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Didaktik der Algebra und Analysis SS 2011 Bürker 3. 5. 2011 Gliederung: 1. Allgemeine Aspekte der Mathematikdidaktik und Methodik 1.1 Mathematik und Gesellschaft 1.2 Der Bildungsplan 1.3 Leitideen und Inhalt 1.4 Historische Bemerkungen 1.5 Guter Unterricht !? 1.6 Wichtige mathematikdidaktische Prinzipien 1.7 Wichtige Unterrichtsmethoden 1. Allgemeine Aspekte der Mathematikdidaktik und Methodik 1.1 Mathematik und Gesellschaft 1.1.1. Allgemeine Überlegungen: Mathematik als reine Mathematik besitzt ihre ureigenen Gegenstände und unverwechselbaren Erkenntnisweisen. 1.1.2. Sie wird „nach innen entfaltet“ . 1.1.3. Mathematik wird als angewandte Mathematik in einer Vielzahl von Bereichen mit einer ungeheuren Erkenntnis- und Gestaltungskraft „nach außen“ entwickelt. 1.1.4. Mathematik wird als Sprache der Physik bzw. des ganzen Universums (Galilei) angesehen. Die Komplexität beispielsweise der Relativitätstheorie, der Quantentheorie oder kosmologischer Theorien lässt sich nicht mehr ohne Mathematik ausdrücken. Die Mathematik hat wichtige Bezugswissenschaften in der Gesellschaft

1.Allgemeine Aspekte der Mathematikdidaktik und Methodikhome.mathematik.uni-freiburg.de/didaktik/alt/lehrveranstaltungen/SS11/... · 1.1.9. COACTIV-Studie In COACTIV untersuchen wir

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Didaktik der Algebra und Analysis SS 2011 Bürker 3. 5. 2011

Gliederung: 1. Allgemeine Aspekte der Mathematikdidaktik und Methodik

1.1 Mathematik und Gesellschaft1.2 Der Bildungsplan1.3 Leitideen und Inhalt 1.4 Historische Bemerkungen 1.5 Guter Unterricht !? 1.6 Wichtige mathematikdidaktische Prinzipien1.7 Wichtige Unterrichtsmethoden

1. Allgemeine Aspekte der Mathematikdidaktik und Methodik

1.1 Mathematik und Gesellschaft

1.1.1. Allgemeine Überlegungen:

Mathematik als reine Mathematik besitzt ihre ureigenen

Gegenstände und unverwechselbaren Erkenntnisweisen.

1.1.2. Sie wird „nach innen entfaltet“ .

1.1.3. Mathematik wird als angewandte Mathematik in einer

Vielzahl von Bereichen mit einer ungeheuren Erkenntnis- und

Gestaltungskraft „nach außen“ entwickelt.

1.1.4. Mathematik wird als Sprache der Physik bzw. des ganzen

Universums (Galilei) angesehen. Die Komplexität

beispielsweise der Relativitätstheorie, der Quantentheorie

oder kosmologischer Theorien lässt sich nicht mehr ohne

Mathematik ausdrücken.

Die Mathematik hat wichtige Bezugswissenschaften in der

Gesellschaft

nach Leuders (2003), MathematikdidaktikDie Schwierigkeit, Mathematik nach außen zu vermitteln:

● Jede M-Lehrperson ist auch VertreterIn des Fachs!1.1.5 Mathematikdidaktik: Didaktik = Lehre von Lehren und Lernen

Eine eindeutige Didaktik-Theorie gibt es nicht, aber eine intensive Diskussion, Meinungen und Tendenzen!

1.1.6 Perspektiven von Mathematikunterricht:

● Mathematik erzeugt bipolare Haltungen, d. h. einerseits starke Abneigung, andererseits starke Zuneigung.

● Viele Berufe brauchen aber Mathematik, insbesondere technisch-naturwissenschaftlich ausgerichtete, aber auch gesellschaftswissenschaftlich ausgerichtete Berufe (Soziologie, Wirtschaftwissenschaften).

