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27.04.2015
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Schnittstellen aus Sicht der Kinder- und
Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
21.4.2015 Klinikum Nordschwarzwald, Calw
J. M. Fegert, Ulm
Offenlegung möglicher Interessenkonflikte
In den letzten 5 Jahren hatte der Autor (Arbeitsgruppenleiter)
– Forschungsförderung von EU, DFG, BMG, BMBF, BMFSFJ,Ländersozialministerien, Landesstiftung BaWü, PäpstlicheUniversität Gregoriana, Caritas, CJD
– Reisebeihilfen, Vortragshonorare, Veranstaltungs- undAusbildungs-Sponsoring von DFG, AACAP, NIMH/NIH, EU,Goethe Institut, Pro Helvetia, Shire, Fachverbände undUniversitäten sowie Ministerien
– Keine industriegesponserten Vortragsreihen, „speakersbureau“
– Klinische Prüfungen und Beratertätigkeit für Servier, BMBF,Lundbeck
– Mindestens jährliche Erklärung zu conflicts of interestgegenüber der DGKJP und AACAP wegenKomissionsmitgliedschaft
– Kein Aktienbesitz , keine Beteiligungen an Pharmafirmen,Mehrheitseigner 3Li
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Proportionale Verteilung der Geldgeber
Industrie1%
Stiftungen21%
Bundesmittel + DFG56%
EU15%
Länderministerien7%
DRITTMITTELEINNAHMEN KJPP ULM 2013 NACH GELDGEBER
Gliederung
1. Schnittstellen der KJPP
2. Ausgangssituation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
3. Schnittstelle zur Jugendhilfe (Beispiel Heimkinderforschung)
4. Inklusion; „Große Lösung“ soll nun doch noch in dieser Legislatur kommen
5. Schnittstelle Schule (Schulbegleiterprojekt)
6. Fazit
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Schnittstellen und Interdisziplinarität
Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie ist ein Fach mit vielen Schnittstellen:
1. Schnittstellen innerhalb des Gesundheitswesens
- zur Grundversorgung (Pädiatrie, Allgemeinmedizin)
- zu Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und
Jugendlichenpsychotherapeuten
- zur Erwachsenenpsychiatrie (Transition)
- zur Psychosomatik
- zum öffentlichen Gesundheitsdienst
- zur Arbeitsmedizin und Sportmedizin
- etc.
Schnittstellen und Interdisziplinarität
2. Schnittstellen mit anderen Systemen
- SGB VIII (Jugendhilfe, insbesondere § 35 a SGB VIII)
Inklusionsdebatte, „große Lösung“, Unterstützung bei
Teilhabebeeinträchtigung für alle Kinder und Jugendlichen
- SGB XII (Sozialhilfe, insbesondere bei
Mehrfachbehinderung)
- Zukünftiges SGB XIV (Soziales Entschädigungsrecht;
jetzt OEG, insbesondere bei Traumafolgestörungen bei
Kindern und Jugendlichen als Verbrechensopfer)
- Schnittstelle zur Arbeitsagentur
- Schnittstelle zur Schule
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Kinderpsychiatrie „von innen“ multidisziplinär
– Nach PsychPV arbeiten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie folgende Berufsgruppen zusammen:
– Ärzte
– Psychologen
– Pädagogen
– Sozialpädagogen
– Sonderpädagogen
– Sozialarbeiter
– Ergotherapeuten
– Musiktherapeuten
– Kunsttherapeuten
– Krankengymnasten und Bewegungstherapeuten
– andere Kreativtherapeuten
– sowie im Pflege- und Erziehungsdienst, Krankenpflegeberufe, Heilerziehungspfleger und Erzieher
– Außerhalb PsychPV– Hausmeister, Verwaltung etc.
– Lehrer in der Klinikschule
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Schnittstellen und Interdisziplinarität
Im Inneren ist Kinder- und Jugendpsychiatrie pluridisziplinäraufgestellt. Therapeutisch arbeiten Ärztinnen/Ärzte, Psychologische Psychotherapeutinnen/Psychologische Psychotherapeuten, Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeutinnen/Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie unterschiedliche Kreativtherapeutinnen/Kreativtherapeuten, Arbeitstherapeutinnen/Arbeitstherapeuten, Ergotherapie, Musiktherapie, Kunsttherapie vor allem im stationären und teilstationären Setting.
