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Krafthand 20/2008 26 www.krafthand.de Werkstattpraxis Elektronik Signale beim Einspritzen Die Suche nach dem korrekten Fehlersignal eines fehlerhaften Einspritzventils scheint oftmals vergeblich Das Aufspüren von Fehlern in der Kfz-Elektronik mit dem Oszilloskop erfreut sich steigen- der Beliebtheit. Im gleichen Maße schleichen sich aber Messfehler, vor allem aber auch Missdeutungen ein. ,Prominen- tes’ Beispiel ist das Interpretie- ren des Signalverlaufs der Spannung am Einspritzventil. U nrunder Motorlauf, ein Ruckeln und Leistungseinbußen, dazu schlechte Abgaswerte – der Kfz-Profi hat bei solchen Symptomen unter an- derem gleich die nicht korrekt arbei- tenden Einspritzventile im Visier. Aller- dings steht nicht immer ein geeigneter Motor- und Abgastester bereit, um Feh- lerursachen an der elektronischen Benzineinspritzung auf die Schliche zu kommen. Viele greifen aus diesem Grund zu den Messstrippen eines Oszilloskops. Doch Achtung: Eine Diagnose über den Signalverlauf des Einspritzventils ist oft schwierig, meist sogar trügerisch. Zum einen fehlt den meisten Service- technikern die entsprechende Erfah- rung zur Beurteilung, zum anderen genügen oftmals die vorhandenen Messmittel nicht den Anforderungen an Messgenauigkeit und -geschwindig- keit. Wer fundierte Aussagen und damit auch eine haltbare Diagnose über Ein- spritzventile abgeben möchte, sollte Reinhold Dörfler, Autor des Beitrags und Inhaber von Dörfler Elektronik: „Gerade bei Messungen mit dem Oszilloskop schleichen sich oftmals Fehler ein. Der Grund liegt in dem teils fehlenden Wissen grundlegender elektrischer Funktionen.“ Bilder: Dörfler Eletronik

20 08 Signale Beim Einspritzen

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Werkstattpraxis Elektronik

Signale beim EinspritzenDie Suche nach dem korrekten Fehlersignal eines fehlerhaften Einspritzventils scheint oftmals vergeblich

Das Aufspüren von Fehlern in

der Kfz-Elektronik mit dem

Oszilloskop erfreut sich steigen-

der Beliebtheit. Im gleichen

Maße schleichen sich aber

Mess fehler, vor allem aber auch

Missdeutungen ein. ,Prominen-

tes’ Beispiel ist das Interpretie-

ren des Signalverlaufs der

Spannung am Einspritzventil.

Unrunder Motorlauf, ein Ruckelnund Leistungseinbußen, dazu

schlechte Abgaswerte – der Kfz-Profihat bei solchen Symptomen unter an-derem gleich die nicht korrekt arbei-tenden Einspritzventile im Visier. Aller-dings steht nicht immer ein geeigneterMotor- und Abgastester bereit, um Feh-lerursachen an der elektronischenBenzineinspritzung auf die Schliche zukommen. Viele greifen aus diesemGrund zu den Messstrippen eines Oszilloskops.

Doch Achtung: Eine Diagnose überden Signalverlauf des Einspritzventilsist oft schwierig, meist sogar trügerisch.Zum einen fehlt den meisten Service-technikern die entsprechende Erfah-rung zur Beurteilung, zum anderengenügen oftmals die vorhandenenMessmittel nicht den Anforderungenan Messgenauigkeit und -geschwindig-keit.

Wer fundierte Aussagen und damitauch eine haltbare Diagnose über Ein-spritzventile abgeben möchte, sollte

Reinhold Dörfler, Autor des Beitrags und Inhaber von Dörfler Elektronik: „Gerade bei Messungen mit dem Oszilloskop schleichen sich oftmals Fehler ein. Der Grund liegt indem teils fehlenden Wissen grundlegender elektrischer Funktionen.“ Bilder: Dörfler Eletronik

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über die einzelnen Abschnitte und de-ren Ursachen eines Signalverlaufs an16-Ohm-Ventilen Bescheid wissen.Wer meint, aus der Größe oder Form ei-nes Spannungsbuckel im Signalverlaufauf ein ‚verkoktes’ und damit nichtmehr einwandfrei arbeitendes Ein-spritzventil deuten zu können, der irrtin fast jedem Fall.

Nachvollziehbare Grundlagen

Um die Signalverläufe auf dem Oszil-loskop richtig deuten zu können, sind

grundsätzliche Kenntnisse der Funkti-onsweise elektrisch angesteuerter Ein-spritzventile erforderlich. Mit Ausnah-me von Piezoeinspritzdüsen bestehendiese aus einer Spule, die um einen Ei-senkern gewickelt ist – also einemElektromagnet. Wird dort eine Span-nung angelegt, baut sich ein Magnet-feld auf und zieht gegen eine Feder-kraft die Ventilnadel an und derKraftstoff wird in den Zylinder einge-spritzt.

