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2016 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Nationales Metrologieinstitut mitteilungen 1 200 Jahre Explosionsschutz

200 Jahre Explosionsschutz

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Page 1: 200 Jahre Explosionsschutz

2016

Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Nationales Metrologieinstitut

mitteilungen 1

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200 Jahre Explosionsschutz

200 Jahre Explosionsschutz

TitelbildQuelle fotolia Urheber currahee_shutter

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Inhalt

200 Jahre Explosionsschutz

Vorwort 3 Martin Thedens Ulrich von Pidoll

Die Verhinderung von Explosionen im Bergbau einst und jetzt 5 Michael Wittler

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heute 13 Oswald Losert

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945 24 Ulrich von Pidoll

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute 29 Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart 36 Ulrich von Pidoll Michael Beyer

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand 46 Thomas Horn

Technologietransfer

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlndgefahr explosionsgeschuumltzter Leuchten 48 Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung 49

Fachorgan fuumlr Wirtschaft und Wissenschaft Amts- und Mitteilungsblatt der Physikalisch-Technischen BundesanstaltBraunschweig und Berlin

126 Jahrgang Heft 1 Maumlrz 2016

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Es ist die Pflicht eines guten Beamten sich im Aktenstudium zu uumlben So ist es auch gesche-hen als im Jahr 2014 in einem Archivraum aumlltere Unterlagen zum Vorschein gekommen sind alte Briefe Schriftstuumlcke und Fotos aus den 30er- bis 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts Es ging um die Vergangenheit der Sicherheitstechnik des Explosionsschutzes zu Zeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) der Wirren des 2 Weltkrieges und der sich bildenden Schwester-institutionen der Bundesanstalt fuumlr Materialfor-schung und -pruumlfung (BAM) in Berlin und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig Da ist beim Kollegen Dr Ulrich von Pidoll die Idee entstanden eine Chronik der damaligen Ereignisse und Vorgaumlnge zu verfas-sen Herausgekommen ist der PTB-Bericht Ex-7 bdquoExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationenldquo

Daruumlber hinaus versucht ein guter Wissen-schaftler natuumlrlich den Ursachen auf den Grund zu gehen Wie war das nun mit dem Explosions-schutz Was haben unsere Vorfahren so gemacht Gab es eine Art Urknall des Explosionsschutzes Nun die erste dokumentierte Explosion war eine Mehlstaubexplosion in Turin und fand am 14 Dezember 1785 statt Dieses Ungluumlck ausge-loumlst durch eine offene Flamme zur Beleuchtung in einem Lager fuumlr Mehl wurde ausgewertet und aufgezeichnet von der Turiner Akademie der Wissenschaften Offenes Feuer war in diesen Zeiten die einzige Moumlglichkeit der Beleuchtung ndash so auch unter Tage im Bergbau Den Bergleuten war durchaus bewusst dass eine Explosionsge-fahr durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlren den sogenannten Schlagwettern bestand und Schutz-maszlignahmen zu treffen waren Als eine erste Schutzmaszlignahme soweit man diese uumlberhaupt so bezeichnen darf kam eine Zuumlndlanze zum Einsatz Ein Bergmann kroch weit in einen gefaumlhrlichen

Grubenbereich hinein um dort mithilfe einer brennenden Lanze eine Gemischwolke kontrolliert zu entzuumlnden Das ging allerdings nicht immer gut fuumlr diesen Bergmann aus Eine weitere Schutzmaszlig-nahme waren Kanarienvoumlgel Diese reagierten sehr empfindlich auf fehlenden Sauerstoff sodass die Bergleute sobald die Voumlgel nicht mehr zwitscher-ten sich in beluumlftete Bereiche begeben konnten

Diese Maszlignahme erwies sich jedoch als nicht ausreichend sicher Als es 1812 in der Grube Felling Main in Durham England wegen einer offenen Grubenlampe zu einer schweren Explo-sion unter Tage mit 92 Toten kam setzte die Royal Society in London ein Preisgeld von 1000 ₤ (heute etwa 65000 euro) fuumlr die Entwicklung einer zuumlnd sicheren Sicherheitslampe fuumlr die Arbeit unter Tage aus Der Preis ging an Sir Humphry Davy der zusammen mit seinem Laborgehilfen George Stevenson im Herbst 1815 die gegenuumlber Grubengasen nicht zuumlndwirksame Davy-Lampe erfunden hatte (Bild 1) Diese bestand aus einem dichten Drahtkorb welcher rund um eine Oumlllampe angeordnet war und einerseits den Luftzutritt zur Flamme ermoumlglichte andererseits jedoch einen Flammendurchschlag nach auszligen verhinderte Die Lampe wurde am 9111815 der Oumlffentlich-keit vorgestellt und im Januar 1816 auf der Zeche Hebburn Colliery bei Newcastle England getestet Sie war somit das erste explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel welches tatsaumlchlich funktionierte

Mit der Industrialisierung durch den Einsatz von Dampfmaschinen und spaumlter den Einsatz von Elektrizitaumlt sind die Risiken aus sicherheitstech-nischer Sicht nicht geringer geworden Denn nun stellte sich das Problem der Zuumlndung von vor-handenen explosionsfaumlhigen Schlagwettern durch die verwendeten Motoren mit ihren elektrischen Funken und hohen Oberflaumlchentemperaturen Auch war es in jenen Tagen uumlblich zwei offene Draumlhte kurzzuschlieszligen damit zwecks Signal-

Vorwort

Martin Thedens Ulrich von Pidoll

Dr Martin Thedens Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail martinthedensptbde

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

200 JAHRE EXPLOSIONSSCHUTZ

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

gebung uumlber Tage z B eine Glocke ertoumlnte Doch auch dieser dann entstehende Funke war in vielen Faumlllen zuumlndfaumlhig Eigentlich wusste man doch seit Menschengedenken dass starke elektrische Funken in Form eines Gewitterblitzes praktisch alle brennbaren Stoffe entzuumlnden koumlnnen Man begann daher 1884 mit der wissenschaftlichen Untersuchung der Zuumlndgefahren von Schlag-wettern und Kohlestaub durch die Anwendung von Elektrizitaumlt unter Tage und gruumlndete hierzu 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchs-strecke (BVS) auf dem Gelaumlnde der Steinkohlen-zeche Consolidation in Gelsenkirchen-Bismarck Die Erkenntnisse der BVS waren fuumlr den 1893 gegruumlndeten Verband der Elektrotechniker Deutschlands welcher ab 1894 Verband deutscher Elektrotechniker (VDE) genannt wurde die Basis zur ersten Fassung der VDE 170 bdquoLeitsaumltze fuumlr die Ausfuumlhrung von Schlagwetter-Schutzvorrichtun-gen an elektrischen Maschinen Transformatoren und Apparatenldquo welche 1912 erschien Damit exis-tierte erstmals ein Regelwerk mit verpflichtenden Schutzmaszlignahmen zur Vermeidung der Entzuumln-dung von Schlagwettern unter Tage durch elektri-sche Maschinen und einer Pruumlfpflicht elektrischer Maschinen fuumlr den Einsatz unter Tage

Die industrielle Revolution fuumlhrte jedoch auch auszligerhalb des Bergbaus zu Veraumlnderungen des Arbeitswesens Eine Vielzahl von Menschen arbeitete jetzt nicht mehr in der Landwirtschaft sondern in der Industrie Diese industrielle Arbeit

unter Zuhilfenahme von Maschinen bedingte ein bisher nicht gekanntes Risiko hinsichtlich Invalidi-taumlt durch Unfall oder Berufskrankheit Aus diesem Grund wurde mit der Verkuumlndung des Unfallver-sicherungsgesetzes 1884 praktisch jeder Arbeiter mit einem Jahresarbeitsverdienst von nicht mehr als 2000 Mark kraft dieses Gesetzes gegen Unfall versichert Hierfuumlr wurden Berufsgenossenschaf-ten (BG) gegruumlndet welche ermaumlchtigt waren Unfallverhuumltungsvorschriften (UVV) zu erlassen und deren Einhaltung durch Beauftragte kontrol-lieren zu lassen Bereits 1885 nahmen 57 Berufsge-nossenschaften ihre Arbeit auf und erlieszligen 1886 die ersten Unfallverhuumltungsvorschriften

Etwa um die gleiche Zeit traten die ersten Fragen bezuumlglich des Arbeitsschutzes von Seiten der Reichsregierung und des Kriegsministeriums auf Mangels anderer verfuumlgbarer Behoumlrden wurde die 1889 gegruumlndete Zentralversuchsstelle fuumlr Explo-sivstoffe welche ab 1896 Versuchsstelle fuumlr Spreng-stoffe und ab 1897 Militaumlrversuchsamt genannt wurde mit diesen Fragen betraut Der Ausbruch des ersten Weltkriegs beendete diese Entwicklung und fuumlhrte zu einem Neuanfang 1920 Um den Behoumlrden der Reichsregierung auch weiterhin eine beratende Stelle auf dem Gebiet der Sicherheits-technik zu geben wurden Teile des ehemaligen Militaumlrversuchsamts auf den unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) umgetauft Dabei sollte der Arbeitsplan der CTR das bisherige Randgebiet bdquoSicherheitstechnik und Arbeitsschutzldquo als neues Hauptgebiet umfas-sen Und wie schon geschildert sind nach dem zweiten Weltkrieg die Aufgaben an BAM und PTB uumlbergegangen

Da das Ereignis der ersten oumlffentlichen Vor-stellung der Davy-Lampe 200 Jahre zuruumlcklag entschloss sich die PTB dazu diesen Anlass im Rahmen eines Festkolloquiums zu wuumlrdigen Und weil die PTB als das nationale Metrologieinstitut Deutschlands auch sonst alles immer sehr genau nimmt fand dieses Kolloquium natuumlrlich genau 200 Jahre spaumlter am 9 November 2015 statt Im Rahmen des Kolloquiums wurde berichtet uumlber die Verhinderung von Explosionen im Bergbau die Entstehung und Entwicklung der Berufsge-nossenschaften und uumlber den Arbeitsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) sowie natuumlrlich uumlber die Geschichte und Aufga-ben von BAM und PTB im Bereich der Sicher-heitstechnik Und diese ganzen 200 Jahre sind nun in dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen zusammengefasst

Bild1Davy Lampe um 1820 (im Besitz der Royal Society London)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Die Verhinderung von Explosionen im Bergbau einst und jetzt

Michael Wittler

Einleitung

Anlass des PTB-Festkolloquiums bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 war die Vorstellung einer durch den englischen Chemiker Sir Humphry Davy entwickelten Sicherheitslampe Sicherheitslampen sollen Schlagwetter das sind Grubengas(Methan)-Luft-Gemische nicht entzuumln-den Damit kann die Einfuumlhrung dieser sogenann-ten Davy-Lampe im Jahre 1815 sicherlich als eine Geburtsstunde des Explosionsschutzes angesehen werden Allerdings sind jedoch auch schon fruumlhere Versuche mit Sicherheitslampen anderer Bauweise bekannt und in den nachfolgenden Jahrzehnten wurden noch wesentliche Verbesserungen an Sicherheitslampen eingefuumlhrt Die Davy-Lampe war aber in der Tat die erste in Ansaumltzen funktio-nierende Sicherheitslampe

Neben der Sicherheitslampe gab es viele weitere Entwicklungen und Maszlignahmen die den Schlag-wetterschutz auf das heute ndash zumindest in west-lichen Bergwerken ndash erreichte Niveau gebracht haben In diesem Beitrag wird versucht einen Abriss wesentlicher Schritte in der Entwicklung des Schlagwetterschutzes darzulegen Hierbei werden viele Sachverhalte mit Hauptaugenmerk auf den Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet dar-gestellt wobei eine parallele Entwicklung in allen westlichen Laumlndern in denen Steinkohlenbergbau betrieben wird bzw wurde zu verzeichnen ist Diese parallele Entwicklung ist nicht zufaumlllig da es bereits fruumlh und uumlber viele Jahrzehnte einen regen internationalen Austausch sowohl auf wissen-schaftlicher Ebene als auch zwischen den ab den 80er-Jahren des 19 Jahrhunderts gegruumlndeten Ver-suchsstrecken gegeben hat Im Ruhrgebiet damals eine bedeutende Bergbauregion und Teil Preuszligens wurde 1894 die bdquoBerggewerkschaftliche Versuchs-streckeldquo gegruumlndet Die zum 75-jaumlhrigen Jubilaumlum im Jahre 1969 herausgegebene Festschrift [1] war bei der Erstellung dieses Beitrags eine hilfreiche Informationsquelle

Viele Fortschritte zur Verbesserung des Schlag-wetterschutzes wurden in den ersten drei Jahr-zehnten des vorherigen Jahrhunderts erzielt Mit Blickrichtung auf den elektrischen Explosions-

schutz sind die Konstruktionsvorgaben nach-folgend auf den uumlbertaumlgigen Explosionsschutz uumlbertragen worden Es kann deshalb an dieser Stelle bereits ausgesagt werden dass die meisten der heute bekannten Zuumlndschutzarten von elekt-rischen Betriebsmitteln auf Untersuchungen und Vorgaben aus dem Bergbau beruhen

Explosionsungluumlcke im Bergbau

In der zweiten Haumllfte des 19 Jahrhunderts war der Steinkohlenbergbau in allen westlichen Laumlndern stark expandiert Leider fand sich diese Entwicklung auch in der angestiegenen Zahl der Explosionsereignisse und der dabei verungluumlckten Bergleute wieder Verdeutlicht wird dies durch eine Statistik der Kohlefoumlrderung der Anzahl der Explosionen und der Zahl der damit verbun-denen Todesopfer im Bezirk des Oberbergamts Dortmund (zustaumlndig fuumlr das gesamte Ruhrge-biet) in den Jahren 1861 bis 1968 siehe Bild 1 Auch in juumlngerer Vergangenheit musste man noch uumlber tragische Explosionsungluumlcke im deutschen Bergbau berichten z B 1976 in Hamm (3 Tote) 1979 in Dortmund (7 Tote) 1986 in Quierschied (7 Tote) 1988 Grube Stolzenbach (51 Tote) und 1992 in Bergkamen (7 Tote)

Dr Michael Wittler Fachstelle fuumlr Sicherheit elektri-scher Betriebsmittel ndash BVS DEKRA EXAM GmbH

Bild 1 Schlagwetter- und Kohlenstaub-Explosionen im Ruhrgebiet in den Jahren 1861 bis 1968 [1]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

In den 80er-Jahren des 19 Jahrhundert hatte die Anzahl der Explosionsungluumlcke einen traurigen Houmlchststand erreicht Dieser Umstand wird dras-tisch in einem Vortrag von Werner von Siemens verdeutlicht der am 25 Mai 1880 im elektrotech-nischen Verein gehalten wurde [2] Folgender Auszug sei hier wiederholt

bdquoLeider hat aber die Erfahrung des letzten halben Jahrhunderts gezeigt dass sie nicht ausreichen denn wenn sie ausreichten wuumlrden wir nicht fortlaufend noch so viel Explosionen haben und die haumlufigen Ungluumlcksfaumllle durch moumlrderische schlagende Wetter die ich muss sagen zur Schmach der Wissenschaft und Technik noch uumlberall in der Welt so haumlufig vor-kommen wuumlrden ausbleiben oder doch wenigstens nur selten eintreten Es vergeht aber fast kein Monat wo nicht eine solche verderbliche Explosion durch die oumlffentlichen Blaumltter gemeldet wird Es zeigt sich unwi-derleglich dass die bisherigen Mittel nicht ausreichen und dass auch noch nach anderen gesucht werden mussldquo ( gemeint sind Davy-Lampen)

Diese verheerende Entwicklung in allen westli-chen kohlefoumlrdernden Laumlndern hat zur Einsetzung von sogenannten bdquoSchlagwettercommissionenldquo gefuumlhrt z B 1877 in Frankreich 1879 in Belgien und England sowie 1880 in Sachsen Der preuszligi-

sche Staat reagierte 1881 mit der Berufung der bdquoPreuszligischen Schlagwettercommissionldquo unter ihr wurde eine Auswertung der Ursachen von Explo-sionen in den Jahren 1861 bis 1884 erarbeitet Demnach waren von den Explosionen

568 durch Verwendung offenen Geleuchts

274 bei Gebrauch der Sicherheitslampe

148 durch Schieszligarbeit (Sprengarbeit)

verursacht worden Im Abschlussbericht vom 1951885 [3] wurden Grundsaumltze fuumlr den Betrieb von Schlagwettergruben empfohlen Auf dieser Basis wurde nachfolgend die Verwendung offenen Geleuchts durch Bergpolizeiverordnungen ver-boten was erfreulicherweise zu dem deutlichen Ruumlckgang der Explosionsereignisse fuumlhrte wie in Bild 1 erkennbar Zudem wurde empfohlen den Einfluss von Kohlenstaub auf die Explosionsaus-wirkungen zu erforschen die Entwicklung von Sicherheitssprengstoffen weiterzutreiben sowie die Zuumlndgefaumlhrlichkeit der Sicherheitslampe zu untersuchen da auch auf ihren Gebrauch immer noch ein signifikanter Anteil von Explosionen zuruumlckzufuumlhren ist

Entstehung der Versuchsstrecken

Diese zur damaligen Zeit im Vordergrund stehen-den Forschungs- und Untersuchungsziele erfor-derten im Wesentlichen experimentelle Arbeiten fuumlr diese Aufgaben wurden Versuchsstrecken gegruumlndet wie z B in den 1880er-Jahren in Neu-enkirchenSaar Zwickau Maumlhrisch-Ostrau und Segengottes bei Bruumlnn ndash alle mit vergleichbaren Versuchseinrichtungen Kern dieser Einrichtungen war dabei jeweils eine laumlngliche Strecke mit einem Querschnitt der den damaligen untertaumlgigen Strecken entsprach Aufbauend auf den Erfahrun-gen aus dem Betrieb dieser Versuchsstrecken und da einige experimentelle Ergebnisse widerspruumlch-lich diskutiert worden waren wurde 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke (BVS) mit erweiterten Pruumlfmoumlglichkeiten in Gelsenkirchen-Bismark gegruumlndet Der Lageplan aus dem Jahre 1904 ist in Bild 2 dargestellt

Allen Versuchsstrecken war gemeinsam dass sie in unmittelbarer Naumlhe von Bergwerken angeord-net waren die genuumlgend Grubengas freisetzten das ja fuumlr die Versuche benoumltigt wurde In dieser Notwendigkeit lag auch der Grund fuumlr den Umzug der BVS im Jahr 1910 nach Dortmund-Derne In Gelsenkirchen stand nicht mehr die notwendige Menge Grubengas zur Verfuumlgung Am Standort in Dortmund-Derne verblieb die BVS bis Ende 2001 siehe Bild 3 danach fand der Umzug zu der heutigen Adresse in Bochum statt

Nachdem die Versuchsstrecken ihre Arbeit auf-genommen hatten erste Untersuchungsergebnisse

Bild 3 Luftaufnahme der BVS (Dortmund 2001)

Bild 2 Lageplan der BVS im Jahr 1904

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

vorlagen und erste Schritte zur Verbesserung des Schlagwetterschutzes in die Bergwerke einflossen begann auch eine enge internationale Zusammen-arbeit zwischen den Versuchsstrecken Erstmalig trafen sich Vertreter der Versuchsstrecken auf internationaler Ebene 1912 im Rahmen einer Grubensicherheitskonferenz in Pittsburgh (USA) mit Teilnehmern aus USA England Frankreich Belgien Oumlsterreich und Deutschland Nach den Kriegswirren des 1 Weltkriegs fand die Grubensi-cherheitskonferenz regelmaumlszligig statt so z B 1935 in Dortmund siehe Bild 4

Diese internationale Zusammenarbeit hat sicherlich mit dazu beigetragen dass wesentliche Entwicklungen und Verbesserungen des Schlag-wetterschutzes in allen bergbaubetreibenden westlichen Industrienationen eingefuumlhrt wurden und sich damit die Anzahl der Grubenungluuml-cke in diesen Laumlndern in vergleichbarem Maszlige reduzierte

Erste Schlagwetterschutzmaszlignahmen an elektrischen Motoren und Apparaten

Die Gruumlndungszeit der BVS fiel auch zusammen mit den ersten Ansaumltzen der Elektrifizierung im Bergbau Ab 1897 wurde deshalb auch mit Versu-chen begonnen die Entzuumlndung von Schlagwet-ter- und Kohlenstaubgemischen durch elektrische Geraumlte zu untersuchen Die Versuchseinrichtungen hierfuumlr im Lageplan (Bild 2) oben links eingetra-gen sind in Bild 5 dargestellt

Versuche an kleinen Motoren Apparaten und Lampen in natuumlrlichen Schlagwetter- und Kohlen-staubgemischen zeigten auf dass betriebsmaumlszligige Funken und heiszlige Oberflaumlchen grundsaumltzlich in der Lage sind Schlagwetter zu entzuumlnden [4] Dies galt zu der damaligen Zeit nicht als gesichert und wurde durchaus kontrovers diskutiert

Auf der Basis dieser ersten Ergebnisse begann die Elektroindustrie spezielle Konstruktionen

schlagwettergeschuumltzter Betriebsmittel zu entwi-ckeln Unter Beteiligung der Hersteller Siemens amp Halske Schuckert Union AEG Helios Voigt amp Haeffner wurden auf der BVS in den Jahren 1903 bis 1905 diese Prototypen untersucht [5] Maszliggeblich wurden die Versuche durch den Leiter der Berggewerkschaftlichen Versuchsstrecke Carl Beyling (26071872ndash24111938) betrieben

Neben dem Schutzkonzept Oumllkapselung hatten diese fruumlhen Konstruktionen schwerpunktmaumlszligig zum Ziel den Explosionsdruck in den Motoren und Apparaten zu reduzieren und gleichzeitig eine Zuumlndung des umgebenden explosionsfaumlhigen Gemisches zu verhindern

Die untersuchten Schlagwetterschutz-Konzepte untergliederten sich in Ansaumltze die Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung Labyrinth-Kapselung Rohrschutz-Kapselung Flanschenschutz-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung genannt wurden Als besonders geeignet wurden im

Bild 5 Schnittbild und Foto (1904) der Versuchseinrichtung fuumlr elektrische Geraumlte [6]

Bild 4 Versuchsstreckenkonferenz Dortmund 1935 Teilnehmer USA England Frank-reich Belgien Polen Deutschland

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Anschluss an die Untersuchungen insbesondere fuumlr Motoren ndash damals eine der Hauptanwendun-gen von Elektrizitaumlt im Bergbau ndash die Konzepte

Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung erachtet

Eine erste konkrete Umsetzung der Maszlignah-men fand sich in einem schlagwettergeschuumltzten Drehstrom-Motor wieder der ab 1905 auf mehre-ren Bergwerken eingesetzt wurde siehe Bild 6

Nachfolgend wurden viele weitere elektrische Geraumlte mit Schlagwetterschutzmaszlignahmen ent-wickelt wie im Archiv der BVS nachzuschauen ist Beispielhaft werden in Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen eines Schaltkas-tens sowie einer Gluumlhlicht-Armatur aus dem Jahre 1912 gezeigt

Viele der damals erarbeiteten Grundlagen sind anschlieszligend in die VDE-Normung eingeflos-sen und spaumlter in die Zuumlndschutzart Druckfeste Kapselung uumlberfuumlhrt worden 1911 wurden erstmalig die bdquoVorschriften fuumlr schlagwetter-geschuumltzte elektrische Betriebsmittelldquo in der VDE 0170 veroumlffentlicht Diese Norm die 1943 um die Explosionsschutzvorschriften auszligerhalb des Bergbaus zur VDE 0170171 erweitert wurde hat den Kennbuchstaben bdquodldquo zur Kennzeichnung der druckfesten Kapselung eingefuumlhrt Diese Zuumlndschutzart erfaumlhrt seit Jahrzehnten bis heute weltweit eine hohe Akzeptanz die Kennzeichnung bdquoEx dldquo unterstreicht den deutschen Ursprung

Entstehung der Eigensicherheit

Auch die Zuumlndschutzart Eigensicherheit die neben der druckfesten Kapselung weltweit sehr hohe Bedeutung erlangt hat hat ihren Ursprung in einer Bergbauanwendung Eine elektrische Signalisierungsanlage wurde als wahrscheinliche Ursache fuumlr ein schweres Grubenungluumlck in Wales im Jahre 1913 mit 439 Toten angesehen Der anschlieszligende Untersuchungsbericht [7] fuumlhrte zu ersten Vorgaben im UK-Bergbau aus denen die fruumlhen Grundlagen der Eigensicherheit entstan-den 1936 wurde eine erste Stromversorgung nach den Prinzipien der Eigensicherheit in England zertifiziert und 1945 entstand mit der British Standard 1259 eine erste Norm in der der Begriff bdquointrinsic safety (IS)ldquo definiert wurde

Im Rahmen von Normungsbestrebungen auf IEC-Ebene zur Eigensicherheit in den 1960er- Jahren wurden verschiedene Pruumlfeinrichtungen zur experimentellen Uumlberpruumlfung der Zuumlndfaumlhig-keit von Funken vergleichenden Versuchen unter-zogen bdquoTestsiegerldquo hierbei wurde das urspruumlng-lich auf Vorschlaumlgen eines Siemens-Mitarbeiters [8] und auf der BVS erstmalig erprobte Funken-pruumlfgeraumlt das als IEC-genormte Einrichtung noch heute verwendet wird siehe Bild 8

Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen (1912)

Bild 6 Schlagwettergeschuumltzter Motor (500 V 30 PS 970 Umin) mit einer Kombination aus geschlossener Kapselung und Plattenschutz-Kapselung

Bild 8 Funkenpruumlfgeraumlt

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Geschichte der Grubenbeleuchtung

Wie bereits ausgefuumlhrt war ein wichtiger Schritt zur Erreichung einer houmlheren Sicherheit die Einfuumlhrung der Sicherheitslampe der Bauart nach Davy Wichtig war dieser Schritt da die Beleuch-tung unter Tage zu allen Zeiten unverzichtbar war In der Fruumlhzeit des Bergbaus wurde mit offenen Flammen von Kerzen Fackeln oder Oumlllampen beleuchtet Erste Bestrebungen ein schlagwet-tersicheres Geleucht zu erschaffen fuumlhrten im 18 Jahrhundert zu Versuchen mit phosphoreszie-renden Substanzen oder mit einer schleifenden Stahlscheibe uumlber einem Feuerstein scheiterten jedoch an zu geringer Leuchtkraft Erst Anfang des 19 Jahrhunderts wurde versucht Lampen mit Flamme schlagwettersicher aufzubauen Nach einigen Vorlaumlufern galt die Bauart nach Davy als erste Sicherheitslampe Da die Flamme bei dieser Lampe direkt von einem Drahtkorb umgeben ist war die Lichtausbeute gering Auch die Schlag-wettersicherheit war nur begrenzt da die Flamme zum Durchblasen bei houmlheren Wettergeschwin-digkeiten (Stroumlmungsgeschwindigkeit der Luft) neigte Die Lichtausbeute wurde erst besser nachdem die Leuchten um einen Glaszylinder erweitert wurden Die Entwicklung der Gruben-lampen bis hin zu den ersten elektrischen Lampen ist in Bild 9 dargestellt

Da immer wieder Schlagwetter-Explosionen auf die Verwendung von Sicherheitslampen zuruumlck-gefuumlhrt wurden sind in verschiedenen Laumlndern Versuche unternommen worden die Sicherheit dieser Lampen zu verbessern Neben dem Durch-blasen der Flamme wurde auch das Betaumltigen der Zuumlndeinrichtung als Zuumlndursache identifiziert

Auch auf der BVS wurden ab Ende des 19 Jahr-hunderts grundlegende Versuche zur Verbesse-rung der Schlagwettersicherheit durchgefuumlhrt Hieraus resultierte die Empfehlung verbesserte Zuumlndeinrichtungen sowie doppelte Drahtkoumlrbe zu verwenden 1911 wurde die Verwendung von Doppelkoumlrben im Ruhrbergbau durch das Lan-desoberbergamt Dortmund vorgeschrieben

Nach dem ersten Weltkrieg kamen zunehmend elektrische Lampen zum Einsatz die nachfolgend schnell Verbreitung fanden 1924 waren bereits ca 400000 elektrische Grubenlampen in Deutsch-land in Gebrauch ab 1926 sind sie vorgeschrieben

Detektion von Schlagwettern

Nachdem fuumlr Beleuchtungszwecke Grubenlam-pen mit Flamme durch elektrische ersetzt worden waren blieben Wetterlampen zur Detektion des Grubengasgehalts mangels anderer brauchba-rer Messmittel noch lange im Einsatz Bis in die 1960er-Jahre wurden Wetterlampen mit Flamme im deutschen Bergbau verwendet Anhand der

Verfaumlrbung des Mantels der Flamme konnte der Bergmann den Grubengasanteil in der Umgebung ermitteln siehe Bild 10

Erste Vorschlaumlge fuumlr flammenlose Schlagwet-teranzeiger datieren aus dem Beginn des 20 Jahr-hunderts Aus heutiger Sicht ist es interessant dass Ideen auch durch Preisausschreiben gesucht wurden z B 1912 vom Verein fuumlr bergbauli-che Interessen im Oberbergamtsbezirk Dort-mund und 1920 vom Preuszligischen Ministerium fuumlr Handel und Gewerbe zusammen mit dem Reichskohlenrat

Als geeignetes Messprinzip wurde fruumlh die Oxi-dation von Methan an einem vorgeheizten kataly-tisch behandelten Widerstandsdraht erkannt ndash ein Messprinzip dass bis heute bei handgefuumlhrten Gaswarngeraumlten uumlberwiegt Eine fruumlhe Realisie-rung nach diesem Prinzip war die Geraumltereihe bdquoWetterlichtldquo bei diesen Geraumlten wurde die Farbveraumlnderung eines behandelten Platindrahts bei zunehmendem Methangehalt im Vergleich zu einem ebenfalls gluumlhenden Hilfsdraht visuell

Bild 9 Schlagwettergeschuumltzte Grubenlampen Bauart Davy Sicherheitslampe mit Glas-kolben Wetterlampe fruumlhe elektrische Grubenlampe (von links nach rechts)

Bild 10 Ermittlung des Methangehalts mit der Wetterlampe [9]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

durch den Bergmann ausgewertet Solche Geraumlte waren im deutschen Bergbau bis in die 1940er-Jahre im Einsatz

Ein erstes brauchbares Bruumlckenmessgeraumlt wurde Ende der 1930er-Jahre in den USA entwickelt aufgrund des hohen Gewichts durch die Roumlhren-elektronik fand der Einsatz keine weite Verbrei-tung Durch das Aufkommen von kleinbauenden elektronischen Bauteilen und auch vorangetrieben durch einen Wettbewerb ausgeschrieben durch die Europaumlische Gemeinschaft fuumlr Kohle und Stahl wurden in der zweiten Haumllfte der 1950er-Jahre ver-schiedene Gaswarngeraumlte entwickelt Durchgesetzt haben sich bis heute ndash bei tragbaren Gaswarngerauml-ten Geraumlte nach dem oben beschriebenen Prinzip (Waumlrmetoumlnung) ndash und bei ortsfesten Anlagen Geraumlte mit Infrarotabsorption

Verhinderung von Kohlenstaub-Explosionen

Wie zu Anfang des Berichts schon angesprochen wurde bereits fruumlh erkannt dass der im Stein-kohlenbergbau immer vorliegende Kohlenstaub maszliggeblich die Auswirkung und Ausdehnung von Explosionen unter Tage beeinflusst Insbe-sondere fuumlr die schweren Grubenungluumlcke waren Kohlenstaub-Explosionen verantwortlich ndash in der Regel ausgeloumlst durch eine Grubengasexplosion Kohlenstaub-Explosionen haben deshalb eine so verheerende Wirkung weil sich die Explosion durch den weit verteilten Kohlenstaub im Gruben-gebaumlude stark ausbreiten kann

Zu Ende des 19 Jahrhunderts wurde mit Unter-suchungen begonnen die Explosionsgefaumlhrlichkeit

von Kohlenstaumluben zu erforschen Schwerpunkt-maumlszligig sollten diese klaumlren wie sich unterschied-liche Kohlenstaumlube bzgl des Ausbreitens einer Explosion verhalten und ob sich der Kohlenstaub direkt durch Sprengarbeiten entzuumlnden kann Urspruumlnglich war man davon ausgegangen dass eine Kohlenstaubexplosion immer nur durch eine vorher entstandene Schlagwetterexplosion ein-geleitet werden kann Diese Annahme hatte auch dazu gefuumlhrt dass man bereits Jahrzehnte vorher begonnen hatte Sprengstoffe zu entwickeln die Schlagwetter und damit auch Kohlenstaumlube nicht zur Entzuumlndung bringen sollten Die Sicherheit dieser sogenannten Sicherheitssprengstoffe wurde immer weiter entwickelt bis zu den heute bekann-ten Wettersprengstoffen in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts

Fuumlr die Untersuchung der Explosionsgefaumlhrlich-keit von Kohlenstaumluben entstanden rohrfoumlrmige Versuchsstrecken Hatte die Einrichtung der BVS aus dem Jahre 1894 noch eine Laumlnge von 34 m mit elliptischem Querschnitt (185 m 135 m) entstanden in der Folge Rohrstrecken bis zu einer Laumlnge von 200 m mit einem Durchmesser von 18 m siehe Bild 11

Bei den Untersuchungen zeichnete sich fruumlh ab dass die Explosionsgefaumlhrlichkeit stark von dem Anteil der fluumlchtigen Bestandteile (Gase) in der Kohle abhaumlngt der bei den Ruhrgebietskoh-len zwischen 7 und 40 lag Wurde die Grenze der Explosionsgefaumlhrlichkeit anfaumlnglich bei 12 bis 14 gesehen wurde dieser Grenzwert in der Folge immer weiter abgesenkt Heute wird in Deutschland die Ungefaumlhrlichkeit einer Kohlen-

Bild 11 Rohrfoumlrmige Strecken zur Untersuchung von Kohlenstaub-Explosionen auf der BVS 34-m-Strecke (1894ndash1910) 200-m-Strecke (ab 1913)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

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Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

Zu beziehen uumlber denFachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 BremenTel (04 21) 3 69 03-56 | Fax (04 21) 3 69 03-63 | wwwschuenemann-verlagde

Guan ZengjianKonrad Herrmann

Geschichte derchinesischenMetrologie

euro 3490 [D]inkl Versand

175 x 245 cm | Hardcover424 Seiten | 54 Abbildungen

ISBN 978-3-95606-188-2

Erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der Metrologie im deutschsprachigen Raum

Zahlreiche Illustrationen von alten Messmitteln und Messprinzipien

Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

mitteilungen

Impressum

Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Physikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und BerlinNationales Metrologieinstitut

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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Page 2: 200 Jahre Explosionsschutz

200 Jahre Explosionsschutz

TitelbildQuelle fotolia Urheber currahee_shutter

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Inhalt

200 Jahre Explosionsschutz

Vorwort 3 Martin Thedens Ulrich von Pidoll

Die Verhinderung von Explosionen im Bergbau einst und jetzt 5 Michael Wittler

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heute 13 Oswald Losert

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945 24 Ulrich von Pidoll

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute 29 Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart 36 Ulrich von Pidoll Michael Beyer

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand 46 Thomas Horn

Technologietransfer

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlndgefahr explosionsgeschuumltzter Leuchten 48 Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung 49

Fachorgan fuumlr Wirtschaft und Wissenschaft Amts- und Mitteilungsblatt der Physikalisch-Technischen BundesanstaltBraunschweig und Berlin

126 Jahrgang Heft 1 Maumlrz 2016

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Es ist die Pflicht eines guten Beamten sich im Aktenstudium zu uumlben So ist es auch gesche-hen als im Jahr 2014 in einem Archivraum aumlltere Unterlagen zum Vorschein gekommen sind alte Briefe Schriftstuumlcke und Fotos aus den 30er- bis 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts Es ging um die Vergangenheit der Sicherheitstechnik des Explosionsschutzes zu Zeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) der Wirren des 2 Weltkrieges und der sich bildenden Schwester-institutionen der Bundesanstalt fuumlr Materialfor-schung und -pruumlfung (BAM) in Berlin und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig Da ist beim Kollegen Dr Ulrich von Pidoll die Idee entstanden eine Chronik der damaligen Ereignisse und Vorgaumlnge zu verfas-sen Herausgekommen ist der PTB-Bericht Ex-7 bdquoExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationenldquo

Daruumlber hinaus versucht ein guter Wissen-schaftler natuumlrlich den Ursachen auf den Grund zu gehen Wie war das nun mit dem Explosions-schutz Was haben unsere Vorfahren so gemacht Gab es eine Art Urknall des Explosionsschutzes Nun die erste dokumentierte Explosion war eine Mehlstaubexplosion in Turin und fand am 14 Dezember 1785 statt Dieses Ungluumlck ausge-loumlst durch eine offene Flamme zur Beleuchtung in einem Lager fuumlr Mehl wurde ausgewertet und aufgezeichnet von der Turiner Akademie der Wissenschaften Offenes Feuer war in diesen Zeiten die einzige Moumlglichkeit der Beleuchtung ndash so auch unter Tage im Bergbau Den Bergleuten war durchaus bewusst dass eine Explosionsge-fahr durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlren den sogenannten Schlagwettern bestand und Schutz-maszlignahmen zu treffen waren Als eine erste Schutzmaszlignahme soweit man diese uumlberhaupt so bezeichnen darf kam eine Zuumlndlanze zum Einsatz Ein Bergmann kroch weit in einen gefaumlhrlichen

Grubenbereich hinein um dort mithilfe einer brennenden Lanze eine Gemischwolke kontrolliert zu entzuumlnden Das ging allerdings nicht immer gut fuumlr diesen Bergmann aus Eine weitere Schutzmaszlig-nahme waren Kanarienvoumlgel Diese reagierten sehr empfindlich auf fehlenden Sauerstoff sodass die Bergleute sobald die Voumlgel nicht mehr zwitscher-ten sich in beluumlftete Bereiche begeben konnten

Diese Maszlignahme erwies sich jedoch als nicht ausreichend sicher Als es 1812 in der Grube Felling Main in Durham England wegen einer offenen Grubenlampe zu einer schweren Explo-sion unter Tage mit 92 Toten kam setzte die Royal Society in London ein Preisgeld von 1000 ₤ (heute etwa 65000 euro) fuumlr die Entwicklung einer zuumlnd sicheren Sicherheitslampe fuumlr die Arbeit unter Tage aus Der Preis ging an Sir Humphry Davy der zusammen mit seinem Laborgehilfen George Stevenson im Herbst 1815 die gegenuumlber Grubengasen nicht zuumlndwirksame Davy-Lampe erfunden hatte (Bild 1) Diese bestand aus einem dichten Drahtkorb welcher rund um eine Oumlllampe angeordnet war und einerseits den Luftzutritt zur Flamme ermoumlglichte andererseits jedoch einen Flammendurchschlag nach auszligen verhinderte Die Lampe wurde am 9111815 der Oumlffentlich-keit vorgestellt und im Januar 1816 auf der Zeche Hebburn Colliery bei Newcastle England getestet Sie war somit das erste explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel welches tatsaumlchlich funktionierte

Mit der Industrialisierung durch den Einsatz von Dampfmaschinen und spaumlter den Einsatz von Elektrizitaumlt sind die Risiken aus sicherheitstech-nischer Sicht nicht geringer geworden Denn nun stellte sich das Problem der Zuumlndung von vor-handenen explosionsfaumlhigen Schlagwettern durch die verwendeten Motoren mit ihren elektrischen Funken und hohen Oberflaumlchentemperaturen Auch war es in jenen Tagen uumlblich zwei offene Draumlhte kurzzuschlieszligen damit zwecks Signal-

Vorwort

Martin Thedens Ulrich von Pidoll

Dr Martin Thedens Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail martinthedensptbde

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

200 JAHRE EXPLOSIONSSCHUTZ

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

gebung uumlber Tage z B eine Glocke ertoumlnte Doch auch dieser dann entstehende Funke war in vielen Faumlllen zuumlndfaumlhig Eigentlich wusste man doch seit Menschengedenken dass starke elektrische Funken in Form eines Gewitterblitzes praktisch alle brennbaren Stoffe entzuumlnden koumlnnen Man begann daher 1884 mit der wissenschaftlichen Untersuchung der Zuumlndgefahren von Schlag-wettern und Kohlestaub durch die Anwendung von Elektrizitaumlt unter Tage und gruumlndete hierzu 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchs-strecke (BVS) auf dem Gelaumlnde der Steinkohlen-zeche Consolidation in Gelsenkirchen-Bismarck Die Erkenntnisse der BVS waren fuumlr den 1893 gegruumlndeten Verband der Elektrotechniker Deutschlands welcher ab 1894 Verband deutscher Elektrotechniker (VDE) genannt wurde die Basis zur ersten Fassung der VDE 170 bdquoLeitsaumltze fuumlr die Ausfuumlhrung von Schlagwetter-Schutzvorrichtun-gen an elektrischen Maschinen Transformatoren und Apparatenldquo welche 1912 erschien Damit exis-tierte erstmals ein Regelwerk mit verpflichtenden Schutzmaszlignahmen zur Vermeidung der Entzuumln-dung von Schlagwettern unter Tage durch elektri-sche Maschinen und einer Pruumlfpflicht elektrischer Maschinen fuumlr den Einsatz unter Tage

Die industrielle Revolution fuumlhrte jedoch auch auszligerhalb des Bergbaus zu Veraumlnderungen des Arbeitswesens Eine Vielzahl von Menschen arbeitete jetzt nicht mehr in der Landwirtschaft sondern in der Industrie Diese industrielle Arbeit

unter Zuhilfenahme von Maschinen bedingte ein bisher nicht gekanntes Risiko hinsichtlich Invalidi-taumlt durch Unfall oder Berufskrankheit Aus diesem Grund wurde mit der Verkuumlndung des Unfallver-sicherungsgesetzes 1884 praktisch jeder Arbeiter mit einem Jahresarbeitsverdienst von nicht mehr als 2000 Mark kraft dieses Gesetzes gegen Unfall versichert Hierfuumlr wurden Berufsgenossenschaf-ten (BG) gegruumlndet welche ermaumlchtigt waren Unfallverhuumltungsvorschriften (UVV) zu erlassen und deren Einhaltung durch Beauftragte kontrol-lieren zu lassen Bereits 1885 nahmen 57 Berufsge-nossenschaften ihre Arbeit auf und erlieszligen 1886 die ersten Unfallverhuumltungsvorschriften

Etwa um die gleiche Zeit traten die ersten Fragen bezuumlglich des Arbeitsschutzes von Seiten der Reichsregierung und des Kriegsministeriums auf Mangels anderer verfuumlgbarer Behoumlrden wurde die 1889 gegruumlndete Zentralversuchsstelle fuumlr Explo-sivstoffe welche ab 1896 Versuchsstelle fuumlr Spreng-stoffe und ab 1897 Militaumlrversuchsamt genannt wurde mit diesen Fragen betraut Der Ausbruch des ersten Weltkriegs beendete diese Entwicklung und fuumlhrte zu einem Neuanfang 1920 Um den Behoumlrden der Reichsregierung auch weiterhin eine beratende Stelle auf dem Gebiet der Sicherheits-technik zu geben wurden Teile des ehemaligen Militaumlrversuchsamts auf den unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) umgetauft Dabei sollte der Arbeitsplan der CTR das bisherige Randgebiet bdquoSicherheitstechnik und Arbeitsschutzldquo als neues Hauptgebiet umfas-sen Und wie schon geschildert sind nach dem zweiten Weltkrieg die Aufgaben an BAM und PTB uumlbergegangen

Da das Ereignis der ersten oumlffentlichen Vor-stellung der Davy-Lampe 200 Jahre zuruumlcklag entschloss sich die PTB dazu diesen Anlass im Rahmen eines Festkolloquiums zu wuumlrdigen Und weil die PTB als das nationale Metrologieinstitut Deutschlands auch sonst alles immer sehr genau nimmt fand dieses Kolloquium natuumlrlich genau 200 Jahre spaumlter am 9 November 2015 statt Im Rahmen des Kolloquiums wurde berichtet uumlber die Verhinderung von Explosionen im Bergbau die Entstehung und Entwicklung der Berufsge-nossenschaften und uumlber den Arbeitsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) sowie natuumlrlich uumlber die Geschichte und Aufga-ben von BAM und PTB im Bereich der Sicher-heitstechnik Und diese ganzen 200 Jahre sind nun in dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen zusammengefasst

Bild1Davy Lampe um 1820 (im Besitz der Royal Society London)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Die Verhinderung von Explosionen im Bergbau einst und jetzt

Michael Wittler

Einleitung

Anlass des PTB-Festkolloquiums bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 war die Vorstellung einer durch den englischen Chemiker Sir Humphry Davy entwickelten Sicherheitslampe Sicherheitslampen sollen Schlagwetter das sind Grubengas(Methan)-Luft-Gemische nicht entzuumln-den Damit kann die Einfuumlhrung dieser sogenann-ten Davy-Lampe im Jahre 1815 sicherlich als eine Geburtsstunde des Explosionsschutzes angesehen werden Allerdings sind jedoch auch schon fruumlhere Versuche mit Sicherheitslampen anderer Bauweise bekannt und in den nachfolgenden Jahrzehnten wurden noch wesentliche Verbesserungen an Sicherheitslampen eingefuumlhrt Die Davy-Lampe war aber in der Tat die erste in Ansaumltzen funktio-nierende Sicherheitslampe

Neben der Sicherheitslampe gab es viele weitere Entwicklungen und Maszlignahmen die den Schlag-wetterschutz auf das heute ndash zumindest in west-lichen Bergwerken ndash erreichte Niveau gebracht haben In diesem Beitrag wird versucht einen Abriss wesentlicher Schritte in der Entwicklung des Schlagwetterschutzes darzulegen Hierbei werden viele Sachverhalte mit Hauptaugenmerk auf den Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet dar-gestellt wobei eine parallele Entwicklung in allen westlichen Laumlndern in denen Steinkohlenbergbau betrieben wird bzw wurde zu verzeichnen ist Diese parallele Entwicklung ist nicht zufaumlllig da es bereits fruumlh und uumlber viele Jahrzehnte einen regen internationalen Austausch sowohl auf wissen-schaftlicher Ebene als auch zwischen den ab den 80er-Jahren des 19 Jahrhunderts gegruumlndeten Ver-suchsstrecken gegeben hat Im Ruhrgebiet damals eine bedeutende Bergbauregion und Teil Preuszligens wurde 1894 die bdquoBerggewerkschaftliche Versuchs-streckeldquo gegruumlndet Die zum 75-jaumlhrigen Jubilaumlum im Jahre 1969 herausgegebene Festschrift [1] war bei der Erstellung dieses Beitrags eine hilfreiche Informationsquelle

Viele Fortschritte zur Verbesserung des Schlag-wetterschutzes wurden in den ersten drei Jahr-zehnten des vorherigen Jahrhunderts erzielt Mit Blickrichtung auf den elektrischen Explosions-

schutz sind die Konstruktionsvorgaben nach-folgend auf den uumlbertaumlgigen Explosionsschutz uumlbertragen worden Es kann deshalb an dieser Stelle bereits ausgesagt werden dass die meisten der heute bekannten Zuumlndschutzarten von elekt-rischen Betriebsmitteln auf Untersuchungen und Vorgaben aus dem Bergbau beruhen

Explosionsungluumlcke im Bergbau

In der zweiten Haumllfte des 19 Jahrhunderts war der Steinkohlenbergbau in allen westlichen Laumlndern stark expandiert Leider fand sich diese Entwicklung auch in der angestiegenen Zahl der Explosionsereignisse und der dabei verungluumlckten Bergleute wieder Verdeutlicht wird dies durch eine Statistik der Kohlefoumlrderung der Anzahl der Explosionen und der Zahl der damit verbun-denen Todesopfer im Bezirk des Oberbergamts Dortmund (zustaumlndig fuumlr das gesamte Ruhrge-biet) in den Jahren 1861 bis 1968 siehe Bild 1 Auch in juumlngerer Vergangenheit musste man noch uumlber tragische Explosionsungluumlcke im deutschen Bergbau berichten z B 1976 in Hamm (3 Tote) 1979 in Dortmund (7 Tote) 1986 in Quierschied (7 Tote) 1988 Grube Stolzenbach (51 Tote) und 1992 in Bergkamen (7 Tote)

Dr Michael Wittler Fachstelle fuumlr Sicherheit elektri-scher Betriebsmittel ndash BVS DEKRA EXAM GmbH

Bild 1 Schlagwetter- und Kohlenstaub-Explosionen im Ruhrgebiet in den Jahren 1861 bis 1968 [1]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

In den 80er-Jahren des 19 Jahrhundert hatte die Anzahl der Explosionsungluumlcke einen traurigen Houmlchststand erreicht Dieser Umstand wird dras-tisch in einem Vortrag von Werner von Siemens verdeutlicht der am 25 Mai 1880 im elektrotech-nischen Verein gehalten wurde [2] Folgender Auszug sei hier wiederholt

bdquoLeider hat aber die Erfahrung des letzten halben Jahrhunderts gezeigt dass sie nicht ausreichen denn wenn sie ausreichten wuumlrden wir nicht fortlaufend noch so viel Explosionen haben und die haumlufigen Ungluumlcksfaumllle durch moumlrderische schlagende Wetter die ich muss sagen zur Schmach der Wissenschaft und Technik noch uumlberall in der Welt so haumlufig vor-kommen wuumlrden ausbleiben oder doch wenigstens nur selten eintreten Es vergeht aber fast kein Monat wo nicht eine solche verderbliche Explosion durch die oumlffentlichen Blaumltter gemeldet wird Es zeigt sich unwi-derleglich dass die bisherigen Mittel nicht ausreichen und dass auch noch nach anderen gesucht werden mussldquo ( gemeint sind Davy-Lampen)

Diese verheerende Entwicklung in allen westli-chen kohlefoumlrdernden Laumlndern hat zur Einsetzung von sogenannten bdquoSchlagwettercommissionenldquo gefuumlhrt z B 1877 in Frankreich 1879 in Belgien und England sowie 1880 in Sachsen Der preuszligi-

sche Staat reagierte 1881 mit der Berufung der bdquoPreuszligischen Schlagwettercommissionldquo unter ihr wurde eine Auswertung der Ursachen von Explo-sionen in den Jahren 1861 bis 1884 erarbeitet Demnach waren von den Explosionen

568 durch Verwendung offenen Geleuchts

274 bei Gebrauch der Sicherheitslampe

148 durch Schieszligarbeit (Sprengarbeit)

verursacht worden Im Abschlussbericht vom 1951885 [3] wurden Grundsaumltze fuumlr den Betrieb von Schlagwettergruben empfohlen Auf dieser Basis wurde nachfolgend die Verwendung offenen Geleuchts durch Bergpolizeiverordnungen ver-boten was erfreulicherweise zu dem deutlichen Ruumlckgang der Explosionsereignisse fuumlhrte wie in Bild 1 erkennbar Zudem wurde empfohlen den Einfluss von Kohlenstaub auf die Explosionsaus-wirkungen zu erforschen die Entwicklung von Sicherheitssprengstoffen weiterzutreiben sowie die Zuumlndgefaumlhrlichkeit der Sicherheitslampe zu untersuchen da auch auf ihren Gebrauch immer noch ein signifikanter Anteil von Explosionen zuruumlckzufuumlhren ist