Der Pflege- und Erziehungsdienst ist auch pluridisziplinäraufgestellt: Krankenpflegerinnen/Krankenpfleger, Heilerziehungspflegerinnen/Heilerziehungspfleger, Erzieherinnen/Erzieher, Sozialpädagoginnen/Sozialpädagogen und Pädagoginnen/Pädagogen.
Fallbezogene Sozialarbeit gehört nach der noch geltenden Psychiatriepersonalverordnung zur notwendigen Strukturqualität.
Problematik: Versäulung der Systeme
Hilfesysteme haben ihre eigenen Hilfelogiken, Bewilligungswege und Prozeduren, die oft nicht aufeinander abgestimmt sind.
Wichtig zu beachten:
Vorrangigkeit und Nachrangigkeit von Leistungsansprüchen
Für gelingende Zusammenarbeit ist es wichtig die jeweiligen Rahmenbedingungen der Vernetzungspartner zu kennen
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ASpeKT –Aussagen zu Schnittstellen bei psychisch erkrankten Kindern und Teens
Grundsätzliche Fragestellung :
Läßt sich durch ein individuelles Hilfeprozessmanagement die Versorgung von Jugendlichen mit schwierigen Verläufen psychischer Störungen verbessern?
Hierfür sollen die Verläufe von Installation und Umsetzung von Hilfen für psychisch erkrankte oder von seelischer Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche und deren Familien nacheinem stationären Aufenthalt beobachtet, sowie die erhaltenen Förderungen und möglichen Hilfeangebote dokumentiert und evaluiert werden.
ASpeKT - Ziel
Dabei sollen Aussagen getroffen werden zu
• Aktuellen Kooperationsstandards an den Schnittstellen für Hilfen für Kinder und Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen.
• Möglichen Faktoren, welche Kindern und Jugendlichen einen Verbleib in ihrem Lebensmilieu (Elternhaus, Heim) ermöglichen
• Faktoren, welche Schwierigkeiten rund um stationäre Aufnahme und Entlassung bedingen
• Versorgung und Behandlung von Kindern und Jugendlichen unter Einbezug der Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Trägern der Hilfeangebote
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ASpeKT - Struktur
• Zwei Modellregionen:
• Calw – zuständig Frau PD Dr. Schulze, Frau Lingg
• Ravensburg/Bodenseekreis– zuständig Frau Dr. Böge, Frau Williams
• Insgesamt 400 Patienten im Alter 5-17,11 Jahre
• Patientenrekrutierung und Datenerhebung: 1 Jahr
• Nachbefragungs- und Auswertungszeitraum: 1 Jahr
• Ergebnisse sind 2017 zu erwarten
Nach Einverständnis, vier Datenerhebungszeiträume:
• T1 – bei Aufnahme in die Studie
• T2 – bei Entlassung
• T3 und T 4 – 6 Monate zw. 12 Monate nach Entlassung
Erhoben werden: Schwere der noch vorliegenden Symptomatik, Patientenzufriedenheit, Verlauf der Hilfen, Basisdaten
Gliederung
1. Schnittstellen der KJPP
2. Ausgangssituation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
3. Schnittstelle zur Jugendhilfe (Beispiel Heimkinderforschung)
4. Inklusion; „Große Lösung“ soll nun doch noch in dieser Legislatur kommen
5. Schnittstelle Schule (Schulbegleiterprojekt)
6. Fazit
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Ausgangssituation in der Kinder- und Jugend-psychiatrie und -psychotherapie
• kinder- und jugendpsychiatrische Abteilungen umfassen im Mittel 40,7 Betten (Quelle: Statistisches Bundesamt und Gesundheitsbericht 2012 des BMG)
• 143 Einrichtungen in der BRD mit 5.825 Betten
• Versorgungsgebiete der Abteilungen in Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie sind im Durchschnitt dreimal so groß wie die Versorgungsgebiete der Erwachsenenpsychiatrie
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Leistungsverdichtung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
•Verweildauer in der stationären KJP, seit Einführung der Psych-PV um 71 % verkürzt
•Fallzahlen fast verdreifacht
•Zunahme von Notfall- und Krisenaufnahmen (Englert & Matkey 2004, 30 % der Gesamtaufnahmen)
•Nach dem § 21 Datenfile zwischen 2011 und 2013 Werte bis zu 48 % Notaufnahmen außerhalb der Dienstzeiten zwischen 17.00 Uhr – 8.00 Uhr und am Wochenende
•Krankenhausplanung Baden-Württemberg geht von 40 % ungeplante Aufnahmen bei knapp der Hälfte der kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtungen aus. Bei einem Viertel sogar 50 % Quote
•Vergleich: Zunahme von 50 % der Inobhutnahmequote in der Jugendhilfe zwischen 1995 und 2013 (Statistisches Bundesamt 2014)
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Modellvorhaben sind in der Kinder- und Jugendpsychiatrie besonders notwendig
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• Im Ausland hat sich in der Kinder- und Jugendpsychiatrie mittlerweile eine differenzierte Versorgungskette mit aufsuchenden Behandlungsansätzen etc. entwickelt. In Deutschland ist aufwendige intensive Behandlung immer noch an das um Mitternacht belegte Bett oder den Tagesklinikplatz gebunden.