● In den 90er-Jahren erregte die Habilitationsschrift von Heymann (Heymann 1996) starke Aufmerksamkeit: „7 Jahre Mathematik sind genug“. Mit m. E. bedenklichen Auswirkungen in der öffentlichen Meinung über das Fach Mathematik.

● Trotzdem muss man den Menschen deutlich machen, dass in vielen Dingen, vor allem technischen Errungenschaften, sehr viel Mathematik „steckt“. Man „sieht Mathematik nicht direkt“, sie steckt drin.

Was leistet die Mathematik?Sie lernt zu

● ordnen, ● Muster zu erkennen, zu ● strukturieren, zu ● axiomatisieren, zu ● deduzieren, zu ● argumentieren, zu ● beweisen.

Die Sichtweise der Laien: Wozu braucht man Mathematik?

● Das Rechnen wird von immer leistungsfähigeren Taschenrechnern und Computern übernommen.

● Zum Überschlagen, schätzen, Entscheidungen treffen, Kontrollieren, Planen, Organisieren, Strukturieren

In diesem Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen

Anforderungen und der Außenbetrachtung durch das gesellschaftliche Umfeld bewegen wir MathematiklehrerInnen uns.

1.1.7 Studien: TIMSS

Seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts haben internationale Studien eine bedenkliche Schwäche deutscher SuS in Mathematik und Naturwissenschaften konstatiert:TIMSS = Third International Mathematical and Science Study Ergebnisse TIMSS:

● Die M-leistungen liegen am Ende der 8. Jahrgangsstufe in D nahe am internationalen Mittelwert. Dies entspricht einem Fähigkeitsniveau, auf dem mathematische Routineverfahren, die U-stoff der 6. bis 8. Jg-stufe sind, einigermaßen sicher ausgeführt werden können. Äquivalente Leistungen haben vor allem angelsächsische Länder (USA). Deutsche SuS erreichen dieses L-niveau allerdings erst in einem höheren Lebensalter.

● Die SuS der Mehrzahl der nord-, ost- und westeuropäischen TIMSS-Staaten gehören in Math. einer leistunsfähigeren Gruppe an, deren Testwerte in Durchschnitt etwa eine halbe Standardabweichung über den mittleren Leistungen der deutschen SuS liegen. Dies entspricht dem L-fortschritt von gut einem Schuljahr.

● Die M-leistungen der internationalen Spitzengruppe, die von asiatischen Ländern gebildet wird, liegen für deutsche SuS in unerreichbarer Höhe. Die S-leistungen in diesen Ländern stehen für ein qualitativ anderes Niveau mathematischen Verständnisses.

● Die relativen L-stärken der deutschen SuS der 8. Jg.-stufe liegen in der Arithmetik, im Umgang mit Maßeinheiten und in der deskriptiven Statistik. Die relativen Schwächen liegen in den mathematischen Kernbereichen Algebra und Geometrie.

TIMSS 1997

1.1.8. PISA (Programme for International Student Assessment = Programm für internat. Schülerbewertung)

Statistik 2006 (Mathematik)

Nach dem TIMSS- und PISA- Schock (1997 / 2000) haben verstärkte Anstrengungen eingesetzt, die Schwächen im Mathematikunterricht auszubügeln. Allgemeine Tendenz in der

fachdidaktischen Forschung: Verstärkung des „mathematischen Verständnisses“. Weniger formales Rechnen und Üben als eigenverantwortliches Lernen und anwendungsorientierte Mathematik sowie eine entsprechende Veränderung der Aufgabenkultur. Daran arbeitet man in Moment noch!

Ergebnisse der PISA-Untersuchungen 2003 zusammengefasst (Klieme/Steinert MNU 57/3 2004) :

● In keinem anderen Land streuen die Leistungen der SuS stärker als in D. ○ Daraus lässt sich schließen: Große Unterschiede in der Umsetzung

der Lehrpläne● Große Risikogruppe, d.h. einen hohen Prozentsatz von SuS, die das

Mindestkompetenzniveau nicht erreichen. ● Die Sicherung von Mindeststandards gelingt nicht!● In keinem anderen Land sind die Leistungsunterschiede so stark mit

der sozialen Herkunft und dem Migrationsstatus gekoppelt wie in D. Auch die regionalen Unterschiede innerhalb D sind sehr stark ausgeprägt.