Entstehung der Versuchsstrecken

Diese zur damaligen Zeit im Vordergrund stehen-den Forschungs- und Untersuchungsziele erfor-derten im Wesentlichen experimentelle Arbeiten fuumlr diese Aufgaben wurden Versuchsstrecken gegruumlndet wie z B in den 1880er-Jahren in Neu-enkirchenSaar Zwickau Maumlhrisch-Ostrau und Segengottes bei Bruumlnn ndash alle mit vergleichbaren Versuchseinrichtungen Kern dieser Einrichtungen war dabei jeweils eine laumlngliche Strecke mit einem Querschnitt der den damaligen untertaumlgigen Strecken entsprach Aufbauend auf den Erfahrun-gen aus dem Betrieb dieser Versuchsstrecken und da einige experimentelle Ergebnisse widerspruumlch-lich diskutiert worden waren wurde 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke (BVS) mit erweiterten Pruumlfmoumlglichkeiten in Gelsenkirchen-Bismark gegruumlndet Der Lageplan aus dem Jahre 1904 ist in Bild 2 dargestellt

Allen Versuchsstrecken war gemeinsam dass sie in unmittelbarer Naumlhe von Bergwerken angeord-net waren die genuumlgend Grubengas freisetzten das ja fuumlr die Versuche benoumltigt wurde In dieser Notwendigkeit lag auch der Grund fuumlr den Umzug der BVS im Jahr 1910 nach Dortmund-Derne In Gelsenkirchen stand nicht mehr die notwendige Menge Grubengas zur Verfuumlgung Am Standort in Dortmund-Derne verblieb die BVS bis Ende 2001 siehe Bild 3 danach fand der Umzug zu der heutigen Adresse in Bochum statt

Nachdem die Versuchsstrecken ihre Arbeit auf-genommen hatten erste Untersuchungsergebnisse

Bild 3 Luftaufnahme der BVS (Dortmund 2001)

Bild 2 Lageplan der BVS im Jahr 1904

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

vorlagen und erste Schritte zur Verbesserung des Schlagwetterschutzes in die Bergwerke einflossen begann auch eine enge internationale Zusammen-arbeit zwischen den Versuchsstrecken Erstmalig trafen sich Vertreter der Versuchsstrecken auf internationaler Ebene 1912 im Rahmen einer Grubensicherheitskonferenz in Pittsburgh (USA) mit Teilnehmern aus USA England Frankreich Belgien Oumlsterreich und Deutschland Nach den Kriegswirren des 1 Weltkriegs fand die Grubensi-cherheitskonferenz regelmaumlszligig statt so z B 1935 in Dortmund siehe Bild 4

Diese internationale Zusammenarbeit hat sicherlich mit dazu beigetragen dass wesentliche Entwicklungen und Verbesserungen des Schlag-wetterschutzes in allen bergbaubetreibenden westlichen Industrienationen eingefuumlhrt wurden und sich damit die Anzahl der Grubenungluuml-cke in diesen Laumlndern in vergleichbarem Maszlige reduzierte

Erste Schlagwetterschutzmaszlignahmen an elektrischen Motoren und Apparaten

Die Gruumlndungszeit der BVS fiel auch zusammen mit den ersten Ansaumltzen der Elektrifizierung im Bergbau Ab 1897 wurde deshalb auch mit Versu-chen begonnen die Entzuumlndung von Schlagwet-ter- und Kohlenstaubgemischen durch elektrische Geraumlte zu untersuchen Die Versuchseinrichtungen hierfuumlr im Lageplan (Bild 2) oben links eingetra-gen sind in Bild 5 dargestellt

Versuche an kleinen Motoren Apparaten und Lampen in natuumlrlichen Schlagwetter- und Kohlen-staubgemischen zeigten auf dass betriebsmaumlszligige Funken und heiszlige Oberflaumlchen grundsaumltzlich in der Lage sind Schlagwetter zu entzuumlnden [4] Dies galt zu der damaligen Zeit nicht als gesichert und wurde durchaus kontrovers diskutiert

Auf der Basis dieser ersten Ergebnisse begann die Elektroindustrie spezielle Konstruktionen

schlagwettergeschuumltzter Betriebsmittel zu entwi-ckeln Unter Beteiligung der Hersteller Siemens amp Halske Schuckert Union AEG Helios Voigt amp Haeffner wurden auf der BVS in den Jahren 1903 bis 1905 diese Prototypen untersucht [5] Maszliggeblich wurden die Versuche durch den Leiter der Berggewerkschaftlichen Versuchsstrecke Carl Beyling (26071872ndash24111938) betrieben

Neben dem Schutzkonzept Oumllkapselung hatten diese fruumlhen Konstruktionen schwerpunktmaumlszligig zum Ziel den Explosionsdruck in den Motoren und Apparaten zu reduzieren und gleichzeitig eine Zuumlndung des umgebenden explosionsfaumlhigen Gemisches zu verhindern

Die untersuchten Schlagwetterschutz-Konzepte untergliederten sich in Ansaumltze die Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung Labyrinth-Kapselung Rohrschutz-Kapselung Flanschenschutz-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung genannt wurden Als besonders geeignet wurden im

Bild 5 Schnittbild und Foto (1904) der Versuchseinrichtung fuumlr elektrische Geraumlte [6]

Bild 4 Versuchsstreckenkonferenz Dortmund 1935 Teilnehmer USA England Frank-reich Belgien Polen Deutschland

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Anschluss an die Untersuchungen insbesondere fuumlr Motoren ndash damals eine der Hauptanwendun-gen von Elektrizitaumlt im Bergbau ndash die Konzepte

Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung erachtet

Eine erste konkrete Umsetzung der Maszlignah-men fand sich in einem schlagwettergeschuumltzten Drehstrom-Motor wieder der ab 1905 auf mehre-ren Bergwerken eingesetzt wurde siehe Bild 6

Nachfolgend wurden viele weitere elektrische Geraumlte mit Schlagwetterschutzmaszlignahmen ent-wickelt wie im Archiv der BVS nachzuschauen ist Beispielhaft werden in Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen eines Schaltkas-tens sowie einer Gluumlhlicht-Armatur aus dem Jahre 1912 gezeigt

Viele der damals erarbeiteten Grundlagen sind anschlieszligend in die VDE-Normung eingeflos-sen und spaumlter in die Zuumlndschutzart Druckfeste Kapselung uumlberfuumlhrt worden 1911 wurden erstmalig die bdquoVorschriften fuumlr schlagwetter-geschuumltzte elektrische Betriebsmittelldquo in der VDE 0170 veroumlffentlicht Diese Norm die 1943 um die Explosionsschutzvorschriften auszligerhalb des Bergbaus zur VDE 0170171 erweitert wurde hat den Kennbuchstaben bdquodldquo zur Kennzeichnung der druckfesten Kapselung eingefuumlhrt Diese Zuumlndschutzart erfaumlhrt seit Jahrzehnten bis heute weltweit eine hohe Akzeptanz die Kennzeichnung bdquoEx dldquo unterstreicht den deutschen Ursprung

Entstehung der Eigensicherheit

Auch die Zuumlndschutzart Eigensicherheit die neben der druckfesten Kapselung weltweit sehr hohe Bedeutung erlangt hat hat ihren Ursprung in einer Bergbauanwendung Eine elektrische Signalisierungsanlage wurde als wahrscheinliche Ursache fuumlr ein schweres Grubenungluumlck in Wales im Jahre 1913 mit 439 Toten angesehen Der anschlieszligende Untersuchungsbericht [7] fuumlhrte zu ersten Vorgaben im UK-Bergbau aus denen die fruumlhen Grundlagen der Eigensicherheit entstan-den 1936 wurde eine erste Stromversorgung nach den Prinzipien der Eigensicherheit in England zertifiziert und 1945 entstand mit der British Standard 1259 eine erste Norm in der der Begriff bdquointrinsic safety (IS)ldquo definiert wurde

Im Rahmen von Normungsbestrebungen auf IEC-Ebene zur Eigensicherheit in den 1960er- Jahren wurden verschiedene Pruumlfeinrichtungen zur experimentellen Uumlberpruumlfung der Zuumlndfaumlhig-keit von Funken vergleichenden Versuchen unter-zogen bdquoTestsiegerldquo hierbei wurde das urspruumlng-lich auf Vorschlaumlgen eines Siemens-Mitarbeiters [8] und auf der BVS erstmalig erprobte Funken-pruumlfgeraumlt das als IEC-genormte Einrichtung noch heute verwendet wird siehe Bild 8

Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen (1912)

Bild 6 Schlagwettergeschuumltzter Motor (500 V 30 PS 970 Umin) mit einer Kombination aus geschlossener Kapselung und Plattenschutz-Kapselung

Bild 8 Funkenpruumlfgeraumlt

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Geschichte der Grubenbeleuchtung

Wie bereits ausgefuumlhrt war ein wichtiger Schritt zur Erreichung einer houmlheren Sicherheit die Einfuumlhrung der Sicherheitslampe der Bauart nach Davy Wichtig war dieser Schritt da die Beleuch-tung unter Tage zu allen Zeiten unverzichtbar war In der Fruumlhzeit des Bergbaus wurde mit offenen Flammen von Kerzen Fackeln oder Oumlllampen beleuchtet Erste Bestrebungen ein schlagwet-tersicheres Geleucht zu erschaffen fuumlhrten im 18 Jahrhundert zu Versuchen mit phosphoreszie-renden Substanzen oder mit einer schleifenden Stahlscheibe uumlber einem Feuerstein scheiterten jedoch an zu geringer Leuchtkraft Erst Anfang des 19 Jahrhunderts wurde versucht Lampen mit Flamme schlagwettersicher aufzubauen Nach einigen Vorlaumlufern galt die Bauart nach Davy als erste Sicherheitslampe Da die Flamme bei dieser Lampe direkt von einem Drahtkorb umgeben ist war die Lichtausbeute gering Auch die Schlag-wettersicherheit war nur begrenzt da die Flamme zum Durchblasen bei houmlheren Wettergeschwin-digkeiten (Stroumlmungsgeschwindigkeit der Luft) neigte Die Lichtausbeute wurde erst besser nachdem die Leuchten um einen Glaszylinder erweitert wurden Die Entwicklung der Gruben-lampen bis hin zu den ersten elektrischen Lampen ist in Bild 9 dargestellt

Da immer wieder Schlagwetter-Explosionen auf die Verwendung von Sicherheitslampen zuruumlck-gefuumlhrt wurden sind in verschiedenen Laumlndern Versuche unternommen worden die Sicherheit dieser Lampen zu verbessern Neben dem Durch-blasen der Flamme wurde auch das Betaumltigen der Zuumlndeinrichtung als Zuumlndursache identifiziert

Auch auf der BVS wurden ab Ende des 19 Jahr-hunderts grundlegende Versuche zur Verbesse-rung der Schlagwettersicherheit durchgefuumlhrt Hieraus resultierte die Empfehlung verbesserte Zuumlndeinrichtungen sowie doppelte Drahtkoumlrbe zu verwenden 1911 wurde die Verwendung von Doppelkoumlrben im Ruhrbergbau durch das Lan-desoberbergamt Dortmund vorgeschrieben

Nach dem ersten Weltkrieg kamen zunehmend elektrische Lampen zum Einsatz die nachfolgend schnell Verbreitung fanden 1924 waren bereits ca 400000 elektrische Grubenlampen in Deutsch-land in Gebrauch ab 1926 sind sie vorgeschrieben

Detektion von Schlagwettern

Nachdem fuumlr Beleuchtungszwecke Grubenlam-pen mit Flamme durch elektrische ersetzt worden waren blieben Wetterlampen zur Detektion des Grubengasgehalts mangels anderer brauchba-rer Messmittel noch lange im Einsatz Bis in die 1960er-Jahre wurden Wetterlampen mit Flamme im deutschen Bergbau verwendet Anhand der

Verfaumlrbung des Mantels der Flamme konnte der Bergmann den Grubengasanteil in der Umgebung ermitteln siehe Bild 10

Erste Vorschlaumlge fuumlr flammenlose Schlagwet-teranzeiger datieren aus dem Beginn des 20 Jahr-hunderts Aus heutiger Sicht ist es interessant dass Ideen auch durch Preisausschreiben gesucht wurden z B 1912 vom Verein fuumlr bergbauli-che Interessen im Oberbergamtsbezirk Dort-mund und 1920 vom Preuszligischen Ministerium fuumlr Handel und Gewerbe zusammen mit dem Reichskohlenrat

Als geeignetes Messprinzip wurde fruumlh die Oxi-dation von Methan an einem vorgeheizten kataly-tisch behandelten Widerstandsdraht erkannt ndash ein Messprinzip dass bis heute bei handgefuumlhrten Gaswarngeraumlten uumlberwiegt Eine fruumlhe Realisie-rung nach diesem Prinzip war die Geraumltereihe bdquoWetterlichtldquo bei diesen Geraumlten wurde die Farbveraumlnderung eines behandelten Platindrahts bei zunehmendem Methangehalt im Vergleich zu einem ebenfalls gluumlhenden Hilfsdraht visuell

Bild 9 Schlagwettergeschuumltzte Grubenlampen Bauart Davy Sicherheitslampe mit Glas-kolben Wetterlampe fruumlhe elektrische Grubenlampe (von links nach rechts)

Bild 10 Ermittlung des Methangehalts mit der Wetterlampe [9]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

durch den Bergmann ausgewertet Solche Geraumlte waren im deutschen Bergbau bis in die 1940er-Jahre im Einsatz

Ein erstes brauchbares Bruumlckenmessgeraumlt wurde Ende der 1930er-Jahre in den USA entwickelt aufgrund des hohen Gewichts durch die Roumlhren-elektronik fand der Einsatz keine weite Verbrei-tung Durch das Aufkommen von kleinbauenden elektronischen Bauteilen und auch vorangetrieben durch einen Wettbewerb ausgeschrieben durch die Europaumlische Gemeinschaft fuumlr Kohle und Stahl wurden in der zweiten Haumllfte der 1950er-Jahre ver-schiedene Gaswarngeraumlte entwickelt Durchgesetzt haben sich bis heute ndash bei tragbaren Gaswarngerauml-ten Geraumlte nach dem oben beschriebenen Prinzip (Waumlrmetoumlnung) ndash und bei ortsfesten Anlagen Geraumlte mit Infrarotabsorption

Verhinderung von Kohlenstaub-Explosionen

Wie zu Anfang des Berichts schon angesprochen wurde bereits fruumlh erkannt dass der im Stein-kohlenbergbau immer vorliegende Kohlenstaub maszliggeblich die Auswirkung und Ausdehnung von Explosionen unter Tage beeinflusst Insbe-sondere fuumlr die schweren Grubenungluumlcke waren Kohlenstaub-Explosionen verantwortlich ndash in der Regel ausgeloumlst durch eine Grubengasexplosion Kohlenstaub-Explosionen haben deshalb eine so verheerende Wirkung weil sich die Explosion durch den weit verteilten Kohlenstaub im Gruben-gebaumlude stark ausbreiten kann

Zu Ende des 19 Jahrhunderts wurde mit Unter-suchungen begonnen die Explosionsgefaumlhrlichkeit

von Kohlenstaumluben zu erforschen Schwerpunkt-maumlszligig sollten diese klaumlren wie sich unterschied-liche Kohlenstaumlube bzgl des Ausbreitens einer Explosion verhalten und ob sich der Kohlenstaub direkt durch Sprengarbeiten entzuumlnden kann Urspruumlnglich war man davon ausgegangen dass eine Kohlenstaubexplosion immer nur durch eine vorher entstandene Schlagwetterexplosion ein-geleitet werden kann Diese Annahme hatte auch dazu gefuumlhrt dass man bereits Jahrzehnte vorher begonnen hatte Sprengstoffe zu entwickeln die Schlagwetter und damit auch Kohlenstaumlube nicht zur Entzuumlndung bringen sollten Die Sicherheit dieser sogenannten Sicherheitssprengstoffe wurde immer weiter entwickelt bis zu den heute bekann-ten Wettersprengstoffen in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts

Fuumlr die Untersuchung der Explosionsgefaumlhrlich-keit von Kohlenstaumluben entstanden rohrfoumlrmige Versuchsstrecken Hatte die Einrichtung der BVS aus dem Jahre 1894 noch eine Laumlnge von 34 m mit elliptischem Querschnitt (185 m 135 m) entstanden in der Folge Rohrstrecken bis zu einer Laumlnge von 200 m mit einem Durchmesser von 18 m siehe Bild 11

Bei den Untersuchungen zeichnete sich fruumlh ab dass die Explosionsgefaumlhrlichkeit stark von dem Anteil der fluumlchtigen Bestandteile (Gase) in der Kohle abhaumlngt der bei den Ruhrgebietskoh-len zwischen 7 und 40 lag Wurde die Grenze der Explosionsgefaumlhrlichkeit anfaumlnglich bei 12 bis 14 gesehen wurde dieser Grenzwert in der Folge immer weiter abgesenkt Heute wird in Deutschland die Ungefaumlhrlichkeit einer Kohlen-

Bild 11 Rohrfoumlrmige Strecken zur Untersuchung von Kohlenstaub-Explosionen auf der BVS 34-m-Strecke (1894ndash1910) 200-m-Strecke (ab 1913)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

Explosionsschutz

Elektrizitaumlt

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 Bremen | Tel +49(0)4 213 69 03-56 | Fax +49(0)4 213 69 03-63 Internet wwwschuenemann-verlagde | E-Mail buchverlagschuenemann-verlagde

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

43

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

44

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

45

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 Bremen | Tel +49(0)4 213 69 03-56 | Fax +49(0)4 213 69 03-63 Internet wwwschuenemann-verlagde | E-Mail buchverlagschuenemann-verlagde

Mechanik und Akustik

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Dosimetrie

Optik

46

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

Zu beziehen uumlber denFachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 BremenTel (04 21) 3 69 03-56 | Fax (04 21) 3 69 03-63 | wwwschuenemann-verlagde

Guan ZengjianKonrad Herrmann

Geschichte derchinesischenMetrologie

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Zahlreiche Illustrationen von alten Messmitteln und Messprinzipien

Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

48

TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

49

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

Redaktion Layout Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit PTBSabine Siems Dr Dr Jens Simon (verantwortlich) Dr Martin Thedens (wissenschaftlicher Redakteur)Telefon (05 31) 592-82 02 Telefax (05 31) 592-30 08 E-Mail sabinesiemsptbde

Leser- und Abonnement-Service Karin Drewes Telefon (0421) 369 03-56Telefax (0421) 369 03-63E-Mail drewesschuenemann-verlagde

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Erscheinungsweise und Bezugspreise Die PTB-Mitteilungen erscheinen viermal jaumlhrlich Das Jahresabonnement kostet 3900 Euro das Einzelheft 1200 Euro jeweils zzgl Versandkosten Bezug uumlber den Buchhandel oder den Verlag Abbestellungen muumlssen spaumltestens drei Monate vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich beim Verlag erfolgen

Alle Rechte vorbehalten Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfaumlltigt oder verbreitet werden Unter dieses Verbot faumlllt insbesondere die gewerbliche Ver-vielfaumlltigung per Kopie die Aufnahme in elektro-nische Datenbanken und die Vervielfaumlltigung auf CD-ROM und in allen anderen elektronischen Datentraumlgern

Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

mitteilungen

Impressum

Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

Bundesallee 100 38116 Braunschweig

Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit

Telefon 0531 592-3006 Fax 0531 592-3008 E-Mail presseptbde wwwptbde

Physikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und BerlinNationales Metrologieinstitut

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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016

Page 3: 200 Jahre Explosionsschutz

2

Inhalt

200 Jahre Explosionsschutz

Vorwort 3 Martin Thedens Ulrich von Pidoll

Die Verhinderung von Explosionen im Bergbau einst und jetzt 5 Michael Wittler

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heute 13 Oswald Losert

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945 24 Ulrich von Pidoll

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute 29 Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart 36 Ulrich von Pidoll Michael Beyer

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand 46 Thomas Horn

Technologietransfer

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlndgefahr explosionsgeschuumltzter Leuchten 48 Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung 49

Fachorgan fuumlr Wirtschaft und Wissenschaft Amts- und Mitteilungsblatt der Physikalisch-Technischen BundesanstaltBraunschweig und Berlin

126 Jahrgang Heft 1 Maumlrz 2016

3

Es ist die Pflicht eines guten Beamten sich im Aktenstudium zu uumlben So ist es auch gesche-hen als im Jahr 2014 in einem Archivraum aumlltere Unterlagen zum Vorschein gekommen sind alte Briefe Schriftstuumlcke und Fotos aus den 30er- bis 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts Es ging um die Vergangenheit der Sicherheitstechnik des Explosionsschutzes zu Zeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) der Wirren des 2 Weltkrieges und der sich bildenden Schwester-institutionen der Bundesanstalt fuumlr Materialfor-schung und -pruumlfung (BAM) in Berlin und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig Da ist beim Kollegen Dr Ulrich von Pidoll die Idee entstanden eine Chronik der damaligen Ereignisse und Vorgaumlnge zu verfas-sen Herausgekommen ist der PTB-Bericht Ex-7 bdquoExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationenldquo

Daruumlber hinaus versucht ein guter Wissen-schaftler natuumlrlich den Ursachen auf den Grund zu gehen Wie war das nun mit dem Explosions-schutz Was haben unsere Vorfahren so gemacht Gab es eine Art Urknall des Explosionsschutzes Nun die erste dokumentierte Explosion war eine Mehlstaubexplosion in Turin und fand am 14 Dezember 1785 statt Dieses Ungluumlck ausge-loumlst durch eine offene Flamme zur Beleuchtung in einem Lager fuumlr Mehl wurde ausgewertet und aufgezeichnet von der Turiner Akademie der Wissenschaften Offenes Feuer war in diesen Zeiten die einzige Moumlglichkeit der Beleuchtung ndash so auch unter Tage im Bergbau Den Bergleuten war durchaus bewusst dass eine Explosionsge-fahr durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlren den sogenannten Schlagwettern bestand und Schutz-maszlignahmen zu treffen waren Als eine erste Schutzmaszlignahme soweit man diese uumlberhaupt so bezeichnen darf kam eine Zuumlndlanze zum Einsatz Ein Bergmann kroch weit in einen gefaumlhrlichen

Grubenbereich hinein um dort mithilfe einer brennenden Lanze eine Gemischwolke kontrolliert zu entzuumlnden Das ging allerdings nicht immer gut fuumlr diesen Bergmann aus Eine weitere Schutzmaszlig-nahme waren Kanarienvoumlgel Diese reagierten sehr empfindlich auf fehlenden Sauerstoff sodass die Bergleute sobald die Voumlgel nicht mehr zwitscher-ten sich in beluumlftete Bereiche begeben konnten

Diese Maszlignahme erwies sich jedoch als nicht ausreichend sicher Als es 1812 in der Grube Felling Main in Durham England wegen einer offenen Grubenlampe zu einer schweren Explo-sion unter Tage mit 92 Toten kam setzte die Royal Society in London ein Preisgeld von 1000 ₤ (heute etwa 65000 euro) fuumlr die Entwicklung einer zuumlnd sicheren Sicherheitslampe fuumlr die Arbeit unter Tage aus Der Preis ging an Sir Humphry Davy der zusammen mit seinem Laborgehilfen George Stevenson im Herbst 1815 die gegenuumlber Grubengasen nicht zuumlndwirksame Davy-Lampe erfunden hatte (Bild 1) Diese bestand aus einem dichten Drahtkorb welcher rund um eine Oumlllampe angeordnet war und einerseits den Luftzutritt zur Flamme ermoumlglichte andererseits jedoch einen Flammendurchschlag nach auszligen verhinderte Die Lampe wurde am 9111815 der Oumlffentlich-keit vorgestellt und im Januar 1816 auf der Zeche Hebburn Colliery bei Newcastle England getestet Sie war somit das erste explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel welches tatsaumlchlich funktionierte

Mit der Industrialisierung durch den Einsatz von Dampfmaschinen und spaumlter den Einsatz von Elektrizitaumlt sind die Risiken aus sicherheitstech-nischer Sicht nicht geringer geworden Denn nun stellte sich das Problem der Zuumlndung von vor-handenen explosionsfaumlhigen Schlagwettern durch die verwendeten Motoren mit ihren elektrischen Funken und hohen Oberflaumlchentemperaturen Auch war es in jenen Tagen uumlblich zwei offene Draumlhte kurzzuschlieszligen damit zwecks Signal-

Vorwort

Martin Thedens Ulrich von Pidoll

Dr Martin Thedens Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail martinthedensptbde

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

200 JAHRE EXPLOSIONSSCHUTZ

4

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

gebung uumlber Tage z B eine Glocke ertoumlnte Doch auch dieser dann entstehende Funke war in vielen Faumlllen zuumlndfaumlhig Eigentlich wusste man doch seit Menschengedenken dass starke elektrische Funken in Form eines Gewitterblitzes praktisch alle brennbaren Stoffe entzuumlnden koumlnnen Man begann daher 1884 mit der wissenschaftlichen Untersuchung der Zuumlndgefahren von Schlag-wettern und Kohlestaub durch die Anwendung von Elektrizitaumlt unter Tage und gruumlndete hierzu 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchs-strecke (BVS) auf dem Gelaumlnde der Steinkohlen-zeche Consolidation in Gelsenkirchen-Bismarck Die Erkenntnisse der BVS waren fuumlr den 1893 gegruumlndeten Verband der Elektrotechniker Deutschlands welcher ab 1894 Verband deutscher Elektrotechniker (VDE) genannt wurde die Basis zur ersten Fassung der VDE 170 bdquoLeitsaumltze fuumlr die Ausfuumlhrung von Schlagwetter-Schutzvorrichtun-gen an elektrischen Maschinen Transformatoren und Apparatenldquo welche 1912 erschien Damit exis-tierte erstmals ein Regelwerk mit verpflichtenden Schutzmaszlignahmen zur Vermeidung der Entzuumln-dung von Schlagwettern unter Tage durch elektri-sche Maschinen und einer Pruumlfpflicht elektrischer Maschinen fuumlr den Einsatz unter Tage

Die industrielle Revolution fuumlhrte jedoch auch auszligerhalb des Bergbaus zu Veraumlnderungen des Arbeitswesens Eine Vielzahl von Menschen arbeitete jetzt nicht mehr in der Landwirtschaft sondern in der Industrie Diese industrielle Arbeit

unter Zuhilfenahme von Maschinen bedingte ein bisher nicht gekanntes Risiko hinsichtlich Invalidi-taumlt durch Unfall oder Berufskrankheit Aus diesem Grund wurde mit der Verkuumlndung des Unfallver-sicherungsgesetzes 1884 praktisch jeder Arbeiter mit einem Jahresarbeitsverdienst von nicht mehr als 2000 Mark kraft dieses Gesetzes gegen Unfall versichert Hierfuumlr wurden Berufsgenossenschaf-ten (BG) gegruumlndet welche ermaumlchtigt waren Unfallverhuumltungsvorschriften (UVV) zu erlassen und deren Einhaltung durch Beauftragte kontrol-lieren zu lassen Bereits 1885 nahmen 57 Berufsge-nossenschaften ihre Arbeit auf und erlieszligen 1886 die ersten Unfallverhuumltungsvorschriften

Etwa um die gleiche Zeit traten die ersten Fragen bezuumlglich des Arbeitsschutzes von Seiten der Reichsregierung und des Kriegsministeriums auf Mangels anderer verfuumlgbarer Behoumlrden wurde die 1889 gegruumlndete Zentralversuchsstelle fuumlr Explo-sivstoffe welche ab 1896 Versuchsstelle fuumlr Spreng-stoffe und ab 1897 Militaumlrversuchsamt genannt wurde mit diesen Fragen betraut Der Ausbruch des ersten Weltkriegs beendete diese Entwicklung und fuumlhrte zu einem Neuanfang 1920 Um den Behoumlrden der Reichsregierung auch weiterhin eine beratende Stelle auf dem Gebiet der Sicherheits-technik zu geben wurden Teile des ehemaligen Militaumlrversuchsamts auf den unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) umgetauft Dabei sollte der Arbeitsplan der CTR das bisherige Randgebiet bdquoSicherheitstechnik und Arbeitsschutzldquo als neues Hauptgebiet umfas-sen Und wie schon geschildert sind nach dem zweiten Weltkrieg die Aufgaben an BAM und PTB uumlbergegangen

Da das Ereignis der ersten oumlffentlichen Vor-stellung der Davy-Lampe 200 Jahre zuruumlcklag entschloss sich die PTB dazu diesen Anlass im Rahmen eines Festkolloquiums zu wuumlrdigen Und weil die PTB als das nationale Metrologieinstitut Deutschlands auch sonst alles immer sehr genau nimmt fand dieses Kolloquium natuumlrlich genau 200 Jahre spaumlter am 9 November 2015 statt Im Rahmen des Kolloquiums wurde berichtet uumlber die Verhinderung von Explosionen im Bergbau die Entstehung und Entwicklung der Berufsge-nossenschaften und uumlber den Arbeitsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) sowie natuumlrlich uumlber die Geschichte und Aufga-ben von BAM und PTB im Bereich der Sicher-heitstechnik Und diese ganzen 200 Jahre sind nun in dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen zusammengefasst

Bild1Davy Lampe um 1820 (im Besitz der Royal Society London)

5

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Die Verhinderung von Explosionen im Bergbau einst und jetzt

Michael Wittler

Einleitung

Anlass des PTB-Festkolloquiums bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 war die Vorstellung einer durch den englischen Chemiker Sir Humphry Davy entwickelten Sicherheitslampe Sicherheitslampen sollen Schlagwetter das sind Grubengas(Methan)-Luft-Gemische nicht entzuumln-den Damit kann die Einfuumlhrung dieser sogenann-ten Davy-Lampe im Jahre 1815 sicherlich als eine Geburtsstunde des Explosionsschutzes angesehen werden Allerdings sind jedoch auch schon fruumlhere Versuche mit Sicherheitslampen anderer Bauweise bekannt und in den nachfolgenden Jahrzehnten wurden noch wesentliche Verbesserungen an Sicherheitslampen eingefuumlhrt Die Davy-Lampe war aber in der Tat die erste in Ansaumltzen funktio-nierende Sicherheitslampe

Neben der Sicherheitslampe gab es viele weitere Entwicklungen und Maszlignahmen die den Schlag-wetterschutz auf das heute ndash zumindest in west-lichen Bergwerken ndash erreichte Niveau gebracht haben In diesem Beitrag wird versucht einen Abriss wesentlicher Schritte in der Entwicklung des Schlagwetterschutzes darzulegen Hierbei werden viele Sachverhalte mit Hauptaugenmerk auf den Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet dar-gestellt wobei eine parallele Entwicklung in allen westlichen Laumlndern in denen Steinkohlenbergbau betrieben wird bzw wurde zu verzeichnen ist Diese parallele Entwicklung ist nicht zufaumlllig da es bereits fruumlh und uumlber viele Jahrzehnte einen regen internationalen Austausch sowohl auf wissen-schaftlicher Ebene als auch zwischen den ab den 80er-Jahren des 19 Jahrhunderts gegruumlndeten Ver-suchsstrecken gegeben hat Im Ruhrgebiet damals eine bedeutende Bergbauregion und Teil Preuszligens wurde 1894 die bdquoBerggewerkschaftliche Versuchs-streckeldquo gegruumlndet Die zum 75-jaumlhrigen Jubilaumlum im Jahre 1969 herausgegebene Festschrift [1] war bei der Erstellung dieses Beitrags eine hilfreiche Informationsquelle

Viele Fortschritte zur Verbesserung des Schlag-wetterschutzes wurden in den ersten drei Jahr-zehnten des vorherigen Jahrhunderts erzielt Mit Blickrichtung auf den elektrischen Explosions-

schutz sind die Konstruktionsvorgaben nach-folgend auf den uumlbertaumlgigen Explosionsschutz uumlbertragen worden Es kann deshalb an dieser Stelle bereits ausgesagt werden dass die meisten der heute bekannten Zuumlndschutzarten von elekt-rischen Betriebsmitteln auf Untersuchungen und Vorgaben aus dem Bergbau beruhen

Explosionsungluumlcke im Bergbau

In der zweiten Haumllfte des 19 Jahrhunderts war der Steinkohlenbergbau in allen westlichen Laumlndern stark expandiert Leider fand sich diese Entwicklung auch in der angestiegenen Zahl der Explosionsereignisse und der dabei verungluumlckten Bergleute wieder Verdeutlicht wird dies durch eine Statistik der Kohlefoumlrderung der Anzahl der Explosionen und der Zahl der damit verbun-denen Todesopfer im Bezirk des Oberbergamts Dortmund (zustaumlndig fuumlr das gesamte Ruhrge-biet) in den Jahren 1861 bis 1968 siehe Bild 1 Auch in juumlngerer Vergangenheit musste man noch uumlber tragische Explosionsungluumlcke im deutschen Bergbau berichten z B 1976 in Hamm (3 Tote) 1979 in Dortmund (7 Tote) 1986 in Quierschied (7 Tote) 1988 Grube Stolzenbach (51 Tote) und 1992 in Bergkamen (7 Tote)

Dr Michael Wittler Fachstelle fuumlr Sicherheit elektri-scher Betriebsmittel ndash BVS DEKRA EXAM GmbH

Bild 1 Schlagwetter- und Kohlenstaub-Explosionen im Ruhrgebiet in den Jahren 1861 bis 1968 [1]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

In den 80er-Jahren des 19 Jahrhundert hatte die Anzahl der Explosionsungluumlcke einen traurigen Houmlchststand erreicht Dieser Umstand wird dras-tisch in einem Vortrag von Werner von Siemens verdeutlicht der am 25 Mai 1880 im elektrotech-nischen Verein gehalten wurde [2] Folgender Auszug sei hier wiederholt

bdquoLeider hat aber die Erfahrung des letzten halben Jahrhunderts gezeigt dass sie nicht ausreichen denn wenn sie ausreichten wuumlrden wir nicht fortlaufend noch so viel Explosionen haben und die haumlufigen Ungluumlcksfaumllle durch moumlrderische schlagende Wetter die ich muss sagen zur Schmach der Wissenschaft und Technik noch uumlberall in der Welt so haumlufig vor-kommen wuumlrden ausbleiben oder doch wenigstens nur selten eintreten Es vergeht aber fast kein Monat wo nicht eine solche verderbliche Explosion durch die oumlffentlichen Blaumltter gemeldet wird Es zeigt sich unwi-derleglich dass die bisherigen Mittel nicht ausreichen und dass auch noch nach anderen gesucht werden mussldquo ( gemeint sind Davy-Lampen)

Diese verheerende Entwicklung in allen westli-chen kohlefoumlrdernden Laumlndern hat zur Einsetzung von sogenannten bdquoSchlagwettercommissionenldquo gefuumlhrt z B 1877 in Frankreich 1879 in Belgien und England sowie 1880 in Sachsen Der preuszligi-

sche Staat reagierte 1881 mit der Berufung der bdquoPreuszligischen Schlagwettercommissionldquo unter ihr wurde eine Auswertung der Ursachen von Explo-sionen in den Jahren 1861 bis 1884 erarbeitet Demnach waren von den Explosionen

568 durch Verwendung offenen Geleuchts

274 bei Gebrauch der Sicherheitslampe

148 durch Schieszligarbeit (Sprengarbeit)

verursacht worden Im Abschlussbericht vom 1951885 [3] wurden Grundsaumltze fuumlr den Betrieb von Schlagwettergruben empfohlen Auf dieser Basis wurde nachfolgend die Verwendung offenen Geleuchts durch Bergpolizeiverordnungen ver-boten was erfreulicherweise zu dem deutlichen Ruumlckgang der Explosionsereignisse fuumlhrte wie in Bild 1 erkennbar Zudem wurde empfohlen den Einfluss von Kohlenstaub auf die Explosionsaus-wirkungen zu erforschen die Entwicklung von Sicherheitssprengstoffen weiterzutreiben sowie die Zuumlndgefaumlhrlichkeit der Sicherheitslampe zu untersuchen da auch auf ihren Gebrauch immer noch ein signifikanter Anteil von Explosionen zuruumlckzufuumlhren ist

Entstehung der Versuchsstrecken

Diese zur damaligen Zeit im Vordergrund stehen-den Forschungs- und Untersuchungsziele erfor-derten im Wesentlichen experimentelle Arbeiten fuumlr diese Aufgaben wurden Versuchsstrecken gegruumlndet wie z B in den 1880er-Jahren in Neu-enkirchenSaar Zwickau Maumlhrisch-Ostrau und Segengottes bei Bruumlnn ndash alle mit vergleichbaren Versuchseinrichtungen Kern dieser Einrichtungen war dabei jeweils eine laumlngliche Strecke mit einem Querschnitt der den damaligen untertaumlgigen Strecken entsprach Aufbauend auf den Erfahrun-gen aus dem Betrieb dieser Versuchsstrecken und da einige experimentelle Ergebnisse widerspruumlch-lich diskutiert worden waren wurde 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke (BVS) mit erweiterten Pruumlfmoumlglichkeiten in Gelsenkirchen-Bismark gegruumlndet Der Lageplan aus dem Jahre 1904 ist in Bild 2 dargestellt

Allen Versuchsstrecken war gemeinsam dass sie in unmittelbarer Naumlhe von Bergwerken angeord-net waren die genuumlgend Grubengas freisetzten das ja fuumlr die Versuche benoumltigt wurde In dieser Notwendigkeit lag auch der Grund fuumlr den Umzug der BVS im Jahr 1910 nach Dortmund-Derne In Gelsenkirchen stand nicht mehr die notwendige Menge Grubengas zur Verfuumlgung Am Standort in Dortmund-Derne verblieb die BVS bis Ende 2001 siehe Bild 3 danach fand der Umzug zu der heutigen Adresse in Bochum statt

Nachdem die Versuchsstrecken ihre Arbeit auf-genommen hatten erste Untersuchungsergebnisse

Bild 3 Luftaufnahme der BVS (Dortmund 2001)

Bild 2 Lageplan der BVS im Jahr 1904

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

vorlagen und erste Schritte zur Verbesserung des Schlagwetterschutzes in die Bergwerke einflossen begann auch eine enge internationale Zusammen-arbeit zwischen den Versuchsstrecken Erstmalig trafen sich Vertreter der Versuchsstrecken auf internationaler Ebene 1912 im Rahmen einer Grubensicherheitskonferenz in Pittsburgh (USA) mit Teilnehmern aus USA England Frankreich Belgien Oumlsterreich und Deutschland Nach den Kriegswirren des 1 Weltkriegs fand die Grubensi-cherheitskonferenz regelmaumlszligig statt so z B 1935 in Dortmund siehe Bild 4

Diese internationale Zusammenarbeit hat sicherlich mit dazu beigetragen dass wesentliche Entwicklungen und Verbesserungen des Schlag-wetterschutzes in allen bergbaubetreibenden westlichen Industrienationen eingefuumlhrt wurden und sich damit die Anzahl der Grubenungluuml-cke in diesen Laumlndern in vergleichbarem Maszlige reduzierte

Erste Schlagwetterschutzmaszlignahmen an elektrischen Motoren und Apparaten

Die Gruumlndungszeit der BVS fiel auch zusammen mit den ersten Ansaumltzen der Elektrifizierung im Bergbau Ab 1897 wurde deshalb auch mit Versu-chen begonnen die Entzuumlndung von Schlagwet-ter- und Kohlenstaubgemischen durch elektrische Geraumlte zu untersuchen Die Versuchseinrichtungen hierfuumlr im Lageplan (Bild 2) oben links eingetra-gen sind in Bild 5 dargestellt

Versuche an kleinen Motoren Apparaten und Lampen in natuumlrlichen Schlagwetter- und Kohlen-staubgemischen zeigten auf dass betriebsmaumlszligige Funken und heiszlige Oberflaumlchen grundsaumltzlich in der Lage sind Schlagwetter zu entzuumlnden [4] Dies galt zu der damaligen Zeit nicht als gesichert und wurde durchaus kontrovers diskutiert

Auf der Basis dieser ersten Ergebnisse begann die Elektroindustrie spezielle Konstruktionen

schlagwettergeschuumltzter Betriebsmittel zu entwi-ckeln Unter Beteiligung der Hersteller Siemens amp Halske Schuckert Union AEG Helios Voigt amp Haeffner wurden auf der BVS in den Jahren 1903 bis 1905 diese Prototypen untersucht [5] Maszliggeblich wurden die Versuche durch den Leiter der Berggewerkschaftlichen Versuchsstrecke Carl Beyling (26071872ndash24111938) betrieben

Neben dem Schutzkonzept Oumllkapselung hatten diese fruumlhen Konstruktionen schwerpunktmaumlszligig zum Ziel den Explosionsdruck in den Motoren und Apparaten zu reduzieren und gleichzeitig eine Zuumlndung des umgebenden explosionsfaumlhigen Gemisches zu verhindern

Die untersuchten Schlagwetterschutz-Konzepte untergliederten sich in Ansaumltze die Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung Labyrinth-Kapselung Rohrschutz-Kapselung Flanschenschutz-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung genannt wurden Als besonders geeignet wurden im

Bild 5 Schnittbild und Foto (1904) der Versuchseinrichtung fuumlr elektrische Geraumlte [6]

Bild 4 Versuchsstreckenkonferenz Dortmund 1935 Teilnehmer USA England Frank-reich Belgien Polen Deutschland

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Anschluss an die Untersuchungen insbesondere fuumlr Motoren ndash damals eine der Hauptanwendun-gen von Elektrizitaumlt im Bergbau ndash die Konzepte

Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung erachtet

Eine erste konkrete Umsetzung der Maszlignah-men fand sich in einem schlagwettergeschuumltzten Drehstrom-Motor wieder der ab 1905 auf mehre-ren Bergwerken eingesetzt wurde siehe Bild 6

Nachfolgend wurden viele weitere elektrische Geraumlte mit Schlagwetterschutzmaszlignahmen ent-wickelt wie im Archiv der BVS nachzuschauen ist Beispielhaft werden in Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen eines Schaltkas-tens sowie einer Gluumlhlicht-Armatur aus dem Jahre 1912 gezeigt

Viele der damals erarbeiteten Grundlagen sind anschlieszligend in die VDE-Normung eingeflos-sen und spaumlter in die Zuumlndschutzart Druckfeste Kapselung uumlberfuumlhrt worden 1911 wurden erstmalig die bdquoVorschriften fuumlr schlagwetter-geschuumltzte elektrische Betriebsmittelldquo in der VDE 0170 veroumlffentlicht Diese Norm die 1943 um die Explosionsschutzvorschriften auszligerhalb des Bergbaus zur VDE 0170171 erweitert wurde hat den Kennbuchstaben bdquodldquo zur Kennzeichnung der druckfesten Kapselung eingefuumlhrt Diese Zuumlndschutzart erfaumlhrt seit Jahrzehnten bis heute weltweit eine hohe Akzeptanz die Kennzeichnung bdquoEx dldquo unterstreicht den deutschen Ursprung

Entstehung der Eigensicherheit

Auch die Zuumlndschutzart Eigensicherheit die neben der druckfesten Kapselung weltweit sehr hohe Bedeutung erlangt hat hat ihren Ursprung in einer Bergbauanwendung Eine elektrische Signalisierungsanlage wurde als wahrscheinliche Ursache fuumlr ein schweres Grubenungluumlck in Wales im Jahre 1913 mit 439 Toten angesehen Der anschlieszligende Untersuchungsbericht [7] fuumlhrte zu ersten Vorgaben im UK-Bergbau aus denen die fruumlhen Grundlagen der Eigensicherheit entstan-den 1936 wurde eine erste Stromversorgung nach den Prinzipien der Eigensicherheit in England zertifiziert und 1945 entstand mit der British Standard 1259 eine erste Norm in der der Begriff bdquointrinsic safety (IS)ldquo definiert wurde

Im Rahmen von Normungsbestrebungen auf IEC-Ebene zur Eigensicherheit in den 1960er- Jahren wurden verschiedene Pruumlfeinrichtungen zur experimentellen Uumlberpruumlfung der Zuumlndfaumlhig-keit von Funken vergleichenden Versuchen unter-zogen bdquoTestsiegerldquo hierbei wurde das urspruumlng-lich auf Vorschlaumlgen eines Siemens-Mitarbeiters [8] und auf der BVS erstmalig erprobte Funken-pruumlfgeraumlt das als IEC-genormte Einrichtung noch heute verwendet wird siehe Bild 8

Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen (1912)

Bild 6 Schlagwettergeschuumltzter Motor (500 V 30 PS 970 Umin) mit einer Kombination aus geschlossener Kapselung und Plattenschutz-Kapselung

Bild 8 Funkenpruumlfgeraumlt

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Geschichte der Grubenbeleuchtung

Wie bereits ausgefuumlhrt war ein wichtiger Schritt zur Erreichung einer houmlheren Sicherheit die Einfuumlhrung der Sicherheitslampe der Bauart nach Davy Wichtig war dieser Schritt da die Beleuch-tung unter Tage zu allen Zeiten unverzichtbar war In der Fruumlhzeit des Bergbaus wurde mit offenen Flammen von Kerzen Fackeln oder Oumlllampen beleuchtet Erste Bestrebungen ein schlagwet-tersicheres Geleucht zu erschaffen fuumlhrten im 18 Jahrhundert zu Versuchen mit phosphoreszie-renden Substanzen oder mit einer schleifenden Stahlscheibe uumlber einem Feuerstein scheiterten jedoch an zu geringer Leuchtkraft Erst Anfang des 19 Jahrhunderts wurde versucht Lampen mit Flamme schlagwettersicher aufzubauen Nach einigen Vorlaumlufern galt die Bauart nach Davy als erste Sicherheitslampe Da die Flamme bei dieser Lampe direkt von einem Drahtkorb umgeben ist war die Lichtausbeute gering Auch die Schlag-wettersicherheit war nur begrenzt da die Flamme zum Durchblasen bei houmlheren Wettergeschwin-digkeiten (Stroumlmungsgeschwindigkeit der Luft) neigte Die Lichtausbeute wurde erst besser nachdem die Leuchten um einen Glaszylinder erweitert wurden Die Entwicklung der Gruben-lampen bis hin zu den ersten elektrischen Lampen ist in Bild 9 dargestellt

Da immer wieder Schlagwetter-Explosionen auf die Verwendung von Sicherheitslampen zuruumlck-gefuumlhrt wurden sind in verschiedenen Laumlndern Versuche unternommen worden die Sicherheit dieser Lampen zu verbessern Neben dem Durch-blasen der Flamme wurde auch das Betaumltigen der Zuumlndeinrichtung als Zuumlndursache identifiziert

Auch auf der BVS wurden ab Ende des 19 Jahr-hunderts grundlegende Versuche zur Verbesse-rung der Schlagwettersicherheit durchgefuumlhrt Hieraus resultierte die Empfehlung verbesserte Zuumlndeinrichtungen sowie doppelte Drahtkoumlrbe zu verwenden 1911 wurde die Verwendung von Doppelkoumlrben im Ruhrbergbau durch das Lan-desoberbergamt Dortmund vorgeschrieben

Nach dem ersten Weltkrieg kamen zunehmend elektrische Lampen zum Einsatz die nachfolgend schnell Verbreitung fanden 1924 waren bereits ca 400000 elektrische Grubenlampen in Deutsch-land in Gebrauch ab 1926 sind sie vorgeschrieben

Detektion von Schlagwettern

Nachdem fuumlr Beleuchtungszwecke Grubenlam-pen mit Flamme durch elektrische ersetzt worden waren blieben Wetterlampen zur Detektion des Grubengasgehalts mangels anderer brauchba-rer Messmittel noch lange im Einsatz Bis in die 1960er-Jahre wurden Wetterlampen mit Flamme im deutschen Bergbau verwendet Anhand der

Verfaumlrbung des Mantels der Flamme konnte der Bergmann den Grubengasanteil in der Umgebung ermitteln siehe Bild 10

Erste Vorschlaumlge fuumlr flammenlose Schlagwet-teranzeiger datieren aus dem Beginn des 20 Jahr-hunderts Aus heutiger Sicht ist es interessant dass Ideen auch durch Preisausschreiben gesucht wurden z B 1912 vom Verein fuumlr bergbauli-che Interessen im Oberbergamtsbezirk Dort-mund und 1920 vom Preuszligischen Ministerium fuumlr Handel und Gewerbe zusammen mit dem Reichskohlenrat

Als geeignetes Messprinzip wurde fruumlh die Oxi-dation von Methan an einem vorgeheizten kataly-tisch behandelten Widerstandsdraht erkannt ndash ein Messprinzip dass bis heute bei handgefuumlhrten Gaswarngeraumlten uumlberwiegt Eine fruumlhe Realisie-rung nach diesem Prinzip war die Geraumltereihe bdquoWetterlichtldquo bei diesen Geraumlten wurde die Farbveraumlnderung eines behandelten Platindrahts bei zunehmendem Methangehalt im Vergleich zu einem ebenfalls gluumlhenden Hilfsdraht visuell

Bild 9 Schlagwettergeschuumltzte Grubenlampen Bauart Davy Sicherheitslampe mit Glas-kolben Wetterlampe fruumlhe elektrische Grubenlampe (von links nach rechts)

Bild 10 Ermittlung des Methangehalts mit der Wetterlampe [9]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

durch den Bergmann ausgewertet Solche Geraumlte waren im deutschen Bergbau bis in die 1940er-Jahre im Einsatz

Ein erstes brauchbares Bruumlckenmessgeraumlt wurde Ende der 1930er-Jahre in den USA entwickelt aufgrund des hohen Gewichts durch die Roumlhren-elektronik fand der Einsatz keine weite Verbrei-tung Durch das Aufkommen von kleinbauenden elektronischen Bauteilen und auch vorangetrieben durch einen Wettbewerb ausgeschrieben durch die Europaumlische Gemeinschaft fuumlr Kohle und Stahl wurden in der zweiten Haumllfte der 1950er-Jahre ver-schiedene Gaswarngeraumlte entwickelt Durchgesetzt haben sich bis heute ndash bei tragbaren Gaswarngerauml-ten Geraumlte nach dem oben beschriebenen Prinzip (Waumlrmetoumlnung) ndash und bei ortsfesten Anlagen Geraumlte mit Infrarotabsorption

Verhinderung von Kohlenstaub-Explosionen

Wie zu Anfang des Berichts schon angesprochen wurde bereits fruumlh erkannt dass der im Stein-kohlenbergbau immer vorliegende Kohlenstaub maszliggeblich die Auswirkung und Ausdehnung von Explosionen unter Tage beeinflusst Insbe-sondere fuumlr die schweren Grubenungluumlcke waren Kohlenstaub-Explosionen verantwortlich ndash in der Regel ausgeloumlst durch eine Grubengasexplosion Kohlenstaub-Explosionen haben deshalb eine so verheerende Wirkung weil sich die Explosion durch den weit verteilten Kohlenstaub im Gruben-gebaumlude stark ausbreiten kann

