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SWISSLIFE Herbst 2011 // Freunde 2. Jahrgang // Ausgabe 3 // Fr. 6.50

2. Jahrgang // Ausgabe 3 // fr. 6 - Swiss Life · SWISSLIFE Herbst 2011 «You’ve Got a Friend» sang Carole King in den frühen 1970er-Jahren und berührte mit ihrem Welthit eine

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SWiSSlifeHerbst 2011 // Freunde

2. Jahrgang // Ausgabe 3 // fr. 6.50

Die Plattform Facebook ermöglicht es, Freunde zu «sammeln» und sich mit ihnen auszutauschen. In der Schweiz sind Mitte 2011 rund 2,6 Millionen Menschen Mitglied bei Facebook,

weltweit sind es über 700 Millionen.

SWISSLIFE Herbst 2011

«You’ve Got a Friend» sang Carole King in den frühen 1970er-Jahren und berührte mit ihrem Welthit eine ganze Generation. Neben unseren engsten Angehörigen in der Familie sind gute Freunde immer für uns da. Sie sind uneigennützige Förderer und gleichzeitig wohl-meinende Kritiker.

Darum sind uns wahre Freunde so lieb und wichtig – und darum haben wir Freunden ein ganzes Heft gewidmet. Weil sie für Verlässlichkeit stehen, weil sie Nähe bedeuten und weil sie wichtige Ratgeber sind – in schwierigen wie in heiteren Momenten, in hektischen wie ruhigen Phasen unseres Lebens. Und weil wir gleichzeitig auch wissen, dass echte Freunde nicht nur immer geben können, sondern auch bekommen dürfen.

Apropos bekommen: SWISSLIFE, das Heft, das Sie jetzt in den Händen halten, ist bei Europas grösstem Wett- bewerb für Unternehmenspublikationen mit dem silber-nen «Best of Corporate Publishing Award» ausgezeichnet worden. Zusammen mit dem ganzen Produktionsteam hoffe ich deshalb, dass dieses Magazin auch für Sie zu einem wertvollen und steten Begleiter wird – fast wie ein kleiner Freund.

Grüezi

Ivo Furrer, CEO Swiss Life Schweiz: «Freunde stehen für Verlässlichkeit, sind uneigennützige Förderer und wohlmeinende Kritiker. Ohne sie wäre das Leben grau. Diesen Freunden ist dieses Heft gewidmet.»

Editorial // 3

06 Swiss Photo Selection: Hereinspaziert Ruhig und artig steht das Tier im Wohnraum, ist auf Besuch wie ein guter Freund. Und irritiert den Betrachter: In der preisgekrönten Fotoserie von Jon Naiman überlagern sich die Ebenen häuslicher Territorien auf groteske Weise.

16 Zwei Seiten: Virtuelle vs. reelle Freundschaft

20 Schwerpunkt: Zwei an einem Berg Der Faszination und Anziehungskraft des Himalaja konnten Oswald Oelz und Marcel Rüedi nicht widerstehen: Autor Erwin Koch über zwei Freunde, die die Grenzen überschritten.

28 Zahlensalat: Unsere Freunde in Europa

31 Weidmannsheil: So fängt Zukunft an

Gesamtverantwortung: Swiss Life Public Relations, Martin Läderach Redaktionskommission: Ivo Furrer, René Aebischer, Thomas Bahc, Thomas Langenegger, Christian Pfister, Hans-Jakob Stahel, Paul Weibel Redaktionsleiter UPDATE: Dajan Roman Redaktionsadresse: Magazin SWISSLIFE, Public Relations, General-Guisan-Quai 40, 8022 Zürich, [email protected] Projektleitung: Mediaform, Christoph Grenacher, Ittenthal Konzept und Gestaltung: Festland Werbeagentur, St.Gallen/Zürich Druck und Versand: Heer Druck AG, Sulgen Erscheinungsweise: 3 x jährlich; Frühling, Sommer, Herbst Auflage: 100 000 Anzeigenverkauf: Mediaform, Baumgärtli, 5083 Ittenthal, [email protected] Adressänderungen/Bestellungen: Magazin SWISSLIFE, General-Guisan-Quai 40, 8022 Zürich, www.swisslife.ch/magazinabo Rechtlicher Hinweis: In dieser Publikation vermittelte Informationen über Dienstleistungen und Produkte stellen kein Angebot im rechtlichen Sinne dar. Über Wettbewerbe wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Gedruckt auf FSC-Papier.

Zuhause in Walterswil SODer Fotograf Jon Naiman porträtiert Nutztiere und ihre Besitzer in vertauschten Rollen. Der Mensch geht nicht zum Tier, das Tier besucht den Menschen in seinem Wohnraum.

Hölle am HimmelDer Makalu im Himalaja (8463 m), die Nr. 5 der Welt, war das Ziel von Marcel Rüedi und Oswald Oelz. Die beiden Freunde zogen los. Doch nur einer kehrte zurück.

SWISSLIFE Herbst 2011

42 A Swiss Life: Rea Eggli Ihr Beruf ist es, Projekte aller Art auf die Beine zu stellen. Dafür braucht es ein grosses Beziehungsnetz. Noch besser aber ist ein grosser Freundeskreis. Rea Eggli hat ihn. Und nährt ihn mit Eindrücken von Zeit und Geist.

51 Küchenfreuden: Hummer trifft auf Passionsfrucht

53 Reeto von Gunten: Erinnerungen im Diaformat

54 Wettbewerb: Gewinnen Sie ein 3-D-Heimkino

56 Zugabe: Sina über ihren Song «Parfum»

Beilage: UPDATE Lesen Sie, wie Sie bis Ende Jahr Ihre Steuern optimieren können, warum die Säule 3a nicht die Säule 3b ist und wie Swiss Life mit der neuen BVG-Welt auf wundersame Weise etwas vereinfacht hat, was bis anhin hoch kompliziert war.

Projekt FreundeskreisObwohl in aller Munde, sind Worthülsen wie Networking oder Socializing nicht das Ding von Rea Eggli. Für Geschäfte setzt sie lieber auf das Echte: auf Freunde.

Privat vorsorgen – aber sicherMit ihren drei Säulen hat die Schweiz ein erstklassiges Vorsorgesystem. Obwohl die 1. und 2. Säule viel zur Sicherheit im Alter beisteuern, sorgen die meisten Menschen auch privat vor. Lesen Sie, warum.

