass das Setzen von Zei-chen immer noch mehr ist, als einenWert gänzlich über Bord zu werfen.

Christliches Werteprofil von Kulinario

Bei der Entwicklung des „ChristlichenWerteprofils“ wurde das Zielbild invielen Diskussionen von Idealen „frei-gesiebt“. So blieb z.B. vom IdealUmweltbewusstsein „nur“ die Opti-

mierung von Wasser und Energiever-brauch übrig. Eckpfeiler des realisti-schen Werteprofils sind nun:

- Kommunikation- Produktkultur und Gastlichkeit- Partnerschaften- MitarbeiterInnen-Orientierung

(Werte-orientiertes Führen, Integra-tion, Gesundheitsförderung)

- Verwurzelung im christlichenMenschenbild

Bei jedem Eckpfeiler wurden Verhal-ten, Haltungen und Sichtbares konkretbeschrieben. Die soziale Verantwor-tung kommt besonders in folgendenPunkten zum Tragen:

PartnerschaftenKulinario ist sich bewusst, dass Unter-nehmen aufeinander angewiesen sindund baut daher längerfristige Koope-rationen mit fairen Spielregeln auf. Sowurden z.B. schwierige Zeiten vonPartnern (Konflikte, wirtschaftlicheProbleme) aktiv und lösungsorientiertbearbeitet.

MitarbeiterInnen-OrientierungFührungskräfte werden geschult,Werte-orientiert mit den Mitarbeiter-Innen umzugehen. So werden mit

Autor:Mag. Rainer Kinast ist Leiter desZentralbereiches Wertemanage-ment in der Vinzenz Gruppe undMitarbeiter der Homacon Kranken-hausberatung GmbH.

allen MitarbeiterInnen – auch mit derArbeiterin an der Spüle – jährlichMitarbeitergespräche geführt.

IntegrationIn den Küchen arbeiten Menschenmit unterschiedlicher Kultur, Herkunftund sozialem Hintergrund. Bei derZusammensetzung von Teams unddurch MentorInnen in der Ein-führungszeit wird ihnen geholfen,einen guten Platz im Betrieb zu fin-den. Integration wird durch Vermitt-lung von Sprachkursen und Förde-rung der Kontakte innerhalb derTeams gefördert. Für MitarbeiterIn-nen, deren Leistungsmöglichkeitdurch einen Schicksalsschlag einge-schränkt wurde, wird nach einemalternativen Einsatz innerhalb desBetriebes gesucht.

GesundheitsförderungWeiters wird durch Branchen-unübli-che Leistungen auf das Wohlbefin-den und die Gesundheit geachtet:Definierte Anzahl von kostenlosenSpeisen und Getränken, Finanzierungvon geeigneter Arbeitskleidung,Gesundheitsförderung (wie Impfun-gen oder Betriebsarzt) kosten demUnternehmen monatlich über 200Euro pro Mitar-beiterIn. Klare Spielregeln sorgen füreinen optimalen Dienst- undUrlaubsplan für möglichst alle Mitar-beiterInnen.

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Du bist als katholischer Priester schon 25 Jahr e im österrei-chischen Bundesvorstand der ACUS. Warum ist Dir das sowichtig?

ACUS heißt „Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozial-demokratie“. Die ACUS ist eine Teilorganisation der SPÖ.Ihre Mitglieder sind religiöse SozialdemokratInnen, die sichaus einer christlichen Motivation heraus in der Politikengagieren.

Was ist die Aufgabe der ACUS?

Es ging vorerst vor allem darum, Barrieren zwischen Kircheund Sozialdemokratie abzubauen. Dieser Versöhnungspro-zess ist teilweise schon gelungen, aber sicher noch nichtganz. Kardinal König war ein Pionier in diesem Versöh-nungsprozess; der große Sozialdemokrat Bruno Kreiskywar zu seiner Zeit als Bundeskanzler auch im Gespräch mitdem damaligen Direktor der Katholischen Sozialakademie,P. Herwig Büchele SJ. Kreisky brachte damit zum Aus-druck, dass er überzeugt war, dass die Grundwerte derKatholischen Soziallehre (KSL) und die Grundwerte derSozialdemokratie sehr nah beieinander liegen. Wenn ichals Betriebsseelsorger bei sozialdemokratischen Gewerk-schafterInnen über die Grundwerte der KSL r eferiere, dannwird diese Botschaft immer mit voller Zustimmung ange-nommen. Besonders jene entscheidende Aussage, die inden Sozialenzykliken der letzten Päpste immer wieder-kehrt, wonach die Arbeit immer Vorrang vor dem Kapitalhaben soll, findet großen Anklang. Wenn diese Aussageverwirklicht wird, dann würde das unsere Gesellschaft undWirtschaft revolutionieren. Auch die Forderung von PapstPaul VI., dass das Gemeinwohl immer Vorrang haben sollvor dem Privateigentum, findet in sozialdemokratischenKreisen großen Anklang.