Zu Ende des 19 Jahrhunderts wurde mit Unter-suchungen begonnen die Explosionsgefaumlhrlichkeit

von Kohlenstaumluben zu erforschen Schwerpunkt-maumlszligig sollten diese klaumlren wie sich unterschied-liche Kohlenstaumlube bzgl des Ausbreitens einer Explosion verhalten und ob sich der Kohlenstaub direkt durch Sprengarbeiten entzuumlnden kann Urspruumlnglich war man davon ausgegangen dass eine Kohlenstaubexplosion immer nur durch eine vorher entstandene Schlagwetterexplosion ein-geleitet werden kann Diese Annahme hatte auch dazu gefuumlhrt dass man bereits Jahrzehnte vorher begonnen hatte Sprengstoffe zu entwickeln die Schlagwetter und damit auch Kohlenstaumlube nicht zur Entzuumlndung bringen sollten Die Sicherheit dieser sogenannten Sicherheitssprengstoffe wurde immer weiter entwickelt bis zu den heute bekann-ten Wettersprengstoffen in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts

Fuumlr die Untersuchung der Explosionsgefaumlhrlich-keit von Kohlenstaumluben entstanden rohrfoumlrmige Versuchsstrecken Hatte die Einrichtung der BVS aus dem Jahre 1894 noch eine Laumlnge von 34 m mit elliptischem Querschnitt (185 m 135 m) entstanden in der Folge Rohrstrecken bis zu einer Laumlnge von 200 m mit einem Durchmesser von 18 m siehe Bild 11

Bei den Untersuchungen zeichnete sich fruumlh ab dass die Explosionsgefaumlhrlichkeit stark von dem Anteil der fluumlchtigen Bestandteile (Gase) in der Kohle abhaumlngt der bei den Ruhrgebietskoh-len zwischen 7 und 40 lag Wurde die Grenze der Explosionsgefaumlhrlichkeit anfaumlnglich bei 12 bis 14 gesehen wurde dieser Grenzwert in der Folge immer weiter abgesenkt Heute wird in Deutschland die Ungefaumlhrlichkeit einer Kohlen-

Bild 11 Rohrfoumlrmige Strecken zur Untersuchung von Kohlenstaub-Explosionen auf der BVS 34-m-Strecke (1894ndash1910) 200-m-Strecke (ab 1913)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

23

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

Explosionsschutz

Elektrizitaumlt

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 Bremen | Tel +49(0)4 213 69 03-56 | Fax +49(0)4 213 69 03-63 Internet wwwschuenemann-verlagde | E-Mail buchverlagschuenemann-verlagde

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

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Dosimetrie

Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

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Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Alle Rechte vorbehalten Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfaumlltigt oder verbreitet werden Unter dieses Verbot faumlllt insbesondere die gewerbliche Ver-vielfaumlltigung per Kopie die Aufnahme in elektro-nische Datenbanken und die Vervielfaumlltigung auf CD-ROM und in allen anderen elektronischen Datentraumlgern

Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

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Physikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und BerlinNationales Metrologieinstitut

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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Page 4: 200 Jahre Explosionsschutz

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Es ist die Pflicht eines guten Beamten sich im Aktenstudium zu uumlben So ist es auch gesche-hen als im Jahr 2014 in einem Archivraum aumlltere Unterlagen zum Vorschein gekommen sind alte Briefe Schriftstuumlcke und Fotos aus den 30er- bis 50er-Jahren des letzten Jahrhunderts Es ging um die Vergangenheit der Sicherheitstechnik des Explosionsschutzes zu Zeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) der Wirren des 2 Weltkrieges und der sich bildenden Schwester-institutionen der Bundesanstalt fuumlr Materialfor-schung und -pruumlfung (BAM) in Berlin und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig Da ist beim Kollegen Dr Ulrich von Pidoll die Idee entstanden eine Chronik der damaligen Ereignisse und Vorgaumlnge zu verfas-sen Herausgekommen ist der PTB-Bericht Ex-7 bdquoExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationenldquo

Daruumlber hinaus versucht ein guter Wissen-schaftler natuumlrlich den Ursachen auf den Grund zu gehen Wie war das nun mit dem Explosions-schutz Was haben unsere Vorfahren so gemacht Gab es eine Art Urknall des Explosionsschutzes Nun die erste dokumentierte Explosion war eine Mehlstaubexplosion in Turin und fand am 14 Dezember 1785 statt Dieses Ungluumlck ausge-loumlst durch eine offene Flamme zur Beleuchtung in einem Lager fuumlr Mehl wurde ausgewertet und aufgezeichnet von der Turiner Akademie der Wissenschaften Offenes Feuer war in diesen Zeiten die einzige Moumlglichkeit der Beleuchtung ndash so auch unter Tage im Bergbau Den Bergleuten war durchaus bewusst dass eine Explosionsge-fahr durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlren den sogenannten Schlagwettern bestand und Schutz-maszlignahmen zu treffen waren Als eine erste Schutzmaszlignahme soweit man diese uumlberhaupt so bezeichnen darf kam eine Zuumlndlanze zum Einsatz Ein Bergmann kroch weit in einen gefaumlhrlichen

Grubenbereich hinein um dort mithilfe einer brennenden Lanze eine Gemischwolke kontrolliert zu entzuumlnden Das ging allerdings nicht immer gut fuumlr diesen Bergmann aus Eine weitere Schutzmaszlig-nahme waren Kanarienvoumlgel Diese reagierten sehr empfindlich auf fehlenden Sauerstoff sodass die Bergleute sobald die Voumlgel nicht mehr zwitscher-ten sich in beluumlftete Bereiche begeben konnten

Diese Maszlignahme erwies sich jedoch als nicht ausreichend sicher Als es 1812 in der Grube Felling Main in Durham England wegen einer offenen Grubenlampe zu einer schweren Explo-sion unter Tage mit 92 Toten kam setzte die Royal Society in London ein Preisgeld von 1000 ₤ (heute etwa 65000 euro) fuumlr die Entwicklung einer zuumlnd sicheren Sicherheitslampe fuumlr die Arbeit unter Tage aus Der Preis ging an Sir Humphry Davy der zusammen mit seinem Laborgehilfen George Stevenson im Herbst 1815 die gegenuumlber Grubengasen nicht zuumlndwirksame Davy-Lampe erfunden hatte (Bild 1) Diese bestand aus einem dichten Drahtkorb welcher rund um eine Oumlllampe angeordnet war und einerseits den Luftzutritt zur Flamme ermoumlglichte andererseits jedoch einen Flammendurchschlag nach auszligen verhinderte Die Lampe wurde am 9111815 der Oumlffentlich-keit vorgestellt und im Januar 1816 auf der Zeche Hebburn Colliery bei Newcastle England getestet Sie war somit das erste explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel welches tatsaumlchlich funktionierte

Mit der Industrialisierung durch den Einsatz von Dampfmaschinen und spaumlter den Einsatz von Elektrizitaumlt sind die Risiken aus sicherheitstech-nischer Sicht nicht geringer geworden Denn nun stellte sich das Problem der Zuumlndung von vor-handenen explosionsfaumlhigen Schlagwettern durch die verwendeten Motoren mit ihren elektrischen Funken und hohen Oberflaumlchentemperaturen Auch war es in jenen Tagen uumlblich zwei offene Draumlhte kurzzuschlieszligen damit zwecks Signal-

Vorwort

Martin Thedens Ulrich von Pidoll

Dr Martin Thedens Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail martinthedensptbde

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

200 JAHRE EXPLOSIONSSCHUTZ

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

gebung uumlber Tage z B eine Glocke ertoumlnte Doch auch dieser dann entstehende Funke war in vielen Faumlllen zuumlndfaumlhig Eigentlich wusste man doch seit Menschengedenken dass starke elektrische Funken in Form eines Gewitterblitzes praktisch alle brennbaren Stoffe entzuumlnden koumlnnen Man begann daher 1884 mit der wissenschaftlichen Untersuchung der Zuumlndgefahren von Schlag-wettern und Kohlestaub durch die Anwendung von Elektrizitaumlt unter Tage und gruumlndete hierzu 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchs-strecke (BVS) auf dem Gelaumlnde der Steinkohlen-zeche Consolidation in Gelsenkirchen-Bismarck Die Erkenntnisse der BVS waren fuumlr den 1893 gegruumlndeten Verband der Elektrotechniker Deutschlands welcher ab 1894 Verband deutscher Elektrotechniker (VDE) genannt wurde die Basis zur ersten Fassung der VDE 170 bdquoLeitsaumltze fuumlr die Ausfuumlhrung von Schlagwetter-Schutzvorrichtun-gen an elektrischen Maschinen Transformatoren und Apparatenldquo welche 1912 erschien Damit exis-tierte erstmals ein Regelwerk mit verpflichtenden Schutzmaszlignahmen zur Vermeidung der Entzuumln-dung von Schlagwettern unter Tage durch elektri-sche Maschinen und einer Pruumlfpflicht elektrischer Maschinen fuumlr den Einsatz unter Tage

Die industrielle Revolution fuumlhrte jedoch auch auszligerhalb des Bergbaus zu Veraumlnderungen des Arbeitswesens Eine Vielzahl von Menschen arbeitete jetzt nicht mehr in der Landwirtschaft sondern in der Industrie Diese industrielle Arbeit

unter Zuhilfenahme von Maschinen bedingte ein bisher nicht gekanntes Risiko hinsichtlich Invalidi-taumlt durch Unfall oder Berufskrankheit Aus diesem Grund wurde mit der Verkuumlndung des Unfallver-sicherungsgesetzes 1884 praktisch jeder Arbeiter mit einem Jahresarbeitsverdienst von nicht mehr als 2000 Mark kraft dieses Gesetzes gegen Unfall versichert Hierfuumlr wurden Berufsgenossenschaf-ten (BG) gegruumlndet welche ermaumlchtigt waren Unfallverhuumltungsvorschriften (UVV) zu erlassen und deren Einhaltung durch Beauftragte kontrol-lieren zu lassen Bereits 1885 nahmen 57 Berufsge-nossenschaften ihre Arbeit auf und erlieszligen 1886 die ersten Unfallverhuumltungsvorschriften

Etwa um die gleiche Zeit traten die ersten Fragen bezuumlglich des Arbeitsschutzes von Seiten der Reichsregierung und des Kriegsministeriums auf Mangels anderer verfuumlgbarer Behoumlrden wurde die 1889 gegruumlndete Zentralversuchsstelle fuumlr Explo-sivstoffe welche ab 1896 Versuchsstelle fuumlr Spreng-stoffe und ab 1897 Militaumlrversuchsamt genannt wurde mit diesen Fragen betraut Der Ausbruch des ersten Weltkriegs beendete diese Entwicklung und fuumlhrte zu einem Neuanfang 1920 Um den Behoumlrden der Reichsregierung auch weiterhin eine beratende Stelle auf dem Gebiet der Sicherheits-technik zu geben wurden Teile des ehemaligen Militaumlrversuchsamts auf den unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) umgetauft Dabei sollte der Arbeitsplan der CTR das bisherige Randgebiet bdquoSicherheitstechnik und Arbeitsschutzldquo als neues Hauptgebiet umfas-sen Und wie schon geschildert sind nach dem zweiten Weltkrieg die Aufgaben an BAM und PTB uumlbergegangen

Da das Ereignis der ersten oumlffentlichen Vor-stellung der Davy-Lampe 200 Jahre zuruumlcklag entschloss sich die PTB dazu diesen Anlass im Rahmen eines Festkolloquiums zu wuumlrdigen Und weil die PTB als das nationale Metrologieinstitut Deutschlands auch sonst alles immer sehr genau nimmt fand dieses Kolloquium natuumlrlich genau 200 Jahre spaumlter am 9 November 2015 statt Im Rahmen des Kolloquiums wurde berichtet uumlber die Verhinderung von Explosionen im Bergbau die Entstehung und Entwicklung der Berufsge-nossenschaften und uumlber den Arbeitsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) sowie natuumlrlich uumlber die Geschichte und Aufga-ben von BAM und PTB im Bereich der Sicher-heitstechnik Und diese ganzen 200 Jahre sind nun in dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen zusammengefasst

Bild1Davy Lampe um 1820 (im Besitz der Royal Society London)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Die Verhinderung von Explosionen im Bergbau einst und jetzt

Michael Wittler

Einleitung

Anlass des PTB-Festkolloquiums bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 war die Vorstellung einer durch den englischen Chemiker Sir Humphry Davy entwickelten Sicherheitslampe Sicherheitslampen sollen Schlagwetter das sind Grubengas(Methan)-Luft-Gemische nicht entzuumln-den Damit kann die Einfuumlhrung dieser sogenann-ten Davy-Lampe im Jahre 1815 sicherlich als eine Geburtsstunde des Explosionsschutzes angesehen werden Allerdings sind jedoch auch schon fruumlhere Versuche mit Sicherheitslampen anderer Bauweise bekannt und in den nachfolgenden Jahrzehnten wurden noch wesentliche Verbesserungen an Sicherheitslampen eingefuumlhrt Die Davy-Lampe war aber in der Tat die erste in Ansaumltzen funktio-nierende Sicherheitslampe

Neben der Sicherheitslampe gab es viele weitere Entwicklungen und Maszlignahmen die den Schlag-wetterschutz auf das heute ndash zumindest in west-lichen Bergwerken ndash erreichte Niveau gebracht haben In diesem Beitrag wird versucht einen Abriss wesentlicher Schritte in der Entwicklung des Schlagwetterschutzes darzulegen Hierbei werden viele Sachverhalte mit Hauptaugenmerk auf den Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet dar-gestellt wobei eine parallele Entwicklung in allen westlichen Laumlndern in denen Steinkohlenbergbau betrieben wird bzw wurde zu verzeichnen ist Diese parallele Entwicklung ist nicht zufaumlllig da es bereits fruumlh und uumlber viele Jahrzehnte einen regen internationalen Austausch sowohl auf wissen-schaftlicher Ebene als auch zwischen den ab den 80er-Jahren des 19 Jahrhunderts gegruumlndeten Ver-suchsstrecken gegeben hat Im Ruhrgebiet damals eine bedeutende Bergbauregion und Teil Preuszligens wurde 1894 die bdquoBerggewerkschaftliche Versuchs-streckeldquo gegruumlndet Die zum 75-jaumlhrigen Jubilaumlum im Jahre 1969 herausgegebene Festschrift [1] war bei der Erstellung dieses Beitrags eine hilfreiche Informationsquelle

Viele Fortschritte zur Verbesserung des Schlag-wetterschutzes wurden in den ersten drei Jahr-zehnten des vorherigen Jahrhunderts erzielt Mit Blickrichtung auf den elektrischen Explosions-

schutz sind die Konstruktionsvorgaben nach-folgend auf den uumlbertaumlgigen Explosionsschutz uumlbertragen worden Es kann deshalb an dieser Stelle bereits ausgesagt werden dass die meisten der heute bekannten Zuumlndschutzarten von elekt-rischen Betriebsmitteln auf Untersuchungen und Vorgaben aus dem Bergbau beruhen

Explosionsungluumlcke im Bergbau

In der zweiten Haumllfte des 19 Jahrhunderts war der Steinkohlenbergbau in allen westlichen Laumlndern stark expandiert Leider fand sich diese Entwicklung auch in der angestiegenen Zahl der Explosionsereignisse und der dabei verungluumlckten Bergleute wieder Verdeutlicht wird dies durch eine Statistik der Kohlefoumlrderung der Anzahl der Explosionen und der Zahl der damit verbun-denen Todesopfer im Bezirk des Oberbergamts Dortmund (zustaumlndig fuumlr das gesamte Ruhrge-biet) in den Jahren 1861 bis 1968 siehe Bild 1 Auch in juumlngerer Vergangenheit musste man noch uumlber tragische Explosionsungluumlcke im deutschen Bergbau berichten z B 1976 in Hamm (3 Tote) 1979 in Dortmund (7 Tote) 1986 in Quierschied (7 Tote) 1988 Grube Stolzenbach (51 Tote) und 1992 in Bergkamen (7 Tote)

Dr Michael Wittler Fachstelle fuumlr Sicherheit elektri-scher Betriebsmittel ndash BVS DEKRA EXAM GmbH

Bild 1 Schlagwetter- und Kohlenstaub-Explosionen im Ruhrgebiet in den Jahren 1861 bis 1968 [1]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

In den 80er-Jahren des 19 Jahrhundert hatte die Anzahl der Explosionsungluumlcke einen traurigen Houmlchststand erreicht Dieser Umstand wird dras-tisch in einem Vortrag von Werner von Siemens verdeutlicht der am 25 Mai 1880 im elektrotech-nischen Verein gehalten wurde [2] Folgender Auszug sei hier wiederholt

bdquoLeider hat aber die Erfahrung des letzten halben Jahrhunderts gezeigt dass sie nicht ausreichen denn wenn sie ausreichten wuumlrden wir nicht fortlaufend noch so viel Explosionen haben und die haumlufigen Ungluumlcksfaumllle durch moumlrderische schlagende Wetter die ich muss sagen zur Schmach der Wissenschaft und Technik noch uumlberall in der Welt so haumlufig vor-kommen wuumlrden ausbleiben oder doch wenigstens nur selten eintreten Es vergeht aber fast kein Monat wo nicht eine solche verderbliche Explosion durch die oumlffentlichen Blaumltter gemeldet wird Es zeigt sich unwi-derleglich dass die bisherigen Mittel nicht ausreichen und dass auch noch nach anderen gesucht werden mussldquo ( gemeint sind Davy-Lampen)

Diese verheerende Entwicklung in allen westli-chen kohlefoumlrdernden Laumlndern hat zur Einsetzung von sogenannten bdquoSchlagwettercommissionenldquo gefuumlhrt z B 1877 in Frankreich 1879 in Belgien und England sowie 1880 in Sachsen Der preuszligi-

sche Staat reagierte 1881 mit der Berufung der bdquoPreuszligischen Schlagwettercommissionldquo unter ihr wurde eine Auswertung der Ursachen von Explo-sionen in den Jahren 1861 bis 1884 erarbeitet Demnach waren von den Explosionen

568 durch Verwendung offenen Geleuchts

274 bei Gebrauch der Sicherheitslampe

148 durch Schieszligarbeit (Sprengarbeit)

verursacht worden Im Abschlussbericht vom 1951885 [3] wurden Grundsaumltze fuumlr den Betrieb von Schlagwettergruben empfohlen Auf dieser Basis wurde nachfolgend die Verwendung offenen Geleuchts durch Bergpolizeiverordnungen ver-boten was erfreulicherweise zu dem deutlichen Ruumlckgang der Explosionsereignisse fuumlhrte wie in Bild 1 erkennbar Zudem wurde empfohlen den Einfluss von Kohlenstaub auf die Explosionsaus-wirkungen zu erforschen die Entwicklung von Sicherheitssprengstoffen weiterzutreiben sowie die Zuumlndgefaumlhrlichkeit der Sicherheitslampe zu untersuchen da auch auf ihren Gebrauch immer noch ein signifikanter Anteil von Explosionen zuruumlckzufuumlhren ist

Entstehung der Versuchsstrecken

Diese zur damaligen Zeit im Vordergrund stehen-den Forschungs- und Untersuchungsziele erfor-derten im Wesentlichen experimentelle Arbeiten fuumlr diese Aufgaben wurden Versuchsstrecken gegruumlndet wie z B in den 1880er-Jahren in Neu-enkirchenSaar Zwickau Maumlhrisch-Ostrau und Segengottes bei Bruumlnn ndash alle mit vergleichbaren Versuchseinrichtungen Kern dieser Einrichtungen war dabei jeweils eine laumlngliche Strecke mit einem Querschnitt der den damaligen untertaumlgigen Strecken entsprach Aufbauend auf den Erfahrun-gen aus dem Betrieb dieser Versuchsstrecken und da einige experimentelle Ergebnisse widerspruumlch-lich diskutiert worden waren wurde 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke (BVS) mit erweiterten Pruumlfmoumlglichkeiten in Gelsenkirchen-Bismark gegruumlndet Der Lageplan aus dem Jahre 1904 ist in Bild 2 dargestellt

Allen Versuchsstrecken war gemeinsam dass sie in unmittelbarer Naumlhe von Bergwerken angeord-net waren die genuumlgend Grubengas freisetzten das ja fuumlr die Versuche benoumltigt wurde In dieser Notwendigkeit lag auch der Grund fuumlr den Umzug der BVS im Jahr 1910 nach Dortmund-Derne In Gelsenkirchen stand nicht mehr die notwendige Menge Grubengas zur Verfuumlgung Am Standort in Dortmund-Derne verblieb die BVS bis Ende 2001 siehe Bild 3 danach fand der Umzug zu der heutigen Adresse in Bochum statt

Nachdem die Versuchsstrecken ihre Arbeit auf-genommen hatten erste Untersuchungsergebnisse

Bild 3 Luftaufnahme der BVS (Dortmund 2001)

Bild 2 Lageplan der BVS im Jahr 1904

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

vorlagen und erste Schritte zur Verbesserung des Schlagwetterschutzes in die Bergwerke einflossen begann auch eine enge internationale Zusammen-arbeit zwischen den Versuchsstrecken Erstmalig trafen sich Vertreter der Versuchsstrecken auf internationaler Ebene 1912 im Rahmen einer Grubensicherheitskonferenz in Pittsburgh (USA) mit Teilnehmern aus USA England Frankreich Belgien Oumlsterreich und Deutschland Nach den Kriegswirren des 1 Weltkriegs fand die Grubensi-cherheitskonferenz regelmaumlszligig statt so z B 1935 in Dortmund siehe Bild 4

Diese internationale Zusammenarbeit hat sicherlich mit dazu beigetragen dass wesentliche Entwicklungen und Verbesserungen des Schlag-wetterschutzes in allen bergbaubetreibenden westlichen Industrienationen eingefuumlhrt wurden und sich damit die Anzahl der Grubenungluuml-cke in diesen Laumlndern in vergleichbarem Maszlige reduzierte

Erste Schlagwetterschutzmaszlignahmen an elektrischen Motoren und Apparaten

Die Gruumlndungszeit der BVS fiel auch zusammen mit den ersten Ansaumltzen der Elektrifizierung im Bergbau Ab 1897 wurde deshalb auch mit Versu-chen begonnen die Entzuumlndung von Schlagwet-ter- und Kohlenstaubgemischen durch elektrische Geraumlte zu untersuchen Die Versuchseinrichtungen hierfuumlr im Lageplan (Bild 2) oben links eingetra-gen sind in Bild 5 dargestellt

Versuche an kleinen Motoren Apparaten und Lampen in natuumlrlichen Schlagwetter- und Kohlen-staubgemischen zeigten auf dass betriebsmaumlszligige Funken und heiszlige Oberflaumlchen grundsaumltzlich in der Lage sind Schlagwetter zu entzuumlnden [4] Dies galt zu der damaligen Zeit nicht als gesichert und wurde durchaus kontrovers diskutiert

Auf der Basis dieser ersten Ergebnisse begann die Elektroindustrie spezielle Konstruktionen

schlagwettergeschuumltzter Betriebsmittel zu entwi-ckeln Unter Beteiligung der Hersteller Siemens amp Halske Schuckert Union AEG Helios Voigt amp Haeffner wurden auf der BVS in den Jahren 1903 bis 1905 diese Prototypen untersucht [5] Maszliggeblich wurden die Versuche durch den Leiter der Berggewerkschaftlichen Versuchsstrecke Carl Beyling (26071872ndash24111938) betrieben

Neben dem Schutzkonzept Oumllkapselung hatten diese fruumlhen Konstruktionen schwerpunktmaumlszligig zum Ziel den Explosionsdruck in den Motoren und Apparaten zu reduzieren und gleichzeitig eine Zuumlndung des umgebenden explosionsfaumlhigen Gemisches zu verhindern

Die untersuchten Schlagwetterschutz-Konzepte untergliederten sich in Ansaumltze die Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung Labyrinth-Kapselung Rohrschutz-Kapselung Flanschenschutz-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung genannt wurden Als besonders geeignet wurden im

Bild 5 Schnittbild und Foto (1904) der Versuchseinrichtung fuumlr elektrische Geraumlte [6]

Bild 4 Versuchsstreckenkonferenz Dortmund 1935 Teilnehmer USA England Frank-reich Belgien Polen Deutschland

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Anschluss an die Untersuchungen insbesondere fuumlr Motoren ndash damals eine der Hauptanwendun-gen von Elektrizitaumlt im Bergbau ndash die Konzepte

Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung erachtet

Eine erste konkrete Umsetzung der Maszlignah-men fand sich in einem schlagwettergeschuumltzten Drehstrom-Motor wieder der ab 1905 auf mehre-ren Bergwerken eingesetzt wurde siehe Bild 6

Nachfolgend wurden viele weitere elektrische Geraumlte mit Schlagwetterschutzmaszlignahmen ent-wickelt wie im Archiv der BVS nachzuschauen ist Beispielhaft werden in Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen eines Schaltkas-tens sowie einer Gluumlhlicht-Armatur aus dem Jahre 1912 gezeigt

Viele der damals erarbeiteten Grundlagen sind anschlieszligend in die VDE-Normung eingeflos-sen und spaumlter in die Zuumlndschutzart Druckfeste Kapselung uumlberfuumlhrt worden 1911 wurden erstmalig die bdquoVorschriften fuumlr schlagwetter-geschuumltzte elektrische Betriebsmittelldquo in der VDE 0170 veroumlffentlicht Diese Norm die 1943 um die Explosionsschutzvorschriften auszligerhalb des Bergbaus zur VDE 0170171 erweitert wurde hat den Kennbuchstaben bdquodldquo zur Kennzeichnung der druckfesten Kapselung eingefuumlhrt Diese Zuumlndschutzart erfaumlhrt seit Jahrzehnten bis heute weltweit eine hohe Akzeptanz die Kennzeichnung bdquoEx dldquo unterstreicht den deutschen Ursprung

Entstehung der Eigensicherheit

Auch die Zuumlndschutzart Eigensicherheit die neben der druckfesten Kapselung weltweit sehr hohe Bedeutung erlangt hat hat ihren Ursprung in einer Bergbauanwendung Eine elektrische Signalisierungsanlage wurde als wahrscheinliche Ursache fuumlr ein schweres Grubenungluumlck in Wales im Jahre 1913 mit 439 Toten angesehen Der anschlieszligende Untersuchungsbericht [7] fuumlhrte zu ersten Vorgaben im UK-Bergbau aus denen die fruumlhen Grundlagen der Eigensicherheit entstan-den 1936 wurde eine erste Stromversorgung nach den Prinzipien der Eigensicherheit in England zertifiziert und 1945 entstand mit der British Standard 1259 eine erste Norm in der der Begriff bdquointrinsic safety (IS)ldquo definiert wurde

Im Rahmen von Normungsbestrebungen auf IEC-Ebene zur Eigensicherheit in den 1960er- Jahren wurden verschiedene Pruumlfeinrichtungen zur experimentellen Uumlberpruumlfung der Zuumlndfaumlhig-keit von Funken vergleichenden Versuchen unter-zogen bdquoTestsiegerldquo hierbei wurde das urspruumlng-lich auf Vorschlaumlgen eines Siemens-Mitarbeiters [8] und auf der BVS erstmalig erprobte Funken-pruumlfgeraumlt das als IEC-genormte Einrichtung noch heute verwendet wird siehe Bild 8

Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen (1912)

Bild 6 Schlagwettergeschuumltzter Motor (500 V 30 PS 970 Umin) mit einer Kombination aus geschlossener Kapselung und Plattenschutz-Kapselung

Bild 8 Funkenpruumlfgeraumlt

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Geschichte der Grubenbeleuchtung

Wie bereits ausgefuumlhrt war ein wichtiger Schritt zur Erreichung einer houmlheren Sicherheit die Einfuumlhrung der Sicherheitslampe der Bauart nach Davy Wichtig war dieser Schritt da die Beleuch-tung unter Tage zu allen Zeiten unverzichtbar war In der Fruumlhzeit des Bergbaus wurde mit offenen Flammen von Kerzen Fackeln oder Oumlllampen beleuchtet Erste Bestrebungen ein schlagwet-tersicheres Geleucht zu erschaffen fuumlhrten im 18 Jahrhundert zu Versuchen mit phosphoreszie-renden Substanzen oder mit einer schleifenden Stahlscheibe uumlber einem Feuerstein scheiterten jedoch an zu geringer Leuchtkraft Erst Anfang des 19 Jahrhunderts wurde versucht Lampen mit Flamme schlagwettersicher aufzubauen Nach einigen Vorlaumlufern galt die Bauart nach Davy als erste Sicherheitslampe Da die Flamme bei dieser Lampe direkt von einem Drahtkorb umgeben ist war die Lichtausbeute gering Auch die Schlag-wettersicherheit war nur begrenzt da die Flamme zum Durchblasen bei houmlheren Wettergeschwin-digkeiten (Stroumlmungsgeschwindigkeit der Luft) neigte Die Lichtausbeute wurde erst besser nachdem die Leuchten um einen Glaszylinder erweitert wurden Die Entwicklung der Gruben-lampen bis hin zu den ersten elektrischen Lampen ist in Bild 9 dargestellt

Da immer wieder Schlagwetter-Explosionen auf die Verwendung von Sicherheitslampen zuruumlck-gefuumlhrt wurden sind in verschiedenen Laumlndern Versuche unternommen worden die Sicherheit dieser Lampen zu verbessern Neben dem Durch-blasen der Flamme wurde auch das Betaumltigen der Zuumlndeinrichtung als Zuumlndursache identifiziert

Auch auf der BVS wurden ab Ende des 19 Jahr-hunderts grundlegende Versuche zur Verbesse-rung der Schlagwettersicherheit durchgefuumlhrt Hieraus resultierte die Empfehlung verbesserte Zuumlndeinrichtungen sowie doppelte Drahtkoumlrbe zu verwenden 1911 wurde die Verwendung von Doppelkoumlrben im Ruhrbergbau durch das Lan-desoberbergamt Dortmund vorgeschrieben

Nach dem ersten Weltkrieg kamen zunehmend elektrische Lampen zum Einsatz die nachfolgend schnell Verbreitung fanden 1924 waren bereits ca 400000 elektrische Grubenlampen in Deutsch-land in Gebrauch ab 1926 sind sie vorgeschrieben

Detektion von Schlagwettern

Nachdem fuumlr Beleuchtungszwecke Grubenlam-pen mit Flamme durch elektrische ersetzt worden waren blieben Wetterlampen zur Detektion des Grubengasgehalts mangels anderer brauchba-rer Messmittel noch lange im Einsatz Bis in die 1960er-Jahre wurden Wetterlampen mit Flamme im deutschen Bergbau verwendet Anhand der

Verfaumlrbung des Mantels der Flamme konnte der Bergmann den Grubengasanteil in der Umgebung ermitteln siehe Bild 10

Erste Vorschlaumlge fuumlr flammenlose Schlagwet-teranzeiger datieren aus dem Beginn des 20 Jahr-hunderts Aus heutiger Sicht ist es interessant dass Ideen auch durch Preisausschreiben gesucht wurden z B 1912 vom Verein fuumlr bergbauli-che Interessen im Oberbergamtsbezirk Dort-mund und 1920 vom Preuszligischen Ministerium fuumlr Handel und Gewerbe zusammen mit dem Reichskohlenrat

Als geeignetes Messprinzip wurde fruumlh die Oxi-dation von Methan an einem vorgeheizten kataly-tisch behandelten Widerstandsdraht erkannt ndash ein Messprinzip dass bis heute bei handgefuumlhrten Gaswarngeraumlten uumlberwiegt Eine fruumlhe Realisie-rung nach diesem Prinzip war die Geraumltereihe bdquoWetterlichtldquo bei diesen Geraumlten wurde die Farbveraumlnderung eines behandelten Platindrahts bei zunehmendem Methangehalt im Vergleich zu einem ebenfalls gluumlhenden Hilfsdraht visuell

Bild 9 Schlagwettergeschuumltzte Grubenlampen Bauart Davy Sicherheitslampe mit Glas-kolben Wetterlampe fruumlhe elektrische Grubenlampe (von links nach rechts)

Bild 10 Ermittlung des Methangehalts mit der Wetterlampe [9]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

durch den Bergmann ausgewertet Solche Geraumlte waren im deutschen Bergbau bis in die 1940er-Jahre im Einsatz

Ein erstes brauchbares Bruumlckenmessgeraumlt wurde Ende der 1930er-Jahre in den USA entwickelt aufgrund des hohen Gewichts durch die Roumlhren-elektronik fand der Einsatz keine weite Verbrei-tung Durch das Aufkommen von kleinbauenden elektronischen Bauteilen und auch vorangetrieben durch einen Wettbewerb ausgeschrieben durch die Europaumlische Gemeinschaft fuumlr Kohle und Stahl wurden in der zweiten Haumllfte der 1950er-Jahre ver-schiedene Gaswarngeraumlte entwickelt Durchgesetzt haben sich bis heute ndash bei tragbaren Gaswarngerauml-ten Geraumlte nach dem oben beschriebenen Prinzip (Waumlrmetoumlnung) ndash und bei ortsfesten Anlagen Geraumlte mit Infrarotabsorption

Verhinderung von Kohlenstaub-Explosionen

Wie zu Anfang des Berichts schon angesprochen wurde bereits fruumlh erkannt dass der im Stein-kohlenbergbau immer vorliegende Kohlenstaub maszliggeblich die Auswirkung und Ausdehnung von Explosionen unter Tage beeinflusst Insbe-sondere fuumlr die schweren Grubenungluumlcke waren Kohlenstaub-Explosionen verantwortlich ndash in der Regel ausgeloumlst durch eine Grubengasexplosion Kohlenstaub-Explosionen haben deshalb eine so verheerende Wirkung weil sich die Explosion durch den weit verteilten Kohlenstaub im Gruben-gebaumlude stark ausbreiten kann

Zu Ende des 19 Jahrhunderts wurde mit Unter-suchungen begonnen die Explosionsgefaumlhrlichkeit

von Kohlenstaumluben zu erforschen Schwerpunkt-maumlszligig sollten diese klaumlren wie sich unterschied-liche Kohlenstaumlube bzgl des Ausbreitens einer Explosion verhalten und ob sich der Kohlenstaub direkt durch Sprengarbeiten entzuumlnden kann Urspruumlnglich war man davon ausgegangen dass eine Kohlenstaubexplosion immer nur durch eine vorher entstandene Schlagwetterexplosion ein-geleitet werden kann Diese Annahme hatte auch dazu gefuumlhrt dass man bereits Jahrzehnte vorher begonnen hatte Sprengstoffe zu entwickeln die Schlagwetter und damit auch Kohlenstaumlube nicht zur Entzuumlndung bringen sollten Die Sicherheit dieser sogenannten Sicherheitssprengstoffe wurde immer weiter entwickelt bis zu den heute bekann-ten Wettersprengstoffen in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts

Fuumlr die Untersuchung der Explosionsgefaumlhrlich-keit von Kohlenstaumluben entstanden rohrfoumlrmige Versuchsstrecken Hatte die Einrichtung der BVS aus dem Jahre 1894 noch eine Laumlnge von 34 m mit elliptischem Querschnitt (185 m 135 m) entstanden in der Folge Rohrstrecken bis zu einer Laumlnge von 200 m mit einem Durchmesser von 18 m siehe Bild 11

Bei den Untersuchungen zeichnete sich fruumlh ab dass die Explosionsgefaumlhrlichkeit stark von dem Anteil der fluumlchtigen Bestandteile (Gase) in der Kohle abhaumlngt der bei den Ruhrgebietskoh-len zwischen 7 und 40 lag Wurde die Grenze der Explosionsgefaumlhrlichkeit anfaumlnglich bei 12 bis 14 gesehen wurde dieser Grenzwert in der Folge immer weiter abgesenkt Heute wird in Deutschland die Ungefaumlhrlichkeit einer Kohlen-

Bild 11 Rohrfoumlrmige Strecken zur Untersuchung von Kohlenstaub-Explosionen auf der BVS 34-m-Strecke (1894ndash1910) 200-m-Strecke (ab 1913)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

Explosionsschutz

Elektrizitaumlt

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

37

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

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Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Erscheinungsweise und Bezugspreise Die PTB-Mitteilungen erscheinen viermal jaumlhrlich Das Jahresabonnement kostet 3900 Euro das Einzelheft 1200 Euro jeweils zzgl Versandkosten Bezug uumlber den Buchhandel oder den Verlag Abbestellungen muumlssen spaumltestens drei Monate vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich beim Verlag erfolgen

Alle Rechte vorbehalten Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfaumlltigt oder verbreitet werden Unter dieses Verbot faumlllt insbesondere die gewerbliche Ver-vielfaumlltigung per Kopie die Aufnahme in elektro-nische Datenbanken und die Vervielfaumlltigung auf CD-ROM und in allen anderen elektronischen Datentraumlgern

Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

mitteilungen

Impressum

Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Telefon 0531 592-3006 Fax 0531 592-3008 E-Mail presseptbde wwwptbde

Physikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und BerlinNationales Metrologieinstitut

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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Page 5: 200 Jahre Explosionsschutz

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

gebung uumlber Tage z B eine Glocke ertoumlnte Doch auch dieser dann entstehende Funke war in vielen Faumlllen zuumlndfaumlhig Eigentlich wusste man doch seit Menschengedenken dass starke elektrische Funken in Form eines Gewitterblitzes praktisch alle brennbaren Stoffe entzuumlnden koumlnnen Man begann daher 1884 mit der wissenschaftlichen Untersuchung der Zuumlndgefahren von Schlag-wettern und Kohlestaub durch die Anwendung von Elektrizitaumlt unter Tage und gruumlndete hierzu 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchs-strecke (BVS) auf dem Gelaumlnde der Steinkohlen-zeche Consolidation in Gelsenkirchen-Bismarck Die Erkenntnisse der BVS waren fuumlr den 1893 gegruumlndeten Verband der Elektrotechniker Deutschlands welcher ab 1894 Verband deutscher Elektrotechniker (VDE) genannt wurde die Basis zur ersten Fassung der VDE 170 bdquoLeitsaumltze fuumlr die Ausfuumlhrung von Schlagwetter-Schutzvorrichtun-gen an elektrischen Maschinen Transformatoren und Apparatenldquo welche 1912 erschien Damit exis-tierte erstmals ein Regelwerk mit verpflichtenden Schutzmaszlignahmen zur Vermeidung der Entzuumln-dung von Schlagwettern unter Tage durch elektri-sche Maschinen und einer Pruumlfpflicht elektrischer Maschinen fuumlr den Einsatz unter Tage

Die industrielle Revolution fuumlhrte jedoch auch auszligerhalb des Bergbaus zu Veraumlnderungen des Arbeitswesens Eine Vielzahl von Menschen arbeitete jetzt nicht mehr in der Landwirtschaft sondern in der Industrie Diese industrielle Arbeit

unter Zuhilfenahme von Maschinen bedingte ein bisher nicht gekanntes Risiko hinsichtlich Invalidi-taumlt durch Unfall oder Berufskrankheit Aus diesem Grund wurde mit der Verkuumlndung des Unfallver-sicherungsgesetzes 1884 praktisch jeder Arbeiter mit einem Jahresarbeitsverdienst von nicht mehr als 2000 Mark kraft dieses Gesetzes gegen Unfall versichert Hierfuumlr wurden Berufsgenossenschaf-ten (BG) gegruumlndet welche ermaumlchtigt waren Unfallverhuumltungsvorschriften (UVV) zu erlassen und deren Einhaltung durch Beauftragte kontrol-lieren zu lassen Bereits 1885 nahmen 57 Berufsge-nossenschaften ihre Arbeit auf und erlieszligen 1886 die ersten Unfallverhuumltungsvorschriften

Etwa um die gleiche Zeit traten die ersten Fragen bezuumlglich des Arbeitsschutzes von Seiten der Reichsregierung und des Kriegsministeriums auf Mangels anderer verfuumlgbarer Behoumlrden wurde die 1889 gegruumlndete Zentralversuchsstelle fuumlr Explo-sivstoffe welche ab 1896 Versuchsstelle fuumlr Spreng-stoffe und ab 1897 Militaumlrversuchsamt genannt wurde mit diesen Fragen betraut Der Ausbruch des ersten Weltkriegs beendete diese Entwicklung und fuumlhrte zu einem Neuanfang 1920 Um den Behoumlrden der Reichsregierung auch weiterhin eine beratende Stelle auf dem Gebiet der Sicherheits-technik zu geben wurden Teile des ehemaligen Militaumlrversuchsamts auf den unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) umgetauft Dabei sollte der Arbeitsplan der CTR das bisherige Randgebiet bdquoSicherheitstechnik und Arbeitsschutzldquo als neues Hauptgebiet umfas-sen Und wie schon geschildert sind nach dem zweiten Weltkrieg die Aufgaben an BAM und PTB uumlbergegangen

Da das Ereignis der ersten oumlffentlichen Vor-stellung der Davy-Lampe 200 Jahre zuruumlcklag entschloss sich die PTB dazu diesen Anlass im Rahmen eines Festkolloquiums zu wuumlrdigen Und weil die PTB als das nationale Metrologieinstitut Deutschlands auch sonst alles immer sehr genau nimmt fand dieses Kolloquium natuumlrlich genau 200 Jahre spaumlter am 9 November 2015 statt Im Rahmen des Kolloquiums wurde berichtet uumlber die Verhinderung von Explosionen im Bergbau die Entstehung und Entwicklung der Berufsge-nossenschaften und uumlber den Arbeitsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) sowie natuumlrlich uumlber die Geschichte und Aufga-ben von BAM und PTB im Bereich der Sicher-heitstechnik Und diese ganzen 200 Jahre sind nun in dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen zusammengefasst

Bild1Davy Lampe um 1820 (im Besitz der Royal Society London)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Die Verhinderung von Explosionen im Bergbau einst und jetzt

Michael Wittler

Einleitung

Anlass des PTB-Festkolloquiums bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 war die Vorstellung einer durch den englischen Chemiker Sir Humphry Davy entwickelten Sicherheitslampe Sicherheitslampen sollen Schlagwetter das sind Grubengas(Methan)-Luft-Gemische nicht entzuumln-den Damit kann die Einfuumlhrung dieser sogenann-ten Davy-Lampe im Jahre 1815 sicherlich als eine Geburtsstunde des Explosionsschutzes angesehen werden Allerdings sind jedoch auch schon fruumlhere Versuche mit Sicherheitslampen anderer Bauweise bekannt und in den nachfolgenden Jahrzehnten wurden noch wesentliche Verbesserungen an Sicherheitslampen eingefuumlhrt Die Davy-Lampe war aber in der Tat die erste in Ansaumltzen funktio-nierende Sicherheitslampe

Neben der Sicherheitslampe gab es viele weitere Entwicklungen und Maszlignahmen die den Schlag-wetterschutz auf das heute ndash zumindest in west-lichen Bergwerken ndash erreichte Niveau gebracht haben In diesem Beitrag wird versucht einen Abriss wesentlicher Schritte in der Entwicklung des Schlagwetterschutzes darzulegen Hierbei werden viele Sachverhalte mit Hauptaugenmerk auf den Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet dar-gestellt wobei eine parallele Entwicklung in allen westlichen Laumlndern in denen Steinkohlenbergbau betrieben wird bzw wurde zu verzeichnen ist Diese parallele Entwicklung ist nicht zufaumlllig da es bereits fruumlh und uumlber viele Jahrzehnte einen regen internationalen Austausch sowohl auf wissen-schaftlicher Ebene als auch zwischen den ab den 80er-Jahren des 19 Jahrhunderts gegruumlndeten Ver-suchsstrecken gegeben hat Im Ruhrgebiet damals eine bedeutende Bergbauregion und Teil Preuszligens wurde 1894 die bdquoBerggewerkschaftliche Versuchs-streckeldquo gegruumlndet Die zum 75-jaumlhrigen Jubilaumlum im Jahre 1969 herausgegebene Festschrift [1] war bei der Erstellung dieses Beitrags eine hilfreiche Informationsquelle

Viele Fortschritte zur Verbesserung des Schlag-wetterschutzes wurden in den ersten drei Jahr-zehnten des vorherigen Jahrhunderts erzielt Mit Blickrichtung auf den elektrischen Explosions-

schutz sind die Konstruktionsvorgaben nach-folgend auf den uumlbertaumlgigen Explosionsschutz uumlbertragen worden Es kann deshalb an dieser Stelle bereits ausgesagt werden dass die meisten der heute bekannten Zuumlndschutzarten von elekt-rischen Betriebsmitteln auf Untersuchungen und Vorgaben aus dem Bergbau beruhen

Explosionsungluumlcke im Bergbau

In der zweiten Haumllfte des 19 Jahrhunderts war der Steinkohlenbergbau in allen westlichen Laumlndern stark expandiert Leider fand sich diese Entwicklung auch in der angestiegenen Zahl der Explosionsereignisse und der dabei verungluumlckten Bergleute wieder Verdeutlicht wird dies durch eine Statistik der Kohlefoumlrderung der Anzahl der Explosionen und der Zahl der damit verbun-denen Todesopfer im Bezirk des Oberbergamts Dortmund (zustaumlndig fuumlr das gesamte Ruhrge-biet) in den Jahren 1861 bis 1968 siehe Bild 1 Auch in juumlngerer Vergangenheit musste man noch uumlber tragische Explosionsungluumlcke im deutschen Bergbau berichten z B 1976 in Hamm (3 Tote) 1979 in Dortmund (7 Tote) 1986 in Quierschied (7 Tote) 1988 Grube Stolzenbach (51 Tote) und 1992 in Bergkamen (7 Tote)

Dr Michael Wittler Fachstelle fuumlr Sicherheit elektri-scher Betriebsmittel ndash BVS DEKRA EXAM GmbH

Bild 1 Schlagwetter- und Kohlenstaub-Explosionen im Ruhrgebiet in den Jahren 1861 bis 1968 [1]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

In den 80er-Jahren des 19 Jahrhundert hatte die Anzahl der Explosionsungluumlcke einen traurigen Houmlchststand erreicht Dieser Umstand wird dras-tisch in einem Vortrag von Werner von Siemens verdeutlicht der am 25 Mai 1880 im elektrotech-nischen Verein gehalten wurde [2] Folgender Auszug sei hier wiederholt

bdquoLeider hat aber die Erfahrung des letzten halben Jahrhunderts gezeigt dass sie nicht ausreichen denn wenn sie ausreichten wuumlrden wir nicht fortlaufend noch so viel Explosionen haben und die haumlufigen Ungluumlcksfaumllle durch moumlrderische schlagende Wetter die ich muss sagen zur Schmach der Wissenschaft und Technik noch uumlberall in der Welt so haumlufig vor-kommen wuumlrden ausbleiben oder doch wenigstens nur selten eintreten Es vergeht aber fast kein Monat wo nicht eine solche verderbliche Explosion durch die oumlffentlichen Blaumltter gemeldet wird Es zeigt sich unwi-derleglich dass die bisherigen Mittel nicht ausreichen und dass auch noch nach anderen gesucht werden mussldquo ( gemeint sind Davy-Lampen)

Diese verheerende Entwicklung in allen westli-chen kohlefoumlrdernden Laumlndern hat zur Einsetzung von sogenannten bdquoSchlagwettercommissionenldquo gefuumlhrt z B 1877 in Frankreich 1879 in Belgien und England sowie 1880 in Sachsen Der preuszligi-

sche Staat reagierte 1881 mit der Berufung der bdquoPreuszligischen Schlagwettercommissionldquo unter ihr wurde eine Auswertung der Ursachen von Explo-sionen in den Jahren 1861 bis 1884 erarbeitet Demnach waren von den Explosionen

568 durch Verwendung offenen Geleuchts

274 bei Gebrauch der Sicherheitslampe

148 durch Schieszligarbeit (Sprengarbeit)

verursacht worden Im Abschlussbericht vom 1951885 [3] wurden Grundsaumltze fuumlr den Betrieb von Schlagwettergruben empfohlen Auf dieser Basis wurde nachfolgend die Verwendung offenen Geleuchts durch Bergpolizeiverordnungen ver-boten was erfreulicherweise zu dem deutlichen Ruumlckgang der Explosionsereignisse fuumlhrte wie in Bild 1 erkennbar Zudem wurde empfohlen den Einfluss von Kohlenstaub auf die Explosionsaus-wirkungen zu erforschen die Entwicklung von Sicherheitssprengstoffen weiterzutreiben sowie die Zuumlndgefaumlhrlichkeit der Sicherheitslampe zu untersuchen da auch auf ihren Gebrauch immer noch ein signifikanter Anteil von Explosionen zuruumlckzufuumlhren ist

Entstehung der Versuchsstrecken

Diese zur damaligen Zeit im Vordergrund stehen-den Forschungs- und Untersuchungsziele erfor-derten im Wesentlichen experimentelle Arbeiten fuumlr diese Aufgaben wurden Versuchsstrecken gegruumlndet wie z B in den 1880er-Jahren in Neu-enkirchenSaar Zwickau Maumlhrisch-Ostrau und Segengottes bei Bruumlnn ndash alle mit vergleichbaren Versuchseinrichtungen Kern dieser Einrichtungen war dabei jeweils eine laumlngliche Strecke mit einem Querschnitt der den damaligen untertaumlgigen Strecken entsprach Aufbauend auf den Erfahrun-gen aus dem Betrieb dieser Versuchsstrecken und da einige experimentelle Ergebnisse widerspruumlch-lich diskutiert worden waren wurde 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke (BVS) mit erweiterten Pruumlfmoumlglichkeiten in Gelsenkirchen-Bismark gegruumlndet Der Lageplan aus dem Jahre 1904 ist in Bild 2 dargestellt

Allen Versuchsstrecken war gemeinsam dass sie in unmittelbarer Naumlhe von Bergwerken angeord-net waren die genuumlgend Grubengas freisetzten das ja fuumlr die Versuche benoumltigt wurde In dieser Notwendigkeit lag auch der Grund fuumlr den Umzug der BVS im Jahr 1910 nach Dortmund-Derne In Gelsenkirchen stand nicht mehr die notwendige Menge Grubengas zur Verfuumlgung Am Standort in Dortmund-Derne verblieb die BVS bis Ende 2001 siehe Bild 3 danach fand der Umzug zu der heutigen Adresse in Bochum statt

Nachdem die Versuchsstrecken ihre Arbeit auf-genommen hatten erste Untersuchungsergebnisse

Bild 3 Luftaufnahme der BVS (Dortmund 2001)