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Nur 2 sog. Modelle entstehen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
Modellparagraph § 64b SGB V sah die Entwicklung von Modellen in jedem Bundesland, unter besonderer Berücksichtigung der Kinder- und Jugendpsychiatrie vor.
§ 64b SGB V Modellvorhaben zur Versorgung psychisch kranker Menschen
(1)Gegenstand von Modellvorhaben nach § 63 Absatz 1 oder 2 kann auch die Weiterentwicklung der Versorgung psychisch kranker Menschen sein, die auf eine Verbesserung der Patientenversorgung oder der sektorenübergreifenden Leistungserbringung ausgerichtet ist, einschließlich der komplexen psychiatrischen Behandlung im häuslichen Umfeld. In jedem Land soll unter besonderer Berücksichtigung der Kinder- und Jugendpsychiatrie mindestens ein Modellvorhaben nach Satz 1 durchgeführt werden; dabei kann ein Modellvorhaben auf mehrere Länder erstreckt werden. Eine bestehende Verpflichtung der Leistungserbringer zur Versorgung bleibt unberührt. § 63 Absatz 3 ist für Modellvorhaben nach Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass von den Vorgaben der §§ 295, 300, 301 und 302 sowie des § 17d Absatz 9 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes nicht abgewichen werden darf. § 63 Absatz 5 Satz 1 gilt nicht. Die Meldung nach Absatz 3 Satz 2 hat vor der Vereinbarung zu erfolgen.
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Continuum of CareAACAP 2008
Praxis oder Ambulanz (Institutsambulanz)
Intensives Case Management (kombinierte psychiatrische, medizinische, rechtliche und soziale Hilfen) community based
Home-based treatment services
Family support services
day treatment program
Tagesklinik = partial hospitalisation
Emergency/Crisis services
Hospital treatment (Vollstationäre Behandlung)
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Programm, welches in Yale entwickelt wurde.
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Child Psychiatric Home-Based TreatmentHome-Based Multi Systemic Therapy (Henggeler 1998,2002)
Multiple Wirknachweise vor allem in Bezug auf Störungen des Sozialverhaltens in unterschiedlichen Ländern und Settings (z.B. USA, Norwegen, Schweiz)
Cochrane Review MST Littell 8 Studien erfüllen Einschlusskriterien ( Delinquenz) : inkonsistente Ergebnisse im Gegensatz zu anderen (nicht unabhängigen) Reviews
Bislang Anträge in Deutschland nicht realisiert wegen ressortüberschreitender Finanzierung
Schulbasierte Intervention
In den USA erhalten 70 % - 80 % aller Kinder, die Interventionen zur Förderung der seelischen Gesundheit erhalten, diese in der Schule (Hoagwood K. et al. 2001)
Rones, M. und Hoagwood, K. 2000 School-Based Mental Health Services: A Research Review
- 47 Studien zeigen, dass es eine Reihe von Programmengibt, die positive Einflüsse auf emotionale und Verhaltensprobleme haben
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Gliederung
1. Schnittstellen der KJPP
2. Ausgangssituation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
3. Schnittstelle zur Jugendhilfe (Beispiel Heimkinderforschung)
4. Inklusion; „Große Lösung“ soll nun doch noch in dieser Legislatur kommen
5. Schnittstelle Schule (Schulbegleiterprojekt)
6. Fazit
Themenschwerpunkt Kindheit und Entwicklung zur Schnittstelle KJPP und Kinder- und Jugendhilfe
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Schnittstelle Jugendhilfe – Kinder- und Jugendpsychiatrie
Vor Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes Streit um „Verhaltensauffälligkeiten“. Zuständigkeit der Jugendhilfe vs. Zuständigkeit der Kinder- und Jugendpsychiatrie
„Drehtüreffekte“, insbesondere bei Heimkindern
Mit der Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetztes 1990 zunächst Debatte um große Lösung, dann Realisierung der kleinen Lösung. Zuständigkeit der Jugendhilfe für die Kinder und Jugendlichen mit seelischer Behinderung.
