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Training in Kienbaum, WM-Gold in Minsk Sechs Monate lang, zwischen September und Februar, war die Erfurterin Kristina Vogel in Kienbaum, um sich auf die Abschlussprüfung zur Polizeimeisterin vorzubereiten. In dieser Zeit trainierte sie auch eifrig mit Jörg-Uwe Krünägel. Der Erfolg stellte sich dann in Minsk ein, wo sie Weltmeisterin im Teamsprint mit ihrer Partnerin Miriam Welte wurde und außerdem noch Silber im Einzelsprint errang. (Mehr auf Seite 22) APRIL 2013 32. Ausgabe JOU RNAL

13-27381 Ausgabe 32 · Der Erfolg stellte sich ... auf die Olympischen Spiele in Lon-don absolviert. ... Und im übrigen gab es in einigen Disziplinen auch recht

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Training in Kienbaum, WM-Gold in MinskSechs Monate lang, zwischen September und Februar, war die Erfurterin Kristina Vogelin Kienbaum, um sich auf die Abschlussprüfung zur Polizeimeisterin vorzubereiten. In dieser Zeit trainierte sie auch eifrig mit Jörg-Uwe Krünägel. Der Erfolg stellte sichdann in Minsk ein, wo sie Weltmeisterin im Teamsprint mit ihrer Partnerin MiriamWelte wurde und außerdem noch Silber im Einzelsprint errang. (Mehr auf Seite 22)

APRIL 2013 32. Ausgabe

J O U R N A L

KIENBAUM-JOURNAL April 20132

Von Dr. Hans-Georg Moldenhauer,Vorsitzender des Trägervereins

Bundesleistungszentrum Kienbaum

Für mich gehen in den kommen-den Wochen zwei wundervolle,arbeits- und erlebnisreiche Jahrzehn-te Kienbaum zu Ende - mit viel Weh-mut im Herzen, denn diese so herr-liche Anlage war für mich zu einemStück Lebensinhalt geworden. Meinerster Aufenthalt hier war als jungerSportler mit der DDR-Junioren-Fuß-ballauswahl 1960. Deshalb kann ichden Wandel dieses Bundesleistungs-zentrums sehr gut nachvollziehen.

Wie ich schon angekündigt habe,werde ich mich auf der Mitgliederver-sammlung des BLZ am 23. Juli einererneuten Kandidatur als Vorsitzenderdes Trägervereins nicht mehr stellen.Nicht etwa aus Verdruss oder garAmtsmüdigkeit, sondern aus privatenund Altersgründen. Schließlich binich jetzt 71 Jahre und der Meinung,dass die Verantwortung in jüngereHände gelegt werden sollte.

Beim Länderspiel Deutschlandgegen Kasachstan in Nürnberg habeich mich darüber mit dem DOSB-Prä-sidenten Dr. Thomas Bach und Gene-raldirektor Michael Vesper unterhal-ten. Beide haben des öfteren vonmir umfassende Informationen zumStand der Arbeit des Trägervereinsund der hervorragenden Entwicklungdes BLZ Kienbaum erhalten. Beidewaren auch selbst schon in Kien-baum zu Gast.

Besonders hervorzuheben ist, dassdie Mitglieder des Trägervereinsdurch ihre ehrenamtliche Mitarbeit inder Führung und die außerordentlichkompetente und fachlich kritische

Zusammenarbeit mit den Hauptamt-lichen ihrer Verbände dieses Ergebnismöglich machten! Ich habe in mei-ner langjährigen Tätigkeit selten eineso enge Verzahnung in der Zusam-menarbeit zwischen Verbänden, Trä-gerverein, Landessportbünden, Olym-piastützpunkten, DOSB, FES, IAT,Kommune und Land erlebt.

Dies alles wurde aber nur möglich,weil die Bundesregierung insgesamtund insbesondere das BMI, derSportausschuss des Deutschen Bun-destages sowie alle Parteien die Vorhaben im BLZ in hervorragenderWeise unterstützten, kritische undfachkompetente Ratgeber sowiewichtigste Förderer waren.

So entstand ein Leistungszen-trum, das hervorragende Bedingun-gen für die Vorbereitung unsererAthletinnen und Athleten auf großeinternationale Wettkämpfe geschaf-fen hat. Das BLZ Kienbaum hateinen hohen nationalen und interna-tionalen Standard erreicht. Sicherlichwird es in nächster Zeit noch somanche Anregung geben, wie nun inKienbaum weiter verfahren werdensoll. Ich bin sicher, dass eine guteLösung unter Beibehaltung des Prin-zips einer ehrenamtlichen Führung

und hauptamtlichen Mitarbeit ge-funden wird.

Wir waren uns alle darüber im kla-ren, dass dieses Bundesleistungszen-trum mit seinen engagierten Mitar-beitern in erster Linie dazu da war,Dienstleister für die Sportlerinnenund Sportler zu sein. Deshalb möch-te ich mich an dieser Stelle herzlichbei allen Beteiligten für die geleiste-te Arbeit bedanken.

Die größten Bauvorhaben in Kien-baum sind realisiert. In den vergange-nen Jahren wuchs die Anlage am Lie-benberger See, die einst die Kader-schmiede der DDR war, zu einemmodernen Bundesleistungszentrumheran, wobei von den alten Gebäudenund Unterkünften so gut wie nichtsmehr existiert. Die BundeskanzlerinAngela Merkel und der Bundesinnen-minister Hans-Peter Friedrich, die unsin jüngster Zeit besuchten, warenüberrascht und sehr angetan von dem,was hier nach der Wende an Neuemgeschaffen wurde. Deshalb erhielt dasBLZ und die hier tätigen Mitarbeiter zuRecht die hohe Auszeichnung "Stand-ort der gelebten deutschen Einheit"aus den Händen der Bundeskanzlerin.

Dass die Sportlerinnen und Sport-ler gern kommen, lässt sich an denBelegungszahlen ablesen. Ein Groß-teil der deutschen Olympiamann-schaft hat beispielsweise hier imletzten Jahr seine Vorbereitungenauf die Olympischen Spiele in Lon-don absolviert. Leichtathleten, Tur-ner, Kanuten und Behindertensport-ler sind sozusagen Stammgäste undschätzen die besondere Atmosphäre,denn neben dem knallharten Trainingmüssen auch Augenblicke der Ent-spannung und Regeneration vorhan-

den sein. Und da hat Kienbaum, wiemir immer wieder versichert wird, mitseiner Abgeschiedenheit unschätz-bare Vorteile, aber auch in seinerNähe zu Berlin.

Zu den Höhepunkten eines jedenJahres gehört unser traditionellesSommerfest, das auch diesmal mitder Mitgliederversammlung des Trä-gervereins zusammenfällt. Bei mei-nem Treffen in Nürnberg habe ich Dr. Thomas Bach und Michael Vesperzu diesem Termin eingeladen. Beidehaben spontan zugesagt.

Auch diesmal wollen wir den imvergangenen Jahr geschaffenenKienbaum-Award wieder einer Sport-lerpersönlichkeit zukommen lassen,die sich besonders als Vorbild hervor-getan hat. Bei der Premiere konntenwir damit die Hammerwerferin BettyHeidler ehren, die dann später inLondon einmal mehr ihre mensch-liche Größe unterstrich, als sie inruhiger Art und Weise die Kampfrich-ter darauf aufmerksam machte, dassdiese sich bei der Weitenmessungihres Versuchs geirrt haben müssen.Ich würde mich sehr freuen, wennThomas Bach diesen Award persön-lich übergeben könnte.

Sicherlich werde ich auch künftignicht untätig sein und hoffe, weiterhin dem BLZ mit Rat und Tatzur Seite stehen zu dürfen. Zu allerletzt möchte ich mich bei unse-rem verdienstvollen Ehrenpräsiden-ten Manfred von Richthofen undunseren Ehrenmitgliedern für ihregeleistete Arbeit und das mir entge-gengebrachte Vertrauen herzlichbedanken und dem BLZ Kienbaumweiterhin eine gute Entwicklungwünschen.

Editorial

Es war eine schöne, aufregende Zeit

Dr. Hans-Georg Moldenhauer

INHALT

Mehr Geld von der Wirtschaft Seite 3Kongress “Pädagogische Offensive” Seite 4Digel: Leichtathletischer Alltag Seite 5

Diskuswerfen bei null Grad Seite 7Deutsche 100-km-Meisterschaft Seite 8Gonschinska: Schon 2016 im Blick Seite 9Probleme mit der Ganztagsschule Seite 10Die neue Turnhalle wird ein Traum Seite 11Ein Jahr der Herausforderungen Seite 12/13Ultsch: Neuaufbau im Judo Seite 14

Das Training der Volleyballer Seite 15Kahl: Konzentration auf Kanu-Heim-WM Seite 17Bahnradsport: Nicht übel, Herr Uibel Seite 18Die Besten am besten fördern Seite 19Drei Titel für Jutta Trapp Seite 21Kristina Vogel - ein Energiebündel Seite 22Beamtenurkunde für Polizisten Seite 23

KIENBAUM-JOURNAL April 2013 3

Unser Anspruch ist nach wie vor,zu den besten Nationen in der Weltzu zählen. Das sagte die DOSB-Vize-präsidentin für den LeistungssportDr. Christa Thiel, die seit 2000 auchdem Deutschen Schwimmverbandvorsteht, in einem Interview mit dem"Kienbaum-Journal" und fordert zu-gleich mehr Verantwortung von derWirtschaft.

Frage: Nach London ist verstärktUnmut von einigen Verbänden undAthleten an dem bisherigen Förde-rungssystem geäußert worden. Wiestellt sich für Sie die augenblicklicheSituation dar?

Thiel: "Eine Arbeitsgemeinschaftaus mehreren Spitzenverbänden hatsich konstituiert, die darüber befin-den soll, ob die derzeitige Leistungs-sportförderung noch angemessenoder zu ändern sei. Wir wollen einPositionspapier für künftige Be-schlussfassungen erstellen. In derAG, deren Sprecherin ich bin, sindder Tischtennis-Bund, der Kanu-,Hockey-, Volleyball-, natürlich derSchwimmverband vertreten, eben-falls der Deutsche Turner-Bund, dieDeutsche Reiterliche Vereinigungund vom Wintersport der Ski-, Bob-und Schlittensportverband."

Frage: Gibt es ganz konkrete Vor-stellungen?

Thiel: "Wir haben uns auf wichtigeParameter geeinigt. Unser Konzeptsieht vor, dass es bei einer Grund-und Projektförderung bleiben soll.Die Frage stellt sich allerdings, ob dieFinanzierung ausreicht. Die Verbändeverweisen darauf, dass sie mehr Geldbräuchten."

Frage: Ja, ist denn überhauptgenug Geld vorhanden?

Thiel: "Die Verbände sagen ganzklar nein, der DOSB ebenfalls. Uminternational mitzuhalten, müssenwir mehr Mittel zur Verfügung haben.Wenn diese nicht aus dem Bundes-haushalt kommen, dann gibt essicherlich noch andere Institutionen,die helfen könnten. Damit meine ichganz klar die Wirtschaft."

Frage: Wie kann überhaupt einegewisse Planungssicherheit in den

nächsten Jahren hergestellt werden?Thiel: "Mit dem Abschluss der

Zielvereinbarungen, die Ende Märzfestgezurrt werden sollen, erhaltendie Verbände durch die Bescheide desBMI eine gewisse Garantie, sowohl inbezug auf die Grundförderung alsauch auf projekt-bezogene Maßnah-men. Doch ich weiß, viele Verbändebenötigen zusätzliche Mittel."

Frage: Was halten Sie überhauptvon Zielvereinbarungen, die vor Lon-don lange Zeit unter Verschlussgehalten wurden?

Thiel: "Sie sind grundsätzlich einpositives Steuerungselement. Ichhabe dabei überhaupt keine Vorbe-halte. Die ganze Diskussion darumwar damals fatal. Seitens der Verbän-de existieren ja keine Traumvorstel-lungen, sondern es werden konkreteBedarfe angemeldet, die begründetsind. Doch ich möchte mich dabeinicht so sehr auf die Farbe derMedaillen festlegen, denn die Welt-spitze ist eng beieinander. Es mussuns nur gelingen, eine gewisse Trans-parenz zu vermitteln. Ich habe keineProbleme damit, wenn die getroffe-nen Vereinbarungen auch öffentlichgemacht werden."

Frage: Fast möchte man meinen,dass wir uns langsam davon verab-schieden, zu den besten Ländern derWelt zu zählen.

Thiel: "Unser Anspruch ist es nachwie vor, weiter zu den Top-Nationenzu gehören. Wir wollen das, unsereAthleten ebenfalls. In den Spiel-sportarten muss sich jedoch einigestun und der Nachwuchs stärker zum

Zuge kommen, vor allem in den Pro-filigen. Im Sommer ist es unser Ziel,unter den besten Fünf zu sein, imWinter unter den besten Drei. Beiden Biathleten, die diesmal bei derWM nicht wie erhofft abgeschnittenhaben, sehe ich durchaus Potenzial.Lieber eine verpatzte Generalprobe,als ein verpatzter Olympia-Auftritt inSotschi. Noch haben wir ja ein Jahrlang Zeit, um die Leistungen anzu-passen. Und im übrigen gab es ineinigen Disziplinen auch rechterfreuliche Ergebnisse."

Frage: Wie erreichen wir, dass dieTrainer mehr Anerkennung und einebessere Bezahllung erhalten?

Thiel: "Finanzstarke Verbändekönnen bei den Gehältern etwas bei-steuern, aber eben nicht alle. Wirversuchen schon, dass ordentlichbezahlt wird, wobei für mich Qualitätvor Quantität geht. Beim BMI sinddie entsprechenden Mittel bereits

beantragt. Genauso wichtig ist esaber, dass der Trainerberuf mehröffentliche Anerkennung erfährt, sei-ne Arbeit auch in der Presse entspre-chend gewürdigt wird. Hier handeltes sich um eine gesellschafts-politi-sche Aufgabe, die alle angeht, dennin den meisten Fällen handelt es sichum einen Sechs-Tage-Job. Manchmalsogar sieben. Der Trainer ist daswichtigste Pendant zum Athleten. Erhat entscheidenden Anteil an demErfolg. Ihm muss auch die Möglich-keit eröffnet werden, wenn er langegenug dabei war, dass er eine Alter-native im Sport geboten bekommt."

Frage: Die Deutsche Sporthilfe hatbeschlossen, keine WM- und EM-Prä-mien mehr zu zahlen. Ist das derrichtige Weg?

Thiel: "Eine Medaille bei einerEuropameisterschaft zu gewinnen,ist nicht signifikant für den Leis-tungsstand im Weltmaßstab. Das wareinmal anders. Grundsätzlich ist esso, dass die Sporthilfe den Nach-wuchs stärker unterstützt und vorallem auch die Athleten währendihrer Dualen Karriere besser begleitetDa könnten vor allem ein Teil unsererUniversitäten und Hochschulen deut-lich mehr leisten."

Frage: Welchen Stellenwert hatKienbaum für Sie?