Bild 2 Lageplan der BVS im Jahr 1904

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

vorlagen und erste Schritte zur Verbesserung des Schlagwetterschutzes in die Bergwerke einflossen begann auch eine enge internationale Zusammen-arbeit zwischen den Versuchsstrecken Erstmalig trafen sich Vertreter der Versuchsstrecken auf internationaler Ebene 1912 im Rahmen einer Grubensicherheitskonferenz in Pittsburgh (USA) mit Teilnehmern aus USA England Frankreich Belgien Oumlsterreich und Deutschland Nach den Kriegswirren des 1 Weltkriegs fand die Grubensi-cherheitskonferenz regelmaumlszligig statt so z B 1935 in Dortmund siehe Bild 4

Diese internationale Zusammenarbeit hat sicherlich mit dazu beigetragen dass wesentliche Entwicklungen und Verbesserungen des Schlag-wetterschutzes in allen bergbaubetreibenden westlichen Industrienationen eingefuumlhrt wurden und sich damit die Anzahl der Grubenungluuml-cke in diesen Laumlndern in vergleichbarem Maszlige reduzierte

Erste Schlagwetterschutzmaszlignahmen an elektrischen Motoren und Apparaten

Die Gruumlndungszeit der BVS fiel auch zusammen mit den ersten Ansaumltzen der Elektrifizierung im Bergbau Ab 1897 wurde deshalb auch mit Versu-chen begonnen die Entzuumlndung von Schlagwet-ter- und Kohlenstaubgemischen durch elektrische Geraumlte zu untersuchen Die Versuchseinrichtungen hierfuumlr im Lageplan (Bild 2) oben links eingetra-gen sind in Bild 5 dargestellt

Versuche an kleinen Motoren Apparaten und Lampen in natuumlrlichen Schlagwetter- und Kohlen-staubgemischen zeigten auf dass betriebsmaumlszligige Funken und heiszlige Oberflaumlchen grundsaumltzlich in der Lage sind Schlagwetter zu entzuumlnden [4] Dies galt zu der damaligen Zeit nicht als gesichert und wurde durchaus kontrovers diskutiert

Auf der Basis dieser ersten Ergebnisse begann die Elektroindustrie spezielle Konstruktionen

schlagwettergeschuumltzter Betriebsmittel zu entwi-ckeln Unter Beteiligung der Hersteller Siemens amp Halske Schuckert Union AEG Helios Voigt amp Haeffner wurden auf der BVS in den Jahren 1903 bis 1905 diese Prototypen untersucht [5] Maszliggeblich wurden die Versuche durch den Leiter der Berggewerkschaftlichen Versuchsstrecke Carl Beyling (26071872ndash24111938) betrieben

Neben dem Schutzkonzept Oumllkapselung hatten diese fruumlhen Konstruktionen schwerpunktmaumlszligig zum Ziel den Explosionsdruck in den Motoren und Apparaten zu reduzieren und gleichzeitig eine Zuumlndung des umgebenden explosionsfaumlhigen Gemisches zu verhindern

Die untersuchten Schlagwetterschutz-Konzepte untergliederten sich in Ansaumltze die Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung Labyrinth-Kapselung Rohrschutz-Kapselung Flanschenschutz-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung genannt wurden Als besonders geeignet wurden im

Bild 5 Schnittbild und Foto (1904) der Versuchseinrichtung fuumlr elektrische Geraumlte [6]

Bild 4 Versuchsstreckenkonferenz Dortmund 1935 Teilnehmer USA England Frank-reich Belgien Polen Deutschland

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Anschluss an die Untersuchungen insbesondere fuumlr Motoren ndash damals eine der Hauptanwendun-gen von Elektrizitaumlt im Bergbau ndash die Konzepte

Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung erachtet

Eine erste konkrete Umsetzung der Maszlignah-men fand sich in einem schlagwettergeschuumltzten Drehstrom-Motor wieder der ab 1905 auf mehre-ren Bergwerken eingesetzt wurde siehe Bild 6

Nachfolgend wurden viele weitere elektrische Geraumlte mit Schlagwetterschutzmaszlignahmen ent-wickelt wie im Archiv der BVS nachzuschauen ist Beispielhaft werden in Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen eines Schaltkas-tens sowie einer Gluumlhlicht-Armatur aus dem Jahre 1912 gezeigt

Viele der damals erarbeiteten Grundlagen sind anschlieszligend in die VDE-Normung eingeflos-sen und spaumlter in die Zuumlndschutzart Druckfeste Kapselung uumlberfuumlhrt worden 1911 wurden erstmalig die bdquoVorschriften fuumlr schlagwetter-geschuumltzte elektrische Betriebsmittelldquo in der VDE 0170 veroumlffentlicht Diese Norm die 1943 um die Explosionsschutzvorschriften auszligerhalb des Bergbaus zur VDE 0170171 erweitert wurde hat den Kennbuchstaben bdquodldquo zur Kennzeichnung der druckfesten Kapselung eingefuumlhrt Diese Zuumlndschutzart erfaumlhrt seit Jahrzehnten bis heute weltweit eine hohe Akzeptanz die Kennzeichnung bdquoEx dldquo unterstreicht den deutschen Ursprung

Entstehung der Eigensicherheit

Auch die Zuumlndschutzart Eigensicherheit die neben der druckfesten Kapselung weltweit sehr hohe Bedeutung erlangt hat hat ihren Ursprung in einer Bergbauanwendung Eine elektrische Signalisierungsanlage wurde als wahrscheinliche Ursache fuumlr ein schweres Grubenungluumlck in Wales im Jahre 1913 mit 439 Toten angesehen Der anschlieszligende Untersuchungsbericht [7] fuumlhrte zu ersten Vorgaben im UK-Bergbau aus denen die fruumlhen Grundlagen der Eigensicherheit entstan-den 1936 wurde eine erste Stromversorgung nach den Prinzipien der Eigensicherheit in England zertifiziert und 1945 entstand mit der British Standard 1259 eine erste Norm in der der Begriff bdquointrinsic safety (IS)ldquo definiert wurde

Im Rahmen von Normungsbestrebungen auf IEC-Ebene zur Eigensicherheit in den 1960er- Jahren wurden verschiedene Pruumlfeinrichtungen zur experimentellen Uumlberpruumlfung der Zuumlndfaumlhig-keit von Funken vergleichenden Versuchen unter-zogen bdquoTestsiegerldquo hierbei wurde das urspruumlng-lich auf Vorschlaumlgen eines Siemens-Mitarbeiters [8] und auf der BVS erstmalig erprobte Funken-pruumlfgeraumlt das als IEC-genormte Einrichtung noch heute verwendet wird siehe Bild 8

Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen (1912)

Bild 6 Schlagwettergeschuumltzter Motor (500 V 30 PS 970 Umin) mit einer Kombination aus geschlossener Kapselung und Plattenschutz-Kapselung

Bild 8 Funkenpruumlfgeraumlt

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Geschichte der Grubenbeleuchtung

Wie bereits ausgefuumlhrt war ein wichtiger Schritt zur Erreichung einer houmlheren Sicherheit die Einfuumlhrung der Sicherheitslampe der Bauart nach Davy Wichtig war dieser Schritt da die Beleuch-tung unter Tage zu allen Zeiten unverzichtbar war In der Fruumlhzeit des Bergbaus wurde mit offenen Flammen von Kerzen Fackeln oder Oumlllampen beleuchtet Erste Bestrebungen ein schlagwet-tersicheres Geleucht zu erschaffen fuumlhrten im 18 Jahrhundert zu Versuchen mit phosphoreszie-renden Substanzen oder mit einer schleifenden Stahlscheibe uumlber einem Feuerstein scheiterten jedoch an zu geringer Leuchtkraft Erst Anfang des 19 Jahrhunderts wurde versucht Lampen mit Flamme schlagwettersicher aufzubauen Nach einigen Vorlaumlufern galt die Bauart nach Davy als erste Sicherheitslampe Da die Flamme bei dieser Lampe direkt von einem Drahtkorb umgeben ist war die Lichtausbeute gering Auch die Schlag-wettersicherheit war nur begrenzt da die Flamme zum Durchblasen bei houmlheren Wettergeschwin-digkeiten (Stroumlmungsgeschwindigkeit der Luft) neigte Die Lichtausbeute wurde erst besser nachdem die Leuchten um einen Glaszylinder erweitert wurden Die Entwicklung der Gruben-lampen bis hin zu den ersten elektrischen Lampen ist in Bild 9 dargestellt

Da immer wieder Schlagwetter-Explosionen auf die Verwendung von Sicherheitslampen zuruumlck-gefuumlhrt wurden sind in verschiedenen Laumlndern Versuche unternommen worden die Sicherheit dieser Lampen zu verbessern Neben dem Durch-blasen der Flamme wurde auch das Betaumltigen der Zuumlndeinrichtung als Zuumlndursache identifiziert

Auch auf der BVS wurden ab Ende des 19 Jahr-hunderts grundlegende Versuche zur Verbesse-rung der Schlagwettersicherheit durchgefuumlhrt Hieraus resultierte die Empfehlung verbesserte Zuumlndeinrichtungen sowie doppelte Drahtkoumlrbe zu verwenden 1911 wurde die Verwendung von Doppelkoumlrben im Ruhrbergbau durch das Lan-desoberbergamt Dortmund vorgeschrieben

Nach dem ersten Weltkrieg kamen zunehmend elektrische Lampen zum Einsatz die nachfolgend schnell Verbreitung fanden 1924 waren bereits ca 400000 elektrische Grubenlampen in Deutsch-land in Gebrauch ab 1926 sind sie vorgeschrieben

Detektion von Schlagwettern

Nachdem fuumlr Beleuchtungszwecke Grubenlam-pen mit Flamme durch elektrische ersetzt worden waren blieben Wetterlampen zur Detektion des Grubengasgehalts mangels anderer brauchba-rer Messmittel noch lange im Einsatz Bis in die 1960er-Jahre wurden Wetterlampen mit Flamme im deutschen Bergbau verwendet Anhand der

Verfaumlrbung des Mantels der Flamme konnte der Bergmann den Grubengasanteil in der Umgebung ermitteln siehe Bild 10

Erste Vorschlaumlge fuumlr flammenlose Schlagwet-teranzeiger datieren aus dem Beginn des 20 Jahr-hunderts Aus heutiger Sicht ist es interessant dass Ideen auch durch Preisausschreiben gesucht wurden z B 1912 vom Verein fuumlr bergbauli-che Interessen im Oberbergamtsbezirk Dort-mund und 1920 vom Preuszligischen Ministerium fuumlr Handel und Gewerbe zusammen mit dem Reichskohlenrat

Als geeignetes Messprinzip wurde fruumlh die Oxi-dation von Methan an einem vorgeheizten kataly-tisch behandelten Widerstandsdraht erkannt ndash ein Messprinzip dass bis heute bei handgefuumlhrten Gaswarngeraumlten uumlberwiegt Eine fruumlhe Realisie-rung nach diesem Prinzip war die Geraumltereihe bdquoWetterlichtldquo bei diesen Geraumlten wurde die Farbveraumlnderung eines behandelten Platindrahts bei zunehmendem Methangehalt im Vergleich zu einem ebenfalls gluumlhenden Hilfsdraht visuell

Bild 9 Schlagwettergeschuumltzte Grubenlampen Bauart Davy Sicherheitslampe mit Glas-kolben Wetterlampe fruumlhe elektrische Grubenlampe (von links nach rechts)

Bild 10 Ermittlung des Methangehalts mit der Wetterlampe [9]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

durch den Bergmann ausgewertet Solche Geraumlte waren im deutschen Bergbau bis in die 1940er-Jahre im Einsatz

Ein erstes brauchbares Bruumlckenmessgeraumlt wurde Ende der 1930er-Jahre in den USA entwickelt aufgrund des hohen Gewichts durch die Roumlhren-elektronik fand der Einsatz keine weite Verbrei-tung Durch das Aufkommen von kleinbauenden elektronischen Bauteilen und auch vorangetrieben durch einen Wettbewerb ausgeschrieben durch die Europaumlische Gemeinschaft fuumlr Kohle und Stahl wurden in der zweiten Haumllfte der 1950er-Jahre ver-schiedene Gaswarngeraumlte entwickelt Durchgesetzt haben sich bis heute ndash bei tragbaren Gaswarngerauml-ten Geraumlte nach dem oben beschriebenen Prinzip (Waumlrmetoumlnung) ndash und bei ortsfesten Anlagen Geraumlte mit Infrarotabsorption

Verhinderung von Kohlenstaub-Explosionen

Wie zu Anfang des Berichts schon angesprochen wurde bereits fruumlh erkannt dass der im Stein-kohlenbergbau immer vorliegende Kohlenstaub maszliggeblich die Auswirkung und Ausdehnung von Explosionen unter Tage beeinflusst Insbe-sondere fuumlr die schweren Grubenungluumlcke waren Kohlenstaub-Explosionen verantwortlich ndash in der Regel ausgeloumlst durch eine Grubengasexplosion Kohlenstaub-Explosionen haben deshalb eine so verheerende Wirkung weil sich die Explosion durch den weit verteilten Kohlenstaub im Gruben-gebaumlude stark ausbreiten kann

Zu Ende des 19 Jahrhunderts wurde mit Unter-suchungen begonnen die Explosionsgefaumlhrlichkeit

von Kohlenstaumluben zu erforschen Schwerpunkt-maumlszligig sollten diese klaumlren wie sich unterschied-liche Kohlenstaumlube bzgl des Ausbreitens einer Explosion verhalten und ob sich der Kohlenstaub direkt durch Sprengarbeiten entzuumlnden kann Urspruumlnglich war man davon ausgegangen dass eine Kohlenstaubexplosion immer nur durch eine vorher entstandene Schlagwetterexplosion ein-geleitet werden kann Diese Annahme hatte auch dazu gefuumlhrt dass man bereits Jahrzehnte vorher begonnen hatte Sprengstoffe zu entwickeln die Schlagwetter und damit auch Kohlenstaumlube nicht zur Entzuumlndung bringen sollten Die Sicherheit dieser sogenannten Sicherheitssprengstoffe wurde immer weiter entwickelt bis zu den heute bekann-ten Wettersprengstoffen in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts

Fuumlr die Untersuchung der Explosionsgefaumlhrlich-keit von Kohlenstaumluben entstanden rohrfoumlrmige Versuchsstrecken Hatte die Einrichtung der BVS aus dem Jahre 1894 noch eine Laumlnge von 34 m mit elliptischem Querschnitt (185 m 135 m) entstanden in der Folge Rohrstrecken bis zu einer Laumlnge von 200 m mit einem Durchmesser von 18 m siehe Bild 11

Bei den Untersuchungen zeichnete sich fruumlh ab dass die Explosionsgefaumlhrlichkeit stark von dem Anteil der fluumlchtigen Bestandteile (Gase) in der Kohle abhaumlngt der bei den Ruhrgebietskoh-len zwischen 7 und 40 lag Wurde die Grenze der Explosionsgefaumlhrlichkeit anfaumlnglich bei 12 bis 14 gesehen wurde dieser Grenzwert in der Folge immer weiter abgesenkt Heute wird in Deutschland die Ungefaumlhrlichkeit einer Kohlen-

Bild 11 Rohrfoumlrmige Strecken zur Untersuchung von Kohlenstaub-Explosionen auf der BVS 34-m-Strecke (1894ndash1910) 200-m-Strecke (ab 1913)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

20

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

27

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

35

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

45

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

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Dosimetrie

Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

Zu beziehen uumlber denFachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 BremenTel (04 21) 3 69 03-56 | Fax (04 21) 3 69 03-63 | wwwschuenemann-verlagde

Guan ZengjianKonrad Herrmann

Geschichte derchinesischenMetrologie

euro 3490 [D]inkl Versand

175 x 245 cm | Hardcover424 Seiten | 54 Abbildungen

ISBN 978-3-95606-188-2

Erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der Metrologie im deutschsprachigen Raum

Zahlreiche Illustrationen von alten Messmitteln und Messprinzipien

Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

mitteilungen

Impressum

Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

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Page 6: 200 Jahre Explosionsschutz

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Die Verhinderung von Explosionen im Bergbau einst und jetzt

Michael Wittler

Einleitung

Anlass des PTB-Festkolloquiums bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 war die Vorstellung einer durch den englischen Chemiker Sir Humphry Davy entwickelten Sicherheitslampe Sicherheitslampen sollen Schlagwetter das sind Grubengas(Methan)-Luft-Gemische nicht entzuumln-den Damit kann die Einfuumlhrung dieser sogenann-ten Davy-Lampe im Jahre 1815 sicherlich als eine Geburtsstunde des Explosionsschutzes angesehen werden Allerdings sind jedoch auch schon fruumlhere Versuche mit Sicherheitslampen anderer Bauweise bekannt und in den nachfolgenden Jahrzehnten wurden noch wesentliche Verbesserungen an Sicherheitslampen eingefuumlhrt Die Davy-Lampe war aber in der Tat die erste in Ansaumltzen funktio-nierende Sicherheitslampe

Neben der Sicherheitslampe gab es viele weitere Entwicklungen und Maszlignahmen die den Schlag-wetterschutz auf das heute ndash zumindest in west-lichen Bergwerken ndash erreichte Niveau gebracht haben In diesem Beitrag wird versucht einen Abriss wesentlicher Schritte in der Entwicklung des Schlagwetterschutzes darzulegen Hierbei werden viele Sachverhalte mit Hauptaugenmerk auf den Steinkohlenbergbau im Ruhrgebiet dar-gestellt wobei eine parallele Entwicklung in allen westlichen Laumlndern in denen Steinkohlenbergbau betrieben wird bzw wurde zu verzeichnen ist Diese parallele Entwicklung ist nicht zufaumlllig da es bereits fruumlh und uumlber viele Jahrzehnte einen regen internationalen Austausch sowohl auf wissen-schaftlicher Ebene als auch zwischen den ab den 80er-Jahren des 19 Jahrhunderts gegruumlndeten Ver-suchsstrecken gegeben hat Im Ruhrgebiet damals eine bedeutende Bergbauregion und Teil Preuszligens wurde 1894 die bdquoBerggewerkschaftliche Versuchs-streckeldquo gegruumlndet Die zum 75-jaumlhrigen Jubilaumlum im Jahre 1969 herausgegebene Festschrift [1] war bei der Erstellung dieses Beitrags eine hilfreiche Informationsquelle

Viele Fortschritte zur Verbesserung des Schlag-wetterschutzes wurden in den ersten drei Jahr-zehnten des vorherigen Jahrhunderts erzielt Mit Blickrichtung auf den elektrischen Explosions-

schutz sind die Konstruktionsvorgaben nach-folgend auf den uumlbertaumlgigen Explosionsschutz uumlbertragen worden Es kann deshalb an dieser Stelle bereits ausgesagt werden dass die meisten der heute bekannten Zuumlndschutzarten von elekt-rischen Betriebsmitteln auf Untersuchungen und Vorgaben aus dem Bergbau beruhen

Explosionsungluumlcke im Bergbau

In der zweiten Haumllfte des 19 Jahrhunderts war der Steinkohlenbergbau in allen westlichen Laumlndern stark expandiert Leider fand sich diese Entwicklung auch in der angestiegenen Zahl der Explosionsereignisse und der dabei verungluumlckten Bergleute wieder Verdeutlicht wird dies durch eine Statistik der Kohlefoumlrderung der Anzahl der Explosionen und der Zahl der damit verbun-denen Todesopfer im Bezirk des Oberbergamts Dortmund (zustaumlndig fuumlr das gesamte Ruhrge-biet) in den Jahren 1861 bis 1968 siehe Bild 1 Auch in juumlngerer Vergangenheit musste man noch uumlber tragische Explosionsungluumlcke im deutschen Bergbau berichten z B 1976 in Hamm (3 Tote) 1979 in Dortmund (7 Tote) 1986 in Quierschied (7 Tote) 1988 Grube Stolzenbach (51 Tote) und 1992 in Bergkamen (7 Tote)

Dr Michael Wittler Fachstelle fuumlr Sicherheit elektri-scher Betriebsmittel ndash BVS DEKRA EXAM GmbH

Bild 1 Schlagwetter- und Kohlenstaub-Explosionen im Ruhrgebiet in den Jahren 1861 bis 1968 [1]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

In den 80er-Jahren des 19 Jahrhundert hatte die Anzahl der Explosionsungluumlcke einen traurigen Houmlchststand erreicht Dieser Umstand wird dras-tisch in einem Vortrag von Werner von Siemens verdeutlicht der am 25 Mai 1880 im elektrotech-nischen Verein gehalten wurde [2] Folgender Auszug sei hier wiederholt

bdquoLeider hat aber die Erfahrung des letzten halben Jahrhunderts gezeigt dass sie nicht ausreichen denn wenn sie ausreichten wuumlrden wir nicht fortlaufend noch so viel Explosionen haben und die haumlufigen Ungluumlcksfaumllle durch moumlrderische schlagende Wetter die ich muss sagen zur Schmach der Wissenschaft und Technik noch uumlberall in der Welt so haumlufig vor-kommen wuumlrden ausbleiben oder doch wenigstens nur selten eintreten Es vergeht aber fast kein Monat wo nicht eine solche verderbliche Explosion durch die oumlffentlichen Blaumltter gemeldet wird Es zeigt sich unwi-derleglich dass die bisherigen Mittel nicht ausreichen und dass auch noch nach anderen gesucht werden mussldquo ( gemeint sind Davy-Lampen)

Diese verheerende Entwicklung in allen westli-chen kohlefoumlrdernden Laumlndern hat zur Einsetzung von sogenannten bdquoSchlagwettercommissionenldquo gefuumlhrt z B 1877 in Frankreich 1879 in Belgien und England sowie 1880 in Sachsen Der preuszligi-

sche Staat reagierte 1881 mit der Berufung der bdquoPreuszligischen Schlagwettercommissionldquo unter ihr wurde eine Auswertung der Ursachen von Explo-sionen in den Jahren 1861 bis 1884 erarbeitet Demnach waren von den Explosionen

568 durch Verwendung offenen Geleuchts

274 bei Gebrauch der Sicherheitslampe

148 durch Schieszligarbeit (Sprengarbeit)

verursacht worden Im Abschlussbericht vom 1951885 [3] wurden Grundsaumltze fuumlr den Betrieb von Schlagwettergruben empfohlen Auf dieser Basis wurde nachfolgend die Verwendung offenen Geleuchts durch Bergpolizeiverordnungen ver-boten was erfreulicherweise zu dem deutlichen Ruumlckgang der Explosionsereignisse fuumlhrte wie in Bild 1 erkennbar Zudem wurde empfohlen den Einfluss von Kohlenstaub auf die Explosionsaus-wirkungen zu erforschen die Entwicklung von Sicherheitssprengstoffen weiterzutreiben sowie die Zuumlndgefaumlhrlichkeit der Sicherheitslampe zu untersuchen da auch auf ihren Gebrauch immer noch ein signifikanter Anteil von Explosionen zuruumlckzufuumlhren ist

Entstehung der Versuchsstrecken

Diese zur damaligen Zeit im Vordergrund stehen-den Forschungs- und Untersuchungsziele erfor-derten im Wesentlichen experimentelle Arbeiten fuumlr diese Aufgaben wurden Versuchsstrecken gegruumlndet wie z B in den 1880er-Jahren in Neu-enkirchenSaar Zwickau Maumlhrisch-Ostrau und Segengottes bei Bruumlnn ndash alle mit vergleichbaren Versuchseinrichtungen Kern dieser Einrichtungen war dabei jeweils eine laumlngliche Strecke mit einem Querschnitt der den damaligen untertaumlgigen Strecken entsprach Aufbauend auf den Erfahrun-gen aus dem Betrieb dieser Versuchsstrecken und da einige experimentelle Ergebnisse widerspruumlch-lich diskutiert worden waren wurde 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke (BVS) mit erweiterten Pruumlfmoumlglichkeiten in Gelsenkirchen-Bismark gegruumlndet Der Lageplan aus dem Jahre 1904 ist in Bild 2 dargestellt

Allen Versuchsstrecken war gemeinsam dass sie in unmittelbarer Naumlhe von Bergwerken angeord-net waren die genuumlgend Grubengas freisetzten das ja fuumlr die Versuche benoumltigt wurde In dieser Notwendigkeit lag auch der Grund fuumlr den Umzug der BVS im Jahr 1910 nach Dortmund-Derne In Gelsenkirchen stand nicht mehr die notwendige Menge Grubengas zur Verfuumlgung Am Standort in Dortmund-Derne verblieb die BVS bis Ende 2001 siehe Bild 3 danach fand der Umzug zu der heutigen Adresse in Bochum statt

Nachdem die Versuchsstrecken ihre Arbeit auf-genommen hatten erste Untersuchungsergebnisse

Bild 3 Luftaufnahme der BVS (Dortmund 2001)

Bild 2 Lageplan der BVS im Jahr 1904

7

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

vorlagen und erste Schritte zur Verbesserung des Schlagwetterschutzes in die Bergwerke einflossen begann auch eine enge internationale Zusammen-arbeit zwischen den Versuchsstrecken Erstmalig trafen sich Vertreter der Versuchsstrecken auf internationaler Ebene 1912 im Rahmen einer Grubensicherheitskonferenz in Pittsburgh (USA) mit Teilnehmern aus USA England Frankreich Belgien Oumlsterreich und Deutschland Nach den Kriegswirren des 1 Weltkriegs fand die Grubensi-cherheitskonferenz regelmaumlszligig statt so z B 1935 in Dortmund siehe Bild 4

Diese internationale Zusammenarbeit hat sicherlich mit dazu beigetragen dass wesentliche Entwicklungen und Verbesserungen des Schlag-wetterschutzes in allen bergbaubetreibenden westlichen Industrienationen eingefuumlhrt wurden und sich damit die Anzahl der Grubenungluuml-cke in diesen Laumlndern in vergleichbarem Maszlige reduzierte

Erste Schlagwetterschutzmaszlignahmen an elektrischen Motoren und Apparaten

Die Gruumlndungszeit der BVS fiel auch zusammen mit den ersten Ansaumltzen der Elektrifizierung im Bergbau Ab 1897 wurde deshalb auch mit Versu-chen begonnen die Entzuumlndung von Schlagwet-ter- und Kohlenstaubgemischen durch elektrische Geraumlte zu untersuchen Die Versuchseinrichtungen hierfuumlr im Lageplan (Bild 2) oben links eingetra-gen sind in Bild 5 dargestellt

Versuche an kleinen Motoren Apparaten und Lampen in natuumlrlichen Schlagwetter- und Kohlen-staubgemischen zeigten auf dass betriebsmaumlszligige Funken und heiszlige Oberflaumlchen grundsaumltzlich in der Lage sind Schlagwetter zu entzuumlnden [4] Dies galt zu der damaligen Zeit nicht als gesichert und wurde durchaus kontrovers diskutiert

Auf der Basis dieser ersten Ergebnisse begann die Elektroindustrie spezielle Konstruktionen

schlagwettergeschuumltzter Betriebsmittel zu entwi-ckeln Unter Beteiligung der Hersteller Siemens amp Halske Schuckert Union AEG Helios Voigt amp Haeffner wurden auf der BVS in den Jahren 1903 bis 1905 diese Prototypen untersucht [5] Maszliggeblich wurden die Versuche durch den Leiter der Berggewerkschaftlichen Versuchsstrecke Carl Beyling (26071872ndash24111938) betrieben

Neben dem Schutzkonzept Oumllkapselung hatten diese fruumlhen Konstruktionen schwerpunktmaumlszligig zum Ziel den Explosionsdruck in den Motoren und Apparaten zu reduzieren und gleichzeitig eine Zuumlndung des umgebenden explosionsfaumlhigen Gemisches zu verhindern

Die untersuchten Schlagwetterschutz-Konzepte untergliederten sich in Ansaumltze die Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung Labyrinth-Kapselung Rohrschutz-Kapselung Flanschenschutz-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung genannt wurden Als besonders geeignet wurden im

Bild 5 Schnittbild und Foto (1904) der Versuchseinrichtung fuumlr elektrische Geraumlte [6]

Bild 4 Versuchsstreckenkonferenz Dortmund 1935 Teilnehmer USA England Frank-reich Belgien Polen Deutschland

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Anschluss an die Untersuchungen insbesondere fuumlr Motoren ndash damals eine der Hauptanwendun-gen von Elektrizitaumlt im Bergbau ndash die Konzepte

Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung erachtet

Eine erste konkrete Umsetzung der Maszlignah-men fand sich in einem schlagwettergeschuumltzten Drehstrom-Motor wieder der ab 1905 auf mehre-ren Bergwerken eingesetzt wurde siehe Bild 6

Nachfolgend wurden viele weitere elektrische Geraumlte mit Schlagwetterschutzmaszlignahmen ent-wickelt wie im Archiv der BVS nachzuschauen ist Beispielhaft werden in Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen eines Schaltkas-tens sowie einer Gluumlhlicht-Armatur aus dem Jahre 1912 gezeigt

Viele der damals erarbeiteten Grundlagen sind anschlieszligend in die VDE-Normung eingeflos-sen und spaumlter in die Zuumlndschutzart Druckfeste Kapselung uumlberfuumlhrt worden 1911 wurden erstmalig die bdquoVorschriften fuumlr schlagwetter-geschuumltzte elektrische Betriebsmittelldquo in der VDE 0170 veroumlffentlicht Diese Norm die 1943 um die Explosionsschutzvorschriften auszligerhalb des Bergbaus zur VDE 0170171 erweitert wurde hat den Kennbuchstaben bdquodldquo zur Kennzeichnung der druckfesten Kapselung eingefuumlhrt Diese Zuumlndschutzart erfaumlhrt seit Jahrzehnten bis heute weltweit eine hohe Akzeptanz die Kennzeichnung bdquoEx dldquo unterstreicht den deutschen Ursprung

Entstehung der Eigensicherheit

Auch die Zuumlndschutzart Eigensicherheit die neben der druckfesten Kapselung weltweit sehr hohe Bedeutung erlangt hat hat ihren Ursprung in einer Bergbauanwendung Eine elektrische Signalisierungsanlage wurde als wahrscheinliche Ursache fuumlr ein schweres Grubenungluumlck in Wales im Jahre 1913 mit 439 Toten angesehen Der anschlieszligende Untersuchungsbericht [7] fuumlhrte zu ersten Vorgaben im UK-Bergbau aus denen die fruumlhen Grundlagen der Eigensicherheit entstan-den 1936 wurde eine erste Stromversorgung nach den Prinzipien der Eigensicherheit in England zertifiziert und 1945 entstand mit der British Standard 1259 eine erste Norm in der der Begriff bdquointrinsic safety (IS)ldquo definiert wurde

Im Rahmen von Normungsbestrebungen auf IEC-Ebene zur Eigensicherheit in den 1960er- Jahren wurden verschiedene Pruumlfeinrichtungen zur experimentellen Uumlberpruumlfung der Zuumlndfaumlhig-keit von Funken vergleichenden Versuchen unter-zogen bdquoTestsiegerldquo hierbei wurde das urspruumlng-lich auf Vorschlaumlgen eines Siemens-Mitarbeiters [8] und auf der BVS erstmalig erprobte Funken-pruumlfgeraumlt das als IEC-genormte Einrichtung noch heute verwendet wird siehe Bild 8

Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen (1912)

Bild 6 Schlagwettergeschuumltzter Motor (500 V 30 PS 970 Umin) mit einer Kombination aus geschlossener Kapselung und Plattenschutz-Kapselung

Bild 8 Funkenpruumlfgeraumlt

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Geschichte der Grubenbeleuchtung

Wie bereits ausgefuumlhrt war ein wichtiger Schritt zur Erreichung einer houmlheren Sicherheit die Einfuumlhrung der Sicherheitslampe der Bauart nach Davy Wichtig war dieser Schritt da die Beleuch-tung unter Tage zu allen Zeiten unverzichtbar war In der Fruumlhzeit des Bergbaus wurde mit offenen Flammen von Kerzen Fackeln oder Oumlllampen beleuchtet Erste Bestrebungen ein schlagwet-tersicheres Geleucht zu erschaffen fuumlhrten im 18 Jahrhundert zu Versuchen mit phosphoreszie-renden Substanzen oder mit einer schleifenden Stahlscheibe uumlber einem Feuerstein scheiterten jedoch an zu geringer Leuchtkraft Erst Anfang des 19 Jahrhunderts wurde versucht Lampen mit Flamme schlagwettersicher aufzubauen Nach einigen Vorlaumlufern galt die Bauart nach Davy als erste Sicherheitslampe Da die Flamme bei dieser Lampe direkt von einem Drahtkorb umgeben ist war die Lichtausbeute gering Auch die Schlag-wettersicherheit war nur begrenzt da die Flamme zum Durchblasen bei houmlheren Wettergeschwin-digkeiten (Stroumlmungsgeschwindigkeit der Luft) neigte Die Lichtausbeute wurde erst besser nachdem die Leuchten um einen Glaszylinder erweitert wurden Die Entwicklung der Gruben-lampen bis hin zu den ersten elektrischen Lampen ist in Bild 9 dargestellt

Da immer wieder Schlagwetter-Explosionen auf die Verwendung von Sicherheitslampen zuruumlck-gefuumlhrt wurden sind in verschiedenen Laumlndern Versuche unternommen worden die Sicherheit dieser Lampen zu verbessern Neben dem Durch-blasen der Flamme wurde auch das Betaumltigen der Zuumlndeinrichtung als Zuumlndursache identifiziert

Auch auf der BVS wurden ab Ende des 19 Jahr-hunderts grundlegende Versuche zur Verbesse-rung der Schlagwettersicherheit durchgefuumlhrt Hieraus resultierte die Empfehlung verbesserte Zuumlndeinrichtungen sowie doppelte Drahtkoumlrbe zu verwenden 1911 wurde die Verwendung von Doppelkoumlrben im Ruhrbergbau durch das Lan-desoberbergamt Dortmund vorgeschrieben

Nach dem ersten Weltkrieg kamen zunehmend elektrische Lampen zum Einsatz die nachfolgend schnell Verbreitung fanden 1924 waren bereits ca 400000 elektrische Grubenlampen in Deutsch-land in Gebrauch ab 1926 sind sie vorgeschrieben

Detektion von Schlagwettern

Nachdem fuumlr Beleuchtungszwecke Grubenlam-pen mit Flamme durch elektrische ersetzt worden waren blieben Wetterlampen zur Detektion des Grubengasgehalts mangels anderer brauchba-rer Messmittel noch lange im Einsatz Bis in die 1960er-Jahre wurden Wetterlampen mit Flamme im deutschen Bergbau verwendet Anhand der

Verfaumlrbung des Mantels der Flamme konnte der Bergmann den Grubengasanteil in der Umgebung ermitteln siehe Bild 10

Erste Vorschlaumlge fuumlr flammenlose Schlagwet-teranzeiger datieren aus dem Beginn des 20 Jahr-hunderts Aus heutiger Sicht ist es interessant dass Ideen auch durch Preisausschreiben gesucht wurden z B 1912 vom Verein fuumlr bergbauli-che Interessen im Oberbergamtsbezirk Dort-mund und 1920 vom Preuszligischen Ministerium fuumlr Handel und Gewerbe zusammen mit dem Reichskohlenrat

Als geeignetes Messprinzip wurde fruumlh die Oxi-dation von Methan an einem vorgeheizten kataly-tisch behandelten Widerstandsdraht erkannt ndash ein Messprinzip dass bis heute bei handgefuumlhrten Gaswarngeraumlten uumlberwiegt Eine fruumlhe Realisie-rung nach diesem Prinzip war die Geraumltereihe bdquoWetterlichtldquo bei diesen Geraumlten wurde die Farbveraumlnderung eines behandelten Platindrahts bei zunehmendem Methangehalt im Vergleich zu einem ebenfalls gluumlhenden Hilfsdraht visuell

Bild 9 Schlagwettergeschuumltzte Grubenlampen Bauart Davy Sicherheitslampe mit Glas-kolben Wetterlampe fruumlhe elektrische Grubenlampe (von links nach rechts)

Bild 10 Ermittlung des Methangehalts mit der Wetterlampe [9]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

durch den Bergmann ausgewertet Solche Geraumlte waren im deutschen Bergbau bis in die 1940er-Jahre im Einsatz

Ein erstes brauchbares Bruumlckenmessgeraumlt wurde Ende der 1930er-Jahre in den USA entwickelt aufgrund des hohen Gewichts durch die Roumlhren-elektronik fand der Einsatz keine weite Verbrei-tung Durch das Aufkommen von kleinbauenden elektronischen Bauteilen und auch vorangetrieben durch einen Wettbewerb ausgeschrieben durch die Europaumlische Gemeinschaft fuumlr Kohle und Stahl wurden in der zweiten Haumllfte der 1950er-Jahre ver-schiedene Gaswarngeraumlte entwickelt Durchgesetzt haben sich bis heute ndash bei tragbaren Gaswarngerauml-ten Geraumlte nach dem oben beschriebenen Prinzip (Waumlrmetoumlnung) ndash und bei ortsfesten Anlagen Geraumlte mit Infrarotabsorption

Verhinderung von Kohlenstaub-Explosionen

Wie zu Anfang des Berichts schon angesprochen wurde bereits fruumlh erkannt dass der im Stein-kohlenbergbau immer vorliegende Kohlenstaub maszliggeblich die Auswirkung und Ausdehnung von Explosionen unter Tage beeinflusst Insbe-sondere fuumlr die schweren Grubenungluumlcke waren Kohlenstaub-Explosionen verantwortlich ndash in der Regel ausgeloumlst durch eine Grubengasexplosion Kohlenstaub-Explosionen haben deshalb eine so verheerende Wirkung weil sich die Explosion durch den weit verteilten Kohlenstaub im Gruben-gebaumlude stark ausbreiten kann

Zu Ende des 19 Jahrhunderts wurde mit Unter-suchungen begonnen die Explosionsgefaumlhrlichkeit

von Kohlenstaumluben zu erforschen Schwerpunkt-maumlszligig sollten diese klaumlren wie sich unterschied-liche Kohlenstaumlube bzgl des Ausbreitens einer Explosion verhalten und ob sich der Kohlenstaub direkt durch Sprengarbeiten entzuumlnden kann Urspruumlnglich war man davon ausgegangen dass eine Kohlenstaubexplosion immer nur durch eine vorher entstandene Schlagwetterexplosion ein-geleitet werden kann Diese Annahme hatte auch dazu gefuumlhrt dass man bereits Jahrzehnte vorher begonnen hatte Sprengstoffe zu entwickeln die Schlagwetter und damit auch Kohlenstaumlube nicht zur Entzuumlndung bringen sollten Die Sicherheit dieser sogenannten Sicherheitssprengstoffe wurde immer weiter entwickelt bis zu den heute bekann-ten Wettersprengstoffen in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts

Fuumlr die Untersuchung der Explosionsgefaumlhrlich-keit von Kohlenstaumluben entstanden rohrfoumlrmige Versuchsstrecken Hatte die Einrichtung der BVS aus dem Jahre 1894 noch eine Laumlnge von 34 m mit elliptischem Querschnitt (185 m 135 m) entstanden in der Folge Rohrstrecken bis zu einer Laumlnge von 200 m mit einem Durchmesser von 18 m siehe Bild 11

Bei den Untersuchungen zeichnete sich fruumlh ab dass die Explosionsgefaumlhrlichkeit stark von dem Anteil der fluumlchtigen Bestandteile (Gase) in der Kohle abhaumlngt der bei den Ruhrgebietskoh-len zwischen 7 und 40 lag Wurde die Grenze der Explosionsgefaumlhrlichkeit anfaumlnglich bei 12 bis 14 gesehen wurde dieser Grenzwert in der Folge immer weiter abgesenkt Heute wird in Deutschland die Ungefaumlhrlichkeit einer Kohlen-

Bild 11 Rohrfoumlrmige Strecken zur Untersuchung von Kohlenstaub-Explosionen auf der BVS 34-m-Strecke (1894ndash1910) 200-m-Strecke (ab 1913)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

20

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

27

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

35

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

45

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

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Dosimetrie

Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

Zu beziehen uumlber denFachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 BremenTel (04 21) 3 69 03-56 | Fax (04 21) 3 69 03-63 | wwwschuenemann-verlagde

Guan ZengjianKonrad Herrmann

Geschichte derchinesischenMetrologie

euro 3490 [D]inkl Versand

175 x 245 cm | Hardcover424 Seiten | 54 Abbildungen

ISBN 978-3-95606-188-2

Erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der Metrologie im deutschsprachigen Raum

Zahlreiche Illustrationen von alten Messmitteln und Messprinzipien

Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

mitteilungen

Impressum

Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

Bundesallee 100 38116 Braunschweig

Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit

Telefon 0531 592-3006 Fax 0531 592-3008 E-Mail presseptbde wwwptbde

Physikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und BerlinNationales Metrologieinstitut

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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Page 7: 200 Jahre Explosionsschutz

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

In den 80er-Jahren des 19 Jahrhundert hatte die Anzahl der Explosionsungluumlcke einen traurigen Houmlchststand erreicht Dieser Umstand wird dras-tisch in einem Vortrag von Werner von Siemens verdeutlicht der am 25 Mai 1880 im elektrotech-nischen Verein gehalten wurde [2] Folgender Auszug sei hier wiederholt

bdquoLeider hat aber die Erfahrung des letzten halben Jahrhunderts gezeigt dass sie nicht ausreichen denn wenn sie ausreichten wuumlrden wir nicht fortlaufend noch so viel Explosionen haben und die haumlufigen Ungluumlcksfaumllle durch moumlrderische schlagende Wetter die ich muss sagen zur Schmach der Wissenschaft und Technik noch uumlberall in der Welt so haumlufig vor-kommen wuumlrden ausbleiben oder doch wenigstens nur selten eintreten Es vergeht aber fast kein Monat wo nicht eine solche verderbliche Explosion durch die oumlffentlichen Blaumltter gemeldet wird Es zeigt sich unwi-derleglich dass die bisherigen Mittel nicht ausreichen und dass auch noch nach anderen gesucht werden mussldquo ( gemeint sind Davy-Lampen)

Diese verheerende Entwicklung in allen westli-chen kohlefoumlrdernden Laumlndern hat zur Einsetzung von sogenannten bdquoSchlagwettercommissionenldquo gefuumlhrt z B 1877 in Frankreich 1879 in Belgien und England sowie 1880 in Sachsen Der preuszligi-

sche Staat reagierte 1881 mit der Berufung der bdquoPreuszligischen Schlagwettercommissionldquo unter ihr wurde eine Auswertung der Ursachen von Explo-sionen in den Jahren 1861 bis 1884 erarbeitet Demnach waren von den Explosionen

568 durch Verwendung offenen Geleuchts

274 bei Gebrauch der Sicherheitslampe

148 durch Schieszligarbeit (Sprengarbeit)

verursacht worden Im Abschlussbericht vom 1951885 [3] wurden Grundsaumltze fuumlr den Betrieb von Schlagwettergruben empfohlen Auf dieser Basis wurde nachfolgend die Verwendung offenen Geleuchts durch Bergpolizeiverordnungen ver-boten was erfreulicherweise zu dem deutlichen Ruumlckgang der Explosionsereignisse fuumlhrte wie in Bild 1 erkennbar Zudem wurde empfohlen den Einfluss von Kohlenstaub auf die Explosionsaus-wirkungen zu erforschen die Entwicklung von Sicherheitssprengstoffen weiterzutreiben sowie die Zuumlndgefaumlhrlichkeit der Sicherheitslampe zu untersuchen da auch auf ihren Gebrauch immer noch ein signifikanter Anteil von Explosionen zuruumlckzufuumlhren ist

Entstehung der Versuchsstrecken

Diese zur damaligen Zeit im Vordergrund stehen-den Forschungs- und Untersuchungsziele erfor-derten im Wesentlichen experimentelle Arbeiten fuumlr diese Aufgaben wurden Versuchsstrecken gegruumlndet wie z B in den 1880er-Jahren in Neu-enkirchenSaar Zwickau Maumlhrisch-Ostrau und Segengottes bei Bruumlnn ndash alle mit vergleichbaren Versuchseinrichtungen Kern dieser Einrichtungen war dabei jeweils eine laumlngliche Strecke mit einem Querschnitt der den damaligen untertaumlgigen Strecken entsprach Aufbauend auf den Erfahrun-gen aus dem Betrieb dieser Versuchsstrecken und da einige experimentelle Ergebnisse widerspruumlch-lich diskutiert worden waren wurde 1894 die Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke (BVS) mit erweiterten Pruumlfmoumlglichkeiten in Gelsenkirchen-Bismark gegruumlndet Der Lageplan aus dem Jahre 1904 ist in Bild 2 dargestellt

Allen Versuchsstrecken war gemeinsam dass sie in unmittelbarer Naumlhe von Bergwerken angeord-net waren die genuumlgend Grubengas freisetzten das ja fuumlr die Versuche benoumltigt wurde In dieser Notwendigkeit lag auch der Grund fuumlr den Umzug der BVS im Jahr 1910 nach Dortmund-Derne In Gelsenkirchen stand nicht mehr die notwendige Menge Grubengas zur Verfuumlgung Am Standort in Dortmund-Derne verblieb die BVS bis Ende 2001 siehe Bild 3 danach fand der Umzug zu der heutigen Adresse in Bochum statt

Nachdem die Versuchsstrecken ihre Arbeit auf-genommen hatten erste Untersuchungsergebnisse

Bild 3 Luftaufnahme der BVS (Dortmund 2001)

Bild 2 Lageplan der BVS im Jahr 1904

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

vorlagen und erste Schritte zur Verbesserung des Schlagwetterschutzes in die Bergwerke einflossen begann auch eine enge internationale Zusammen-arbeit zwischen den Versuchsstrecken Erstmalig trafen sich Vertreter der Versuchsstrecken auf internationaler Ebene 1912 im Rahmen einer Grubensicherheitskonferenz in Pittsburgh (USA) mit Teilnehmern aus USA England Frankreich Belgien Oumlsterreich und Deutschland Nach den Kriegswirren des 1 Weltkriegs fand die Grubensi-cherheitskonferenz regelmaumlszligig statt so z B 1935 in Dortmund siehe Bild 4

Diese internationale Zusammenarbeit hat sicherlich mit dazu beigetragen dass wesentliche Entwicklungen und Verbesserungen des Schlag-wetterschutzes in allen bergbaubetreibenden westlichen Industrienationen eingefuumlhrt wurden und sich damit die Anzahl der Grubenungluuml-cke in diesen Laumlndern in vergleichbarem Maszlige reduzierte

Erste Schlagwetterschutzmaszlignahmen an elektrischen Motoren und Apparaten

Die Gruumlndungszeit der BVS fiel auch zusammen mit den ersten Ansaumltzen der Elektrifizierung im Bergbau Ab 1897 wurde deshalb auch mit Versu-chen begonnen die Entzuumlndung von Schlagwet-ter- und Kohlenstaubgemischen durch elektrische Geraumlte zu untersuchen Die Versuchseinrichtungen hierfuumlr im Lageplan (Bild 2) oben links eingetra-gen sind in Bild 5 dargestellt

Versuche an kleinen Motoren Apparaten und Lampen in natuumlrlichen Schlagwetter- und Kohlen-staubgemischen zeigten auf dass betriebsmaumlszligige Funken und heiszlige Oberflaumlchen grundsaumltzlich in der Lage sind Schlagwetter zu entzuumlnden [4] Dies galt zu der damaligen Zeit nicht als gesichert und wurde durchaus kontrovers diskutiert

Auf der Basis dieser ersten Ergebnisse begann die Elektroindustrie spezielle Konstruktionen

schlagwettergeschuumltzter Betriebsmittel zu entwi-ckeln Unter Beteiligung der Hersteller Siemens amp Halske Schuckert Union AEG Helios Voigt amp Haeffner wurden auf der BVS in den Jahren 1903 bis 1905 diese Prototypen untersucht [5] Maszliggeblich wurden die Versuche durch den Leiter der Berggewerkschaftlichen Versuchsstrecke Carl Beyling (26071872ndash24111938) betrieben

Neben dem Schutzkonzept Oumllkapselung hatten diese fruumlhen Konstruktionen schwerpunktmaumlszligig zum Ziel den Explosionsdruck in den Motoren und Apparaten zu reduzieren und gleichzeitig eine Zuumlndung des umgebenden explosionsfaumlhigen Gemisches zu verhindern

Die untersuchten Schlagwetterschutz-Konzepte untergliederten sich in Ansaumltze die Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung Labyrinth-Kapselung Rohrschutz-Kapselung Flanschenschutz-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung genannt wurden Als besonders geeignet wurden im

Bild 5 Schnittbild und Foto (1904) der Versuchseinrichtung fuumlr elektrische Geraumlte [6]

Bild 4 Versuchsstreckenkonferenz Dortmund 1935 Teilnehmer USA England Frank-reich Belgien Polen Deutschland

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Anschluss an die Untersuchungen insbesondere fuumlr Motoren ndash damals eine der Hauptanwendun-gen von Elektrizitaumlt im Bergbau ndash die Konzepte

Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung erachtet

Eine erste konkrete Umsetzung der Maszlignah-men fand sich in einem schlagwettergeschuumltzten Drehstrom-Motor wieder der ab 1905 auf mehre-ren Bergwerken eingesetzt wurde siehe Bild 6

Nachfolgend wurden viele weitere elektrische Geraumlte mit Schlagwetterschutzmaszlignahmen ent-wickelt wie im Archiv der BVS nachzuschauen ist Beispielhaft werden in Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen eines Schaltkas-tens sowie einer Gluumlhlicht-Armatur aus dem Jahre 1912 gezeigt

Viele der damals erarbeiteten Grundlagen sind anschlieszligend in die VDE-Normung eingeflos-sen und spaumlter in die Zuumlndschutzart Druckfeste Kapselung uumlberfuumlhrt worden 1911 wurden erstmalig die bdquoVorschriften fuumlr schlagwetter-geschuumltzte elektrische Betriebsmittelldquo in der VDE 0170 veroumlffentlicht Diese Norm die 1943 um die Explosionsschutzvorschriften auszligerhalb des Bergbaus zur VDE 0170171 erweitert wurde hat den Kennbuchstaben bdquodldquo zur Kennzeichnung der druckfesten Kapselung eingefuumlhrt Diese Zuumlndschutzart erfaumlhrt seit Jahrzehnten bis heute weltweit eine hohe Akzeptanz die Kennzeichnung bdquoEx dldquo unterstreicht den deutschen Ursprung

Entstehung der Eigensicherheit

Auch die Zuumlndschutzart Eigensicherheit die neben der druckfesten Kapselung weltweit sehr hohe Bedeutung erlangt hat hat ihren Ursprung in einer Bergbauanwendung Eine elektrische Signalisierungsanlage wurde als wahrscheinliche Ursache fuumlr ein schweres Grubenungluumlck in Wales im Jahre 1913 mit 439 Toten angesehen Der anschlieszligende Untersuchungsbericht [7] fuumlhrte zu ersten Vorgaben im UK-Bergbau aus denen die fruumlhen Grundlagen der Eigensicherheit entstan-den 1936 wurde eine erste Stromversorgung nach den Prinzipien der Eigensicherheit in England zertifiziert und 1945 entstand mit der British Standard 1259 eine erste Norm in der der Begriff bdquointrinsic safety (IS)ldquo definiert wurde