Aktuell neue Debatte um Umsetzung der Inklusion im Kindes-und Jugendalter (13. Kinder- und Jugendbericht und positive Stellungnahme der damaligen Bundesregierung). Verzögerung in der letzten Legislaturperiode. Jetzt Neustart mit Ansage
Bereich Schule mit ganz unterschiedlichen Lösungen in einzelnen Bundesländern Treiber der Inklusionsdebatte
PEPP Entgeltreform in der Psychiatrie verhindert kreative sektorübergreifende Versorgungsmodelle im natürlichen Milieu
Exklusion ist teuer (EU Grünbuch)
Abb.: Langzeitkosten psychischer Gesundheitsprobleme, umgerechnet auf Euro zum Preisniveau 2002 (Scott, Knapp, Henderson & Maughan,2001. Umrechnung in Euro durch David McDaid, Mental Health Economics European Network).Quelle: Scott, S., Knapp, M., Henderson, J. & Maughan, J. (2001). Financial costs of social exclusion. Follow-up study of anti-social children into adulthood. British Medical Journal, 323, 191-196.
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Kooperation an der Schnittstelle zur Jugendhilfe: Kommunikation „auf Augenhöhe“
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Aus dem Diskussionspapier des BVkE
Heimkinderforschung
• Ulmer Heimkinderstudie
• Pädzi (CJD)
• Heimkinderinterventionsstudie (BMBF)
• MAZ (Schweiz)
• Modellversuch Traumapädagogik(Themenheft Trauma und Gewalt)
• Neuer Katamnese Modellversuch in der Schweiz beantragt
• Deutschland Zeit für eine neue Jugendhilfe Effekte Studie?
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Heimkinder
Kinder/Jugendliche in Heimen/Pflegefamilien haben häufig Risikofaktoren für psychische Auffälligkeiten: Armut, nichtintakte Familien, Vernachlässigung, sexuelle und körperliche Misshandlung, Beziehungsabbrüche (Burns et al., 2004; Ford et al., 2007; Lelliott, 2003; Meltzer et al., 2003, Richardson et al., 2002)
Kinder in Heimen haben viel häufiger Verhaltensprobleme und emotionale Probleme als Kinder aus der Normalbevölkerung (50% vs. 4% resp. 23% vs. 4%) (Sempik et al., 2008; Rutter, 2000)
Heimkinderstudie in Baden Württemberg (Schmid et al., 2008):
„Psychische Störungen (nach ICD) sind bei Heimkindern die Regel – nicht die Ausnahme“. Nur 42% haben keine Störung, 39% mindestens 2 Diagnosen:
• SSV: 26% (1♂:1♀)
• SSV+ADHS: 22% (4♂:1♀)
• ADHS: 2% (4♂:1♀)
• Depression/Dysthymie: 10% (1♂:2♀)
• Angst: 4% (1♂:3♀)
• Substanzabusus: 9% (4♂:1♀)
• Enuresis: 6% (1♂:1♀)
http://www.capmh.com
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Modellversuch zur Abklärung und Zielerreichung in stationären Massnahmen der Schweiz
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Psychische Auffälligkeiten (CBCL)
Vergleich zur Normpopulation (CBCL)
0
5
10
15
20
25
30
<45 <50 <55 <60 <65 <70 <75 <80 ≥80
T-Wert-Klassen
rela
tive
Häu
fig
keit
Normpopulation MAZ.-Stichprobe gesamt
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Ergebnisse der Schweizer Heimkinderstudie (MAZ)
N=414
Traumatisierung im ETI (Essener Traumainventar):
Trauma
47% der Jungen und 71% der Mädchen erlebten bereits ein traumatisches Ereignis.