Thiel: "Dieses Bundesleistungs-zentrum ist das bedeutendste desdeutschen Sports. Hier ist alles vor-handen, um Weltklasseleistungen zu produzieren. Die Trainingsstättensind in hervorragendem Zustand,Unterkunft, Verpflegung ebenfalls.”

Wir brauchen mehr Geld von der WirtschaftDr. Christa Thiel sieht Zielvorgaben als wichtiges Steuerungselement an

Jahr Gold Silber Bronze Gesamt Platz 1992 33 21 26 82 (3)1996 20 18 27 65 (3)2000 13 17 26 56 (5)2004 13 16 20 49 (6)2008 16 10 15 41 (5)2012 11 19 14 44 (6)

Olympia-Bilanz seit Sommer 1992

Dr. Christa Thiel

Jahr Gold Silber Bronze Gesamt Platz1992 10 10 6 26 (1)1994 9 7 8 24 (3)1998 12 9 8 29 (1)2002 12 16 8 36 (2)2004 11 12 6 29 (1)2008 10 13 7 30 (2)

Olympia-Bilanz seit Winter 1992

KIENBAUM-JOURNAL April 20134

Die große Ballspielhalle glicheinem modernen Sitzungssaal. Wonormalerweise heftig und kompro-misslos um Tore gekämpft wird,saßen Trainer und Übungsleiter ruhigan langen Tischen, hörten aufmerk-sam zu und machten sich eifrig Noti-zen. Beim DLV-Kongress "Pädagogi-sche Offensive" im Bundesleistungs-zentrum Kienbaum ging es indiversen Vorträgen, Vorführungenund Diskussionen darum, Mittel undWege für eine bessere Nachwuchsför-derung zu finden. Aufbruch zu neuenUfern, so hieß die Devise.

DLV-Präsident Dr. Clemens Prokoperklärte in seiner Begrüßungsrede:"Es kann nicht nur unser Ziel sein,Olympiasieger zu produzieren, son-dern viele junge Menschen für dieLeichtathletik zu begeistern, sie anunsere Sportart heranzuführen undauch zu Persönlichkeiten zu ent-wickeln. Diese Tagung ist dazu da,hilfreiche und zukunftsweisende An-regungen zu geben, um die großenHerausforderungen zu meistern."

Während Lehrwart Fred Eberle fasteuphorisch davon sprach, dass "dieLeichtathletik lebt und dass 2012 einSuperjahr für den deutschen Verbandgewesen sei", goss der Universitäts-professor und DLV-Ehrenpräsident Dr. Helmut Digel doch eine MengeWasser in den Wein, als er in seinemReferat "Leichtathletik auf dem Prüf-stand" zu der grundlegenden Er-kenntnis kam, dass bei dieser soschönen und vielseitigen Sportartleider ein rückläufiges Interesse undnachlassende Attraktivität zu regis-trieren sei. (Siehe auch Seite 5).

Sowohl Eberle als auch Prokopwaren sich schließlich darin einig,dass der Verband sich reformierenund modernisieren muss, dass neueKonzepte notwendig sind, um weiterhandlungsfähig zu bleiben. Waszugleich bedeutet, dass die Leicht-athletik gut ausgebildete Mitarbeiterbraucht, dass vor allem die Heraus-forderungen angenommen werden,

die verstärkt die Ganztagsschule mitsich bringt. Mut und Phantasie seiengefragt, um sich auf die verändertenRahmenbedingungen einzustellen.

Wie das geschehen kann, darüberwurde eifrig geredet, denn die Ver-antwortlichen des Kongresses hattenviele Fachleute eingeladen. DerSchweizer Sportwissenschaftler Prof.Arturo Hotz beschäftigte sich dabeimit dem spannenden Thema "DerTrainer - zuerst ein Pädagoge" und

stellte fest, dass es in erster Linieauf Kompetenzen, Engagement, Ehr-lichkeit und Glaubwürdigkeit an-kommt, aber auch auf den Dialogzwischen den Lehrenden und Lernen-den. Wobei dem Trainer die Aufgabezufällt, zu beobachten, zu beurtei-len, zu beraten, während für denAthleten gilt, etwas aufzunehmen,zu verarbeiten und umzusetzen.

Prof. Harald Lange referierte überdas "Lernfeld Individualsport",während Fred Eberle, Dominic Ullrichund Dr. Peter Wastl den Strukturwan-del in der Leichtathletik in den Mit-telpunkt ihrer Überlegungen stelltenund dabei die Bereiche Training,Wettkampf und Hochschulausbildungerörterten. Neben der Theorie durftenatürlich auch die Praxis nicht feh-len. So gab es mit Kinder- undJugendgruppen verschiedene De-monstrationen, die Themenfelder wie

variables Hürdentraining, vielseitigeStaffelausbildung sowie vom allge-meinen Sprungtraining zu Steige-sprüngen beinhalteten.

Dass auch die Politik die Wichtig-keit des Kongresses zu schätzen wusste,geht daraus hervor, dass Dagmar Freitag, die Sportausschuss-Vorsit-zende des Bundestages, es sich nicht

nehmen ließ, denrund 200 Teilneh-mern aus Vereinenund Verbänden einGrußwort zu über-mitteln, währenddie DOSB-Vizepräsi-dentin Prof. Dr.Gudrun Doll-Tepperzur gesellschaftspo-litischen Verantwor-tung des SportsStellung nahm.Auch eine ehemali-ge Top-Athletinmeldete sich zuWort, die Diskuswer-

ferin Franka Dietzsch, die darübersprach, was ihr der Leistungssportbedeutet.

Sie war aber nicht die einzige, diees früher einmal zu Topleistungengebracht hatte und dem Kongressbeiwohnte. Unter den Teilnehmernsah man auch ihren ehemaligen Kol-legen und heutigen BundestrainerJürgen Schult, den Stabhochsprin-ger Leszek Klima sowie den 400-m-Hürdenläufer Harald Schmid, dersich in einem Workshop zu seinemLieblingsthema "Suchtprävention,Kinder stark machen" äußerte. Inanderen Arbeitsgruppen ging es um"Facetten der Integration im Sport"(Peter Lauerbach), "Vorbeugunggegen sexuelle Gewalt" (SteffenMüller) und "Fairplay-Erziehung -Dopingprävention" (Fred Eberle).

"Wir kommen immer wieder gernnach Kienbaum", meinte Prokop vorseiner Abreise. "Das gilt nicht nurfür diesen Kongress, sonderngrundsätzlich, denn für uns handeltes sich um eine zentrale Anlaufsta-tion, wo unsere Athleten und Ath-letinnen alle technischen Möglich-keiten vorfinden, wo sie sich inRuhe und Abgeschiedenheit auf ihrTraining konzentrieren können undwo das gesamte Umfeld, ein-schließlich Unterbringung undEssen, auf hohem Niveau stimmt.Besser geht es nicht.”

Modernisierung heißt das ZauberwortDLV-Kongress "Pädagogische Offensive" brachte viele Anregungen zu dem Thema

Großes Interesse herrschte am DLV-Kongress in der großen Kienbaumer Spielsporthalle

Sportwissenschaftler Prof. Arturo Hotz

KIENBAUM-JOURNAL April 2013 5

Alle vier Jahre und zwar bei denOlympischen Sommerspielen stehtdie Leichtathletik im Mittelpunktder Weltöffentlichkeit, zieht diemeisten Zuschauer an, nimmt inder Presse, im Internet und Fernse-hen eine herausragende Stellungein. Doch das außergewöhnlicheInteresse beschränkt sich nur aufeinen kurzen Zeitraum. Schon baldnach der Schlussfeier herrschtleichtathletischer Alltag, der vierJahre lang dauert. Dabei ist derWettkampfkalender prall gefüllt mitWelt- und Europameisterschaften,

Weltcups, Mehrkampf-Meetings,Diamond League und anderen Top-Veranstaltungen.

Tatsache ist, dass die Gesell-schaft die Entwicklung des Hoch-leistungssports begünstigen, aberauch beeinträchtigen oder gar ver-hindern kann. Angesichts der gutenwirtschaftlichen Situation und derSozialstruktur in Deutschland undmit Blick auf ein differenziertes Bil-dungswesen, in dem Leibeserzie-hung nahezu zwei Jahrhundertelang eine besondere Tradition auf-weist, kann hierzulande eigentlichvon idealen Rahmenbedingungengesprochen werden.

Die Ressource Umwelt spieltebenfalls eine große Rolle. Der Bei-trag der Politik ist nach wie vorangemessen. Die Leichtathletik wird

in ausreichendem Umfang durch denSteuerzahler subventioniert. Ange-sichts des Wachstums des Sports undder damit verbundenen Verteilungs-kämpfe ist jedoch eine vermehrteUnterstützung für die Leichtathletiknicht zu erwarten. Gleiches gilt fürdie Wirtschaft als Kooperationspart-ner. Neue Sponsoren zu finden, dürf-te schwierig werden.

Die Unterstützung durch das Bil-dungs- und Erziehungssystem, vorallem durch die Wissenschaft,scheint verbesserungsbedürftig zusein. Unwidersprochen ist, dass anden Universitäten die Ausbildung inder Leichtathletik zugunsten andererSportarten geringer wird. Besondersproblematisch stellt sich aber dieLage in den Massenmedien dar, woein Rückgang in der Berichterstat-tung über die Leichtathletik nichtvon der Hand zu weisen ist, was vorallem für die lokale und regionaleEbene gilt.

Für einen Athleten wiederumstellt sich die Frage, ob es überhauptgenügend Startmöglichkeiten gibt.In den Ballspielsportarten ist dasjede Woche der Fall, in der Leicht-athletik hingegen nicht. Besondersbetroffen sind zudem einige tech-nische Disziplinen wie etwa das Hammer- und Speerwerfen, die imGegensatz zu den Läufen nur seltenauf dem Programm stehen.

Ein weiteres Thema, das an-gepackt werden muss, sind die Ganz-tagsschulen. Kooperationen miteinem Verein sind durchaus sinnvoll,denn hier kann die pädagogischeOffensive einsetzen. Auch die Grün-dung von Schulsportclubs darf keinTabu mehr sein.

Ich bin jedoch zuversichtlich,dass sich Lösungen der vorhandenenMängeln finden lassen. Doch dasverlangt Veränderungen in denStrukturen und des Personals inner-halb des Verbandes.

Noch eine weitere Würdigung fürBetty Heidler. Die Hammerwerferinvon der LG Frankfurt, die beim letz-ten Sommerfest am LiebenbergerSee den erstmals vergebenen Kien-baum-Award erhielt, wurde vom Ver-band Deutscher Sportjournalistenfür ihr vorbildliches Auftreten beiden Spielen in London mit der Fair-Play-Trophäe ausgezeichnet.

Was war an jenem dramatischenAugusttag in der englischen Haupt-stadt geschehen? Eine unmöglicheSituation im Zeitalter von hochtech-nisierter Kommunikation. Die gebür-tige Berlinerin schleuderte im fünf-ten Versuch das Gerät auf 77,12 m.Doch im Computer und auf derAnzeigetafel erschienen nur 72,34 m,eine Weite, die Minuten zuvor eineandere Konkurrentin erreicht hatte.Der Traum von einer Medaille schiendahin, wenn es bei diesem Ergebnisgeblieben wäre.

Betty Heidler protestierte völligunaufgeregt, obwohl es in ihr gewal-tig brodelte - zunächst ohne Erfolg.Sie nahm später sogar die Kampf-richter in Schutz und meinte "diewaren alle total nett zu mir undtaten mir auch ganz doll leid." Dochirgendwann griff die Einsicht umsich, dass man der Weltrekordleringroßes Unrecht getan hatte und bil-ligte ihr die ehrlich erkämpfte Bron-zemedaille zu.

Die Fecht-Olympiasiegerin vonPeking Britta Heidemann, die inLondon ebenfalls wegen einesKampfrichterfehlers enorme Geduldaufbringen musste, hielt anlässlichder Preis-Verleihung in Mainz dieLaudatio auf Betty Heidler underklärte: "Ruhe bewahren undfreundlich bleiben. Das ist gar nichtso einfach, wenn man gerade einenmedaillenweiten Wurf hinter sichhat, sich über eine richtig gute Weite freut und dann feststellt, dassdiese nicht gewertet wurde. Wennman weiß, dass normalerweise eintechnischer Messfehler vorlag.

Du hast mit Besonnenheit deineArgumente ins Feld geführt undsomit die Kampfrichter dazugebracht, sich doch noch einmal mitdeinem Wurf zu beschäftigen, duhast nicht den kompletten Wett-kampf blockiert und deine Gegnerin-nen aus ihrer Konzentrationgebracht. Mit bewundernswerterKonsequenz hast du am Endeerreicht, dass dein Wurf - zu Recht -gewertet wurde."

Die Fair-Play-Trophäe der deut-schen Sportjournalisten für beson-ders vorbildliche Haltung hatte 1965 das deutsche Box-Idol MaxSchmeling gestiftet. Zu den Preisträ-gern zählen unter anderem JürgenKlopp, Miroslav Klose und Timo Boll- jetzt auch Betty Heidler.

Prof. Helmut Digel fordert Reformen:

Vier Jahre lang nurleichtathletischer Alltag

Machte kritische Anmerkungen,Prof. Helmut Digel

Betty Heidler bekam eine weitere Auszeichnung:

Fair-Play-Trophy für eine großartige Haltung

Lockeres Gespräch während des Sommerfestes: VorstandsvorsitzenderHans-Georg Moldenhauer und die Hammerwerferin Betty Heidler

KIENBAUM-JOURNAL April 2013 7

Weit, sehr weit flog die Ein-Kilo-Scheibe, ehe sie bei 66,52 m aufdem schnee-bedeckten KienbaumerRasen landete. Nadine Müller, dieOlympia-Fünfte mit dem Diskus vonden Halleschen Leichtathletikfreun-den, freute sich riesig zum Abschlussder Winterwurf-Woche, die dieseBezeichnung auch wahrlich verdienthatte, denn es herrschten Tempera-turen um den Gefrierpunkt. Aberauch einige andere Leistungen ver-dienten große Anerkennung, dennbei dieser Witterung konnte manganz bestimmt nicht von leistungs-fördernden Bedingungen sprechen.

Bei ihrem Siegeswurf handelte essich nicht um einen Ausrutschernach oben, wie ihre tolle Sechser-Serie beweist, die Aussehen hatte:61,40 - 62,85 - 66,52 - 65,20 - 62,26 - 63,74. So gut ist die 1,93 mgroße Modellathletin, die sicherlichauch als Hochspringerin beziehungs-weise Basketballerin eine beacht-liche Figur abgeben würde, noch niein eine Saison gestartet, so dassberechtigte Aussichten für die kom-menden Wochen und die WM MitteAugust in Moskau bestehen.

Dennoch bremste Trainer Sack all-zu überschwängliche Euphorie, denner hat stets einen griffigen Satzparat: "Erst muss man das Ei legen,dann kann gegackert werden."Sicherlich sind ihm die OlympischenSpiele in London ein warnendes Bei-spiel. Da galt die 26-jährige Poli-zeiobermeisterin als Mitfavoritin aufGold. Doch am Ende reichte es nichteinmal zu einem Platz auf dem Podi-um, sondern nur zu Rang fünf, weilsie in den entscheidenden Momentenverkrampfte und lediglich 65,71 mschaffte. Womit sie auch nicht dieVorhersage der dreimaligen Weltmeis-terin Franka Dietzsch erfüllte, die vordem Finale gesagt hatte: "Für Nadineist eine Medaille Pflicht."

