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Hans Karl Schmidt (86) erscheint pünkt- lich zum Interview und gibt gleich zu verste- hen, dass er nur wenig Zeit habe. Er befin- det sich gewissermaßen im Unruhestand. Natürlich treibt ihn Radio machen immer noch an. Internetradio. In einem Bad Hers- felder Schnellrestaurant gab Schmidt unse- rem Mitarbeiter Hendrik Leuker immerhin gut anderthalb Stunden bereitwillig Aus- kunft über seine lange Radio-Karriere. Der steile Weg zum Radio Schmidt, Jahrgang 1931, gehört einer Generation an, die um ihre Jugend und um formale Bildung betrogen wurde. Seine Kindheits- und Jugenderlebnisse hat er auch mit seinen Hörern, sowie später mit den Le- sern seines inzwischen vergriffenen Ta- schenbuchs „Berliner Geschichten“– auch als Hörbuch erschienen – geteilt. Doch dazu später mehr. Als Twen wollte Schmidt diese für heuti- ge Generationen schwer vorstellbaren ent- behrungsreichen Kriegsjahre hinter sich las- sen. 1954, nach vielen erfolglosen Lehren hierzulande und der Tätigkeit als Guard (Wächter) bei der US-Armee, schmiedete er zunächst den Plan, in die USA auszuwan- dern, bekam aber kein Visum. So kam es ihm in den Sinn, sein Glück in Kanada zu versuchen. Dort nahm er Hilfs- und Gele- genheitsarbeiten wahr, war Tellerwäscher, Schwesternhelfer und Taxifahrer. Nur Mil- lionär wurde er nicht... Er heuerte bei der Pacific Canadian Railway (kanadische Ei- senbahngesellschaft) als Koch an. Er sah auf seinen Fahrten zwischen Montreal und Vancouver die imposanten Rocky Moun- tains, ein ausgeprägtes Faltengebirge mit bis zu 4000 m hohen Bergen, das sich über den Westen der USA und Kanadas erstreckt. In diese Zeit fielen auch erste Kontakte zum Radio beim Sender CHRS in Montreal. Dort moderierte er die „Deutsche Stunde“. Im Jahr 1962 zog es Schmidt wieder in die Hei- mat. In Deutschland angekommen bewarb er sich bei Funk und Fernsehen. Es hagelte Absagen. Einzig beim in Eschborn bei Frankfurt ansässigen Freien Deutschen Fernsehen war seine Bewerbung erfolg- reich. Als er dort ankam hieß es aber, dass man gar nicht auf Sendung gehen werde. „So stand Hans wie- der auf der Gass´“, erinnert sich Schmidt lebhaft. Die als „Adenauer Fernsehen“ in Fach- und Geschichtsbü- cher eingegangene Station wurde vom Bundesverfas- sungsgericht wegen man- gelnder Staatsferne nicht zugelassen. 1963 wurde stattdessen das ebenfalls wie die ARD öffentlich- rechtliche Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) gegrün- det. Somit stand Schmidt vor der Wahl wieder zu- rück nach Kanada zu gehen oder dennoch hier zu blei- ben. Schmidt klopfte wie- der Station um Station ab. Mit mäßigem Erfolg. Zuhause in Berlin kam er nicht nur bei seiner Mutter unter, sondern überzeugte auch Chefredakteur Hans Rosenthal, der ihn beim RIAS (Radio im Amerikanischen Sektor) übergangswei- se aufnahm. Der dortige Abteilungsleiter Carste gab Schmidt schließlich den Rat, es beim zu Beginn der 1960er Jahre aufstre- benden deutschen Programm von Radio Lu- xemburg mit einer Bewerbung zu versu- chen. Das tat er mit Erfolg: Er wurde zum Vorsprechen bei der IPA in Frankfurt am Main, der Werbeagentur von Radio Luxem- burg, geladen. Der damalige Chefsprecher Camillo Felgen engagierte den Probanden vom Fleck weg und flog mit ihm am selben Abend im Frühjahr 1962 nach Luxemburg. „Atze“ – Berliner Type bei Radio Luxemburg Radio Luxemburg war dafür bekannt, dass sich die Sprecher mit dem Vornamen melden, wenngleich dieser Vorname vom Sender oft eigens für die Sprecher ausge- sucht wurde. Camillo und Annelie waren der Meinung, dass „Hans“ zu gewöhnlich klinge. „Dann nennt mich doch Heinrich!“ schlug Schmidt vor. Daraus wurde – in sei- nem Falle zunächst – Henry. Als „Henry“ meldete sich Schmidt zunächst vier Wochen lang – auf Hochdeutsch. Camillo klang die- ses zu gestylt und er legte Schmidt nahe, den Sender wieder zu verlassen. Er gab ihm aber noch drei Tage. In diesen drei Tagen baute Schmidt alias Henry seinen imaginären Bruder „Atze“ in die Sendung ein. Der war der Legende nach gerade aus Berlin einge- flogen worden, als Side-Kick würde man das heute bezeichnen, und fuhr den Henry mit Berliner Schnauze an: „Mensch Henry, wat machste hier? Du sollst nach Hause 30 Radio-Kurier – weltweit hören ® 10/2017 Radio-Köpfe Hans Karl Schmidt (Radio Luxemburg / WDR / HR) – Atze & Co. Bild oben: Weihnachtssendung in den 1970ern. Hans Karl Schmidt, „Atze & Co.“.

