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Vom Barock zum Galanten Stil/ zur Frühklassik Barock: J. S. Bach: Musikalisches Opfer, Canon 3d (1747) J.A. Scheibes Kritik am Stil J.S. Bachs „Der Herr ist endlich der Vornehmste unter den Musikanten. Er ist ein außerordentlicher Künstler auf dem Klavier und auf der Orgel, und er hat zur Zeit nur einen angetroffen, mit welchem er um den Vorzug streiten kann. Ich habe diesen großen Mann unterschiedliche Mahl spielen hören. Man erstaunet bei seiner Fertigkeit, und man kann kaum begreifen, wie es möglich ist, dass er seine Finger und seine Füße so sonderbar und so behände ineinanderschränken, ausdehnen und damit die weitesten Sprünge machen kann, ohne einen einzigen falschen Ton einzumischen oder durch eine so heftige Bewegung den Körper zu verstellen. Dieser große Mann würde die Bewunderung ganzer Nationen sein, wenn er mehr Annehmlichkeit hätte, und wenn er nicht seinen Stücken durch ein schwülstiges und verworrenes Wesen das Natürliche entzöge, und ihre Schönheit durch allzu große Kunst verdunkelte. Weil er nach seinen Fingern urteilt, so sind seine Stücke schwer zu spielen; denn er verlangt, die Sänger und Instrumentaltisten sollen durch ihre Kehle und Instrumente eben das machen, was er auf dem Klaviere spielen kann. Dieses aber ist unmöglich. Alle

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Vom Barock zum Galanten Stil/ zur Frühklassik

Barock: J. S. Bach: Musikalisches Opfer, Canon 3d (1747)

J.A. Scheibes Kritik am Stil J.S. Bachs

„Der Herr ist endlich der Vornehmste unter den Musikanten. Er ist ein außerordentlicher Künstler auf dem Klavier und auf der Orgel, und er hat zur Zeit nur einen angetroffen, mit welchem er um den Vorzug streiten kann. Ich habe diesen großen Mann unterschiedliche Mahl spielen hören. Man erstaunet bei seiner Fertigkeit, und man kann kaum begreifen, wie es möglich ist, dass er seine Finger und seine Füße so sonderbar und so behände ineinanderschränken, ausdehnen und damit die weitesten Sprünge machen kann, ohne einen einzigen falschen Ton einzumischen oder durch eine so heftige Bewegung den Körper zu verstellen. Dieser große Mann würde die Bewunderung ganzer Nationen sein, wenn er mehr Annehmlichkeit hätte, und wenn er nicht seinen Stücken durch ein schwülstiges und verworrenes Wesen das Natürliche entzöge, und ihre Schönheit durch allzu große Kunst verdunkelte. Weil er nach seinen Fingern urteilt, so sind seine Stücke schwer zu spielen; denn er verlangt, die Sänger und Instrumentaltisten sollen durch ihre Kehle und Instrumente eben das machen, was er auf dem Klaviere spielen kann. Dieses aber ist unmöglich. Alle Manieren, alle kleinen Auszierzungen […] druckt er mit eigentlichen Noten aus und das entzieht seinen Stücken nicht nur die Schönheit der Harmonie, sondern macht auch den Gesang unvernehmlich. Alle Stimmen sollen miteinander und mit gleichzeitiger Schwierig-keit arbeiten und man erkennet darunter keine Hauptstimme. Kurz: Er ist in der Musik dasjenige, was ehemals der Herr von Lohenstein [Barockdichter] in der Poesie war. Die Schwülstigkeit hat beide von dem Natürlichen auf das Künstliche und von dem Erhabenen auf das Dunkle geführet und man bewundert die beschwerlichste Arbeit und eine ausnehmende Mühe, die doch vergebens angewendet ist, weil sie wider die Natur streitet.“

1. Erläutere J.A. Scheibes Kritik am Stil Bachs und stelle die dort erwähnten Merkmale des barocken Stils denjenigen des neuen sog. Galanten Stils gegenüber.

