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Die Taktik fürs Tempo Wer wächst, hat Erfolg. Doch der schnelle Aufstieg bedeutet eine Herausforderung für Management Vroom! Vroom! Finanzierung _Wachstum 14 Deutsche Bank_results

14 Finanzierung Wachstum Deutsche Bank results Die Taktik · ckelt. 300 000 Mark hätte es damals gebraucht, um diese Weltneuheit auf den Markt zu bringen. Doch im skeptischen Deutschland

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Page 1: 14 Finanzierung Wachstum Deutsche Bank results Die Taktik · ckelt. 300 000 Mark hätte es damals gebraucht, um diese Weltneuheit auf den Markt zu bringen. Doch im skeptischen Deutschland

Die Taktik

fürs TempoWer wächst, hat Erfolg. Doch der schnelle Aufstieg bedeutet eine Herausforderung für Management

Vroom!Vroom!

Finanzierung_Wachstum14 Deutsche Bank_r e s u l t s

Results_03_2014_014 14 29.08.14 11:56

Page 2: 14 Finanzierung Wachstum Deutsche Bank results Die Taktik · ckelt. 300 000 Mark hätte es damals gebraucht, um diese Weltneuheit auf den Markt zu bringen. Doch im skeptischen Deutschland

und Mannschaft. Was heißt es, Abläufe und Finanzierung immer wieder neu aufzustellen?

sind seine Kunden. In fast 25 Ländern weltweit hat

Koyun inzwischen seine Abnehmer, rund 60 Prozent

des Umsatzes sind international.

In den kommenden fünf Jahren soll sich der Um-

satz auf rund 100 Millionen Euro verdoppeln, doch

Koyun, längst keine 18 mehr, weiß um die natürli-

chen Grenzen des Wachstums: Seit Juli ist erstmals

ein angestellter CEO an Bord, einer von den Großen

der Branche. Ein neues Managementsystem wird

gerade installiert, eine Holding-Struktur soll folgen.

Zwei Monate war er im Frühjahr im IT-Land USA, um

dort die neue Kobil-Tochter zu starten, hat viele Un-

ternehmen besucht und die Mannschaft daheim ein-

fach machen lassen. „Ich halte nichts von gestress-

ten Managern“, sagt er. „Die machen was falsch.“

Fast 20 Prozent des Umsatzes als Kredit

Möglichst stressfrei will er auch sein Wachstum

fi nanzieren. Rund 30 Millionen Euro hat er in den

vergangenen zehn Jahren in die Entwicklung inves-

tiert. Dennoch will er fi nanziell „vorsichtig bleiben“,

sagt er, es ist schließlich eigenes Geld, das er ris-

kiert.

Kobil Systems ist kerngesund, doch im Sommer

2013 stellte er die Deutsche Bank vor keine ganz

leichte Aufgabe: Ein Kredit in Höhe von fast 20 Pro-

zent des Jahresumsatzes soll den nächsten Wachs-

tumsschub ermöglichen. Wer solche Kennzahlen

hat, dem empfehlen Banken gern neue Partner.

Doch einen Investor mit ins Boot zu holen, kam für

Koyun nicht infrage. Einer wie er will Eigentümer

bleiben – zu 100 Prozent. Die Deutsche Bank sorgte

dafür, dass er sein Geld bekam: Nicht immer sind es

allein die Kennzahlen, die zählen.

Dass Koyun früher nicht so einfach an neue Mittel

kam, schmerzt ihn bis heute: 1993 hatte er das erste

mobile POS-Zahlungssystem zum Prototyp entwi-

ckelt. 300 000 Mark hätte es damals gebraucht, um

diese Weltneuheit auf den Markt zu bringen. Doch im

skeptischen Deutschland war niemand bereit, dafür

Geld zu geben. Heute hat fast jeder Kellner so ein

Gerät. Der Prototyp liegt bei Koyun noch immer im

Schrank, das Geschäft machen andere.

