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Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 10. Jahrgang, Heft 3/2007, S. 439-445 441 scher Sicht einen Vergleich zwischen Familienbe- ratung und Elterncoaching vornimmt und so ein beeindruckendes Modell modernen Elterncoa- chings vorstellt. Insgesamt bietet der Band eine gelungene Sys- tematisierung zu den vielfältigen Angeboten der Elternbildung und fordert zugleich zu einer kri- tisch-reflexiven Auseinandersetzung mit der Handlungspraxis der Elternpädagogik auf. Damit leistet das Buch einen Beitrag zur Orientierung und (Neu-)Konzeptualisierung einer qualifizierten Elternarbeit. Es bietet beispielsweise Erzieher(in- ne)n, Sozialpädagog(inn)en und Lehrer(inne)n ei- nen theoretisch fundierten und sprachlich anspre- chenden Zugang zum Thema. Tschöpe-Scheffler (Hrsg.), Konzepte der El- ternbildung. Mittlerweile sind die Angebote in diesem Feld so stark diversifiziert, dass von einem ‚Angebotsdschungel‘ der Elternbildungsangebote gesprochen werden kann, in den das Buch eine Schneise zu schlagen versucht. Auch auf Seiten der Eltern ist ein wachsendes Interesse und stei- gender Bedarf an solchen Angeboten zu beobach- ten. Die Unübersichtlichkeit der Elternbildung be- zieht sich dabei zum einen auf das äußerst vielfäl- tige (und inzwischen auch manchmal kommerzia- lisierte) Angebot, zum anderen auf die sehr unter- schiedlichen und verwirrenden Bezeichnungen für Angebote der Elternbildung von Elternkurs, El- ternschule über Elterntraining, Elternbegleitung bis hin zu Elterncoaching oder Elternwerkstatt. Der Band greift diese Fragen auf und vermittelt dabei die Botschaft, „dass Eltern aller Bildungs- und Sozialschichten zur kompetenten Wahrneh- mung und Bewältigung ihrer Erziehungsaufgabe Anregungen, Austausch und Unterstützung benö- tigen“ (S. 14). Als Zielgruppe werden neben den Berufsgruppen, die mit Eltern arbeiten, auch die Eltern selbst anvisiert. Die ins Detail gehenden Ausführungen scheinen jedoch eher für beratend tätige Akteure geeignet, die das Buch als Informa- tionsgrundlage in ihrer Beratungsfunktion nutzen. Das Buch besteht aus zwei Teilen. Teil 1 bietet eine kritische Auswahl zu aktuellen Konzepten der Elternbildung und stellt sich damit der Herausfor- derung, einen aktuellen Überblick über die Viel- zahl von Elternbildungsangeboten zu geben. Die insgesamt 15 vorgestellten Elternbildungsangebote werden entweder von den Konzeptentwickler(in- ne)n selbst oder von denjenigen, die damit in der Praxis arbeiten, ausführlich präsentiert. Die Zu- sammenstellung der Angebote, die selbst nur ein Ausschnitt aus dem ‚Markt der Möglichkeiten’ sein kann, erfolgte dabei nicht zufällig, sondern steht exemplarisch für die vielen Gesichter der Elternbildung. Dabei wird eine Differenzierung der Konzepte in drei Kategorien vorgenommen. In der ersten Kategorie werden standardisierte Kon- zepte mit einer klaren Programm- und Seminar- struktur betrachtet, wie sie in Beratungsstellen und Familienbildungseinrichtungen existieren. Diesen programmatischen Angeboten werden in der zwei- ten Gruppe eher dialogisch und auf Gruppenarbeit sowohl mit Eltern als auch mit Eltern und Kindern fokussierte Beispiele gegenübergestellt, an denen deutlich wird, wie aktuelle Themen im gemeinsa- men Austausch er- und bearbeitet werden. In der dritten Kategorie werden offene Konzepte (wie sie z.B. im Rahmen von Begegnungsräumen existie- ren) mit dem Ansatz der Niedrigschwelligkeit und der Partizipation von Eltern in Kindertagesein- richtungen oder der Stadtteilarbeit vorgestellt, die eine stetige Zunahme verzeichnen. Teil 2 vergleicht die Elternbildungsprogramme. Hierzu werden zunächst Kriterien, Kompetenz- profile und Qualitätsanfragen eingeführt, die als Grundlage dieser Gegenüberstellung dienen. Be- sonderer Bezugspunkt ist dabei das von der Her- ausgeberin entwickelte Modell der „Fünf Säulen der Erziehung“ (Liebe, Achtung, Kooperation, Struktur, Förderung). Alle 15 Elternbildungsange- bote werden entlang der vorgestellten Kriterien geprüft und daraufhin untersucht, welche Kompe- tenzbereiche der Eltern – unterschieden werden Wissen, Handeln, Selbstreflexion und Netzwerk- arbeit – besonders gefördert werden. Schließlich werden mit Blick auf das Kompetenzprofil der Elternbildungsangebote Zuordnungen und Ge- wichtungen vorgenommen, womit die Unterschie- de der jeweiligen Konzepte herausgestellt werden sollen. Insbesondere mit dem zweiten Teil des Bu- ches wird dem Leser ein Instrumentarium an die Hand gegeben, um Elternbildungsangebote prüfen und einordnen zu können. Insgesamt ist das Buch sowohl ein guter Orientierungsrahmen als auch ein ausgezeichnetes Werkzeug, um Elternbildungsan- gebote kritisch zu beleuchten. Es ermöglicht die Würdigung der bislang in Forschung und Wissen- schaft eher marginalisierten Elternbildung und stellt ihr Präventionspotential heraus. Zudem trägt es in besonderer Weise zur Transparenz der ver-