● Gebot der optimalen Förderung aller Jugendlicher nur unzureichend erfüllt.

● In den angelsächsischen Ländern, wo es Bildungsstandards und Erwartungen an zu erbringende Schülerleistungen mit einem geeigneten Bildungsmonitoring gibt, sind die Schülerleistungen insgesamt höher.

Zeitungsmeldung:

Jeder fünfte 15-Jährige kann kaum lesen und rechnen. Das ist dramatisch für die Schüler - und ebenso für den Staat. Wenn die Zahl der Risikoschüler nicht sinkt, kostet das laut einer neuen Studie in den nächsten acht Jahrzehnten eine gigantische Summe: 2.800.000.000.000 Euro.

1.1.9. COACTIV-Studie

In COACTIV untersuchen wir ● die Struktur des Lehrerwissens, v.a. Fachwissen und

fachdidaktisches Wissen und ● die Frage, auf welche Weise sich Wissensunterschiede von

Lehrkräften in der Unterrichtsgestaltung und in den Lernerfolgen ihrer Schülerinnen und Schüler niederschlagen.

Zentrale Fragestellung der "Coactiv"-Studie:

• Welche Aspekte der Lehrerkompetenz lassen sich empirisch identifizieren und welche Beziehungen weisen diese Merkmale untereinander auf?

• Welche Kompetenzaspekte beeinflussen das unterrichtliche Handeln einer Lehrkraft?

• Welche direkten und indirekten Einflüsse hat die Kompetenz einer Lehrkraft auf die Lernerfolge ihrer Schülerinnen und Schüler?

• Warum unterscheiden sich Lehrkräfte in ihrer Kompetenz?

Welche Aspekte der Lehrerkompetenz lassen sich empirisch identifizieren und welche Beziehungen weisen diese Merkmale untereinander auf?

Ein zentrales Anliegen der COACTIV-Studie ist die Konstruktion eines Tests zur Erfassung des mathematischen Fachwissens und des Fachdidaktischen Wissens.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Aspekten der Lehrerkompetenz und der Unterrichtsgestaltung?Die bisherigen Analysen zeigen, dass Unterschiede in der Unterrichtsqualität systematisch auf spezifische Aspekte der Kompetenz zurückzuführen sind !

1. Das Fachdidaktische Wissen allein sagt das Ausmaß der kognitiven Aktivierung der Schüler im Unterrichtsgeschehen voraus.

2. Je mehr eine Lehrkraft darüber weiß, wie Fachinhalte verfügbar gemacht werden können, desto herausfordernder erleben die Schülerinnen und Schüler den Unterricht.

3. Keine der anderen Facetten hatte einen zusätzlichen Erklärungswert für das Niveau der kognitiven Aktivierung.

4. Das Ausmaß der von den SuS erlebten individuellen Lernunterstützung durch die jeweilige Lehrkraft ist hauptsächlich auf einen Selbstregulationsstil zurückzuführen, der durch ein hohes Maß an beruflichem Engagement bei gleichzeitiger Fähigkeit, sich auch von Arbeitsbelangen zu distanzieren und Probleme aktiv zu bewältigen, gekennzeichnet ist. 5. Lehrkräfte, die ein solches Verhaltensmuster zeigen, werden von ihren Schülern als besonders unterstützend im Unterrichtsgeschehen wahrgenommen. 6. Demgegenüber kann die Effektivität der Klassenführung im Sinne eines störungsarmen Ablaufes und einer auf das eigentliche Unterrichtsgeschehen konzentrierte Zeitnutzung durch keine der betrachteten Kompetenzfacetten vorhergesagt werden.

Welche direkten und indirekten Einflüsse hat die Kompetenz einer Lehrkraft auf die Lernerfolge ihrer Schülerinnen und Schüler?