Mit ihrer Kienbaumer Winter-Weitehat die Hallenserin aber gezeigt,dass sie sich auf jeden Fall eine sehrordentliche Basis erarbeitet hat. EineAthletin war ihr ziemlich dicht aufden Fersen. Die U 20-WeltmeisterinAnna Rüh (SC Neubrandenburg) kamauf 63,11 und die noch jüngere

Mannheimerin Shanica Craft auf57,39 m. Nicht dabei war die BerlinerOlympia-Teilnehmerin Julia Fischer.

Leider konnten die Leistungen kei-nen Eingang in die Bestenlisten fin-den, da der Diskusring mit einer Spezial-Oberfläche zum Zwecke vonbiomechanischen Messungen verse-hen ist und somit nicht den Vorga-ben des Reglements entsprach. DazuBundestrainer Jürgen Schult: "Völlig

unverständlich, denn die Anlage bie-tet doch keinerlei Vorteile. Darübermüssen wir mit dem InternationalenVerband reden."

Ansonsten war er aber zufriedenmit dem Gesehenen, denn auch dieMänner zeigten sich schon in rechtansprechender Frühform. Der 2,03 mgroße Magdeburger Martin Wierig,der sich im Vorjahr auf 68,33 m ver-bessert hatte und in London Sechster

wurde, legte mit seinem ersten Ver-such respektable 62,90 m vor, ohnesich im Verlauf des Wettkampfesdann noch steigern zu können. Dastat dafür der 24-jährige DanielJasinski vom TV Wattenscheid, dermit seinem allerletzten Wurf auf62,72 kam. Dritte wurde der Olympia-Teilnehmer Marcus Münch (SC Pots-dam) mit 60,08 m.

Nur Zuschauer war der Olympia-sieger Robert Harting, der erst imMärz so richtig in das Training ein-steigen wollte, nachdem er die ver-gangenen Wochen zur Regenerationgenutzt hatte. Da der Berliner alsTitelverteidiger automatisch an derWM teilnehmen darf, stehen demDeutschen Leichtathletik-Verbandnoch drei weitere Startplätze zur Ver-fügung. "Ich hoffe, dass wir dieseQuote auch ausfüllen können, vor-ausgesetzt allerdings, dass zuvor dieentsprechenden Normen von 66,00m erreicht werden", so Schult, derverständlich als Diskuswurf-Disziplin-trainer außerordentlich glücklichüber die derzeitige Situation inDeutschlands Leichtathletik-Parade-disziplin ist.

Schließlich kann aus dem talen-tierten Nachwuchs noch der eineoder andere nach vorn stoßen, wieder Junior Michael Salzer (Nürtin-gen), der 59,34 m erzielte, währendGordon Wolff (58,47) und der jünge-re Harting-Bruder Christoph (57,42)derzeit zu stagnieren scheinen.

Die Wettbewerbe galten zugleichals Ausscheidung für den Winterwurf-Europacup im spanischen Castellon.Die besten Speerwerferinnen hattensich in südliche Gefilde zurückgezo-gen, so dass in Kienbaum nur derNachwuchs an den Start ging. SarahMayer aus Potsdam gewann mit56,85 m die Konkurrenz.

Im Jahr nach den OlympischenSpielen ist der Terminkalender derLeichtathletik prall gefüllt mitinternationalen Großereignissenbeziehungsweise Meisterschaften,so Schult, der als Leitender Bundes-trainer für den gesamten Wurfbe-reich zuständig ist. "Unser Ziel istes, überall gut mitzuhalten."

Noch nie so gut in die Saison gestartet

Nadine Müllerschleuderte den Diskus

bei Temperaturen um denGefrierpunkt auf 66,52m

Zeigte sich bei der Winterwurf-Woche schon in glänzender Form, die Vize-Weltmeisterin Nadine Müller aus Halle

KIENBAUM-JOURNAL April 20138

Recht verheißungsvoll begannfür die deutschen Athleten und Athletinnen die diesjährige WM-Saison. Beim Winterwurf-Europacupim spanischen Castellon gewannendie Männer den aus Diskus, Speer,Hammer und Kugel bestehendenWettbewerb vor Russland und derUkraine, während bei den Frauenkein komplettes Team an den Startgehen konnte - wegen des Streiksauf dem Düsseldorfer Flughafen.Das betraf unter anderem die Deut-sche Meisterin im Kugelstoßen Christina Schwanitz.

Dennoch war es eine Frau, die füreinen Paukenschlag im März sorgte.Vizeweltmeisterin Nadine Müller ausHalle schleuderte den Diskus gleichim ersten Versuch auf 66,69 m, wasnicht nur den Sieg, sondernzugleich die Erfüllung der WM-Normbedeutete. Mit dieser Weite hattesie zudem die Konkurrenz sicher imGriff: Mélina Robert-Michon (Frank-reich; 61,26 m) landete auf Rangzwei knapp vor Dragana Tomaπevic(Serbien; 61,12 m).

Nicht schlecht hielten sich auchdie beiden deutschen Nachwuchs-kräfte. Shanice Craft (U 23) kam auf60,14 und Anna Rüh (U 19) auf58,71 m. Bei den Männern über-zeugte der Wattenscheider DanielJasinski mit persönlicher Bestleis-tung von 64,69 m, was den Bundes-trainer Jürgen Schult natürlich sehrerfreute. Olympiasieger Robert Harting war nicht am Start, da ersich noch im Trainingsaufbaubefand.

Die beste Leistung aus Männer-Sicht lieferte der Jenaer ThomasRöhler ab, der den Speer 81,87 mweit schleuderte und damit dieNorm für die U 23-EM erfüllte. ImHammerwerfen gefielen MarkusEsser mit 74,71 m und Kathrin Klas-se mit 71,07. Hier fehlte BettyHeidler, die erst später in die Saisoneinsteigt.

Weite Würfe beim Wintercup:Sieg der Männer

Als Klassiker unter den Ultra-Langläufen hierzulande gelten die100 Kilometer von Grünheide, die1976 durch die beiden Berliner Wolf-gang Kahms und Roland Winkler insLeben gerufen wurden und diesmalihre 33. Auflage erfuhren.

Seit zwei Jahrzehnten findet dieseTraditionsveranstaltung nun im Orts-teil Kienbaum statt und zwar mittendurch das Bundesleistungszentrumbeziehungsweise an seinem Randentlang. Dabei handelt es sich umeinen 5-km-Rundkurs, der zurückzu-legen ist. Frei nach dem Motto: Soweit die Füße tragen, denn nichtjeder der antritt, erreicht auch dasZiel. Zu groß sind oftmals die Strapa-zen, um sich nonstop sieben, acht,neun oder gar zehn Stunden auf denBeinen zu halten.

Der Schnellste benötigte am zweitenApril-Sonnabend bei böigem Wind,der vom Liebenberger See herüber-wehte, bei Temperaturen zwischensechs und zehn Grad, je nachdem obdie Sonne schien oder ein leichterRegen hernieder ging, 6:56:22 Std.und konnte sich zugleich über denGewinn der Deutschen Meisterschaftfreuen. Es war der 41-jährige AndréCollet, der für die Aachener TG star-tet, aber im belgischen Raeren lebt,wo er den Beruf eines Steinmetzenund Bildhauers nachgeht.

Auf den zweiten Platz unter den ins-gesamt 200 angetretenen Läufernund Läuferinnen kam Hans-Jörg Hei-ner (SG Wenden), der bis Kilometer85 in Schlagdistanz mitgehalten hat-te und am Ende genau 20 Sekundenlangsamer war, vor dem Vorjahressie-

ger aus Schwaikheim, Michael Som-mer (7:08:17). Bei den Frauen hießdie Reihenfolge Pamela Veith (TSVKusterdingen/8:10:53) vor BrankaHajek (Salamander Kornwest-heim/8:25:41) und Barbara Mall-mann (Laufarena Allgäu/8:36:10).

Aufmerksamer Beobachter desGeschehens war Dr. Matthias Reick,Vizepräsident Breitensport im DLV. Erzollte größte Hochachtung den vie-len Akteuren, die die Strecke durch-standen, die von allen als die schön-ste und idealste bezeichnetet wurde,weil sich die Unterkünfte, Dusch-möglichkeiten und die Verpflegungin unmittelbarer Nähe befanden undso optimale Bedingungen schufen.

Zu den Teilnehmerinnen gehörteauch Brandenburgs Ministerin fürBildung, Jugend und Sport MartinaMünch (51), die früher in Mannheimlebte, dort auch ruderte, ehe sie vor19 Jahren nach Cottbus zog.Gemeinsam mit Dr. Simone Knab,Yoanna Zybon (beide Berlin) und Dr.Susanne Mahlstedt aus Lübeckbeteiligte sie sich an dem Mann-schaftslauf und bewältigte inordentlicher Manier die für sie vor-gesehene zehn Kilometer langeDistanz. Ihr Nahziel ist der Spree-wald-Halbmarathon, ihr Fernziel derBerlin-Marathon im Herbst, derdann schon ihr siebenter wäre.

Schnellster der 100-km-Meisterschaft war André Collet

Auch eine Ministerin rannte mitund zeigte eine gute Leistung

Passiert zum letzten Mal den Verpflegungsstand, Andre Collet, der sichvon seiner Frau Beate eine Getränkeflasche reichen läßt

Schnellste bei den Frauen:Pamela Veith aus Kusterdingen

Kurz vor ihrem Start: Brandenburgs Ministerin Martina Münch (Nr. 260)nahm mit drei anderen Mitstreiterinnen am 100-km-Mannschaftslauf teil

KIENBAUM-JOURNAL April 2013 9

Seit sechs Monaten istCheick-Idriss Gonschinskaalleinverantwortlicher Cheftrai-ner des Deutschen Leichtathle-tik-Verbandes, nachdem erzuvor schon, vom 1. Oktober2010 bis 1. Oktober 2012 für denBereich Track zuständig war. Wie erdie derzeitige Situation einschätzt,erklärt er in diesem Interview.

DLV-Lehrwart Fred Eberle sagtebeim Kongress "PädagogischeIntensive" in Kienbaum, dass2012 ein Superjahr für die deut-sche Leichtathletik gewesen sei.Sehen Sie das ebenso so?

Gonschinska: "Ja, das letzte Jahrstellte für die deutsche Leichtathle-tik den mehr als erfolgreichenAbschluss eines außerordentlicherfolgreichen Olympiazyklus dar.

In London konnte die DLV-Natio-nalmannschaft so viele Medaillen wiebei den Olympischen Spielen in Syd-ney, Athen und Peking zusammengewinnen. Nur 1992 in Barcelonagab es mehr. Bei der häufig zu ein-seitig betrachteten Medaillenbilanzsollte gleichzeitig festgestellt wer-den, dass unsere Athleten 25 Platzie-rungen unter den Top-ten und denfünften Platz in der Nationenwertungerreichten. Bei den erstmals imOlympiajahr durchgeführten Europa-meisterschaften in Helsinki erzieltenunsere Athleten sowohl den erstenPlatz in der Medaillen- als auchNationenwertung."

Lassen sich die Erfolge auch indieser Saison bei der WM inMoskau wiederholen oder sprichtgrundsätzlich etwas dagegen?

Gonschinska: "Die Saison 2013muss sehr individuell und differen-ziert betrachtet werden. Es ist zwarein WM-Jahr, aber gleichzeitig daserste Jahr der Vorbereitung auf dieOlympischen Spiele 2016. Natürlichwollen wir auch in Moskau erfolg-reich sein, doch es gibt Besonderhei-ten. Ein Teil unserer Spitzenathletenbereitet sich gezielt auf die WM vor,andere benötigen nach dem intensi-ven Olympiazyklus, der EM und denSpielen 2012 in London eine verlän-gerte Regenerationsphase, andere

fokussieren sich zudem verstärkt aufihre Ausbildung beziehungsweise dasStudium. Das außergewöhnlicheErgebnis von London mit achtMedaillen sollte daher nicht als Maß-stab für unsere Erwartungen gelten."

Wie stellt sich nun konkret dieSituation in diesem Jahr dar?

Gonschinska: "Nach Abschluss derkomplexen Regenerationsphase bau-en wir wieder auf die Leistungsfähig-keit und Stabilität der bisherigenLeistungsträger, aber auch auf eineweitere Leistungsentwicklung derbesten Athleten zwischen 20 und 23Jahren. Dieser Altersbereich spielt ineiner Vielzahl unserer Disziplineneine entscheidende Rolle, auch fürdie perspektivische Entwicklung derAthleten. In der Regel gibt es in die-ser Phase keine linearen Leistungs-entwicklungen, zumal es schwer ist,nach sehr erfolgreichen Jahren imJugendbereich sofort bei den AktivenFuß zu fassen und die Parametereiner Dualen Karriere erfolgreich zukoordinieren. Aus diesem Grundenimmt für uns die EM U 23 in dieserSaison einen sehr wichtigen Stellen-wert ein."

Die Laufwettbewerbe sind eineSchwachstelle beim DLV. Sehen SieAnzeichen der Besserung?

Gonschinska: "Diese Frage stelltfür mich eine nicht ausreichend kom-plexe Bewertung dar. Natürlich kön-nen wir mit dem aktuellen Leistungs-bild der Läufer nicht zufrieden sein,doch gerade in diesen Wettbewerbenentwickeln sich wie kaum in eineranderen Disziplingruppe der Leicht-athletik Spitzenleistungen undaußerdem ist die Wettbewerbsdichteexorbitant eng. Seit vielen Jahrenwird die Szene durch Athleten ausAfrika dominiert und nur sehr wenigeLäufer aus Europa sind finalfähig.

. Bei der nationalen Bewertung darf

unsere schwierige Ausgangspositionzu Beginn des vergangenen Olympia-

zyklus nicht unbetrachtet bleiben.Veränderte Konzeptionen undmethodische Ansätze lassen sich ineiner Sportart mit 200 teilnehmen-den Nationen und einer bemerkens-werten Leistungsdichte auf Weltni-veau nicht kurzfristig erfolgswirksamumsetzen. Den talentierten Nach-wuchsläufern müssen die notwendi-gen Entwicklungszeiträume gegebenwerden. Durch die seit dem vergan-genen Jahr im zweijährigen Rhyth-

mus stattfindenden Europameister-schaften ergibt sich allerdings fürdiese jungen Läufer eine regelmäßigePräsentationsplattform verbundenmit einem großen Motivations-schub."

Sicherlich gibt es hier und daauch schon positive Ansätze.

