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Die Forschungslinie “Wissensproduktion und Kulturtransfer: Lateinamerika im transregionalen Kontext” In den Jahren 2015-2020 steht die Wissensproduktion im Raum des heutigen Lateinamerika und der Karibik im Fo- kus der Aufmerksamkeit des IAI. Begleitend dazu findet im monatlichen Rhythmus die interdisziplinäre Vortragsreihe “Wissensproduktion und Kulturtransfer im transregionalen Kontext” statt. Die Vorträge im Rahmen der Reihe sind be- wusst nicht auf Lateinamerika beschränkt, da es auch darum geht, mit Wissenschaftler_innen ins Gespräch zu kommen, die sich außerhalb der Lateinamerikaforschung mit den The- men Wissensproduktion und Kulturtransfer beschäftigen. In der Regel am zweiten Donnerstag des Monats um 17:00 Uhr laden wir alle an den Themen Wissensproduktion und Kulturtransfer Interessierten dazu ein, neue Aspekte der For- schungslinie kennenzulernen und mit uns zu diskutieren. Ein zentraler Aspekt der Forschungslinie betrifft die Produk- tion von theoretischem und empirischem Wissen in den lateinamerikanischen Geistes- und Sozialwissenschaften sowie die Entwicklung von wissenschaftlichen Disziplinen und universitären Ausbildungsgängen in der Region. Kon- zepte wie Autonomie und Abhängigkeit, Abgrenzung, An- eignung, Übersetzung, Zentrum und Peripherie oder Kolo- nialität des Wissens spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Auch die kritische Auseinandersetzung mit der Wissens- produktion über Lateinamerika ist Teil der Forschungsli- nie. Dazu gehört beispielsweise die Frage, inwiefern theore- tische Erklärungsmodelle, die vor einem europäischen oder US-amerikanischen Erfahrungshintergrund entstanden sind, für ein Verständnis lateinamerikanischer Realitäten geeignet sind. Es geht aber auch um die Rolle Lateinamerikas in Prozessen der internationalen Wissenszirkulation. Kulturelle Transferprozesse werden sowohl im Hinblick auf direkte Kontakte zwischen Personen und Institutionen als auch im Hinblick auf deren Vermittlung durch Objekte (wie Artefakte, Kunstwerke, Bücher, sonstige Schriftquel- len, Periodika, Bild- und Tonträger) analysiert. Je größer der räumliche oder zeitliche Abstand zu Schriftkultur ist, desto mehr erhöht sich die Bedeutung der Objekte für das Ver- ständnis von Transferprozessen. Mit der Forschungslinie verbindet sich das Ziel, verschie- dene disziplinäre Perspektiven miteinander in Dialog zu bringen. Zudem geht es im Sinne der Selbstreflexion auch um eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen For- schung über Lateinamerika. Mehr Information: www.iai.spk-berlin.de/forschung.html Das Ibero-Amerikanische Institut Das 1930 gegründete Ibero-Amerikanische Institut (IAI) ist eine multidisziplinär orientierte außeruniversitäre Ein- richtung der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Als “Area Studies”-Institution hat es einen regionalen Fo- kus – Lateinamerika, Karibik, Spanien, Portugal – und berücksichtigt dabei auch transregionale Verflechtungen. Es besitzt damit eine genuin internationale Orientierung. Im IAI werden in einzigartiger Weise unterschiedliche Ar- beitsbereiche integriert: Bibliothek / Sondersammlungen, Forschung / Publikationen und Veranstaltungen. Die Bi- bliothek des IAI ist die weltweit zweitgrößte Sammlung zu Lateinamerika und der Karibik. Das Institut entwickelt ei- gene Forschungsaktivitäten, realisiert ein umfangreiches Publikationsprogramm und führt vielfältige wissenschaft- liche und kulturelle Veranstaltungen durch. Damit ist das Institut ein Ort der Wissensproduktion, der Wissensver- mittlung und der kulturellen Übersetzungen. Aufgrund dieses Profils nimmt das IAI eine ausgeprägte Brücken- funktion zwischen unterschiedlichen Akteuren, Institu- tionen, Wissensfeldern und Regionen wahr. Die stabilen und nachhaltigen Strukturen des Instituts sind hierbei ein entscheidender Vorteil. Seit 1962 ist das IAI Teil der Stif- tung Preußischer Kulturbesitz (SPK). Ibero-Amerikanisches Institut Potsdamer Straße 37, 10785 Berlin Telefon: +49 (0)30 266 45 1500 E-Mail: [email protected] www.iai.spk-berlin.de | www.facebook.com/iai.berlin Wissensproduktion und Kulturtransfer im transregionalen Kontext Vortragsreihe am Ibero-Amerikanischen Institut Juli – Dezember 2017 Abb: El Lissitzky: Proun 93, © Wikimedia Commons