Doch welche Auswirkungen aufden Signalverlauf haben die einzelnenAbläufe beim Öffnen und Schließender Ventilnadel tatsächlich? Und waslässt sich aus den einzelnen Kurven-verläufen tatsächlich ableiten? Dies istim Übrigen eine zentrale Frage. Dennmit dem Oszilloskop kann primär nichtdie Einspritzzeit gemessen werden,sondern nur die Ventilansteuerzeit

über den Spannungsverlauf. Erst wennzusätzlich eine Strommessung vor-genommen wird, lässt sich auch hinrei-chend genau die Einspritzzeit bestim-men.

Anhand des typischen Signalver-laufs ist beispielsweise zu erkennen,dass beim Durchschalten des Endstu-fentransistors im Steuergerät eineMasseverbindung zum Einspritzventilhergestellt wird. Die anliegende Span-nung treibt dann einen Strom durch die Spule des Einspritzventils, das dadurch

Messaufbau im Labor: Um eine fundierte Aussage zur Funktionsqualität von Einspritzventi-len zu treffen, müssten alle Ventile gleichzeitig am Display dargestellt werden.

Prinzipzeichnung eines Einspritzventils: Dieanliegende Spannung treibt einen Stromdurch die Spule – das dadurch entstehendeMagnetfeld hebt die Ventilnadel von ihremSitz und das Ventil öffnet.

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Ford

BMW

Einspritzventilöffnet

Einspritzventilschließt

500 µs/Div

Der Verlauf des Stromanstiegs unterscheidet sich je nach Einspritz-ventil – wie die Signalverläufe zeigen. Während die gelbe Linie an ei-nem Ford gemessen wurde, zeigt die grüne Linie den Verlauf an ei-nem BMW-Modell. Auflösung am Oszilloskop: 100 mA/Div 500 µs.

Verzögertes Öffnen: Die Öffnungszeit des Ventils ist etwa 10 bis 15Prozent kürzer als die Ansteuerzeit.

Strombeule Spannungsbeule

grün:Stromverlauf 50 mA/Div

Spannungsbeule nach dem Schließen der Ventilnadel: Deutlich lässtsich ein Anheben im Signalverlauf erkennen. Ein Rückschluss aufeventuell ‚verkokte’ Ventile ist aber kaum möglich.

Korrekt messen: Umdie Signalverläufeauf dem Oszillos-kop richtig deutenzu können, sindgrundsätzlicheKenntnisse derFunktionsweiseelektrisch ange-steuerter Einspritz-ventile erforderlich.

entstehende Magnetfeld hebt die Ven-tilnadel von ihren Sitz und das Ventilöffnet.

Ventil öffnet verzögert

Doch Halt! In diesen Moment öffnetdas Einspritzventil nämlich noch langenicht. Denn das Magnetfeld in einerSpule baut sich verzögert auf – wie esvon den Zündspulen her bekannt ist.Messungen zeigen etwa: Um die Ventil-nadel anzuheben, bedarf es eines be-stimmten Mindeststroms. Und der istabhängig von den Eigenschaften desEinspritzventils.

Je nach Wicklungswiderstand, In-duktivität, Temperatur, Typ und Her-steller wie auch anliegendem Kraft-stoffdruck der Ventile ergeben sichunterschiedlich hohe Mindeststrom-werte und gegebenenfalls auch unter-

schiedliche Verzögerungszeiten. Be-sonders deutlich ist dieses Verhalten zuerkennen, wenn eine Spannungsmes-sung in Verbindung mit einer Strom-messung ausgeführt wird.

Verzögerter Stromanstieg

So zeigt sich etwa beim ‚Einschalten’des Einspritzventils, dass es zu einemverzögerten Stromanstieg kommt (sie-he Abbildung oben rechts). Die Ur-sache liegt in der Selbstinduktion der

Spule, wie sie im Einspritzventil ver-baut ist. Im gemessenen Beispielbenötigt das Ventil einen Mindeststromzum Öffnen der Ventilnadel einenStrom von etwa 275 mA, mit einer Ver-zögerungszeit von etwa 900 µs.

Durch das Öffnen der Ventilnadelverändern sich geringfügig die Indukti-vitätsverhältnisse – im Stromverlauf istdeshalb eine ‚Beule’ zu erkennen. DasEinspritzventil ist nun geöffnet und derStrom steigt weiter bis auf den Maxi-malwert. Dieser wird dann erst durch

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Spannung

Strom

Windungsschluss: Ein sehr seltener Fehler, der unter anderem durchÜberhitzung auftritt. Die gelbe Linie zeigt die Spannung (20 V/Div),die grüne Linie den Stromverlauf (1 A/Div). Zeitauflösung 2 ms.

Einschwingendes Verhalten: Wie unterschiedlich die Signalverläufesind, zeigt die Messung an einem Einspritzventil an einem Ford. DasVentil öffnet beispielsweise erst bei 400 mA.

den Spulenwiderstand begrenzt. Die(Strom-)Maximalwerte liegen bei ei-nem 16-Ohm-Ventil, je nach Betriebs-spannung, bei etwa > 800 mA.