Gonschinska: "Wir haben seitBeginn meiner Tätigkeit als Cheftrai-ner konsequent Veränderungen inunserer Trainerstruktur, in denAblaufprozessen und der Zusammen-arbeit mit unseren Kaderathletenvorgenommen. Im Laufbereich wirddieser Prozess mittlerweile feder-führend durch den leitenden Bundes-trainer Wolfgang Heinig verantwor-tet. Viele junge Athleten des U-23-Bereiches konnten deutlicheLeistungssteigerungen erzielen. MitAntje Möldner-Schmidt und GesaFelicitas Krause erreichten zwei Läu-ferinnen seit vielen Jahren erstmals

wieder Top-8-Platzierungen beiden Olympischen Spielen inLondon. Bei der EM in Helsinkigewannen Arne Gabius undMöldner-Schmidt sogar Medail-len. Bei der Hallen-EM vor ein

paar Wochen in Göteborg wurde mitCorinna Harrer erstmals seit vielenJahren eine DLV- Athletin Vizeeuropa-meisterin über 3000 m."

Wagen Sie eine Aussage, wieviele Medaillen die Mannschaft beider WM gewinnt?

Gonschinska: "Von solchen Pro-gnosen und speziell zum aktuellenZeitpunkt halte ich wenig. Trendslassen sich in der Regel 14 Tage vorden internationalen Meisterschaftenauf der Basis der Spitzenleistungen,der Stabilitätswerte sowie der Direkt-vergleiche der Athleten mit Bezugauf die Jahresweltbestleistungenableiten. Grundsätzlich wird dieDichte immer größer. Schon in denQualifikationen oder Vorkämpfenmüssen Weltspitzenleistungen abge-rufen werden, um sich für das Finalezu qualifizieren. Der Ausgang derWettbewerbe ist immer offen und dieTagesform entscheidet."

Welche Bedeutung hat Kien-baum für den DLV?

Gonschinska: "Viele unserer Kader-athleten nutzen die sehr guten Trai-ningsbedingungen in den Schwer-punktphasen des Jahres-Trainings-prozesses: Besonders wichtig sinddie weiträumigen Anlagen, diegroßzügig angelegten Wurfplätze,der große Kraftraum mit den vielfäl-tigen Spezialgeräten, die beiden Sta-dien, die sehr angenehme und ruhigeAtmosphäre sowie das Engagementder Mitarbeiter. Im vergangenenOlympiazyklus konnten wir erfolg-reich die Teambildungs- und Tape-ringsphase der Nationalmannschaftdurchführen. Für das Wurfteam opti-mierten sich durch die neuen Mög-lichkeiten des Messplatztrainings dieTrainingsbedingungen weiter. Daherbesitzt das BundesleistungszentrumKienbaum für uns einen besonderenStellenwert und stellt im Rahmender Lehrgangs- und Leistungsdiag-nostikplanungen einen wichtigenBaustein dar."

Cheftrainer Gonschinska über die derzeitige Situation in der deutschen Leichtathletik:

2013 das erste Vorbereitungsjahr auf die Olympischen Spiele 2016

Idriss Gonschinska

KIENBAUM-JOURNAL April 201310

Nicht in ihrer Funktion als Bundes-trainerin war Ulla Koch zum großenKader-Test des Deutschen Turner-Bundes für die Altersklasse der zehn-bis 13-jährigen Mädchen nach Kien-baum gekommen, sondern als einevon mehreren Prüferinnen, die ver-schiedene Übungen am Barren, Bal-ken, Trampolin, Boden und beimSprung zu beurteilen hatte. Dochdas konnte sie nicht hindern, sichzugleich einen Überblick darüber zuverschaffen, was so an Talentennachwächst und für die OlympischenSpiele 2016 beziehungsweise 2020interessant sein könnte.

"Uns fehlt eine gewisse Breite.Und das hat Ursachen, die ganz all-gemeiner Natur sind und mir docheinige Sorgen bereiten", erklärteUlla Koch und meinte vor allem dieBelastungen, die durch die Ganz-tagsschule hervorgerufen werden."Einschließlich des Trainings kom-men da bis zu 65 Wochenstundenzusammen. Wer soll das verkraften.Es bleibt einfach zuwenig Zeit zurRegeneration, so dass die Steuerungunheimlich schwer wird und nurdurch die Eliteschulen abgefedertwerden kann. Und da fehlt es oft-

mals an den entsprechenden Inter-natsplätzen."

Als weiteres Problem sieht UllaKoch das Nichtvorhandensein vongenügend Trainern an, die entweder

nicht adäquat bezahlt werden oderihren Job nur ehrenamtlich ausüben."Doch damit kann man keinen Leistungssport betreiben. Folglich

müssten die Mitgliedsbeiträge inden Vereinen angehoben werden,was auch nur schwer durchsetzbarist oder die Politik müsste helfenund entsprechende Mittel den Ver-bänden zur Verfügung stellen, damit

gezielt Nachwuchsarbeit betriebenwerden kann."

Momentan werden die Turnerin-nen auf Europa- und Weltmeister-schaften in Frankfurt/Main vorberei-tet, weil das so der Wunsch der DTB-Spitze ist. Ulla Koch würde aber mitihren Kandidatinnen liebend gernwie früher nach Kienbaum kommen,weil hier eine glänzende Infrastruk-tur alle Möglichkeiten bietet. Sosieht es auch Dr. Kerstin Schlegel,die Verantwortliche für die Leis-tungs- und NachwuchsförderungGerätturnen weiblich im Verband.Sie, die beim dreitägigen Kadertestdas Sagen hatte, hofft, dass eswenigstens dabei bleibt, dass diejährliche Sichtung im Bundeslei-stungszentrum am Liebenberger Seestattfinden kann. "Hier herrschen

optimale Bedingungen, angefangenvon der Halle, den Geräten, der Ver-pflegung und Unterkunft bis hin zurSauna und dem Schwimmbad sowiedem stets freundlichen Personal derAnlage.”

Insgesamt 80 Mädchen wurdenauf athletische und technische Normen überprüft. "Im Laufe desJahres kommen dann noch ver-schiedene Wettkampfleistungenhinzu, ehe wir wissen, wen wir inunseren C-Kader aufnehmen", sag-te Michael Grul (Detmold), derkünftige Bundes-Nachwuchstrainer,der übrigens die Nationalmann-schafts-Turnerin Nadine Jarochgroß gemacht hat. Seine Feststel-lung lautete: "Wir brauchen unbe-dingt eine breitere Pyramide, umdie Spitze besser absichern zu kön-nen. Auf jeden Fall habe ich einpaar verheißungsvolle Talente inden vier verschiedenen Altersklas-sen gesehen."

Die unbeantwortete Frage heißtaber nach wie vor: Wie lassen sichdie Ganztagsschule mit dem Trainingvereinbaren, um einmal ganz obenanzukommen.

Träumen von einer großen Karriere, die kleinen Turnerinnen, die aus ganz Deutschland zum Leistungstest nach Kienbaum kamen

Die Ganztagsschule und ihre ProblemeBundestrainerin Ulla Koch: Es bleibt zuwenig Zeit für eine Regeneration

Uns fehlt eine gewisse Breite. Und das hat Ursachen, die ganz allgemeiner Natur sind.

Macht sich Sorgen: Turn-Bundestrainerin Ulla Koch

KIENBAUM-JOURNAL April 2013 11

Völlig darüber im klaren ist sichBundestrainer Andreas Hirsch, dassdieses Jahr ein besonderes, einrecht schwieriges wird. Nicht alleindeshalb, weil er künftig auf einenseiner besten Turner verzichtenmuss, den zweifachen Vizeweltmeis-ter Philipp Boy, der seinen Rücktrittvom aktiven Sport erklärt hat.

Unter welchem Motto steht dieSaison?

Hirsch: "Nach Olympia beginntzwangsläufig überall ein Neuaufbau.So manch einer verlässt die Szeneoder hat sich entschlossen, seinePrioritäten anders zu setzen, indemer den Beruf, das Studium oder auchdas Familiäre in den Vordergrundrückt. Das bedeutet schlichtweg,dass neue Gesichter in den Fokusrücken und der Nachwuchs eineChance bekommt."

Können sie das speziell auf IhreMannschaft erläutern.

Hirsch: "Ein Fabian Hambüchenhat 2003 mit dem Hochleistungs-sport begonnen, Marcel Nguyen2005. Das heißt, dass beide schoneine lange Zeit dabei sind, ständighart gefordert wurden und logischerWeise deshalb mit ihren Kräftenhaushalten müssen. Beide werden,sofern sie dabei bleiben, bei denSpielen in Rio dann 29 Jahre sein.Sicherlich in einem Alter, indem

man durchaus noch Topleistungenbringen kann. Wichtig ist aber, dasswir junge Leute langsam an dieSpitze heranführen."

Was steht in diesem Jahr anhochkarätigen Wettkämpfen aufdem Programm?

Hirsch: "Zunächst einmal die Ein-zel-Europameisterschaft in Moskauund dann Ende September/AnfangOktober die WM in Antwerpen, wozum Teil auch neue Wertungsvor-schriften gelten."

Mit zwei Silbermedaillengewin-nern von London sind Sie dochbestens bestückt.

Hirsch: "Man darf dabei nichtvergessen, dass viele kleinereNationen, wie etwa Kroatien, Slo-wenien, Belgien und Holland her-vorragende Spezialisten in den Ein-zeldisziplinen ausgebildet haben,die allerdings bei den OlympischenSpielen nicht dabei sein konnten,weil sie im Mehrkampf nicht gutgenug waren. Aber jetzt werden sieversuchen, an dem einen oderanderen Gerät ihre Chance wahrzu-nehmen. Marcel, der am Barren sei-ne Stärke hat, war vor Moskau nochbeim Weltcup in Tokio, USA undMexiko unterwegs und Fabian,unser Reck-Spezialist, ist im Studi-um gefordert. Auch das sollte manberücksichtigen."

Dennoch dürfte die Saison eini-ge Fingerzeige geben.

Hirsch: "Die Entwicklung bleibtnicht stehen. Sicherlich werdenneue Schwierigkeiten ausprobiert.Die Bodenfläche hat sich in ihrenEigenschaften verändert, so dass eswesentliche höhere Sprünge gebenwird, die aber auch Schwierigkeitenbei der Landung mit sich bringen."

Kienbaum wird demnächst eineneue Halle erhalten. Wie sind daIhre Erwartungen?

Hirsch: "Ich glaube, sie wird einTraum. Die Architekten habenjedenfalls an alles gedacht und vielvon unseren Vorschlägen und Ideenin die Planung miteinbezogen, diewir bei unseren Auslandsaufenthal-ten sammeln konnten. Besondersgespannt bin ich auf das Innenle-ben, denn es sollen Möglichkeitengeschaffen werden, die dem inter-national üblichen Turnen auf einemPodium entsprechen."

Was bedeutet grundsätzlichKienbaum?

Hirsch: "Die Turner waren schonzu DDR-Zeiten hier, weil neben demTraining auch die besten Vorausset-zungen für eine Regeneration beste-hen. Nach der Wende wurden unsviele Alternativen angeboten, dochwir waren und sind immer noch derMeinung, dass wir hier bestens auf-gehoben sind, weil man sich hervor-ragend auf das Wesentliche, das istnun einmal unser Training, konzen-trieren kann."

Da war die Turnwelt für ihn noch in Ordnung: Philipp Boy bei einerRepräsentation anlässlich der EM 2011 vor dem Berliner Reichstag

Die neue Halle wird ein TraumTurn-Bundestrainer Hirsch über eine Saison, die nicht einfach wird

Bundestrainer Andreas Hirsch

Als Philipp Boy 124 Tage nach sei-nem letzten Wettkampf bei denOlympischen Spielen in London sei-nen Abschied vom Leistungssportverkündete, wirkte er erleichtert,wenngleich in seiner Stimme Weh-mut mitschwang. Er begründete aufeiner Pressekonferenz in Stuttgartseinen nach reiflicher Überlegunggefassten Entschluss damit, dass ihndie psychischen Probleme nach sei-nem schweren Sturz vom Reck angleichem Ort nicht mehr los ließenund er eine Bremse im Kopf spüre.

Der zweimalige Mehrkampf-Vize-weltmeister aus Cottbus erklärtedann weiter, dass die Beendigungseiner so erfolgreichen Turn-Karriereschon seit ein paar Wochen fest-stand, doch er wollte sich absoluteGewissheit über seinen Schritt ver-schaffen, ehe er damit an die Öffent-lichkeit ging. "Es fällt mir nichtleicht, mit dem aufzuhören, was ichmein ganzes Leben gemacht habe."

Über viele Jahre hinweg war Boy,der nicht immer ganz einfach war,ein fester Bestandteil der deutschenRiege. Nach dem Achillessehnenrissvon Fabian Hambüchen und derdadurch bedingten Pause, begannder eigentliche Aufstieg des sensi-blen Cottbussers, WM -Zweiter imMehrkampf 2010 in Rotterdam und2011 in Tokio, außerdem Europa-meister in Berlin. Seine Stärke wardas Reckturnen, da wollte er in Lon-don unbedingt eine Medaille. Dochdas klappte nicht, weil er zuvorschon von vielen Verletzungengebeutelt war, die auch in der Olym-pia-Vorbereitung zu Tage traten. Undaußerdem spielte seine mentale Ver-fassung nicht mehr mit.

Vergeblich versuchte WolfgangWillam, der Sportdirektor des DTB,dem rücktrittswilligen Boy eineBrücke zu bauen und ihn noch fürdie Spiele in Rio zu motivieren. Dochder 25-jährige ehemalige Bundes-wehrsoldat, der ursprünglich Bank-kaufmann werden wollte, winkte ab.

Philipp Boys Abschied vomLeistungssport

KIENBAUM-JOURNAL April 201312

Stillstand gibt es nicht im Sport.Das gilt auch für das Bundesleistungs-zentrum Kienbaum, das in diesem Jahreinmal mehr vor großen Herausforde-rungen steht, was sowohl den bau-lichen Sektor als auch die Veränderun-gen im Vorstand des Trägervereinsbetreffen. Der Vorsitzende Dr. Hans-Georg Moldenhauer hat angekündigt,nach 19-jähriger Amtszeit nicht nocheinmal kandidieren zu wollen. Was sichsonst noch an Neuerungen abzeichnet,darüber berichtet der GeschäftsführerKlaus-Peter Nowack in dem folgendenInterview, zumal 2013 schon die ersteEtappe auf dem Weg zu den Olym-pischen Spielen in Rio ist.

Welche vordringlichsten Aufgabensind in diesem Jahr zu bewältigen?

Nowack: "Für den Frühherbst planenwir eine große Sportarten-spezifischeKonferenz mit den Sportdirektoren derin Kienbaum vertretenden Verbände,

um klar die Prioritäten für die kom-menden Jahre abzustecken. Schon vor-her werden wir aber mit dem DOSB undBMI über bestimmte Maßnahmenreden. Das Gleiche gilt für die Leicht-athleten, Turnen männlich, die Kanu-ten, Volleyballer und Judoka, die nachwie vor hier ihre Nationalmannschafts-lehrgänge sowie zentralen Trainings-maßnahmen auf die Höhepunkte derSaison wie Welt- und Europameister-schaften vornehmen werden. Auch die

Basketballer, Bogenschützen und Bob-sportler haben bereits ihre Wünscheangemeldet, was ebenfalls auf die Rad-sportler, Handballer und alpinenSkiläufer zutrifft, die bei uns einen Teilihrer konditionellen Vorbereitungenabsolvieren wollen."