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Hans Karl Schmidt (86) erscheint pünkt-lich zum Interview und gibt gleich zu verste-hen, dass er nur wenig Zeit habe. Er befin-det sich gewissermaßen im Unruhestand.Natürlich treibt ihn Radio machen immernoch an. Internetradio. In einem Bad Hers-felder Schnellrestaurant gab Schmidt unse-rem Mitarbeiter Hendrik Leuker immerhingut anderthalb Stunden bereitwillig Aus-kunft über seine lange Radio-Karriere.

Der steile Weg zum Radio

Schmidt, Jahrgang 1931, gehört einerGeneration an, die um ihre Jugend und umformale Bildung betrogen wurde. SeineKindheits- und Jugenderlebnisse hat er auchmit seinen Hörern, sowie später mit den Le-sern seines inzwischen vergriffenen Ta-schenbuchs „Berliner Geschichten“– auchals Hörbuch erschienen – geteilt. Doch dazuspäter mehr.

Als Twen wollte Schmidt diese für heuti-ge Generationen schwer vorstellbaren ent-behrungsreichen Kriegsjahre hinter sich las-sen. 1954, nach vielen erfolglosen Lehrenhierzulande und der Tätigkeit als Guard(Wächter) bei der US-Armee, schmiedete erzunächst den Plan, in die USA auszuwan-dern, bekam aber kein Visum. So kam esihm in den Sinn, sein Glück in Kanada zuversuchen. Dort nahm er Hilfs- und Gele-genheitsarbeiten wahr, war Tellerwäscher,Schwesternhelfer und Taxifahrer. Nur Mil-lionär wurde er nicht... Er heuerte bei der

Pacific Canadian Railway (kanadische Ei-senbahngesellschaft) als Koch an. Er sahauf seinen Fahrten zwischen Montreal undVancouver die imposanten Rocky Moun-tains, ein ausgeprägtes Faltengebirge mit biszu 4000 m hohen Bergen, das sich über denWesten der USA und Kanadas erstreckt. Indiese Zeit fielen auch erste Kontakte zumRadio beim Sender CHRS in Montreal. Dortmoderierte er die „Deutsche Stunde“. ImJahr 1962 zog es Schmidt wieder in die Hei-mat. In Deutschland angekommen bewarber sich bei Funk und Fernsehen. Es hagelteAbsagen. Einzig beim in Eschborn beiFrankfurt ansässigen Freien DeutschenFernsehen war seine Bewerbung erfolg-reich. Als er dort ankamhieß es aber, dass man garnicht auf Sendung gehenwerde. „So stand Hans wie-der auf der Gass´“, erinnertsich Schmidt lebhaft. Dieals „Adenauer Fernsehen“in Fach- und Geschichtsbü-cher eingegangene Stationwurde vom Bundesverfas-sungsgericht wegen man-gelnder Staatsferne nichtzugelassen. 1963 wurdestattdessen das ebenfallswie die ARD öffentlich-rechtliche Zweite DeutscheFernsehen (ZDF) gegrün-det. Somit stand Schmidtvor der Wahl wieder zu-rück nach Kanada zu gehenoder dennoch hier zu blei-ben. Schmidt klopfte wie-der Station um Station ab.