N=462
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Trauma
60% der Mädchen und 39% der Jungen erlebten multiple Traumatisierungen (z.B. mehrmaliger sexueller Missbrauch, auch durch eine Person)
N=461
N=462
Ziele der Ulmer Heimkinderinterventionsstudie
- Optimierung der ambulanten Behandlungsangebote (Niedrigschwelligkeit, Frühzeitigkeit)
- Verbesserung der Komplementarität von JH und KJPP
- Wirksamkeitsüberprüfung eines multimodalen ambulant-aufsuchenden Behandlungsprogramms
- Sicherstellung von Behandlungs- und Beziehungskontinuität durch Vermeidung von Abbrüchen und Institutionswechseln
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Intervention (1)
1.) Sprechstunden in den Jugendhilfeeinrichtungen
(aufsuchend, hochfrequent, niederschwellig, institutionelle
und personelle Kontinuität der Behandlung)
2.) Multimodale Behandlung
(Beratung im Hilfeprozess, Psychoedukation, Medikation, Elterngespräche/Familientherapie, Psychotherapie, Beratung der Jugendämter)
3.)Multidisziplinäre Kooperation mit allen Mitarbeitern in den Jugendhilfeeinrichtungen
(Pädagogen, Heilpädagogen, Lehrern, Psychologen, Heimleitung)
Intervention (2)
4.) Spezielle Gruppenpsychotherapieangebote(Soziale Kompetenz, Emotionsregulation).
Tandemlösung Mitarbeiter der Jugendhilfe/KJPP, da Implementierung des Angebots innerhalb der Einrichtungen angestrebt
5.) Mehrstufige Kriseninterventionsvereinbarungen (siehe folgende Folie)
6.) Fortbildungsmodule für die Einrichtungen überbedeutsame Störungsbilder
– Hyperkinetische Störungen– Einsatz von Psychopharmaka– Aggressive Verhaltenstörungen– Suchtprävention– Selbstverletzung und Suizidalität
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KJP Ulm
KJP Weissenau
KJP Lüneburg
Praxis Dr. Hoehne
Praxis Dr. Crasemann
Kontrolleinrichtungen
Interventionseinrichtungen
Heimkinderinterventionsstudie BMBF und Krankenkassen gefördert
Design: case-flow
n=781Screening
TAUn=336
Implementierung des Liaison-Service
n=288
6 Monate
TAUn=231
FOLLOW
UP
1
Fortsetzung desLiaison-Service
n=215
6 Monate
FOLLOW
UP
2
ausgeschlossen=> n=157
einge-schlossen
n=624
Lost for follow-up: n=178
Lost for follow-up: n=50
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Stationäre Behandlungstage
2,47
1,3
0,5
0,75
1
1,25
1,5
1,75
2
2,25
2,5
2,75
Behandlungstage pro Personin 12 Monaten
KGIG
Praktische Erfahrungen
Umsetzung eines Kontrollgruppendesigns imnaturalistischen Setting war erfolgreich
überregionale Umsetzung des Modellprojekts, unterschiedliche Versorgungsregionen und -strukturen eingeschlossen
großes Interesse und hohe Akzeptanz des Projekts Durch das Angebot von Hilfen im natürlichen Milieu
konnten sehr viel mehr Kinder und Jugendliche frühzeitig erreicht werden
hohe Zufriedenheit mit der Kooperation und den Behandlungsmodalitäten
Selbst Krisensituationen wurden besser geklärt
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sehr zufrieden
Zufriedenheit der Jugendhilfe
4,46
3,82
4,36
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
4,5
5
Kooperation KJP Krisen Behandlung
Zufriedenheit (n=11)
unzufrieden
Gliederung
1. Schnittstellen der KJPP
2. Ausgangssituation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
3. Schnittstelle zur Jugendhilfe (Beispiel Heimkinderforschung)
4. Inklusion; „Große Lösung“ soll nun doch noch in dieser Legislaturperiode kommen
5. Schnittstelle Schule (Schulbegleiterprojekt)
6. Fazit
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UN-BehindertenrechtskonventionÜbereinkommen und Zusatzprotokoll am 13. Dezember 2006 in New York verabschiedet
– 3. Mai 2008 nach Ratifizierung durch 20 Vertragsstaaten in Kraft getreten. Alle EU-Mitgliedsstaaten bis auf Lettland haben die Konvention ratifiziert, 16 das Zusatzprotokoll unterzeichnet