Um auf dem neuesten Stand zusein und internationalen An-sprüchen zu genügen, müssensicherlich bauliche Schritte sowietechnische Verbesserungen vorge-nommen werden.

Nowack: "Darüber sind wir uns imKlaren und haben mit Zusagen des BMI auch schon entsprechend gehan-delt. Der Messplatz für die Werfer ist jabereits erfolgreich erprobt und genutztworden, wie beispielsweise beim Win-termeeting. Jetzt steht zunächst derBau einer neuen Turnhalle im Vorder-grund, die sich hinter der Schwimm-halle befinden wird. Die Planungensind abgeschlossen, so dass einemBeginn nichts mehr im Wege steht.Das Architekturbüro Numrich AlbrechtKlumpp wird die Ausführung der Arbei-ten koordinieren und überwachen."

Über welche Vorteile verfügt dieHalle beziehungsweise was wurde imVorfeld getan?

Nowack: "Wir haben alle erdenk-lichen Fachleute, einschließlich des IATin Leipzig, konsultiert und in die weit-reichenden Überlegungen einbezogen.Natürlich auch diejenigen befragt, auf die es in erster Linie ankommt,nämlich die Turner und deren Trainer,um so die bestmöglichen Vorausset-zungen für ein Hochleistungstrainingzu schaffen. Die 66 mal 40 m großeHalle wird mit der modernsten Be- undEntlüftungsanlage versehen sein. Sieist so gestaltet, dass weder Zug- nochLuftströmungen entstehen und dassstets gleiche Temperaturen herrschen.Licht, Helligkeit und der aktuelleSpieth-Boden, der internationalenErfordernissen entspricht, dürften allezufrieden stellen. Gleiches gilt auch fürdie Geräte, die zum einen für die Lern-phase, zum anderen für Wettkampf-simulationen benötigt werden. Und es gibt Positionen für Video-Übertra-gungen."

Und was wird dann eines Tagesaus der bestehenden Halle?

Nowack: "Sie wird nicht abgerissen,sondern bleibt als Ergänzung beste-hen. Über den genauen Verwendungs-zweck werden wir dann reden, wenndie neue Halle fertig ist."

Was gibt es sonst noch an Verän-derungen oder Neuerungen?

Nowack: "Ende März begann der Bauunseres Betriebs-Heizkraftwerks, ab-gekürzt BHKW. Ans Netz geht die Anla-ge im August, die künftig die Warmwas-serzufuhr in den Heizungen nutzt, umStrom zu produzieren. Langfristig gese-hen wird der Stromeinkauf um 80 Prozentund damit die Kosten im Energiebereichum 40 Prozent gesenkt, so dass sich diederzeitigen Investitionen von 500 000Euro in drei Jahren amortisiert habensollten. Außerdem ist für die Leichtathle-tikhalle ein neuer Belag vorgesehen undschließlich werden wir in den Unterkünf-ten nach zehn Jahren Betrieb notwen-dige Renovierungsarbeiten und Schön-heitsreparaturen vornehmen."

Mit Bärbel Nitz haben Sie eineneue Mitarbeiterin eingestellt, dievorwiegend Aufgaben des in denVorruhestand verabschiedeten Tech-nischen Leiters Eberhard Gräbertübernimmt. Worauf soll Sie sich inerster Linie konzentrieren?

Nowack: "Sie wird sich nicht nur umden Bau der neuen Halle, sondern auchum den Unterhalt der bereits beste-henden Gebäude und deren Sicherheitkümmern, wobei der Brandschutzabsolute Priorität besitzt. Alle Zimmer,in denen nicht geraucht werden darf,und die Sporthallen sind vernetzt und

mit Rauchmeldern ausgerüstet, wobeieine direkte Schaltung zur Feuerwehr-Leitzentrale demnächst erfolgt."

Sie sagen also den Rauchern denKampf an.

Nowack: "So will ich das nicht sagen,

Kienbaums GeschäftsführerKlaus-Peter Nowack

Künftig dürfen Autos nichtPavillons abgestellt werd

Das Modell der neuen Turnhalle, einzukünftiges Schmuckstück von Kienbaum

Bau einer neuen Turnhalle nimmt Formen an - Meh

Interview mit Kienbaums Ges

Ein Jahr der großen

KIENBAUM-JOURNAL April 2013 13

aber es gibt bestimmte Vorschriften,die unbedingt einzuhalten sind. Aufunsere Situation bezogen heißt das, esdarf zwar außerhalb, aber in den Unter-künften selbst nicht geraucht werden.Wer dadurch die Brandmeldeanlage aus-löst, für den kann es teuer werden."

Auf noch etwas Anderes müssensich künftig die Kienbaum-Besuchereinstellen. Was ist das?

Nowack: "Unsere neue Parkordnungbesagt, dass Autos nicht mehr unmit-telbar vor den Pavillons abgestellt wer-den dürfen, sondern auf die entspre-

chend gekennzeichneten Flächengebracht werden müssen. Ein kurzfri-stiges Be- und Entladen ist jedoch wei-ter erlaubt. Wir werden Poller aufstel-len, damit unseren Maßnahmen auchFolge geleistet wird, denn es ist unserZiel, die schönen Grünanlagen zu

schützen. Wer sich nicht an die Vorga-ben hält, der wird das zu spürenbekommen. Wir schaffen Krallen an,die eine Art Wegfahrsperre darstellen."

Im Juli geht die Ära von Dr. Mol-denhauer zu Ende, der 19 Jahre langdie Geschicke Kienbaums mitbe-stimmte. Nun muss ein Nachfolgerals Aufsichtsrats-Vorsitzender ge-funden werden.

Nowack: "In der Tat, Hans-GeorgMoldenhauer, dem die Anlage viel zuverdanken hat und in dessen Zeit diegroßen Veränderungen von Kienbaumstattfanden, hat sich entschieden,nicht noch ein weiteres Mal zu kandi-dieren. Gleiches gilt für seinen Stell-vertreter Peter Schwarz vom Landes-sportbund Berlin. Ihn werden wirgenauso offiziell verabschieden wie JanKern, der für den Deutschen Leichtath-letik-Verband in dem Gremium saß undaus Altersgründen bereits vor Wochenseinen Posten als Beisitzer an SiegfriedSchonert übergab. Mit dem DeutschenOlympischen Sportbund, der das Vor-

schlagsrecht in punkto Vorsitzenderdes Trägervereins besitzt, wird sicher-lich eine gute Lösung gefunden, diedem Stellenwert des Bundesleistungs-zentrums gerecht wird."

Wann ist der große Wechsel an derSpitze des Trägervereins geplant?

Nowack: "Die entscheidende Mit-gliederversammlung ist für den 23. Julivorgesehen, wo auch die Neuwahlenstattfinden werden. Dieser Termin fälltmit unserem traditionellen Sommerfestzusammen, da zu diesem Zeitpunkt einGroßteil verschiedener Nationalmann-schaften ihre Vorbereitungen auf denSaisonhöhepunkt trifft."

Beim vergangenen Sommerfesterhielt die Hammerwerferin BettyHeidler den erstmals vergebenenKienbaum-Award. Wird diese Traditi-on fortgesetzt?

Nowack: "Auf jeden Fall. Die Ideewurde von den Athleten und Trainernsehr positiv aufgenommen und einerSportlerin zuteil, die durch ihr Auftre-ten und Engagement ein wahres Vor-bild ist. Momentan werden von unse-ren Mitarbeitern Vorschläge erarbeitet,die voder Jury geprüft werden, umdanach jene Person auszuwählen, diedie Auszeichnung erhält. Ich bin selbstgespannt, wer das sein wird."

Lassen Sie uns das letzte Jahr nocheinmal Revue passieren. Was warendie entscheidenden Eckpfeiler?

Nowack: "Ein Großteil der deutschenOlympiamannschaft hat sich in Kien-baum vorbereitet, wobei wir unsereRolle stets als Dienstleister ansehen,der die entsprechenden Voraussetzun-gen zu schaffen hat. Mit unserer Olym-pia-Lounge und einer Spezialverpfle-gung haben wir versucht, einenzusätzlichen Anreiz zu schaffen. ZweiDrittel der Medaillen, die deutscheAthleten in London gewannen, wurdenzumindest zum Teil hier erarbeitet. Ichdenke nur an den Diskuswerfer RobertHarting, der permanent in Kienbaumtrainierte, aber auch an den Kugel-stoßer David Storl, ferner die Turner

und die vielen Kanuten, die wiedereinmal sehr erfolgreich waren."

Einen entscheidenden Einschnittgab es durch den Standortswechselder Bundespolizei von Cottbus nachKienbaum. Hat das Procedere ohnegrößere Schwierigkeiten geklappt?

Nowack: "Anfangs musste zwar vielimprovisiert werden, doch das geschahstets sehr professionell. Niemals gab esunlösbare Probleme und alle Bedenkenim Vorfeld konnten ad absurdumgeführt werden. Beide Institutionenhaben meines Erachtens profitiert. DerZuzug der Bundespolizei bedeutete dasI-Tüpfelchen auf eine ganzjährige Aus-lastung des Bundesleistungszentrumsund die Sportschule der Polizei, die aufihr zweites Ausbildungsjahr zurück-blicken kann, hat wiederum den Vorteil,dass ihr hervorragende Sportstätten fürihre Athleten zur Verfügung stehen. Wasin der Endkonsequenz heißt: KienbaumsSportkompetenz ist weiter gestiegen."

Seit zwei Jahrzehnten verharrt dieUnterdruckkammer in einer Art Win-terschlaf. Was soll eines Tages mitder Anlage geschehen?

Nowack: "Es gibt immer wieder gutgemeinte Vorschläge. So wird einMuseum ins Gespräch gebracht, alsErinnerung an vergangene Zeiten. Vie-le Gegenstände von einst sind ja nochvorhanden und mit Schautafeln ließesich viel dokumentieren, was einst hiergeschah. Noch wird an einem schlüssi-gen Konzept gearbeitet. Allerdingsbrauchen wir dafür entsprechende Mit-tel, die von unseren Partnern oderSponsoren kommen müssten."

Zum Schluss die Frage, welcheWünsche haben Sie?

Nowack: "Dass sich der Leistungs-sport in Kienbaum weiter verfestigt,dass die Volleyballer endlich die Erfol-ge erringen, zu denen sie durchaus inder Lage sind. Dass das Team unsererMitarbeiter weiter so engagiert ist wiebisher, dass sich einer auf den anderenverlässt und Verantwortung über-nimmt, damit das Bundesleistungszen-trum weiter für die Athleten interes-sant bleibt - im Hinblick auf die Olym-pischen Spiele Rio 2016."

t mehr unmittelbar vor denden, sagt die Parkordnung

Es gibt auch diesmal wiederden Kienbaum-Award

hrere Veränderungen in der Spitze des Trägervereins

schäftsführer Hans-Peter Nowack

n Herausforderungen

KIENBAUM-JOURNAL April 201314

Zäsur im deutschen Judosport,allerdings hervorgerufen durch ver-schiedene Umstände. GezwungenerMaßen schickt Bundestrainer DetlefUltsch eine völlig neuformierteMännermannschaft Ende April beiden Europameisterschaften in Buda-pest auf die Matte. Zum einen, weilihm verletzungsbedingt beziehungs-weise aus beruflichen und Studien-gründen keiner seiner Olympia-Teil-nehmer zur Verfügung steht, zumanderen, weil er dem nach vorndrängenden Nachwuchs eine Chancezur Bewährung geben will

"Wir müssen uns im Hinblick aufdie kommenden Olympischen Spieleschon jetzt mit einem gezieltenNeuaufbau beschäftigen. Das Pro-jekt Rio kann nicht erst 2015 begin-nen, da ist es dann schon viel zuspät", so sein einleuchtender Kom-mentar. "Uns ist klar, dass wir trai-ningsmethodisch einiges ändernund neue Programme entwickelnmüssen, um international weitermithalten zu können, wobei uns diewissenschaftliche Begleitung durchdas IAT in Leipzig eine wertvolleUnterstützung ist."

Doch zunächst einmal gilt es,sich in der ungarischen Hauptstadtgut aus der Affäre zu ziehen. "Nach-dem wir zwei Wochen lang in Japangewesen waren und über Ostern

eine kleine Ver-schnaufpause ein-legten, bedeuteteder zehntägigeVorbereitungslehr-gang in Kienbaumfür jeden absoluteSchwerstarbeit", soUltsch, der sichfreute, dass zu die-sem Lehrgang auchdie starken Aus-wahlteams vonGeorgien, Aser-beidschan, sogarmit einigen Welt-meistern und Olympiasiegern, sowieTunesien gekommen waren.

"Für uns ist es unheimlich wich-tig, sich stets mit anderen Trai-ningspartnern auseinander zu set-zen, um deren Stil kennen zu lernenund uns entsprechend darauf ein-zustellen. Schließlich haben wir esim Judo mit den unterschiedlichs-ten Charakteren und Typen zu tun",so der Bundestrainer, der bei dieserGelegenheit in Kienbaum einenalten Bekannten wiedertraf, denÖsterreicher Peter Seisenbacher, derzweifacher Olympiasieger (1984 und1988) war. Bis London arbeitete erin Georgien, jetzt in Aserbeidschan.

Mit ihm hat Ultsch, der Doppel-weltmeister von 1979 und 1983 in

der 86-Kilo-Klasse, so manch einenStrauß ausgefochten, wobei dermeist zu Gunsten des gebürtigenSonnebergers ausging. "Leider ist esnicht 1984 zu einem Duell mit ihmgekommen, weil wir aus der DDRnicht zu den Sommerspielen nachLos Angeles fahren durften", sagterückblickend jener Mann, der damalsfür SC Dynamo Hoppegarten starte-te und 1980 in Moskau die olympi-sche Bronzemedaille gewann.

Doch das ist Vergangenheit, dienahe Zukunft heißt Budapest. "Undda wollen wir ein achtbares Ergeb-nis erzielen, wohlwissend, dass einGroßteil der internationalen Spit-zenklasse dort antritt", sagte derBundestrainer, der mit der bisheri-gen Entwicklung des hoffnungsvol-

len Nachwuchses recht zufrieden ist.Doch wie sich die Situation dann inBudapest darstellt, das muss sichzeigen. "Natürlich wollen alle ihrBestes geben. Wir haben logischerWeise auch maximale Ziele, müssenaber die Kirche im Dorf lassen."Eines Tages werden sich, bis auf OleBischof, der definitiv aufgehört hat,auch wieder jene Judoka zurückmel-den, die in London dabei waren undmomentan eine Wettkampfpauseeingelegt haben.

Am günstigsten sieht es wahr-scheinlich in der 81-Kilo-Klasseaus, so Ultsch, der hier aus demVollen schöpfen kann und hofft,dass der eine oder andere in dieFußstapfen von Bischof tritt, derin Peking Gold und in London Silber gewann. Der Berliner SvenMaresch wäre beispielsweiseeiner, der bereits im letzten Jahrdrauf und dran war, seinemgroßen Konkurrenten Bischof denRang abzulaufen und zeitweise in der Weltrangliste sogar vor ihm lag.

