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Spektroskopie in der Organischen Chemie 1 1 H-NMR-Spektroskopie 1 H, 1 H-Kopplungskonstanten Geminale Kopplungen Wenn sich die beiden Kopplungspartner (wie Zwillinge; lat.: gemini) am gleichen Kohlenstoffatom befinden, also nur zwei Bindungen voneinander entfernt sind, nennt man dies eine geminale Kopplung, 2 J( 1 H, 1 H). In sehr vielen Fällen sind die beiden Kerne chemisch äqui- valent oder enantiotop ( ) und haben deshalb die gleiche chemische Verschiebung; sie sind isochron. Dann ist das Signal – bei Fehlen weiterer Kopplungspartner – ein Singu- lett, und die natürlich auch in solchen Fällen existierende geminale Kopplung ist aus keiner Signalaufspaltung abzu- lesen. ( Spinsysteme AX/AB A 2 ) Sind die beiden Wasserstoffkerne dagegen diastereotop, sind sie anisochron, bilden ein AX- bzw. AB-Spinsystem bzw. -Teilsystem, und die Kopplung ist er- mittelbar. C H H

1H, H-Ko · PDF filetrans-Olefinen (Z bzw. E). Es gibt aber auch hier Abhängigkeiten vom s-Charakter und von Substitution: C C H H H H C H H C C H H C C H H 11.6 Hz 2.8 Hz 5

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Spektroskopie in der Organischen Chemie

1 1H-NMR-Spektroskopie

1H,1H-Kopplungskonstanten

Geminale Kopplungen

Wenn sich die beiden Kopplungspartner (wie Zwillinge; lat.: gemini) am gleichen Kohlenstoffatom befinden, also nur zwei Bindungen voneinander entfernt sind, nennt man dies eine geminale Kopplung, 2J(1H,1H). In sehr vielen Fällen sind die beiden Kerne chemisch äqui-valent oder enantiotop ( ) und haben deshalb die gleiche chemische Verschiebung; sie sind isochron. Dann ist das Signal – bei Fehlen weiterer Kopplungspartner – ein Singu-lett, und die natürlich auch in solchen Fällen existierende geminale Kopplung ist aus keiner Signalaufspaltung abzu-lesen. ( Spinsysteme AX/AB A2)

Sind die beiden Wasserstoffkerne dagegen diastereotop, sind sie anisochron, bilden ein AX- bzw. AB-Spinsystem bzw. -Teilsystem, und die Kopplung ist er-mittelbar.

CH

H

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Spektroskopie in der Organischen Chemie

2 1H-NMR-Spektroskopie

Beispiele für geminale Kopplungskonstanten:

Einfluss des s-Charakters:

HC

H

HH C

H

HC

H

HH2C

-12.4 Hz -4.5 Hz +2.5 Hz

Einfluss der Substitution:

HC

H

HHO C

H

HO C

H

HC

Cl

H-10.8 Hz +5.5 Hz -1.3 Hz

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3 1H-NMR-Spektroskopie

Vicinale Kopplungen

Wenn sich die beiden Kopplungspartner an benach-barten Kohlenstoffatomen (lat.: vicinus, der Nachbar) befinden, also drei Bindungen voneinander entfernt sind, nennt man dies eine vicinale Kopplung, 3J(1H,1H)-Werte sind immer positiv. Die Besonderheit der vicinalen Kopplung ist, dass sie eine starke Abhängigkeit vom Torsionswinkel ϕ zwischen den beiden C-H-Bindungen besitzt. Diese wird durch die sog. KARPLUS-Beziehung beschrieben (nächste Seite). In der Abbildung unten ist der Torsi-onswinkel ca. 600; die beiden Wasserstoffatome ste-hen gauche zueinander.

HC

CH

HH

C

ϕ

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4 1H-NMR-Spektroskopie

KARPLUS-Beziehung

3J(1H,1H) = 8.5 cos2 ϕ - 0.28 bei 00 ≤ ϕ ≤ 900 3J(1H,1H) = 9.5 cos2 ϕ - 0.28 bei 900 ≤ ϕ ≤ 1800

Merke: Die KARPLUS-Beziehung liefert für eine experimentell ermittelte Kopp-lung keinen exakten Torsionswinkel, sondern immer nur Winkelbereiche!

3J(1H,1H) in Hz

CCH H

ϕ

ϕ

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5 1H-NMR-Spektroskopie

Die Die KARPLUS-Abhängigkeit gilt auch für olefinische Wasserstoffatome:

C CH H

C CH

HC C

H H

Ph COOHC C

H

HPh

COOH

7-12 Hz 14-19 Hz 12.3 Hz 15.8 Hz

z.B.:

EZ

Merke: Die 3J(1H,1H)-Kopplungskonstante ist ein hervorragender Parameter zur Unterscheidung cis- bzw. trans-Olefinen (Z bzw. E).

Es gibt aber auch hier Abhängigkeiten vom s-Charakter und von Substitution:

CC

H

H

H

H

CC

H

H

CC

H

H

CC

H

H11.6 Hz 2.8 Hz 5.1 Hz 8.8 Hz 7.5 Hz

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6 1H-NMR-Spektroskopie

CC

H

H

CC

H

HO

CC

H

HO

C

HH

H

H

H

H7-8.5 Hz 1-3 Hz 5-8 Hz 2-5 Hz 2-5 Hz 9-12 Hz

H

HC

H

HC

H

H

C

Bei frei drehbaren Teilstrukturen (Kohlenwasserstoff-Ketten) beobachtet man 3J(1H,1H) = 7 bis 8 Hz als Durchschnittswert.

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Spektroskopie in der Organischen Chemie

7 1H-NMR-Spektroskopie

Es gibt aber auch eine Abhängigkeit von benachbarten elektronegativen Sub-stituenten:

Bei den Zuckern sind die 3J(1H,1H)-Kopplungskonstanten wegen der Existenz der Sauerstoffatome am unteren Ende des Erwartungs-bereiches.

H

H

H

H

OHOH2C

OHOH

HO OH

H

HO

HOH2C

OHOH

HO

OH

H

H

9 - 12 Hz2 - 5 Hzaber:

D-Glucoseα: 3.5 Hz β: 7.7 Hz

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8 1H-NMR-Spektroskopie

Fernkopplungen (Long-Range-Kopplungen)

Sind die beiden Kopplungspartner mehr als drei Bindungen voneinander ent-fernt, spricht man von Fernkopplungen (long-range-Kopplungen).

nJ(1H,1H) mit n > 3 Meist sind diese Kopplungen sehr klein (< 0.5 Hz), unter bestimmten Umstän-den können sie jedoch Werte annehmen, die im Spektrum erkennbare Signal-aufspaltungen verursachen. Unter folgenden strukturellen Voraussetzungen können long-range-Kopplun-gen beobachtet werden:

(a) W-Kopplung (4J): Die Wasserstoff- und die dazwischen liegenden Kohlenstoffatome bilden eine Anordnung wie der Buchstabe W. Achtung: Das ganze Strukturelement muss weitgehend koplanar sein. Geringe Abweichun-gen werden aber toleriert.

HC

CC

H

1-4 Hz

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9 1H-NMR-Spektroskopie

(b) Allyl-Kopplung (4J): (c) Homoallyl-Kopplung (5J):

C CH

H

CH

-3 bis +2 Hz

-3,5 bis +2.5 Hz

C CC C

HH

0 bis 2.5 Hz

H

H

H

H

1 bis 2 Hz 0 bis 1 Hz

C CC CH

H

1 bis 3 Hz