Doch der Verlauf des Stromanstiegsist nicht immer gleich – wie Anhand derAbbildung oben links auf Seite 28 zusehen ist. Im dargestellten Fall wurdenzwei 16-Ohm-Einspritzventile gemes-sen, wie sie in einem Ford- wie auch ineinem BMW-Modell verbaut werden.Übrigens: Nach einem ähnlichen Prin-zip entsteht auch das Signal des Nadel-bewegungsfühlers beim Dieselmotor.

Das Öffnen der Nadel

Endet die Ansteuerzeit, wird die Span-nung am Ventil abgeschaltet und somit

der Stromfluss schlagartig unterbro-chen. Dies führt zu einer Induktions-spannung, die aber durch eine entspre-chende elektronische Schaltung imSteuergerät auf Werte zwischen etwa70 bis 100 V begrenzt wird.

Nach dem Abschalten des Stromsfällt die Ventilnadel um etwa rund 500µs verzögert wieder auf ihren ‚Ventil-sitz’ zurück. Das wiederum führt erneutzu einer kleinen Induktivitätsänderungim Einspritzventil – erkennbar an der‚Beule’ im unteren Bereich der Span-nungsnadel beziehungsweise desSpannungsverlaufs. Somit ergibt sicheine Ventilöffnungszeit von etwa 2,3 mswährend die ‚elektrische’ Ventilan-steuerungszeit etwa 2,85 ms beträgt.Schlußfolglich muss an dieser Stelle

die weit verbeitete Aussage korrigiertwerden, dass solange das Einspritzven-til angesteuert wird es auch offen ist.Dies ist nämlich genaugenommenfalsch – die Öffnungszeit ist rund zehnbis 15 Prozent kürzer als die Ansteuer-zeit!

Signalbewertung

Weiterhin erweist sich auch das Beur-teilen der kleinen Spannungserhebungim Signalverlauf‚ die dort als ‚Beule’ zuerkennen ist. Je nach Ausführung derEinspritzventile, des verwendetenMessequipments und dessen Einstel-lung können sich gravierende Unter-schiede bei der Darstellung ergeben.Auch Toleranzen in der Bauteileferti-gung, anliegender Kraftstoffdruck so-wie Druckverhältnisse im Saugrohrund Temperatur der Spulenwicklungwirken sich auf die Kurve des Strom-verlaufs aus.

Umfangreiche Messungen habengezeigt, dass geringfügige Verunreini-gungen am Ventilsitz oder Undichtig-keiten anhand eines einzelnen Bildesnicht hundertprozentig, an eben dieser„Spannungsbeule“ erkannt werdenkönnen – auch wenn dies immer wie-der behauptet wird. Selbst wenn zweiEinspritzdüsen unterschiedlicher Her-steller gleichzeitig angesteuert werden,wirkt sich dies nicht auf den Signalver-lauf aus. Und das, obwohl beide Düsenunterschiedliche Werte (7 mH bezie-

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hungsweise 9 mH) aufweisen. So istauch an dieser Stelle feststellbar,wie kompliziert oder unzureichenddie Fehlersuche sein kann. Denn eslässt sich kaum vorstellen, dass dermit zwei unterschiedlichen Ventilenausgestattete Motor vernünftig lau-fen wird.

Doch es gibt einen Ausweg: Umeine zumindest fundierte Aussagezu treffen, müssten alle Einspritz-ventile gleichzeitig am Display dar-gestellt werden. Dies ist in der Pra-xis deshalb schwierig, da nicht jedeWerkstatt über ein Vier-, Sechs-,oder Achtkanal-Oszilloskop verfügt– abgesehen von den entsprechen-den Messwertaufnehmern.

Reinhold Dörfler

Hätten Sie’s gewusst?Bei Messungen an elektrischen Systemen oder einzelnen Komponenten mitdem Oszilloskop werden Signalverläufe immer wieder falsch interpretiert.Während in einigen Fällen grundlegende Messfehler wie falscher Messbereichet cetera die Ursache sind, werden oftmals auch nicht nachvollziehbare Ergeb-nisse mit in die Analyse einbezogen. Grundsätzlich sollte deshalb beachtetwerden: • Im Umlauf befindliche einzelne Fehlerbilder sind mit Vorsicht zu betrachten,da sie sich nur auf einen bestimmten Einspritzventiltyp beziehen.• Korrekt arbeitende Einspritzventile zeigten bei Messungen einen ‚Beulen-verlauf’, der allerdings nicht immer auf ein fehlerhaftes Ventil hindeutet.• Diagnosen sollten nach Möglichkeit nur innerhalb eines ‚Ventilverbundes’eines Motors vorgenommen werden.• ‚Ausreißer’ einzelner Ventile in einem Ventilverbund können nur unter Um-ständen Hinweise auf mögliche ‚Verkokungen’ und Verschmutzungen geben. • Eine 100%ige Aussage über den Zustand des Einspritzventils ist jedoch nichtmöglich, sofern kein gravierender Schaden, wie beispielsweise ein Windungs-schluss vorliegt.

Die Hinweise entstammen der Internetseite www.schulungen-seminare.com