Mit dem Leipziger Hannes Conrad,dem Junioren-Vizeweltmeister,schickt Ultsch in dieser Gewichts-klasse noch einen zweiten Athletenins Rennen, weil laut Reglementjedem Verband gestattet ist, insge-samt neun Judoka für die siebenKlassen zu nominieren. Sicherlichhätte auch noch ein anderer dieChance gehabt, doch AlexanderWieczerzack aus Frankfurt/Main,der sogar Junioren-Weltmeister ist,fällt mit einer Verletzung aus.

"Dass wir immer wieder zu unse-ren zentralen Vorbereitungslehrgän-gen nach Kienbaum kommen, liegtnicht nur an der hervorragendenInfrastruktur, wo alles professionellauf den Hochleistungssport ausge-richtet ist und sich unsere Aktivenvon der Unterkunft, der hervorra-genden Verpflegung bis zur Mög-lichkeit des Relaxens ausgesprochenwohl fühlen, sondern dass man auchmal über den Tellerrand hinaus-schauen kann", sagt Ultsch. "Undda bietet sich die Kommunikationund ein Erfahrungsaustausch mitanderen Sportlern und Trainernglänzend an."

Was wie Balgen aussieht, das war konzentrierte Bodenarbeit der Judoka aus vier Ländern

Gegner von einst beim Training in Kienbaum:Der Österreicher Peter Seisenbacher und Detlef Ultsch

Neuaufbau hat schon begonnenJudo-Bundestrainer Ultsch vertraut bei der EM dem Nachwuchs

KIENBAUM-JOURNAL April 2013 15

Keine Pause für die Volleyballer.Nach Abschluss der Bundesligabeziehungsweise den Play-offs gehtes für die besten Spieler nahtlos undmit voller Konzentration weiter, dennes gilt, sich auf die Saisonhöhepunk-te vorzubereiten, die Europameister-schaften. Beide Bundestrainer pla-nen einen Großteil ihrer Lehrgängewieder in Kienbaum zu absolvieren.Den Anfang macht dabei Vital Hey-nen, der den Nationalmannschaftska-der der Männer vom 1. Mai anzunächst für zwei Wochen nach Kien-baum eingeladen hat.

Die U 21-Auswahl hat unter derFederführung von Adrian Pflegharbereits einen Intensivkurs hintersich gebracht, denn sie wird bereitsvom 8. bis 12. Mai in Sofia gefor-dert, wo die WM-Qualifikationansteht und schwere Brocken mitdem Gastgeber Bulgarien, Israel undRumänien aus dem Weg zu räumensind. "Wir müssen unbedingt Platzeins belegen, um weiter zu kommenund unser großes Ziel Ankara zuerreichen, wo in diesem Jahr dieWeltmeisterschaft stattfindet", soder Junioren-Bundestrainer, der sichin erster Linie auf Spieler des VCOBerlin stützt, weil hier seit gerau-mer Zeit ein Großteil der Talentezusammengezogen ist und in derBundesliga mitspielt.

Dieser Jahrgang, der sich jetztanschickt Großes zu erreichen,schälte sich aus einer breit ange-legten Sichtungskampagne heraus.Im November 2008 nahmen

zunächst einmal 60 Talente aneinem Test in Kienbaum teil, ausdem sich anschließend 22 für denKader empfahlen. Nach und nachschrumpfte dann die Zahl weiter aufeine Gruppe von 12 bis 14 Spielern,die bei der Jugend-EM 2011 denelften und 2012 den achten Platzbelegte.

"Doch inzwischen sind alle älter,reifer und erfahrener geworden", soPfleghar, der zudem seinen Jungenbescheinigt, eine gute Turnier-mannschaft zu sein, die im ent-

scheidenden Augenblick ihre besteLeistung abrufen kann. Das wirdauch diesmal in Sofia unbedingt derFall sein müssen. "Gerade die Bul-garen wollen es zu Hause wissen,doch wir haben intensiv und kon-struktiv im Training gearbeitet.Jeder weiß, worauf es ankommt,zumal es für die meisten die letzte

Gelegenheit ist, bei den Junioreneinen Erfolg zu erreichen, weil dannder Wechsel zu den Männernerfolgt. Für den einen oder anderenmit der Chance, vielleicht bei dennächsten Olympischen Spielen inRio dabei zu sein."

Ehe gen Budapest gestartet wird,findet vom 26. April noch ein wei-terer Lehrgang in Kienbaum statt, inden auch zwei Testspiele gegen Bel-gien eingebettet sind, damit dieWettkampfpraxis nicht verloren gehtund die entsprechende Spannungaufgebaut wird.

Die Langzeitplanung sieht übri-gens vor, dass auch in Zukunft nachdem bisherigen Muster der Nach-wuchs gesichtet wird. Im letztenNovember war der 97er Jahrgang ander Reihe, 2014 handelt es sichdann um den 99er Jahrgang, wobeidas Modell der Konzentration dertalentiertesten Spieler an einemStandort beibehalten werden soll,denn das zukunftsträchtige Konzepthat sich in der Vergangenheit vollbewährt.

Erst die Junioren, dann die MännerVolleyballer beziehen Kienbaum stets in ihre Vorbereitung ein

Deutschlands Volleyball-Junioren: Ihr Ziel ist die WM-Qualifikation

Wenn ein deutscher Handballerdas Prädikat Weltklasse verdienthat, dann war es der MagdeburgerWieland Schmidt, einst ein Tau-sendsassa zwischen den Pfosten.Jetzt im Vorruhestand, ist der ehe-malige Postbank-Angestellte alsTorwarttrainer der DHB-Juniorin-nen des Jahrgangs '98 tätig, die imBundesleistungszentrum am Lie-benberger See zu einem Kurzlehr-gang zusammengezogen waren.

Nach der großen Sichtung imFebruar, an der 240 Spielerinnen inKienbaum beziehungsweise Ruitteilnahmen, haben sich 36 heraus-geschält, mit denen die kommen-den Aufgaben angegangen werden,erklärte Frank Hamann, der dieVerantwortung für den weiblichenNachwuchsbereich seit dem 1.Januar übertragen bekam.

"Wir sind auf einem guten Weg",so lautet seine Einschätzung, dieauf der erfreulichen Erkenntnisbasiert, dass er vor Kurzem mitdem '96er und '97er Kader inIsland die Qualifikation für dieJugend-EM geschafft hat. "Viel-leicht kann das eine oder gar ande-re Talent schon bei der Frauen-WM2017 dabei sein, die in Deutsch-land stattfindet."

Neben Hamann und Schmidtgehört auch die Slowakin ZuzanaPorvaznikova zum Trainerteam, das

bei dem dreitägigen Lehrgang Wertauf die Technik und Taktik legte,

um festzustellen, mit wem es sichlohnt, künftig weiter zu arbeiten.

"Als größter Handball-Verbandder Welt, muss es unser Anspruchsein, in jedem Bereich eine Rolle zuspielen," so Hamann. Dass er aufeinen so erfahrenen Mann wie Wie-land Schmidt bauen kann, ist sicher-lich kein schlechtes Omen. Schließ-lich war der ehemalige Torwart desSC Magdeburg 1980 in Moskau mitder DDR-Auswahl Olympiasiegergeworden und kann mit seiner reich-haltigen Erfahrung viel beisteuern.

Das Fernziel des in Kienbaumversammelten jüngeren DHB-Kaders ist die Jugend-EM in zweiJahren. Allerdings muss man sichzunächst auch dafür qualifizieren,was in der Vergangenheit leidernicht allzu häufig geschah.

Olympiasieger Schmidtjetzt als Torwarttrainer

Kurzlehrgang der Handball-Juniorinnen

Oympiasieger Wieland Schmidt

KIENBAUM-JOURNAL April 2013 17

Der lange Winter hat auch denKanuten große Problemebereitet, denn bei Kälte und

gefrorenen Gewässern ließ sich nichtihr normales Pensum absolvieren.Doch Jens Kahl, der Sportdirektordes Deutschen Kanu-Verbandes, istzuversichtlich, dass die Trainer inden Vereinen das Beste aus der Not-situation gemacht und genügendAlternativen gefunden haben. Dasgroße Ziel sind natürlich die Welt-meisterschaften im eigenen Land,vom 27. August bis 1. September inDuisburg.

Wie sieht denn Ihre Grobpla-nung für die kommenden Wochenaus?

Jens Kahl: "Zunächst einmal fin-den Mitte April und Anfang Mai aufder Wedau in Duisburg zwei Sichtun-gen statt, die entscheidende Bedeu-tung für die Qualifikation zur Natio-nalmannschaft besitzen. Wir habenaber nicht nur die Leistungsklasse zubestücken, sondern auch die U23-und Junioren-Auswahl, die ebenfallsin diesem Jahr internationale Meis-terschaften zu bestreiten hat Wiewir im Sommer international aufge-stellt sind, darüber werden die dreiWeltcups in Szeged, Racice undPoznan Aufschluss geben."

Wann wird ihr endgültiges Teamstehen, mit dem sie gezielt dieWM-Vorbereitung treffen?

Kahl: "Wir warten zunächst dieEuropameisterschaften vom 13. bis16. Juni in Portugal ab, danachbeginnt die Feinabstimmung undletztendlich auch die endgültigeBesetzung der Boote, wobei wirKienbaum wieder als wichtigsten Ortin unsere zentralen Maßnahmen ein-beziehen wollen. Hier werden meh-rere Lehrgänge in bestimmten Zeit-abschnitten stattfinden."

Nach Olympia ist vielfach eineZäsur angesagt und überall einUmbruch festzustellen. Auch beiIhnen?

Kahl: "Natürlich hat für den einenoder anderen in diesem Jahr dasStudium und der Beruf Vorrang. Wirwerden ja sehen, wer an den Qualifi-kationsregatten teilnimmt unddamit seine Ambitionen unter-streicht. Grundsätzlich findet bei uns

in einem olympischen Zyklus vonvier Jahren stets ein permanenterWechsel statt, den ich mit fünfzigProzent beziffere. Der Nachwuchsdrängt nach vorn. Das zeichnete sichbereits in der vergangenen Saisonab. Und das ist auch eine sehrgesunde Situation."

Nach wie vor bilden die Sprint-wettbewerbe eine Schwachstelleim DKV, wie wollen Sie dasändern?

Kahl: "Über viele Jahre hinweghaben wir auf den Ausdauerbereichgrößten Wert gelegt, damit wir aufden 500- und 1000-m-Streckeninternational konkurrenzfähig wa-ren, haben reine Sprintertypen prak-tisch ausgesiebt. Die Situation istseit 2009 grundlegend andersgeworden, weil der Weltverband die200-m-Distanzen ins olympischeProgramm aufnahm, wir aber nichtso schnell reagieren konnten. DerProzess der Umstellung dauert vierbis acht Jahre, wobei bereits im Kin-desalter begonnen werden muss, umentsprechende Talente zu sichtenund sie an die Spitze zu bringen.".

Lässt sich relativ schnell nocheiniges bewirken?

Kahl: "Mit Arnd Hanisch, den bis-herigen Bundesstützpunktleiter inEssen, haben wir einen qualifizierten

Mann zum Sprint-Bundestrainerbestellt, der bereits mit Jonas Emsgute Erfolge erzielt hat. Seine Auf-gabe wird es sein, dafür zu sorgen,dass wir bei den WM-Entscheidungenin Duisburg auch auf der kurzenStrecke vertreten sind. Dabei baueich auch auf Ronald Rauhe, der in

London wegen mehrerer Krankheitenund Verletzungen im Vorfeld vonOlympia nicht die Leistungen brach-te, zu der er imstande war."

Welche Erwartungen haben Sieim Hinblick auf die Weltmeister-schaften in Duisburg?

Kahl: "Im Augenblick darüber zureden, hieße zu spekulieren. Dass wireine Heim-WM haben, bedeutetzwangsläufig eine hohe Konzentrati-on auf dieses Großereignis verbun-den mit der Erwartung auf einerfolgreiches Abschneiden. Und werin der Nationenwertung vorn seinwill, der muss auch Medaillen gewin-nen. Doch wie viele und von welcherFarbe sie sein werden, das lässt sichwahrscheinlich erst nach den dreiWeltcups und der EM in Portugalsagen. Auch in anderen Ländern hatsich zwangläufig ein Umbruch einge-stellt. Tatsache ist, dass auch dasGeld nicht mehr so sprudelt wie vorOlympia, als überall enorme Anstren-gungen unternommen wurden."

Noch ein Wort zu Kienbaum.Was bedeutet dieses Bundesleis-tungszentrum für die Kanuten?

Kahl: "Für uns handelt es sich umden zentralen Standort für gezielteTrainingsmaßnahmen. Die National-mannschaft wird sich in diesemJahr mehrere Wochen hier aufhalten,

auch in der unmittelbaren Vorberei-tung, weil in Duisburg sicherlich imVorfeld der WM viel Unruhe herrscht.Wir finden mit dem LiebenbergerSee geradezu optimale Bedingungenvor. Dazu kommen die Möglichkeitenvon Messboot-Fahrten, das Trainingim Kraftraum, die kurzen Wege.Außerdem sind die Unterkünfte unddie Verpflegung spitze. Ich kennedie Anlage schon seit 1984 und binimmer wieder aufs Neue erstaunt,was sich in den letzten 23 Jahrenalles zum Vorteil verändert hat."

Dazu gehört auch, dass dieSportschule der Bundespolizeihierher gezogen ist.

Kahl: "Ja, das ist ein großes Plusfür uns. Sebastian Brendel undPeter Kretschmar wurden Olympia-sieger, Carolin Leonhardt und Mar-tin Hollstein Medaillengewinner inLondon und bewiesen die gute Kon-stellation von Berufsausbildungund der Ausübung von Hochleis-tungssport."

Heim-WM erfordert besondere Anstrengungen

Kanu-Sportdirektor Jens Kahl über die spezielle Situation der Kanuten

KIENBAUM-JOURNAL April 201318

Besser hätte das nacholympischeJahr für Detlef Uibel, den Bundes-trainer für die deutschen Bahnrad-sprinter, gar nicht beginnen können.Nur sieben Monate nach den Spielenvon London kamen seine Schützlin-ge bei den Weltmeisterschaften inMinsk zu insgesamt sieben Medail-len, je drei goldene und silbernesowie eine aus Bronze. "Wir hattendabei auch Glück, weil sich einigeNationalmannschaften im Umbrauchbefinden und deshalb nicht mitihrem stärksten Aufgebot erschienenwaren. Andererseits hatten wir aberauch Pech, weil wir durch Stürzenoch um den einen anderen Erfolggekommen sind", so lautete seinFazit beim Lehrgang in Kienbaum,wo für alle nach einer zweiwöchigenErholungspause nun die konzentrier-te Aufbauphase in punkto Kraftzu-wachs mit Blick auf die kommendenGroßereignisse auf dem Programmstand.