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Galanter Stil/ Frühklassik: Anton Filtz: Sinfonia A-Dur, 1. Satz (ca. 1750)

2. Beschreibe die Klangwirkung der Sinfonie, die J. A Filtz komponierte. Er lebte von 1733 bis 1760 und zählt zu den bedeutendsten Komponisten der sog. Mannheimer Schule, von der sich auch Mozart inspirieren ließ.

3. Vergleiche die beiden Stücke hinsichtlich ihrer Satzstruktur, Form, Melodik, Dynamik und Klangfarbe (wenn nötig auf der Rückseite weiterschreiben).

Musik des Barock (Bach) Musik der Frühklassik (Filtz)

Satzstruktur

Form der Melodie

Tonfort-schreitung der Melodie

Dynamik

Klangfarbe (Instrumen-tarium)

Grundlegende Merkmale der Epoche

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Vergleich zweier Stücke aus dem Barock und der Frühklassik

Barock (Bach) Frühklassik (Filtz)

Satzstruktur

Form der Melodie

Tonfort-schreitung der Melodie

Dynamik

Klangfarbe (Instrumen-tarium)

Grundlegende Merkmale der Epoche (Funktion von Musik, Kunst-verständnis)

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Vergleich zweier Stücke aus dem Barock und der Frühklassik

Barock (Bach) Frühklassik (Filtz)

Satzstruktur - Polyphoner Satz

- Kontrapunktische Stimm-

führung selbständiger Stimmen

- Homophoner Satz

- Vl. 1 spielt die Melo-

diestimme- + Begleitstimmen (Vl. 2

u.a. Terzen, tiefe Strei-cher Orgelpunkt bzw. A-Dur (akkordische Be-gleitung)

Form der Melodie

- Keine starken Ein-

schnitte ( Fortspin-nungstyp der Melodie)

- Klare Gliederung in symmetrische Zwei-taktgruppen (Phrasen)

Tonfort-schreitungder Melodie

- Komplizierte Melodie

mit verschiedenen Motiven

- Halbtonfortschreitung

- Einfache und einpräg-

same Melodie (kantabel)- Stufenbewegung

Dynamik - Keine Angaben (ein

einziger „Affekt“)

- Große Abstufungen: p, f, cresc. ( „Wechsel der Leidenschaften“)

Klangfarbe (Instrumen-tarium)

- Keine Angaben (hier Vl.

+ Cembalo)

- Klassisches Sinfonie-orchester (bietet Ab-wechslung)

Grundlegende Merkmale der Epoche (Funktion von Musik, Kunst-verständnis)

- Musik soll belehren und

rational erfasst werden - Barock: Ordnungsden-

ken (Zahlensymbolik)- Autoritätsglaube

- Künstlichkeit

- Musik soll anrühren

(Empfindsamkeit)- Aufklärung: Ausgleich

zwischen Verstand und Gefühl

- Emanzipation von Auto-

ritäten (bürgerliches Be-wusstsein)

- Anstreben von Natür-

lichkeit (Rousseau) und schöner Ausgewogenheit

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Vom Barock zum Galanten Stil