Im Rahmen von Normungsbestrebungen auf IEC-Ebene zur Eigensicherheit in den 1960er- Jahren wurden verschiedene Pruumlfeinrichtungen zur experimentellen Uumlberpruumlfung der Zuumlndfaumlhig-keit von Funken vergleichenden Versuchen unter-zogen bdquoTestsiegerldquo hierbei wurde das urspruumlng-lich auf Vorschlaumlgen eines Siemens-Mitarbeiters [8] und auf der BVS erstmalig erprobte Funken-pruumlfgeraumlt das als IEC-genormte Einrichtung noch heute verwendet wird siehe Bild 8

Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen (1912)

Bild 6 Schlagwettergeschuumltzter Motor (500 V 30 PS 970 Umin) mit einer Kombination aus geschlossener Kapselung und Plattenschutz-Kapselung

Bild 8 Funkenpruumlfgeraumlt

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Geschichte der Grubenbeleuchtung

Wie bereits ausgefuumlhrt war ein wichtiger Schritt zur Erreichung einer houmlheren Sicherheit die Einfuumlhrung der Sicherheitslampe der Bauart nach Davy Wichtig war dieser Schritt da die Beleuch-tung unter Tage zu allen Zeiten unverzichtbar war In der Fruumlhzeit des Bergbaus wurde mit offenen Flammen von Kerzen Fackeln oder Oumlllampen beleuchtet Erste Bestrebungen ein schlagwet-tersicheres Geleucht zu erschaffen fuumlhrten im 18 Jahrhundert zu Versuchen mit phosphoreszie-renden Substanzen oder mit einer schleifenden Stahlscheibe uumlber einem Feuerstein scheiterten jedoch an zu geringer Leuchtkraft Erst Anfang des 19 Jahrhunderts wurde versucht Lampen mit Flamme schlagwettersicher aufzubauen Nach einigen Vorlaumlufern galt die Bauart nach Davy als erste Sicherheitslampe Da die Flamme bei dieser Lampe direkt von einem Drahtkorb umgeben ist war die Lichtausbeute gering Auch die Schlag-wettersicherheit war nur begrenzt da die Flamme zum Durchblasen bei houmlheren Wettergeschwin-digkeiten (Stroumlmungsgeschwindigkeit der Luft) neigte Die Lichtausbeute wurde erst besser nachdem die Leuchten um einen Glaszylinder erweitert wurden Die Entwicklung der Gruben-lampen bis hin zu den ersten elektrischen Lampen ist in Bild 9 dargestellt

Da immer wieder Schlagwetter-Explosionen auf die Verwendung von Sicherheitslampen zuruumlck-gefuumlhrt wurden sind in verschiedenen Laumlndern Versuche unternommen worden die Sicherheit dieser Lampen zu verbessern Neben dem Durch-blasen der Flamme wurde auch das Betaumltigen der Zuumlndeinrichtung als Zuumlndursache identifiziert

Auch auf der BVS wurden ab Ende des 19 Jahr-hunderts grundlegende Versuche zur Verbesse-rung der Schlagwettersicherheit durchgefuumlhrt Hieraus resultierte die Empfehlung verbesserte Zuumlndeinrichtungen sowie doppelte Drahtkoumlrbe zu verwenden 1911 wurde die Verwendung von Doppelkoumlrben im Ruhrbergbau durch das Lan-desoberbergamt Dortmund vorgeschrieben

Nach dem ersten Weltkrieg kamen zunehmend elektrische Lampen zum Einsatz die nachfolgend schnell Verbreitung fanden 1924 waren bereits ca 400000 elektrische Grubenlampen in Deutsch-land in Gebrauch ab 1926 sind sie vorgeschrieben

Detektion von Schlagwettern

Nachdem fuumlr Beleuchtungszwecke Grubenlam-pen mit Flamme durch elektrische ersetzt worden waren blieben Wetterlampen zur Detektion des Grubengasgehalts mangels anderer brauchba-rer Messmittel noch lange im Einsatz Bis in die 1960er-Jahre wurden Wetterlampen mit Flamme im deutschen Bergbau verwendet Anhand der

Verfaumlrbung des Mantels der Flamme konnte der Bergmann den Grubengasanteil in der Umgebung ermitteln siehe Bild 10

Erste Vorschlaumlge fuumlr flammenlose Schlagwet-teranzeiger datieren aus dem Beginn des 20 Jahr-hunderts Aus heutiger Sicht ist es interessant dass Ideen auch durch Preisausschreiben gesucht wurden z B 1912 vom Verein fuumlr bergbauli-che Interessen im Oberbergamtsbezirk Dort-mund und 1920 vom Preuszligischen Ministerium fuumlr Handel und Gewerbe zusammen mit dem Reichskohlenrat

Als geeignetes Messprinzip wurde fruumlh die Oxi-dation von Methan an einem vorgeheizten kataly-tisch behandelten Widerstandsdraht erkannt ndash ein Messprinzip dass bis heute bei handgefuumlhrten Gaswarngeraumlten uumlberwiegt Eine fruumlhe Realisie-rung nach diesem Prinzip war die Geraumltereihe bdquoWetterlichtldquo bei diesen Geraumlten wurde die Farbveraumlnderung eines behandelten Platindrahts bei zunehmendem Methangehalt im Vergleich zu einem ebenfalls gluumlhenden Hilfsdraht visuell

Bild 9 Schlagwettergeschuumltzte Grubenlampen Bauart Davy Sicherheitslampe mit Glas-kolben Wetterlampe fruumlhe elektrische Grubenlampe (von links nach rechts)

Bild 10 Ermittlung des Methangehalts mit der Wetterlampe [9]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

durch den Bergmann ausgewertet Solche Geraumlte waren im deutschen Bergbau bis in die 1940er-Jahre im Einsatz

Ein erstes brauchbares Bruumlckenmessgeraumlt wurde Ende der 1930er-Jahre in den USA entwickelt aufgrund des hohen Gewichts durch die Roumlhren-elektronik fand der Einsatz keine weite Verbrei-tung Durch das Aufkommen von kleinbauenden elektronischen Bauteilen und auch vorangetrieben durch einen Wettbewerb ausgeschrieben durch die Europaumlische Gemeinschaft fuumlr Kohle und Stahl wurden in der zweiten Haumllfte der 1950er-Jahre ver-schiedene Gaswarngeraumlte entwickelt Durchgesetzt haben sich bis heute ndash bei tragbaren Gaswarngerauml-ten Geraumlte nach dem oben beschriebenen Prinzip (Waumlrmetoumlnung) ndash und bei ortsfesten Anlagen Geraumlte mit Infrarotabsorption

Verhinderung von Kohlenstaub-Explosionen

Wie zu Anfang des Berichts schon angesprochen wurde bereits fruumlh erkannt dass der im Stein-kohlenbergbau immer vorliegende Kohlenstaub maszliggeblich die Auswirkung und Ausdehnung von Explosionen unter Tage beeinflusst Insbe-sondere fuumlr die schweren Grubenungluumlcke waren Kohlenstaub-Explosionen verantwortlich ndash in der Regel ausgeloumlst durch eine Grubengasexplosion Kohlenstaub-Explosionen haben deshalb eine so verheerende Wirkung weil sich die Explosion durch den weit verteilten Kohlenstaub im Gruben-gebaumlude stark ausbreiten kann

Zu Ende des 19 Jahrhunderts wurde mit Unter-suchungen begonnen die Explosionsgefaumlhrlichkeit

von Kohlenstaumluben zu erforschen Schwerpunkt-maumlszligig sollten diese klaumlren wie sich unterschied-liche Kohlenstaumlube bzgl des Ausbreitens einer Explosion verhalten und ob sich der Kohlenstaub direkt durch Sprengarbeiten entzuumlnden kann Urspruumlnglich war man davon ausgegangen dass eine Kohlenstaubexplosion immer nur durch eine vorher entstandene Schlagwetterexplosion ein-geleitet werden kann Diese Annahme hatte auch dazu gefuumlhrt dass man bereits Jahrzehnte vorher begonnen hatte Sprengstoffe zu entwickeln die Schlagwetter und damit auch Kohlenstaumlube nicht zur Entzuumlndung bringen sollten Die Sicherheit dieser sogenannten Sicherheitssprengstoffe wurde immer weiter entwickelt bis zu den heute bekann-ten Wettersprengstoffen in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts

Fuumlr die Untersuchung der Explosionsgefaumlhrlich-keit von Kohlenstaumluben entstanden rohrfoumlrmige Versuchsstrecken Hatte die Einrichtung der BVS aus dem Jahre 1894 noch eine Laumlnge von 34 m mit elliptischem Querschnitt (185 m 135 m) entstanden in der Folge Rohrstrecken bis zu einer Laumlnge von 200 m mit einem Durchmesser von 18 m siehe Bild 11

Bei den Untersuchungen zeichnete sich fruumlh ab dass die Explosionsgefaumlhrlichkeit stark von dem Anteil der fluumlchtigen Bestandteile (Gase) in der Kohle abhaumlngt der bei den Ruhrgebietskoh-len zwischen 7 und 40 lag Wurde die Grenze der Explosionsgefaumlhrlichkeit anfaumlnglich bei 12 bis 14 gesehen wurde dieser Grenzwert in der Folge immer weiter abgesenkt Heute wird in Deutschland die Ungefaumlhrlichkeit einer Kohlen-

Bild 11 Rohrfoumlrmige Strecken zur Untersuchung von Kohlenstaub-Explosionen auf der BVS 34-m-Strecke (1894ndash1910) 200-m-Strecke (ab 1913)

11

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

Explosionsschutz

Elektrizitaumlt

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

45

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

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Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

Zu beziehen uumlber denFachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 BremenTel (04 21) 3 69 03-56 | Fax (04 21) 3 69 03-63 | wwwschuenemann-verlagde

Guan ZengjianKonrad Herrmann

Geschichte derchinesischenMetrologie

euro 3490 [D]inkl Versand

175 x 245 cm | Hardcover424 Seiten | 54 Abbildungen

ISBN 978-3-95606-188-2

Erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der Metrologie im deutschsprachigen Raum

Zahlreiche Illustrationen von alten Messmitteln und Messprinzipien

Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

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Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

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Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

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mitteilungen

Impressum

Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

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Page 8: 200 Jahre Explosionsschutz

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

vorlagen und erste Schritte zur Verbesserung des Schlagwetterschutzes in die Bergwerke einflossen begann auch eine enge internationale Zusammen-arbeit zwischen den Versuchsstrecken Erstmalig trafen sich Vertreter der Versuchsstrecken auf internationaler Ebene 1912 im Rahmen einer Grubensicherheitskonferenz in Pittsburgh (USA) mit Teilnehmern aus USA England Frankreich Belgien Oumlsterreich und Deutschland Nach den Kriegswirren des 1 Weltkriegs fand die Grubensi-cherheitskonferenz regelmaumlszligig statt so z B 1935 in Dortmund siehe Bild 4

Diese internationale Zusammenarbeit hat sicherlich mit dazu beigetragen dass wesentliche Entwicklungen und Verbesserungen des Schlag-wetterschutzes in allen bergbaubetreibenden westlichen Industrienationen eingefuumlhrt wurden und sich damit die Anzahl der Grubenungluuml-cke in diesen Laumlndern in vergleichbarem Maszlige reduzierte

Erste Schlagwetterschutzmaszlignahmen an elektrischen Motoren und Apparaten

Die Gruumlndungszeit der BVS fiel auch zusammen mit den ersten Ansaumltzen der Elektrifizierung im Bergbau Ab 1897 wurde deshalb auch mit Versu-chen begonnen die Entzuumlndung von Schlagwet-ter- und Kohlenstaubgemischen durch elektrische Geraumlte zu untersuchen Die Versuchseinrichtungen hierfuumlr im Lageplan (Bild 2) oben links eingetra-gen sind in Bild 5 dargestellt

Versuche an kleinen Motoren Apparaten und Lampen in natuumlrlichen Schlagwetter- und Kohlen-staubgemischen zeigten auf dass betriebsmaumlszligige Funken und heiszlige Oberflaumlchen grundsaumltzlich in der Lage sind Schlagwetter zu entzuumlnden [4] Dies galt zu der damaligen Zeit nicht als gesichert und wurde durchaus kontrovers diskutiert

Auf der Basis dieser ersten Ergebnisse begann die Elektroindustrie spezielle Konstruktionen

schlagwettergeschuumltzter Betriebsmittel zu entwi-ckeln Unter Beteiligung der Hersteller Siemens amp Halske Schuckert Union AEG Helios Voigt amp Haeffner wurden auf der BVS in den Jahren 1903 bis 1905 diese Prototypen untersucht [5] Maszliggeblich wurden die Versuche durch den Leiter der Berggewerkschaftlichen Versuchsstrecke Carl Beyling (26071872ndash24111938) betrieben

Neben dem Schutzkonzept Oumllkapselung hatten diese fruumlhen Konstruktionen schwerpunktmaumlszligig zum Ziel den Explosionsdruck in den Motoren und Apparaten zu reduzieren und gleichzeitig eine Zuumlndung des umgebenden explosionsfaumlhigen Gemisches zu verhindern

Die untersuchten Schlagwetterschutz-Konzepte untergliederten sich in Ansaumltze die Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung Labyrinth-Kapselung Rohrschutz-Kapselung Flanschenschutz-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung genannt wurden Als besonders geeignet wurden im

Bild 5 Schnittbild und Foto (1904) der Versuchseinrichtung fuumlr elektrische Geraumlte [6]

Bild 4 Versuchsstreckenkonferenz Dortmund 1935 Teilnehmer USA England Frank-reich Belgien Polen Deutschland

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Anschluss an die Untersuchungen insbesondere fuumlr Motoren ndash damals eine der Hauptanwendun-gen von Elektrizitaumlt im Bergbau ndash die Konzepte

Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung erachtet

Eine erste konkrete Umsetzung der Maszlignah-men fand sich in einem schlagwettergeschuumltzten Drehstrom-Motor wieder der ab 1905 auf mehre-ren Bergwerken eingesetzt wurde siehe Bild 6

Nachfolgend wurden viele weitere elektrische Geraumlte mit Schlagwetterschutzmaszlignahmen ent-wickelt wie im Archiv der BVS nachzuschauen ist Beispielhaft werden in Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen eines Schaltkas-tens sowie einer Gluumlhlicht-Armatur aus dem Jahre 1912 gezeigt

Viele der damals erarbeiteten Grundlagen sind anschlieszligend in die VDE-Normung eingeflos-sen und spaumlter in die Zuumlndschutzart Druckfeste Kapselung uumlberfuumlhrt worden 1911 wurden erstmalig die bdquoVorschriften fuumlr schlagwetter-geschuumltzte elektrische Betriebsmittelldquo in der VDE 0170 veroumlffentlicht Diese Norm die 1943 um die Explosionsschutzvorschriften auszligerhalb des Bergbaus zur VDE 0170171 erweitert wurde hat den Kennbuchstaben bdquodldquo zur Kennzeichnung der druckfesten Kapselung eingefuumlhrt Diese Zuumlndschutzart erfaumlhrt seit Jahrzehnten bis heute weltweit eine hohe Akzeptanz die Kennzeichnung bdquoEx dldquo unterstreicht den deutschen Ursprung

Entstehung der Eigensicherheit

Auch die Zuumlndschutzart Eigensicherheit die neben der druckfesten Kapselung weltweit sehr hohe Bedeutung erlangt hat hat ihren Ursprung in einer Bergbauanwendung Eine elektrische Signalisierungsanlage wurde als wahrscheinliche Ursache fuumlr ein schweres Grubenungluumlck in Wales im Jahre 1913 mit 439 Toten angesehen Der anschlieszligende Untersuchungsbericht [7] fuumlhrte zu ersten Vorgaben im UK-Bergbau aus denen die fruumlhen Grundlagen der Eigensicherheit entstan-den 1936 wurde eine erste Stromversorgung nach den Prinzipien der Eigensicherheit in England zertifiziert und 1945 entstand mit der British Standard 1259 eine erste Norm in der der Begriff bdquointrinsic safety (IS)ldquo definiert wurde

Im Rahmen von Normungsbestrebungen auf IEC-Ebene zur Eigensicherheit in den 1960er- Jahren wurden verschiedene Pruumlfeinrichtungen zur experimentellen Uumlberpruumlfung der Zuumlndfaumlhig-keit von Funken vergleichenden Versuchen unter-zogen bdquoTestsiegerldquo hierbei wurde das urspruumlng-lich auf Vorschlaumlgen eines Siemens-Mitarbeiters [8] und auf der BVS erstmalig erprobte Funken-pruumlfgeraumlt das als IEC-genormte Einrichtung noch heute verwendet wird siehe Bild 8

Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen (1912)

Bild 6 Schlagwettergeschuumltzter Motor (500 V 30 PS 970 Umin) mit einer Kombination aus geschlossener Kapselung und Plattenschutz-Kapselung

Bild 8 Funkenpruumlfgeraumlt

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Geschichte der Grubenbeleuchtung

Wie bereits ausgefuumlhrt war ein wichtiger Schritt zur Erreichung einer houmlheren Sicherheit die Einfuumlhrung der Sicherheitslampe der Bauart nach Davy Wichtig war dieser Schritt da die Beleuch-tung unter Tage zu allen Zeiten unverzichtbar war In der Fruumlhzeit des Bergbaus wurde mit offenen Flammen von Kerzen Fackeln oder Oumlllampen beleuchtet Erste Bestrebungen ein schlagwet-tersicheres Geleucht zu erschaffen fuumlhrten im 18 Jahrhundert zu Versuchen mit phosphoreszie-renden Substanzen oder mit einer schleifenden Stahlscheibe uumlber einem Feuerstein scheiterten jedoch an zu geringer Leuchtkraft Erst Anfang des 19 Jahrhunderts wurde versucht Lampen mit Flamme schlagwettersicher aufzubauen Nach einigen Vorlaumlufern galt die Bauart nach Davy als erste Sicherheitslampe Da die Flamme bei dieser Lampe direkt von einem Drahtkorb umgeben ist war die Lichtausbeute gering Auch die Schlag-wettersicherheit war nur begrenzt da die Flamme zum Durchblasen bei houmlheren Wettergeschwin-digkeiten (Stroumlmungsgeschwindigkeit der Luft) neigte Die Lichtausbeute wurde erst besser nachdem die Leuchten um einen Glaszylinder erweitert wurden Die Entwicklung der Gruben-lampen bis hin zu den ersten elektrischen Lampen ist in Bild 9 dargestellt

Da immer wieder Schlagwetter-Explosionen auf die Verwendung von Sicherheitslampen zuruumlck-gefuumlhrt wurden sind in verschiedenen Laumlndern Versuche unternommen worden die Sicherheit dieser Lampen zu verbessern Neben dem Durch-blasen der Flamme wurde auch das Betaumltigen der Zuumlndeinrichtung als Zuumlndursache identifiziert

Auch auf der BVS wurden ab Ende des 19 Jahr-hunderts grundlegende Versuche zur Verbesse-rung der Schlagwettersicherheit durchgefuumlhrt Hieraus resultierte die Empfehlung verbesserte Zuumlndeinrichtungen sowie doppelte Drahtkoumlrbe zu verwenden 1911 wurde die Verwendung von Doppelkoumlrben im Ruhrbergbau durch das Lan-desoberbergamt Dortmund vorgeschrieben

Nach dem ersten Weltkrieg kamen zunehmend elektrische Lampen zum Einsatz die nachfolgend schnell Verbreitung fanden 1924 waren bereits ca 400000 elektrische Grubenlampen in Deutsch-land in Gebrauch ab 1926 sind sie vorgeschrieben

Detektion von Schlagwettern

Nachdem fuumlr Beleuchtungszwecke Grubenlam-pen mit Flamme durch elektrische ersetzt worden waren blieben Wetterlampen zur Detektion des Grubengasgehalts mangels anderer brauchba-rer Messmittel noch lange im Einsatz Bis in die 1960er-Jahre wurden Wetterlampen mit Flamme im deutschen Bergbau verwendet Anhand der

Verfaumlrbung des Mantels der Flamme konnte der Bergmann den Grubengasanteil in der Umgebung ermitteln siehe Bild 10

Erste Vorschlaumlge fuumlr flammenlose Schlagwet-teranzeiger datieren aus dem Beginn des 20 Jahr-hunderts Aus heutiger Sicht ist es interessant dass Ideen auch durch Preisausschreiben gesucht wurden z B 1912 vom Verein fuumlr bergbauli-che Interessen im Oberbergamtsbezirk Dort-mund und 1920 vom Preuszligischen Ministerium fuumlr Handel und Gewerbe zusammen mit dem Reichskohlenrat

Als geeignetes Messprinzip wurde fruumlh die Oxi-dation von Methan an einem vorgeheizten kataly-tisch behandelten Widerstandsdraht erkannt ndash ein Messprinzip dass bis heute bei handgefuumlhrten Gaswarngeraumlten uumlberwiegt Eine fruumlhe Realisie-rung nach diesem Prinzip war die Geraumltereihe bdquoWetterlichtldquo bei diesen Geraumlten wurde die Farbveraumlnderung eines behandelten Platindrahts bei zunehmendem Methangehalt im Vergleich zu einem ebenfalls gluumlhenden Hilfsdraht visuell

Bild 9 Schlagwettergeschuumltzte Grubenlampen Bauart Davy Sicherheitslampe mit Glas-kolben Wetterlampe fruumlhe elektrische Grubenlampe (von links nach rechts)

Bild 10 Ermittlung des Methangehalts mit der Wetterlampe [9]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

durch den Bergmann ausgewertet Solche Geraumlte waren im deutschen Bergbau bis in die 1940er-Jahre im Einsatz

Ein erstes brauchbares Bruumlckenmessgeraumlt wurde Ende der 1930er-Jahre in den USA entwickelt aufgrund des hohen Gewichts durch die Roumlhren-elektronik fand der Einsatz keine weite Verbrei-tung Durch das Aufkommen von kleinbauenden elektronischen Bauteilen und auch vorangetrieben durch einen Wettbewerb ausgeschrieben durch die Europaumlische Gemeinschaft fuumlr Kohle und Stahl wurden in der zweiten Haumllfte der 1950er-Jahre ver-schiedene Gaswarngeraumlte entwickelt Durchgesetzt haben sich bis heute ndash bei tragbaren Gaswarngerauml-ten Geraumlte nach dem oben beschriebenen Prinzip (Waumlrmetoumlnung) ndash und bei ortsfesten Anlagen Geraumlte mit Infrarotabsorption

Verhinderung von Kohlenstaub-Explosionen

Wie zu Anfang des Berichts schon angesprochen wurde bereits fruumlh erkannt dass der im Stein-kohlenbergbau immer vorliegende Kohlenstaub maszliggeblich die Auswirkung und Ausdehnung von Explosionen unter Tage beeinflusst Insbe-sondere fuumlr die schweren Grubenungluumlcke waren Kohlenstaub-Explosionen verantwortlich ndash in der Regel ausgeloumlst durch eine Grubengasexplosion Kohlenstaub-Explosionen haben deshalb eine so verheerende Wirkung weil sich die Explosion durch den weit verteilten Kohlenstaub im Gruben-gebaumlude stark ausbreiten kann

Zu Ende des 19 Jahrhunderts wurde mit Unter-suchungen begonnen die Explosionsgefaumlhrlichkeit

von Kohlenstaumluben zu erforschen Schwerpunkt-maumlszligig sollten diese klaumlren wie sich unterschied-liche Kohlenstaumlube bzgl des Ausbreitens einer Explosion verhalten und ob sich der Kohlenstaub direkt durch Sprengarbeiten entzuumlnden kann Urspruumlnglich war man davon ausgegangen dass eine Kohlenstaubexplosion immer nur durch eine vorher entstandene Schlagwetterexplosion ein-geleitet werden kann Diese Annahme hatte auch dazu gefuumlhrt dass man bereits Jahrzehnte vorher begonnen hatte Sprengstoffe zu entwickeln die Schlagwetter und damit auch Kohlenstaumlube nicht zur Entzuumlndung bringen sollten Die Sicherheit dieser sogenannten Sicherheitssprengstoffe wurde immer weiter entwickelt bis zu den heute bekann-ten Wettersprengstoffen in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts

Fuumlr die Untersuchung der Explosionsgefaumlhrlich-keit von Kohlenstaumluben entstanden rohrfoumlrmige Versuchsstrecken Hatte die Einrichtung der BVS aus dem Jahre 1894 noch eine Laumlnge von 34 m mit elliptischem Querschnitt (185 m 135 m) entstanden in der Folge Rohrstrecken bis zu einer Laumlnge von 200 m mit einem Durchmesser von 18 m siehe Bild 11

Bei den Untersuchungen zeichnete sich fruumlh ab dass die Explosionsgefaumlhrlichkeit stark von dem Anteil der fluumlchtigen Bestandteile (Gase) in der Kohle abhaumlngt der bei den Ruhrgebietskoh-len zwischen 7 und 40 lag Wurde die Grenze der Explosionsgefaumlhrlichkeit anfaumlnglich bei 12 bis 14 gesehen wurde dieser Grenzwert in der Folge immer weiter abgesenkt Heute wird in Deutschland die Ungefaumlhrlichkeit einer Kohlen-

Bild 11 Rohrfoumlrmige Strecken zur Untersuchung von Kohlenstaub-Explosionen auf der BVS 34-m-Strecke (1894ndash1910) 200-m-Strecke (ab 1913)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

23

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

Explosionsschutz

Elektrizitaumlt

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 Bremen | Tel +49(0)4 213 69 03-56 | Fax +49(0)4 213 69 03-63 Internet wwwschuenemann-verlagde | E-Mail buchverlagschuenemann-verlagde

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 Bremen | Tel +49(0)4 213 69 03-56 | Fax +49(0)4 213 69 03-63 Internet wwwschuenemann-verlagde | E-Mail buchverlagschuenemann-verlagde

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Dosimetrie

Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

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Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

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Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

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Page 9: 200 Jahre Explosionsschutz

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Anschluss an die Untersuchungen insbesondere fuumlr Motoren ndash damals eine der Hauptanwendun-gen von Elektrizitaumlt im Bergbau ndash die Konzepte

Geschlossene Kapselung Drahtgewebe-Kapselung und Plattenschutz-Kapselung erachtet

Eine erste konkrete Umsetzung der Maszlignah-men fand sich in einem schlagwettergeschuumltzten Drehstrom-Motor wieder der ab 1905 auf mehre-ren Bergwerken eingesetzt wurde siehe Bild 6

Nachfolgend wurden viele weitere elektrische Geraumlte mit Schlagwetterschutzmaszlignahmen ent-wickelt wie im Archiv der BVS nachzuschauen ist Beispielhaft werden in Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen eines Schaltkas-tens sowie einer Gluumlhlicht-Armatur aus dem Jahre 1912 gezeigt

Viele der damals erarbeiteten Grundlagen sind anschlieszligend in die VDE-Normung eingeflos-sen und spaumlter in die Zuumlndschutzart Druckfeste Kapselung uumlberfuumlhrt worden 1911 wurden erstmalig die bdquoVorschriften fuumlr schlagwetter-geschuumltzte elektrische Betriebsmittelldquo in der VDE 0170 veroumlffentlicht Diese Norm die 1943 um die Explosionsschutzvorschriften auszligerhalb des Bergbaus zur VDE 0170171 erweitert wurde hat den Kennbuchstaben bdquodldquo zur Kennzeichnung der druckfesten Kapselung eingefuumlhrt Diese Zuumlndschutzart erfaumlhrt seit Jahrzehnten bis heute weltweit eine hohe Akzeptanz die Kennzeichnung bdquoEx dldquo unterstreicht den deutschen Ursprung

Entstehung der Eigensicherheit

Auch die Zuumlndschutzart Eigensicherheit die neben der druckfesten Kapselung weltweit sehr hohe Bedeutung erlangt hat hat ihren Ursprung in einer Bergbauanwendung Eine elektrische Signalisierungsanlage wurde als wahrscheinliche Ursache fuumlr ein schweres Grubenungluumlck in Wales im Jahre 1913 mit 439 Toten angesehen Der anschlieszligende Untersuchungsbericht [7] fuumlhrte zu ersten Vorgaben im UK-Bergbau aus denen die fruumlhen Grundlagen der Eigensicherheit entstan-den 1936 wurde eine erste Stromversorgung nach den Prinzipien der Eigensicherheit in England zertifiziert und 1945 entstand mit der British Standard 1259 eine erste Norm in der der Begriff bdquointrinsic safety (IS)ldquo definiert wurde

Im Rahmen von Normungsbestrebungen auf IEC-Ebene zur Eigensicherheit in den 1960er- Jahren wurden verschiedene Pruumlfeinrichtungen zur experimentellen Uumlberpruumlfung der Zuumlndfaumlhig-keit von Funken vergleichenden Versuchen unter-zogen bdquoTestsiegerldquo hierbei wurde das urspruumlng-lich auf Vorschlaumlgen eines Siemens-Mitarbeiters [8] und auf der BVS erstmalig erprobte Funken-pruumlfgeraumlt das als IEC-genormte Einrichtung noch heute verwendet wird siehe Bild 8

Bild 7 Auszuumlge aus Bescheinigungsunterlagen (1912)

Bild 6 Schlagwettergeschuumltzter Motor (500 V 30 PS 970 Umin) mit einer Kombination aus geschlossener Kapselung und Plattenschutz-Kapselung

Bild 8 Funkenpruumlfgeraumlt

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Geschichte der Grubenbeleuchtung

Wie bereits ausgefuumlhrt war ein wichtiger Schritt zur Erreichung einer houmlheren Sicherheit die Einfuumlhrung der Sicherheitslampe der Bauart nach Davy Wichtig war dieser Schritt da die Beleuch-tung unter Tage zu allen Zeiten unverzichtbar war In der Fruumlhzeit des Bergbaus wurde mit offenen Flammen von Kerzen Fackeln oder Oumlllampen beleuchtet Erste Bestrebungen ein schlagwet-tersicheres Geleucht zu erschaffen fuumlhrten im 18 Jahrhundert zu Versuchen mit phosphoreszie-renden Substanzen oder mit einer schleifenden Stahlscheibe uumlber einem Feuerstein scheiterten jedoch an zu geringer Leuchtkraft Erst Anfang des 19 Jahrhunderts wurde versucht Lampen mit Flamme schlagwettersicher aufzubauen Nach einigen Vorlaumlufern galt die Bauart nach Davy als erste Sicherheitslampe Da die Flamme bei dieser Lampe direkt von einem Drahtkorb umgeben ist war die Lichtausbeute gering Auch die Schlag-wettersicherheit war nur begrenzt da die Flamme zum Durchblasen bei houmlheren Wettergeschwin-digkeiten (Stroumlmungsgeschwindigkeit der Luft) neigte Die Lichtausbeute wurde erst besser nachdem die Leuchten um einen Glaszylinder erweitert wurden Die Entwicklung der Gruben-lampen bis hin zu den ersten elektrischen Lampen ist in Bild 9 dargestellt

Da immer wieder Schlagwetter-Explosionen auf die Verwendung von Sicherheitslampen zuruumlck-gefuumlhrt wurden sind in verschiedenen Laumlndern Versuche unternommen worden die Sicherheit dieser Lampen zu verbessern Neben dem Durch-blasen der Flamme wurde auch das Betaumltigen der Zuumlndeinrichtung als Zuumlndursache identifiziert

Auch auf der BVS wurden ab Ende des 19 Jahr-hunderts grundlegende Versuche zur Verbesse-rung der Schlagwettersicherheit durchgefuumlhrt Hieraus resultierte die Empfehlung verbesserte Zuumlndeinrichtungen sowie doppelte Drahtkoumlrbe zu verwenden 1911 wurde die Verwendung von Doppelkoumlrben im Ruhrbergbau durch das Lan-desoberbergamt Dortmund vorgeschrieben

Nach dem ersten Weltkrieg kamen zunehmend elektrische Lampen zum Einsatz die nachfolgend schnell Verbreitung fanden 1924 waren bereits ca 400000 elektrische Grubenlampen in Deutsch-land in Gebrauch ab 1926 sind sie vorgeschrieben

Detektion von Schlagwettern

Nachdem fuumlr Beleuchtungszwecke Grubenlam-pen mit Flamme durch elektrische ersetzt worden waren blieben Wetterlampen zur Detektion des Grubengasgehalts mangels anderer brauchba-rer Messmittel noch lange im Einsatz Bis in die 1960er-Jahre wurden Wetterlampen mit Flamme im deutschen Bergbau verwendet Anhand der

Verfaumlrbung des Mantels der Flamme konnte der Bergmann den Grubengasanteil in der Umgebung ermitteln siehe Bild 10

Erste Vorschlaumlge fuumlr flammenlose Schlagwet-teranzeiger datieren aus dem Beginn des 20 Jahr-hunderts Aus heutiger Sicht ist es interessant dass Ideen auch durch Preisausschreiben gesucht wurden z B 1912 vom Verein fuumlr bergbauli-che Interessen im Oberbergamtsbezirk Dort-mund und 1920 vom Preuszligischen Ministerium fuumlr Handel und Gewerbe zusammen mit dem Reichskohlenrat

Als geeignetes Messprinzip wurde fruumlh die Oxi-dation von Methan an einem vorgeheizten kataly-tisch behandelten Widerstandsdraht erkannt ndash ein Messprinzip dass bis heute bei handgefuumlhrten Gaswarngeraumlten uumlberwiegt Eine fruumlhe Realisie-rung nach diesem Prinzip war die Geraumltereihe bdquoWetterlichtldquo bei diesen Geraumlten wurde die Farbveraumlnderung eines behandelten Platindrahts bei zunehmendem Methangehalt im Vergleich zu einem ebenfalls gluumlhenden Hilfsdraht visuell

Bild 9 Schlagwettergeschuumltzte Grubenlampen Bauart Davy Sicherheitslampe mit Glas-kolben Wetterlampe fruumlhe elektrische Grubenlampe (von links nach rechts)

Bild 10 Ermittlung des Methangehalts mit der Wetterlampe [9]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

durch den Bergmann ausgewertet Solche Geraumlte waren im deutschen Bergbau bis in die 1940er-Jahre im Einsatz

Ein erstes brauchbares Bruumlckenmessgeraumlt wurde Ende der 1930er-Jahre in den USA entwickelt aufgrund des hohen Gewichts durch die Roumlhren-elektronik fand der Einsatz keine weite Verbrei-tung Durch das Aufkommen von kleinbauenden elektronischen Bauteilen und auch vorangetrieben durch einen Wettbewerb ausgeschrieben durch die Europaumlische Gemeinschaft fuumlr Kohle und Stahl wurden in der zweiten Haumllfte der 1950er-Jahre ver-schiedene Gaswarngeraumlte entwickelt Durchgesetzt haben sich bis heute ndash bei tragbaren Gaswarngerauml-ten Geraumlte nach dem oben beschriebenen Prinzip (Waumlrmetoumlnung) ndash und bei ortsfesten Anlagen Geraumlte mit Infrarotabsorption

Verhinderung von Kohlenstaub-Explosionen

Wie zu Anfang des Berichts schon angesprochen wurde bereits fruumlh erkannt dass der im Stein-kohlenbergbau immer vorliegende Kohlenstaub maszliggeblich die Auswirkung und Ausdehnung von Explosionen unter Tage beeinflusst Insbe-sondere fuumlr die schweren Grubenungluumlcke waren Kohlenstaub-Explosionen verantwortlich ndash in der Regel ausgeloumlst durch eine Grubengasexplosion Kohlenstaub-Explosionen haben deshalb eine so verheerende Wirkung weil sich die Explosion durch den weit verteilten Kohlenstaub im Gruben-gebaumlude stark ausbreiten kann

Zu Ende des 19 Jahrhunderts wurde mit Unter-suchungen begonnen die Explosionsgefaumlhrlichkeit

von Kohlenstaumluben zu erforschen Schwerpunkt-maumlszligig sollten diese klaumlren wie sich unterschied-liche Kohlenstaumlube bzgl des Ausbreitens einer Explosion verhalten und ob sich der Kohlenstaub direkt durch Sprengarbeiten entzuumlnden kann Urspruumlnglich war man davon ausgegangen dass eine Kohlenstaubexplosion immer nur durch eine vorher entstandene Schlagwetterexplosion ein-geleitet werden kann Diese Annahme hatte auch dazu gefuumlhrt dass man bereits Jahrzehnte vorher begonnen hatte Sprengstoffe zu entwickeln die Schlagwetter und damit auch Kohlenstaumlube nicht zur Entzuumlndung bringen sollten Die Sicherheit dieser sogenannten Sicherheitssprengstoffe wurde immer weiter entwickelt bis zu den heute bekann-ten Wettersprengstoffen in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts

Fuumlr die Untersuchung der Explosionsgefaumlhrlich-keit von Kohlenstaumluben entstanden rohrfoumlrmige Versuchsstrecken Hatte die Einrichtung der BVS aus dem Jahre 1894 noch eine Laumlnge von 34 m mit elliptischem Querschnitt (185 m 135 m) entstanden in der Folge Rohrstrecken bis zu einer Laumlnge von 200 m mit einem Durchmesser von 18 m siehe Bild 11

Bei den Untersuchungen zeichnete sich fruumlh ab dass die Explosionsgefaumlhrlichkeit stark von dem Anteil der fluumlchtigen Bestandteile (Gase) in der Kohle abhaumlngt der bei den Ruhrgebietskoh-len zwischen 7 und 40 lag Wurde die Grenze der Explosionsgefaumlhrlichkeit anfaumlnglich bei 12 bis 14 gesehen wurde dieser Grenzwert in der Folge immer weiter abgesenkt Heute wird in Deutschland die Ungefaumlhrlichkeit einer Kohlen-

Bild 11 Rohrfoumlrmige Strecken zur Untersuchung von Kohlenstaub-Explosionen auf der BVS 34-m-Strecke (1894ndash1910) 200-m-Strecke (ab 1913)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

Explosionsschutz

Elektrizitaumlt

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 Bremen | Tel +49(0)4 213 69 03-56 | Fax +49(0)4 213 69 03-63 Internet wwwschuenemann-verlagde | E-Mail buchverlagschuenemann-verlagde

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

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Mechanik und Akustik

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Dosimetrie

Optik

46

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

Zu beziehen uumlber denFachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 BremenTel (04 21) 3 69 03-56 | Fax (04 21) 3 69 03-63 | wwwschuenemann-verlagde

Guan ZengjianKonrad Herrmann

Geschichte derchinesischenMetrologie

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Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

48

TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

Redaktion Layout Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit PTBSabine Siems Dr Dr Jens Simon (verantwortlich) Dr Martin Thedens (wissenschaftlicher Redakteur)Telefon (05 31) 592-82 02 Telefax (05 31) 592-30 08 E-Mail sabinesiemsptbde

Leser- und Abonnement-Service Karin Drewes Telefon (0421) 369 03-56Telefax (0421) 369 03-63E-Mail drewesschuenemann-verlagde

Anzeigenservice Karin Drewes Telefon (0421) 369 03-56Telefax (0421) 369 03-63E-Mail drewesschuenemann-verlagde

Erscheinungsweise und Bezugspreise Die PTB-Mitteilungen erscheinen viermal jaumlhrlich Das Jahresabonnement kostet 3900 Euro das Einzelheft 1200 Euro jeweils zzgl Versandkosten Bezug uumlber den Buchhandel oder den Verlag Abbestellungen muumlssen spaumltestens drei Monate vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich beim Verlag erfolgen

Alle Rechte vorbehalten Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfaumlltigt oder verbreitet werden Unter dieses Verbot faumlllt insbesondere die gewerbliche Ver-vielfaumlltigung per Kopie die Aufnahme in elektro-nische Datenbanken und die Vervielfaumlltigung auf CD-ROM und in allen anderen elektronischen Datentraumlgern

Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

mitteilungen

Impressum

Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Telefon 0531 592-3006 Fax 0531 592-3008 E-Mail presseptbde wwwptbde

Physikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und BerlinNationales Metrologieinstitut

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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Page 10: 200 Jahre Explosionsschutz

9

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

Geschichte der Grubenbeleuchtung

Wie bereits ausgefuumlhrt war ein wichtiger Schritt zur Erreichung einer houmlheren Sicherheit die Einfuumlhrung der Sicherheitslampe der Bauart nach Davy Wichtig war dieser Schritt da die Beleuch-tung unter Tage zu allen Zeiten unverzichtbar war In der Fruumlhzeit des Bergbaus wurde mit offenen Flammen von Kerzen Fackeln oder Oumlllampen beleuchtet Erste Bestrebungen ein schlagwet-tersicheres Geleucht zu erschaffen fuumlhrten im 18 Jahrhundert zu Versuchen mit phosphoreszie-renden Substanzen oder mit einer schleifenden Stahlscheibe uumlber einem Feuerstein scheiterten jedoch an zu geringer Leuchtkraft Erst Anfang des 19 Jahrhunderts wurde versucht Lampen mit Flamme schlagwettersicher aufzubauen Nach einigen Vorlaumlufern galt die Bauart nach Davy als erste Sicherheitslampe Da die Flamme bei dieser Lampe direkt von einem Drahtkorb umgeben ist war die Lichtausbeute gering Auch die Schlag-wettersicherheit war nur begrenzt da die Flamme zum Durchblasen bei houmlheren Wettergeschwin-digkeiten (Stroumlmungsgeschwindigkeit der Luft) neigte Die Lichtausbeute wurde erst besser nachdem die Leuchten um einen Glaszylinder erweitert wurden Die Entwicklung der Gruben-lampen bis hin zu den ersten elektrischen Lampen ist in Bild 9 dargestellt

Da immer wieder Schlagwetter-Explosionen auf die Verwendung von Sicherheitslampen zuruumlck-gefuumlhrt wurden sind in verschiedenen Laumlndern Versuche unternommen worden die Sicherheit dieser Lampen zu verbessern Neben dem Durch-blasen der Flamme wurde auch das Betaumltigen der Zuumlndeinrichtung als Zuumlndursache identifiziert

Auch auf der BVS wurden ab Ende des 19 Jahr-hunderts grundlegende Versuche zur Verbesse-rung der Schlagwettersicherheit durchgefuumlhrt Hieraus resultierte die Empfehlung verbesserte Zuumlndeinrichtungen sowie doppelte Drahtkoumlrbe zu verwenden 1911 wurde die Verwendung von Doppelkoumlrben im Ruhrbergbau durch das Lan-desoberbergamt Dortmund vorgeschrieben

Nach dem ersten Weltkrieg kamen zunehmend elektrische Lampen zum Einsatz die nachfolgend schnell Verbreitung fanden 1924 waren bereits ca 400000 elektrische Grubenlampen in Deutsch-land in Gebrauch ab 1926 sind sie vorgeschrieben

Detektion von Schlagwettern

Nachdem fuumlr Beleuchtungszwecke Grubenlam-pen mit Flamme durch elektrische ersetzt worden waren blieben Wetterlampen zur Detektion des Grubengasgehalts mangels anderer brauchba-rer Messmittel noch lange im Einsatz Bis in die 1960er-Jahre wurden Wetterlampen mit Flamme im deutschen Bergbau verwendet Anhand der

Verfaumlrbung des Mantels der Flamme konnte der Bergmann den Grubengasanteil in der Umgebung ermitteln siehe Bild 10

Erste Vorschlaumlge fuumlr flammenlose Schlagwet-teranzeiger datieren aus dem Beginn des 20 Jahr-hunderts Aus heutiger Sicht ist es interessant dass Ideen auch durch Preisausschreiben gesucht wurden z B 1912 vom Verein fuumlr bergbauli-che Interessen im Oberbergamtsbezirk Dort-mund und 1920 vom Preuszligischen Ministerium fuumlr Handel und Gewerbe zusammen mit dem Reichskohlenrat

Als geeignetes Messprinzip wurde fruumlh die Oxi-dation von Methan an einem vorgeheizten kataly-tisch behandelten Widerstandsdraht erkannt ndash ein Messprinzip dass bis heute bei handgefuumlhrten Gaswarngeraumlten uumlberwiegt Eine fruumlhe Realisie-rung nach diesem Prinzip war die Geraumltereihe bdquoWetterlichtldquo bei diesen Geraumlten wurde die Farbveraumlnderung eines behandelten Platindrahts bei zunehmendem Methangehalt im Vergleich zu einem ebenfalls gluumlhenden Hilfsdraht visuell

Bild 9 Schlagwettergeschuumltzte Grubenlampen Bauart Davy Sicherheitslampe mit Glas-kolben Wetterlampe fruumlhe elektrische Grubenlampe (von links nach rechts)

Bild 10 Ermittlung des Methangehalts mit der Wetterlampe [9]

10

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

durch den Bergmann ausgewertet Solche Geraumlte waren im deutschen Bergbau bis in die 1940er-Jahre im Einsatz

Ein erstes brauchbares Bruumlckenmessgeraumlt wurde Ende der 1930er-Jahre in den USA entwickelt aufgrund des hohen Gewichts durch die Roumlhren-elektronik fand der Einsatz keine weite Verbrei-tung Durch das Aufkommen von kleinbauenden elektronischen Bauteilen und auch vorangetrieben durch einen Wettbewerb ausgeschrieben durch die Europaumlische Gemeinschaft fuumlr Kohle und Stahl wurden in der zweiten Haumllfte der 1950er-Jahre ver-schiedene Gaswarngeraumlte entwickelt Durchgesetzt haben sich bis heute ndash bei tragbaren Gaswarngerauml-ten Geraumlte nach dem oben beschriebenen Prinzip (Waumlrmetoumlnung) ndash und bei ortsfesten Anlagen Geraumlte mit Infrarotabsorption

Verhinderung von Kohlenstaub-Explosionen

Wie zu Anfang des Berichts schon angesprochen wurde bereits fruumlh erkannt dass der im Stein-kohlenbergbau immer vorliegende Kohlenstaub maszliggeblich die Auswirkung und Ausdehnung von Explosionen unter Tage beeinflusst Insbe-sondere fuumlr die schweren Grubenungluumlcke waren Kohlenstaub-Explosionen verantwortlich ndash in der Regel ausgeloumlst durch eine Grubengasexplosion Kohlenstaub-Explosionen haben deshalb eine so verheerende Wirkung weil sich die Explosion durch den weit verteilten Kohlenstaub im Gruben-gebaumlude stark ausbreiten kann

Zu Ende des 19 Jahrhunderts wurde mit Unter-suchungen begonnen die Explosionsgefaumlhrlichkeit

von Kohlenstaumluben zu erforschen Schwerpunkt-maumlszligig sollten diese klaumlren wie sich unterschied-liche Kohlenstaumlube bzgl des Ausbreitens einer Explosion verhalten und ob sich der Kohlenstaub direkt durch Sprengarbeiten entzuumlnden kann Urspruumlnglich war man davon ausgegangen dass eine Kohlenstaubexplosion immer nur durch eine vorher entstandene Schlagwetterexplosion ein-geleitet werden kann Diese Annahme hatte auch dazu gefuumlhrt dass man bereits Jahrzehnte vorher begonnen hatte Sprengstoffe zu entwickeln die Schlagwetter und damit auch Kohlenstaumlube nicht zur Entzuumlndung bringen sollten Die Sicherheit dieser sogenannten Sicherheitssprengstoffe wurde immer weiter entwickelt bis zu den heute bekann-ten Wettersprengstoffen in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts

Fuumlr die Untersuchung der Explosionsgefaumlhrlich-keit von Kohlenstaumluben entstanden rohrfoumlrmige Versuchsstrecken Hatte die Einrichtung der BVS aus dem Jahre 1894 noch eine Laumlnge von 34 m mit elliptischem Querschnitt (185 m 135 m) entstanden in der Folge Rohrstrecken bis zu einer Laumlnge von 200 m mit einem Durchmesser von 18 m siehe Bild 11

Bei den Untersuchungen zeichnete sich fruumlh ab dass die Explosionsgefaumlhrlichkeit stark von dem Anteil der fluumlchtigen Bestandteile (Gase) in der Kohle abhaumlngt der bei den Ruhrgebietskoh-len zwischen 7 und 40 lag Wurde die Grenze der Explosionsgefaumlhrlichkeit anfaumlnglich bei 12 bis 14 gesehen wurde dieser Grenzwert in der Folge immer weiter abgesenkt Heute wird in Deutschland die Ungefaumlhrlichkeit einer Kohlen-

Bild 11 Rohrfoumlrmige Strecken zur Untersuchung von Kohlenstaub-Explosionen auf der BVS 34-m-Strecke (1894ndash1910) 200-m-Strecke (ab 1913)

11

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

27

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

35

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

Explosionsschutz

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

45

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

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Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

Zu beziehen uumlber denFachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 BremenTel (04 21) 3 69 03-56 | Fax (04 21) 3 69 03-63 | wwwschuenemann-verlagde

Guan ZengjianKonrad Herrmann

Geschichte derchinesischenMetrologie

euro 3490 [D]inkl Versand

175 x 245 cm | Hardcover424 Seiten | 54 Abbildungen

ISBN 978-3-95606-188-2

Erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der Metrologie im deutschsprachigen Raum

Zahlreiche Illustrationen von alten Messmitteln und Messprinzipien

Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

mitteilungen

Impressum

Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

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Telefon 0531 592-3006 Fax 0531 592-3008 E-Mail presseptbde wwwptbde

Physikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und BerlinNationales Metrologieinstitut

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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Page 11: 200 Jahre Explosionsschutz

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

durch den Bergmann ausgewertet Solche Geraumlte waren im deutschen Bergbau bis in die 1940er-Jahre im Einsatz

Ein erstes brauchbares Bruumlckenmessgeraumlt wurde Ende der 1930er-Jahre in den USA entwickelt aufgrund des hohen Gewichts durch die Roumlhren-elektronik fand der Einsatz keine weite Verbrei-tung Durch das Aufkommen von kleinbauenden elektronischen Bauteilen und auch vorangetrieben durch einen Wettbewerb ausgeschrieben durch die Europaumlische Gemeinschaft fuumlr Kohle und Stahl wurden in der zweiten Haumllfte der 1950er-Jahre ver-schiedene Gaswarngeraumlte entwickelt Durchgesetzt haben sich bis heute ndash bei tragbaren Gaswarngerauml-ten Geraumlte nach dem oben beschriebenen Prinzip (Waumlrmetoumlnung) ndash und bei ortsfesten Anlagen Geraumlte mit Infrarotabsorption

Verhinderung von Kohlenstaub-Explosionen

Wie zu Anfang des Berichts schon angesprochen wurde bereits fruumlh erkannt dass der im Stein-kohlenbergbau immer vorliegende Kohlenstaub maszliggeblich die Auswirkung und Ausdehnung von Explosionen unter Tage beeinflusst Insbe-sondere fuumlr die schweren Grubenungluumlcke waren Kohlenstaub-Explosionen verantwortlich ndash in der Regel ausgeloumlst durch eine Grubengasexplosion Kohlenstaub-Explosionen haben deshalb eine so verheerende Wirkung weil sich die Explosion durch den weit verteilten Kohlenstaub im Gruben-gebaumlude stark ausbreiten kann