Schwitzen im Kraftraum, so hießvor allem die Devise, wobei immerwieder Kniebeugen mit einer schwe-ren Hantel im Genick gefordertwaren. "Das ist für uns eine derwichtigsten Trainingsmittel undzugleich die effektivste Methode, umdie Muskeln in den Beinen zu stär-ken", meinte der Cottbusser Erfolgs-Coach, der von 1991 bis 1995 imBund Deutscher Radfahrer für dieJunioren zuständig war und danachals Chef für den gesamten Männer-und Frauenbereich. Vor kurzem hater seinen Vertrag für weitere Jahreunterschrieben, also bis zu den Spie-len in Rio.

In Kienbaum wollte Uibel abernicht nur eine Rückschau halten undmit seinen Schützlingen die WM inder weißrussischen Hauptstadt auf-arbeiten, sondern zugleich auch dieWeichen für die Zukunft stellen,indem er sich anhörte, wie es um dieberuflichen Aussichten und Vorha-ben seiner Fahrer steht, um danachdie entsprechende Konzeption zuerarbeiten, wobei er besonders aufdie Zusammenarbeit mit dem IAT inLeipzig und dem FES in Berlin, diedie Karbonräder herstellt, größten

Wert legt. "Die Materialschiene istganz wichtig für uns."

Bis auf den Doppelsieger vonMinsk Stefan Bötticher (Einzel- undTeamsprint) war der gesamte WM-Kader in Kienbaum anwesend, dar-unter auch die Olympiasiegerinnenund Weltmeisterinnen Kristina Vogelund Miriam Welte. Am liebstenmöchte Uibel die beiden in Wattepacken, denn momentan ist weitund breit im Frauenbereich keingleichwertiger Ersatz vorhanden."Wenn eine ausfallen sollte, dannsehen wir ganz schlecht aus", sosein nachdenklicher Kommentar zuder augenblicklichen Situation, diesich wenig erfreulich darstellt.

Anders sieht es bei den Männernaus, wo durchaus von unten etwasnachwächst. Bötticher beispielswei-se, der mit seinen 21 Jahren wie einAlter auftrumpfte und in seiner Ent-wicklung noch längst nicht am Endeangekommen ist. Dazu meinte derBundestrainer: "Für mich war Stefandie Überraschung schlechthin,wobei mir nicht nur seine mentaleStärke gefallen, sondern auch seintaktisches Verhalten imponiert hat.Wegen einer Knieverletzung mussteer für Kienbaum absagen, doch ichhoffe, dass er in ein paar Wochenwieder fit ist."

Schließlich beginnt Ende Mai dieSommersaison mit den verschiede-nen Grand Prix-Veranstaltungen, indenen wichtige Punkte für die Welt-rangliste zu erreichen sind, die dannwiederum über die Startplätze beiden lukrativen Weltcups im Winter-halbjahr entscheidet, in dem auchdie Weltmeisterschaften stattfinden.Den Anfang in ein paar Wochenmachen zunächst zwei Rennen inRussland, am 22./23. 5 in Tula unddrei Tage später in Moskau, ehe esanschließend am ersten Juni-Wochenende sofort in Valencia wei-tergeht. Und danach ist dann auchCottbus an der Reihe.

Übrigens findet die nächste WMim März 2014 im kolumbianischern

Cali statt. "Hoffentlich nimmt mandann von uns mehr Notiz als daszuletzt in Minsk der Fall war, wo wirvom Fernsehen und den Medienganz schlecht behandelt wurden",erklärte Uibel, der allerdings auchweiß, wo das Übel begraben liegt."Die leidige Doping-Affäre hat dengesamten Radsport in Verrufgebracht. Da werden überhaupt kei-ne Unterschiede zwischen Bahn-und Straßenfahrern gemacht. DieseEntwicklung ist sehr bedenklich undschadet uns. Zu unerlaubten Mittelnwird doch meist dann gegriffen, woviel Geld auf dem Spiel steht und essich eventuell lohnt, ein Risiko ein-zugehen. Bei den Bahnradsportlerngibt es kaum etwas zu verdienen.Deshalb gab es bislang weder natio-nal noch international Probleme,zumal die Kontrollen sehr strengsind. Leider sehen das die breiteÖffentlichkeit und auch die Sponso-ren oftmals anders. Und das tutschon sehr weh."

Dennoch wirft der Bundestrainernicht die Flinte ins Korn und kommtgern zur Kraftarbeit nach Kienbaum."Zu DDR-Zeiten", so erzählte er,"sind wir für drei bis vier Stundenpro Tag auch in die Unterdruckkam-mer gegangen, um die Höhenanpas-sung zu simulieren. Das hat den Ehr-geiz und charakterliche Eigenschaf-ten positiv beeinflusst. Gäbe eswieder solche Möglichkeiten, ichwürde sie gern nutzen."

Bahnradsport: Mit sieben Medaillen von der Weltmeisterschaft aus Minsk zurückgekehrt

Nicht übel, Herr Uibel

Gruppenfoto vor der Ausfahrt ins Freie. Doch die meiste Zeit verbrachten die deutschen Bahnradsportler im Kraftraum, wo sie an der Hantel arbeiteten, um die Beinmuskulatur zu stärken

Bundestrainer Detlef Uibel

KIENBAUM-JOURNAL April 2013 19

Künftig wird es weder Prämien fürEM- noch WM-Titel geben, wohl aberweiter für Olympia-Erfolge. Das siehtdas neue Förderkonzept Rio 2016 derDeutschen Sporthilfe (DSH) vor, dasvor wenigen Wochen in Berlinanlässlich der Vertragsverlängerungmit dem Partner Mercedes-Benz vor-gestellt wurde, allerdings nicht über-all Beifall erfuhr.

"Unser System ist danach ausge-richtet, die Athleten vor allemlangfristig zu unterstützen und ihneneine Perspektive neben dem Sport zugeben", erklärte Michael Ilgner. DerVorstandsvorsitzende der Stiftung wiesdarauf hin, dass das Konzept jetzt ein-facher strukturiert sei und außerdemmehr Planbarkeit und Transparentschaffe. Nach wie vor lautet die Devi-se: Die Besten am besten fördern.

Es wird weiterhin eine Förderpyra-mide mit der Internatsförderung alsEinstiegsstufe, mit C-, B- und A-Kader sowie ElitePlus geben undzwar mit finanzieller Förderung von100 bis 1500 Euro pro Monat. Darü-ber hinaus stehen allen Kaderathle-ten zusätzliche Elemente zur Verfü-gung, die eine Duale Karriere absi-chern helfen wie etwa Maßnahmenzur Berufsorientierung, Nachhilfe,Schulgutachten oder Seminare.

Für Franziska Weber, die Kanu-Olympiasiegerin von London, stellt

sich die Situation so dar, wie sie esauf der Pressekonferenz in Berlin for-mulierte: "Die Elite-Förderung derSporthilfe ist für mich und meinParallel-Leben als Sportlerin und Stu-dentin eine gute Basis. Den Kanu-sport betreibe ich nicht, um damitviel Geld zu verdienen, sondern weiles meine Passion ist."

Und Andreas Kufner, der mitDeutschland-Achter Ruder-Gold ge-wann, ergänzte: "Wir haben im deut-schen Sport viele hilfreiche Athleten-Programme, auch was die Unterstüt-

zung durch die Sporthilfe, den Olym-piastützpunkt oder den Verbandanbelangt. Aber trotz Olympiasieggibt es keine Absicherung für dieZukunft. Daher versuche ich, parallelzu meinem Studium schon jetzt erstePraxiserfahrung zu sammeln, etwa inder Mercedes-Niederlassung in Berlin.Es wäre schön, wenn es Firmen gäbe,die einem nach dem Studium einenArbeitsplatz zusicherten.”

Nicht verschwiegen darf in diesemZusammenhang werden, dass es auchKritik an den neuen Maßnahmen

gab. Gleich drei Olympiasieger plä-dieren für eine bessere Unterstüt-zung und schlagen Alternativen vor,so der Diskuswerfer Robert Harting("Es herrscht überall Geldmangel"),der Kanute Sebastian Brendel("Sport-Rente vorstellbar") und derVielseitigkeitsreiter Michael Jung("Optimierung vor Championaten").

Rund 375 Millionen Euro hat dieSporthilfe seit 1967 für die Förde-rung von mehr als 45 000 Talentenund Top-Athleten aus fast allenolympischen Disziplinen, aber auchtraditionsreichen nicht-olympischenSportarten sowie dem Behinderten-und Gehörlosensport aufgewendet.Derzeit werden rund 3800 Athletenin über 50 Sportarten gefördert,wobei es sich um eine Summe vonzwölf Millionen Euro handelt.

Für die Erfolge in London hat derGutachter-Ausschuss der Sporthilfebeschlossen, Prämien, von insge-samt 336 875 Euro auszuschütten.Das entspricht nahezu jener Summe,die vier Jahre zuvor in Pekingzusammengekommen war. Honoriertwurden Platzierungen unter denbesten Acht. Für Gold gab es 15 000Euro, für Silber 10 000 Euro, fürBronze 7500 Euro. Ein vierter Rangist noch 4000 Euro wert, ein achterPlatz wird mit 1500 Euro belohnt.Das Geld wird in monatlichen Ratenausgezahlt.

Die Besten am besten fördernSporthilfe-Chef Michael Ilgner stellte

in Berlin das neue Konzept Rio 2016 vor

Pressekonferenz in Berlin mit Andreas Kufner, Anders Sundt Jensen(Daimler AG), Franziska Weber und Dr. Michael Ilgner

Die Stiftung Deutsche Sporthilfehat das Förderkonzept Rio 2016verabschiedet, das mit allen Ver-bänden und dem DOSB abgestimmtwurde, eine Vereinfachung darstelltund fortan einen verlässlichen Planfür die besten Athleten darstellt.Gefördert wird rein nach Leistung,unabhängig von der Vermarktbar-keit eines Sportlers oder der media-len Bedeutung von dessen Dis-ziplin.

C-Kader (1800 Sportler) - Förde-rung 100 Euro/Monat

Junioren- und Nachwuchssportler

sowie Talente. Dabei ist die Alters-grenze sportspezifisch festgelegt; inder Regel aber bei 18 bis 19 Jahren.Entscheidend ist die Handhabungbei der Junioren-WM und -EM.

B-Kader (1200 Sportler) - Förde-rung 200 Euro/Monat

Athleten von nationaler Spitzen-klasse, die dem C-Kader entwachsensind, aber (noch) nicht die Bedin-gungen für den A-Kader erfüllen.

Die Maximal-Förderdauer beläuftsich wie auch beim C-Kader aufhöchstens sieben Jahre.

A-Kader (800 Sportler) - Förde-rung 300 Euro/Monat

Dazu gehören Athleten der inter-nationalen Spitzenklasse, die Final-platzierungen bei internationalenWettkämpfen erzielt haben. Sonder-regelungen sind möglich.

Eliteförderung abgestuft 400,500, 600, 800 Euro/Monat

Ausgerichtet an WM-, EM- odervergleichbaren Platzierungen

ElitePlus 1500 Euro pro Monat,aber nicht für Athleten, die eine

Sportförderstelle besitzen (Bundes-wehr, Bundespolizei und Zoll).

S-Kader (Sonderregelung)In diese Kategorie können Sport-

ler aufgenommen werden, die verlet-zungsbedingt oder aufgrund einerbesonderen beruflichen Situation dieKaderkriterien nicht erfüllen konn-ten, aber eine Perspektive haben.

Internatsförderung (600 Sportler)Unterstützt werden ausgewählte

Nachwuchssportler, die eine Elite-schule besuchen und in einem Inter-nat untergebracht sind, mit bis zu170 Euro im Monat.

Ein verlässlicher Plan für die SportlerKlare Angaben für die Einstufung in die verschiedenen Kader

kommt neu

KIENBAUM-JOURNAL April 2013 21

Je oller - je doller. Sie sind zwarnicht mehr so flink auf den Beinenwie einst, dafür sind sie aber mitgroßer Begeisterung und viel Erfah-rung an der Platte und zeigen, dassSport jung erhält. Zum vierten Malkamen die Senioren aus Hamburg,Bremen, Schleswig-Holstein, Meck-lenburg-Vorpommern, Berlin undBrandenburg nach Kienbaum, umihre Norddeutschen Tischtennismeis-ter in den Altersklassen Ü 40, 50, 60,65, 70, 75 und 80 zu ermitteln.

"Entscheidend ist, dass man nochbeweglich ist, sich ein gewissesReaktionsvermögen erhalten hat unddass vor allem der Kopf mitmacht,um eine bestimmte Taktik durchzu-setzen", meinte einer der ältestenTeilnehmer, der im September 81Jahre alt werdende Dr. Hans-UweEhlers, von Beruf Steuerberater undChef einer großen Wirtschaftsprüfer-kanzlei in Hamburg-Altona. "MitRoutine allein gewinnt aber keinerein Spiel, da muss man schon vorheretwas für seine Kondition getanhaben."

So sah es auch die Berlinerin Jut-ta Trapp, die in der Altersgruppe Ü65 mitspielte. Sie, die 1968 im fran-zösischen Lyon mit der deutschenDamen-Auswahl überraschend Mann-schaft-Europameisterin wurde undals Seniorin mehrere EM- und WM-Titel errang, sieht in erster Linie denSpaßfaktor und das gemeinsame Tunmit Gleichaltrigen als Motivation an."Wer seinen Körper im fortgeschrit-tenen Alter zwei- bis dreimal proWoche fordert, der lebt bewusster.Das haben inzwischen auch die Kran-kenkassen eingesehen, die Tisch-tennis-Angebote als Gesundheits-sport einstuften und unterstützen."

Die nach wie vor in toller Formbefindliche Jutta Trapp, die für denSC Charlottenburg spielt, gewanndrei Titel, im Einzel, im Doppel mitMarianne Kerwat (TTC Neukölln) undschließlich im Mixed mit Dietrich Lei-del vom TTC Spandau und avancierte

somit zur erfolgreichsten Teilnehme-rin der Meisterschaften. Und das,obwohl sie eine Woche zuvor nochdurch eine Grippe arg gebeutelt war.

Reflexe und Beweglichkeit zuerhalten, aber auch konditionell aufder Höhe zu bleiben, was kann esSinnvolleres für die ältere Generationgeben. Die beiden Tage von Kien-baum waren jedenfalls der besteBeweis dafür. Die Leistungen konn-

ten sich durchaus sehen lassen."Dass wir gern nach Kienbaum mitdieser Veranstaltung kommen, liegtdaran, dass wir hier optimale Bedin-gungen vorfinden", so GünterNostitz, der Geschäftsführer vom

ausrichtenden Brandenburger Ver-band. Insgesamt beteiligten sich250 Senioren in sieben Altersklassen.Die Schirmherrschaft hatte übrigensder Landrat von Oder-Spree ManfredZalenga übernommen und auch zweiEhrenpreise gestiftet.

"Nirgendwo anders in unsererRegion besteht die Möglichkeit,gleichzeitig 32 Tische aufzustellen",erklärte er weiter. "Die brauchen wir

aber, um an zwei Tagen unser gesam-tes Pensum zu schaffen, denn außerden Einzelwettbewerben wird ja auchim Doppel und Mixed gespielt. Diebeiden großen Hallen, in denen wirspielten, sind zudem hervorragend

ausgeleuchtet und lie-gen dicht beieinander,so dass weite Wegeentfallen, was für allesehr angenehm warund natürlich dieOrganisation um vie-les leichter machte."