2015-2020 Wissensproduktion und Kulturtransfer im ... · Sinne von J. Derrida) zu erfassen. Im Kontext kultureller Süd/ Süd-Beziehungen zwischen Lateinamerika und Indien lotet Susanne

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Die Forschungslinie “Wissensproduktion und Kulturtransfer: Lateinamerika im transregionalen Kontext”

In den Jahren 2015-2020 steht die Wissensproduktion im Raum des heutigen Lateinamerika und der Karibik im Fo-kus der Aufmerksamkeit des IAI. Begleitend dazu findet im monatlichen Rhythmus die interdisziplinäre Vortragsreihe “Wissensproduktion und Kulturtransfer im transregionalen Kontext” statt. Die Vorträge im Rahmen der Reihe sind be-wusst nicht auf Lateinamerika beschränkt, da es auch darum geht, mit Wissenschaftler_innen ins Gespräch zu kommen, die sich außerhalb der Lateinamerikaforschung mit den The-men Wissensproduktion und Kulturtransfer beschäftigen. In der Regel am zweiten Donnerstag des Monats um 17:00 Uhr laden wir alle an den Themen Wissensproduktion und Kulturtransfer Interessierten dazu ein, neue Aspekte der For-schungslinie kennenzulernen und mit uns zu diskutieren.

Ein zentraler Aspekt der Forschungslinie betrifft die Produk-tion von theoretischem und empirischem Wissen in den lateinamerikanischen Geistes- und Sozialwissenschaften sowie die Entwicklung von wissenschaftlichen Disziplinen und universitären Ausbildungsgängen in der Region. Kon-zepte wie Autonomie und Abhängigkeit, Abgrenzung, An-eignung, Übersetzung, Zentrum und Peripherie oder Kolo-nialität des Wissens spielen in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle.

Auch die kritische Auseinandersetzung mit der Wissens-produktion über Lateinamerika ist Teil der Forschungsli-nie. Dazu gehört beispielsweise die Frage, inwiefern theore-tische Erklärungsmodelle, die vor einem europäischen oder US-amerikanischen Erfahrungshintergrund entstanden sind, für ein Verständnis lateinamerikanischer Realitäten geeignet sind. Es geht aber auch um die Rolle Lateinamerikas in Prozessen der internationalen Wissenszirkulation.

Kulturelle Transferprozesse werden sowohl im Hinblick auf direkte Kontakte zwischen Personen und Institutionen als auch im Hinblick auf deren Vermittlung durch Objekte (wie Artefakte, Kunstwerke, Bücher, sonstige Schriftquel-len, Periodika, Bild- und Tonträger) analysiert. Je größer der räumliche oder zeitliche Abstand zu Schriftkultur ist, desto mehr erhöht sich die Bedeutung der Objekte für das Ver-ständnis von Transferprozessen.

Mit der Forschungslinie verbindet sich das Ziel, verschie-dene disziplinäre Perspektiven miteinander in Dialog zu bringen. Zudem geht es im Sinne der Selbstreflexion auch um eine kritische Auseinandersetzung mit der eigenen For-schung über Lateinamerika.