– UN-Behindertenrechtskonventivon ist 2 Jahre nach
Unterzeichnung am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft getreten
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Integration versus Inklusion
Artikel 3 UN-Behindertenrechtskonvention „volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft“,
Diversity Ansatz: „Achtung der Unterschiedlichkeit von Menschen mit Behinderung und die Akzeptanz dieser Menschen als Teil der menschlichen Vielfalt und der Menschheit“
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Inklusion ein wichtiges Thema für Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie
• interdisziplinäres Querschnittsthema welches viele betroffene Familien und viele spezialisierte Institutionen angeht
• Veränderung von Schule und Einrichtungen der Jugendhilfe ebenso notwendig wie sektorübergreifende Behandlung im Milieu
• Neue normative Grundlage für die systemübergreifende Unterstützung der Teilhabe erforderlich
Generelle Aspekte der Teilhabebeinträchtigung
zu beachtende Elemente (entsprechend von der WHO in der ICF verwendet):
– die Pervasivität, d.h., ob das Störungsbild in mehreren Bereiche Auswirkungen hat, z.B. ob eine Funktionsbeeinträchtigung sich in der Familie, in der Schule und auch in der Freizeit auswirkt, oder ob die Funktionsbeeinträchtigung nur auf einen Bereich beschränkt ist. Die Pervasivität trägt erheblich zum Ausmaß der Beeinträchtigung bei.
– die Intensität, d.h., ob das Störungsbild in einem (oder mehren) Bereich(en) so stark ausgeprägt ist, dass die Stärke der Funktionsbeeinträchtigung nicht mehr mit einer Teilhabe vereinbar ist. Das bedeutet, dass z.B. auch bereits ein Bereich genügt, um eine Teilhabebeeinträchtigung festzustellen, obwohl das Funktionsniveau in den anderen Bereichen hoch und ausreichend sein kann.
– die Chronizität, d.h. die Dauer der Funktionsbeeinträchtigung. Für die Chronizität liegt bereits in der Norm des §35a KJHG ein Kriterium vor, da dort der Halb-Jahreszeitraum in der Regel vorausgesetzt wird
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Große Lösung
Thema „sozialrechtliche Zuordnung von Kindern mit Behinderung“ ist
eine alte Diskussion:
„Große Lösung“ (Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für alle
Kinder und Jugendliche) ist 1990 mit dem SGB VIII insbesondere an
zwei Schwierigkeiten gescheitert: Vorbehalte der
Betroffenenverbände (Angst vor einer
Leistungsverschlechterung sowie einer
Sozialpädagogisierung von Problemen) und die Aufteilung
zwischen örtlichen und überörtlichen Trägern
SGB VIII = Umsetzung der kleinen Lösung: Leistungen für seelisch
behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35a SGB VIII) ist angesichts
der Inklusionsdebatte nicht mehr zeitgemäß
Inklusion
Gleichstellung mit anderen Behinderten
Grppe der behinderten Erwachsenen
Kinder
KJHG
SGB VIII
Behinderung und Teilhabe
SGB IX
Hilfen für behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder
Auf dem Weg zur großen Lösung?
u
Problem der Zuordnung der Kindermit Mehrfachbehinderungen
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(Verpasste) Chancen „große Lösung“
• 1990 bei Einführung des KJHG
• Nach dem 13. Kinder- und Jugendbericht und der Stellungnahme der Bundesregierung
• Nach den Ergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe
• Nach der Wahl 2013 – nichts konkretes zur Inklusion und „großer Lösung“ im Koalitionsvertrag
• Abkoppelung von der Entwicklung im Erwachsenenalter: Teilhabegeld, pers.Budget für Komplexleistungen
• Neustart 2015 bis Herbst soll Gesetzentwurf vorliegen
13. Kinder- und Jugendbericht… ausgewählte zentrale Erkenntnisse:
Der Hilfebedarf wird häufig aus einer Angebots-und Institutionenlogik heraus formuliert und nicht vom Bedarf des Kindes oder Jugendlichen.