Inhalt // 5

In «Swiss Photo Selection» präsentiert

SWISSLIFE Arbeiten von Schweizer

Fotografen, die von der internationalen

Jury des «Swiss Photo Award – ewz.selection»

ausgezeichnet wurden. www.ewzselection.ch

Herein- spaziertIn der Serie «Familiar Territory» porträtiert der FotografJon Naiman Schweizer Bauernhoftiere und ihre Besitzer in vertauschten Rollen: Der Mensch geht nicht zum Tier,das Tier besucht den Menschen wie ein guter Freund. Ruhig und artig steht es im Wohnraum – das Surreale wird Wirklichkeit, das Ungewöhnliche normal. ›››

SWISSLIFE Herbst 2011

Herein- spaziert

Zuhause in Zeneggen VS

Swiss Photo Selection // 7

Auf einen Kaffee in Adelboden BE

SWISSLIFE Herbst 2011

Fernsehabend in Bellach SO

Swiss Photo Selection // 9

Trautes Heim in Frauenkappelen BE

SWISSLIFE Herbst 2011

Swiss Photo Selection // 11

Starkes Duo in Binningen BL

SWISSLIFE Herbst 2011

Küchengegacker in Bern

Swiss Photo Selection // 13

Sofasurfen in Bern

SWISSLIFE Herbst 2011

In der Serie «Hornussspieler» hält Naiman die Akteure mitten in der Bewegung fest. Dadurch wirken sie wie Skulpturen. In ihrer Konzentration schauen die Spieler in die Ferne oder nach innen: Das Rohe und Kraftvolle verbindet sich mit überraschender Gelassenheit. Die Bilder entstanden im Herbst 2010 in Bangerten bei Worb BE, Recherswil SO und Grenchen SO. www.jonnaiman.com

Jon Naiman: «Fotografie ist für mich nie die Leistung von nur einer Person.»Der 1965 in Philadelphia geborene Fotograf Jon Naiman liess sich an der Rhode Island School of Design zum Fotografen ausbilden. Heute arbeitet er als freischaffender Fotograf in Biel, wo er sich neben der Auftragsfotografie mit Vorliebe auch Kunstprojekten widmet. Für seine Arbeit wurde Naiman mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Seine Werke finden an internationalen Ausstel-lungen hohe Beachtung.

Was Jon Naiman an der Fotografie fasziniert, ist die Möglichkeit, eine Geschichte zu beginnen, eine erzählerische Bewegung, die nicht genau enthüllt, was ihr Ursprung oder ihr Ziel ist. Für Naiman liegt guter Fotografie immer eine Idee zugrunde, die sich im Laufe der Arbeit jedoch in eine ganz neue Richtung entwickeln kann. Indem man dem Prozess freien Lauf lässt, öffnet man sich für Neues und verfällt nicht dem reinen Produzieren. «Ich liebe es, Menschen zu fotografieren», sagt Naiman. «Das ist für mich wie ein Tanz. Man denkt und bewegt sich, versucht die Menschen für sich zu ge- winnen, sie zu verstehen und gemeinsam etwas zu machen. Fotografie ist für mich nie die Leistung von nur einer Person.»

Swiss Photo Selection // 15

Freunde im Netzoder Freundesnetz?

Text: Florian Caürez, Bild: Kilian Kessler

Yann Wagnières (38), Makler, Bouveret VS, 21 Freunde im wahren Leben

«Ich arbeite im Versicherungs- und Vermitt-lungsgeschäft, da ist der persönliche Kontakt zum Kunden entscheidend. Ich muss mein Gegenüber sehen, hören, irgendwie spüren. Und so ist das auch bei meinen Freunden: Mir bedeutet ein Treffen mit Menschen, die mir lieb und nahe sind, tausendmal mehr als der eher anonyme schriftliche Austausch über das Internet. Vielleicht ticken wir Unterwalliser da ja auch von unserem Typ her etwas anders als die Deutsch-schweizer ... Gewiss, ich schaue auch mal kurz bei Facebook rein, nur schon, weil meine Frau Andrea die Plattform rege nutzt. Aber ich würde da nie etwas Persönliches veröffentlichen – das gehört nicht in einen solchen öffentlichen Raum. Dafür habe ich meine Familie, meine engsten Freunde: Mit ihnen will ich reden, es gut haben, feiern. Und dann haben wir ja noch unsere drei Kinder: Ihnen will ich ein Vorbild sein. Ich will ihnen vorleben, wie wichtig es ist, dass man die sozialen Kontakte persönlich pflegt – und dafür keine Computer braucht. In einer Welt, die immer globaler vernetzt ist, möchte ich meine Werte weitergeben: dass Heimat nicht dort ist, wo man Facebook-Freunde trifft, sondern da, wo man sein Leben lebt.»

Andrea Wagnières-Angst (33), Familienfrau, Bouveret VS, 176 Freunde auf Facebook

«Als ich vor neun Jahren in die Heimat meines Mannes zog, zum ersten Mal schwanger und ohne auch nur ein Wort Französisch zu sprechen, liess ich viele Freundinnen und Freunde und meine ganze Familie im Zürcher Unterland zurück. Als später Facebook aufkam, war das eine gute Gelegenheit: Ich konnte Freunde und Familie nicht nur über Alltägliches auf dem Laufenden halten; auch sie konnten unkompliziert mit mir kommunizieren. Facebook bewirkte auch, dass ich mit vielen Menschen wieder in Kontakt kam, die mir irgendwann irgendwo irgendwie in meinem Leben einmal begegnet waren. Ich habe mich hier im Wallis zwar gut integriert, Französisch ist auch keine Fremdsprache mehr – aber als junge Mutter dreier Kids auf die Schnelle Freunde zu treffen, mal kurz zu klönen, sich auszutauschen, Frust abzulassen, sich gemeinsam zu freuen – pas de chance! So ist der virtuelle Kontakt, der notabene zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich ist, für mich wichtig – wenn auch Facebook den realen Kontakt nie ersetzen kann. Ernstes und Wichtiges werden dann stundenlang telefonisch besprochen. Und falls nötig, setz’ ich mich einfach ins Auto und fahre drei Stunden: C’est la vie!»

16 // Zwei Seiten

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Zu zweit am BergDer Arzt und der Metzger, zwei Bergsteiger und gute Freunde, hatten ein Ziel: den Makalu. Der fünfthöchste Gipfel der Welt stand an, damals, als ein wahres Gerenne auf den Himalaja im Gange war. Einerkam zurück, der andere blieb im Eis. ›››

Text: Erwin Koch

Schwerpunkt // 21

Es war wie jedes Mal, wenn sie sich trafen, der Arzt Oswald Oelz und der Metzger Marcel

Rüedi, unterwegs in die Mitte des Le-bens, 8000 Meter über dem Meer, wo jeder Schritt schmerzt und die Luft zum Atmen kaum reicht. Sie klopften einander auf die Schultern und lachten laut, zwei Freunde seit Jahren, Bergstei-ger, es war Sonntag, der 7. September 1986, Flughafen Zürich.

Oelz und Rüedi, 43 und 48 Jahre alt, begleitet von ihren Frauen, gaben das Gepäck ab und setzten sich, weil noch Zeit war, in die Sky Bar, tranken Kaffee, lärmten, scherzten: dachten das Denkbare nicht.

Paps, hatte Rüedis jüngere Tochter vor Stunden geweint, Paps, diesmal kommst du nicht wieder.

Endlich setzten sie sich in die Ma-schine nach Karatschi, Pakistan, flogen von da aus weiter nach Kathmandu, Nepal, zwei Traumgänger auf dem Weg zum Höchsten hienieden, zu den Gip-feln des Himalaja.