Mit mäßigem Erfolg. Zuhause in Berlinkam er nicht nur bei seiner Mutter unter,sondern überzeugte auch ChefredakteurHans Rosenthal, der ihn beim RIAS (Radioim Amerikanischen Sektor) übergangswei-se aufnahm. Der dortige AbteilungsleiterCarste gab Schmidt schließlich den Rat, esbeim zu Beginn der 1960er Jahre aufstre-benden deutschen Programm von Radio Lu-xemburg mit einer Bewerbung zu versu-chen. Das tat er mit Erfolg: Er wurde zumVorsprechen bei der IPA in Frankfurt amMain, der Werbeagentur von Radio Luxem-burg, geladen. Der damalige ChefsprecherCamillo Felgen engagierte den Probandenvom Fleck weg und flog mit ihm am selbenAbend im Frühjahr 1962 nach Luxemburg.

„Atze“ – Berliner Typebei Radio Luxemburg

Radio Luxemburg war dafür bekannt,dass sich die Sprecher mit dem Vornamenmelden, wenngleich dieser Vorname vomSender oft eigens für die Sprecher ausge-sucht wurde. Camillo und Annelie warender Meinung, dass „Hans“ zu gewöhnlichklinge. „Dann nennt mich doch Heinrich!“schlug Schmidt vor. Daraus wurde – in sei-nem Falle zunächst – Henry. Als „Henry“meldete sich Schmidt zunächst vier Wochenlang – auf Hochdeutsch. Camillo klang die-ses zu gestylt und er legte Schmidt nahe, denSender wieder zu verlassen. Er gab ihm abernoch drei Tage. In diesen drei Tagen bauteSchmidt alias Henry seinen imaginärenBruder „Atze“ in die Sendung ein. Der warder Legende nach gerade aus Berlin einge-flogen worden, als Side-Kick würde mandas heute bezeichnen, und fuhr den Henrymit Berliner Schnauze an: „Mensch Henry,wat machste hier? Du sollst nach Hause

30 Radio-Kurier – weltweit hören® 10/2017

Radio-Köpfe

Hans Karl Schmidt (Radio Luxemburg / WDR / HR) –

Atze & Co.

Bild oben: Weihnachtssendung in den1970ern. Hans Karl Schmidt, „Atze & Co.“.

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kommen! Muttern sucht Dir schon undmacht sich Sorjen!“ Schmidt sprach dabeimit zwei Stimmen in ein silbernes „U 47“-Mikrofon mit der Niere vorne, das er beimSprechen drehte. Der Atze mit seiner unver-kennbaren Berliner Schnauze und der„furchtbaren Hua-Hua-Hua-Lache, die wieeine weggeworfene Blechdose klang“(Schmidt) traf den Nerv vieler Hörer. Daswar Schmidts Durchbruch in einer Livesen-dung und darüber hinaus. Er bekam einewöchentliche Show am Donnerstagabendvon 20 bis 22 Uhr namens „Atze & Co.“, imAbendprogramm, das damals nur regional(UKW) ausgestrahlt wurde. Auch war erCo-Moderator im „Briefkasten“ mit Frank(Elstner) – und „Atze als Brieföffner“(Un-tertitel). Schließlich musste jede Woche eingroßer Stapel Hörerpost beantwortet wer-den, bei der es um weltbewegende Fragenging, wie, ob man beziehungsweise FrauCamillo (Felgen) noch heiraten könne.