Mehr Information: www.iai.spk-berlin.de/forschung.html

Das Ibero-Amerikanische InstitutDas 1930 gegründete Ibero-Amerikanische Institut (IAI) ist eine multidisziplinär orientierte außeruniversitäre Ein-richtung der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften. Als “Area Studies”-Institution hat es einen regionalen Fo-kus – Lateinamerika, Karibik, Spanien, Portugal – und berücksichtigt dabei auch transregionale Verflechtungen. Es besitzt damit eine genuin internationale Orientierung. Im IAI werden in einzigartiger Weise unterschiedliche Ar-beitsbereiche integriert: Bibliothek / Sondersammlungen, Forschung / Publikationen und Veranstaltungen. Die Bi-bliothek des IAI ist die weltweit zweitgrößte Sammlung zu Lateinamerika und der Karibik. Das Institut entwickelt ei-gene Forschungsaktivitäten, realisiert ein umfangreiches Publikationsprogramm und führt vielfältige wissenschaft-liche und kulturelle Veranstaltungen durch. Damit ist das Institut ein Ort der Wissensproduktion, der Wissensver-mittlung und der kulturellen Übersetzungen. Aufgrund dieses Profils nimmt das IAI eine ausgeprägte Brücken-funktion zwischen unterschiedlichen Akteuren, Institu-tionen, Wissensfeldern und Regionen wahr. Die stabilen und nachhaltigen Strukturen des Instituts sind hierbei ein entscheidender Vorteil. Seit 1962 ist das IAI Teil der Stif-tung Preußischer Kulturbesitz (SPK).

Ibero-Amerikanisches InstitutPotsdamer Straße 37, 10785 Berlin

Telefon: +49 (0)30 266 45 1500E-Mail: [email protected] | www.facebook.com/iai.berlin

Wissensproduktion und Kulturtransfer im transregionalen

Kontext

Vortragsreihe am Ibero-Amerikanischen Institut

Juli – Dezember 2017

Abb: El Lissitzky: Proun 93, © Wikimedia Commons

Das Programm der Vortragsreihe

13.07.2017, 17 Uhr, SBS: Michel Espagne: Kulturtransfers — Tendenzen gegenwärtiger Forschung

Beginnend mit den wichtigsten methodischen Punkten der Transferforschung beleuchtet Michel Espagne neue For-schungsfelder, die von diesem Ansatz ausgehen. Ein erstes Beispiel bildet die Geschichte der Geistes- und Sozialwis-senschaften, die immer noch im Rahmen nationaler Identi-tätsfindung verankert ist. An der Kunstgeschichte lässt sich

die Möglichkeit einer alternativen Fach-geschichte zeigen. Am Schnittpunkt von Anthropologie und Geographie entwi-ckeln sich Wissensformen, die europä-ische Modelle auf fremde Gebiete an-wenden. Man denke an Alexander von Humboldt in Amerika oder an die deut-sche Erkundung Sibiriens im 18. Jahr-hundert. Ein zweiter Punkt ist die Be-griffsgeschichte; sie kennzeichnet sich durch semantische Änderungen, sobald

sie von einem kulturellen Kontext in einen anderen verlagert wird. Die Kulturtransferforschung legt großen Wert auf die Kategorie des Raumes, in dem Kulturkontakte wahrnehmbar sind, und konzentriert sich gern auf die Geschichte großer Metropolen. Auch Momente der Buchgeschichte sind häufig in Kulturtransfers eingebettet. Von der Geschichte der Biblio-thek Göttingen bis zu derjenigen brasilianischer Verlage lässt sich diese Verknüpfung nachvollziehen.

Prof. Dr. Michel Espagne ist directeur de l’Unité mixte de recherche am Centre national de la recherche scientifique / École normale supérieure (CNRS/ENS), Pays germaniques: histoire, culture, philosophie.

14.09.2017, 17 Uhr, SBS: Gesine Müller: Wie wird Weltliteratur gemacht? Gabriel García Márquez als Modellfall

In diesem Vortrag geht es um die Frage, inwiefern sich auf der Ebene literarischer Produktion vielfältige Austauschbeziehun-gen zwischen den Regionen des Globalen Südens ergeben, die sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie die etablierten Zentren des Nordens in ihrer Mittler- und Selektionsfunktion umgehen. Das Werk von García Márquez soll als Modellfall dienen, um Kanonisierungsprozesse nachzuzeichnen, die auf den ersten Blick einen scheinbar “klassischen” Weg genom-men haben: über den Knotenpunkt literarischer Zirkulation der 1960er Jahre, Barcelona, nach Paris, in die USA und von dort in die Zentren der einstigen Kolonialimperien wie Bom-

bay oder Kapstadt. Neben dem wirtschaftlichen Kolonialismus ist sicher auch der politische von Bedeutung, der literarische Kanonisierungsprozesse vor allem über eine linksgerichtete internationale The-oriebildung funktionieren lässt. In die-sem Zusammenhang sind besonders die ehemalige Sowjetunion und China von Bedeutung. Neben diesen etab-lierten Zirkulationswegen sollen auch direkte Beziehungen zwischen Rezipi-enten des Globalen Südens beleuchtet werden. Welche Rolle spielen die Verla-ge in diesen hochdynamischen Selektionsprozessen?