Ein Jahr zuvor waren sie durch Tibet gereist, Rüedis Wurstware im Gepäck, die schnell aufgezehrt war, und als es darum ging, ein heimisches Schaf zu schlachten, zückte nicht der Metzger das Messer, «Ich kann das nicht!», sondern der Arzt. Schliesslich quälten sie sich hoch auf einen Achttausender, Oelz zum zweiten Mal überhaupt, Rüedi zum achten Mal, Shisha Pangma, 8027 Meter über dem Alltag, und feier-ten, ihre Bärte in grobes weisses Eis geschlagen, das Hochamt mit einer Flasche Walliser Malvoisie. Sie feierten oft, Oswald Oelz und Marcel Rüedi, im Steilen wie im Flachen.

Jetzt aber hatten sie den Makalu in Aussicht, 8463 Meter, den fünfthöchs-ten Berg der Erde. Oelz, stellvertreten-der Klinikdirektor am Universitätsspi-tal Zürich, würde sich damit begnügen. Doch sein Freund Rüedi, Besitzer einer Metzgerei in Winterthur, Wartstrasse 19, Meister der wohlgewürzten Wurst, wollte, wenn schon im Himalaja, auch gleich noch auf den Everest und den Lhotse – denn es war in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein wahres Gerenne im Gange, zwar von niemandem erklärt, aber vom Bou-levard ausgerufen und von Reinhold Messner, Italien, und Jerzy Kukuczka, Polen, mit Passion betrieben, als erster Mensch auf den Gipfeln aller vierzehn Achttausender zu sein.

«Von diesem Fieber liess Marcel sich anstecken», sagt Oswald Oelz in der Küche seines alten Hauses im Zürcher

Oberland, Bachtel, es ist Sommer 2011, ein Vierteljahrhundert, nachdem das Denkbare geschehen war.Was, Herr Oelz, ist Freundschaft?

Er drückt das Gesicht in Falten, überlegt und schweigt, schaut hinaus zu seinen Schafen, die in der Wiese ste-hen und fressen, dann endlich härtet er den Satz: «Freundschaft ist vielleicht die conditio humana sine qua non.»

Wie meinen Sie das?«Ohne Freunde ist es auf Erden nicht auszuhalten.» Er überlegt. «Vergleichs-weise ist Freundschaft wenig berech-nend. Denn sie übt sich in Langmut und Nachsicht.»Haben Sie viele Freunde? «So viele, dass ich mir, wenn ich meine bestehenden Freundschaften ernst nehme, neue kaum leisten kann.»Das heisst? «Dass Freundschaft Zeit braucht, Absicht und Engagement.»

Die Zeit war kurz, Oelz hatte nur drei Wochen Ferien, Rüedi fehlte in sei-ner Metzgerei. Also nahmen sie einen Helikopter und liessen sich in die Nähe des Berges Makalu fliegen, den zu be-zwingen sie vorhatten, und landeten auf 2800 Meter Höhe in einem Mais-feld, suchten zwei Träger und gingen durch Sümpfe, Wälder, Bäche, es regnete.

Am 13. September, sechs Tage nach Zürich-Kloten, erreichten sie das Basis-lager, 5400 Meter über dem Meer, be-völkert von einem Dutzend Polen, zwanzig Meter daneben das Zelt von Messner und Konsorten, man kannte sich, war Freund und Konkurrent.Herr Oelz, waren Sie jemals eifersüchtig auf Marcel, der bereits acht Achttausender hinter sich hatte, Sie nur zwei?

Zwei Tage nur harrten Oelz und Rüedi im Basislager aus. Sie redeten sich ein, sie könnten ja gar nicht höhenkrank werden.

SWISSLIFE Herbst 2011

Der Flirt mit der Gefahr Er komme sich vor wie der Zauberlehrling bei Goethe, sagte Oswald Oelz (68) unlängst in einem Interview. Mit seinem Ehrgeiz habe er es viel weiter gebracht, als er je gedacht habe. Wohl wahr: Der Arzt, der zuletzt als Chefarzt am Zürcher

Triemlispital wirkte und als einer der besten Höhenmediziner gilt, stand auf den

sieben höchsten Gipfeln der sieben Kontinente. «Ich will klettern, bis ich tot

bin», sagt er und hält es mit Nietzsche: «Das Geheimnis des fruchtbaren Lebens

heisst gefährlich leben. Darum: Baut eure Häuser an den Vesuv!»

Vier abgefrorene Zehen bewahrt Oelz noch heute in einem Glas Grappa auf und

sagt: «In Todesnähe leben wir bewusster.» Dreissig Freunde hat er beim

Bergsteigen verloren – und die Zeit nagt. Ab siebzig, diktierte er dem «Tages-

Anzeiger», werde es kritisch in seinem Metier als Extrembergsteiger: «Der

Bachtel wird zum Everest», sagt Oelz, der nun als Hobbybauer und Schafzüch-

ter am Fuss des 1115 Meter hohen Zürcher Hausbergs lebt. Die Berge würden mit jedem Lebensjahr höher, die Wände steiler, die Griffe kleiner. Bloss, damit zu hadern sei nichtig, sagt Oelz: «Dass ich ein kleiner Wurm bin, das weiss ich – dafür muss ich nicht in die Berge.»

Oelz lacht auf. «Marcel war stärker, viel stärker als ich, ein Mann von ungeheu-rer Energie. Dies nicht zu begreifen, wäre dumm gewesen.»Was zeichnete ihn besonders aus? «Sein Lachen war breit und echt. Jeder liebte Marcel, man konnte nicht anders», sagt Oswald Oelz im achtund-sechzigsten Jahr seines Lebens, den linken Arm auf eine Maschine gelegt, die sich summend bewegt, hinauf und hinunter, hinüber und zurück, ein Therapiegerät zur schnellen Heilung der eben operierten Schulter, Arthrose und anderes.Träumen Sie von Marcel? Nein, sagt Oelz und schüttelt den bärtigen Kopf, früher habe er manch-mal davon geträumt, im Gebirge abzu-stürzen, heute aber, alt und ruhig, habe sich auch das gelegt.

Zwei Tage nur harrten Oelz und Rüedi im Basislager aus, stiegen dann, vom Polen Krzysztof Wielicki begleitet, der den Everest als Erster winters er-klommen hatte, auf die Höhe von 6000 Metern, übernachteten dort, scherzten, lachten, redeten sich ein, sie könnten ja gar nicht höhenkrank werden, wenn sie den Berg nur schnell genug eroberten. «Wir waren übermütig.»Was reden Freunde in einem winzigen Zelt auf 6000 Metern, umgeben nur von Wind und Eis? Wieder lacht Oelz und schaut hin-aus zu seinem Vieh. «Über alles, was Freunde reden: über Kraut und Kohl, Gott und Frauen.»Ist der Mensch am Berg, wo die Gefahr kein Ende hat, anders als im Flachen? «Wie anders?»Verlässlicher vielleicht? Oder auch ehrlicher?