 Seine erste unternehmerische Erfahrung

macht Ismet Koyun mit 14. Da verkauft der

junge Türke in seiner Heimatstadt Petersi-

lie an den Haustüren der Nachbarn. Es endet mit

Schulden. Ein paar Jahre später versucht er

sich erneut. Diesmal wird er reich.

Und das geht so: Mit 18 zieht Koyun

allein nach Deutschland, um Informa-

tik zu studieren. Schon im Studium,

während die anderen Party machen,

schraubt er aus importierten Bautei-

len komplette PCs zusammen. Wenig

später gründet er in Worms die IT- Firma

Kobil Systems. Ein Jobangebot der deut-

schen EDV-Legende Nixdorf lehnt er dan-

kend ab. Und als wäre das alles noch nicht

genug Arbeit, kauft und saniert er nebenbei zwei

marode Fruchtsafthersteller in der Türkei. Da ist er

Mitte 30 und schon Erfolgsunternehmer.

Als einer der Ersten erkennt Koyun das Thema

Datensicherheit bei Internet-Transaktionen. Und hat

damit das richtige Gespür: 1995 gewinnt er bei der

Deutschen Telekom einen Großauftrag zur bundes-

weiten Einführung von Chipkartenlesegeräten. 2003

verkauft er das weltweit erste installationslose Chip-

kartenlesegerät: Der USB-Schlüssel „mIDentity“ wird

der Blockbuster für Kobil, selbst Bill Gates erwähnt

das Produkt in einem Vortrag zur Datensicherheit

im Internet. Koyun hat mit einem Datenschlüssel

made in Germany seine Marktlücke gefunden.

80 Prozent seines Umsatzes macht Kobil in

dieser Zeit mit Hardware, doch er weiß, die Zukunft

liegt woanders. Die Anwendungen werden mobil,

immer mehr Menschen nutzen ihr Smartphone als

Bankschalter und Reisebüro. „App-Sicherheit ist das

Geschäft der Zukunft“, sagt Koyun und investiert rund

fünf Millionen Euro in eine sichere Smart phone-App.

„Wir sind heute weltweit der einzige Hersteller, der

für Smartphones die gleiche Sicherheit bietet wie bei

einer festen Verbindung.“ Fast jeder zweite Mitarbei-

ter arbeitet in der Entwicklung. Die Migros-Bank, eine

ganze Reihe türkischer Banken, mehrere Sparkassen

und seit wenigen Wochen auch die Deutsche Post

ThesenTempo: Schnell wachsende Unter-

nehmen müssen in der Lage sein, die

ganze Organisation dem hohen

Tempo anzupassen – nicht nur in der

Personalabteilung und der Produktion,

sondern auch bei der Finanzierung.

Kommunikation: Wer in hohem

Tempo expandiert, hat oft scheinbar

schlechtere Kennzahlen als

ein Unternehmen mit langsamerem

Wachstum. Finanzierungspartner

müssen das verstehen und sich dar-

auf einstellen können.

Bremsung: Erfolgreiche Unternehmen

suchen nicht Wachstum um jeden

Preis – sie wissen, dass sie manchmal

bremsen müssen, um nicht aus der

Spur zu geraten.

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Page 3: 14 Finanzierung Wachstum Deutsche Bank results Die Taktik · ckelt. 300 000 Mark hätte es damals gebraucht, um diese Weltneuheit auf den Markt zu bringen. Doch im skeptischen Deutschland

Grenzen. Der gerade fertiggestellte Neubau ist

schon wieder zu klein, nachher geht’s zum Spaten-

stich für eine weitere Halle. „Wir könnten noch grö-

ßer sein“, sagt Stark, doch mitunter haben ihn auch

die Banken in seinem stürmischen Vorwärtsdrang

gebremst. „Unser Wachstum wollte anfangs kei-

ner glauben.“ Heute schon. Die Finanzierung hält er

dennoch gern schlank: Alle Großmaschinen werden

geleast, Immobilien per Darlehen fi nanziert, der

Rest über den Cashfl ow. Das war’s auch schon.