Zeigt sich das auch in der Politik der SPÖ?

Auch die Sozialdemokratie muss sich immer wieder neubekehren zu ihren eigenen sozialdemokratischen Grund-

sätzen und Werten. Die Werte der Sozialdemokratie unddie Werte der KSL liegen sehr nahe beieinander. Bei allenSchwächen der SPÖ bin ich auch überzeugt, dass die sozi-aldemokratische Politik den Grundforderungen der KSLnäher kommt als die Politik der sogenannten r echten Par-teien in Österreich.

Was würdest Du Dir wünschen?

Es ist wichtig, der Wirtschaft und Gesellschaft Regeln zugeben, die Strukturen für eine menschlichere und gerech-tere Welt schaffen. Diese Regeln gibt uns nach meinerÜberzeugung die KSL. Wenn ich dann die Frage stelle,welche Instrumentarien wir haben, diesen sozialen Regelnzum Durchbruch zu verhelfen, so bin ich überzeugt, dassdies vorrangig die Gewerkschaft und die Sozialdemokratiesind.

Wir danken für das Gespräch.

ACUS – Arbeitsgemeinschaft Christentum und SozialdemokratieInterview mit Franz Sieder

Franz Sieder ist Betriebs- und Krankenhausseelsorger inAmstetten sowie Mitglied des Bundesvorstandes derArbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialdemokratie(ACUS)

Literaturhinweise:Katholische Sozialakademie Österreichs (Hg.): HerwigBüchele, Harry Hoefnagels, Bruno Kreisky, Kirche unddemokratischer Sozialismus, Wien-München-Zürich(Europaverlag) 1978.

Gerhard Steger, Christentum und Sozialismus. Histori-sche Konflikte mit Differenzierungen, in: EmmerichTálos, Alois Riedlsperger (Hg.): Zeit-gerecht. 100 Jahrekatholische Soziallehre, Steyr (Museum IndustrielleArbeitswelt) 1991, S. 130-135.

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Orte

Die Grünen, als junge, aus der Zivilgesellschaft gewachse-ne Partei, sind keine geschlossene Weltanschauungspartei,sondern eine offene Bewegungs- und Dialogpartei. DerZusammenhalt entsteht durch die gemeinsame Verantwor-tung für eine „gute“ Zukunft für alle in unser er Gesell-schaft und nicht durch eine vermeintlich gemeinsameideologische Tradition. Die Katholische Soziallehre (KSL)per se kann daher kein systematischer Bestandteil grünerProgrammatik sein. Es gibt aber viele Menschen, die sichauf deren Grundlage bei den Grünen engagieren, und einBlick auf die Prinzipien der KSL zeigt eine Reihe aktuellerSchnittmengen:* Das Gemeinwohlprinzip ist ein wichtiger Kontrapunkt

zur lobbygetriebenen Politik vieler Regierungen. * Das Personalitätsprinzip zielt auf die unverletzliche

Würde jedes Menschen und fordert Politik, genau dortgegenzusteuern, wo gesellschaftliche oder wirtschaftli-che Prozesse zu Benachteiligung, Ausgrenzung undUnterdrückung von Menschen führen.

* Was die Solidarität angeht, gibt es für Populisten die

„schlechte Nachricht“ vom barmherzigen Samariter:Wir können uns „den Nächsten“ nicht aussuchen.Nächstenliebe ist keine politische casting-show unterZuhilfenahme von Meinungsumfragen, sondern unmit-telbare Verantwortung.

* In der Subsidiarität liegt aus grüner Sicht mehr Kraft derBasisdemokratie, der Partizipation und der politischenMitverantwortung als die fatale Privatisierung von Ver-antwortung, wie konservative und neoliberale Fans die-ses Begriffs gerne glauben machen.

