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323 6 Motivation, Emotion und Persönlichkeit Probanden einen Grund für die Unstimmigkeiten bei dem Politiker (oder dem Schauspieler) finden. Währenddessen wurde mit funktio- neller Magnetresonanztomografie beobachtet, was sich in der Lese- phase, aber auch in der Nachdenkphase in ihrem Gehirn abspielte. Wie sich zeigte, arbeitete das Gehirn jeweils anders, je nachdem, ob der Widerspruch beim „Liebling“, beim Anführer der anderen politi- schen Partei oder bei Tom Hanks auftrat. Als die Versuchspersonen über den möglichen Grund für die „Entgleisung“ ihres Idols nachsan- nen, war Aktivität in bestimmten Gehirnstrukturen zu beobachten. Diese waren nicht identisch mit den am „kühlen“, logischen Denken beteiligten und auch nicht mit denen, die man benutzt, wenn man aktiv seine Gefühle zu meistern sucht. Bedroht eine Information die Stimmigkeit unserer Überzeugungen, unserer Werte, dann aktiviert das Gehirn Strukturen, die mit Bestra- fung und Schmerz zu tun haben. Zuerst findet eine zerebrale Verarbei- tung unter Beteiligung zahlreicher Areale statt. In dem Augenblick, in dem die Probanden zu einer plausiblen Erklärung für die bedrohliche Information gelangt sind, ist dann eine starke Aktivierung des vorde- ren Teils des Corpus striatum oder Streifenkörpers festzustellen. Nun wird dieses Areal auch dann aktiviert, wenn man eine Belohnung erhält oder Erleichterung empfindet. Das Gehirn tut also alles, um zu Urteilen zu gelangen, die negative Emotionen auf ein Minimum redu- zieren und die positiven Aspekte maximieren. Fügt sich eine Erkenntnis nicht in unsere Vorstellungen ein („Mein Liebling hat Unrecht“, „Meine Überzeugungen sind falsch“, „Gott existiert nicht“ etc.), verarbeitet unser Gehirn sie so, dass sie negative Emotionen zur Folge hat. Man empfindet sie also als abstoßend, als aversiv. Infolgedessen zwingen emotional verzerrte Motivationen das rationale Gehirn dazu, Elemente zu finden, die den Widerspruch zulassen, damit es wieder einen Zustand emotionalen Gleichgewichts erreicht. Wie stellt das Gehirn das an? Einfach indem es uns so lange negative, bedroh- liche Gefühle empfinden lässt, bis wir eine Lösung gefunden haben.

150 Psychologische Aha-Experimente (2011) 327

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150 Psychologische Aha-Experimente (2011) 327

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Page 1: 150 Psychologische Aha-Experimente (2011) 327

3236 Motivation, Emotion und Persönlichkeit

Probanden einen Grund für die Unstimmigkeiten bei dem Poli tiker (oder dem Schauspieler) finden. Währenddessen wurde mit funktio-neller Magnetresonanztomografie beobachtet, was sich in der Lese-phase, aber auch in der Nachdenkphase in ihrem Gehirn abspielte.

Wie sich zeigte, arbeitete das Gehirn jeweils anders, je nachdem, ob der Widerspruch beim „Liebling“, beim Anführer der anderen politi-schen Partei oder bei Tom Hanks auftrat. Als die Versuchspersonen über den möglichen Grund für die „Entgleisung“ ihres Idols nachsan-nen, war Aktivität in bestimmten Gehirnstrukturen zu beobachten. Diese waren nicht identisch mit den am „kühlen“, logischen Denken beteiligten und auch nicht mit denen, die man benutzt, wenn man aktiv seine Gefühle zu meistern sucht.

Bedroht eine Information die Stimmigkeit unserer Überzeugungen, unserer Werte, dann aktiviert das Gehirn Strukturen, die mit Bestra-fung und Schmerz zu tun haben. Zuerst findet eine zerebrale Verarbei-tung unter Beteiligung zahlreicher Areale statt. In dem Augenblick, in dem die Probanden zu einer plausiblen Erklärung für die bedrohliche Information gelangt sind, ist dann eine starke Aktivierung des vorde-ren Teils des Corpus striatum oder Streifenkörpers festzustellen. Nun wird dieses Areal auch dann aktiviert, wenn man eine Belohnung erhält oder Erleichterung empfindet. Das Gehirn tut also alles, um zu Urteilen zu gelangen, die negative Emotionen auf ein Minimum redu-zieren und die positiven Aspekte maximieren.

Fügt sich eine Erkenntnis nicht in unsere Vorstellungen ein („Mein Liebling hat Unrecht“, „Meine Überzeugungen sind falsch“, „Gott existiert nicht“ etc.), verarbeitet unser Gehirn sie so, dass sie negative Emotionen zur Folge hat. Man empfindet sie also als abstoßend, als aversiv. Infolgedessen zwingen emotional verzerrte Motivationen das rationale Gehirn dazu, Elemente zu finden, die den Widerspruch zulassen, damit es wieder einen Zustand emotionalen Gleichgewichts erreicht. Wie stellt das Gehirn das an? Einfach indem es uns so lange negative, bedroh-liche Gefühle empfinden lässt, bis wir eine Lösung gefunden haben.