Schwerpunkt // 23

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Oswald Oelz (links) und Marcel Rüedi: Sie klopften Sprüche, lachten, waren übermütig. Bis es den einen nicht mehr gab.

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Schwerpunkt // 25

«Uns war immer klar gewesen, dass der Starke sich nicht neben den Schwachen legt und mit ihm den Tod abwartet.»

«Der Mensch ist überall gleich. Er denkt zuerst an sein eigenes Fortkommen.Ein evolutionäres Prinzip!» Na ja, sagt Oelz am alten Küchen-tisch, darauf zwei Bücher, «Love Songs from a Shallow Grave», «Die schönsten Gratwanderungen der Schweiz», na ja, die gegenseitige Abhängigkeit am Berg, hervorgerufen durch das Risiko, das sie eingingen, schweisse einen zusammen,

aber auch die Intensität des gemeinsa-men Erlebens, ein Sonnenaufgang, das Nebelmeer, diese Weite, diese Ruhe, das blosse Sein am oberen Ende der Welt, wo es höher gar nicht geht. Und das Ziel vor Augen: der Gipfel. «Das ist kaum erklärbar», knurrt Oelz, «vielleicht nur lebbar.»

Dann stiegen sie wieder tausend Meter Richtung Himmel, 17. Septem-ber 1986, der Pole, als Erster auf 7000, schlug eine Plattform aus dem Eis, Platz für das Zelt. Sie assen Schweine-fleisch aus der Dose, kochten Suppe, Tee, fotografierten sich, jubelten in die Kamera, sahen hinüber zu Everest und Lhotse: in der Mitte des Lebens.

Irgendwann krochen sie in ihre Schlafsäcke, Oelz erwachte nach Mitter-nacht, er hustete, seine Lunge rasselte, Oelz rang nach Luft, er setzte sich auf, hustete schliesslich weissen Schaum

und wusste: ein Höhenlungenödem, die Folge des schnellen Aufstiegs, wer es hat, muss sofort ins Tal. Wenn er über-haupt noch kann.Was sagte Ihr Freund Marcel, als er Sie so röcheln sah? «Er konnte nicht helfen.» «Da oben kann dir keiner helfen», sagt Oswald Oelz, eine schwarze Turn-hose am Leib, ein rotes Hemd, den lin-

ken Arm auf dem Therapiegerät.Oelz, als Mediziner auch engagier-

ter Erforscher des Höhenlungenödems und der Höhenkrankheit, hatte einige Kapseln Nifedipin im Rucksack, ein Mittel zur Blutdrucksenkung und zur Behandlung der Angina pectoris, er-folgreich bei Ratten, noch unerprobt an Menschen, er schluckte vierzig Mil-ligramm und wusste: Wirkt es nicht, bist du bald tot.

Zwanzig Minuten später ging es ihm besser, er hörte auf zu hecheln, er zog sich an, band die Schuhe, schnürte den Rucksack, ich gehe hinunter.

Allein stieg Oswald Oelz ab, Schritt nach Schritt, traf unterwegs Messner mit einer Schar Träger, die gipfelwärts drängten, Messner meinte, er, Oelz, sei wohl nicht bei Trost, so schnell in die Höhe zu rennen, Stunden später stand Oelz im Basislager, erschöpft, krank,

aber gerettet. Marcel und Krzysztof, der Pole, trafen erst gegen Abend ein und erzählten, sie seien noch bis zum Pass Makalu La hinaufgestiegen, 600 Meter vor dem Gipfel, kein Problem, kein Problem. «Ohne mich», sagte Oelz. «Kein Problem!» sagte Rüedi. «Du bist nicht akklimatisiert, Mar-cel, das ist gefährlich.» «Ich gehe ganz langsam. Und wenn ich nicht mehr kann, kehre ich um, kein Problem.»Machten Sie sich, als Ihr Freund nicht zu-rückkehrte, je Vorwürfe? «Nein», sagt Oelz mit lauter Stim-me, «Marcel wusste, wozu er sich ent-schied. Es war sein Wille.» «The sky is the limit.»Oelz und Rüedi umarmten sich, der Arzt und der Metzger, der Schwache und der Starke, sie lachten, es war der 21. September 1986, wieder ein Sonn-tag, Oelz, noch immer hustend, ging hinunter, Marcel hinauf. Vielleicht, sagt jetzt Oelz, das Ge-sicht plötzlich verschattet, vielleicht habe er in seinem Leben zwei Erfolge zu offenbaren, nur zwei, aber immer-hin: dass er als Arzt einigen Menschen das Leben erleichtert oder verlängert habe und dass er mit allen, die je mit ihm am Berg gewesen seien, noch im-mer gern ein Bier trinke.Sie sind treu? «Vielleicht nur harmoniebedürftig.»War Marcel Ihr bester Freund? «Ich habe nur beste», sagt Oswald Oelz und lacht stumm.Ist Freundschaft stabiler als Liebe? Er fährt die Unterlippe aus, wiegt den Kopf hin und her, überlegt so lan-

SWISSLIFE Herbst 2011

Der Schriftsteller und Journalist Erwin Koch arbeitet unter anderem für den «Spiegel», «Geo», «Die Zeit» und «Das Magazin». 1996 gewann er den renommierten Egon-Erwin-Kisch-Preis; 2008 erschien sein Roman «Nur Gutes» (Nagel & Kimche, Zürich).

Unterwegszwischen Erde und Himmel Exzellente Bergliteratur bietet das Buch

der «NZZ am Sonntag»-Journalistin

Charlotte Jaquemart über Metzgermeister

Marcel Rüedi: «Zehn Achttausender dank

Gerda» erzählt die Geschichte seiner

Abenteuer, eingebettet in den Kontext

seiner Lebensumstände als selbstständi-

ger Unternehmer und Bergamateur.

Von Oswald Oelz ist in diesem Jahr das

fünfte Buch erschienen: In «Orte, die

ich lebte, bevor ich starb» schildert Oelz

das Bergsteigen als komplementäre

Lebensform zur heutigen Welt.

ge, bis die Antwort druckreif in die Kü-che rollt: «Phänomenologisch gesehen, sind Freundschaft und Liebe, wiewohl beide hormonell bedingt, verschiedene Dinge, die ineinanderfliessen. Es ge-lingt mir, einem unverbesserlichen He-tero, nicht, mir Liebe ohne erotische Komponente vorzustellen.» Und deshalb, setzt Oelz hinzu, sei wohl Freundschaft, weil ihr die Er-schwernis Erotik abgehe, strapazierfä-higer als Liebe.

Drei Tage später erreichte er einen Flugplatz, kaufte sich eine Reise nach Biratnagar, nahm dort den Bus nach Kathmandu, es war früher Morgen, als er die Stadt erreichte am 27. September 1986, Oelz setzte sich in ein Café, auf dem Tisch lag eine Zeitung, «The Rising Nepal», Oelz zog sie zu sich: Messner climbs Makalu while one dies. Marcel Rüedi habe am 25. September den Gip-fel des Makalu zwar erreicht, sei dann beim Abstieg aber ums Leben gekom-men, Messner habe Rüedi, in der Nähe seines Zeltes in Eis und Schnee sitzend, tot aufgefunden. «Ich weiss nicht, ob ich etwas dach-te», sagt Oelz ein Vierteljahrhundert später. «Fassungslos, ich war nur fas-sungslos.»Und Sie weinten? «Nein.» «Man kann das nicht erklären, nur erleben: Diese alles umfassende Ohn-macht.»

Oswald Oelz liess sich ins Hotel bringen, in dem er zwei Wochen zuvor noch mit Rüedi gewesen war, und ver-suchte zu schlafen, er rief dann seine Frau an, die sofort nach Winterthur fuhr, Wartstrasse 19, und die Liebste

des Toten, die fröhlich in der Metzgerei stand, in ein Hinterzimmer bat.Eine gemeine Frage, Herr Oelz: Konnten Sie oder Marcel sich je vorstellen, sich für den anderen zu opfern, wenn nur einer von bei-den die Chance gehabt hätte, am Berg zu überleben? Oelz schaut hinaus auf die Weide, blickt zur Uhr, die leise tickt, schaut in die Wand, zu den Löwen und Göttern aus dem Himalaja, Messing, und schüt-telt leise den Kopf. «Auf 8000 Metern gibt es keine Wahlfreiheit.» Marcel und ihm, Oelz, sei jederzeit klar gewesen, eine tiefe, grosse Selbstverständlichkeit, dass der Starke, zum Abstieg noch fähig, sich nicht neben den Schwachen oder Ver-letzten lege und mit ihm den Tod ab-warte. Geteilter Tod sei doppelter Tod, sinnlos, absurd, ein Unfug. «Das hatten wir so besprochen, Mar- cel und ich, immer wieder.»

Marcel Rüedi, einer der besten Hö-hengänger dieser Welt, Charmebolzen, Meister der wohlkomponierten Dauer-wurst, Ehemann, Vater, Kollege, liegt in einer Spalte des Makalu, knapp 8000 Meter über Trott und Tapete.

An das Grab seines Freundes reiste Oswald Oelz nie mehr.

Charlotte Jaquemart:«Marcel Rüedi. Zehn Achttausender dank Gerda» 192 Seiten; CHF 45.00Rosch Verlag, Pfäffikon ISBN 3-908022-50-9

Oswald Oelz:«Orte, die ich lebte,bevor ich starb»240 Seiten; CHF 58.00AS-Verlag, ZürichISBN 978-3-909111-82-4

Schwerpunkt // 27

Malta ist unser bester Freund Welche europäischen Länder der Schweiz freundlich gesinnt sind, zeigt sich Jahr für Jahr am Eurovision Song Contest. Während der diesjährige Sieger 221 Punkte verbuchte, erhielt die Schweiz in den letzten zehn Jahren insgesamt 479 Punkte – SWISSLIFE zeigt, von wem.

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SWISSLIFE Herbst 2011SWISSLIFE Herbst 2011

Zahlensalat // 29

SWISSLIFE finden Sie als App für iPad im App Store,als E-Magazin auf www.swisslife.ch/magazin oder

auf der Facebook-Seite von Swiss Life www.facebook.com/swisslife

Sie sind die Hüter der Natur und machen laut eigenerEinschätzung das Natürlichste der Welt: Sie hegen und pflegen unseren Lebensraum, stellen frei lebendem Wild nach und erlegen es – nicht ohne zuvor eine strenge Prüfung abgelegt zu haben. SWISSLIFE porträtiert neun Neujäger aus dem Kanton St.Gallen. ›››

So fängtZukunft an.

Bild: Daniel Ammann

Jagdpatent // 31

SWISSLIFE Herbst 2011

LEanDEr BauMann, schWarZEnBach«Ich bin Jäger, weil ich eine grosse Leidenschaft für die natur habe.»

pEtEr WEIGELt, st. GaLLEn«Ich jage, weil ich in der natur den ausgleich zu meinem Berufsleben finde.»

SWISSLIFE Herbst 2011

Marc schnEtZEr, BIchWIL «Mich fasziniert die Jagd, weil der natur meine Liebe und Leidenschaft gehört.»

FrEDI kOhLEr, pFäFErs«Ich bin Jäger, weil ich schon als Bub mit dem Vater auf die Jagd ging – Erbsache also.»

SWISSLIFE Herbst 2011SWISSLIFE Herbst 2011

GaLLus GrünEnFELDEr, WanGs «Ich jage, weil ich so mein Wissen vertiefen und immer wieder neues dazulernen kann.»

ruEDI BränDLE, WILDhaus«Mir gefällt die Jagd, weil mich tiere und die natur seit kindesbeinen an faszinieren.»

SWISSLIFE Herbst 2011

JOhann stEInEr, MOLs«Ich gehe auf die Jagd, damit ich mich wieder öfter in der natur aufhalten kann.»

aBEL-Jan tasMan, st. GaLLEn«Ich jage, weil ich dabei in die grüne ruhe und raschelnde spannung eintauche.»

SWISSLIFE Herbst 2011

OLIVEr BErnD GraEFEn, st. GaLLEn «Ich gehe aus Liebe zur natur und zum besten Bio-Fleisch auf die Jagd.»

Ich werde dich niemals verlassen Sie sich auf unsere Anwälte. Das Leben ist voller Wendungen. Unsere Vorsorge passt sich an. Swiss Life bietet für jeden Lebensabschnitt massgeschneiderte Lösungen an. Ob Sie gerade eine Familie planen, eine Firma gründen oder Ihre Vorsorge angehen möchten: Bei uns sind Sie gut beraten. www.swisslife.ch

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SWISSLIFE Herbst 2011

Text: Erich M. Noetel, Bild: Tom Haller

Rea Egglis Beruf ist es, Projekte aller Art auf die Beinezu stellen. Dafür braucht es ein grosses Beziehungsnetz. Oder noch besser: einen riesigen Freundeskreis. ›››

Am Puls vonZeit und Geist

A Swiss Life // 43

Es gibt viele Menschen in der Kultur- und Veranstal-tungsszene, die irgendwie wichtig sind. Die jeden kennen, die jeder kennt. Aber es gibt nur wenige wie

Rea Eggli. Sie scheint nicht nur jeden zu kennen, sondern jeder scheint sie besonders gut zu kennen, nicht nur von der Arbeit, sondern irgendwie ... persönlich halt. Fällt zufällig ihr Name, wundert man sich nicht mehr über all die Verbin-dungen, die sich auftun, sondern darüber, dass überall eine kleine gemeinsame Geschichte dahintersteckt. Etwas Priva-tes. Es ist immer alles irgendwie privat mit Rea Eggli, auch wenn man rein beruflich miteinander zu tun hatte. Das ist vielleicht das besondere Talent der Frau Eggli, das Geheim-nis ihres Erfolges oder zumindest ein Teil davon: Ihre Bezie-hungen sind Freundschaften.