Kommunikation war das Problem

Einmal im Jahr bekommt Stark Besuch vom Exper-

tenteam Automotive & Engineering der Deutschen

Bank in Stuttgart. Da geht es dann nicht um Kredite,

sondern um Produkte, Marktumfeld, Wettbewerber

oder die Frage, welche Projektgröße denn noch

zum Unternehmen passt. Christian Hesse von der

Deutschen Bank kommt aus der Branche, hat Ma-

schinenbau studiert, war bei Daimler, einem Auto-

mobilzulieferer und dem Fraunhofer-Institut. „Wir

müssen das Wachstum des Kunden hinterfragen

und verstehen“, sagt Hesse, „denn dann können wir

mit der Finanzierung auch mal aus dem üblichen

Rahmen springen.“

Die wichtigste Herausforderung beim Wachstum?

Für Hermann Stark gar nicht mal das Geld, sondern

die Kommunikation. Wie erreiche ich meine Mitar-

beiter, wenn nichts mehr so wie einst per Zuruf geht?

Und wie erhalte ich alle Informationen? Stark macht

monatlich Bilanz. Und lässt jeden Änderungswunsch

des Kunden minutenschnell in die Nachkalkulation

einfl ießen – Just-in-time-Controlling sozusagen.

Stark will und wird weiter wachsen, keine Frage.

Die hohe Abhängigkeit von der Autoindustrie senkt

er gerade durch den Aufbau neuer Geschäftsfelder

für die Pharma- und Lebensmittelbranche. Und

gleicht das extrem schwankungsanfällige Projekt-

geschäft mit den langen Montagelinien mit zusätz-

licher Lohnfertigung in schwachen Monaten aus.

„Wachstum bedeutet, immer wieder alles zu hinter-

fragen“, weiß Monika Garske, verantwortlich für das

Firmenkundengeschäft der Deutschen Bank in der

Es sind Erfahrungen, mit denen gute Unterneh-

mer wie Ismet Koyun klarkommen. Zu solchen Erfah-

rungen gehört auch, praktisch von einem Tag auf den

anderen im Chefsessel zu sitzen. So geschehen bei

Hermann Stark, Inhaber des schwäbischen Maschi-

nenbauspezialisten VAF. Wie Koyun hat Stark nicht

geerbt, sondern sich alles Schritt für Schritt erarbei-

tet: Er war technischer Zeichner, Konstrukteur, Ver-

triebsmann. Dann, Mitte der neunziger Jahre, stirbt

überraschend der Firmenchef seines Unternehmens,

und Stark übernimmt den noch sehr kleinen Betrieb.

Der Erfolg ist durchschlagend. Umsatz 2006: 10 Millio-

nen Euro. 2013, im Jahr des 30-jährigen Bestehens,

sind es rund 60 Millionen. Wer in so kurzer Zeit seinen

Umsatz versechsfacht, muss etwas richtig machen.

VAF liefert und montiert produktionsbereite

Montagelinien für die Motoren-, Getriebe- und Fahr-

werksfertigung. 800 Meter an einem Stück, mit Au-

tomatik-, Halbautomatik- und Handarbeitsplätzen.

Andere machen das auch, aber keiner geht so inten-

siv und fl exibel auf seine Kunden ein. Termintreue,

Qualität, langfristige Kundenbeziehungen sind für

Stark zentrale Werte. „Jede Maschine ist ein Unikat“,

sagt Stark, „nichts kommt aus der Schublade.“ Die

großen Kunden aus dem Fahrzeugbau mögen Stark

und sein Unternehmen. Bei Volkswagen zählen die

umtriebigen und tüfteligen Schwaben inzwischen

zu den Top-100-Lieferanten. Und so wächst und ge-

deiht der Sondermaschinenbauer munter weiter.

„Unser Betrieb läuft auch, wenn ich mal um-

falle“, sagt der Chef und hat gerade neben techni-

schem und kaufmännischem Leiter zwei weitere

Manager mit Führungspotenzial an Bord geholt.