Prof. Dr. Gesine Müller ist Professorin für Romanische Phi-lologie an der Universität zu Köln.

12.10.2017, 17 Uhr, Konferenzraum: Juan Poblete: Genealogías del Latinoamericanismo

Juan Poblete propone desarrollar las genealogías del Lati-noamericanismo como parte de su proyecto sobre Cultura post y transnacional en los Estados Unidos. El Latinoameri-canismo estadounidense es una forma específica de produc-ción de saberes metropolitanos que tiene gran circulación e influencia en la academia latinoamericana. De manera aná-loga a cómo América Latina misma ha sido extendida ha-cia el norte a través de las masivas migraciones a Estados Unidos, el Latinoamericanismo epistémico ha cuestionado la capacidad del conocimiento producido en el norte global de

captar y entender las realidades del Sur. Al mismo tiempo ha extendido nuevos y renovados puentes para conectar am-bas formas de locación y actividad inte-lectual. Las transferencias de remesas en dinero hechas por millones de mi-grantes son cada vez más importantes para las economías de América Latina. Las llamadas remesas culturales lleva-das por esos mismos migrantes a sus

países de origen cuando los visitan, son también muy influ-yentes. De modo similar, las transferencias de conocimientos latinoamericanistas circulan de norte a sur, pero también de sur a norte constituyendo la especificidad del Latinoamerica-nismo como práctica intelectual.

Prof. Dr. Juan Poblete es catedrático de literatura en la Uni-versity of California Santa Cruz. Entre septiembre y noviem-bre de 2017 lleva a cabo una investigación sobre genealogías del Latinoamericanismo en Berlín como fellow del Instituto Ibero-Americano.

09.11.2017, 17 Uhr, Konferenzraum: Susanne Klengel: Kulturelle Übersetzung und neue Orientalismus- Debatten im Kontext SUR/SOUTH

Sprachliches und kulturelles Übersetzen ist eine oft not-wendige Voraussetzung für die Aushandlung konstruktiver Formen gesellschaftlichen Zusammenlebens. Hierfür ist ein spezifisches Raum- und Zeitverständnis erforderlich, wel-ches hilft, das Übersetzen als ein “relevantes” Handeln (im Sinne von J. Derrida) zu erfassen. Im Kontext kultureller Süd/Süd-Beziehungen zwischen Lateinamerika und Indien lotet Susanne Klengel durch eine Beleuchtung des Begriffsfeldes “Orient/Orientalismus” diese Räume eines relevanten Über-setzungshandelns mit ihren Möglichkeiten und Grenzen aus. Als konkretes Textbeispiel wird Julio Cortázars poetische Re-

flexion Prosa del Observatorio (1972) betrachtet, welche von den indischen Sternwarten des 18. Jahrhunderts in Delhi und Jaipur angeregt wurde.

Prof. Dr. Susanne Klengel ist Pro-fessorin für Literaturen und Kulturen Lateinamerikas am Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin.

14.12.2017, 17 Uhr, Konferenzraum: Jens Hentschke: Philosophical Polemics, School Reform, and Nation-Building in Uruguay, 1868-1915: Reforma Vareliana and Batllismo from a Transnational Perspective

This lecture revisits Uruguay’s remarkable transformation from a volatile product of ‘balkanisation’ in the River Plate area into Latin America’s first welfare-state democracy, as-sociated with President José Batlle y Ordóñez (1903-1907, 1911-1915). Central to the country’s belated nation-building was its school reform, which started in 1868 under José Pedro Varela and was continued by Battle. Hentschke argues that con-tinuities in change prevailed over the alleged rupture of 1903. Moreover, by placing Uruguay into the broader con-text of what scholars have called the “Corridor of Ideas” from Santiago de Chile through Buenos Aires and Mon-tevideo to Porto Alegre, he shows how Uruguay acted as a crossroad of intellectuals and a laboratory for the contesta-tion, assimilation, and merger of global and autochthonous political and pedagogical philosophies.

Prof. Dr. Jens R. Hentschke is Professor of Latin American History and Politics at Newcastle University in the UK.

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