Zu Ende des 19 Jahrhunderts wurde mit Unter-suchungen begonnen die Explosionsgefaumlhrlichkeit

von Kohlenstaumluben zu erforschen Schwerpunkt-maumlszligig sollten diese klaumlren wie sich unterschied-liche Kohlenstaumlube bzgl des Ausbreitens einer Explosion verhalten und ob sich der Kohlenstaub direkt durch Sprengarbeiten entzuumlnden kann Urspruumlnglich war man davon ausgegangen dass eine Kohlenstaubexplosion immer nur durch eine vorher entstandene Schlagwetterexplosion ein-geleitet werden kann Diese Annahme hatte auch dazu gefuumlhrt dass man bereits Jahrzehnte vorher begonnen hatte Sprengstoffe zu entwickeln die Schlagwetter und damit auch Kohlenstaumlube nicht zur Entzuumlndung bringen sollten Die Sicherheit dieser sogenannten Sicherheitssprengstoffe wurde immer weiter entwickelt bis zu den heute bekann-ten Wettersprengstoffen in der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts

Fuumlr die Untersuchung der Explosionsgefaumlhrlich-keit von Kohlenstaumluben entstanden rohrfoumlrmige Versuchsstrecken Hatte die Einrichtung der BVS aus dem Jahre 1894 noch eine Laumlnge von 34 m mit elliptischem Querschnitt (185 m 135 m) entstanden in der Folge Rohrstrecken bis zu einer Laumlnge von 200 m mit einem Durchmesser von 18 m siehe Bild 11

Bei den Untersuchungen zeichnete sich fruumlh ab dass die Explosionsgefaumlhrlichkeit stark von dem Anteil der fluumlchtigen Bestandteile (Gase) in der Kohle abhaumlngt der bei den Ruhrgebietskoh-len zwischen 7 und 40 lag Wurde die Grenze der Explosionsgefaumlhrlichkeit anfaumlnglich bei 12 bis 14 gesehen wurde dieser Grenzwert in der Folge immer weiter abgesenkt Heute wird in Deutschland die Ungefaumlhrlichkeit einer Kohlen-

Bild 11 Rohrfoumlrmige Strecken zur Untersuchung von Kohlenstaub-Explosionen auf der BVS 34-m-Strecke (1894ndash1910) 200-m-Strecke (ab 1913)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

Explosionsschutz

Elektrizitaumlt

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 Bremen | Tel +49(0)4 213 69 03-56 | Fax +49(0)4 213 69 03-63 Internet wwwschuenemann-verlagde | E-Mail buchverlagschuenemann-verlagde

Mechanik und Akustik

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Dosimetrie

Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Erscheinungsweise und Bezugspreise Die PTB-Mitteilungen erscheinen viermal jaumlhrlich Das Jahresabonnement kostet 3900 Euro das Einzelheft 1200 Euro jeweils zzgl Versandkosten Bezug uumlber den Buchhandel oder den Verlag Abbestellungen muumlssen spaumltestens drei Monate vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich beim Verlag erfolgen

Alle Rechte vorbehalten Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfaumlltigt oder verbreitet werden Unter dieses Verbot faumlllt insbesondere die gewerbliche Ver-vielfaumlltigung per Kopie die Aufnahme in elektro-nische Datenbanken und die Vervielfaumlltigung auf CD-ROM und in allen anderen elektronischen Datentraumlgern

Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

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Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

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Physikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und BerlinNationales Metrologieinstitut

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die Verhinderung von Explosionen

sorte durch einen experimentellen Versuch in der 200 m Rohrstrecke nachgewiesen Dies kann z B bei Anthrazitkohle mit einem sehr niedrigen Anteil von fluumlchtigen Bestandteilen erfolgreich sein siehe Bild 12

Als eigentlich einzige Maszlignahme zur Verhin-derung von Kohlenstaub-Explosionen galt lange Zeit das Befeuchten des Staubes durch Berieseln mit Wasser Nur vereinzelt fanden Wassertrog-sperren Anwendung dabei handelt es sich um wassergefuumlllte Troumlge die unter der Firste mon-tiert werden und die Ausbreitung einer Explosion verhindern sollen

Wegen des Problems des ndash insbesondere bei hohen Wettergeschwindigkeiten ndash schnellen Ver-dunstens des Wassers kamen auszligerhalb Deutsch-lands bereits Gesteinstaubexplosionssperren zum Einsatz Hierbei wurde statt Wasser Gesteinstaub zur Explosionsunterdruumlckung verwendet Bei dem Staub der in Behaumlltern oder auf Buumlhnen ebenfalls unter der Firste angeordnet wurde handelt es sich um feinen Tonschieferstaub oder Flugasche Zwischen 1920 und 1925 wurden Gesteinstaubex-plosionssperren im deutschen Bergbau eingefuumlhrt ab 1926 waren sie vorgeschrieben Um die richtige Anwendung und Wirksamkeit dieser Sperren zu untersuchen waren damals umfangreiche Pruumlfrei-hen in den Rohrstrecken auf der BVS durchge-fuumlhrt worden Da in den nachfolgenden Jahren die untertaumlgigen Streckenquerschnitte zunahmen wurden ab 1965 erneut Untersuchungen mit Was-sertrog- und Gesteinstaubexplosionssperren bei groumlszligeren Querschnitten durchgefuumlhrt

Schlussbemerkungen

Schaut man auf die Entwicklung im Steinkohlen-bergbau in den letzten 200 Jahren zuruumlck wird deutlich dass sich die Arbeitssicherheit fuumlr die Bergleute unter Tage drastisch verbessert hat Dies ist sicherlich zu groszligen Teilen den Verbesserungen im Schlagwetter-Explosionsschutz zu verdanken In den letzten ca 40 Jahren sind ndash zumindest in westlichen Laumlndern ndash groumlszligere Grubenungluumlcke nur noch vereinzelt aufgetreten wie z B 1992 in Bergkamen (Kohlenstaubexplosion mit 7 Toten) und 2010 in Montcoal USA (Schlagwetterexplo-sion mit 29 Toten)

Im Beitrag wurden einige wesentliche Fort-schritte im Schlagwetterschutz dargestellt Es wird deutlich dass viele wirksame Verbesserungen in den Zeitraum von Ende des 19 Jahrhunderts bis etwa Ende der zwanziger Jahre des 20 Jahrhun-derts fielen In diesem Zeitraum wurden z B der Schlagwetterschutz fuumlr elektrische Betriebsmittel elektrische Beleuchtungen Wettersprengstoffe und Explosionssperren eingefuumlhrt Diese Entwick-lungsschritte werden hier aus deutscher insbeson-dere aus Ruhrgebietssicht dargestellt

In der Bluumltezeit war diese Region eine der fuumlh-renden Bergbauregionen zeitweise standen die groumlszligten und modernsten Bergwerke hier Viele Entwicklungen sind deshalb in dieser Region ent-standen und wurden zeitnah in anderen Laumlndern uumlbernommen sodass wesentliche Fortschritte im westlichen Bergbau durchaus vergleichbar waren

Bild 12 Fortpflanzung einer Kohlenstaubexplosion bei unterschiedlichen Kohlenstaumluben

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

Explosionsschutz

Elektrizitaumlt

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

37

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

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Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

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Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

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Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Erscheinungsweise und Bezugspreise Die PTB-Mitteilungen erscheinen viermal jaumlhrlich Das Jahresabonnement kostet 3900 Euro das Einzelheft 1200 Euro jeweils zzgl Versandkosten Bezug uumlber den Buchhandel oder den Verlag Abbestellungen muumlssen spaumltestens drei Monate vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich beim Verlag erfolgen

Alle Rechte vorbehalten Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfaumlltigt oder verbreitet werden Unter dieses Verbot faumlllt insbesondere die gewerbliche Ver-vielfaumlltigung per Kopie die Aufnahme in elektro-nische Datenbanken und die Vervielfaumlltigung auf CD-ROM und in allen anderen elektronischen Datentraumlgern

Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

mitteilungen

Impressum

Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Telefon 0531 592-3006 Fax 0531 592-3008 E-Mail presseptbde wwwptbde

Physikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und BerlinNationales Metrologieinstitut

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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Page 13: 200 Jahre Explosionsschutz

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Mittlerweile hat der Steinkohlenbergbau in Deutschland nur noch eine vergleichsweise geringe Bedeutung im Januar 2016 waren noch ca 6000 Beschaumlftigte in den beiden foumlrdernden Bergwerken beschaumlftigt und das Ende ist fuumlr 2018 beschlossen In besseren Zeiten hatte sich auch eine sehr leistungsstarke Bergbau-Zulieferin-dustrie entwickelt Insbesondere Hersteller von Maschinen und elektrischen Ausruumlstungen haben sich weltweit einen guten Ruf erarbeitet Einigen ndash auch traditionellen ndash Herstellern ist es gelungen ihre Produkte weltweit zu vermarkten und so dem zuruumlckgehenden deutschen Steinkohlenbergbau zu begegnen Ein Beispiel dafuumlr ist in Bild 13 gegeben

Wichtige Fortschritte des Schlagwetterschutzes wurden durch Grundlagenuntersuchungen und Erprobungen der Berggewerkschaftlichen Ver-suchsstrecke (BVS) ermoumlglicht Diese BVS wurde 1894 durch die Westfaumllische Berggewerkschafts-kasse (WBK) gegruumlndet die wiederum 1990 mit anderen bergbaunahen Organisationen zur Deut-schen Montan Technologie (DMT) verschmolz

Die Teile die historisch mit der BVS verbunden waren wurden 2003 mit anderen pruumlfungsori-entierten Bereichen in die EXAM uumlberfuumlhrt die heute als DEKRA EXAM GmbH Teil der weltweit operierenden DEKRA-Gruppe ist Immer noch rankt sich der Schwerpunkt der Aktivitaumlten rund um den Explosionsschutz heute aber hauptsaumlch-lich fuumlr uumlbertaumlgige Anwendungen Bauartzerti-fikate von explosionsgeschuumltzten Geraumlten tragen weiterhin den Kuumlrzel bdquoBVSldquo in der Benennung

Wer sich weiter uumlber die Geschichte des Stein-kohlenbergbaus in Deutschland informieren moumlchte dem kann man einen Besuch im Deut-schen Bergbau-Museum in Bochum empfehlen In dem weltweit bedeutendsten Bergbaumuseum findet sich eine Vielzahl von Exponaten und Infor-mationen sowie ein Anschauungsbergwerk mit ndash uumlberwiegend schlagwettergeschuumltzten ndash Betriebs-mitteln aus vielen Jahrzehnten

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] 75 Jahre Berggewerkschaftliche Versuchsstrecke in Dortmund-Derne der Westfaumllischen Berggewerk-schaftskasse 1894ndash1969 Festschrift 1969 128 Seiten

[2] Werner Siemens Ueber elektrotechnische Hilfs-mittel gegen schlagende Wetter in Bergwerken Wissenschaftliche und technische Arbeiten Verlag von Julius Springer Berlin 1891

[3] A Hasslacher Hauptbericht der preuszligischen Schlagwetter-Commission Verlag Ernst amp Korn Berlin 1887

[4] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[5] C Beyling Versuche zwecks Erprobung der Schlagwettersicherheit besonders geschuumltzter elektrischer Motoren und Apparate Gluumlckauf 42 Essen 1906

[6] Heise Thiem Versuche betreffend die Entzuumlnd-lichkeit von Schlagwetter-Gemischen und Koh-lenstaubaufwirbelungen durch die Wirkung der Elektrizitaumlt Gluumlckauf 34 Essen 1898

[7] R V Wheeler Report on battery-bell signal-ling systems as regards the danger of ignition of firedamp-air mixtures by the break-flash at the signal-wires London 1915

[8] K Muumlller Die Zuumlndung von explosiblen Methan-Luft-Gemischen durch elektrische Schaltfunken Dissertation 1957 TU Berlin

[9] Der Bergmannsfreund Westfaumllische Berggewerk-schaftskasse Bochum 1927

Bild 13 Abbaumaschinen Oben ndash Zulassungszeichnung aus dem Jahr 1924 Unten ndash moderne Abbaumaschine (Hersteller Eickhoff Bergbautechnik GmbH)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

Explosionsschutz

Elektrizitaumlt

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 Bremen | Tel +49(0)4 213 69 03-56 | Fax +49(0)4 213 69 03-63 Internet wwwschuenemann-verlagde | E-Mail buchverlagschuenemann-verlagde

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

44

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

45

PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 Bremen | Tel +49(0)4 213 69 03-56 | Fax +49(0)4 213 69 03-63 Internet wwwschuenemann-verlagde | E-Mail buchverlagschuenemann-verlagde

Mechanik und Akustik

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Dosimetrie

Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

Zu beziehen uumlber denFachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 BremenTel (04 21) 3 69 03-56 | Fax (04 21) 3 69 03-63 | wwwschuenemann-verlagde

Guan ZengjianKonrad Herrmann

Geschichte derchinesischenMetrologie

euro 3490 [D]inkl Versand

175 x 245 cm | Hardcover424 Seiten | 54 Abbildungen

ISBN 978-3-95606-188-2

Erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der Metrologie im deutschsprachigen Raum

Zahlreiche Illustrationen von alten Messmitteln und Messprinzipien

Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

Redaktion Layout Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit PTBSabine Siems Dr Dr Jens Simon (verantwortlich) Dr Martin Thedens (wissenschaftlicher Redakteur)Telefon (05 31) 592-82 02 Telefax (05 31) 592-30 08 E-Mail sabinesiemsptbde

Leser- und Abonnement-Service Karin Drewes Telefon (0421) 369 03-56Telefax (0421) 369 03-63E-Mail drewesschuenemann-verlagde

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Erscheinungsweise und Bezugspreise Die PTB-Mitteilungen erscheinen viermal jaumlhrlich Das Jahresabonnement kostet 3900 Euro das Einzelheft 1200 Euro jeweils zzgl Versandkosten Bezug uumlber den Buchhandel oder den Verlag Abbestellungen muumlssen spaumltestens drei Monate vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich beim Verlag erfolgen

Alle Rechte vorbehalten Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfaumlltigt oder verbreitet werden Unter dieses Verbot faumlllt insbesondere die gewerbliche Ver-vielfaumlltigung per Kopie die Aufnahme in elektro-nische Datenbanken und die Vervielfaumlltigung auf CD-ROM und in allen anderen elektronischen Datentraumlgern

Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

mitteilungen

Impressum

Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Physikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und BerlinNationales Metrologieinstitut

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

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Page 14: 200 Jahre Explosionsschutz

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Die ersten Explosionen in der Industrie und ihre Verhinderung durch die Berufsgenossenschaften damals und heuteOswald Losert

Das Jubilaumlum bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo macht sich fest an der Erfindung der Davyschen Sicherheitslampe im Jahr 1815 Betrachtet von diesem Bezugspunkt war am 70 Geburtstag der Davyschen Sicherheitslampe das Deutsche Reich gerade einmal 14 Jahre alt Kaiser und Reichs-regierung waren damals innenpolitisch unter Druck weil die harten Rahmenbedingungen unter denen die Industriearbeit stattfand den bdquoSozialistenldquo Ruumlckhalt gaben und ihnen aus der Arbeiterschaft Zulauf bescherten Reichskanzler Bismarck (Bild 1) befuumlrchtete dass dies bei einer Eskalation zu einem Sturz der Regierung fuumlhren koumlnnte und verfolgte eine zweigeteilte Politik um dem entgegenzuwirken auf der einen Seite wurden die Sozialistengesetze erlassen durch die die politische Betaumltigung der Sozialdemokratie fast vollstaumlndig verboten wurde zum anderen sollte durch die Sozialgesetzgebung die der Arbeiter-schaft bei Krankheit Invaliditaumlt und Alter eine Absicherung bot der Sozialdemokratie die Basis naumlmlich eine unzufriedene Arbeiterschaft entzo-gen werden Im Rahmen dieses Vorgehens wurde durch die Kaiserliche Botschaft Wilhelms I die Bismarck zur Eroumlffnung des 5 deutschen Reichs-tags am 17111881 verlas die Sozialversicherung in Deutschland begruumlndet (Bild 2) In Ausfuumlhrung des so erteilten Auftrags wurde am 671884 mit dem Unfallversicherungsgesetz das als kaiserliche Verordnung in Kraft trat die gesetzliche Grund-lage der Berufsgenossenschaften als Traumlger der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland geschaffen (Bild 3) Bei Arbeitsunfaumlllen tritt die Berufsgenossenschaft in die Arbeitgeberhaftung ein und hat die gesetzliche Aufgabe mit allen geeigneten Mitteln fuumlr eine koumlrperliche Wieder-herstellung des Unfallverletzten zu sorgen bzw bei bleibenden Koumlrperschaumlden eine Entschaumldigung zu leisten Der Arbeitgeber erhaumllt so eine Haft-pflichtversicherung gegen Arbeitsunfaumllle die sich in seinem Unternehmen ereignen waumlhrend die betroffenen Arbeitnehmer bei Arbeitsunfaumlllen ihre Anspruumlche nicht erst vor Gericht gegenuumlber dem Arbeitgeber einklagen muumlssen Wegeunfaumllle und Berufskrankheiten wurden spaumlter in den Versi-cherungsschutz aufgenommen Die Unfallkosten

werden aus Solidarbeitraumlgen der Unternehmen durch branchenspezifischen Zusammenschluss in Berufsgenossenschaften finanziert diese wiede-rum sind berechtigt Vorschriften zur Unfallver-huumltung zu erlassen und deren Einhaltung in den

Dr Oswald Losert Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo der DGUV im Kompetenz-Center bdquoGefahrstoffe und biologische Arbeitsstoffeldquo der Berufsgenossen-schaft Rohstoffe und chemische Industrie

Bild 1Otto von Bismarck [1]

Bild 2Kaiserliche Bot-schaft 1881 [2]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Betriebsstaumltten zu kontrollieren bzw die Unter-nehmen entsprechend zu beraten um die Unfall-gefahr zu reduzieren

Unter dem Blickwinkel des Explosionsschut-zes ist die Frage zu stellen welche Explosionen damals eine Rolle spielten welchen Explosions-gefahren sich die Technischen Aufsichtsbeamten der damaligen Zeit bei Ihren Kontrollbesuchen in den Betrieben gegenuumlber sahen Eine spannende Lektuumlre fuumlr den technisch Interessierten die einen Einblick in den Zeitraum zwischen 1839 und 1931 ermoumlglicht ist Dinglers Polytechnisches Journal das derzeit bis zum Jahrgang 1931 digitalisiert im Internet vorliegt Fuumlr dieses bdquoJournalldquo wurden damals etwa 50 deutsche Zeitschriften rezensiert und technologisch interessante Inhalte daraus zeitnah zusammengetragen und in den jeweili-gen Ausgaben veroumlffentlicht Bei einer Suche in diesem Werk mit dem Stichwort bdquoExplosionldquo die allerdings weder den Anspruch auf Vollstaumlndig-keit noch auf Repraumlsentativitaumlt erhebt draumlngt sich der Eindruck auf dass in der ersten Haumllfte des 19 Jahrhunderts Dampfkessel-Explosionen einen gewissen Schwerpunkt darstellen der sich bis in die Anfaumlnge des 20 Jahrhunderts fortsetzt Die Erfindung der Dampfmaschine durch Newco-men Anfang des 18 Jahrhunderts und ihre Verbes-serung durch Watt sind markante Punkte fuumlr den Beginn der Industrialisierung Dampfmaschinen fanden in vielen Branchen ihren Einsatz ndash wie der Kupferstich einer Wurstfabrik (Bild 4) zeigt der ein Vierteljahrhundert vor der Gruumlndung der Berufsgenossenschaften angefertigt wurde Liest man in damaligen Veroumlffentlichungen nach war offenbar lange Zeit unklar ob es sich bei diesen Dampfkessel-Explosionen um physika-lische Explosionen handelte die auf Grund von Materialschwaumlchen zu den berichteten verheeren-den Unfaumlllen fuumlhrten ndash sehr spektakulaumlr waren mehrere Kessel-Explosionen auf Dampfschiffen ndash oder ob sich das Speisewasser an der rotgluumlhen-den Kesseloberflaumlche uumlberhitzte und zersetzte der gebildete Wasserstoff sich entzuumlndete und die Wasserstoffexplosion fuumlr die Heftigkeit der Explo-sionen verantwortlich war Nach einer statistischen Zusammenstellung (Bild 5) bdquoverungluumlcktenldquo im Deutschen Reich im Jahr 1879 78 Personen bei Dampfkessel-Explosionen in den beiden Vorjah-ren 32 bzw 58

Dieses Unfallgeschehen legte einerseits den Grund zu der fuumlr Deutschland spezifischen Recht-setzung der sogenannten bdquouumlberwachungsbeduumlrf-tigen Anlagenldquo in Verbindung damit fuumlhrte es ande-rerseits zum Zusammenschluss der Betreiber zu bdquoDampfkesseluumlberwachungsvereinenldquo denen bald Pruumlfverantwortung uumlbertragen wurde anstelle staat-licher Pruumlfungen Spaumlter entwickelten sich daraus die betrieblichen Eigenuumlberwacher und die Techni-schen Uumlberwachungsvereine letztere besaszligen lange

Bild 3Reichsgesetzblatt Nr 19 Unfallversi-cherungsgesetz vom 6 Juli 1884 [3]

Bild 4 Die in den 1860er-Jahren in Koblenz betriebene Wurstfabrik durch Dampfbetrieb und geraumlucherte Fleischwaren (Kupferstich Kupferstecher unbekannt Auftragge-ber Franz Lill Scan vom Original Klaus Lill) [4]

Bild 5 Zusammenstellung der im Deutschen Reiche im J 1879 stattgehabten Dampfkessel-Explo-sionen in Bezug auf die Construction der Kessel [5]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Zeit eine Sonderstellung als Pruumlforganisationen und haben diese erst verloren als das deutsche Recht an die Bedingungen des europaumlischen freien Markts angepasst werden musste Bei Dampfkessel-Explosionen geht es primaumlr um das Gefahrenfeld Druck bzw um Anlagensicher-heit dieser Aspekt der Explosionsgefahren soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden

Explosionsschutz im Bergbau war bereits Thema des vorangegangenen Beitrags von Dr Wittler deshalb soll an dieser Stelle nur noch durch eine kurze ergaumlnzende Anmerkung der Bezug zur Berufsgenossenschaft hergestellt werden Auch Bergleute genieszligen Unfallversicherungsschutz als Arbeitnehmer zustaumlndiger Traumlger ist die Bergbau-Berufsgenossenschaft die 2010 mit fuumlnf anderen Berufsgenossenschaften eine Fusion zur Berufsge-nossenschaft Rohstoffe und Chemische Industrie einging Im Bergbau sind die Kompetenzen der berufsgenossenschaftlichen Praumlvention einge-schraumlnkt weil der Dualismus im Arbeitsschutz wie er in anderen Branchen besteht die Uumlberwachung und Beratung der Unternehmen durch den Staat sowie durch die gesetzliche Unfallversicherung im Geltungsbereich des Bergrechts nicht vorhanden ist

Eine Branche die unmittelbar mit ndash bestim-mungsgemaumlszlig herbeigefuumlhrten ndash Explosionen in Verbindung steht ist die Explosivstoffindustrie Natuumlrlich liegt aber auch schon bei der Herstellung der Verarbeitung allgemein dem Umgang mit Sprengstoffen pyrotechnischen Gegenstaumlnden oder auch anderen explosionsfaumlhigen Stoffen eine hohe Gefahr in den eingesetzten Stoffen selbst ndash wie das Bild der Explosion des Pulverturms in Rheinberg im Jahre 1636 zeigt (Bild 6) Normative Vorgaben in staatlichen und vor allem berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten waren in der Zeit um die Gruumlndung des Deut-schen Reichs und auch spaumlter noch oftmals durch Unfallvorkommnisse veranlasst So finden sich in der bdquoPreussischen Ausfuumlhrungs-Anweisung fuumlr die Genehmigung gewerblicher Anlagenldquo[7] die nach der Reichs-Gewerbe-Ordnung gefordert war schon 1895 bauliche Vorgaben fuumlr Schieszligpulverfabriken (Bild 7) An einem Beispiel aus dem Jahr 1910 fuumlr die Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik (Bild 8) ist gut zu erkennen wie fuumlr die verschiedenen Taumltig-keiten beim Umgang mit Schwarzpulver separate Gebaumlude vorhanden sind um eine raumlumliche Trennung der Bereiche zu realisieren und damit die Gefahr des Uumlbergreifens eines Brandes oder einer Explosion von einem Arbeitsplatz auf den naumlchsten zu reduzieren

In derselben Preussischen Ausfuumlhrungs-Anwei-sung sind auch z B fuumlr Betriebe zur Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern bdquoBesondere Unfallver-huumltungsvorschriftenldquo der Berufsgenossenschaft aufgefuumlhrt (Bild 9) so dass auch deren Einhaltung bei der Genehmigung einzufordern war

Bild 6 Der Pulverturm von Rheinberg explodiert in 1636 Casper Luy-cken amp Jan Luycken 1698 Amsterdams Historisch Museum [6]

Bild 7 Titelblatt der bdquoPreus-sischen Ausfuumlhrung-Anweisung fuumlr die Genehmigung ge-werblicher Anlagenldquo und Beginn der darin enthaltenen bdquoAnlei-tung zu Vorschriften uumlber Anlegung und Betrieb von Pulver-fabrikenldquo [7]

Bild 8 Anlage einer Schwarzpulver-Fabrik [8]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Bereits unmittelbar nach ihrer Gruumlndung hatten die Berufsgenossenschaften uumlber bdquoAllgemeine Unfallverhuumltungsvorschriftenldquo beraten sie ab 1886 beschlossen und ab 1894 als sogenannte bdquoNormal-UVVenldquo einheitlich fuumlr alle Berufsge-nossenschaften formuliert Schon im Entwurf der Allgemeinen Unfallverhuumltungsvorschriften findet sich ein Punkt zum Brand- und Explosionsschutz bdquo5 Raumlume in welchen sich explosive oder brenn-bare Gase befinden oder entwickeln koumlnnen duumlrfen nur von Auszligen beleuchtet werden [9]ldquo In spaumlteren Fassungen waren Sicherheitslampen wie die Davysche ausdruumlcklich genannt die beim Zugang zu den unbeleuchteten Raumlumen zugelassen waren (Bild 10)

Neben den Allgemeinen Vorschriften wurden durch die BG Chemie als zustaumlndige Berufsgenos-senschaft bdquoBesondere UVVen fuumlr Explosivstoff-betriebeldquo erlassen genannt werden 1900 in einer Synopse des Verbands der deutschen Berufs-genossenschaften [10]

besondere Vorschriften fuumlr Sprengstofffabriken mit ihren Unterabteilungen

fuumlr das Laden und Entladen von Patronen fuumlr zivile und militaumlrische Waffen mit Schwarz-pulver und rauchschwachem Pulver

fuumlr die Herstellung von Feuerwerkskoumlrpern und

fuumlr Fabriken von Zuumlndern aller Art

Dort findet sich auch erstmals die Vorschrift zur Erdung von Metallteilen [11] bevor sie 1907 in sect21 der Allgemeinen Vorschriften [12] aufgenom-men wurde (Bild 11)

Diese Explosivstoff-UVVen die fuumlr entspre-chende Betriebe die Explosivstoffe herstellen ndash nicht aber fuumlr die Anwendung von Sprengstoffen oder Waffen ndash galten hatten lange Bestand sie wurden erst am 122014 zuruumlckgezogen Ihre Fortschreibung ist die DGUV-Regel 113-017 (BG-GUV-R 242) bdquoTaumltigkeiten mit Explosivstof-fenldquo vom Maumlrz 2012 Bereits 1940 wurden uumlbrigens die bdquoRichtlinien uumlber das Vernichten von Spreng-stoffenldquo [13] erlassen sie wurden laufend fortge-schrieben und stehen als DGUV-Regel 113-003 (bisher BGR 114) aktuell zur Uumlberarbeitung an (Bild 12)

Nach den bisherigen Ausfuumlhrungen koumlnnte der Eindruck entstehen dass die Berufsgenossenschaf-ten vor allem durch das Vorschriften- und Regel-werk Einfluss auf die Sicherheit in den Explo-sivstoffbetrieben zu nehmen versuchen Dies ist aber nur eine der Facetten aus denen sich berufs-genossenschaftliche Praumlvention zusammensetzt Gerade in dieser Branche besteht ein besonders intensiver Kontakt zu den Unternehmen er zeigt sich ebenso bei der Beratung durch Aufsichtsper-

Bild 9Seite VI des In-haltsverzeichnises der bdquoPreussische Ausfuumlhrung-An-weisung hellipldquo [7] im Inhaltsverzeichnis sind bdquoUnfallverhuuml-tungs-Vorschriften fuumlr Feuerwerkereildquo genannt (Hervorhe-bung durch Losert)

Bild 10Deckblatt und sect13 der Allgemeinen Vorschriften aus der Sammlung Die Unfall-Verhuuml-tungs-Vorschriften Hrsg Verband der deutschen Berufsge-nossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889 [10] (Her-vorhebung durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Bild 11 oben sect 69 UVV bdquoFa-briken zur Herstel-lung von Nitropulverldquo (1906) [11] unten sect 21 UVV bdquoAllge-meine Vorschriftenldquo (1907) [12]

1906

1907

sonen der Berufsgenossenschaft zusammen mit den staatlichen Stellen bei neuen Projekten wie bei der Untersuchung von Unfaumlllen aber auch bei der Ausbildung von Mitarbeitern dieser Betriebe bezuumlglich der im Sprengstoffgesetz geforderten Fachkunde

Die Erdungspflicht bei bdquoelektrisch erregbaren Fluumlssigkeitenldquo ndash wie sie in der oben erwaumlhnten Unfallverhuumltungsvorschrift von 1907 heiszligen ndash und die naheliegende Frage wie es dazu kam ist das Stichwort fuumlr den naumlchsten Schwerpunkt von Explosionen in der Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften Er ist verbunden mit dem Einsatz brenn-barer Fluumlssigkeiten in Handwerk und Industrie es handelt sich um Explosionen brennbarer Gase und Daumlmpfe Benzin als hervorragendes Loumlse-mittel wurde z B bei der chemischen Reinigung von Textilien eingefuumlhrt (Bild 13) ebenso bei der Knochenentfettung (Bild 14) Interessant ist dass in den beiden gezeigten Beispielen bewusst durch ein bdquogeschlossenes Systemldquo die Gefahren des manuellen Transports vermieden werden Bei der Waumlscherei wird dies durch die Verrohrung zwischen Lagertank und Waschmaschine sowie beim Destillationszyklus realisiert Im ersten Jahr-zehnt des 20 Jahrhunderts waren Explosionen in Waschmaschinen der chemischen Reinigung keine Seltenheit [16] Als Ursache wurden 1892 von Dr Richter Direktor einer groszligen Waumlscherei elek tro-statische Aufladungen erkannt die mittels einer Erhoumlhung der Leitfaumlhigkeit durch Zugabe von Magnesiumoleat zu verhindern waren was auch Eingang in die entsprechende UVV fand [17] Als Schutzmaszlignahmen wurden aber auch z B ein bdquoBenzinfeuerwarnerldquo (Bild 15) oder ein bdquoexplosi-onssicheresldquo Spuumllgefaumlszlig (Bild 16) propagiert dessen Deckel bei einer bdquoVerpuffungldquo im Inneren aufgeht und den Druckausgleich ermoumlglicht Durch einen Anschlag wird dafuumlr gesorgt dass anschlieszligend der Deckel wieder zufaumlllt und weiteren Luftzutritt ins Innere verhindert so dass der Loumlsemittelbrand mangels Sauerstoff erlischt Die Untersuchungen von Dr Richter zeigten 1906 dass ungeerdete Metallteile als Zuumlndquelle wirken koumlnnen was ndash wie bereits geschildert ndash im gleichen Jahr in den besonderen Vorschriften fuumlr Fabriken zur Herstellung von Nitropulver und im Folgejahr in den Allgemeinen Vorschriften der BG Chemie beruumlcksichtigt wurde

Die Thematik Zuumlndgefahren durch elektro-statische Aufladungen war 1937 Inhalt eines Forschungsauftrags der BG Chemie an die Chemisch-Technische Reichsanstalt [20] dessen Ergebnisse 1938 zum Entwurf eines bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo fuumlhrten das 1939 als Richtlinie 4 der BG Chemie [21] veroumlffentlicht wurde (Bild 17) Die Richtlinie 4 wurde fortge-schrieben es bestand weiter Forschungsbedarf

Bild 12 Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstoffen (Fas-sung 1940 Entwurf 1946 Fassung 194647 BGR 114 (ZH147) Fassung 011996 [13]) heute bdquoDGUV Regel 113-003ldquo

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

wie z B ein Auftrag zur Untersuchung stroumlmender Fluumlssigkeiten an PTB und TH Braunschweig durch die Firma Esso und die BG Chemie zeigt dessen Ergebnisse 1956 vorgetragen wurden [22] Vom Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossen-schaften wurde die Elektrostatik-Richtlinie der BG Chemie erst als ZH1200 dann als BG-Regel 132 [23] uumlbernommen 2009 fand sie Eingang ins staatliche Technische Regelwerk als TRBS 2153 [24] (Bild 18) die aktualisierte Fassung wird jetzt nach der aktuellen Novellierung von Betriebs-sicherheitsverordnung und Gefahrstoffverordnung als TRGS 727 veroumlffentlicht Die Uumlberarbeitung der Technischen Regel erfolgt im Kooperations-modell durch ein Expertengremium im Sachgebiet Explosionsschutz des Fachbereichs Rohstoffe und Chemische Industrie der DGUV

Der Fokus in der Regelsetzung lag hinsichtlich der Zuumlndquellen die die Explosionen ausloumlsen fruumlhzeitig auf dem elektrischen Bereich ndash und wie eben erwaumlhnt bei der Elektrostatik Dies zeigen z B die bdquoPolizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Explosionsschutz elektrischer Betriebsmittelldquo von 1943 [25] oder die bdquoVerordnung uumlber elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo von 1963 [26] Bei der BG Chemie gab es bis 1969 neben der erwaumlhnten Richtlinie 4 noch eine weitere Richtlinie die sich mit dem Explosi-onsschutz befasste Dies war die Richtlinie 11 mit dem vollstaumlndigen Titel bdquoRichtlinien fuumlr elektri-sche Anlagen in explosionsgefaumlhrdeten Betriebs-staumltten mit Beispielsammlung der BG Chemieldquo [27] Gemaumlszlig der Regelung in der Polizeiverord-nung legte die zustaumlndige Gewerbeaufsicht jeweils im Einzelfall den Umfang der Explosionsgefaumlhr-dung in den jeweiligen Raumlumen fest also auch in den Betriebsstaumltten der Unternehmen Mit der Beispielsammlung veroumlffentlichte die Berufsgenos-senschaft dazu in der Richtlinie 11 eine Bewer-tung konkreter Szenarien Auf der Achema 1973 stellte die BG Chemie ihren Messestand unter das Thema bdquoDer Explosionsschutz in der chemischen Industrieldquo Mittels der zugehoumlrigen Broschuumlre wurde auf der Messe erstmals der Entwurf fuumlr ein Gesamtkonzept vorgestellt das eine syste-matische Vorgehensweise zum Explosionsschutz beinhaltete und sich auszligerdem nicht mehr auf elektrische Zuumlndquellen beschraumlnkte 1976 wurden dann diese bdquoRichtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre mit Beispielsammlung mdash EX-RLldquo veroumlffentlicht [28] Der Regeltext der bdquoEX-RLldquo stellt die Grundlage fuumlr die heutige Reihe der Technischen Regeln TRBS 2152 ff TRGS 720 ff [29] dar die zugehoumlrige Beispielsammlung wurde seither vielfach aktuali-siert und erweitert und ist heute ein anerkanntes Hilfsmittel zur Zoneneinteilung

Der Blick in die Fruumlhzeit der Berufsgenossen-schaften zeigt noch einen weiteren Schwerpunkt

Bild 13Benzinlagerung und Destillation in chemi-schen Waumlschereien (Martini amp Huumlneke Hannover) [14]

Bild 14Seltsamrsquos Verfahren zum Entfetten der Knochen [15]

Bild 15Benzinfeuerwarner System Richter amp Behm Karlsruhe [18]

Bild 16Explosionssicheres Spuumllgefaumlszlig Rumsch amp Hammer Forst (Lausitz) [19]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

im Explosionsgeschehen die Staub-Explosionen die auch im Uumlbertagebereich fruumlhzeitig bekannt waren Die erste dokumentierte Staubexplosion findet sich in den Aufzeichnungen der Turiner Akademie der Wissenschaften am 14 Dezember 1785 wurde in Turin ein Lagergebaumlude durch eine Mehlstaubexplosion zerstoumlrt [30] Noch zur Gruumlndungszeit der Berufsgenossenschaften war allerdings umstritten ob Mehlstaub als solcher zur Explosion gebracht werden kann oder ob nicht eher Schwel- oder Faulgase ursaumlchlich fuumlr die Explosionen sind die in Muumlhlen immer wieder auftraten 1872 setzte der Verein zur Befoumlrderung des Gewerbefleiszliges in Preuszligen zusammen mit dem Verband deutscher Muumlller und Muumlhleninte-ressenten ein Preisgeld aus fuumlr den Nachweis der Ursachen die fuumlr Selbstentzuumlndungen und Braumlnde letztlich also auch fuumlr die Explosionen in Muumlhlen verantwortlich sind (Bild 19) [31]

Ein Beispiel fuumlr die vielseitigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften ist die Tatsache dass der Vorstand der Zucker-Berufsgenossenschaft 1926 die Uumlbersetzung und Veroumlffentlichung eines amerikanischen Werks uumlber Staub-Explosionen veranlasste und finanzierte (Bild 20)

Wenige Jahre vor dem 100-jaumlhrigen Beste-hen der Berufsgenossenschaften ereignete sich 1979 eine Explosion in einem Muumlhlenbetrieb in Deutschland bei der 14 Tote 17 Schwerverletzte mehr als 100 Millionen D-Mark Sachschaden und ein Jahr Produktionsausfall zu beklagen waren Bei der Untersuchung des Vorkommnisses wurden zu den Ursachen und zum Ablauf folgendes ermit-telt Zwischenspeichergebaumlude und Mehlspeicher lagen in zwei benachbarten Gebaumluden die uumlber eine Bruumlcke miteinander in Verbindung standen und in beiden Gebaumluden hatten sich Mehlstaub-ablagerungen gebildet Als es zu einem Brand im Probenlagerraum des Zwischenspeichergebaumludes kam wurde dadurch Staub im ebenfalls dort befindlichen Zwischenlager aufgewirbelt Der Brand griff ndash beguumlnstigt durch Deckenoumlffnungen fuumlr Foumlrdereinrichtungen ndash auf das Zwischenla-ger uumlber so dass dort der aufgewirbelte Staub explodierte Durch die Druckwelle dieser Explo-sion wurde unverbranntes Mehl uumlber die Bruumlcke vor der Flammenfront hergeschoben und so die Explosion durch die Verbindungsbruumlcke in den Verpackungsbereich des Mehlspeichers uumlbertra-gen Dies aumluszligerte sich dadurch dass im Verpa-ckungsbereich ein groszligvolumiges Mehlstaub-Luft-Gemisch durch Flammenstrahl gezuumlndet wurde was eine ausgepraumlgte Raumexplosion zur Folge hatte Dabei wurden die tragenden Waumlnde zerstoumlrt und der siebengeschossige Mehlspeicher stuumlrzte ein Infolge weiterer Explosionsuumlbertragung ndash durch Uumlbergaumlnge Durchfuumlhrungen Foumlrder- und Entstaubungsleitungen ndash traten in verschiedenen anderen Betriebsbereichen z B in den Silozellen

Bild 17 Entwurf des bdquoMerkblatts zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumltldquo von 1938 und gleichnamige Richtlinie Nr 4 der BG Chemie von 1941 [21]

Bild 18 BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo von 2003 [23] und TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektrostatischer Aufladungenldquo [24] von 2009 in der farbigen Fassung als Merk-blatt T 033 der BG RCI

Bild 19 Uumlber Mehl-Explosionen in Muumlhlen [31]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zahlreiche weitere Folge-Explosionen auf was zu der enormen Houmlhe des Gesamtschadens fuumlhrte

Diese Darstellung des Explosionsablaufs wurde mit einer Reihe anderer Explosionsereignisse in der Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo [33] aufgearbeitet und von der Internationalen Ver-einigung fuumlr soziale Sicherheit (IVSS) zu Schu-lungszwecken veroumlffentlicht Der IVSS gehoumlren in den verschiedenen branchenbezogenen Sektionen auch die deutschen Berufsgenossenschaften an Arbeitsgruppen zum Explosionsschutz bestanden sowohl in der Sektion Chemie wie in der Sektion Maschinen- und Systemsicherheit 2008 erfolgte ihr Zusammenschluss zu einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Die IVSS ist Herausgeber einer ganzen Reihe von Broschuumlren teils wenden sie sich mit Fachinformationen zum anlagentechni-schen Explosionsschutz eher an Hersteller und Betreiber teils sind sie mit leicht verstaumlndlichen Darstellungen eher fuumlr Unterweisungs- und Schu-lungszwecke gedacht

Auch wenn bereits vor dem zweiten Weltkrieg in der Staubbekaumlmpfungsstelle des Hauptverbands der gesetzlichen Unfallversicherung der Keimzelle des heutigen Instituts fuumlr Arbeitsschutz (IFA) Untersuchung von Staumluben hinsichtlich Explosi-onsgefahr durchgefuumlhrt wurden [34] hat doch die Muumlhlenexplosion von 1979 die zustaumlndige Berufs-genossenschaft (die jetzige Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe) veranlasst 1979 ein Staublabor und 1986 in Kappelrodeck ein Testgelaumlnde in Betrieb zu nehmen um selbst praxisnahe Versuche zum Staubexplosions-schutz durchzufuumlhren [35] Die BG RCI in der durch die Fusion 2010 die ehemalige BG Chemie aufgegangen ist veranlasst und foumlrdert ebenfalls Forschungsprojekte und kooperiert dabei mit der PTB der BAM der BGN bzw der FSA mit Hoch-schulen und anderen Forschungsstaumltten

Im Rahmen dieses Jubilaumlumsvortrags konnten die Aktivitaumlten die die Berufsgenossenschaften in ihren ersten Jahrzehnten unternommen haben um Explosionen in ihren Mitgliedsbetrieben zu ver-hindern nur schlaglichtartig beleuchtet werden Weil dies auszligerdem aus dem speziellen Blickwin-kel der Branche Chemie geschah kann dies also keine luumlckenlose objektive Darstellung sein Aber auch wenn sie unvollstaumlndig bleiben muss gehoumlrt wesentlich zum Thema dass auch die heutigen Aktivitaumlten der Berufsgenossenschaften zum Explosionsschutz angesprochen werden muumlssen ndash notwendigerweise erfolgt auch dies wieder aus meiner persoumlnlichen Sicht

Um ihre Kompetenzen zu buumlndeln haben die Unfallversicherungstraumlger auf der Ebene des Spitzenverbands DGUV-Fachbereiche (fruumlher als Fachausschuumlsse bezeichnet) eingerichtet die sich thematisch in Sachgebiete gliedern Diese Gremien sind zu den jeweiligen Themen durch Beratung

Bild 20 Deckblatt und Dank der Zucker-BG fuumlr die Uumlbersetzung Staub-Explosionen D Price und H Brown [32]

Bild 21 Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fachbereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (Hervorhebungen durch Losert) [36]

Bild 22Explosionsschutz-portal der BG RCI [37]

wesentliche Themenfelder

Links

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

Information und Regelsetzung uumlbergreifend fuumlr alle Unfallversicherungstraumlger aktiv Das Sachge-biet bdquoExplosionsschutzldquo ist im Fachbereich bdquoRoh-stoffe und chemische Industrieldquo angesiedelt In Bild 21 sind die wesentlichen Themenfelder abge-bildet in die das Sachgebiet untergliedert ist und zwei Links die den Benutzer zum Fachwissenpor-tal der BG RCI mit seinem Themenspektrum oder direkt zum Explosionsschutzportal wwwexinfode (Bild 22) weiterleiten

Das Explosionsschutzportal der BG RCI will einen schnellen Zugriff auf wesentliche Informa-tionen zum Explosionsschutz ermoumlglichen Unter dem Stichwort bdquoDokumenteldquo sind wichtige euro-paumlische und nationale Regelwerke wie die EX-RL mit Beispielsammlung (Bild 23) hinterlegt und koumlnnen heruntergeladen werden an gleicher Stelle findet sich aber auch die Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte (Bild 24) die regelmaumlszligig aktuali-siert wird

Von den Inhalten unter dem Stichwort bdquoEx-Schutz-Wissenldquo sollen drei Aspekte beispielhaft vorgestellt werden zu denen dort Informationen zu finden sind 1 Das Stichwort bdquoAktuelle Forschungldquo liefert

eine Uumlbersicht uumlber die von der BG RCI gefoumlrderten Projekte hinterlegt ist eine Projektbeschreibung bzw bei abgeschlosse-nen Projekten der Forschungsbericht Die Forschungsprojekte lassen sich grob in drei Gruppen gliedern sicherheitstechnische Kenngroumlszligen Zuumlndquellen mit einem aktuellen Schwerpunkt bei Elektrostatik und spezielle MaterialienVerfahrenAnlagen

2 Das Stichwort bdquoExpertenwissenldquo faumlchert sich in acht Einzelthemen des Explosionsschutzes auf zu denen die Inhalte der entsprechen-den Merkblaumltter mit bdquoAntworten auf haumlufig gestellte Fragenldquo hinterlegt sind

3 Unter dem Stichwort bdquoAus Unfaumlllen lernenldquo sind reale Unfallbeispiele analysiert die fuumlr eine breitere Leserschaft von Interesse sind weil die Schluumlsse aus Unfallhergang und -ursachen verallgemeinert werden koumlnnen oder jedenfalls uumlber den konkreten Einzelfall hinaus anwendbar sind Das in Bild 25 gezeigte Unfallszenario bdquoExplosion bzw Verbrennung bei Schweiszlig- oder Schneidarbeiten an alten Faumlssernldquo ist schon zu Beginn des letzten Jahr-hunderts aufgetreten entsprechende Unfaumllle werden mit leichten Variationen der Rand-bedingungen uumlber die Jahre hinweg immer wieder beschrieben

Lernen ist auch die Zielstellung einer Reihe von kurzen Videofilmen der BG RCI die unter dem Stichwort bdquoVideodownloadldquo eingestellt sind Sie sind in guter Qualitaumlt frei herunterladbar damit sie zu Schulungszwecken eingesetzt werden koumlnnen

Die BG RCI hat auch selbst ein Seminarangebot

Bild 23 Explosionsschutz-Regeln (EX-RL) DGUV Regel 113-001 auf dem Explosions-schutzportal der BG RCI wwwexinfode (Aumlnderung der Anordnung einzelner Elemente fuumlr die Vortragsfolie durch Losert)

Bild 24 Liste funktionsgepruumlfter Gaswarngeraumlte auf dem Explosionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

Bild 25 Aus Unfaumlllen lernen Toumldlicher Unfall beim Zertrennen eines Altoumllfasses Explo-sionsschutzportal der BG RCI wwwexinfode (Hervorhebungen durch Losert)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

zum Explosionsschutz das sich sowohl an ope-rative Fuumlhrungskraumlfte als auch an Ingenieure in den verschiedenen Funktionen richtet Daruumlber hinaus wird unter dem entsprechenden Stichwort auf externe Veranstaltungen zum Explosionsschutz hingewiesen

Der bdquoExinfo Newsletterldquo als modernes Medium das zielgerichtet nur Informationen zum Explo-sionsschutz bietet wird nach unserer Erfahrung sehr gut angenommen und hat inzwischen fast 7000 Abonnenten Er erscheint fuumlnfmal jaumlhrlich und weist auf wichtige Entwicklungen auf dem Gebiet des Explosionsschutzes hin Die aktuelle Ausgabe und das Archiv sowie die Moumlglichkeit zur Anmeldung bzw zum Abbestellen sind unter dem Stichwort bdquoExinfo Newsletterldquo zu finden

Mit dieser Darstellung sollte gezeigt werden ndash ohne es jeweils zu betonen ndash dass die Verhuumltung von Explosionen durch die Berufsgenossen-schaften naturgemaumlszlig durch Aktivitaumlten auf einer Reihe ganz unterschiedlicher Ebenen erfolgt Dazu gehoumlren Kontrolle und Aufsicht Beratung Regelsetzung Forschung und Unfallanalyse sowie Information und Schulung Diese Aktivitaumlten und Ebenen bedingen sich teilweise gegenseitig erfordern aber auch eine Vernetzung mit anderen Institutionen die auf dem Gebiet des Explosions-schutzes taumltig sind Auch die Besucher unseres Portals sollen neben den Informationen die wir fuumlr sie eingestellt haben weiterfuumlhrende Links zum Explosionsschutz finden Verweise auf kom-merzielle Dienstleister sind dort nicht vorhanden aber am Ende dieser Darstellung sollte verstaumlnd-lich geworden sein dass es kein Zufall ist dass die Bundesoberbehoumlrde PTB in der Linkliste des Explosionsschutzportals ganz oben steht

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Bundesarchiv Bild 146-2005-0057 Otto von Bismarck (heruntergeladen von Wikimedia Commons httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1645 Uhr)

[2] DHM amp DGUV SICHER ARBEITEN ndash 125 JAHRE GESETZLICHE UNFALLVERSICHE-RUNG IN DEUTSCHLAND 1885ndash2010 (als Datei bdquosicher-arbeitenpdf ldquo heruntergeladen von wwwdguvde am 21 Oktober 2015 1902 Uhr)

[3] DGUV Lernen und Gesundheit Die gesetzliche Unfallversicherung Arbeitsblatt 2 112010 (heruntergeladen von wwwdguvdelug am 21 Oktober 2015 1908 Uhr)

[4] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 31 Oktober 2015 1344 Uhr)

[5] Dinglers Polytechnisches Journal 1881 Band 241 Miszelle 2 S74 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj241mi241mi01_2 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[6] Wikimedia Commons (heruntergeladen von httpscommonswikimediaorg am 21 Okto-ber 2015 1841 Uhr)

[7] Preuszligische Ausfuumlhrungs-Anweisung zu sectsect 16 u ff der Reichs-Gewerbe-Ordnung betreffend Geneh-migung gewerblicher Anlagen in Guttentagsche Sammlung Preuszligischer Gesetze Nr 16 J Gutten-tag Verlagsbuchhandlung Berlin 1895

[8] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Vlg 1910 S 1030 (Fig 1)

[9] Protocoll zweite Sitzung des Genossenschafts-vorstands abgehalten in Frankfurt am Main am 28 April 1886 Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

[10] Die Unfall-Verhuumltungs-Vorschriften Hrsg Ver-band der deutschen Berufsgenossenschaften Carl Heymanns Verlag 1889

[11] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 4 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1906

[12] Die Unfallverhuumltungsvorschriften der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie 5 Auflage Carl Heymanns Verlag Berlin 1907