«Das ist natürlich ein wichtiger Teil meiner Arbeit, viele Leute zu kennen, jeden über Umwege erreichen zu können», sagt Rea Eggli und zupft sich am Ohr, ein entzückendes Ohr übrigens, ein perfektes Ohr. Es ist Samstag, sie hat noch einen Termin in der Stadt, musste schnell ins Büro, danach wird sie in die S-Bahn steigen und nach Hause fahren, in die Zürcher Agglo. Seit Kurzem wohnt sie da mit Mann und Kind, sie findet das selber immer noch irgendwie lustig, aber die Wohnung war so toll, dass die Lage keine Rolle mehr spielte. Sie trinkt einen Schluck ihrer Cola Zero («ich verste-he wirklich nicht, warum Cola Light überall durch Cola Zero ersetzt wird»), und man merkt, dass sie sogar in ihren Ge-danken einen Bogen macht um so was wie Networking oder Socializing, nicht nur die Begriffe, sondern die Konzepte, dieses Businessgetue ist ihr Ding nicht. «Und es ist natürlich auch ein Teil meiner Arbeit, der mir Spass macht.»

Mit Freundschaften fing auch alles an. Als Rea noch an-gestellt war bei einer Telekommunikationsfirma, als sie für diese zwei Jahre in Indien arbeitete als rechte Hand des CEO, als Mädchen für alles, und dort den Schriftsteller Christian Kracht kennenlernte und man beschloss, zusam-men eine Lesung in Zürich zu veranstalten. «Lesungen wa-ren damals noch gar nicht angekommen in der populären Kultur. Die gab es damals nur in Bibliotheken und Buch-handlungen und in Unis. Wir buchten das Theater Winkel-wiese, bastelten Flyer, total dilettantisch alles, aber wir hat-ten einen Riesenspass. Und der Saal war voll.» Und so machte sich Rea Eggli selbstständig mit swissandfamous. Der Name war schon in Indien entstanden, bei einem

japanischen Essen mit Freunden und viel Sake. Die zweite Lesung war dann im Sommer. In der Badi Enge. Neben an-deren Autoren war auch Tom Kummer dabei ein paar Jahre, nachdem aufgeflogen war, dass er Interviews gefälscht hatte, noch immer eine Persona non grata im Journalismus. «Ich war da völlig unvoreingenommen. Mich hat einfach Wunder

genommen, was das für ein Mensch war», sagt Rea Eggli und kichert: «Im Publikum sass dann natürlich die komplette Medienszene.» Und dann kam eine Lesung von Wladimir Kaminers «Russendisko» im Blauen Saal, erzählt sie, und man merkt, wieviel Spass ihr die Erinnerung macht, warum sie von dieser Zeit sagt, sie sei «die beste ihres Lebens gewe-sen» – weil noch alles offen war und sie selbst naiv und frisch und «ich hab mich einfach kopfüber hineingestürzt». Und schon bald kam die erste internationale Lesung mit Nick Hornby, und es kristallisiert sich spätestens jetzt Rea Egglis Ausrichtung heraus: coole Literatur. Das Zeitgeistigste, was die Buchstaben gerade hergeben. «Ich höre oft auf mein Bauchgefühl», sagt sie dazu, und dieses Bauchgefühl bewegt sich offenbar genau am Puls der Zeit.

Es äussert sich auch in ihrer Kleidung. Sie ist so eine, die immer etwas trägt, das interessant ist. Wo man genauer hin-schaut. Wo man sich oft zuerst nicht mal sicher ist, ob es kleidsam ist, aber dann entscheidet: bei ihr irgendwie schon. Sie ist so eine von denen, die die umhäkelten Seidenfoulards von Ikou Tschüss zuerst trugen, bevor sie in den Mode- zeitschriften auftauchten. Man nennt das vielleicht Trend-

«Wir buchten das Theater Winkelwiese, bastelten Flyer, total dilettantisch alles, aber wir hatten einen Riesenspass. Und der Saal war voll.»

SWISSLIFE Herbst 2011

Entspannt, inspiriert und immer irgendwie persönlich: Rea Eggli in ihrem Büro an der «Zürcher» Ankerstrasse.

Von Piccard bis Kübler: Die Hörbuchprojekte «erlebt & erinnert» liegen ihr besonders am Herzen.

Hat ihre Agenda prinzipiell nicht dabei: Rea Eggli im Bücherladen «Westflügel».

SWISSLIFE Herbst 2011

schichten. Das mit den Hörbüchern entstand übrigens auch wieder mit Christian Kracht und auch wieder in Asien – in den Ferien in Bangkok, als die beiden spontan beschlossen, eine Hör-CD aufzunehmen und in einem Studio «irgendwo in der thailändischen Pampa» in einer Nacht-und-Nebel-Aktion alles aus dem Boden stampften.

Nebenbei gründete Rea Eggli mit zwei Freunden mal eben noch eine Kinderkrippe, weil es so lange dauerte, einen Platz zu finden, als Sohn Lee geboren wurde vor zweieinhalb Jahren. Seither, seit Lee, arbeitet Rea Eggli nur noch achtzig Prozent, «aber wie das so ist, wenn man selbstständig ist ...», sagt sie, und man hört die drei Punkte förmlich. Und doch, an diesem Tag in der Woche, wo sie mit Lee unterwegs ist, ist es schwierig, sie auf dem Handy zu erreichen, und ihre Agen-da hat sie prinzipiell nicht dabei. Vieles sei anders und ir-gendwie besser geworden seit Lee, sagt Rea Eggli: «Meine Zeit ist mir mehr wert. Früher hab ich viele Sachen auch noch irgendwie reingequetscht, und oft sogar, ohne etwas daran zu verdienen. Das ist ja gut und schön, aber für immer muss man nicht so funktionieren. Heute bin ich konsequen-ter. Es fällt mir auch viel leichter, einen Auftrag abzusagen. Weil ich jetzt weiss, wie ich meine Zeit noch lieber verbringe.»

Inzwischen wurde aus swissandfamous übrigens «eggli, eggli». Womit auch im Namen etwas deutlich gemacht wird, was tatsächlich schon seit zehn Jahren so ist: Das Ehepaar Rea und Chris Eggli arbeitet zusammen. «Früher hatte ich immer das Gefühl, ich müsse das irgendwie vertuschen, weil es sonst nach Vetterliwirtschaft aussieht oder so», sagt Rea. «Aber inzwischen stehen wir dazu. Wir funktionieren ein-fach zusammen, er hat als Gestalter und Künstler einen Blick, der meinen extrem gut ergänzt. Wir sind zusammen besser als einzeln.» Das ist so ein Satz, den viele Leute nicht sagen könnten, ohne dass es wahnsinnig affig klingt. Bei Rea Eggli hingegen ist man einfach gerührt. Und spätestens, wenn man mitkriegt, was sie gleich einer ihrer Autorinnen zur Ge-burt des Kindes vorbeibringt, hat sie noch eine Freundschaft mehr im Netz: Es ist ein selbstgestrickter Pullunder.

setting, aber das ist wie Networking und Socializing nicht Rea Egglis Welt. Heute trägt sie ein gestreiftes Achtziger- Stricktop mit schwarzem Mini und halbhohen Retro-Pumps. Es ist eine Kunst für sich, diesen urbanen Vintage-Look zu tragen, ohne mottig auszusehen.