Doch wer so wächst, stößt immer wieder an die

„Unser Wachstum

wollte anfangs

keiner glauben“

Woo0sh!Wooosh!Grenzen. Der gerade fertiggestellte Neubau ist

schon wieder zu klein, nachher geht’s zum Spaten-

stich für eine weitere Halle. „Wir könnten noch grö-

ßer sein“, sagt Stark, doch mitunter haben ihn auch

die Banken in seinem stürmischen Vorwärtsdrang

gebremst. „Unser Wachstum wollte anfangs kei-

ner glauben.“ Heute schon. Die Finanzierung hält er

dennoch gern schlank: Alle Großmaschinen werden

geleast, Immobilien per Darlehen fi nanziert, der

Rest über den Cashfl ow. Das war’s auch schon.

Kommunikation war das Problem

Einmal im Jahr bekommt Stark Besuch vom Exper-

tenteam Automotive & Engineering der Deutschen

Bank in Stuttgart. Da geht es dann nicht um Kredite,

sondern um Produkte, Marktumfeld, Wettbewerber

oder die Frage, welche Projektgröße denn noch

zum Unternehmen passt. Christian Hesse von der

Deutschen Bank kommt aus der Branche, hat Ma-

schinenbau studiert, war bei Daimler, einem Auto-

mobilzulieferer und dem Fraunhofer-Institut. „Wir

müssen das Wachstum des Kunden hinterfragen

und verstehen“, sagt Hesse, „denn dann können wir

mit der Finanzierung auch mal aus dem üblichen

Rahmen springen.“

Die wichtigste Herausforderung beim Wachstum?

Für Hermann Stark gar nicht mal das Geld, sondern

die Kommunikation. Wie erreiche ich meine Mitar-

beiter, wenn nichts mehr so wie einst per Zuruf geht?

Und wie erhalte ich alle Informationen? Stark macht

monatlich Bilanz. Und lässt jeden Änderungswunsch

des Kunden minutenschnell in die Nachkalkulation

einfl ießen – Just-in-time-Controlling sozusagen.

Stark will und wird weiter wachsen, keine Frage.

Die hohe Abhängigkeit von der Autoindustrie senkt

er gerade durch den Aufbau neuer Geschäftsfelder

für die Pharma- und Lebensmittelbranche. Und

gleicht das extrem schwankungsanfällige Projekt-

geschäft mit den langen Montagelinien mit zusätz-

licher Lohnfertigung in schwachen Monaten aus.

„Wachstum bedeutet, immer wieder alles zu hinter-

fragen“, weiß Monika Garske, verantwortlich für das

Firmenkundengeschäft der Deutschen Bank in der

Es sind Erfahrungen, mit denen gute Unterneh-

mer wie Ismet Koyun klarkommen. Zu solchen Erfah-

rungen gehört auch, praktisch von einem Tag auf den

anderen im Chefsessel zu sitzen. So geschehen bei

Hermann Stark, Inhaber des schwäbischen Maschi-

nenbauspezialisten VAF. Wie Koyun hat Stark nicht

geerbt, sondern sich alles Schritt für Schritt erarbei-

tet: Er war technischer Zeichner, Konstrukteur, Ver-

triebsmann. Dann, Mitte der neunziger Jahre, stirbt

überraschend der Firmenchef seines Unternehmens,

und Stark übernimmt den noch sehr kleinen Betrieb.

Der Erfolg ist durchschlagend. Umsatz 2006: 10 Millio-

nen Euro. 2013, im Jahr des 30-jährigen Bestehens,

sind es rund 60 Millionen. Wer in so kurzer Zeit seinen

Umsatz versechsfacht, muss etwas richtig machen.

VAF liefert und montiert produktionsbereite

Montagelinien für die Motoren-, Getriebe- und Fahr-

werksfertigung. 800 Meter an einem Stück, mit Au-

tomatik-, Halbautomatik- und Handarbeitsplätzen.

Andere machen das auch, aber keiner geht so inten-

siv und fl exibel auf seine Kunden ein. Termintreue,

Qualität, langfristige Kundenbeziehungen sind für

Stark zentrale Werte. „Jede Maschine ist ein Unikat“,

sagt Stark, „nichts kommt aus der Schublade.“ Die

großen Kunden aus dem Fahrzeugbau mögen Stark

und sein Unternehmen. Bei Volkswagen zählen die

umtriebigen und tüfteligen Schwaben inzwischen

zu den Top-100-Lieferanten. Und so wächst und ge-

deiht der Sondermaschinenbauer munter weiter.

„Unser Betrieb läuft auch, wenn ich mal um-

falle“, sagt der Chef und hat gerade neben techni-

schem und kaufmännischem Leiter zwei weitere

Manager mit Führungspotenzial an Bord geholt.

Doch wer so wächst, stößt immer wieder an die

„Unser Wachstum

wollte anfangs

keiner glauben“

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Page 4: 14 Finanzierung Wachstum Deutsche Bank results Die Taktik · ckelt. 300 000 Mark hätte es damals gebraucht, um diese Weltneuheit auf den Markt zu bringen. Doch im skeptischen Deutschland

Region Rheinland-Pfalz/Saar/Wiesbaden (siehe In-

terview Seite 19).

Ein gutes Beispiel dafür ist der Crailsheimer

Fleisch verarbeiter CDS Hackner. Der sah sich sol-

chen Fragen schon bei der BSE-Krise ausgesetzt.

CDS, hervorgegangen aus der „Crailsheimer Darm-

sortieranstalt“, ist heute weltweiter Produzent

von natürlichen Wursthüllen. Doch um die Jahr-

tausendwende war der gesamte Warenbestand

binnen weniger Wochen wertlos geworden. „Mit

BSE mussten wir alles umkrempeln“, sagt Michael

Hackner, der Juniorchef. Da war CDS bereits euro-

paweit Marktführer für Rinderdärme. „Es war eine

Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes“, doch

mittendrin haben Vater und Sohn den Mut, ihr

bis dahin kleines Geschäftsfeld der sogenannten

Schlachtnebenprodukte massiv auszubauen.

Die Grundidee: Was in Mitteleuropa nicht auf den

Teller kommt, ist anderswo eine Delikatesse. Rund ein

Drittel vom Tier landet in Europa praktisch auf dem

Müll. Aus Teilen eines tierischen Lebensmittels Biogas

zu machen, fi ndet Hackner angesichts von Welthun-

ger und Überbevölkerung schlichtweg unmoralisch.

„All you can meat“ lautet deshalb das Firmenmotto,

und das darf wörtlich genommen werden.

Die Hackners haben sich intensiv mit den Esskul-

turen weltweit beschäftigt, reisen und probieren

viel. So ist etwa in China ein Schweinemagen doppelt

so teuer wie ein Filet. Bullenhoden mag der Spanier,

Schweinefüße gehen nach Asien, Rinderfüße nach

Afrika. Exportanteil der Schlachtnebenprodukte, es

verwundert kaum: 90 Prozent.

Ein voller Erfolg. 1600 Kunden hat Hackner in-

zwischen rund um den Globus für seine tiefgefro-

renen Schlachtnebenprodukte. 700 Mitarbeiter ar-

beiten für das Unternehmen heute weltweit, allein

am Heimatstandort hat sich die Mannschaft seit

der Jahrtausendwende verdoppelt.

Wachstum, das weiß auch Hackner junior, hat

immer zwei Seiten – und darum wird jetzt erst mal

etwas konsolidiert. Der aus seiner Sicht schlimms-

te Fehler eines Wachstumsunternehmens: den

Mitarbeiterstamm bei Zahl, Qualifi kation und

Kobil Systems: Ein Türke zeigt es allen Aus Deutschland heraus von null auf ein weltweit präsentes EDV-Unternehmen aufzubauen,

das schafft nicht jeder. Ismet Koyun schon. Frühzeitig hat er die Sicherheitsrisiken des

mobilen Internets erkannt. Die Menschen nutzen das Smartphone als Bankschalter, Reise-

büro und Shoppingcenter, doch „keine App ist wirklich sicher“, sagt er. Es sei denn, sie ist

von Kobil Systems abgesichert. Vergleichbare Wettbewerber? Keine. Deshalb startet er nun

in den USA, dem erfolgreichsten EDV-Land der Welt.