2. Sigrid Tschöpe-Scheffler (Hrsg.): Konzepte der Elternbildung — eine kritische Übersicht

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Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 10. Jahrgang, Heft 3/2007, S. 439-445 441

scher Sicht einen Vergleich zwischen Familienbe-ratung und Elterncoaching vornimmt und so einbeeindruckendes Modell modernen Elterncoa-chings vorstellt.

Insgesamt bietet der Band eine gelungene Sys-tematisierung zu den vielfältigen Angeboten derElternbildung und fordert zugleich zu einer kri-tisch-reflexiven Auseinandersetzung mit derHandlungspraxis der Elternpädagogik auf. Damitleistet das Buch einen Beitrag zur Orientierungund (Neu-)Konzeptualisierung einer qualifiziertenElternarbeit. Es bietet beispielsweise Erzieher(in-ne)n, Sozialpädagog(inn)en und Lehrer(inne)n ei-nen theoretisch fundierten und sprachlich anspre-chenden Zugang zum Thema.

Tschöpe-Scheffler (Hrsg.), Konzepte der El-ternbildung. Mittlerweile sind die Angebote indiesem Feld so stark diversifiziert, dass von einem‚Angebotsdschungel‘ der Elternbildungsangebotegesprochen werden kann, in den das Buch eineSchneise zu schlagen versucht. Auch auf Seitender Eltern ist ein wachsendes Interesse und stei-gender Bedarf an solchen Angeboten zu beobach-ten. Die Unübersichtlichkeit der Elternbildung be-zieht sich dabei zum einen auf das äußerst vielfäl-tige (und inzwischen auch manchmal kommerzia-lisierte) Angebot, zum anderen auf die sehr unter-schiedlichen und verwirrenden Bezeichnungen fürAngebote der Elternbildung von Elternkurs, El-ternschule über Elterntraining, Elternbegleitungbis hin zu Elterncoaching oder Elternwerkstatt.Der Band greift diese Fragen auf und vermitteltdabei die Botschaft, „dass Eltern aller Bildungs-und Sozialschichten zur kompetenten Wahrneh-mung und Bewältigung ihrer ErziehungsaufgabeAnregungen, Austausch und Unterstützung benö-tigen“ (S. 14). Als Zielgruppe werden neben denBerufsgruppen, die mit Eltern arbeiten, auch dieEltern selbst anvisiert. Die ins Detail gehendenAusführungen scheinen jedoch eher für beratendtätige Akteure geeignet, die das Buch als Informa-tionsgrundlage in ihrer Beratungsfunktion nutzen.