[13] Richtlinien uumlber das Vernichten von Sprengstof-fen Richtlinie Nr 5 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1940 fortgeschrieben als Entwurfsfassung 1946 Fassung 194647 weiter fortgeschrieben als ZH147 gingen uumlber in BGR 114 bdquoRegeln fuumlr Sicherheit und Gesund-heitsschutz beim Zerlegen von Gegenstaumlnden mit Explosivstoff oder beim Vernichten von Explo-sivstoff oder Gegenstaumlnden mit Explosivstoff (Explosivstoff-Zerlege- oder Vernichteregel)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ Januar 1996 (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-003)

[14] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1023 (Fig 73)

[15] Dinglers Polytechnisches Journal 1880 Band 238 S 321ndash322 (Fig 10 auf Tafel 25 httpdinglerculturehu-berlindearticlepj238ar238118 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[16] bdquoEine haumlufige Ursache der Explosionen in der Waschmaschine ist die Ansammlung statischer Elek-trizitaumlt ldquo Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[17] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTB-Bericht Ex-7 August 2015 S 4

[18] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 1017

[19] Unfallverhuumltungstechnik G Schlesinger Berlin Carl-Heymanns-Verlag 1910 S 813

[20] U von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeor-ganisationen PTBbericht Ex-7 August 2015 S 21

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Die ersten Explosionen in der Industrie

[21] Richtlinien zur Verhuumltung von Braumlnden und Explosionen durch statische Elektrizitaumlt Richtlinie Nr 4 der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1941

[22] TAB-Arbeit R Kassebarth 1957 S 28f [23] BG-Regel bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge

elektrostatischer Aufladungen (BGR 132)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ 2003

[24] TRBS 2153 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infol-ge elektrostatischer Aufladungenldquo GMBl Nr 1516 vom 9 April 2009 S 278 In der farbigen Fassung wortgleich veroumlffentlicht als Merkblatt T 033 bdquoVermeidung von Zuumlndgefahren infolge elektro-statischer Aufladungenldquo der BG RCI Jedermann Verlag Heidelberg

[25] Polizeiverordnung uumlber Schlagwetter- und Ex-plosionsschutz elektrischer Betriebsmittel vom 13101943

[26] bdquoVerordnung uumlber elektrische Anlagen in explo sionsgefaumlhrdeten Raumlumen (ExVO)ldquo vom 3081963

[27] bdquoRichtlinien fuumlr elektrische Anlagen in explo-sionsgefaumlhrdeten Betriebsstaumltten mit Beispiel-sammlungldquo Richtlinie Nr 11 der Berufsge-nossenschaft der chemischen Industrie letzte uumlberarbeitete Ausgabe 1969

[28] Richtlinien fuumlr die Vermeidung der Gefahren durch explosionsfaumlhige Atmosphaumlre (Ex-RL) mit Beispielsammlung der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie 1976 laufend fortgeschrie-ben gingen uumlber in BGR 104 bdquoExplosionsschutz-Regeln mit Beispielsammlung (EX-RL)ldquo des Fachausschuss bdquoChemieldquo der BGZ danach weitere Fortschreibung (aktuelle Bezeichnung DGUV Regel 113-001)

[29] TRBS und TRGS werden vom ABS bzw AGS erarbeitet und vom BMAS im Gemeinsamen Mi-nisterialblatt (GMBl) veroumlffentlicht Elektronische Versionen sind auf der Homepage der BAuA unter wwwbauade herunterladbar

[30] W Bartknecht Staubexplosionen Springer Verlag 1987 S 2

[31] Dinglers Polytechnisches Journal 1872 Band 206 Miscellen S 417ndash424 (httpdinglerculturehu-berlindearticlepj206ar206mi05 aufgerufen am 31 Oktober 2015 1445 Uhr)

[32] Staub-Explosionen D Price und H Brown Boston 1926 (dt Uumlbersetzung und Herausgabe in deutsch veranlasst durch die Zucker-Berufsgenos-senschaft)

[33] Broschuumlre bdquoStaubexplosionsereignisseldquo IVSS Sekti-on Chemie Heidelberg (2005)

[34] K Meffert Ein Jahrhundert BG-Forschung Berufsgenossenschaftliches Institut fuumlr Arbeits-schutz ndash BGIA Die BG 0505 S 242ndash247

[35] A Vogl Hier wird in die Luft geflogen Akzente 62006 Magazin fuumlr Arbeitssicherheit Gesund-heitsschutz und Rehabilitation (auf httpbgnde aufgerufen am 21102015)

[36] Site des Sachgebiets bdquoExplosionsschutzldquo des Fach-bereichs bdquoRohstoffe und chemische Industrieldquo der DGUV (wwwdguvdefb-rciSachgebieteexplosi-onindexjsp aufgerufen am 29042016 1242 Uhr)

[37] Explosionsschutzportal der BG RCI (wwwexinfode aufgerufen am 31 Oktober 2015 1803 Uhr)

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

1 Einleitung

1892 entdeckte Dr M M Richter Direktor der groumlszligten Waumlscherei in Hamburg dass die in den letzten Jahren in Benzinwaumlschereien aufgetretenen Braumlnde durch elektrostatische Entladungen ver-ursacht wurden 1906 entdeckte Richter dass die in den letzten Jahren in der chemischen und der Sprengstoffindustrie aufgetretenen Explosionen durch elektrostatische Entladungen von ungeer-deten Metallteilen ausgeloumlst wurden Fuumlr diese Entdeckungen erhielt Dr Richter eine Professur an der Universitaumlt in Karlsruhe

Die letztere Entdeckung war so wichtig dass noch im gleichen Jahr ungeerdete Metallteile an Geraumlten zur Sprengstoffherstellung in den Unfall-verhuumltungsvorschriften der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie fuumlr die Sprengstoffin-dustrie verboten wurden Ein Jahr spaumlter 1907 wurde diese Erkenntnis auch in die Neuauflage der Unfallverhuumltungsvorschriften fuumlr die chemische Industrie aufgenommen

Die notwendige Erdung isolierter Metallteile war etwas fundamental Neues so dass sich erstmals Fragen der Reichsregierung bezuumlglich des Arbeits-schutzes ergaben Man uumlberlegte hin und her und beauftragte schlieszliglich das Militaumlrversuchsamt in Berlin Ploumltzensee mit den diesbezuumlglichen Bera-tungen da dieses Amt die Reichsregierung bereits hinsichtlich der Handhabung von Sprengstoffen beriet und die neuen Erkenntnisse diesen Bereich betrafen

2 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

Die Erdung von ungeerdeten Metallteilen bei der Handhabung von Fluumlssigkeiten war aber auch fuumlr das 1889 gegruumlndete Militaumlrversuchsamt mit seinen vier Abteilungen Chemie Physik Metall und Sprengstoff voumlllig neu und so begann man die notwendige Fachkenntnis auf diesem Gebiet mit einem Forschungsvorhaben bdquoElektrostatische Aufladungen von Fluumlssigkeiten bei der Spreng-stoffherstellungldquo zu erlangen Das Vorhaben wurde von Dr Finger von der Abteilung Physik durchgefuumlhrt Parallel hierzu befasste sich Dr Fritz Lenze von der Abteilung Chemie mit dem Transport gefaumlhrlicher Guumlter insbesondere mit der Eisenbahn Ein weiteres Forschungsvorha-ben durchgefuumlhrt von Dr Erwin Bolleacute von der Abteilung Physik betraf den Blitzschutz von Sprengstoffanlagen

Weitere Forschungsvorhaben durchgefuumlhrt von Dr Franz Ritter von der Abteilung Physik betrafen Schadensfaumllle bei Gewehren und Munition sowie Sicherheit und Leuchtkraft von warnenden Licht-quellen Bezogen auf das gesamte Arbeitsgebiet war der Bereich Sicherheitstechnik im Militaumlrver-suchsamt jedoch nur eine Randaufgabe

Bild 1 zeigt eine Luftaufnahme des Militaumlrver-suchsamts um 1920 Von links nach rechts sieht man das Wohngebaumlude der Tegeler Weg (heute Kurt Schumacher Damm) das groszlige Gebaumlude mit der Abteilung Chemie und der Verwaltung dahinter die Gebaumlude der Abteilung Metall das Kraftwerk das Gebaumlude fuumlr die Abteilung Physik und ganz rechts die Gebaumlude fuumlr die Abteilung Sprengstoff

Der verlorene Weltkrieg fuumlhrte in der Nach-kriegszeit zu dem Befehl der Siegermaumlchte alle fuumlr das Militaumlr arbeitenden Aumlmter zum 141920 aufzuloumlsen Zum gleichen Zeitpunkt mussten die Laumlndereisenbahnen und die Laumlnderpostaumlmter zur Reichsbahn und Reichspost zusammengefasst und mit einem hohen Kredit zugunsten der Sieger-maumlchte versehen werden

Da das Deutsche Reich jedoch nach wie vor ein groszliges Beduumlrfnis nach einer beratenden Behoumlrde auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik besaszlig

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt und der Chemisch-Technischen Reichsanstalt 1907ndash1945Ulrich von Pidoll

Bild 1 Luftaufnahme des Militaumlrversuchsamts in Berlin Ploumltzensee um 1920

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

hatten der Reichsminister des Inneren Dr Theodor Lewald und der Direktor des Militaumlrversuchsamts Dr Emil Bergmann die Idee Gebaumlude und Perso-nal des Militaumlrversuchsamtes welches bisher der Heeresverwaltung unterstand vom Deutschen Reich zu uumlbernehmen und hieraus eine neue Behoumlrde mit dem unverfaumlnglichen Namen Chemisch-Technische Reichsanstalt als Gegenstuumlck zur Physikalisch-Tech-nischen Reichsanstalt zu gruumlnden

3 Explosionsschutz bei der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Am 141920 nahm die Chemisch-Technische Reichsanstalt (CTR) ihre Arbeit auf Die Auf-teilung in die vier genannten Arbeitsgebiete blieb unveraumlndert allerdings wurde das bishe-rige Nebenarbeitsgebiet Sicherheitstechnik und Arbeitsschutz jetzt zum Hauptaufgabengebiet Daruumlber hinaus gab es bis 1921 noch Auftraumlge der Siegermaumlchte auf dem Gebiet des Sprengstoffwe-sens Der neue Direktor der CTR war der fruumlhere Direktor Dr Emil Bergmann (1857ndash1922) welcher das Militaumlrversuchsamt bereits seit 1898 leitete

Der neue Arbeitsplan der CTR lautete 1920

Gutachten und Regelsetzung auf dem Gebiet Unfallverhuumltung und Arbeitsschutz

Durchfuumlhrung von Pruumlfungen

Aufklaumlrung von Braumlnden und Explosionen

Uumlberwachung von Betrieben in Zusammenar-beit mit der Berufsgenossenschaft der chemi-schen Industrie

Schon ein Jahr nach Uumlbernahme der neuen Auf-gaben konnte Direktor Bergmann am 14101921 stolz verkuumlnden bdquoEs sind im vergangenen Jahre eine groszlige Zahl von Auftraumlgen vor allem auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung erledigt worden und auch fuumlr das naumlchste Jahr liegen zahlreiche Auf-traumlge von Reichs- und Staatsbehoumlrden vorldquo

Nachfolger von Direktor Bergmann wurde 1922 Dr Fritz Lenze bisher Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie Sein Nachfolger als Leiter der Abteilung fuumlr allgemeine Chemie wurde Dr Walther Rimarski (Bild 2) welcher seinerseits 1931 zum Direktor spaumlter Praumlsident der CTR befoumlrdert wurde und diese Position bis zur Aufloumlsung der CTR 1945 inne hatte Die einzelnen Abteilungen der CTR hatten folgende Arbeitsgebiete

Die Abteilung fuumlr allgemeine Chemie C 1920 unter der Leitung von Dr Fritz Lenze befasste sich mit den sicherheitstechnischen Fragen die sich bei der Verwendung von Ethin-Sauerstoff-Mischungen zum Schweiszligen und Schneiden und bei der Handhabung von Zelluloid- und Filmmaterial ergaben

Die Abteilung fuumlr Sprengstoffe S 1920 unter der Leitung von Dr Hermann Kast beschaumlf-tigte sich mit der Ursache von Explosionsun-gluumlcken und der Befoumlrderungs- und Handha-bungssicherheit von chemischen Produkten

Die Abteilung fuumlr Metallchemie und Metall-schutz M 1920 unter der Leitung von Dr Emil Maaszlig befasste sich mit der Korrosion von Metallen und der Wirksamkeit von Korro-sionsschutzmaszlignahmen und war Pruumlfstelle fuumlr die bei der Reichsbahn und Reichspost verwendeten Anstrichmittel

Die Abteilung fuumlr Physik P 1920ndash1939 unter der Leitung von Dr Franz Ritter (Bild 3) beschaumlftigte sich mit Fragen der Unfall-verhuumltung auf dem Gebiet der Gas- und Benzin-Explosionen und war auszligerdem fuumlr das Beschusswesen mit Handfeuerwaffen zustaumlndig

Dr Franz Ritter (Bild 3) ein gelernter Ballisti-ker war 1904 in die Abteilung Physik des Mili-

Bild 2 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945

Bild 3 Dr Franz Ritter geboren 1874 1920ndash1939 Leiter der Abteilung Physik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

taumlrversuchsamts eingetreten Diese Abteilung beschaumlftigte sich urspruumlnglich ausschlieszliglich mit Fragen der Ballistik Ab 1907 wurden er und seine Kollegen auch mit Fragen des Arbeitsschutzes konfrontiert

1920 wurde er als Nachfolger von Dr R Scholz mit der Leitung der Abteilung fuumlr Physik betraut Im Alter von 46 Jahren musste Dr Ritter somit vom reinen Ballistiker zum Sicherheitstechni-ker umschulen Erschwerend kam hinzu dass es hierfuumlr keine Vorbilder und Veroumlffentlichungen gab und er somit voumllliges Neuland betrat

Dieses Problem loumlste Dr Ritter dadurch dass er nach der Abarbeitung von Aufgaben fuumlr die Siegermaumlchte erst einmal Forschungsaufgaben auf dem neuen Gebiet annahm Die erhaltenen For-schungsergebnisse haben dann dazu gefuumlhrt dass Pruumlfungen von Produkten erforderlich wurden und auszligerdem Regeln fuumlr die Beherrschung der erkannten Gefahren erstellt werden mussten Diese drei Standbeine Forschung Pruumlfung und regelset-zende Gremienarbeit bilden auch heute noch die Standbeine der Nachfolgeorganisationen der CTR

Mitarbeiter der Abteilung P waren 1927 Dr Erwin Bolleacute Dr Finger (Stellvertreter von Dr Ritter) Dr Fischer Dr Karl Fricke und Dr Fried-rich vom Berg Spaumlter kamen hinzu Dr Beyer Dr Konschak Dr Wilhelm Schneider Dr Tanne und seit 1935 Dipl Ing Karl Nabert (Bild 4)

Die allerersten Forschungsarbeiten von Dr Ritter betrafen die Messung kurzer Zeitintervalle sowie die Lichtstaumlrke von Lichtsignalen zur Verhinderung von Eisenbahnungluumlcken 1921 kamen hinzu

Blitzschutz explosionsgefaumlhrdeter Betriebe

Neuregelung der Pruumlfung von Handfeuerwaffen

Pruumlfung der Zuverlaumlssigkeit von Zuumlndschnuumlren durch Roumlntgenstrahlung

Zuumlndung elektrischer Zuumlnder durch Streustroumlme

Explosionsmoumlglichkeit von Ammoniak-Luft-Gemischen

Gerade um das letzte Vorhaben hatte Dr Ritter sehr gekaumlmpft da er aufgrund des Ablaufs einer kuumlrzlich erfolgten Explosion in einem Duumlngemit-telwerk vermutete dass Ammoniak-Luft-Gemi-sche zuumlndfaumlhig sein muumlssen Dies wurde bisher von allen Experten vehement bestritten

Zum Nachpruumlfen seiner Vermutung konstruierte Dr Ritter eine spezielle Apparatur zur Bestim-mung der Explosionsgrenzen Er konnte hierdurch belegen das Ammoniak-Luft-Gemische zwischen 17 Vol- und 27 Vol- Ammoniak explosionsfaumlhig sind

Dieser Erfolg brachte Dr Ritter ein hohes Ansehen auf dem Gebiet der Bestimmung sicher-heitstechnischer Kenngroumlszligen ein und fuumlhrte ab 1927 zu zwei neuen Arbeitsbereichen

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen und

Staubexplosionsschutz

mit zahlreichen Folgeauftraumlgen So wurden z B 1928 und 1936 die Dampfdruumlcke Flammpunkte und die untere Explosionsgrenze von Mineraloumll-produkten bestimmt Im Laufe der naumlchsten 23 Jahre entstand aus diesen und den Folgeauftraumlgen eine umfassende Handkartei sicherheitstechni-scher Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe

1923 begann Dr Ritter mit der Fortfuumlhrung der bereits fruumlher begonnenen Untersuchung der Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen So wurden z B beim Stroumlmen von Kraftstoff durch Rohre bei Stroumlmungsgeschwindigkeiten bis 4 ms keine gefaumlhrlichen Aufladungen beobachtet

1925 beantragte die Firma Berger Werke in Berlin die Pruumlfung von Davysieben welche die Fortpflanzung der Explosion eines Benzin-Luft-gemischs vom Anschlussrohr in einen Benzinla-gertank verhindern sollen Diese Pruumlfung noch in Form eines Briefs dokumentiert bildete die Initial-zuumlndung fuumlr weitere Pruumlfungen auf diesem Gebiet So wurden ab 1927 Siebe als Flammenruumlckschlag-sicherungen fuumlr Gasleitungen und Benzintanks und spaumlter auch Tauchtoumlpfe Kiestoumlpfe Fuszligventile sowie Peilrohrsicherungen gepruumlft und von 1928 bis 1933 Untersuchungen uumlber die Notwendig-keit von Tanksicherungen fuumlr Benzinlagertanks durchgefuumlhrt

Seit 1929 wurden auszligerdem Benzin- Koch- und Heizgeraumlte auf ihre Explosionssicherheit gepruumlft Hierzu wurde auch seit Januar 1930 eine Handkar-tei mit Zeitungsausschnitten von Unfaumlllen dieser Geraumlte angelegt

Am 2241931 tagte erstmals der Ausschuss fuumlr den Verkehr mit brennbaren Fluumlssigkeiten in dem

Bild 4 Dipl-Ing Karl Na-bert geboren 1906

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Explosionsschutz im Militaumlrversuchsamt

die Reichsregierung zwei Sitze hatte Diese wurden an die Leiter der Abteilungen C Dr Bernhard Pleus und P Dr Franz Ritter delegiert Bereits auf der ersten Sitzung erklaumlrte Dr Ritter sich bereit bisher unklare Sachverhalte durch Experimente an der CTR aufzuklaumlren

Als Folge davon wurde 1932 in der Abteilung P eine Pruumlfstelle fuumlr die Pruumlfung von Tanksiche-rungsgeraumlten eingerichtet welche 1939 auf Leuch-ten und elektrische Maschinen erweitert wurde Diese Pruumlfstelle wurde intern als Unterabteilung P2 das Pruumlflaboratorium Explosionsschutz bezeichnet Mit der Durchfuumlhrung der Pruumlfarbei-ten wurde Dr Karl Fricke betraut

Die zunehmende Arbeit im Pruumlflaboratorium fuumlhrte dann dazu dass 1935 Dipl-Ing Karl Nabert (Bild 4) als weiterer Mitarbeiter in P2 eingestellt wurde und von Dr Franz Ritter persoumlnlich eine gruumlndliche Ausbildung im Explosionsschutz elekt-rischer und nichtelektrischer Betriebsmittel erhielt Nabert ersetzte ab 1935 Dr Ritter in allen Gremien waumlhrend zum gleichen Zeitpunkt Dr Fricke die Nachfolge von Dr Pleus in dessen Gremien uumlber-nahm Das Duo FrickeNabert sollte die naumlchsten Jahre die Pruumlf- und Gremienarbeiten der CTR im Explosionsschutz dominieren und fast alle Aktivitauml-ten gemeinsam unternehmen

Schon bald wurde die Abteilung P2 weiter in P2a (Gase und Benzindaumlmpfe) geleitet von Dr Karl Fricke und P2b (Staumlube) geleitet von Dr Friedrich vom Berg aufgeteilt

Folgende spaumltere Forschungsaktivitaumlten sind belegt die alle von Karl Nabert durchgefuumlhrt wurden

Messung der Explosionsfaumlhigkeit von Benzol-Luft-CO2-Gemischen bei verschiedenen Anfangsdruumlcken 1937

Loumlschversuche von diversen Braumlnden1939ndash1944

Auswirkung von Kurzschluumlssen in Kabelkaumlsten 1941

Bereits in den 1930er-Jahren wurde uumlber elek-trostatisch bedingte Unfaumllle berichtet Hieraus resultierte mit Schreiben vom 29121937 ein For-schungsauftrag der Berufsgenossenschaft der che-mischen Industrie mit folgenden Fragestellungen

Wann ist ein elektrostatischer Funke zuumlndwirksam

Gibt es auch zuumlndwirksame Entladungen von Nichtleitern und Fluumlssigkeiten

Ab welcher Luftfeuchte werden elektrostatische Aufladungen unterdruumlckt

Welches Schuhwerk ist im Ex-Bereich geeignet

Welche leitfaumlhigen Schmiermittel gibt es oder braucht man sie uumlberhaupt

Mit den Untersuchungen wurde wieder einmal Karl Nabert betraut Die Zuumlndversuche mit elek-trischen Funken wurden von der Firma Siemens-Schuckert durchgefuumlhrt Bei diesen Zuumlndversu-chen wurde erstmals die statistische Streuung der Zuumlndwirksamkeit von Entladungen erkannt

Die erhaltenen Ergebnisse wurden mit Dr Helmuth Freytag von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie diskutiert und als sie-benseitiger Entwurf der Richtlinie Nr 4 bdquoStatische Elektrizitaumltldquo dem ersten Regelwerk hinsichtlich der Vermeidung von Zuumlndgefahren durch statische Elektrizitaumlt veroumlffentlicht (Bild 5)

1941 erschien dann die erste verbindliche Version der Richtlinie Nr 4 die sich von der fruumlheren Version durch Ergaumlnzung eines kurzen Abschnitts uumlber das Spritzlackieren und einige sprachliche Verbesserungen unterschied

Seit Erscheinen der VDE 0165 im Jahre 1935 war bekannt dass in explosionsgefaumlhrdeten Berei-chen elektrische Betriebsmittel eingesetzt werden koumlnnen wenn durch geeignete Konstruktion des Gehaumluses hohe zuumlndwirksame Oberflaumlchentempe-raturen und ein Eindringen des Brennstoffs in das zuumlndquellenhaltige Gehaumluse verhindert wird Letz-tere Maszlignahme ist zwar fuumlr Staumlube relativ einfach realisierbar nicht aber fuumlr Gase und Daumlmpfe

Aus diesem Grund wurde 1938 in der Elek-trotechnischen Zeitschrift unter Mitarbeit von Dr Karl Fricke und Karl Nabert ein erster Entwurf einer VDE 0171 veroumlffentlicht welcher geplante Vorschriften fuumlr elektrische Betriebsmittel mit speziellen Schutzarten fuumlr gasexplosionsgefaumlhrdete Bereiche beinhaltete

Bild 5 Entwurf des ersten Regelwerks be-zuumlglich bdquoStatischer Elektrizitaumltldquo 1939

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Auszliger der BVS die bisher ausschlieszliglich fuumlr den Bergbau zustaumlndig war gab es jedoch keine weitere behoumlrdlich anerkannte Pruumlfstelle fuumlr den Explo-sionsschutz im Deutschen Reich Aufgrund der Berufung der CTR zur anerkannten Pruumlfstelle fuumlr Tanksicherungsgeraumlte bestand jedoch kein Zweifel daran dass die CTR eine behoumlrdlich anerkannte unabhaumlngige Pruumlfstelle im Bereich Explosions-schutz auszligerhalb des Bergbaus war

Die Folge waren 1939 die ersten Pruumlfantraumlge fuumlr elektrische Betriebsmittel wie elektrische Leuch-ten Transformatoren Geraumlte und Maschinen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auszligerhalb des Bergbaus und 1943 eine Pruumlfpflicht dieser Geraumlte bei der CTR (Bild 6)

Die Bearbeitungsdauer der Pruumlfung eines Elektromotors hinsichtlich druckfester Kapselung (Bild 7) betrug 3 Monate Kriegswichtige Pruumlfun-gen wurden innerhalb von 2 Monaten abgeschlos-sen Die Pruumlfkosten fuumlr eine derartige Pruumlfung betrugen pauschal 200 Reichsmark

4 Das Ende der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

In der Nacht vom 3 auf den 4 September 1943 gab es schwere Schaumlden an den Laboratorien der CTR durch feindliche Luftangriffe In der folgenden Zeit nahmen die Luftangriffe staumlndig an Intensitaumlt zu Man begann daher mit der Auslagerung von Labo-ratorien in die Provinz Dr Wilhelm Schneider seit 1939 Leiter der Abteilung P beschloss jedoch die Abteilung P in Berlin verbleiben zu lassen

Dennoch flohen Karl Nabert und Dr Karl Fricke im Februar 1944 mit mehr als 200 Aktenordnern in das fraumlnkische Dorf Waldsassen bei Bayreuth wo Frickes Familie wohnte Dort betrieben sie ihre Pruumlfstelle P2 als CTR Auszligenstelle Waldsassen 13a Waldsassen weiter Ihr Kollege Dr Friedrich vom Berg verblieb jedoch in Berlin und arbeitete ab 1953 wieder mit Karl Nabert zusammen

Der letzte Brief den sie in Waldsassen erhiel-ten war datiert vom 1421945 Danach floh Karl Nabert zu seinen Eltern nach Braunschweig

Nach der Eroberung Berlins durch sowjeti-sche Truppen besetzte Oberst Tscherlenkow die zerstoumlrte CTR (Bild 8) und ordnete an saumlmtliche Akten Aufzeichnungen und Buumlcher zu sammeln und zusammen mit allen Maschinen Apparaten und saumlmtlichem Laborbedarf zum Abtransport vorzubereiten

Nachdem alles sachgemaumlszlig geordnet registriert und zum Abtransport aufgeladen war erklaumlrte die Rote Armee am 3061945 die Taumltigkeit der Anstalt fuumlr beendet Dieser Befehl wurde am 1171945 in der Verordnung Nr 1 von den Westalliierten bestaumltigt

1959 wurden die verbliebenen Gebaumludereste der CTR gesprengt und die Truumlmmer abtransportiert Heute ist das ehemalige Gelaumlnde der CTR der Zentrale Festplatz in Berlin Immerhin gelang es CTR-Praumlsident Dr Walther Rimarski der sich bis zum Alter von 76 Jahren noch fuumlr seine Mitar-beiter einsetzte einen Groszligteil seiner Leute bei den spaumlteren Nachfolgebehoumlrden BAM und PTB unterzubringen

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nach-folgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Fach-verlag NW der Carl Schuumlnemann Verlag GmbH Bremen 2015

Bild 6 Erste VDE-Bestim-mung (01700171 1943) in der die Chemisch-Tech-nische Reichsan-stalt als Pruumlfstelle erwaumlhnt ist

Bild 7 Titelseite der Be-scheinigung der CTR fuumlr einen explosions-geschuumltzten Elektro-motor der Siemens-Schuckertwerke Berlin 1941

Bild 6 Die zerstoumlrten Gebaumlude der CTR 1947

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

Geschichte und Aufgaben der BAM im Explosionsschutz seit 1945 bis heute

Rainer Graumltz Thomas Schendler Volkmar Schroumlder

Dr Rainer Graumltz Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail rainergraetzbamde

Dr Thomas Schendler Abtei-lung bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM E-Mail thomasschendlerbamde

Dr Volkmar Schrouml-der Fachbereich bdquoGase Gasanlagenldquo der BAM E-Mail volkmarschroederbamde

1921 bis 1945 ndash Explosionsschutz in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt

Die Entwicklung der Bundesanstalt fuumlr Materi-alforschung und -pruumlfung (BAM) einer Bundes-behoumlrde unter dem Dach des Bundeswirtschafts-ministeriums ist eng mit dem Explosionsschutz verbunden Die Wurzeln des Explosionsschutzes in Deutschland liegen wie in auch in vielen anderen europaumlischen Laumlndern im Bergbau Gruben-Explosionen verursacht durch Methangas und Kohlenstaub fuumlhrten dazu dass man sich der systematischen Erforschung von Explosionsge-fahren zuwandte Mit dem Einsatz neuer Spreng-stoffe zum Ende des 19 Jahrhunderts haumluften sich die Schlagwetter-Explosionen und in Preuszligen wurde eine staatliche bdquoSchlagwetterkommissionldquo [1] berufen Erste Bergbauversuchsstrecken zur Tauglichkeitspruumlfung von Sprengstoffen entstan-den So wurde bereits 1894 fuumlr den Steinkohlen-bergbau im Ruhrgebiet in Dortmund-Derne eine groumlszligere Bergbauversuchsstrecke unter Leitung des Bergassessors Carl Beyling eingerichtet Eine weitere saumlchsische Bergbauversuchsstrecke mit dem Schwerpunkt Braunkohle wurde 1928 an der Bergakademie Freiberg in Betrieb genommen Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Braunkohlenbergbaus und den Explosions-gefahren die z B bei der Kohleverarbeitung in den Brikettfabriken bestanden entstand hier die Notwendigkeit sich mit Maschinen und Einrich-tungen fuumlr den Einsatz in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen speziell zu beschaumlftigen [2]

Parallel zu den Aktivitaumlten im Bergbau gab es zum Beginn des 20 Jahrhunderts in Deutschland auch Bemuumlhungen zur Gewaumlhrleistung der Sicher-heit in der sich schnell entwickelnden jungen chemischen Industrie So gab es bereits seit 1880 Bemuumlhungen zur Schaffung einer Reichsbehoumlrde die nach dem Vorbild der Physikalisch-Techni-schen Reichsanstalt (PTR) einerseits Aufgaben zur wissenschaftlichen Foumlrderung der Chemie haben sollte andererseits aber auch Regeln in der chemi-schen Sicherheitstechnik setzen konnte Waumlhrend Emil Fischer Walther Nernst und Wilhelm Ostwald eine chemische Reichsanstalt zur Foumlr-

derung der bdquonur mit groszligem Aufwand bestreit-barer wissenschaftlicher Aufgabenldquo forderten empfahl im Jahr 1908 Carl Alexander von Martius Gruumlnder der Aktiengesellschaft fuumlr Anilinfabri-kation (AGFA) die Einrichtung einer gewerblich technischen Reichsbehoumlrde bdquoJe mehr Wissenschaft und Technik im sozialen Leben an Bedeutung gewinnen um so mehr tritt das Beduumlrfnis hervor Normen zu schaffen die die gewerbliche Taumltigkeit zur vollen Entfaltung bringen andererseits aber die berechtigten Interessen des Publikums und der Individuen vor Beeintraumlchtigung bewahrenldquo [3] Von Martius erkannte bahnbrechend fuumlr die damalige Zeit dass die Akzeptanz neuer Techni-ken in der Bevoumllkerung entscheidend vom siche-ren Betrieb der Anlagen abhaumlngt

So wurde fuumlr die Foumlrderung der Forschung 1911 in Berlin-Dahlem das Kaiser-Wilhelm-Institut fuumlr Chemie gebaut Im Jahre 1920 folgte dann mit der Umwandlung des Militaumlrversuchsamtes die Gruumln-dung der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) in Berlin-Ploumltzensee Die CTR war eine nachgeordnete Behoumlrde des Reichsinnenministeri-ums und fuumlhrte u a chemisch-technische Unter-suchungen zur Unfallverhuumltung durch

Die damaligen Aufgaben der Reichsanstalt spie-gelten sich im Arbeitsplan von 1921 [3] wieder Hier heiszligt es im Teil 1 bdquoUntersuchungen auf dem Gebiet der Unfallverhuumltung und des Arbeitsschutzesldquo u a

Bild 1Hauptgebaumlude der Bundesanstalt fuumlr Materialforschung und -pruumlfung (BAM) in Berlin [4]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Grundlegende experimentelle chemische Untersuchungen

Versuche fuumlr die Ausarbeitung reichsgesetzli-cher Vorschriften fuumlr Herstellung Lagerung Befoumlrderung und Verwendung feuer- und explosionsgefaumlhrlicher Stoffe

Pruumlfung der Handhabungs- und Transport-sicherheit sowie der chem Bestaumlndigkeit von Bergwerkssprengstoffen Treibmitteln Zuumlnd-mitteln und feuergefaumlhrlichen Stoffen auch Flaschen mit komprimierten Gasen

Untersuchung von Zelluloid im Hinblick auf die Brand- und Explosionsgefahr

Uumlberwachung explosionsgefaumlhrlicher Betriebe

Aufklaumlrung von Unfaumlllen durch Braumlnde und Explosionen

Im Jahr 1921 kurz nach ihrer Gruumlndung wurde die CTR mit der Aufklaumlrung eines der groumlszligten Explosionsunfaumllle der bisherigen Industriege-schichte betraut Am 21 September 1921 wurde das neue Oppauer Werk der Badischen Anilin und Sodafabriken (BASF) von einer verheerenden Explosion verwuumlstet Uumlber 500 Menschenleben waren zu beklagen Werk und Umgebung wurden schwer zerstoumlrt Bei Lockerungssprengungen in einem Lagerhaus mit zusammengebacktem Ammonsalpeter war das Duumlngemittel explodiert

Herrmann Kast Leiter der Abteilung S bdquoSpreng-stoffeldquo der CTR uumlbernahm die Leitung bei der Aufklaumlrung des Unfalls und veroumlffentlichte 1924 in der Chemiker-Zeitung den Abschlussbericht

Fragen zur Sicherheitstechnik und zum Explo-sionsschutz wurden in der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg vorrangig in der Abteilung C fuumlr allge-meine Chemie bearbeitet Hier war es vor allem Walther Rimarski der als Abteilungsleiter und Vor-sitzender des Deutschen Acetylenvereins das sich schnell entwickelnde neue Gebiet bdquoAcetylen tech-nische Gase und Schweiszligtechnikldquo integrierte [3] 1937 wurde Rimarski Praumlsident der CTR und leitete die Reichsanstalt bis zu ihrer Aufloumlsung 1945

In der CTR wurden erstmals die im Explosions-schutz wichtigen sicherheitstechnischen Kenngrouml-szligen von brennbaren Gasen und Fluumlssigkeiten wie Explosionsgrenzen Flammpunkte Zuumlndtempera-turen usw systematisch untersucht und in Form einer Datei archiviert Vor dem 2 Weltkrieg war auch die CTR auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet worden und war als Nachfolgerin des Militaumlrver-suchsamtes waumlhrend des Krieges vorrangig fuumlr die Wehrmacht taumltig gewesen Wegen dieser Aufga-ben hatte die CTR auf Befehl der sowjetischen Besatzungsmacht 1945 ihre Taumltigkeiten einstellen muumlssen Am 1 August 1945 war dann der vom Magistrat in Berlin bestaumltigte Zusammenschluss des Materialpruumlfungsamtes mit der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in den Gebaumluden des Materialpruumlfungsamtes in Berlin-Dahlem erfolgt

Waumlhrend des Krieges war die Datei mit den fuumlr den Explosionsschutz erforderlichen sicherheits-technischen Kenngroumlszligen brennbarer Gase und Daumlmpfe in der CTR verloren gegangen Der ehe-malige Mitarbeiter der CTR Karl Nabert begann in der aus Berlin nach Braunschweig umgezogenen Physikalisch-Technischen Reichsanstalt die Daten erneut zusammenzustellen Bereits 1950 war ein Vorentwurf des Tabellenwerkes fertiggestellt und 1953 erschien die erste Auflage der bdquoSicherheits-technischen Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfeldquo [5] Das Tabellenwerk ermoumlglichte mit den sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen eine ein-heitliche Bewertung von Explosionsgefahren und bildete die stoffliche Grundlage fuumlr den Explosi-onsschutz in Regelwerken und Normen

Die Entwicklung der BAM seit 1945Die allgemeine Entwicklung der BAM nach 1945 ist im Folgenden stichpunktartig beschrieben

1945 MPA und CTR werden unter Betreuung durch den Magistrat von Berlin zusammengefasst

1954 MPACTR werden als Bundesanstalt fuumlr mechani-sche und chemische Materialpruumlfung (BAM) ndash

Bild 2 Oppauer Loch ndashverwuumlstetes Werk der BASF nach der Explosion von Duumln-gemitteln im Jahr 1921 [6]

Bild 3 Dr Walther Rimar-ski (1874ndash1963) Praumlsident der CTR 1931ndash1945 [7]

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

ab 1956 Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung ndash von der Bundesrepublik Deutschland uumlbernommen Die BAM wird zusaumltzlich mit der Wahrnehmung amtlicher Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin beauftragt

1956 Erlass zur Namensaumlnderung in Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung (BAM)

1969 Die BAM wird durch das Gesetz uumlber explosions-gefaumlhrliche Stoffe (Sprengstoffgesetz) Bundesober-behoumlrde bei der Gesetzesnovellierung 1986 wird der Begriff Forschung in den Namen der BAM aufgenommen

1975 Durch das Gesetz uumlber die Befoumlrderung gefaumlhrli-cher Guumlter werden der BAM weitere Aufgaben im Bereich der oumlffentlichen technischen Sicherheit uumlbertragen

1987 Namensaumlnderung zur Bundesanstalt fuumlr Material-forschung und -pruumlfung (BAM)

1990 Mit der deutschen Vereinigung wird entsprechend einer Empfehlung des Wissenschaftsrates die Funktion der BAM als chemisch-technische Bun-desanstalt verstaumlrkt Dazu wird Personal des auf-geloumlsten Amtes fuumlr Standardisierung Messwesen und Warenpruumlfung (ASMW) und der aufgeloumlsten Akademie der Wissenschaften der DDR einge-stellt Die amtlichen Materialpruumlfungsaufgaben fuumlr das Land Berlin werden schrittweise aufgegeben

2006 Nach weiteren externen Evaluierungen (u a durch den Wissenschaftsrat) wird das Profil der BAM als Ressortforschungseinrichtung der Bundesre-publik Deutschland fuumlr Sicherheit in Technik und Chemie weiterentwickelt

Heute ist die BAM ein Wissenschaftsinstitut mit ca 1600 Mitarbeitern und einem Etat von etwas mehr als 100 Millionen Euro im Jahr Die Arbeits-inhalte sind bestimmt vom gesellschaftlichen Auftrag der Gewaumlhrleistung von Sicherheit in Technik und Chemie Die BAM arbeitet fuumlr eine ausgepraumlgte Sicherheitskultur in Deutschland und fuumlr Sicherheitsstandards die auch in Zukunft houmlchsten Anforderungen genuumlgen Damit setzt sie weltweit Standards fuumlr Sicherheit auch unter dem Gesichtspunkt bdquoSicherheit macht Maumlrkteldquo

Explosionsschutz in der BAM

Der Explosionsschutz ist im Wesentlichen in der Abteilung 2 bdquoChemische Sicherheitstechnikldquo der BAM beheimatet Kernkompetenz der Abteilung und damit der BAM ist im Wesentlichen die Untersuchung und Bewertung

von gefaumlhrlichen Stoffen und Guumltern von gefaumlhrlichen chemischen Reaktionen von Verfahren Anlagen Anlagenteilen und

Sicherheitseinrichtungen fuumlr den Umgang mit gefaumlhrlichen Stoffen und Stoffsystemen

Der stoffliche Schwerpunkt liegt seit der Zusam-menfuumlhrung von MPA und CTR im Bereich der (Technischen) Gase sowie den festen und fluumlssigen explosionsfaumlhigenexplosiven Stoffen einschlieszlig-lich der brennbaren Staumlube

Als ein Teilgebiet der physikalisch-chemischen Sicherheitstechnik kann man den Explosionsschutz als die Summe der Schutzmaszlignahmen bei unge-wollten Oxidationsreaktionen mit nachfolgendem Anstieg von Temperatur und Druck betrachten Im klassischen Sinn werden dabei atmosphaumlrische Bedingungen mit dem Oxidationsmittel bdquoLuftldquo betrachtet im erweiterten Sinn aber auch Bedingun-gen in geschlossenen Systemen bei nichtatmosphaumlri-schen Bedingungen Explosionsschutz erstreckt sich daher von den stofflichen Eigenschaften uumlber die Gemischausbreitung die Zuumlndquellenbeherrschung und Begrenzung der Explosionsauswirkungen die Beschaffenheitsanforderungen an Geraumlte Schutz-systeme und Anlagen bis hin zu den Betriebsvor-schriften der Anlagensicherheit und des Transports gefaumlhrlicher Guumlter

Arbeitsteilung mit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Aufgrund der historischen Entwicklung werden die Grundlagen des Explosionsschutzes heute mit einer sinnvollen Aufgabenteilung in beiden Bundesan-stalten bearbeitet Die Arbeiten erfolgen in enger Abstimmung im Rahmen des gemeinsamen Arbeits-schwerpunktes bdquoPhysikalisch-Chemische Sicher-heitstechnikldquo In der PTB werden schwerpunktmauml-szligig Fragen des elektrischen Explosionsschutzes elektrische und mechanische Zuumlndquellen sowie Fragen zum Umgang mit brennbaren Fluumlssigkeiten bearbeitet in der BAM brennbare Gase und Staumlube Daruumlber hinaus ist die Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik als Ganzes also auch gefaumlhrliche chemische Reaktionen und Sprengstoffe Schwer-punktaufgabe der BAM Diese Aufgabenteilung zwischen BAM und PTB hat sich seit vielen Jahren gut bewaumlhrt Die entsprechenden Bereiche beider Institutionen stellen somit die Nachfolgeeinrichtun-gen der ehemaligen CTR dar

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen

Wichtige Grundlage fuumlr die Ermittlung und Bewertung des Risikos von Explosionen sowie die Auswahl und Auslegung von Explosions-schutzmaszlignahmen sind Kenntnisse relevanter sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen sowie ihrer Abhaumlngigkeiten insbesondere von Druck und Temperatur Die Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen erfolgt in BAM und PTB ebenfalls arbeitsteilig Die PTB konzentriert sich dabei auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brenn-bare Fluumlssigkeiten und Daumlmpfe die BAM auf die Ermittlung von Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase und Staumlube

In der BAM werden folgende sicherheitstechni-sche Kenngroumlszligen fuumlr brennbare Gase ermittelt

Explosionsgrenzen

Sauerstoffgrenzkonzentration

Zuumlndtemperatur

Mindestzuumlndenergie

Normspaltweite

Explosionsdruck und

Explosionsdruckanstiegsgeschwindigkeit

Fuumlr diese Untersuchungen stehen verschiedene Apparaturen zur Verfuumlgung die es ermoumlglichen diese Kenngroumlszligen sowohl fuumlr atmosphaumlrische Bedingungen als auch fuumlr erhoumlhte Anfangsbedin-gungen (Druumlcke bis 500 bar und Temperaturen bis 300 degC) zu bestimmen

Fuumlr brennbare Staumlube in abgelagerter und auf-gewirbelter Form werden im Fachbereich 22 die sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen bestimmt Es handelt sich dabei um die

Selbstentzuumlndungstemperatur und

die Mindestzuumlndtemperatur des abgelagerten Staubes (Glimmtemperatur)

sowie um die

untere Explosionsgrenze

die Sauerstoffgrenzkonzentration

die Mindestzuumlndenergie

die Zuumlndtemperatur

den maximalen Explosionsdruck und

den maximalen zeitlichen Druckanstieg bzw KSt-Wert

fuumlr aufgewirbelte Staumlube

Fuumlr die Bestimmung dieser Groumlszligen sind verschie-dene Explosionsapparaturen (20-Liter und 1-m3) sowie eine modifizierte Hartmann-Apparatur der BAM-Ofen und ein Godbert-Greenwald-Ofen verfuumlgbar

In der gemeinsam von BAM PTB und DECHEMA gepflegten Datenbank CHEM-SAFE [8] werden die Kenngroumlszligen erfasst und auf einfache Art fuumlr Anwender verfuumlgbar gemacht Ein wesentliches Merkmal von CHEMSAFE ist dabei dass vor der Aufnahme der Stoffe in die Datenbank ein Bewertungsprozess durchgefuumlhrt wird der fuumlr eine besondere Verlaumlsslichkeit der abrufbaren Daten sorgt Die Datenbank enthaumllt bewertete sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von zurzeit 3600 brennbaren Fluumlssigkeiten Gasen und Staumluben und 810 Gemischen Diese Daten liegen nicht nur fuumlr atmosphaumlrische sondern auch fuumlr

Bild 5 Silo zur Untersuchung von Staub-Explosionen

Bild 4 Freiflaumlche fuumlr Deflagrations- und Detonationsversu-che in Rohren und Behaumlltern

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

nichtatmosphaumlrische Bedingungen vor In einem Tabellenbuch von BAM und PTB [9 10] das an die Arbeiten von Nabert Schoumln und Redeker [11] anknuumlpft sind die wichtigsten Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes in Buchform zusammengefasst worden Daruumlber hinaus stehen hier im Band 2 bdquoExplosion Regions of Gas Mixturesldquo Explosions-diagramme von Stoffsystemen vom Typ BrenngasInertgasOxidator zur Verfuumlgung die erweiterte Aussagen zur Inertisierung von explosionsfaumlhigen Gemischen gestatten

Explosionsschutzmaszlignahmen

Relativ kleine Explosionen koumlnnen oft durch nach-folgende Braumlnde und Versagen von Gebaumludestruk-turen zu groszligen Schaumlden fuumlhren Solche Ereignis-ketten und Folgeschaumlden sind vermeidbar wenn die beginnende Explosionsausbreitung innerhalb von Behaumlltern und anderen Umschlieszligungen beherrscht werden kann Technische Maszlignahmen die anlaufende Explosionen auf ein unbedenkli-ches Maszlig begrenzen sind zum Beispiel

Entkopplungsmaszlignahmen wie Flammensperren

explosionsdruckfeste Bauweise

Explosionsdruckentlastung

Explosionsunterdruumlckung

Die BAM beschaumlftigt sich in diesem Zusammen-hang speziell mit Fragen der Ausbreitung von Deflagrationen und Detonationen in Rohrleitun-gen der Druckentlastung von Gas-Explosionen und der Untersuchung von Staub-Explosionen und der Staubexplosionsentlastung

Die Untersuchung der Ausbreitung von Defla-grationen und Detonationen in Rohrleitungen erfolgt mit der Zielrichtung der Verbesserung der Grundlagen fuumlr die Auslegung und Pruumlfung von Flammendurchschlagsicherungen Schwerpunkt dieser Arbeiten sind einerseits Untersuchungen zum Umschlag von Deflagrationen zu Detona-tionen und andererseits zum Einfluss von Ein-bauten auf die Ausbreitung von Explosionen in Rohrleitungen

Die Entlastung von Gas-Explosionen ist ein Untersuchungsgegenstand dem sich die BAM seit einigen Jahren widmet Mit Explosionsdruckent-lastungseinrichtungen kann das Bersten von Appa-raten Behaumlltern und Rohrleitungen im Falle einer Explosion verhindert werden Ein Kernproblem fuumlr die Auslegung von Druckentlastungsflaumlchen ist die Beruumlcksichtigung von Turbulenz erzeugenden Einbauten

Weitere wichtige Schwerpunkte sind die Unter-suchung von Staub-Explosionen und die Staub-explosionsentlastung Etwa 80 Prozent aller Schuumlttguumlter sind brennbar Schuumlttgutbraumlnde sowie Staub-Explosionen treten deshalb in nahezu allen Industriezweigen sowie bei Transport Umschlag und Lagerung von Schuumlttguumltern auf Die Unter-suchung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen brennbarer Staumlube sowie ndash darauf aufbauend ndash die Anwendung von Maszlignahmen des Explosions-schutzes in Industrieanlagen dienen dem Schutz von Menschen Sachwerten und der Umwelt Zur Untersuchung dieser Themen stehen in der BAM neben Anlagen auf dem Stammgelaumlnde in Berlin-Lichterfelde auch Groszligversuchseinrichtungen auf dem bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheit (TTS)ldquo in Horstwalde (60 km suumldlich von Berlin) zur Verfuuml-gung Dort befindet sich ein Pruumlffeld zur Untersu-chung von Brand- und Explosionsgefahren

Die Versuchseinrichtungen auf dem Pruumlffeld umfassen im Einzelnen

Gebaumlude fuumlr Versuche mit Sauerstoff

Technikgebaumlude

Versuchsbunker mit Detonationsrohrstrecke

Freiflaumlche fuumlr Versuche mit Sauerstoff unter hohem Druck

Betonplatte fuumlr Explosionsversuche

Versuchsbunker

Beobachtungsturm

Siloversuchsstand

Rohrstreckenpruumlfstand

Bild 6 Teilansicht des Pruumlffeldes

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Das bdquoTestgelaumlnde Technische Sicherheitldquo der BAM hat ebenfalls eine jahrzehntelange Historie Schon die CTR nutzte dieses seit ca 1870 militauml-risch genutzte Gelaumlnde fuumlr entsprechende meist ebenfalls militaumlrische Groszligversuche So fuumlhrte auch Wernher von Braun seine ersten Raketenver-suche auf diesem Gelaumlnde durch Das Bild 7 gibt einen schematischen Uumlberblick uumlber die damalige Ausdehnung des Testgelaumlndes und entsprechende Nutzungsmoumlglichkeiten wieder

Mitarbeit in nationalen und internationalen Gremien des Explosionsschutzes

Als Ressortforschungseinrichtung der Bun-desregierung hat die BAM wie auch die PTB die spezifische Aufgabenstellung zwischen den Interessen der Wirtschaft und der Gesellschaft zu vermitteln Ein wesentlicher Bestandteil dieser Funktion ist die Beratung der Bundesregierung in sicherheitstechnischen Gremien Dazu gehoumlren u a der Ausschuss fuumlr Betriebssicherheit (ABS) und der Ausschuss fuumlr Gefahrstoffe (AGS) des Bundesministeriums fuumlr Arbeit und Soziales (BMAS) der Ausschuss Gefahrgutbefoumlrderung (AGGB) und der Gefahrgut-Verkehrs-Beirat beim Bundesministerium fuumlr Verkehr Bau und Stadt-entwicklung (BMVBS) sowie die Kommission fuumlr Anlagensicherheit (KAS) des Bundesministeriums fuumlr Umwelt Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) mit diversen Untergremien Vertreter der BAM arbeiten weiterhin in regelsetzenden