Radio Luxemburg hatte zu Beginn der1960er Jahre ein Alleinstellungsmerkmal:„Es gab nichts anderes in dieser Art“, meintSchmidt. „Das war der Sender mit dem Ca-millo (Felgen), dem Frank (Elstner, eigent-lich Tim Elstner), der Annelie (von Moh-renschild) und dem Franz (Enno Spielha-gen).“ Und dem „Atze“ von Mai 1962 bisApril 1968 nicht zu vergessen. Er prägte dieIdee, Radio mit Persönlichkeit zusammen-zubringen, mit seiner unkonventionellen,lockeren Art, Radio zu machen. Unverges-sen sein Einwurf, mit dem er seine Musik-auswahl verteidigte: „Da is mal een Walzerin meener Sendung und schon wird ein Rie-sen-Lamento daraus jemacht!“.

„Hallo Ü-Wagen!“

Nach seiner Zeit bei Radio Luxemburgwar Schmidt Ende der Sechzigerjahre beimWestdeutschen Rundfunk (WDR). AufWDR 2 in „Daheim und unterwegs“ hieß esjeden Donnerstag von 10 bis 12 Uhr „HalloÜ-Wagen!“. Die Hörer mussten aufgrundder dezenten Hinweise in der Sendung vonSchmidt raten, wo genau sich der Ü-Wagensamt Moderator im Sendegebiet aufhielt.Hierbei trat Schmidt Ende der Sechzigerjah-re die Nachfolge von Carmen Thomas an,die die Sendung 1974 wieder übernahm, alssie ein integraler Bestandteil des Pro-gramms von WDR 2 wurde. In dieser Zeitfiel auch Schmidts Mitwirkung beim Auf-bau des „Pop-Shops“, der als Urzelle desspäteren Vollprogramms SWF 3 (ab 1975unter Leitung von Peter Stockinger) gilt.Der „Pop-Shop“ wanderte später insAbendprogramm und machte der „Radio-thek“ von WDR 2 in dessen Sendegebietarge Konkurrenz.

Erfinderischbeim hr

Anfang der Siebzigerjah-re holte ProgrammgestalterHans Bodel Schmidt zumHessischen Rundfunk (hr).Dieser suchte kreative Köp-fe. Zunächst moderierteSchmidt im hr einmal dieWoche die „Teenager-Melo-die“ abends von 18.30 bis19.30 Uhr und präsentiertedarin bei der damaligen Ju-gend angesagte Pop- undBeat-Musik. Dann wurde ertäglich eingesetzt und kamsich mit der Zeit „verheizt“(Schmidt) vor. Ihm zur Seitewurden später Werner Rein-ke und Charlie Hickman ge-stellt, die die Sendunggleichfalls moderierten.

Schmidt galt als vielseitigeinsetzbar und moderierte imdritten hessischen Fernseh-programm (heute: hr-Fern-sehen) eine Heimwerkersen-dung namens „So wird´s ge-macht!“, in der das Reparieren von Wasser-hähnen und Kühlschränken gezeigt wurde.Auch war er regelmäßig im Abendpro-gramm von hr 1 und hr 2 zu hören. hr 3 wardamals noch ein Spartenfunk, der z.B. dieGastarbeitersendungen ausstrahlte. Die Hö-rer kritisierten zunehmend den hr, derabends „diese neumodische englische Mu-sik“ spielte. In den Gremien wurde darüberberaten. Schmidt schlug daraufhin ein Auto-fahrerprogramm vor, wie er es aus Kanadakannte. Ein Team, zu dem auch Schmidt ge-hörte, konzipierte daraufhin hr 3 neu alsServicewelle. Somit wurde Schmidt zumErfinder von hr 3.

Sendestart derServicewelle hr 3war am 23.April1972, also ein Jahrspäter als von Bayern3, aber vor SWF 3,das erst ab 1975 alsVollprogramm mitdem „Radiodienstaus Baden-Baden“auf Sendung ging. Esgab kurzzeitig Über-legungen, dass diesedrei süddeutschenServicewellen ge-meinsame Tagesstre-cken bestreiten, umKosten zu sparen.Diese vom Radiobe-

rater Grisemann von Ö3 ins Spiel gebrachteIdee wurde aufgegeben, als SWF 3 als Pop-Vollprogramm auf Sendung ging. hr 3 undBayern 3 spielten damals tagsüber noch vielSchlager und auch volkstümliche Musik,was nicht zusammengepasst hätte. Schmidthierzu: „Das wurde in den Gremien bespro-chen. Ich glaube es scheiterte auch daran,dass es technisch schwierig gewesen wäre,die Verkehrsmeldungen zu trennen. Sodürften sich bayerische Hörer nicht für diehessischen Autobahnen interessieren undumgekehrt.“ hr 3 wurde übrigens erst 1981zu einem Pop-Vollprogramm. Schmidt mo-derierte in hr 3 zum einen die „Mittagsdis-kotheke“ von 12 bis 13 Uhr, die einen ge-wissen Kultstatus erlangte, sowie im

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Radio-Köpfe

Atze Schmidt liest den Radio-Kurier.

Atze Schmidt als Kameltreiber.

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Abendprogramm „hr 3 – Top Time“ (von19.10 bis 22 Uhr), die bereits ab dem 2. Mai1976 lief und Pop, Rock, Folk und Bluesvereinte, als „Angebot für junge Leute“ (hr-Eigenwerbung) im Kontrast zum ver-gleichsweise beschaulichen Tagespro-gramm.

Im Jahr 1986 wiederholte sich gewisser-maßen Geschichte. Wieder wurde es somanchem Hörer mit der englischen Musik –hr 3 war inzwischen auch ein Pop-Vollpro-gramm! – zu viel. Aus der Hörerschaft kamder Wunsch nach Schlagern und volkstüm-licher Musik. Auch hier wirkte Schmidt mit,als es an die Konzeption des Schlagerpro-gramms hr 4 ging. Er war maßgeblich daranbeteiligt, als hr 4 am 6. Oktober 1986 ausder Taufe gehoben wurde. Dort moderierteer u.a. „Wünsch´ Dir was!“ und „Musikliegt in der Luft“. Das Musikprogrammzeichnete sich durch das Erfüllen von Hö-rerwünschen und das Auflegen von Musikaus den Bereichen Schlager, volkstümlicheMusik, Oldies und gern gehörten Ever-greens aus. 1998 nahm Schmidt in „Musikliegt in der Luft“ Hörerinnen und Hörer liveauf Sendung, die ihm und den übrigen Hö-rern erzählen sollten, was sie an diesemAbend bewegt. Diese ließen live auf der An-tenne andere Hörer an ihren aktuellen Freu-den und Leiden teilhaben. Das missfiel derProgrammleitung, die den Rückfall in Ra-diozeiten vor der Maxime der „Durchhör-barkeit eines formatierten Programms“ zumAnlass nahm, Schmidt – nach seinen Wor-ten – „hinauszukegeln“. Schmidt musste mit67 Jahren den hr ungeachtet seiner Verdien-ste verlassen. „Nach und nach habe ich er-fahren, dass die erfahrenen Moderatoren hr4 und den hr verlassen mussten“, ergänztSchmidt.

Schmidt war eine lange Zeit, von 1962 -1998, beim Medium Radio. Ist Radio vonheute gleich gut wie früher oder nicht? „Ein-deutig war es früher besser. Beim heutigenFormatradio fehlt es an den Entfaltungs-möglichkeiten für den einzelnen Moderator.Somit fehlen dem heutigen Radio (weitge-

hend) die Persönlichkeiten“, ur-teilt Schmidt über sein ange-stammtes Medium. 2016 wurde„sein“ hr 3 unter Begleitung vonHörer-Protesten in den sozialenMedien dem Programm des hes-sischen Marktführers Hit RadioFFH in der Aufmachung desProgramms angeglichen.

Weitere Sender,darunter Radio Napa

Zu seiner aktiven Zeit warSchmidt immer freier Mitarbei-

ter, und daher auch bei anderen Sendern imEinsatz, wie beim Süddeutschen Rundfunk(SDR) und bei SR 1 – Europawelle Saar. ImUnruhestand gestaltete er unter anderem ab2010 zusammen mit Freund und KollegeMatthias Welp („Atze und Matze“) einedeutschsprachige Morgensendung amSonntag um acht Uhr für „Radio Napa“ aufZypern, inspiriert von einem Urlaub dort.Diese Station, geführt von Nathan Morley,war mit dem Sonderprogramm „ChristmasConnection“ am Weihnachtstag 1998(25.12.) auf Kurzwelle 9915 KHz zu hören.