So also wurde Rea Eggli «Kommunikationsspezialistin und Projektleiterin», wie es auf ihrer Webseite heisst, indem sie Lesungen für Freunde organisierte. Von Kultur allein allerdings kann man kaum leben, das wurde schnell klar, es ging also bald darum, die Balance zu finden zwischen Auf-trägen aus der Wirtschaft und eigenen Projekten – obwohl sich Rea gegen die Formulierung «Geld vs. Herz» wehrt, denn «schliesslich liegt es mir auch am Herzen, Geld zu ver-dienen», sie lächelt, und mit ihrem Berner Dialekt klingt das wie das Charmanteste auf der Welt. «Und es macht mir auch

Spass, in andere Welten hineinzudenken.» Ihre Kunden sind national und international. Von Credit Suisse bis Google London setzte Rea Eggli Kommunikationsmassnahmen. Und daneben, eben, sind die eigenen Sachen. Zum Beispiel die «Märli für Erwachsene», eine Veranstaltungsreihe mit Schwei-zer Autoren, die diesen Sommer das Zehnjährige feiert. Oder der «Westflügel», ein kleiner, stilvoller Bücher- und Möbel-laden. Oder die Eiger-Stiftung zur Förderung literarischer Talente. Oder der Hörbuchverlag. Momentan liegt ihr gera- de die Edition «erlebt & erinnert» besonders am Herzen: Schweizer Persönlichkeiten wie zum Beispiel Trudy Gerster oder Carla Del Ponte erzählen auf den CD ihre Lebensge- Erich M. Noetel lebt als freier Autor in Zürich.

«Wir sind zusammen besser als einzeln.» Das ist so ein Satz, den viele Leute nicht sagen können, ohne dass es wahnsinnig affig klingt.

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SWISSLIFE Herbst 2011

Tobias Funke wurde für seine Kochkünste imRestaurant Funkes Obstgarten in FreienbachSZ mit 16 Gault-Millau-Punkten ausgezeichnetund als Aufsteiger des Jahres 2011 gefeiert.www.funkesobstgarten.ch

Tobias Funke über das neue Alte

Seit rund einem halben Jahr besitze ich die älteste Speisekarte der Schweiz, nachdem ich eine Reise in die Vergangenheit unternommen und monatelang nach Hinweisen gesucht habe: in der Nationalbibliothek Bern, der Zentralbibliothek Zürich und dem Staatsarchiv Uri hauptsächlich. Ich habe Rezepte gefunden, die zwischen 200- und 500-jährig sind, und viele Details, die unsere Vorfah- ren schätzten, längst vergessene Köstlichkeiten. Jetzt mache ich aus dem Alten Neues, das ist extrem spannend. Ab und zu freue ich mich aber auch über exotische Produkte: Dieser Risotto mit Passionsfrucht und Hummer passt genauso perfekt in diese Jahreszeit wie etwa meine Schweinsöhrli. Das neue Alte und das Neue von morgen: Es sind diese Entdeckungen, die mich Tag für Tag reizen und unsere Gäste begeistern.

Wenn der Hummer seine Passion für den Risotto entdecktUngewöhnliche Kombinationen sind oft ein guter Ansatz für den besonderen Genuss.Das Risottorezept mit edlem Hummer und exotischer Passionsfrucht wird Sie begeistern.

Zutaten für 4 Personen: 2 Hummer (500 – 600g pro Hummer), 2 Passionsfrüchte, 200g Carnaroli-Risotto, 1dl Weisswein, 7,5 dl Bouillon, ½dl Olivenöl, 50g Parmesan gerieben, 20g Butter, 1EL geschlagener Rahm, 1EL Limonenöl

Kanadischer Hummer mit Passionsfrucht-RisottoDen Carnaroli-Risotto im Limonenöl glasig dünsten. Anschliessend mit dem Weisswein ablöschen und mit der Bouillon auffüllen. Die ausge- kratzten Passionsfrüchte dem Risotto beigeben und leicht köcheln lassen. Kurz bevor das Korn weich ist, den Parmesan und die Butter beigeben und unter ständigem Rühren mit einer Holzkelle kurz weiterkochen. Zum Schluss den geschlagenen Rahm beigeben und mit Salz und Pfeffer abschmecken. Den Hummer im siedenden Wasser drei Minuten kochen und die Scheren nochmals zwei Minuten nachkochen. Ein bisschen auskühlen lassen und anschliessend ausbrechen.

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SWISSLIFE Herbst 2011

Dabei spielen weniger der Gegenstand und seine eigentli-che Aufgabe eine Rolle als vielmehr seine Besitzer – und die Umstände, die sie mit dem entsprechenden Gegen-stand verknüpfen. Es ist unsere Fantasie, die ein be-langloses Gebrauchsding zu etwas Unersetzlichem emporstilisieren kann. Mit den Geschichten zu unseren Besitztümern verwandeln wir Abfall zu Gold und ma-chen aus schäbigem Krempel ein einzigartiges Erb-stück. Deshalb mag ich solche Dinge. Weil sie Zeugen unserer Einbildungskraft sind, gegenständlich gewor-dene Fantasie.

Mein zweitgeschichtsträch-tigster Gegenstand heisst Ekta-graphic. Ektagraphic AF, um ge-nau zu sein, mit Vornamen Kodak. Jahrgang 1971, mit Kabelfern-bedienung und AF, eben – Auto-fokus. Mit dem Ektagraphic bin ich gross geworden, er hat meine visuelle Wahrnehmung geschult wie sonst nichts und mir unzäh-lige Geschichten beschert. Weiter-erzählte Geschichten meiner Eltern, ausgelöst von Er-innerungsdias, die in einer Zeit aufgenommen wurden, als man sich vor dem Einlegen des Films entscheiden musste, ob man die Bilder später als Blattkopie oder Dia aufbewahren würde. Mein Vater hat sich oft gegen verstaubte Fotoalben und für den Diaabend unter Freunden entschieden, glücklicherweise.

Der alte schlafende Mann an einer Strassenecke in Marokko mit seinem Maultier, den Gummischuhen und der selbergeflickten Brille. Mein bester Freund und ich an unserem letzten Schultag. Ein fremdes Kind, das in Badehosen und Strohhut neben unserem sitzenden Hund steht, nahezu gleich gross, den Arm zur Hälfte in der gleichgültig geöffneten Schnauze unseres Hundes versenkt. Mein Urgrossvater und ich.

Bilder, die sich mir besser eingeprägt haben als das ei-gentlich abgebildete Ereignis. Momente, die mir eines Dias wegen in lebhaftester Erinnerung geblieben sind. Ich bin meine Erinnerung. Und die ist sorgfältig in den Plastikschienen des Diaprojektors archiviert. Der Ektagraphic ist mein Gewissen, mein Vergangenheits-bewusstsein.

Es gibt zu vielen meiner Gegenstände irgendeine Geschichte zu erzählen. Die Vinylschallplatten-Samm-lung alleine würde ganze Bücherwände füllen, mein

ganzes Leben war zu jedem Zeit-punkt mit Musik verbunden. Aber nichts beherbergt eine der-artig dichte Fülle an Geschichten wie mein Diaprojektor. Ausser dem Plattenspieler, eben, mei-nem fantasiebeladensten Gegen-stand, dessen Geschichte hier bestimmt auch irgendwann zu lesen sein wird.

Bis dahin mache ich mich jetzterst mal auf den Weg, um Bilder-

geschichten zu erzählen an meinen Diaabenden, ganz in der Tradition meiner Eltern. Der Ektagraphic bleibt allerdings zu Hause. Er würde wohl kaum mehr genug Leuchtkraft aufbringen und höchstens Schaden neh-men im hektischen Tourneealltag. Aber der Transport der Geschichten funktioniert heute ja auch ganz prima per Beamer und Computer. Und schliesslich geht’s beim Diaabend hauptsächlich darum, neue Freundschaften zu knüpfen.

Es gibt Dinge, die sind weit mehr, als sie scheinen. Der Ektagraphic AF zum Beispiel. Unser Kolumnist über Gegenstände, die Erinnerungen wecken.

Reeto von Gunten ist Radiomoderator (DRS3), Buchautor und Geschichten-erzähler – und fasziniert von den kleinen Grossartigkeiten des Lebens. In SWISSLIFE schreibt er über unscheinbare Dinge mit einer besonderen Geschichte. Seit Oktober 2011 ist Reeto von Gunten auf Diaabend-Tour (Infos: www.reetovongunten.com).

Reeto von Gunten // 53

SWISSLIFE Herbst 2011

«Louis, ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.»

Gewinnen Sie ein 3-D-HeimkinoGrosses Kino im Wohnzimmer: Das Sony-Blu-ray Heimkino-System BDV-L800 im Wert von 899 Franken gibt Filme in perfekter Full- HD-3-D-Qualität und kraftvollem Sound wieder und sieht dank elegantem Design erst noch gut aus. Die Wettbewerbsfrage ist ganz einfach: Welcher Film endet mit folgendem Satz: «Louis, ich glaube, dies ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.»A > CASABLANCAB > EAST OF EDEN C > TO CATCH A THIEF

Nehmen Sie im Internet (www.swisslife.ch/magazin) an diesem Wettbewerb teil oder kreuzen Sie auf der Antwortkarte (Lasche der hinteren Umschlagseite) die richtige Lösung an. Teilnahmeschluss ist der 31. Dezember 2011. Der Gewinner oder die Gewinnerin wird im nächsten SWISSLIFE bekannt gegeben. Wir gratulieren Herrn Lukas Röthlisberger, 3123 Belp, zum Gewinn des letzten Wettbewerbs, einem Grillfest für 20 Freunde im Wert von über 1000 Franken, offeriert von Bell und Feldschlösschen. Die richtige Antwort lautete: 1.

Wettbewerb // 55

«Äs isch alles värcheert du bisch plötzlich ich hengis nit umgikehrt sellu sii jetzt spriäsch du Parfum übär mich»Bei der Vorbereitung zu meinen Alben, deren Texte ich meist selber schreibe, gibt es auch immer ein paar Gedankenfet-zen, die ich an meine Freundinnen Sybille Berg oder Milena Moser weiterreiche. Sie schreiben mir dann eine Geschichte dazu, die ich dann wieder verändere, bis sie mir auf den Leib geschrieben ist, ich mache Silben, ich mache Reime draus – und am Schluss gibt das ein Lied.

«Parfum» ist ein so mit Milena Moser entstandenes Lied, das ich schon lange machen wollte. Es ist die Geschichte über eine Person, wie es sie in jeder Schulklasse gibt und die voller Inbrunst sagt: Aus mir wird mal etwas ganz Besonderes. Man glaubt es diesen Menschen auch, es sind die PausenkönigIn-nen, die rumlaufen wie Auserkorene, Schülerinnen und Schü-ler, die auf irgendwelchen Papierfetzen bereits Autogramme üben und sagen: Hey, ich mache zwar den Umweg über Ame-rika, aber ich komme ganz, ganz gross zurück. Ich hatte auch eine solche Person in meiner Klasse damals, in Brig in der Handelsschule. Sie machte mir enorm Eindruck; ich fand, ge-nau so sehen zukünftige Stars aus, genau so muss man sich benehmen, so muss man sich kleiden, schminken, reden. Und wenn dann noch mindestens drei Buben vor unserer Kloster-schule auf dieses Mädchen warteten, dann war für uns alle klar: Bei ihr klappt das. Die wird bestimmt ein Star.

Jahre später hörte ich, dass ihr Leben eine andere Bahn nahm. Um das geht es bei diesem Song: Diese Person, von der wir alle überzeugt waren, dass sie ein Star wird, ist nun eine Parfumverkäuferin. Und ich, Sina, bin die Musikerin, die ein Publikum hat. Man trifft diese Parfümverkäuferin, diese Heldinnen und Helden unserer jungen Tage ja auch immer mit einem schlechtes Gewissen – weil man denkt, man habe ihren Traum gestohlen: Die Star-Rolle wäre ja für sie vorgesehen gewesen.

Ich werde unglaublich oft auf diesen Song angespro-chen, 90 Prozent der Reaktionen kommen von Frauen. Ich denke, Männer ordnen solche Gegebenheiten, diesen Lauf der Dinge anders ein: Die sagen sich: Ok, dieser Pausenhof-Star, das ist jetzt der Häuptling, von dem kann ich vielleicht profitieren – drum stelle ich mich mal in seinen Windschat-ten und schaue, was passiert. Bei den Frauen funktioniert das auf einer anderen Ebene. Als ich diese Schulkollegin traf, da hatte ich wirklich das Gefühl, ich hätte ihr etwas wegge-nommen. Sie hatte doch alles aufgegleist, um ein Star zu werden – wie konnte sich das nur derart verschieben, dass ich jetzt die prominentere bin? Da kommt dann so etwas wie Unverständnis auf, keinerlei Triumphgehabe. Als Frau den-ke ich eher: Hey, das hätte ich dir doch auch gegönnt. Was lief da schief? Es können doch auch zwei ganz oben stehen, es hat doch auch Platz nebeneinander.

Sina über ihren Song «Parfum»

Die Geschichte vom gestohlenen Traum

«Parfum» ist auf Sinas letzter CD «Ich schwöru» oder auf YouTube zu hören. Die Walliserin ist dieses Jahr noch auf Tournee (Daten siehe www.sina.ch) und im kommenden Jahr erneut mit der Jazz-Sängerin Erika Stucky unterwegs – mit einem Programm aus selbstgedrehten Super-8- und Videofilmen, die live vertont werden – Mit Liedern und Geschichten aus den Walliser Tälern.

56 // Zugabe

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