VAF: Alles neu für jeden Kunden Gelernt hat Hermann Stark technischer Zeichner, doch als der Chef überraschend starb,

übernahm er den Betrieb. Und machte ihn zu einem der Großen in seinem Segment. VAF baut

komplette Montagelinien für die Produktion von Motoren, Getrieben, Fahrwerken. Zulieferer

für die Autoindustrie gibt es viele, doch die Schwaben haben sich eine besondere Position

erarbeitet: Keiner liefert so spezifi sch auf den Kunden zugeschnitten wie VAF. Kostengünstig

sind sie dennoch geblieben – und bei Unternehmen wie Volkswagen ein prämierter Lieferant.

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Page 5: 14 Finanzierung Wachstum Deutsche Bank results Die Taktik · ckelt. 300 000 Mark hätte es damals gebraucht, um diese Weltneuheit auf den Markt zu bringen. Doch im skeptischen Deutschland

Bezahlung nicht rechtzeitig anpassen. „Ein

toller Betrieb ohne gute Leute“, sagt er, „das bringt

nichts.“ Die Nachfolge haben Vater und Sohn vor vier

Jahren erfolgreich vollzogen, die Organisation erneu-

ert, eine eigene Managementebene mit langjährigen

Prokuristen und Controllern ist eingezogen. Ständig

wird am Standort gebaut und erweitert.

Mezzanine half beim Wachstum

Zweimal griff CDS auf eine Mezzanine-Finanzierung

zurück. Die ist längst zurückgezahlt, war aber nötig:

„Mit einer normalen Bankfi nanzierung hätten wir un-

ser Wachstum nicht hingekriegt.“ Doch die nötigen

Mittel bekamen die Hackners immer gestellt, denn:

„Wir bauen keine Luftschlösser; unsere Planzahlen

gehen auf.“ Mit seinen drei Geschäftsfeldern Na-

turdärme, Schlachtnebenprodukte und inzwischen

auch Tiefkühldienstleistungen ist CDS inzwischen

weitaus breiter und risikoärmer aufgestellt als zu den

Zeiten von BSE. Doch Michael Hackner hat schon die

nächste Idee an der Rampe: Gerade startet er einen

Webshop für Hundefutter.

Wachstum durch Einstieg in benachbarte Ge-

schäftsfelder – diese Idee treibt auch Jörn Kluge,

Inhaber der Berliner MT.DERM. 1998 übernimmt Klu-

ge, da ist er gerade mit dem Studium durch, einen

angeschlagenen Medizingerätehersteller. Ein ge-

wisses familiäres Vorwissen ist vorhanden, Kluges

Vater produziert Nadeln für die Chirurgie. Der Vater

lässt ihn machen, Kluge setzt auf die Kernkompetenz

des Unter nehmens: Injektion von Substanzen in die

Haut. Und er hat zwei Ideen. Zum einen die Auswei-

tung der Kernkompetenz auf benachbarte Anwen-

dungsgebiete – erst für die Injektion von Impfstoffen

(Medizin) und dann für die Injektion von Farbe (Tatoo-

studios und Permanent-Make-up-Salons).

Die zweite Idee: nicht nur Nadeln zu liefern, son-

dern auch die dazugehörigen Geräte und Farben zu

entwickeln. Dabei entstehen auch Synergien in For-

schung und Produktion.

Der Erfolg: ein rasantes Wachstum, in den

vergangenen Jahren im Schnitt rund 30 Prozent.

Allein 2013 machte das Unternehmen einen Um-

MT.DERM: Prinzip NadelstichGute Ideen zahlen sich aus. So dachte sich das auch der Unternehmer Jörn Kluge, als er

eine kleine Fabrik für Medizingeräte übernahm und in allen Bereichen professionalisierte.

Heute entwickelt MT.DERM Technologie zum Einstechen von Substanzen in die Haut, etwa

für die Medizintechnik, Permanent-Make-up und Tatoo. Kluge investiert viel Geld in F&E,

hält zahlreiche Patente und ist damit dem zersplitterten Wettbewerb meilenweit voraus.

Das Ziel: Nummer 1 in allen Geschäftsfeldern. Allzu weit ist er davon nicht entfernt.

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CDS Hackner: Alles ist wertvoll „All you can meat“ ist das Motto des Fleischverwerters CDS Hackner, und das darf

wörtlich genommen werden. Hanspeter und Michael Hackner veredeln und verkaufen jene

Stücke vom Tier, bei denen sich die meisten Mitteleuropäer mit Grausen abwenden.

Doch in vielen Teilen der Welt sind ausgerechnet diese Stücke fester Teil der Küche. Reste von

einem Tier zu verbrennen, während anderswo Menschen hungern, halten Hackners

für unmoralisch. Irgendwie haben die beiden recht. Und damit ganz schön viel Erfolg.

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„Ein toller Betrieb ohne tolle Leute bringt nichts“

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Page 6: 14 Finanzierung Wachstum Deutsche Bank results Die Taktik · ckelt. 300 000 Mark hätte es damals gebraucht, um diese Weltneuheit auf den Markt zu bringen. Doch im skeptischen Deutschland

Aktuell haben wir extrem niedrige

Zinsen. Verführt das viele Unternehmer

nicht zum Kauf von Wachstum – etwa

durch eine kreditfi nanzierte Übernahme

oder durch eine Erweiterung von Sorti-

ment und Markt?

Es ist sicher eine verführerische

Situation. Aber zum Glück lassen sich

nur die wenigsten Unternehmer

allein von den niedrigen Zinsen locken.

Die wären auch ziemlich schnell auf der

falschen Seite. Gute Wachstumsideen

entstehen aus dem Geschäftsmodell und

nicht wegen eines günstigen Zinssatzes.

Banken gelten manchmal auch als

Wachstumsbremser: zu wenig

risikofreudig, zu wenig aufgeschlossen

gegenüber neuen Ideen und

Strategien.

Das wird immer mal gesagt. Aber

Wachstum ist auch eine Heraus-

forderung: Schon die Integration eines

nur halb so großen Unternehmens

kann einen Betrieb an die Grenzen

seiner Funktions fähigkeit bringen.

Deshalb hat eine Bank hier eine ganz

wichtige Sparringspartnerfunktion.

Sie hilft dabei, sich gemeinsam

über alle Pros und Cons Klarheit zu

verschaffen.

Was kann denn da so schiefgehen?

Eine ganze Menge. Etwa, wenn ein

mittelgroßer Bauunternehmer glaubt,

er könne jetzt auch in die Projekt-

entwicklung von Immobilien einsteigen,

weil das ja auch mit „Bau“ zu tun hat.

Hier ergeben sich neue Herausfor-

derungen an die gesamte Aufstellung

und Abwicklung im Unternehmen.

Oder wenn sich ein Unternehmen beim

Weg ins Ausland plötzlich mit völlig

unbekannten kulturellen Gepfl ogen-

heiten oder einem ganz anderen Rechts-

raum konfrontiert sieht. Es kann

nicht falsch sein, vorher selbstkritisch

zu prüfen, ob man solche Heraus-

forderungen stemmen kann.

Ihr wichtigster Ratschlag an Wachstums-

unternehmen?

Diese Unternehmen müssen ständig

alles hinterfragen, jeden betrieblichen

Ablauf, jede Führungsebene. Schließlich

soll ja der gesamte Organismus eines

Unternehmens mitwachsen. Das ist eine

enorme interne Herausforderung, denn

zugleich wollen ja noch die Kunden gut

bedient werden. Deshalb sollten sich

alle Wachstumsunternehmer unbedingt

mehrere Sparringpartner auf Augenhöhe

suchen. Und mit denen alles offen und

ausführlich diskutieren. Dann steigen die

Chancen auf eine erfolgreiche Umsetzung.