Berliner Geschichten

Eine solch lange Karriere in den Medienwar Schmidt sicher nicht in die Wiege ge-legt worden, als der kleine Hansi am 26.April 1931 in der Dankelmannstraße in Ber-lin das Licht der Welt erblickte. Diesesschon mangels des Vorhandenseins einerWiege. Für das uneheliche Kind einesDienstmädchens war schon damals der Startins Leben steinig und schwierig. Wenn dieMutter zur „Herrschaft“ arbeiten ging, wur-de der kleine Hansi oft eingeschlossen biszu dem Alter, als er zur Schule musste. Indiesem Alter standen die Großstadt Berlinund die Verwandtschaft in Schlesien zur Er-kundung an. Und leider fing bald auch derZweite Weltkrieg an. Seine Jugenderlebnis-se „Zwischen Bomben und Bienenstich“ hatHans Karl Schmidt in seinen „Berliner Ge-

schichten“, das als Taschenbuch (vergrif-fen) und als Hörbuch 2003 erschien, plas-tisch und detailliert geschildert. Dieses Hör-buch ist die Zusammenfassung von Erzäh-lungen Schmidts, die er zu Zeiten seinerModeration der hr 1-Frühsendung „GutenMorgen allerseits!“ – diese Sendung lösteim Sommer 1967 den legendären „Frank-furter Wecker“ ab – in den Siebzigerjahrenzum Besten gab. „Ich wollte damals demHörer mehr bieten als den Wetterberichtund die Uhrzeit“, fügt Schmidt hinzu. Er seidamals von den Hörerinnen und Hörern re-gelrecht aufgefordert worden, von denKriegszeiten, die in vielen Familien langeZeit unter den Tisch gekehrt wurden, denBombenhagel über Berlin und den vielenEntbehrungen aber auch von jugendlicherUnbekümmertheit zu erzählen.

Internetradio Landeck

Anfang 2011 entdeckte Schmidt das In-ternetradio als neue Wirkungsstätte für sich.Der dreifache Opa macht jetzt aufhttp://www.radio-landeck.de – so wörtlich– „Opa-Radio“ (Schmidt). Es ist Old-fas-hioned-Radio wie zu Atzes besten Zeitenauf Radio Luxemburg. Zu Gehör gebrachtwird dort vorwiegend Klassik, die „miss-brauchten“ (Schmidt) Sängerknaben bis hinzu Udo Jürgens. Übrigens schrieb Schmidtin den Sechzigerjahren zwei Lieder für die(einzige) Weihnachts-LP von Udo Jürgens.Und das kam so: Schmidt, der immer zwi-schen Luxemburg und Frankfurt am Mainpendelte, wurde eines Tages von Hans Bey-erlein, dem damaligen Manager von UdoJürgens, am Frankfurter Flughafen erkanntund wegen seiner Verse in „Atze & Co.“ beiRadio Luxemburg angesprochen. Schmidtrekapitulierte diese Verse, die schon im Pa-pierkorb in Luxemburg lagen. Diese wurdenspäter im Studio von Udo Jürgens vertont.Eigenen Versuchen, selbst zu singen („Bishier mal die Bedienung kommt!“), blieb derErfolg indes verwehrt.

Hobbys

Bleibt im Unruhestand eigentlich nochZeit für Hobbys? Schmidt geht in seinerFreizeit angeln und fotografiert gerne. Die-ses vorwiegend auf Reisen, die der rüstigeMittachtziger noch in seinem Pkw unter-nimmt.

Hendrik Leuker

Kontakt

⇒ Hans Karl Schmidt, Raiffeisenstraße 13,36277 Schenklengsfeld, Tel.: 0 66 29 -78 04. E-Mail: [email protected];Internet: http://www.radio-landeck.dehttp://www.radio-landeck.de(Webradio mit Atze & Co./Podcasts)

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