Bliebe gerade aus Sicht eines engagierten Katholiken nochdie Herausforderung, dass die Kirche als Urheberin derKSL den Glaubwürdigkeitstest in der eigenen Organisationirgendwann selbst antritt und besteht.

Die Grünen –Revolutionäre Soziallehre und Grüne Basisdemokratie

ÖAAB – Österreichischer Arbeiter und Angestellten Bund:Prinzipien stets neu ausloten

Im ÖAAB ist die Katholische Soziallehre für die program-matische und die praktische Arbeit eine Quelle der Inspira-tion und ein Maßstab für die Beurteilung politischer Kon-zepte und Maßnahmen.

Die Prinzipien der Personalität, der Solidarität und derSubsidiarität sind nicht nur von einer bemerkenswertenzeitlosen Aktualität, sondern im politischen Alltag auchbeinahe täglich Anfechtungen ausgesetzt. Und sie müssenangesichts neuer Entwicklungen stets neu ausgelotet wer-den.

Zu derartigen neuen Entwicklungen zählen moderne Mög-lichkeiten der Biotechnologie ebenso wie r elativistischeund „westlich“-konsumistische Tendenzen. Auch eine Art„neue Staatsgläubigkeit“, die mit einem Verlust von Frei-heit und Verantwortung einher geht, ist kritisch zu reflek-

tieren. Besonders globale demokratie- und umweltpoliti-sche Herausforderungen zeigen, dass das Prinzip der Sub-sidiarität auch verlangt, manche Lösungsmechanismen aufhöhere Ebenen zu verlagern. Im Bereich der „Politikpoli-tik“ gilt es, die Chancen zur Partizipation für alle Bür gerIn-nen zu verbreitern und zu vertiefen. Außerdem ist diestärkere Verankerung ethischer Maßstäbe für die politischeArbeit dringend und wichtig.

In diesem Sinne bringt sich der ÖAAB auch in die Erarbei-tung eines neuen Grundsatzprogramms für die ÖVP ein,das im Jahr 2012 verabschiedet werden soll.

LAbg. Mag. Lukas Mandl ist Generalsekretär des Arbei-ter und Angestellten Bundes ÖAAB in der ÖVP.

Mag. Stefan Wallner, Politikwissenschaftler und Histori-ker, ist Bundesgeschäftsführer der Grünen.

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10 Jahre Allianz für denfreien Sonntag Österreich

2001 wurde die bundesweite Allianz fürden freien Sonntag Österreich gegrün-det. Gab es zu Beginn 15 Mitgliedsorga-nisationen, so ist diese Zahl in den ers-ten zehn Jahren auf über 50 angestie-gen. Heute gehören der Allianz Kirchen,Gewerkschaften sowie Organisationenaus Wirtschaft und Zivilgesellschaft an.Die Sonntags-Allianz ver-eint so unterschiedlicheInstitutionen und Bewe-gungen wie ATTAC, alpi-ne Vereine, den Österrei-chischen Gewerkschafts-bund, die christlichen Kir-chen, das Wirtschaftsfo-rum der Führungskräfte,die Plattform für Alleiner-ziehende oder neuer-dings den EuropäischenKartellverband christlicherStudentenverbände.

Die gemeinsamen Zielesind- der Einsatz für den

Schutz des freien Sonntags vorschleichender Aushöhlung durchPolitik und Wirtschaft

- die Förderung von Zeitwohlstandund Lebensqualität

- die Schaffung öffentlichen Bewusst-seins für die Bedeutung des Wertesgemeinsamer freier Zeiten im Gegen-satz zu rein individualisierten Zeiten

- dem Trend entgegenzuwirken, dass alle Lebenszeit zu Arbeits- undKonsumzeit wird.

Nach dem österreichischen Vorbildwurden Sonntags-Allianzen in Deutsch-land (2006), Polen (2008) und in der

Slowakei (2009) gegründet. Mittler -weile gibt es in Europa 10 nationaleAllianzen bzw. Initiativen für den freien Sonntag. Für Juni 2011 ist dieGründung einer Europäischen Allianzfür den freien Sonntag vorgesehen. Die Österreichische Sonntags-Allianzwird Gründungsmitglied sein.