So manch einer derAngereisten aus Bre-men, Hamburg, Ros-tock oder Schwerinwar schon einen Tagfrüher gekommen undnutzte die Chance,sich die Anlage amLiebenberger einmal

etwas genauer anzusehen und warerstaunt, welch hervorragende Vor-aussetzungen für den Hochleistungs-sport gegeben sind. Jutta Trapp, diein der Vergangenheit des öfterennach Kienbaum kam, um mit Para-lympics-Teilnehmern zu trainierenund sie auf deren Höhepunkte vor-zubereiten, freute sich darüber, wieschön und modern inzwischen allesgeworden ist.

"Ich kann mich noch an Zeitenerinnern, da war so einiges repara-turbedürftig und teilweise inschlechtem Zustand. Manches Malhabe ich mich gefragt, wie hierfrüher die Olympioniken aus der DDRtrainieren konnten."

Drei Titel für Jutta TrappNorddeutsche Tischtennis-Meisterschaften der Senioren in Kienbaum

Ein eingespieltes Doppel: Jutta Trapp, die drei Titel gewann, hier an derSeite ihres Mixed-Partners Dietrich Leidel

Kein Ping-Pong, sondern immer noch gutklassiges Spiel an der Tischtennisplatte:Die Senioren zeigten bei den Norddeutschen Titelkämpfen, dass sie nichts verlernt hatten

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KIENBAUM-JOURNAL April 201322

Viel wird derzeit von der DualenKarriere geredet, dem Vereinbarenvon Ausbildung und Hochleistungs-sport. Die Bahnradsportlerin KristinaVogel, immerhin Olympiasiegerin imTeamsprint mit Miriam Welte, liefertegeradezu ein Paradebeispiel dafür,wie beides unter einen Hut zubekommen ist und dennoch die Erfol-ge nicht ausbleiben.

Sechs Monate lang, von Septem-ber bis Februar, vertauschte sie ihrgemütliches Zuhause in Erfurt mitdem schlicht eingerichteten Zimmereiner Unterkunft im Bundesleis-tungszentrums Kienbaum, wo siesich intensiv auf die anstehende undschließlich sogar um eine Woche vor-gezogene Abschlussprüfung zur Poli-zeimeisterin vorbereitete, die sieletztendlich mit der Note "Gut"bestand. Kaum waren allerdings dieletzte Klausur geschrieben und dienötigen Utensilien zusammenge-packt, da saß sie auch schon im Flie-ger nach Minsk, wo die diesjährigenUCI-Weltmeisterschaften stattfan-den. Dort gewann sie mit Welte denTitel im Teamsprint gegen das starkechinesische Duo Gong Jinjie/GuoShuang, das bereits in London ihregroßen Konkurrentinnen im Finalegewesen war, und holte sich darüberhinaus noch die Silbermedaille imSprint.

"Eigentlich war das alles unfass-bar", so ihr Kommentar. Während sie in der weißrussischen Hauptstadtfür Deutschland um WM-Ehren fuhr,feierten daheim in Kienbaum ihreJahrgangskollegen und -kolleginnennicht nur das Ende einer dreieinhalb-jährigen Ausbildung, sondern wurdenanschließend auch als Vollzugsbeam-te auf Bewährung vereidigt. Ein sym-bolischer Akt, den Kristina Vogel anjenem Tag nachholte, als sechs Män-ner und Frauen, die schon längerdabei sind und erfolgreich ihre Pro-bezeit bestanden hatten, ihre soheiß begehrte Urkunde als Beamteauf Lebenszeit vom Leiter der Bun-despolizei-Sportschule, dem Ersten

Polizeihauptkommissar JochenMaron, ausgehändigt bekamen.

"Es war ein verdammt harterAbschnitt, der hinter mir lag", erklär-te die kleine Thüringerin (nur 1,595 mgroß), denn ihr Tagespensum in denzurückliegenden Wochen veranschlag-te mehr als die üblichen acht Stunden.Früh um 7 Ihr begann der Unterricht,der bis 15.30 Uhr dauerte. Dann ginges häufig mit dem Auto nach Frank-furt/Oder (Fahrzeit 50 Minuten) zumdreistündigen Bahntraining, ehe zwi-schen 20 und 21 Uhr Kienbaum wiedererreicht und in der Kantine alles fürdas Abendbrot bereitgestellt war.Danach musste Kristina aber nochden Vormittagsstoff verarbeiten.

Da es üblicherweise zwischen deneinzelnen Unterrichtsblöcken aucheine oder zwei Freizeitstunden gab,nutzte die sechsfache Junioren-Welt-meisterin diese zum Trainieren, ent-weder an den Hanteln im Kraftraum,zu Fahrten auf der viel befahrenen B1 und 5 (mit Begleitschutz einesPolizeiwagens) oder zu kurzenSprint- und Antrittsübungen in dermit einer 265 m Rundbahn und Tar-tanbelag ausgestatteten Leichtathle-tikhalle. Das alles fand unter der Auf-sicht von Jörg-Uwe Krünägel statt,dem Bundespolizei-Radsporttrainer,der früher mit einem Jens Fiedler,Emanuel Raasch, Eik Pokorny oderBill Huck, allesamt Topsprinter,zusammengearbeitet hatte.

Über Kristina Vogel meinte er: "Siehat einen unbändigen Willen undgroßen Ehrgeiz. Das Wichtigste aber,ihr macht der Sport immer nochSpaß, trotz der hohen Belastung. Aufjeden Fall ist es bewundernswert, wiesie Dinge zwischen Lernen und Trai-ning gemeistert hat. Da kann sich somanch einer eine Scheibe abschnei-den." Auch Jochen Maron fand dasäußerst bemerkenswert, gab gleich-zeitig der Vorzeige-Dame im Radsportallerdings mit auf den Weg, dass siesich künftig verstärkt der Polizei-Pra-xis widmen müsse, die wegen der vie-len Großereignisse etwas in den Hin-tergrund gerückt war.

Wer ist eigentlich diese erfolgrei-che Radsprinterin? Sie wurde 1990im kirgisischen Leninskoje geboren

und kam als Baby mit ihren Elternnach Deutschland, die in Sömmerdaeine neue Bleibe fanden. "Sportbe-geistert war ich schon immer, bis ichim Jahr 2000 meinen Sport gefundenhabe, den Radsport", schreibt sie aufihrer Homepage. Erst versuchte siesich auf der Straße, doch schon baldwechselte sie auf die Bahn, wo siesehr schnell zu Erfolgen kam. Sechs-mal Junioren-Weltmeisterin 2007und 2008 (Zeitfahren, Sprint, Team-sprint), ehe sie im Jahr darauf einenschweren Unfall erlitt. Ein Autonahm ihr während des Straßentrai-nings die Vorfahrt. Die Folge: ZweiTage Koma, vier Wochen Kranken-haus, drei Monate Reha nach not-wendig gewesener Operation.

Mit großer Kraftanstrengung und viel Willen schaffte sie esjedoch, dass sie wieder in den Sat-tel steigen konnte. Bei den Deut-schen Bahn-Meisterschaften inCottbus 2010 war Kristina Vogelfast schon wieder die alte, gewanndrei Titel und kam im Dezember imkolumbianischen Cali zu ihremersten Weltcupsieg. Doch der großeDurchbruch gelang 2012. ErstTeamsprint-Gold bei der WM in Mel-bourne, dann der Olympiasieg mitMiriam Welte in London, wobei siedavon profitierte, dass die beidenChinesinnen Gong/Guo wegen einesWechselfehlers disqualifiziert undauf den zweiten Platz zurückver-setzt werden mussten. In Minsk gabes die gleiche Reihenfolge, nur dassdie beiden Deutschen diesmal allesauf der Bahn klar machten und mit33,053 zu 33,083 Sekunden ihreGegnerinnen bezwangen.

"Jetzt habe ich mir aber denUrlaub redlich verdient", meinte diekleine Fahrerin vom RSC TurbineErfurt, die in der weißrussischenHauptstadt auch noch Silber im Ein-zelsprint gewann und im abschließen-den Keirin-Wettbewerb in aussichts-reicher Position leider stürzte, sodass sie leicht humpelnd zur Vereidi-gung nach Kienbaum kam.

Legte nachträglich ihren Eid ab, die Weltmeisterin Kristina Vogel, den ihrder Erste Polizeihauptkomissar Jochen Maron vorgesprochen hatte

Kristina Vogel - ein Energiebündel Erst Polizeimeisterin, dann Weltmeisterin im Teamsprint geworden

Golddekoriert: Kristina Vogel

KIENBAUM-JOURNAL April 2013 23

Die Aushändigung der Urkundenals Beamte auf Lebenszeit an sechsSportler und Sportlerinnen war fürden Ersten PolizeihauptkommissarJochen Maron zugleich ein willkom-mener Anlass, auf die großartigenErfolge bei der Bahn-WM in Minskhinzuweisen, wo "seine" Radsportlerbemerkenswerte Erfolge errangen.

Neben Kristina Vogel (Gold undSilber) gewann der im ersten Lehr-jahr befindliche Stefan Böttichernicht nur den Teamsprintmit seinen beiden Mitstrei-tern René Enders (bereitsPolizeimeister) und Maximi-lian Levy, sondern überra-schend auch gegen starkeKonkurrenz den Titel im Ein-zelsprint, was er gar nicht fassenkonnte. "Es ist unbeschreiblich undein tolles, neues Gefühl", erklärteder 21-Jährige, der den Vorzug vorOlympia-Starter Robert Förstemannerhielt und seine Feuertaufe imTeamwettbewerb glänzend bestand.

Schließlich steuerte JoachimEilers, der wie Bötticher am 3. Sep-tember in Kienbaum seine Ausbil-dung begann und derzeit Polizeimeis-ter-Anwärter ist, eine Bronzemedail-le im 1000-m-Zeitfahren bei, woranJörg-Uwe Krünägel im Verbund mitden Heimtrainern einen großenAnteil besaß, denn zwischen Sep-tember und Dezember läuft jeweils

der Intensiv-Lernkurs in der Polizeis-portschule am Liebenberger See, wounbedingte Anwesenheit Pflicht ist.

Die Lebzeit-Verbeamtung wurdefolgendem Sextett zuteil:

Britta Oppelt, Ruderin aus Berlin.Olympia-Silber in London mit demDoppelvierer, zuvor schon einmalZweite (Athen 2004) und zweimalDritte (2008 Peking 2008)

Kerstin Thiele, Judo-kämpferin aus Leipzig,Olympia-Silber in der 70-Kilo-Klasse in London, drei-fache Deutsche Meisterin

Martin Wierig, Diskus-werfer aus Magdeburg, Olympia-Sechster mit dem Diskus in London

Janin Lindenberg, 400-m-Läuferinaus Magdeburg, Norman Müller,Zehnkämpfer aus Halle/Saale undAnnika Heise, Judokämpferin ausHannover

Jochen Maron gratulierte denerfolgreichen Sportlerinnen undSportlern mit den Worten, dass siesich sowohl sportlich als auch alsVollzugsbeamte bewährt haben unddas sicherlich auch in Zukunft tunwerden, denn ihnen stehen die viel-fältigsten Themenfelder offen.

Präsentieren stolz ihre gerade erhaltene Beamten-Urkunde, sechs hervor-ragende Sportlerinnen und Sportler

Zwei Silber-Frauen erhieltenihre Beamten-Urkunde

Hin und zurück! Oksana Chuso-vitina, die 14 Jahre lang für Usbe-kistan startete, anschließend von2006 und bis 2012 für den Deut-schen Turnerbund, hat sozusageneine Rolle rückwärts gemacht undvertritt künftig wieder ihr Geburts-land. Teilnahme in Rio nicht aus-geschlossen. Es wären ihre sieben-ten Olympischen Spiele.

Die inzwischen 37-Jährige, Sil-bermedaillengewinnerin vonPeking im Sprung, will weiter inBergisch-Gladbach bei Köln woh-nen und eine Karriere als Trainerinanstreben, gleichzeitig sich aber

um den Nachwuchs in Usbekistankümmern.

"Oksana hat seit ihrer Einbürge-rung viel für das deutsche Frauen-turnen getan. Deshalb haben wirihrem Wunsch entsprochen undeiner Startberechtigung für Usbe-kistan zugestimmt", erklärte DTB-Präsident Rainer Brechtken. Undauch der Internationale VerbandFIG gab sein Okay.

Schon wenige Tage nach seinerbitteren K.o.-Niederlage im WM-Kampf gegen den neuen Supermit-telgewichts-Champion Robert Stieg-litz (Abbruch wegen einer Augen-verletzung in Runde vier durch denRingarzt) zeigte sich der BerlinerArthur Abraham schon wiederzuversichtlich für den weiteren Ver-lauf seiner Karriere.

Der Schützling von Trainer UlliWegner, der oft in Kienbaum trai-niert, meinte: "Ich steige weiter inden Ring und hoffe auf eine Revan-che. Schließlich wurde ich nur durcheine Verletzung gestoppt. DasAugenlicht kann man nicht ersetzen.

Einen Box-Kampf dagegen wiederho-len. Ich bin bereit, überall gegenStieglitz anzutreten."

Für seine Zukunft im Boxring hat"King Arthur" sogar seinen Sin-gapur-Urlaub abgesagt und will,wenn sein Auge wieder ganzgesund ist, sofort mit dem Trainingbeginnen. Dann wahrscheinlichauch wieder in Kienbaum, wo ersich in der Vergangenheit oft vor-bereitete.

Künftig will sie wieder für

Usbekistan turnen

“Ich steige wieder in den Ring und will Revanche”

Fünf Jahre nach seinem grandio-sen Olympiasieg hat der Gewichthe-ber Matthias Steiner (30), der auchdas eine oder andere Mal in Kien-baum war, seinen Rücktritt vomaktiven Sport erklärt. Zu seiner Ent-scheidung sagte er, der inzwischenzweifacher Vater ist: "Das tue ichaus Verantwortung gegenüber mei-ner Familie: Wenn meine Söhne 20sind, brauchen sie mich nicht mehr.Sie brauchen mich jetzt! Ich möchtekein Vater sein, der nur weg ist."

Seit 2010 ist er mit der TV-Mode-ratorin Inge Posmyk (42) verheira-tet, die beiden haben zwei Söhne:Felix (3) und Max (1).

Steiner gab zu, dass er nach sei-nem schweren Hantel-Unfall in Lon-don von den Ärzten als kerngesundbezeichnet worden ist. "Ich hätte esalso noch mal ganz nach obenschaffen können. Aber wenn dunach einem harten Training nachHause kommst, hätte ich meinenKindern und meiner Frau sagen müs-sen: ,Lasst mich in Ruhe! Ich mussmich jetzt hinlegen.' Das will ichnicht. Meine Familie hat in den letz-ten Jahren genug gelitten."

“Wenn meine Söhne20 sind, brauchen

sie mich nicht mehr”

Gewichtheber Steiner hört auf

Oksana Chusovitina: Rolle rückwärts

Arthur Abraham boxt weiter