Gremien der Berufsgenossenschaften mit und beraten daruumlber hinaus auch die Gewerbe- und Marktaufsicht der Bundeslaumlnder sowie andere Behoumlrden aber auch Hersteller explosionsge-schuumltzter Geraumlte und Betreiber uumlberwachungs-beduumlrftiger Anlagen Auch im Explosionsschutz nimmt wie in vielen anderen Branchen die Bedeutung des internationalen Marktes immer mehr zu Auf Grund ihres groszligen Exportanteils sind insbesondere die deutschen Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus sehr stark vom globalen Handel mit technischen Produkten und Ingenieurdienstleistungen abhaumlngig Daher spielt die europaumlische und internationale Normung eine immer groumlszligere Rolle Wesentlich sind dabei die harmonisierten europaumlischen Normen die die Vermutung der Erfuumlllung bezuumlglich europaumlischer Richtlinien ausloumlsen Das betrifft fuumlr nichtelektri-sche Geraumlte Schutzsysteme und sicherheitstech-nische Kenngroumlszligen insbesondere die Normen von CENTC 305 bdquoExplosionsfaumlhige Atmosphaumlren ndash Explosionsschutzldquo mit ihrer Vermutungswirkung in Bezug auf die Richtlinie 949EG [12] Waumlhrend die Normen des elektrischen Explosionsschutzes inzwischen nahezu ausschlieszliglich auf IEC-Ebene erarbeitet werden beginnt dieser Prozess gerade im IECSC 31M bdquoNon-electrical equipment and protective systems for explosive atmospheresldquo das ISO-Normen auf diesem Gebiet erarbeitet [13] Mitarbeiter der BAM arbeiten in Zusammenarbeit mit Mitarbeitern der PTB auf allen Ebenen des Normungsprozesses in fachlichen und leitenden Funktionen mit Dabei werden von ihnen sicher-heitstechnische und technologische Grundsaumltze vertreten wie sie in Deutschland und Europa uumlber Jahre entwickelt wurden Damit werden auch die vielen klein- und mittelstaumlndischen Betriebe die sich selber nicht an der internationalen Normung beteiligen koumlnnen unterstuumltzt Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in PTB und BAM zu den Eigenschaften explosionsfaumlhiger Atmosphaumlren uumlber Zuumlndquellen sowie zum Ablauf von Explo-sions- und Detonationsvorgaumlngen unterstuumltzen als praumlnormative Forschung die Normungs-oder Regelwerksarbeiten oder bilden Grundlagen fuumlr technische Entwicklungen

Literatur- und Quellenverzeichnis

[1] Archive in Nordrheinwestfalen wwwarchivenrwde aufgerufen am 02052016

[2] A Paumlrnt IBExU ndash 80 Jahre Tradition im Explo-sionsschutz fuumlr Industrieanlagen Stahl Ex-Zeit-schrift 2009 S 13ndash19

[3] Walter Ruske 100 Jahre Materialpruumlfung in Berlin Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung Berlin 1971

[4] Bundesanstalt fuumlr Materialpruumlfung BAM

Bild 7 Das Testgelaumlnde Technische Sicher-heit um 1930

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte und Aufgaben der BAM

[5] K Nabert und G Schoumln Sicherheitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deut-scher Eichverlag Braunschweig 1953

[6] wwwchemieonlinedeforum aufgerufen am 11042016

[7] W Ruske G Becker H Czichos Die Chronik 1871ndash1996 Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 1996

[8] DECHEMA BAM und PTB CHEMSAFE eine Datenbank mit bewerteten sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen Frankfurta M Update 2011

[9] E Brandes und W Moumlller Safety Characteristic Data Volume 1 Flammable Liquids and Gases Wirtschaftsverlag NW Bremerhaven 2008

[10] M Molnarne Th Schendler und V Schroumlder Safety Characteristic Data Volume 2 Explosion Regions of Gas Mixtures Wirtschaftsverlag NW Bremer-haven 2008

Ex-5 L H Simon V Wilkens M BeyerZuumlndwirksamkeit von Ultraschall beim Einsatz in explosionsfaumlhigen Dampf- und Gas-Luft-Atmosphaumlren ndash Abschlussbericht zum DGUV-For-schungsprojekt Nr 617-0-FP303 und den PTB-Forschungsvorhaben FV-37010 und FV-3701134 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-145-5 2014 euro 1000

Ex-7 U von PidollExplosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen100 S 72 Abb 4 Tab ISBN 978-3-95606-192-9 2015 euro 1700

Ex-8 D Moumlckel M BeyerUntersuchung der Explosionsfaumlhigkeit organisch loumlsemittelfreier UV-Lacke in feinverspruumlhtem Zustand20 S 9 Abb 3 Tab ISBN 978-3-95606-208-7 2015 euro 850

E-104 Chr LeichtNicht-adiabatische Halbleitereinzelelektronenpumpe unter Magnetfeldeinfluss178 S 82 Abb 2 Tab ISBN 978-3-95606-152-3 2015 euro 2100

E-105 St Bauer J Meisner (Hrsg)HVDC ndash Erzeugung Messung und Anwendungen ndash Vortraumlge des 288 PTB-Seminars am 24 und 25 Februar 201552 S 58 Abb 9 Tab ISBN 978-3-95606-153-0 2015 euro 1200

E-106 Th Schrader J Melcher (Hrsg)Aktuelle Fortschritte von Kalibrierverfahren im Nieder- und Hochfrequenzbereich 2015 ndash Vortraumlge des 291 PTB-Seminars am 29 April 2015CD-ROM ISBN 978-3-95606-181-3 2015 euro 1500

Explosionsschutz

Elektrizitaumlt

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 Bremen | Tel +49(0)4 213 69 03-56 | Fax +49(0)4 213 69 03-63 Internet wwwschuenemann-verlagde | E-Mail buchverlagschuenemann-verlagde

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Explosionsschutz

[11] T Redeker und G Schoumln 6 Nachtrag zu Sicher-heitstechnische Kennzahlen brennbarer Gase und Daumlmpfe Deutscher Eichverlag Braunschweig 1990

[12] Richtlinie 949EG des Europaumlischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvor-schriften der Mitgliedstaaten fuumlr Geraumlte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemaumlszligen Verwen-dung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen vom 23 Maumlrz 1994 (ABl EG vom 19041994 Nr L 100 S 1 ABl EG vom 10101996 Nr L 257 S 44 ABl EG vom 26012000 Nr L 21 S 42) zuletzt geaumlndert am 29 September 2003 durch Anhang I Nr 8 der Ver-ordnung (EG) Nr 18822003 vom 29 September 2003 (ABl EU vom 31102003 Nr L 284 S 1)

[13] M Beyer H Bothe und T Schendler Physikalisch-Chemische Sicherheitstechnik und Explosi-onsschutz in PTB und BAM PTB-Mitteilun-gen 12011

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der Artikel beruht auf einem Vortrag zum PTB-Festkolloquium bdquo200 Jahre Explosionsschutzldquo am 9 November 2015 in der PTB Er behandelt im Schwerpunkt die Weiterfuumlhrung der Arbeiten der Chemisch-Technischen Reichsanstalt (CTR) auf dem Gebiet des Explosionsschutzes nach dem zweiten Weltkrieg bis Mitte der 1960er-Jahre und schlieszligt mit einer kurzen Uumlbersicht zur heutigen Bearbeitung der damaligen Aufgabengebiete [1] Die CTR wurde nach 1945 nicht fortgefuumlhrt sodass deren Aufgaben im Explosionsschutz brach lagen Die dringend erforderlichen Pruumlftaumltigkei-ten wurden in den Nachfolgeorganisationen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) der Physikalisch-Technischen Anstalt (PTA) wieder aufgegriffen und spaumlter in der Physikalisch-Tech-nischen Bundesanstalt (PTB) weitergefuumlhrt

Neuaufbau der PTR in Braunschweig

Die 1887 in Berlin gegruumlndete PTR war die Reichsoberbehoumlrde fuumlr die Ausfuumlhrung wissen-schaftlicher Untersuchungen physikalischer Art die einen hohen technischen Aufwand erforderten Im zweiten Weltkrieg wurden jedoch 1943 wegen der starken Bombardierung Berlins die PTR-Labo-ratorien in eine Zentrale in WeidaThuumlringen mit zahlreichen Zweigstellen ausgelagert

Anfang Mai 1945 erreichten amerikanische Combined Advanced Field Teams die PTR Zen-trale in Weida und schlossen sie am 1151945 Um Auseinandersetzungen mit der Sowjetunion zu vermeiden ndash schlieszliglich lag die PTR Zentrale in Weida in der sowjetischen Besatzungszone ndash wurde die PTR nicht demontiert sondern nur die groumlszligten Schaumltze und Wissenschaftler der PTR nach Heidelberg gebracht

Als die sowjetische Besatzungsmacht am 171945 in Weida einruumlckte wurde die Schlieszligung der PTR umgehend aufgehoben und im Fruumlhling 1946 die PTR-Zentrale Thuumlringen bis auf die Abteilung Maszlige und Gewicht vollstaumlndig demon-tiert und zum 161946 in Deutsches Amt fuumlr Maszlig und Gewicht (DAMG) umbenannt und als Oberbehoumlrde fuumlr die sowjetische Besatzungszone festgelegt

Der Praumlsident des DAMG Dr Wilhelm Steinhaus wenige Tage zuvor noch Leiter der gesamten PTR erteilte daraufhin am 461946 in zwei Schreiben an den Zonenbeirat fuumlr die britische Besatzungszone in Hamburg und den Laumlnderbeirat fuumlr die amerikanisch besetzten Laumlnder in Stuttgart der groumlszligten PTR Zweigstelle der PTR Zweigstelle Goumlttingen unter der Leitung von Dr Martin Gruumltzmacher selbststaumlndige Han-delsbefugnis fuumlr den Aufbau einer West-PTR fuumlr die westlichen Zonen

In Goumlttingen selbst war jedoch kein geeigne-tes Gelaumlnde vorhanden Hingegen fand man im benachbarten Braunschweig ein brauchbares Institut die Luftfahrtforschungsanstalt Hermann Goumlring Voumllkenrode Watenbuumltteler Holz (LFA) Diese war 1935 auf Befehl des Reichsluftfahrt-ministeriums (RLM) gegruumlndet worden Gegen Kriegsende waren rund 1500 Menschen bei der Anstalt beschaumlftigt davon etwa 150 Wis-senschaftler Das Institut fuumlr Motorenforschung unter der Leitung von Dr Ernst Schmidt war raumlumlich durch eine Straszlige vom restlichen Gelaumlnde der LFA getrennt

Am 1141945 hatte die US-Armee Braun-schweig-Voumllkenrode erreicht und auch die LFA besetzt Das 43 ha groszlige Gelaumlnde des Instituts fuumlr Motorenforschung war im Krieg praktisch unberuumlhrt geblieben Im Juli 1945 hatten die US-Truppen die LFA an die Briten uumlbergeben Nach Abschluss einiger ziviler Auftraumlge war der Wald zum groumlszligten Teil abgeholzt saumlmtliche Pruumlfeinrich-tungen demontiert oder gesprengt alle Maschinen und Kraumlne demontiert und das Straszligennetz zerfah-ren worden

Immerhin gab es noch funktionierende Dreh-strom- und Fernwaumlrmeanschluumlsse ein funkti-onierendes Wasserwerk M2 zwei unzerstoumlrte Verwaltungsgebaumlude M11 (mit Kantine Kuumlche Telefonzentrale) und M12 mit einem Notstrom-Batterieraum zwischen beiden Gebaumluden einen Keller M8 sowie eine demontierte Elektrozentrale M6

Trotz Mangel an Geld und dem Fehlen jeglicher Baumaterialien wurde dieses Gelaumlnde fuumlr den Wiederaufbau einer PTR fuumlr die amerikanische

Dr Ulrich von Pidoll Fachbereich bdquoGrundlagen des Explosionsschutzesldquo der PTB E-Mail ulrichvpidollptbde

Dr Michael Beyer Fachbereich bdquoGrund-lagen des Explosi-onsschutzesldquo der PTB E-Mail michaelbeyerptbde

Geschichte der PTB ndash von ihrer Neugruumlndung 1947 in Braunschweig mit Uumlbernahme von Arbeiten der CTR bis zur Gegenwart

Ulrich von Pidoll Michael Beyer

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

und britische Zone bereitgestellt Der verbliebene Teil der ehemaligen LFA wurde einer neugegruumln-deten Forschungsanstalt fuumlr Landwirtschaft FAL zugeteilt

Am 111947 begann die Arbeitsaufnahme der PTR in Braunschweig-Voumllkenrode mit dem Bezug des Kohlrausch-Baus (damals M11) und des Ohm-Baus (damals M12) und dem Wiederauf-bau der Hauptwerkstatt (damals M9) Im Verlauf des Jahres wurden vier Abteilungen (I Mechanik II Elektrizitaumlt III Waumlrme und Druck IV Optik) eingerichtet Diese Abteilungen waren weiter in Laboratorien aufgeteilt die typischerweise aus einem Wissenschaftler und einem Techniker bestanden Fuumlr Techniker und Schreibkraumlfte wurde Altpersonal der LFA wieder eingestellt

Wie kam der Explosionsschutz nach Braunschweig

Im Herbst 1947 wurde die Abteilung III einge-richtet und erhielt einige Raumlume im Kohlrausch-Bau (Bild 2) Etwa zu diesem Zeitpunkt erhielten vier leitende Herren der Mineraloumllwirtschaft Dr Clemens Dr Charpentier Herr Riemer und Herr Zachen die Nachricht dass die PTR in Braunschweig neu gegruumlndet wurde Als die Herren hierbei das Wort Braunschweig houmlrten kam ihnen spontan der Gedanke dass der ihnen bekannte Braunschweiger Karl Nabert (Bild 3) der bisher alle Explosionsschutzpruumlfungen fuumlr sie durchgefuumlhrt hatte ein Laboratorium in der PTR aufbauen koumlnnte das sich als zentrale Stelle mit den Fragen und Pruumlfungen zum Explosionsschutz befasst Ein solches Laboratorium war zwingend notwendig da es aufgrund der existierenden Vorschriften eine Pruumlfpflicht aber seit 1945 keine Pruumlfstelle mehr gab

Karl Nabert war ganz uumlberrascht als die vier Herren ploumltzlich vor ihm standen und erklaumlrte dann auch sofort dass er nichts sehnlicher wuumlnsche als auf einer festen Basis wieder aktiv werden zu koumlnnen Schnell war man sich einig dass Nabert ein Explosionsschutz-Laboratorium in der PTR aufbauen sollte Hierfuumlr stellten die vier auszligerdem 100 000 Reichsmark ndash mehr als zehn Mannmonate ndash fuumlr den Aufbau zur Verfuumlgung

Und so begannen Karl Nabert Dr Imma-nuel Weyer und Rudolf Jordan am 1111947 mit ihrer Arbeit in einem einzigen Raum im Kohlrausch-Bau Da sie jedoch ein erhebliches Pruumlfaufkommen erwarteten beschlossen sie den suumldlichen Anbau der alten Elektrozentrale M6 (Bild 4) wieder bewohnbar zu machen und in der Halle selbst Pruumlfstaumlnde aufzubauen

Die ersten Aufgaben umfassten die Pruumlfung von Elektromotoren Vergusskapselungen und Hand-lampen Zum damaligen Zeitpunkt waren bereits die Hauptzuumlndschutzarten Druckfeste Kapselung

Bild 1 Gelaumlndeplan der PTR Braunschweig bei Uumlbernahme

Bild 2 Ohm- und Kohlrausch-Bau der PTR Maumlrz 1951

Bild 3 Karl Nabert um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Oumllkapselung Fremdbeluumlftung und Erhoumlhte Sicherheit sowie die Sonderzuumlndschutzarten Sand-kapselung Vergusskapselung und Eigensicherheit bekannt

Leiter der Abteilung III war Dr Helmut Moser (Bild 5) der seit 1928 in der PTR-Abteilung III auf dem Gebiet der Temperaturskala arbeitete und mit dem Dienstwagen der PTR ein Opel Olympia 1938 uumlber Heidelberg-Handschuhsheim nach Braunschweig kam Die Leitung der damaligen PTR uumlbernahm Dr Martin Gruumltzmacher bisher Leiter des Fachbereichs Akustik der PTR Zweig-stelle Goumlttingen

Bereits 1947 beschloss die Abteilung II Elekt-rizitaumlt den Bau eines Maschinen-Laboratoriums fuumlr die Pruumlfung groszliger elektrischer Maschinen hinsichtlich Explosionsschutz Mit der Errichtung wurde Dr Wilhelm Baumlhre beauftragt doch war die Beschaffung groumlszligerer Maschinen und groumlszligerer Rohstoffmengen vorerst nicht moumlglich

Wenn auch die oumlrtlichen Instanzen der neu-gegruumlndeten PTR durchaus wohlwollend gegen-uumlber standen so lag doch der alliierte Beschluss einer Entmilitarisierung Deutschlands und des Verbots jeglicher Forschung drohend uumlber der neugegruumlndeten PTR Die Arbeitsbedingungen waren schlecht Nichts zu essen keine oumlffentlichen oder privaten Verkehrsmittel (dh typischerweise 45 Minuten Fuszligmarsch hin und 45 Minuten zuruumlck) und was man tagsuumlber muumlhsam aufgebaut hatte wurde oft nachts demontiert und gestoh-len Daruumlber hinaus gab es keinerlei verfuumlgbaren Wohnraum in Braunschweig sodass viele ange-worbene Altmitarbeiter wegen des Fehlens selbst temporaumlrer Quartiere absagen mussten

Immerhin standen der PTR damals ein grauer 1946er Volkswagen Standard dessen Heck zu einer Pritsche mit Plane umgebaut war fuumlr den Transport von Lasten und ein weiterer serienmauml-szligiger 1946er Volkswagen Standard sowie der Opel Olympia 1938 von der PTR Berlin fuumlr die Befoumlrde-rung von Personen zur Verfuumlgung

Trotz dieser widrigen Bedingungen wurden bereits 1947 die ersten elektrischen und nichtelek-trischen Betriebsmittel fuumlr den Einsatz in explosi-onsgefaumlhrdeten Bereichen gepruumlft und noch 1947 die erste Pruumlfung abgeschlossen Als wichtigstes Ziel der PTR fuumlr 1948 wurde festgelegt dass alle PTR-Mitarbeiter eine warme Mahlzeit taumlglich und weitere Lebensmittelzulagen zu den Lebensmittel-karten erhalten sollen

Neuaufbau der Explosionsschutz- Laboratorien ab 1948

Nach dem Umzug des Explosionsschutz-Laborato-rium aus dem Zimmer im Kohlrausch-Bau in den suumldlichen Anbau der Elektrozentrale M6 mit drei kleinen Raumlumen und einer Sprenggrube (heute

Bild 4 Halle der Elektrozentrale mit den damaligen Laborraumlumen rechts 2014

Bild 5 Dr Helmut Moser um 1960

Bild 6 Der Fuhrpark der PTR 1947ndash1951 Maumlrz 1951

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

technischen Kommission IEC TC31 in London statt Deutschland durfte jedoch als besiegter Feindstaat nicht an dieser Sitzung teilnehmen

Nach der Waumlhrungsreform setzte ein starker Wirtschaftsaufschwung ein sodass geregelte Ver-haumlltnisse fuumlr die Anerkennung der PTA-Gutachten notwendig wurden Aus diesem Grund erhielt die PTA am 1421949 eine Satzung Gemaumlszlig dieser Satzung uumlbernahm die PTA auch offiziell die Aufgaben der aufgeloumlsten CTR sowohl als Pruumlf-stelle fuumlr elektrische und nichtelektrische Betriebs-mittel als auch hinsichtlich der Ermittlung der sicherheitstechnischen Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Staumluben

Um den Stau an Pruumlfungsantraumlgen fuumlr explosi-onsgeschuumltzte elektrische Maschinen abzubauen wurden der Ingenieur Dr Hans-Juumlrgen Schrader (Bild 7) und der Techniker Heinz Koumlhn im Labo-ratorium II-EM eingestellt

Feuerwehrteich) begann man mit dem Aufbau der ersten Pruumlfstaumlnde Noch hatte Nabert nicht eine einzige Schreibkraft fuumlr die erforderliche Korres-pondenz und das Ausstellen der Pruumlfscheine Die Schreibarbeiten wurden daher von der Abteilungs-sekretaumlrin Frau Bettermann durchgefuumlhrt

Am 631948 wurde die Bizone um die fran-zoumlsische Besatzungszone zum Vereinigten Wirt-schaftsgebiet erweitert Als Folge davon wurde am 261948 die PTR in PTA (Physikalisch-Technische Anstalt im Vereinigten Wirtschaftsgebiet 20b Braunschweig Postschlieszligfach 447) umbenannt Aus Kostengruumlnden blieb das alte Briefpapier jedoch noch fast ein Jahr in Benutzung

Am 181948 wurde Dr Wilhelm Koumlsters zum Praumlsident der PTA berufen Er wohnte vermutlich im Anbau des Kohlrausch-Baus wo auch sein Dienstwagen der bereits erwaumlhnte Opel Olympia parkte

Ende 1948 war der Aufbau des Laboratoriums fuumlr explosionsgeschuumltzte Maschinen II-EM wegen Personal- und Platzmangel immer noch nicht in Angriff genommen obwohl inzwischen uumlber 100 Antraumlge fuumlr diesbezuumlgliche Typpruumlfungen vorlagen Es gelang Dr Wilhelm Baumlhre 1948 ledig-lich eine einzige Maschine auf dem Pruumlffeld des Herstellers auf Konformitaumlt nach VDE zu pruumlfen

Hingegen wurden bei III-B 11 Pruumlfmuster gepruumlft und 7 Gutachten geschrieben Ferner wurden mehrere Pruumlfstaumlnde aufgebaut welche die Bestimmung sicherheitstechnischer Kenngroumlszligen von Gasen Daumlmpfen und Fluumlssigkeiten ermoumlglich-ten und 18 Kenngroumlszligen bestimmt

1948 wurden im Keller des Kohlrausch-Baus der alte Speisesaal und die alte Werkkuumlche wieder aktiviert Doch das groumlszligte Problem in 1948 blieb die Wohnungsnot der Mitarbeiter

Ebenfalls 1948 fand die erste Sitzung des Techni-schen Komitees fuumlr explosionsgeschuumltzte elektri-sche Betriebsmittel der Internationalen Elektro-

III Thermodynamik und Druck(Leitung Dr H Moser)III-T Thermometrie (Leitung Dr H Moser Dr P Rahlfs)

III-O Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt )

III-D Druckmessung (Leitung Dr E Hess)

III-W Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III-V Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III-C Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel)

III-B Brennbare Fluumlssigkeiten und technische Gase (Leitung K Nabert) III-Z Zuumlnd- und Sprengmittel (Leitung Dr B Schwennesen)

Tabelle 1 Struktur der Abtei-lung III ab 111948

Bild 7 Dr Hans-Juumlrgen Schrader um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Unter der technischen Leitung von Dr Hans-Juumlr-gen Schrader in Zusammenarbeit mit Karl Nabert vom Laboratorium III-B wurde in der Halle M6 der Elektrozentrale ein behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand fuumlr explosionsgeschuumltzte elektrische Maschinen aufgebaut auf dem explosionsgeschuumltzte Maschi-nen auf elektrische Daten und Einhaltung von Grenztemperaturen gepruumlft werden konnten (Bild 8) Hierbei leistete das von Dr Schrader entwickelte und nach ihm benannte Schraderrsquosche Leerlaufverfahren zur indirekten Ermittlung der Stromortskurven groszliger Drehstrommotoren die einer direkten Belastungsmessung nicht zugaumlng-lich waren wertvolle Hilfe

Am 2351949 wurde das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkuumlndet Als Folge davon wurde die PTA in Physikalisch-Technische Anstalt zu Braunschweig (zustaumlndig fuumlr das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland) erneut umbenannt

Mit der Gruumlndung der Bundesrepublik wurden der PTA endlich Finanzmittel zur Reparatur der bestehenden Gebaumlude zugeteilt Damit begann der erste Bauabschnitt in der PTA mit der Instandset-zung der vorhandenen Gebaumlude und dem Umbau der Halle M1 (heute Roumlntgenhalle) zur Garage fuumlr die Fahrbereitschaft

Das jetzt beginnende Wirtschaftswunder machte sich auch in der PTA bemerkbar 1950 wurden zahlreiche neue Mitarbeiter bei III-B einge-stellt darunter Gerhard Schoumln (Bild 9) Karl-Heinz Gehm (Bild 10) und Carl-Heinz Degener

Die Uumlbernahme der Arbeiten der aufgeloumlsten CTR fuumlhrte dazu dass das Laboratorium III-B mit der Wiederbeschaffung der sicherheitstechni-schen Daten aus der alten Kartei der CTR betraut wurde Diese Arbeiten wurden seit 1950 von Gerhard Schoumln und Dr Karl Heinz Gehm gemein-sam vorgenommen

Die Entwicklung der Laboratorien in der Gruumlndungsphase der PTB

Am 891950 wurde die PTA auf Vorschlag Max von Laues ruumlckwirkend zum 141950 in PTB (Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig) umbenannt

Ab 1951 fand eine rege Bautaumltigkeit auf dem PTB Gelaumlnde statt Wurden im ersten Bauabschnitt von 1949 bis 1950 lediglich die vorhandenen Gebaumlude instand gesetzt so wurden im zweiten Bauabschnitt ab 1951 neue Gebaumlude fuumlr Laborato-rien und die Fahrbereitschaft sowie ein Wohnhaus mit vier Wohnungen fuumlr PTB Mitarbeiter (heute Wohnhaus Ost 1) und ein Einfamilienhaus fuumlr den neuen Praumlsidenten Dr Richard Vieweg (heute Wohnhaus Ost 2) gebaut

Ebenfalls 1951 wurde eine Kostenverordnung fuumlr die PTB ruumlckwirkend zum 111950 erlassen Hier-

Bild 8 Behelfsmaumlszligiger Pruumlfstand zur Messung der Gehaumlusetemperatur fuumlr elektrische Betriebsmittel in der Halle M6 noumlrdlich des spaumlteren Weber-Baus um 1950

Bild 9 Dr Gerhard Schoumln um 1960

Bild 10 Dr Karl-Heinz Gehm um 1960

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

nach kostete gemaumlszlig sect1 eine Arbeitsstunde eines Wissenschaftlers im Explosionsschutz 7 DM und eine Technikerstunde 350 DM Gemaumlszlig sect2 kostete die Ermittlung eines Flammpunkts 15 DM und die Pruumlfung eines Elektromotors auf Explosions-sicherheit 150 DM

Der Fuhrpark der PTB befand sich zum damaligen Zeitpunkt in schlechtem Zustand Es verging kaum eine Fahrt ohne Pannen und an einem Fahrzeug mussten sogar die Tuumlren mit Draht zugehalten werden Auf Wunsch des PTB-Praumlsidenten wurden daher ein Volkswagen Standard ein Volkswagen Bus und eine Borgward Isabella neu angeschafft

Nachdem 1952 PTB Praumlsident Dr Richard Vieweg die Wiederaufnahme von Deutschland in den IEC erreicht hatte konnte Nabert auch an der Sitzung von IEC TC31 im April 1953 in London teilnehmen Seitdem ist die PTB hier stets mit mindestens einem Mitarbeiter vertreten

Aufgrund der staumlndigen Vergroumlszligerung von Personal und Aufgaben der einzelnen Labo-ratorien wurde mit Wirkung vom 141953 die Organisationsstruktur veraumlndert Ferner wurde die alte PTR in Berlin als Zweigstelle Berlin in die neue PTB eingegliedert

Mitte 1953 konnten die Laboratorien III BS und III BE zusammen mit den Laborato-rien III AC III BV und III AF in den neu errichteten Bunsen-Bau einziehen (Bild 11)

1954 erhielten die Gebaumlude der PTB nach Wissenschaftlern benannte Namen Im Laboratorium II BM Maschinen und Geraumlt wurde Dr Harald Dreier (Bild 12) als zusaumltzlicher Mitarbeiter eingestellt

Im gleichen Jahr kam es in Bitburg waumlhrend der Vorfuumlhrung einer neuarti-gen CO2-Loumlschanlage zu einer schweren Explosion mit vielen Toten

Bild 12 Dr Harald Dreier um 1960

Bild 11 Suumldseite des Bunsen-Baus um 1954

III Thermodynamik und Druck (Leitung Dr H Moser)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr H Moser)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AG Thermodynamische Zustandsgroumlszligen (Leitung Dr J Otto)

III BW Waumlrme- und Kaumlltetechnik (Leitung Dr W Fritz)

III AT Thermometrie (Leitung Dr P Rahlfs)

III BV Viskosimetrie und Mineraloumllpruumlfgeraumlte (Leitung Dr W Fritz)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr F vom Berg)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck)

Tabelle 2 Struktur der Abtei-lung III ab 141953

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Alle Experten waren ratlos wie eine Loumlschan-lage eine Explosion einer brennbaren Fluumlssigkeit ausloumlsen kann doch Gerhard Schoumln konnte den Nachweis erbringen dass durch das ausstroumlmende CO2 Feststoffwolken mit gewitterblitzaumlhnlichen elektrostatischen Entladungen auftraten

Diese Entdeckung fuumlhrte zum Beginn der Grundlagenforschung auf dem Gebiet elektrostati-scher Entladungen in der PTB Hierzu wurde 1955 Dr Erhart Heidelberg als weiterer wissenschaftlicher Mitarbeiter im Laboratorium III BS eingestellt

1955 wurde auch der lang ersehnte Weber-Bau fertiggestellt welcher eine noumlrdliche Verlaumlngerung der Elektrozentrale bildete (Bild 13) Dieser wurde fuumlr das Laboratorium II BM fuumlr die Pruumlfung elekt-rischer Maschinen ausgebaut (Bild 14) Bild 16 zeigt ein typisches Laboratorium III BS von 1967

III Thermodynamik und Druck (Leitung Prof Dr W Fritz)

III A Thermodynamische Grundeinheiten (Leitung Dr C Tingwaldt)

III B Sicherheits- und Waumlrmetechnik (Leitung Prof Dr W Fritz)

III AG Zustandsgroumlszligen der Gase (Leitung Dr W Thomas)

III BW Waumlrmetechnik (Leitung Dr K H Bode)

III AT Temperaturmessung (Leitung Dr P Rahlfs) III BK Kaumlltephysik (Leitung Dr W Ruumlhl)

III AO Waumlrmestrahlung (Leitung Dr C Tingwaldt) III BV Viskosimetrie (Leitung Dr W Weber)

III AD Druckmessung (Leitung Dr J Gieleszligen)

III BS Sicherheitstechnische Grundlagen (Leitung K Nabert)

III AF Araumlometrie (Leitung Dr J Schoeneck) III BE Explosionsgeschuumltzte Betriebsmittel (Leitung Dr K H Gehm)

III AC Allgemeine Chemie (Leitung Dr E Wiegel) III BZ Beschusswesen (Leitung Dr G Seitz)

Tabelle 3 Struktur der Abtei-lung III ab 161962

Bild 14 Maschinenhalle im Weber-Bau 1955 Blick nach Norden

Bild 13 Weber-Bau aufgenommen 2002

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

liche Intensivierung der Forschungs- und Entwick-lungsarbeiten zu Lasten der Pruumlftaumltigkeiten die mehr und mehr von kommerziellen Pruumlfstellen ausgefuumlhrt werden gekennzeichnet

Zum Zeitpunkt des Festkolloquiums Ende 2015 besitzt das Themengebiet bdquoExplosionsschutz und physikalische Sicherheitstechnikldquo der PTB die in Tabelle 4 aufgefuumlhrte Organisationsstruktur Die im gemeinsamen Lenkungsgremium von BAM und PTB koordinierten Aufgabengebiete beider Bun-desanstalten beinhalten auch heute noch die einst von der CTR eingefuumlhrten Aufgaben (Tabelle 5)

Epilog

Seit dieser Zeit ist eine Reihe von groszligen Heraus-forderungen auf die Explosionsschutz-Fachbereiche zugekommen Beispielhaft seien die ersten europaumli-schen Richtlinien zum Explosionsschutz die daraus folgenden europaumlischen Normungsprogramme genannt die mittlerweile in ein internationales technisches Regelwerk gemuumlndet sind Weiterhin war im Rahmen der gesamten PTB die Wieder-vereinigung Deutschlands 1990 zu bewaumlltigen Die beiden letzten Jahrzehnte waren durch eine erheb-

Bild 15 Gelaumlndeplan der PTB 111962

Bild 16 Laboratorium fuumlr Elektrostatik 1967

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Arbeitsgebiet Bearbeitet seit

Nachfolge-organisation

Organisations-einheit

Sichere Handhabung von Sprengstoff 1889 BAM 23

Zuumlndquelle elektrostatische Aufladungen 1907 PTB 373

Transport gefaumlhrlicher Guumlter 1907 BAM 3

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Gasen und Daumlmpfen 1921 PTB 371

Gasexplosionsschutz 1921 BAM 21

Ausruumlstungen fuumlr Tanks mit brennbaren Fluumlssigkeiten 1925 PTB 372

Sicherheitstechnische Kenngroumlszligen von Staumluben 1927 BAM 22

Staubexplosionsschutz 1927 BAM 22

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter elektrischer Antriebe 1932 PTB 352

Pruumlfung explosionsgeschuumltzter Geraumlte der Energietechnik 1932 PTB 353

Elektrische Schutzart Druckfeste Kapselung 1932 PTB 351

Elektrische Schutzart Eigensicherheit 1932 PTB 361

Elektrische Sonderschutzarten 1932 PTB 362

Tabelle 5 Verteilung der Arbeitsgebiete der CTR heute

35 Explosionsschutz in der Energietechnik(Leitung Prof Dr Uwe Klausmeyer)

351 Zuumlnddurchschlagsprozesse (Leitung Dr Detlef Markus)

352 Explosionsgeschuumltzte elektrische Antriebe (Leitung Dr Frank Lienesch)

353 Explosionsgeschuumltzte Geraumlte der Energietechnik (Leitung Dr Uwe Klausmeyer)

36 Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik(Leitung Prof Dr Ulrich Johannsmeyer)

361 Eigensicherheit (Leitung Dr Thomas Horn)

362 Zuumlndgefahren moderner Energieversorgungssysteme (Leitung Dr Udo Gerlach)363 Geschaumlftsstelle Konformitaumltsbewertung im Explosionsschutz (Leitung Dr Ulrich Johannsmeyer)

364 Fertigungsuumlberwachung im ExSchutz (Leitung Mario Graube)

37 Grundlagen des Explosionsschutzes(Leitung Prof Dr Michael Beyer)

371 Kenngroumlszligen des Explosionsschutzes (Leitung Dr Elisabeth Brandes)

372 Explosionsvorgaumlnge (Leitung Dr Dirk-Hans Frobese)

373 Physikalische Zuumlndvorgaumlnge (Leitung Dr Martin Thedens)

Tabelle 4 Struktur der Sicherheitstechnik ab 1102013

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Geschichte der PTB

Literatur

[1] Ulrich von Pidoll Explosionsschutz in der CTR und Weiterfuumlhrung der Aufgaben in ihren Nachfolgeorganisationen PTB-Bericht Ex-7 Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braun-schweig 2015 ISBN 978-3-95606-192-9 Uumlber-reicht anlaumlsslich des Festkolloquiums 200 Jahre Explosionsschutz 1815 bis 2015 am 9 November 2015 in der PTB

NEUERSCHEINUNGEN der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt

It-19 N Greif H SchrepfEine Testumgebung fuumlr GUM-Konformitaumltstests36 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-201-8 2015 euro 1050

It-19 N Greif H SchrepfA test evironment for GUM conformity testsEnglische Ausgabe 32 S 5 Abb ISBN 978-3-95606-202-5 2015 euro 1000

MA-92 F Maumlrtens (Hrsg)Neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Verkehrsuumlberwachungsgeraumlte ndash Vortraumlge des 282 PTB-Seminars am 29 Oktober 2014CD-ROM ISBN 978-3-95606-164-6 2015 euro 1500

Opt-76 N HuntemannHigh-Accuracy Optical Clock Based on the Octupole Transition in 171Yb+

102 S 41 Abb 5 Tab ISBN 978-3-95606-209-4 2015 euro 1750

Dos-56 R-P Kapsch U Ankerhold (Hrsg)Advanced Metrology for Cancer Therapy ndash Proceedings of an International Conference Braunschweig November 29th-December 1st 2011Engl 68 S 1 Tab ISBN 978-3-86918-187-5 2015 euro 1400

Dos-57 F RennerBenchmark-Experiment zur Verifikation von Strahlungstransportrechnungen fuumlr die Dosimetrie in der Strahlentherapie122 S 53 Abb 14 Tab ISBN 978-3-95606-182-0 2015 euro 1800

Informationstechnik

Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 Bremen | Tel +49(0)4 213 69 03-56 | Fax +49(0)4 213 69 03-63 Internet wwwschuenemann-verlagde | E-Mail buchverlagschuenemann-verlagde

Mechanik und Akustik

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Dosimetrie

Optik

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1200 Jahre Explosionsschutz

Der langjaumlhrige Leiter des Fachbereiches fuumlr Explosionsgeschuumltzte Sensorik und Messtechnik und des Sektors Explosionsschutz und Schussge-raumlte der Konformitaumltsbewertungsstelle in der PTB wurde zum 29 Februar 2016 verabschiedet

Dr Johannsmeyer trat nach seinem Studium der Elektrotechnik an der TU Hannover im Jahr 1975 in die PTB ein Seine wissenschaftliche Laufbahn begann im Laboratorium Zuumlndquellensicherheit Mit der Arbeit zur Untersuchung von Zuumlndfunken in kapazitiven eigensicheren elektrischen Strom-kreisen wurde ihm 1984 von der TU Braunschweig der Grad des Doktor-Ingenieurs verliehen Nach kurzer Leitung des Laboratoriums Zuumlnddurch-schlagsicherheit und ziviles Beschusswesen uumlbernahm Dr Johannsmeyer 1993 die Fuumlhrungs-aufgabe des damaligen Fachlabors System- und Eigensicherheit Seit dem Jahre 2006 trug er in seiner zusaumltzlichen Funktion als Leiter des Zerti-fizierungsstelle fuumlr Explosionsschutz in der PTB durch die Zusammenarbeit mit anderen Pruumlfstel-len entscheidend zur Anerkennung von Zulassun-gen der PTB auf nationaler und internationaler Ebene bei Dr Johannsmeyer hat durch organisa-torisches Geschick und fachliche Kompetenz zum Renommee der PTB als Dienstleister und For-

schungseinrichtung im Bereich des Explosions-schutzes entscheidend beigetragen Belastungen und Konflikten begegnete er stets mit der noumltigen Ausgeglichenheit und Sachlichkeit ndash Eigen-schaften fuumlr die er bei seinen Mitarbeitern sehr geschaumltzt wurde

Zahlreiche seiner Forschungsergebnisse aus Projekten wie bespielweise die Bewertung nichtli-nearer Quellen eigensichere Feldbussysteme oder die Erhoumlhung der eigensicheren elektrischen Leis-tung hielten Einzug in internationale Standards und konnten von der Industrie direkt verwertet werden In Anerkennung der um die Zusammen-arbeit von Forschung und Wirtschaft erbrachten Leistungen wurde ihm und zwei seiner Mitarbeiter im Jahr 2010 der IHK-Technologietransferpreis verliehen Dr Johannsmeyers jahrzehntelanges Engagement in nationalen und internationalen regelsetzenden Gremien wurde 2014 mit dem bdquo1906 Awardldquo der Internationalen Elektro-technischen Kommission (IEC) gewuumlrdigt und unterstreicht seinen Ruf als weltweit anerkannten Fachexperten des Explosionsschutzes

Die Kolleginnen und Kollegen der PTB bedanken sich herzlich fuumlr die langjaumlhrige ver-trauensvolle Zusammenarbeit und wuumlnschen Herrn Dr Johannsmeyer fuumlr die kommenden Jahre Gesundheit und Freude im wohlverdienten Un-Ruhestand

Dr Thomas Horn Fachbereich bdquoExplosi-onsgeschuumltzte Sen-sorik und Messtech-nikldquo E-Mail thomashornptbde

Dr Ulrich Johannsmeyer geht in den Ruhestand

Thomas Horn

Bild 1 Dr Ulrich Johanns-meyer

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Die Metrologie hatte schon immer einen groszligen Einfluss auf den Fortschritt der Gesellschaft Das einheitli-che Messen von Laumlnge und Gewicht oder von Zeit und Raum verbindet eine Kultur und macht ein wissen-schaftliches Zusammenarbeiten erst moumlglich

Die uumlber 3000 Jahre alte Metrologie-Geschichte Chinas ist ein spannendes Wissensgebiet fuumlr alle die sich fuumlr Wissenschaftsgeschichte im Allgemeinen oder Metrologie im Besonderen interessieren

Dieses Buch berichtet von der Entwicklung der Maszlige und Gewichte in China im Kontext von Mathematik und den Naturwissenschaften Die Autoren stellen auszligerdem seltene Normalgeraumlte vor die zum nationa-len Schatz Chinas zaumlhlen Auszligerdem beschreiben sie wie einheitliche Messungen in der Vergangenheit durchgesetzt wurden Auch ein besonderes Kapitel des Kulturaustausches zwischen China und Europa ndash die Beitraumlge von Jesuiten zum Fortschritt der Metrologie ndash wird hier dargestellt

Die erste umfassende Monografie uumlber die Geschichte der chinesischen Metrologie auf Deutsch ndash mit zahl-reichen Illustrationen

Zu beziehen uumlber denFachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 7 | 28195 BremenTel (04 21) 3 69 03-56 | Fax (04 21) 3 69 03-63 | wwwschuenemann-verlagde

Guan ZengjianKonrad Herrmann

Geschichte derchinesischenMetrologie

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175 x 245 cm | Hardcover424 Seiten | 54 Abbildungen

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Zahlreiche Illustrationen von alten Messmitteln und Messprinzipien

Beschreibt den Einfluss der westlichen Kultur auf die chinesische Metrologie

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TECHNOLOGIETRANSFER

bdquoErhoumlhte Sicherheitldquo gegen Zuumlnd-gefahr explosionsgeschuumltzter LeuchtenAufgrund heiszliger bdquoSpotsldquo an der Oberflaumlche ist die Benutzung handelsuumlblicher T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung in explo-sionsgeschuumltzten Bereichen bisher problematisch Durch die PTB-Erfindung ein kleines neuartiges Bauteil ndash ist jedoch eine Reduzie-rung der zuumlndtechnisch relevanten Oberflaumlchentemperatur moumlglich Hierdurch laumlsst sich die Verwendung von T5-Leuchtstoff-lampen bis 54 W in explosionsgeschuumltzten Leuchten realisieren In explosionsgeschuumltzten Langfeldleuchten werden zumeist T8-Leucht-stofflampen benutzt Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten sind aber auch zunehmend T5-Leuchtstofflampen houmlherer Leistung interessant Diese weisen gegenuumlber T8-Leuchtstofflampen einen kleineren Durch-messer auf Nachteil hierbei ist dass die Oberflaumlche der T5-Lampen am Ende ihrer Lebensdauer im Bereich der Wendel sehr warm wird Deshalb ist die Verwendung in explosionsgefaumlhrdeten Bereichen auf-grund verschiedener Aspekte problematisch

Hier setzt die neue Loumlsung der PTB an Das sicherheitstechnische Konzept fuumlr die Verwendung von Leuchtstofflampen in explosionsge-schuumltzten Leuchten der Zuumlndschutzart Erhoumlhte Sicherheit wird jeweils im Bereich der Wendel um eine die Leuchtstofflampe umfassende Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung ergaumlnzt Die Verteilung der Waumlrme wird durch zwei bewegliche Halbzylinder realisiert Die Gesamtkonstruk-tion beruumlcksichtigt die Toleranzbereiche der T5-Lampendurchmesser verschiedener Hersteller die Lage-Schwankung der Lampenachse beim Eindrehen in die Rastposition sowie weitere Freiheitsgrade Die Halb-zylinder schlieszligen selbsttaumltig beim Einsetzen der Lampe in die Fassung Beim Entnehmen einer defekten Lampe verbleibt die Vorrichtung in der LeuchteDie Konstruktion kann an Leuchtstofflampen in Langfeldleuchten der Kategorie 2 und 3 eingesetzt werden

Wirtschaftliche BedeutungAufgrund der houmlheren Wirtschaftlichkeit und aus lichttechnischen Erwaumlgungen werden T5-Leuchtstofflampen zunehmend verwendet Die PTB-Entwicklung erweitert den Einsatzbereich der T5-Leuchtstofflam-pen auf Lampen mit houmlherer Leistung in explosionsgeschuumltzten Leuch-ten in Verbindung mit einer moumlglichen groumlszligeren Verweildauer der Lampen in der Leuchte Entwicklungsstand

Das System wurde ausfuumlhrlich auf Laborebene getestet Eine deutsche Patentanmeldung ist anhaumlngig Ein Fertigungsverfahren wurde evalu-iert Die konstruktive Anpassung an eine konkrete Leuchtenkonstruk-tion ist erforderlich

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Rainer KulessaFachbereichExplosionsgeschuumltzteSensorik und Messtechnik

In die Fassungen eingesetzte T5-Leucht-stofflampe mit am Reflektor befestigter Vor-richtung zur Waumlrmeverteilung

Vorteile

Einsatz an T5-Leucht-stofflampen bis 54 W in explo-sionsgeschuumltzten Leuchten

erhoumlht Abschaltschwellen der elektronischen Vorschalt-geraumlte bis 75 W (T5-Leucht-stofflampe)

kein zusaumltzlicher Wartung-saufwand beim Lampen-wechsel

PTB-Nummer 0371

wwwtechnologietransferptbde

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PTB-Mitteilungen 126 (2016) Heft 1 Technologieangebote

Ansprechpartner

Andreas BarthelTechnologietransferTelefon +49 531 592-8307Telefax +49 531 592-69-8307E-Mail technologietransferptbde

Dr Michael BeyerFachbereichGrundlagen des Explosionsschutzes

Emissionsarme Hochtemperaturbeschichtung Emissionsschutzschichten dienen zur Minimierung von thermischen Emissionen von Bauteilen In Hochtemperaturanwendungen muumlssen diese Emissionsschutzschichten auf eine besondere Art realisiert werden um die Diffusion des Grundmaterials in die Oberflaumlche zu verhindern Durch Integration einer keramischen Schutzschicht und die geeignete Wahl der Materialien verspricht die PTB-Methode somit z B bei Waumlrmetauschern oder Spiegeln fuumlr infrarotes Licht erstmals dauerhaft niedrige Emissionsgrade

Um die Diffusion verschiedener Metalle ineinander bei duumlnnen Emissi-onsschutzschichten fuumlr hohe Temperaturen zu minimieren wurden in einem Proof of Concept wechselnde Sperrschichten realisiert So zeigte sich beispielsweise eine auf einem Kupfergrundkoumlrper aufgebrachte elektrisch leitfaumlhige keramische Sperrschicht die sich durch kovalente oder ionische Bindungen auszeichnet gegenuumlber Diffusionsprozessen der Metalle wesentlich stabiler Daruumlber wurde eine weitere Goldschicht als emissionsarme Schicht aufgebracht

Das Verfahren beruht auf einer speziellen Beschichtungssequenz durch Physical Vapor Deposition (PVD) und galvanischen Schritten Somit ist es erstmals moumlglich dicke metallische Schichten auf Keramiken aufzubringen

Wirtschaftliche Bedeutung

Das Verfahren kann in Zukunft sehr breit im Maschinen- und Anlagen-bau eingesetzt werden insbesondere fuumlr metallisierte Hartstoffschichten und metallisierte keramische Bauteile Gegenwaumlrtig werden unter-schiedliche Verfahren zur Vorbereitung der Metallisierung eingesetzt die mehrere Schritte umfassen und somit aufwendig sind Die Verwen-dung einer elektrisch leitenden Hartstoffschicht oder eines elektrisch leitenden keramischen Bauteils fuumlhrt zum Wegfall dieser Schritte

Entwicklungsstand

Ein Patent wurde unter der Nummer DE 10 2009 054309 A1 offengelegt Lizenzen fuumlr die Nutzung dieser neuen Methode sind verfuumlgbar

Vorteile

emissionsarme Schutzschicht

chemische Inaktivitaumlt gt 573 K

oxidationsbestaumlndig

PTB-Nummer 0246

wwwtechnologietransferptbde

Thermografiebild des Probenkoumlrpers ndash gut sichtbar ist der Temperaturunterschied an den jeweiligen Messpunkten (blau) min 38degC (pink) max 249degC

Verlag Fachverlag NW in der Carl Schuumlnemann Verlag GmbHZweite Schlachtpforte 728195 Bremen Internet wwwschuenemannde E-Mail infoschuenemann-verlagde

Herausgeber Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ISNI 0000 0001 2186 1887 Postanschrift Postfach 33 45 38023 Braunschweig Lieferanschrift Bundesallee 100 38116 Braunschweig

Redaktion Layout Presse- und Oumlffentlichkeitsarbeit PTBSabine Siems Dr Dr Jens Simon (verantwortlich) Dr Martin Thedens (wissenschaftlicher Redakteur)Telefon (05 31) 592-82 02 Telefax (05 31) 592-30 08 E-Mail sabinesiemsptbde

Leser- und Abonnement-Service Karin Drewes Telefon (0421) 369 03-56Telefax (0421) 369 03-63E-Mail drewesschuenemann-verlagde

Anzeigenservice Karin Drewes Telefon (0421) 369 03-56Telefax (0421) 369 03-63E-Mail drewesschuenemann-verlagde

Erscheinungsweise und Bezugspreise Die PTB-Mitteilungen erscheinen viermal jaumlhrlich Das Jahresabonnement kostet 3900 Euro das Einzelheft 1200 Euro jeweils zzgl Versandkosten Bezug uumlber den Buchhandel oder den Verlag Abbestellungen muumlssen spaumltestens drei Monate vor Ende eines Kalenderjahres schriftlich beim Verlag erfolgen

Alle Rechte vorbehalten Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages vervielfaumlltigt oder verbreitet werden Unter dieses Verbot faumlllt insbesondere die gewerbliche Ver-vielfaumlltigung per Kopie die Aufnahme in elektro-nische Datenbanken und die Vervielfaumlltigung auf CD-ROM und in allen anderen elektronischen Datentraumlgern

Printed in Germany ISSN 0030-834X

Die fachlichen Aufsaumltze aus dieser Ausgabe der PTB-Mitteilungen sind auch online verfuumlgbar unterdoi 10779531020160199

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

mitteilungen

Impressum

Die PTB-Mitteilungen sind metrologisches Fachjournal der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin Als Fachjournal veroumlffentlichen die PTB- Mitteilungen wissenschaftliche Fachaufsaumltze zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB Die PTB-Mitteilungen stehen in einer langen Tradition die bis zu den Anfaumlngen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegruumlndet 1887) zuruumlckreicht

Bundesallee 100 38116 Braunschweig

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Telefon 0531 592-3006 Fax 0531 592-3008 E-Mail presseptbde wwwptbde

Physikalisch-Technische BundesanstaltBraunschweig und BerlinNationales Metrologieinstitut

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt das nationale Metrologieinstitut ist eine wissenschaftlich-technische Bundesoberbehoumlrde im Geschaumlftsbereich des Bundesministeriums fuumlr Wirtschaft und Energie

Phy

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