Übliche (historische) Grenzziehungen(ArbeitnehmerInnen, Kirchen) über-schreitend, unterschiedliche sozialeMilieus (soziale Bewegungen, Kirchen,Gewerkschaften) und divergierendeInteressenlagen (Arbeit und Wirtschaft)verbindend, gelingt es der Allianz fürden freien Sonntag, öffentlichkeitswirk-sam ein gemeinsames Anliegen zuunterstreichen: die Bedeutung desarbeitsfreien Sonntags. Der neolibera-len Vorstellung vom vereinzelten Individuum (das den eigenen Nutzenzu maximieren trachtet) setzt die Allianz ihre Vision einer an Gemein-wohl und Solidarität orientierten

Eine breite – die üblichen (politischen) Grenzen überschreitende – Allianz setzt sich für den arbeits -freien Sonntag ein und damit für gemeinsame freie Zeiten, Zeitwohlstand und Lebensqualität. Sie istein Beispiel dafür, wie das Gemeinwohl – ein Prinzip der Katholische Soziallehre – in der Praxis mitge-staltet werden kann.

Gesellschaft und Ökonomie entgegen.In ihr gibt es gemeinsame, sozialeZeiten, die dem Individuum wie demgesellschaftlichen Zusammenhaltdienen. Der freie Sonntag ermöglichtdem/r Einzelnen und der GesellschaftMuße und Erholung, Begegnung,Familie und Gemeinschaft, Besinnung,

Gottesdienst, Feiern sowie viel-fältiges Engagement außerhalbvon Erwerbsarbeit und Konsum(Gründungserklärung).

Die Allianz für den freien Sonn-tag ist Beispiel dafür, wie durchkooperatives, solidarisches Ver-halten von Menschen undOrganisationen eine am Ge-meinwohl orientierte gesell-schaftliche Lösung bekräftigtund geschützt werden kann –gerade auch in Zeiten, in denennach wie vor „individuelleLösungen“ Konjunktur haben.Die (schleichenden) Aushöh-lungsversuche des freien Sonn-

tags werden weitergehen – die Allianzfür den freien Sonntag wird weiterhingefragt sein, wenn es darum geht,Zeitwohlstand und Lebensqualität für möglichst viele Menschen zu garantieren.

www.freiersonntag.at

Autor:Markus Blümel, ÖffentlichkeitsarbeitAllianz für den freien Sonntag Öster-reich

Konferenz „Schutz des arbeitsfreien Sonntags“, 24.3.2010 imEuropäischen Parlament, Brüssel

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Ausblick

Soziallehre – in Bewegung 33

Das Zusammentreffen des Gedenkensvon 120 Jahren Katholische Soziallehre(KSL), von 60 Jahren KatholischeArbeitnehmer/innen Bewegung Öster-reichs (KABÖ) und 25 Jahren PapstLeo Stiftung Horn/NÖ ist nicht nurein äußerer Anlass für eine gemein -same Feier, es verweist vielmehr aufden inneren Zusammenhang vonSoziallehre und Sozialbewegung.

Soziallehre entsteht aus der Sozialbewegung

Wie gerade am ersten päpstlichenSozialrundschreiben Rerum novarumdeutlich wird, verdankt sich die Aus-formulierung der Sozialen Botschaftder Kirche als Soziallehre der Sozial-bewegung.

Am Beginn standen die später als„Sozialreformer“ bezeichneten Per-sönlichkeiten; betroffen von der Lageder Arbeiterschaft im Kontext derIndustriellen Revolution suchten siefür diese gesellschaftliche Not zusensibilisieren. Nach und nach undkeineswegs ohne Konflikte führtenihre Stellungnahmen und Eingabenzu jenem Erwachen des Problembe-wusstseins, das schließlich in der Ver-öffentlichung des päpstlichen Rund-schreibens seinen Ausdruck fand.

Auf ähnliche Weise verdankte sich –100 Jahre später – die Anregung zueinem Sozialhirtenbrief der österrei-chischen Bischöfe 1990 den Eingabenaus den Reihen der KAB, die ange-sichts der steigenden Arbeitslosigkeitzu Mitte der Achtzigerjahre des ver-gangenen Jahrhunderts für eine deut-liche Stellungnahme der Bischöfe zudiesem gesellschaftlichen Problemeintraten. Nicht anders war es auchmit dem Projekt des Sozialwortes desÖkumenischen Rates der Kirchen inÖsterreich 2003, das durch Eingaben

von Arbeitsgruppen des „Dialogs fürÖsterreich“ 1998 angeregt wurde. Soziallehre als Stellungnahmen derKirche zu sozialen Problemen bedarfsomit der Initiative einzelner wie vonGruppen, die nach und nach - zueiner Bewegung geworden - für diejeweiligen Probleme sensibilisierenund in einem entsprechenden Prozessdes Gespräches schließlich eine offi-zielle Stellungnahme der Kirchen -leitung „provozieren“ – ein Prozess,der als soziale Gewissensbildungverstanden werden kann.