Die Frage nach der Relevanz der untersuchten Unterrichtsdimensionen für die mathematische Leistung der Schülerinnen und Schüler kann in der COACTIV-Studie positiv beantwortet werden. Es findet sich (zumindest teilweise) empirische Unterstützung für die Annahme, dass

● kognitive Aktivierung,

● Klassenführung und

● individuelle Unterstützung

einen positiven Effekt auf die Entwicklung der mathematischen Kompetenz auf Schülerseite haben. Längsschnittliche Analysen können zeigen, dass insbesondere das Ausmaß der kognitiven Aktivierung und die Effektivität der Klassenführung prädiktiv für den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler sind.

...Dabei wirkt sich das fachdidaktische Wissen positiv auf das Ausmaß der kognitiven Aktivierung und die individuelle Unterstützung der Schüler im Unterricht aus, jedoch nicht auf die Effizienz der Klassenführung.

Hierbei kann das Fachwissen der Lehrkraft als Bedingung für das fachdidaktische Wissen verstanden werden.

Die Klassenführung und die kognitive Aktivierung des Unterrichts zeigen wiederum einen Effekt auf die Mathematikleistung in Klasse 10 unter Kontrolle der Leistung in Klasse 9.

1. Allgemeine Aspekte der Mathematikdidaktik und Methodik Mathematik und Gesellschaft Der Bildungsplan Leitideen und Inhalte Grobaufbau der Schulmathematik mit algebraisch orientierten Leitideen Historische Bemerkungen Wichtige Unterrichtsmethoden

1.2 Der Bildungsplan

Im Bildungsplan (Koordinator Hartmut v. Hentig, 2004) werden zentrale (fachübergreifende) Bildungsaufgaben angesprochen:

● Gesellschaftliche Anforderungen an das Bildungssystem● Auftrag der Schule● Zu erreichende Ziele: Einstellungen, Fähigkeiten, Kenntnisse

(Kompetenzen)● Maßnahmen

Gesellschaftliche Anforderungen an das Bildungssystem:Zitate aus dem BP, S. 9:„Die Wissenschaft bringt ständig neue Erkenntnisse über Sachverhalte hervor.“ Beispiel: Hirnforschung ---> Frühlernen

Lernforschung ---> Wirksamkeit der Lernumstände„Die beschleunigte Ausdehnung des verfügbaren Wissens verlangt nach Strategien der Zusammenfassung und nötigt zu veränderten Formen des Lernens“.

Auftrag der Schule:Die Schule muss als Leistung „Bildung“ erbringen.

● Sie ist das, was der bildende Mensch aus sich zu machen sucht (persönliche Bildung)

● Bildung befähigt den Menschen, sich in der Welt zu orientieren und in der arbeitsteiligen Welt zu überleben (praktische Bildung).

● Bildung befähigt, den Blick des Einzelnen auf das Gemeinwohl zu richten, auf die Einhaltung von Rechten und Pflichten. Bildung muss geistige Orientierung und Urteilsfähigkeit vermitteln (politische Bildung).

1.3 Kompetenzen und Leitideen in Mathematik

● Schule muss außer den allgemeinen Bildungsaufgaben auch auf eine spätere Berufsausbildung bzw. ein Studium vorbereiten.

● Der MU leistet seinen Beitrag zu fachlichen und überfachlichen Kompetenzen, nämlich: ○ Lernen, insbesondere neue Lerninhalte selbständig aneignen○ Begründen, insbesondere Begründungstypen und Beweismethoden○ Problemlösen○ Kommunizieren

1.4 Historische Bemerkungen (Führer 1997):

1.4.1. J. F. Herbart (1776-1841) Hochziel allen Unterrichts und aller Erziehung ist die „persönliche

Moralität“ und „Charakterstärke der Sittlichkeit“Erziehung ist mehr als Unterrichten (Schullandheim)Grundstruktur eines Stundenablaufs