Die Bank ist aber nicht nur als Ratgeber

gefragt, sondern als Geldgeber …

… aber natürlich! Mittelständler suchen

heute mehr als früher eine Bank, die

sie langfristig begleitet und umfassend

betreut. Wer sich als Partner lange kennt,

kann die Chancen viel besser beurteilen.

Was heißt das konkret?

Ich muss als Bank nicht nur die abstrakten

Kennzahlen sehen, sondern ich muss auch

verstehen, was sie genau in der Situation

des einzelnen Unternehmens bedeuten. Ein

Firmenchef möchte einen neuen Kredit

in Höhe eines Fünftels seines Jahresumsat-

zes? Da schrillen doch bei jedem erst ein-

mal die Alarmglocken. Aber dieselbe Zahl,

die bei einem Unternehmen auf eine akute

Krise hin deutet, kann bei dem anderen Teil

einer besonderen Wachstumsstory sein.

Eine gute Bank erkennt den Unterschied.

satzsprung von 40 Prozent. Heute ist Kluge Welt-

marktführer bei der technischen Ausstattung für

Permanent-Make-up. Auslandsanteil am Umsatz:

inzwischen 75 Prozent.

„Wir wollen das Wachstum eher dämpfen“, sagt

Kluge, man wolle gesund bleiben. Es ist ein Hightech-

Geschäft, die Marktführerschaft wird durch Inno va-

tion, Qualität und die Sicherheit der Produkte er-

reicht. Rund 20 Patente hält das Unternehmen. Kluge

kooperiert mit der TU Berlin bei der Forschung, 25 Mit-

arbeiter arbeiten allein in der F&E. Wachsen, das heißt

auch ständig neue gute Mitarbeiter suchen und fi n-

den. Schon wieder sind die Gebäude an den beiden

Berliner Standorten zu eng, „wir benötigen ständig

Expansionsfl äche“. Die Abteilungsleiter ebene wird

gerade ausgebaut, Prozessverantwortliche werden

als neue Querfunktion eingeführt. Kluges MT.DERM

rennt mit Riesenschritten, doch er weiß, dass die

Strukturen nachwachsen müssen: „Wir dürfen“, sagt

er, „nicht das ganze Unternehmen überlasten.“

Kluge, der sich als „konservativer Finanzierer“

sieht, könnte sogar das aktuelle Sprungwachstum

rein aus sich heraus stemmen. Die Eigenkapitalquo-

te liegt über 60 Prozent, gerade mal 15 Prozent des

Unternehmens gehören Fremdgesellschaftern. Zu-

sätzliches Kapital? Neue Gesellschafter? Neue Finan-

zierungsformen? Eher nicht.

In nur 16 Jahren hat der vormalige Jungunter-

nehmer aus einem Betrieb mit 13 Mitarbeitern ein

weltweit verkaufendes Unternehmen aufgebaut,

eine Produktionstochter in Indien inklusive. Ein

weiteres Geschäftsfeld ist gerade in der Erprobung,

was genau, will er noch nicht verraten. Das Ziel:

in jedem Geschäftsfeld Marktführer werden. Die

Chancen stehen nicht schlecht: Seit seinem Start

ist MT.DERM jährlich um durchschnittlich 28 Pro-

zent gewachsen.

Nur 2009 war schlimm, ganz schlimm. Da lag der

Zuwachs bei gerade mal einem Prozent. Er sagt es

ziemlich emotionslos, sagt nicht, dass und wie ihn

das damals geärgert hat. Aber noch einmal passie-

ren, das soll es defi nitiv nie.

STEPHAN SCHLOTE

Monika Garske leitet das Firmenkundengeschäft der Deutschen Bank in der Region Rheinland-Pfalz/Saar/Wiesbaden

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Interview: „Ständig alles hinterfragen“

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