Soziallehre wird weiterentwi-ckelt durch Sozialbewegung

Auch die Weiterentwicklung und Ent-faltung der KSL verdankt sich ent-scheidend den verschiedenen Sozial-bewegungen, die im Laufe derGeschichte immer wieder neue sozialeProblemlagen thematisierten.

Galt das erste SozialrundschreibenRerum novarum zentral der Frage derLage der Arbeiterschaft, wie sie mitder Industrialisierung entstanden war,so wandelte sich diese Problematikund damit auch die sozialen Bewe-gungen, die sie thematisierten. Sospricht das jüngste Sozialrundschrei-ben Caritas in veritate (2009) u.a.vom Anliegen menschenwürdigerArbeit, ein Konzept, das in derGewerkschaftsbewegung entwickelt,und in den letzten Jahren vor allemvon der Internationalen Arbeits -organisation (ILO) vertreten wird.

Unter dem Einfluss von Sozialbewe-gungen kam es so zu einer themati-schen Entfaltung der KSL . Die Aus-weitung der Sozialen Frage auf dieFrage weltweiter Gerechtigkeit istohne die Unabhängigkeitsbewegun-gen in den so genannten Entwick-lungsländern seit Beginn der Sechzi-

Soziallehre braucht Bewegung

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DossierAusblick

gerjahre des vergangenen Jahrhun-derts nicht denkbar. In diesem Kon-text thematisiert das Sozialrund-schreiben Populorum progressio(1967) die Frage des Fortschritts derVölker. Zwanzig Jahre später wirdSollicitudo rei socialis (1987) dieFrage aufwerfen, was unter men-schengerechter Entwicklung zu ver-stehen sei – in den Entwicklungs- wieauch den industrialisierten Ländern;inzwischen warf weltweit das Fort-schrittsmodell längst die tiefen Schat-ten der Umweltkrise, eine Problema-tik, die von der Umweltbewegungartikulierte wurde und seit Sollicitu-do rei socialis in den Dokumentender KSL immer wieder angesprochenwird.

Die Entfaltung der KSL ist somit alseine permanente Auseinanderset-zung zwischen den von Sozialbewe-gungen artikulierten Problemlagenund ihrer sozialtheologischen und -ethischen Reflexion zu verstehen,als ein Gesprächsprozess, in demkirchliche Amtsträger zusammen mitExpertInnen und VertreterInnen vonSozialbewegungen für eine zeitge-mäße soziale Gewissenbildung Ver-antwortung wahrnehmen.

Soziallehre braucht auch inZukunft Sozialbewegung

Nicht nur zum Bewusstmachengesellschaftlicher Problemlagen undzu ihrer zeitgerechten Fortschreibungbraucht die KSL auch in ZukunftSozialbewegungen. EntscheidendeBedeutung wird ihnen zukommen inder Konkretisierung der Anliegen derKSL: soziale Initiativen als Beiträgezu einer verantwortlichen Mitgestal-tung der gesellschaftlichen Verhält-nisse.

Als die großen Herausforderungenzeichnen sich dabei der Klimawandelwie die Neugestaltung der Weltöko-nomie ab, wobei ökologische undökonomische Fragen in ihrer Ver-

flechtung mit sozialen Problemen zusehen sind – zusammengenommenals Frage einer nachhaltigen Entwick-lung und der Zukunftsfähigkeit derMenschheit. Die jüngsten Katastro-phen in Japan zeigen diese Heraus-forderung auf dramatische Weise.

Entscheidend für die Glaubwürdigkeitvon Stellungnahmen der KSL wirddabei die Frage sein, wie weit dieseAnliegen von der Kirche selbst aufge-griffen und umgesetzt werden, wieweit sie als Selbstverpflichtungen derKirche verstanden und gelebt wer-den. In diesem Sinn formulierte das„Ökumenische Sozialwort“ zu denverschiedenen Problemfeldern „Auf-gaben für die Kirche“, wobei die Ini-tiativen jährlich evaluiert und aufPressekonferenzen öffentlich Rechen-schaft über die Umsetzung abgelegtwurde.