Das Buch besteht aus zwei Teilen. Teil 1 bieteteine kritische Auswahl zu aktuellen Konzepten derElternbildung und stellt sich damit der Herausfor-derung, einen aktuellen Überblick über die Viel-zahl von Elternbildungsangeboten zu geben. Dieinsgesamt 15 vorgestellten Elternbildungsangebotewerden entweder von den Konzeptentwickler(in-ne)n selbst oder von denjenigen, die damit in der

Praxis arbeiten, ausführlich präsentiert. Die Zu-sammenstellung der Angebote, die selbst nur einAusschnitt aus dem ‚Markt der Möglichkeiten’sein kann, erfolgte dabei nicht zufällig, sondernsteht exemplarisch für die vielen Gesichter derElternbildung. Dabei wird eine Differenzierungder Konzepte in drei Kategorien vorgenommen. Inder ersten Kategorie werden standardisierte Kon-zepte mit einer klaren Programm- und Seminar-struktur betrachtet, wie sie in Beratungsstellen undFamilienbildungseinrichtungen existieren. Diesenprogrammatischen Angeboten werden in der zwei-ten Gruppe eher dialogisch und auf Gruppenarbeitsowohl mit Eltern als auch mit Eltern und Kindernfokussierte Beispiele gegenübergestellt, an denendeutlich wird, wie aktuelle Themen im gemeinsa-men Austausch er- und bearbeitet werden. In derdritten Kategorie werden offene Konzepte (wie siez.B. im Rahmen von Begegnungsräumen existie-ren) mit dem Ansatz der Niedrigschwelligkeit undder Partizipation von Eltern in Kindertagesein-richtungen oder der Stadtteilarbeit vorgestellt, dieeine stetige Zunahme verzeichnen.

Teil 2 vergleicht die Elternbildungsprogramme.Hierzu werden zunächst Kriterien, Kompetenz-profile und Qualitätsanfragen eingeführt, die alsGrundlage dieser Gegenüberstellung dienen. Be-sonderer Bezugspunkt ist dabei das von der Her-ausgeberin entwickelte Modell der „Fünf Säulender Erziehung“ (Liebe, Achtung, Kooperation,Struktur, Förderung). Alle 15 Elternbildungsange-bote werden entlang der vorgestellten Kriteriengeprüft und daraufhin untersucht, welche Kompe-tenzbereiche der Eltern – unterschieden werdenWissen, Handeln, Selbstreflexion und Netzwerk-arbeit – besonders gefördert werden. Schließlichwerden mit Blick auf das Kompetenzprofil derElternbildungsangebote Zuordnungen und Ge-wichtungen vorgenommen, womit die Unterschie-de der jeweiligen Konzepte herausgestellt werdensollen. Insbesondere mit dem zweiten Teil des Bu-ches wird dem Leser ein Instrumentarium an dieHand gegeben, um Elternbildungsangebote prüfenund einordnen zu können. Insgesamt ist das Buchsowohl ein guter Orientierungsrahmen als auch einausgezeichnetes Werkzeug, um Elternbildungsan-gebote kritisch zu beleuchten. Es ermöglicht dieWürdigung der bislang in Forschung und Wissen-schaft eher marginalisierten Elternbildung undstellt ihr Präventionspotential heraus. Zudem trägtes in besonderer Weise zur Transparenz der ver-

442 Rezensionen

schiedenen Angebote im Bereich der Familienun-terstützung bei und gibt somit Grundlagen undDiskussionsanreize, die zugleich familienpoliti-sche Implikationen bereithalten.

Tschöpe-Scheffler, Eltern-Stärken-Test. DasModell der „Fünf Säulen der Erziehung“ ist auchGrundlage für den ebenfalls unter der Leitung derAutorin entwickelten Eltern-Stärken-Test. In einersehr ansprechenden und mit vielen Fotos aus demErziehungs- und Familienalltag gestalteten DIN-A4-Broschüre können sich Eltern der Beantwor-tung von insgesamt 20 Fragen zu unterschiedli-chen Bereichen der Erziehung stellen. Für jede der„fünf Säulen“ erfolgt eine Einordnung der Ergeb-nisse auf einer zwölfstufigen Skala, die die jewei-ligen Pole Vertrauen, Respekt, Mitbestimmung,Struktur und Förderung den Tendenzen zur Über-behütung, Missachtung, Bevormundung, Chaosund Perfektionismus gegenübergestellt. Zur Inter-pretation der Skaleneinordnung im Plus- oder imMinusbereich einer jeden „Säule“ werden sehrhilfreiche und alltagsnahe Erläuterungen als auchHinweise für Verbesserungen im Erziehungsver-halten bereitgestellt. Als kleine Zusammenfassungrunden Schlüsselbegriffe die Aussagen zu jederSäule ab, bevor eine Gesamtzusammenfassung diezwei Grundtypen der Erziehung benennt. Es fol-gen kleinere Geschichten und Gedichte zum El-tern-Dasein. Die letzten Seiten enthalten 3 Aus-wertungsbögen für die Teilnahme an einem „El-tern stärken“-Seminar. Das übersichtlich gestalteteHeft enthält nicht nur die Möglichkeit zur kriti-schen Selbsteinschätzung, sondern auch zahlreicheIdeen und Anregungen für ein angemessenes el-terliches Erziehungsverhalten. Die große Stärkedes Tests ist darin zu sehen, dass es bei den Kom-petenzen der Eltern und deren Wahrnehmung ihrerStärken ansetzt. Mögliche Schwächen werden an-erkannt und zugleich Tipps zur Verbesserung undVeränderung an die Hand gegeben.