1.4.2 ReformpädagogikErste Hälfte des 20. Jahrhunderts: a) Arbeitsschulbewegung (Kerschensteiner)

Aufbau von Berufsschulen, Arbeitsunterricht an VolksschulenMitbegründer der physikalischen SchülerexperimenteBestseller (vor 1914):Die Seele des Erziehers und das Problem der Lehrerbildung(„Arbeitsschule“)

b) Waldorfpädagogik (nach Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie). Die Entwicklung des Menschen erfolgt im 7-Jahre-Rhythmus (physischer Leib (Leben), Ätherleib (Bewusstsein), Astralleib (Erinnerung).

c) Montessori-Pädagogik. Wichtig ist offener Unterricht und Freiarbeit, Beobachtung des Kindes durch die Lehrpersonen und Verwendung geeigneter Materialien, Förderung der Konzentration

1.4.3 Historische Bewegungen innerhalb der Mathematikdidaktik: a) 1905 Meraner Konferenz (v. a. Felix Klein):

● Logisches Denken● Selbstständiges Nachdenken● Stärkung des räumlichen Anschauungsvermögens● Erziehung des funktionalen Denkens, ● starke Betonung des Funktionsbegriffs● Fakultative Einführung der Infinitesimalrechnung

b) New Math in den 60er-Jahren:● Betonung der mathematischen Strukturen, insbesondere

der Mengenlehre (Bourbaki)● starke Formalisierung (Quantoren)

c) PISA-Schock (2000) ■ Entwicklung von Leitideen (u. a. Heymann 1996)

1.5 Guter Unterricht

Um guten Unterricht zu leisten, brauchen Sie (außer allgemeinen menschlichen Qualitäten) berufsspezifische Kenntnisse. Man unterscheidet grob:

1.5.1. Didaktik: - Die fachliche Dimension des Lehrens und Lernens

● Wie kann eine effektive und anregende

Lernumgebung geschaffen werden?

● Welche Kompetenzen sollen vermittelt und welche Inhalte werden unterrichtet?

● Übungsmaterial, Begriffe, Sätze, Beweise, Lehrmittel?

● Welche Lernschwierigkeiten ergeben sich bei welchen Inhalten und warum?

1.5.2 Methodik: die konkrete unterrichtliche

Umsetzung

· welche Unterrichtsformen werden eingesetzt?

· in welcher Sozialform findet der Unterricht statt?

· welche Medien werden eingesetzt?

1.5.3. Pädagogische Psychologie:

· Entwicklungspsychologie

· Gruppenverhalten von Jugendlichen

· Gesprächsführung mit Schülern und Eltern

· Rollenreflexion Schüler vs Lehrer

· Geschlechterrollen und Mathematik

1.6 Begriffe und Prinzipien der Mathematikdidaktik

● Das Spiralprinzip: Organisiere den Unterrichtsstoff so, dass ein Lerngegenstand zunächst auf elementarer Stufe behandelt wird. Danach wird der Gegenstand aus anderer Sicht aufgenommen, wiederholt und vertieft oder verallgemeinert. Diese Spirale kann mehrmals durchlaufen werden.

Beispiel 1 Grundrechenarten: erst für natürliche Zahlen, dann gewöhnliche Brüche und Dezimalbrüche, dann ganze und rationale Zahlen, dann reelle Zahlen.

Beispiel 2 Satz des Pythagoras einmal in der Mittelstufe über Flächenzerlegungen, zum Anderen in der Oberstufe über Vektoren

● das genetische Prinzip: die Inhalte der Mathematik werden im Unterricht mit den Schülern neu entdeckt bzw. gefunden und nicht als fertige Produkte präsentiert.

(aktiv-entdeckendes Lernen)

Der Unterricht kann sich dabei bewusst an die historische Entwicklung anlehnen.

Beispiele: Die Berechnung der Kreiszahl kann mit der klassischen Methode des Archimedes entdeckend erfolgen.

● vom Konkreten zum Abstrakten: Begriffe und Sätze sollten aus konkreten Beispielen und Erfahrungen durch Abstraktion in einem aktiven Formulierungsprozess gewonnen werden. Danach können weitere Anwendungen und Verallgemeinerungen stattfinden.