Barock: J. S. Bach: Musikalisches Opfer, Canon 3d

J.A. Scheibes Kritik am Stil J.S. Bachs

„Der Herr ist endlich der Vornehmste unter den Musikanten. Er ist ein außerordentlicher Künstler auf dem Klavier und auf der Orgel, und er hat zur Zeit nur einen angetroffen, mit welchem er um den Vorzug streiten kann. Ich habe diesen großen Mann unterschiedliche Mahl spielen hören. Man erstaunet bei seiner Fertigkeit, und man kann kaum begreifen, wie es möglich ist, dass er seine Finger und seine Füße so sonderbar und so behände ineinanderschränken, ausdehnen und damit die weitesten Sprünge machen kann, ohne einen einzigen falschen Ton einzumischen oder durch eine so heftige Bewegung den Körper zu verstellen. Dieser große Mann würde die Bewunderung ganzer Nationen sein, wenn er mehr Annehmlichkeit hätte, und wenn er nicht seinen Stücken durch ein schwülstiges und verworrenes Wesen das Natürliche entzöge, und ihre Schönheit durch allzu große Kunst verdunkelte. Weil er nach seinen Fingern urteilt, so sind seine Stücke schwer zu spielen; denn er verlangt, die Sänger und Instrumentaltisten sollen durch ihre Kehle und Instrumente eben das machen, was er auf dem Klaviere spielen kann. Dieses aber ist unmöglich. Alle Manieren, alle kleinen Auszierzungen […] druckt er mit eigentlichen Noten aus und das entzieht seinen Stücken nicht nur die Schönheit der Harmonie, sondern macht auch den Gesang unvernehmlich. Alle Stimmen sollen miteinander und mit gleichzeitiger Schwierigkeit arbeiten und man erkennet darunter keine Hauptstimme. Kurz: Er ist in der Musik dasjenige, was ehemals der Herr von Lohenstein [Barockdichter] in der Poesie war. Die Schwülstigkeit hat beide von dem Natürlichen auf das Künstliche und von dem Erhabenen auf das Dunkle geführet und man bewundert die beschwerlichste Arbeit und eine ausnehmende Mühe, die doch vergebens angewendet ist, weil sie wider die Natur streitet.“

1. Erläutere J.A. Scheibes Kritik am Stil Bachs und stelle die dort erwähnten Merkmale des barocken Stils denjenigen des neuen sog. Galanten Stils gegenüber.

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Vom Barock zum Galanten Stil

Barock: J. S. Bach: Musikalisches Opfer, Canon 3d

J.A. Scheibes Kritik am Stil J.S. Bachs

„Der Herr ist endlich der Vornehmste unter den Musikanten. Er ist ein außerordentlicher Künstler auf dem Klavier und auf der Orgel, und er hat zur Zeit nur einen angetroffen, mit welchem er um den Vorzug streiten kann. Ich habe diesen großen Mann unterschiedliche Mahl spielen hören. Man erstaunet bei seiner Fertigkeit, und man kann kaum begreifen, wie es möglich ist, dass er seine Finger und seine Füße so sonderbar und so behände ineinanderschränken, ausdehnen und damit die weitesten Sprünge machen kann, ohne einen einzigen falschen Ton einzumischen oder durch eine so heftige Bewegung den Körper zu verstellen. Dieser große Mann würde die Bewunderung ganzer Nationen sein, wenn er mehr Annehmlichkeit hätte, und wenn er nicht seinen Stücken durch ein schwülstiges und verworrenes Wesen das Natürliche entzöge, und ihre Schönheit durch allzu große Kunst verdunkelte. Weil er nach seinen Fingern urteilt, so sind seine Stücke schwer zu spielen; denn er verlangt, die Sänger und Instrumentaltisten sollen durch ihre Kehle und Instrumente eben das machen, was er auf dem Klaviere spielen kann. Dieses aber ist unmöglich. Alle Manieren, alle kleinen Auszierzungen […] druckt er mit eigentlichen Noten aus und das entzieht seinen Stücken nicht nur die Schönheit der Harmonie, sondern macht auch den Gesang unvernehmlich. Alle Stimmen sollen miteinander und mit gleichzeitiger Schwierigkeit arbeiten und man erkennet darunter keine Hauptstimme. Kurz: Er ist in der Musik dasjenige, was ehemals der Herr von Lohenstein [Barockdichter] in der Poesie war. Die Schwülstigkeit hat beide von dem Natürlichen auf das Künstliche und von dem Erhabenen auf das Dunkle geführet und man bewundert die beschwerlichste Arbeit und eine ausnehmende Mühe, die doch vergebens angewendet ist, weil sie wider die Natur streitet.“

1. Erläutere J.A. Scheibes Kritik am Stil Bachs und stelle die dort erwähnten Merkmale des barocken Stils denjenigen des neuen sog. Galanten Stils gegenüber.