Fuhrer, Erziehungskompetenz. Der Magdebur-ger Entwicklungspsychologe Urs FUHRER legt sei-ner Konzeption eines Erziehungsratgebers aus-drücklich eine zeitdiagnostische Rahmung zugrun-de. Er überwindet damit eine oftmals anzutreffen-de, ausschließlich auf „innere“ Bedingungen vonPersonen und Familien sich beschränkende Per-spektive. Betont wird in der Einführung, dass diekindliche Entwicklung nicht alleine auf den erzie-

herischen Einfluss der Eltern zurückgeführt wer-den kann und letzterer sich schon gar nicht aus-schließlich auf direkten Pfaden in die Entwicklungkindlicher Persönlichkeit bzw. seines Charakterseinschreibt. Hinzugedacht werden müssen geneti-sche Faktoren einerseits, sowie die Tatsache ande-rerseits, dass Kinder heute in ein in sich vielfachverwobenes Netz von gesellschaftlichen Erzie-hungseinflüssen gestellt werden. Daraus ergibtsich die Notwendigkeit für heutige Eltern, sichkundig mit diesen auseinanderzusetzen.

Das Credo für eine erfolgreiche Erziehung undauch für eine zielführende Beratung von Elternlautet dabei: Es gehe nicht um eine Perfektionie-rung des Erziehungsverhaltens, weil dadurch einguter Teil der natürlichen elterlichen Erziehungs-intuition verloren gehe. Zu vermeiden sei aberauch, Eltern in einem risikoscheuen Tonfall zuverunsichern, denn überbesorgte Eltern würdendiese Ängstlichkeit auch auf ihre Kinder übertra-gen. Angesagt sei vielmehr, angesichts der Wider-sprüche und Uneindeutigkeiten, Eltern Mut zumachen, ihren Kindern Mut zu machen. Kindermüssen demnach gerade heute vielfältigen Erfah-rungsmöglichkeiten ausgesetzt werden, in denensie auch scheitern können, um daraus dann emo-tionale Strategien des Umgangs mit Niederlagenentwickeln zu können. „Starke Eltern schaffen es,ihren Kindern auch das Scheitern zu ermöglichen.Auch das gehört zu einer kräftigen Kinderseele:die Tränen, die Enttäuschungen, der Misserfolg,das Hinfallen – der Schmerz. Allerdings müssendie Eltern dann, aber erst dann, Tränen trocknenund trösten.“ (S. 15). Als Ziel seiner Einführungformuliert der Autor, nicht einfach „Techniken“und „Rezepte“ vorzuschlagen. Vielmehr ist es seinAnliegen, nachvollziehbar zu machen, was esheute heißt, ein Kind zu sein und was „Elternseinals Erziehersein“ ausmacht.

Im ersten Kapitel „Eltern mit Kindern in unse-rer Leistungsgesellschaft“ entfaltet der Autor sei-nen zeitdiagnostischen Zugriff, der die Wider-sprüchlichkeiten heutiger Kindheit und heutigenElternseins akzentuiert. Sie resultieren vor allemaus dem ungeheuren Zuwachs an Möglichkeitenund Entwicklungschancen bei simultan wachsen-den Gefährdungen und Risiken. Aus dem zeitdia-gnostischen Tableau folgt dann aber auch, dassman Erziehungskompetenzen nicht als schnell er-lernbares Set von Regeln und Maximen vermittelnkann. Eine um Nachhaltigkeit bemühte Praxis des