In diesem Heft werden in der Rubrik„Orte“ exemplarische Initiativenpräsentiert: aus der kirchlichenJugendarbeit und den Schulen, aberauch aus Wirtschaftsbetrieben, indenen sich einzelne wie z.B. auchOrdensgemeinschaften für eineUmsetzung von Anliegen der KSLengagieren.

Wie Impulse der KSL in den Ber eichder Politik hineinwirken, zeigenRückmeldungen auf diese Frage vonVertretern politischer Parteien bzw.ihrer Teilorganisationen. Am Beispielder „Allianz für den freien Sonntag“wird deutlich, dass die Umsetzungder KSL auch neue Formen derBeteiligung an der Auseinanderset-zung um die Gestaltung des gesell-schaftlichen Lebens in den Blick neh-men muss. Dabei wird vor allemzivilgesellschaftlichem Engagement insozialen Projekten und der Beteili-gung an neuen sozialen Bewegungenbesondere Bedeutung zukommen.

Schließlich wird für Weiterentwick-lung wie Umsetzung der KSL in

Zukunft immer auf die Dimensionder Ökumene und den interreligiö-sen Dialog bzw. die interkonfessio-nelle Zusammenarbeit zu achtensein: in vielen gemeinsamen Initiati-ven verbunden werden sich die ver-schiedenen christlichen Kirchen wiedie Religionen gemeinsam beteiligenmüssen an den Auseinandersetzun-gen um die Frage der Zukunft derEinen Welt.

Wenn darum zusammen mit 120Jahren KSL und 60 Jahren KABÖauch 25 Jahre Papst Leo-Stiftunggefeiert werden, so kommt in denfür ihre inhaltlichen Beiträge undkonkreten Initiativen ausgezeichne-ten Preisträgern zum Ausdruck, dassKSL permanent weiterzuentwickelnist und dabei der Umsetzung in diePraxis durch konkrete soziale Initiati-ven bedarf. An ihnen entscheidetsich in Zukunft ihre Glaubwürdigkeitund Wirksamkeit.

AR

Hinweis für die Weiterarbeit:

www.sozialkompendium.org

Die Website der ksoe zur Soziallehre

- erschließt das Kompendium derSoziallehre der Kirche

- ermöglicht eine Einführung in dieKatholische Soziallehre

- bietet ökumenische Dokumentezu sozialen Fragen

- bringt Stimmen anderer Religio-nen über ihre soziale Praxis

- regt zu sozialen Initiativen undpraktischer Umsetzung an.

Für das Arbeitsjahr 2011/12 ist aufwww.sozialkompendium.org eininteraktives Lernprogramm zurKatholischen Soziallehre in Vor -bereitung.Kontakt: [email protected]

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(vergriffen, nur mehr in Kopie erhältlich) Euro 3,00__Stk. 09/2002 Das Recht, Mensch zu sein Euro 3,00__Stk. 06/2002 busyness as usual? – Lebensqualität und Zeitwohlstand! Euro 3,00__Stk. 03/2002 Wa(h)re Bildung – Ökonomisierung von Bildung Euro 3,00__Stk. 10/2001 Zusammen-Leben – Soziale Integration Euro 3,00__Stk. 06/2001 Soziale (Un)Sicherheit. – Kontinuität und Veränderung im Sozialstaat Euro 3,00__Stk. 03/2001 Zuviel zivil? Kirchen in der Zivilgesellschaft. Euro 3,00__Stk. 11/2000 Zeit/Gewinn. – Last und Lust der Flexibilisierung Euro 3,00__Stk. 09/2000 Leben am Rande. – Soziale Ausgrenzung ... Welche Integration? Euro 3,00__Stk. 05/2000 Wi(e)derstand. Politische Bildung jetzt. (vergriffen, nur mehr in Kopie erhältlich) Euro 3,00

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P.b.b. Verlagspostamt 1010 Wien / Zul.Nr. 02Z033537M Erscheinungsort: Wien / DVR. 0029874(033)

Themenfelderksoe Gesellschaftspolitik

Arbeit, Migration/Integration,Soziallehre, Wirtschaftsethik u.a.m.

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Pfarrgemeinderats-Wahlen 2012

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Informationen bei P. Riedlsperger SJTel.: 01-310 51 59

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