Beispiel: Grenzwert von Folgen erarbeiten, unter Umständen in einem mehrere Stufen umfassenden Prozess der Abstraktion, ε-Kalkül erst am Ende einer längeren Entwicklung.

● Vernetzung: Verschiedene Wissensgebiete sollten nicht isoliert nebeneinander liegen, sondern durch unterschiedliche Anwendungen und Querbezüge miteinander vernetzt sein.

Beispiel: Aufgaben aus der Geometrie behandelt mit Methoden der Analysis.

● Anwendungsbezug: das Gelernte sollte immer wieder angewendet werden auf die konkrete erfahrbare Lebenssituation des Schülers. Geglückte Aha-Erlebnisse sind anzustreben.

● Die Frage nach dem warum: Mathematik ist die begründende Wissenschaft schlechthin. Im Mittelpunkt sollte demnach nicht das blinde Beherrschen und Anwenden einfacher Regeln und Algorithmen stehen, sondern diese sollten immer wieder den Ausgangspunkt für Reflexion und Hinterfragung bilden.

● Wechsel der Darstellungsform: Begriffe, Resultate und Methoden auf verschiedenen Darstellungsebenen (graphisch, ikonisch, verbal, materiell, akustisch) zugänglich machen, um nach Möglichkeit alle Sinne anzusprechen.

● Abwechslungsreich üben und wiederholen: keine Aufgabenplantagen sondern Wechsel in der Art und der Schwierigkeit der Aufgaben, Möglichkeiten zur Selbstkontrolle nutzen, systematisch Wiederholungen in das Üben einbauen.

1.6.3 Stoffproblem der Mathematikdidaktik:

a) Orientierung am historischen Prozess:

Problem: Man kommt zu langsam voran, deshalb eher Orientierung an bedeutsamen historischen Kernideen:

1. Konstruktion mit Zirkel und Lineal

2. Die axiomatische Methode

3. Infinitesimalrechnung

4. Ordnung durch Strukturen

(2) Orientierung an aktuellen Gebieten, z. B. :

1. Kodierungstheorie, Verschlüsselung

2. Chaos und Fraktale

3. Finanzmathematik

Setzt eine gewisse Offenheit und regelmäßige Lehrerfortbildung voraus.

(3) Traditionalistische Lösung des Stoffproblems: Themen und Gebiete, die sich in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten bewährt haben, sollen weiter Orientierungspunkt für den Mathematikunterricht bleiben. Der traditionalistische Standpunkt wird aber durch technische Entwicklung „überholt“ (Beispiel: Der Computer relativiert den Stellenwert der Funktionsuntersuchung).

(4) Demgegenüber Standpunkt der Befürworter einer Formalen Bildung:

Die Wahl des Stoffes spielt im Prinzip keine wesentliche Rolle. Jenseits der elementaren Kulturtechniken kann im Prinzip an jedem Thema gelernt werden.

-> reduziert den Aspektreichtum der mathematischen Bildung

(5) Befürworter der „Neuen Mathematik“. Sie führen ins Feld, dass die Beschäftigung mit den formalen Elementarstrukturen eine tragfähige Grundlage für ein Verständnis von Mathematik sein kann. So sind in den Siebziger Jahren Zahlen als Mengen, Brüche als Äquivalenzklassen und Approximationsargumente als ε−δ-Beweise gelehrt worden.

Dieser Ansatz ist nicht praktikabel, weil er die Bedingungen der Lernenden zu sehr ausklammert.

(6) Zentrale / fundamentale Ideen (Leitideen, siehe z. B. Heymann 1996, S. 169 ff.)

Idee der Zahl, des räumlichen Strukturierens, der Wahrscheinlichkeit, des Algorithmus und des Modellierens.

Literatur: T. Leuders: Mathematikdidaktik, Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II.

1.8 Methodik:

1.8.1 Überblick über Unterrichts- und Sozialformen

a) Lehrervortrag

b) Fragenentwickelnder Unterricht

c) Planarbeit

d) Gruppenpuzzle

e) Stationenlernen