Die Praxis der Leistungsträger ist durch Abgrenzungen und Zuständigkeitsverweis zwischen Sozialhilfe und Jugendhilfe (und auch Krankenkassen) geprägt. Komplexleistungen und Mischfinanzierungen spielen kaum eine Rolle.
Es entstehen an den Schnittstellen der Systeme „Verschiebebahnhöfe“ und bisweilen „schwarze Löcher“.
Kindertagesstätten als Ausnahme: Hier haben wir es bundesweit mit einem flächendeckenden Ausbau integrativer Angebote zu tun.
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Gliederung
1. Schnittstellen der KJPP
2. Ausgangssituation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
3. Schnittstelle zur Jugendhilfe (Beispiel Heimkinderforschung)
4. Inklusion; „Große Lösung“ soll nun doch noch in dieser Legislatur kommen
5. Schnittstelle Schule (Schulbegleiterprojekt)
6. Fazit
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Schulbegleiter
Schulbegleiter helfen bei:
•Verhaltensauffälligkeiten,
• Kommunikation im Unterricht
• Vernetzung zwischen Eltern und Schule
• der Alltagsbewältigung (Arbeitsstrukturierung)
• Lernhilfe (wobei sie keine Hilfslehrer sind!)
• notwendiger Pflege und medizinischer Versorgung (vor allem bei Körperbehinderungen)
• Stress- und Emotionsregulation
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Onlinebefragung von insgesamt 3.553 Schulen
- Anzahl der eingesetzten (SB)
- Einsatzort (Schulart, Klassenstufe) der SB
Rückantwort (per Mail, Fax, postalisch oder telefonisch)
erhalten von 1.696 (47,7%) Schulen
Davon gaben 592 Schulen (34,9%) an, mindestens einen SB zu
haben.
Befragung aller allgemein bildenden Schulen in Baden-Württemberg
Projekt der Baden-Württemberg Stiftung
Vorläufige Daten des Inklusionsprojekts
• Ca. jedes 241. Kind hat einen SB
• In ca. 65% der Schulen gibt es einen SB
• Die meisten SB sind in den ersten Klassen; Abnahme der Anzahl SB je Zunahme der Klassenstufe
Prozentuale Verteilung der SB je Schulform
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Prozentuale Verteilung der Behinderungen/Beeinträchtigungender Kinder/Jugendlichen die SB erhalten
Projekt der Baden-Württemberg Stiftung
Prozentuale Verteilung der Störungen von Kindern/Jugendlichen mit seelischer Behinderung die SB erhalten
Projekt der Baden-Württemberg Stiftung zur Inklusion
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Gliederung
1. Schnittstellen der KJPP
2. Ausgangssituation in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie
3. Schnittstelle zur Jugendhilfe (Beispiel Heimkinderforschung)
4. Inklusion; „Große Lösung“ soll nun doch noch in dieser Legislatur kommen
5. Schnittstelle Schule (Schulbegleiterprojekt)
6. Fazit
Fazit
Die „schwierigsten“ Kinder brauchen komplexe Hilfen aus unterschiedlichen Systemen
Aufsuchende Ambulanzmodelle sind ermutigend und gewährleisten die störungsspezifische Versorgung von mehr Jugendlichen
Wesentliche Schnittstellen zum Gesundheitswesen:
Jugendhilfe
Schule
Arbeit
Beispiele Heimkinder
Schulbegleitung
Inklusion und Neudefinition der sozialrechtlichen Schnittstellen durch große Lösung, erfordert neue Modelle der Zusammenarbeit
Fortbildungsbedarf
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„Es gibt keine großen Entdeckungen
und Fortschritte, solange es noch
ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“
Albert Einstein
* 1889 Ulm
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie / Psychotherapie des Universitätsklinikums Ulm
Steinhövelstraße 589075 Ulm
www.uniklinik-ulm.de/kjpp
Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert